Stellungnahme

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Stellungnahme
Stellungnahme des CLV-Verlages (Stand 25.08.13)
Tony Anthony: Den Tiger zähmen – Eine wahre Geschichte?
Das Buch wurde in 25 Sprachen übersetzt und weltweit nach manchen Berichten1 über 1,5 Millionen
Mal verkauft. Der britische Verlag Authentic Media spricht von 600.000 bis 750.000 Exemplaren
weltweit.2 2010 war der Autor Hauptredner beim internationalen Weltgebetstag der Evangelischen
Allianz in London. 2005 wurde das Buch mit dem Preis der Vereinigung Christlicher Buchhändler in
Großbritannien ausgezeichnet. Der CLV-Verlag verkaufte ca. 80.000 Exemplare der
deutschsprachigen Ausgabe. Auf dem Klappentext ist der Anspruch dokumentiert, es handele sich
um »eine wahre Geschichte«. Inzwischen haben sowohl der englische Verlag Authentic Media3 auch
der CLV-Verlag das Buch sowie weitere Veröffentlichungen von Tony Anthony vom Markt
genommen.
Bereits seit dem Erscheinen des Buches im Jahr 2004 sind Fragen nach der Glaubwürdigkeit der
Geschichte aufgetaucht. Eine Überprüfung der Angaben des Buches wurde 2012 durch Mike Hancock
eingeleitet. Er ist ehemaliger Direktor von Avanti Ministries, einer Missionsgesellschaft, die zur
Unterstützung der evangelistischen Arbeit von Anthony gegründet wurde und eine Reihe weiterer
Mitarbeiter beschäftigte. »Ich verstand, dass ich eine moralische und ethische Verantwortung hatte,
sicherzustellen, dass die Geschichte gründlich durch die Fakten bestätigt werden konnte.«4
Zusammen mit einem anderen ehemaligen Direktor der Missionsgesellschaft und einigen weiteren
besorgten Christen untersuchte er die Hintergründe und stellte die Ergebnisse sowohl der
Evangelischen Allianz in Großbritannien als auch Avanti Ministries zur Verfügung. Daraufhin setzten
die beiden Organisationen eine Untersuchungskommission ein. Diese kam zu dem Schluss, dass
»weite Teile des Buches Den Tiger zähmen und damit zusammenhängender Materialien, die den
Anspruch erheben, die wahre Geschichte Tony Anthonys zu erzählen, genau dies nicht tun«.5 Der
Untersuchungsbericht führte dazu, dass Avanti Ministries sowohl die Unterstützung für das Buch
zurückzog als auch »nach viel Gebet entschieden hat, dass die Zeit gekommen ist, ihren Dienst zu
beenden«.6
Der Untersuchungsbericht der zuletzt genannten Kommission wurde nicht veröffentlicht. Details, die
z. B. von Crosswire, einem christlichen Online-Blog des Journalisten Gavin Drake,7 und von The
Guardian8, der drittgrößten Zeitung Großbritanniens,9 veröffentlicht wurden, stammen aus den
Nachforschungen von Mike Hancock und seinen Mitarbeitern. Diese nennen u. a. folgende
Ungereimtheiten:
1
http://www.theguardian.com/world/2013/jul/28/tony-anthony-kung-fu-sham (19.08.13)
http://crosswire.org.uk/tag/tony-anthony/
2
http://www.christianitymagazine.co.uk/Browse%20By%20Category/features/Shaming%20the%20Tiger.aspx
(25.08.13)
3
laut The Guardian, http://www.theguardian.com/world/2013/jul/28/tony-anthony-kung-fu-sham (19.08.13)
4
zitiert in http://crosswire.org.uk/tag/tony-anthony/ (19.08.13)
5
http://eauk.org/current-affairs/media/press-releases/joint-evangelical-alliance-and-avanti-ministriesstatement.cfm (19.08.13)
6
http://www.avantiministries.com/ (19.08.13)
7
Der Bericht wurde am 01.07.2013 veröffentlicht http://crosswire.org.uk/tag/tony-anthony/
8
Online-Ausgabe vom 27.07.2013
9
laut http://de.wikipedia.org/wiki/The_Guardian
1
In dem Buch berichtet Anthony, dass er im Alter von vier Jahren nach China gebracht und dort von
seinem Großvater, einem Kung Fu-Großmeister und Abkömmling einer der fünf Mönche, die aus dem
ursprünglichen Shaolin-Tempel entkommen waren, mit brutalen Methoden als Kung Fu-Kämpfer
ausgebildet wurde. Die Untersuchung durch Mike Hancock und seine Mitstreiter jedoch kommt zu
dem Ergebnis: »Anthonys Großvater war ein Mitarbeiter in einer Wäscherei in Cardiff und besaß
später ein Café in Streatham. Er starb sieben Jahre, bevor Anthony geboren wurde.« Laut Crosswire
behauptet Tony Anthony weiterhin in öffentlichen Vorträgen, er sei von einer Person, die er
Großvater nannte, die allerdings ein »entfernter Verwandter« sei, als »Teil einer komplexen
Familienvereinbarung« nach China zwecks Kampfsportausbildung gebracht worden.10 Auf seiner
Homepage schreibt er: »Ich akzeptiere jetzt vollständig, dass einige Angaben in dem Buch nicht
mehr geschichtlich zutreffend sind. Zum Beispiel wurde ich als sehr kleiner Junge zu der Annahme
erzogen, der Mann, in dessen Haus ich lebte und der mich in Kung Fu trainierte, sei mein Großvater.
Seitdem ist ans Licht gekommen, dass dieses Individuum nicht mein biologischer Großvater war.
Während ich jetzt anerkenne, dass dies die faktische Wahrheit ist, kann ich nicht akzeptieren, dass
die Wiedergabe meiner Erinnerung in Den Tiger zähmen nicht korrekt ist. Es ist weithin anerkannt,
dass es normal ist, dass Leute vergangene Ereignisse unterschiedlich erinnern. Darüber hinaus ist es
unfair und unbegründet, wegen solcher Ungenauigkeiten der Fälschung bezichtigt zu werden.«11
Carl Chambers, ein Mitglied der Untersuchungsgruppe um Mike Hancock, behauptet, Tony wäre
nicht in der Lage, grundlegende kantonesische oder Mandarin-Schriftzeichen zu erkennen, und er
könne kaum Wörter in dieser Sprache sprechen, obwohl er in seinem Buch schrieb, dass seine erste
Sprache Kantonesisch wurde12 und er Kalligrafie studierte.13 Laut Chambers sagte er in einem
Gespräch, kantonesische Wörter für Großvater und Kung Fu vergessen zu haben.14
Anthony behauptet, sein Vater sei Italiener. In Wirklichkeit war er laut Crosswire aus Zypern und
anglisierte seinen Namen von Athanasiou zu Anthony. Eine Überprüfung der Behauptungen in der
Biografie wurde erschwert durch die Tatsache, dass Anthony unter dem Namen Adonis Andreou
Athanasiou im Geburtsregister verzeichnet war und er sein Geburtsdatum gefälscht hatte.15
Ein häufig erhobener Vorwurf ist, dass es für die Behauptung, Anthony sei dreifacher Weltmeister in
Kung Fu, keine Belege gibt. Auf der Homepage Anthonys gab es dazu folgende Erklärung: »Die
Wettkämpfe, an denen Tony Anthony teilnahm, sind über 200 Jahre alt. Sie stammen aus der GongSoo-Tradition, die auf die Mandschu-Dynastie zurückgeht. Diese Wettkämpfe werden in der
Volksrepublik China durchgeführt, und weil sie so speziell sind, weiß Tony nichts über
Veröffentlichungen außerhalb der eingeweihten Kreise. Dies ist ein anderer Grund, warum Tony
Anthony sehr bezweifelt, dass diese Wettbewerbe durch eine Google-Suchmaschine angezeigt
werden.«16 Durch diese Angaben entziehen sich die angeblichen drei »Titel« natürlich jeder
Überprüfung und lassen die ambitionierte Bezeichnung »Weltmeister« in einem fragwürdigen Licht
erscheinen. Die Überprüfung des Buchtextes ergab, dass mehrere Abschnitte über Einzelheiten der
10
zitiert in http://crosswire.org.uk/tag/tony-anthony/ (19.08.13)
http://www.tonyanthony.co.uk/ (19.08.13)
12
Anthony, Tony: Den Tiger zähmen, Bielefeld, 2009², S. 52
13
Anthony, op. cit., S. 40
14
https://sites.google.com/site/tonyanthonyquestions/
15
http://www.christianitymagazine.co.uk/Browse%20By%20Category/features/Shaming%20the%20Tiger.aspx
16
zitiert von crosswire
11
2
Kung Fu-Technik Plagiate darstellen: Ausführungen über das »Südliche Schlangen-Kung-Fu«17
beispielsweise sind fast wörtlich von einer Homepage über Kampfsportarten übernommen.18 Ein
Abschnitt wurde aus einem Buch über Bruce Lee abgeschrieben.19
Die im Zuge der Nachforschungen gefundene Geburtsurkunde enthüllt seine wahre Identität. Er
wurde 1971 als Andonis Andreou Athanasiou geboren und hat laut Crosswire sein Alter sowohl in der
Biografie als auch bei seiner Hochzeit und gegenüber Avanti Ministries falsch angegeben. Legt man
sein wahres Alter zugrunde, hätte er je nach Version des Buches als 13- oder 14-Jähriger bzw. als 16oder 17-Jähriger fünfköpfige Sicherheitsteams geleitet, bewaffnete Kidnapper in der Schweiz
überwältigt und waffenstarrende Verfolgungsjagden im James-Bond-Stil in Riad erlebt.20
In Den Tiger zähmen berichtet Tony von einer Verurteilung zu einer 15-monatigen Haft wegen
Fahrerflucht nach einem tödlichen Unfall, Irreführung der Justiz und Belästigung. Nach seiner
Darstellung hörte er beim Überqueren einer Kreuzung so etwas wie ein Klopfen am Auto, stieg aus
und stellte fest, dass der rechte Scheinwerfer zerbrochen war, »aber sonst war nichts zu sehen«. In
der Annahme, es sei ein Fuchs oder ein kleines Reh gewesen, das ins Unterholz gehinkt sei, wäre er
weitergefahren.21 Laut den Unterlagen der Polizei und des Gerichtsverfahrens – so Crosswire – wurde
jedoch das Unfallopfer, eine 39-jährige Frau, deutlich sichtbar mitten auf der Straße von einem
Autofahrer entdeckt, der noch Tonys Auto davonrasen sah. Sowohl Tony als auch seine Frau wurden
wegen Irreführung der Justiz verurteilt. Der Richter Stevenson beschrieb Tony Anthony als »einen
hinterhältigen und manipulativen Mann, der absichtlich seine Geschichte geschönt hat, um die
Polizei irrezuführen.«22 Die Lokalpresse berichtete von einem Geständnis erst unmittelbar vor der
Urteilsverkündigung: »Tony Anthony, 32, gab zu, schuldig zu sein in den Anklagepunkten
leichtsinniges Fahren, Fahrerflucht, und Nicht-Melden eines Unfalls.«23 Nach der Darstellung in der
Biografie ging es bei der Verurteilung wegen Belästigung um einen einmaligen beleidigenden und
hitzigen Wortwechsel mit einem griechischen Restaurantbesitzer. Im Gegensatz dazu sollen die
Gerichtsakten von einer Serie von beleidigenden und rassistischen Anrufen bei einem ehemaligen
Arbeitgeber und bei Restaurantbesitzern in Epsom sprechen.24
Aus dem dargelegten Sachverhalt lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:
1. Die Tatsache, dass weder der Untersuchungsbericht der von der Evangelischen Allianz und Avanti
Ministries eingesetzten Kommission noch die schriftlichen Ergebnisse der Gruppe um Mike Hancock,
dem ehemaligen Leiter von Avanti Ministries, vorliegen, sollte uns vorsichtig mit einem definitiven
Urteil sein lassen. Auch fehlt eine Stellungnahme von Tony Anthony zu manchen Details der
Anschuldigungen, trotz Anfragen des CLV-Verlages.
2. Wünschenswert wäre eine Veröffentlichung des Untersuchungsberichtes – auch um Spekulationen
und voreilige Schlussfolgerungen zu vermeiden. Voreilige Schlussfolgerungen bzw. Behauptungen,
die nicht der Wirklichkeit entsprechen, liegen zum Beispiel vor, wenn der Britischen Evangelischen
17
Anthony, Tony: Den Tiger zähmen, Bielefeld, 2009², S. 43f
http://www.shaolin.com/StyleContent.aspx?Style=Snake (24.08.13)
19
laut crosswire, siehe dazu auch http://www.bullshido.net/forums/showthread.php?t=60260 (24.04.13)
20
laut Crosswire in http://crosswire.org.uk/tag/tony-anthony/ (19.08.13)
21
Tony Anthony, Angela Little: Den Tiger zähmen, Bielefeld, 2009², S. 238
22
zitiert in http://crosswire.org.uk/tag/tony-anthony/ (19.08.13)
23
http://www.getreading.co.uk/news/local-news/hit-run-driver-admits-fatal-4277321
24
http://crosswire.org.uk/tag/tony-anthony/ (19.08.13)
18
3
Allianz die Äußerung zugeschrieben wird, man halte fest, dass Anthony »nie als Kind in China gelebt
hat, nie Kung-Fu-Weltmeister war und nie als Personenschützer gearbeitet hat«.25
3. Solange die Anschuldigungen begründet im Raum stehen, ist es unverantwortlich für einen der
Wahrheit verpflichteten christlichen Verlag, die Veröffentlichungen von Tony Anthony zu verbreiten.
4. Bereits bei der Veröffentlichung der Biografie von Anthony durch den CLV-Verlag gab es im
Internet zahlreiche Anfragen und teils polemische, teils sachliche Kritik an dem Buch Den Tiger
zähmen. Damals hat der Verlag der Versicherung Anthonys geglaubt, die Vorwürfe und Zweifel wären
unberechtigt. Nachfragen bei Mitchristen, die ihn persönlich kannten, zeichneten das Bild eines
vertrauenswürdigen, demütigen Mannes. Im Licht der heutigen Sachlage war es fahrlässig vom
Verlag, die Bücher von Anthony zu veröffentlichen. Dies tut uns als Verantwortliche des Verlages
sehr leid und wir bitten alle Käufer und Leser um Entschuldigung. Insbesondere bitten wir
diejenigen um Verzeihung, die uns in der Vergangenheit auf Ungereimtheiten aufmerksam
gemacht und vor dem Verkauf der Bücher gewarnt haben. Wir bieten allen Käufern einschließlich
Buchhändlern an, bei Rückgabe der Bücher von Anthony den Kaufpreis (einschließlich Porto) zu
erstatten.
5. Leider ist durch die Vorgänge nicht nur die Glaubwürdigkeit von Anthony erschüttert, sondern
nicht wenige Kommentare im Internet gießen Hohn und Spott über Berichte über die verändernde
Macht Gottes im Leben von Menschen aus. In einer schwierigen Lage sind auch die Verlage,
Organisationen und Gemeinden, die mit Tony Anthony zusammengearbeitet haben. Verwirrt werden
vor allem diejenigen sein, die durch seine Predigten und Bücher zum Glauben gekommen sind. Die
Familie Tony Anthonys, seine Frau, seine Kinder und er selbst, werden in einer verzweifelten
Situation sein. Dies alles sollten wir uns zu Gebetsanliegen machen und beten, dass die Wahrheit ans
Licht kommt. Als Verlag müssen wir uns zu unseren Fehlern stellen und daraus für die Zukunft lernen.
6. Ein Zeuge Jesu Christi erhält sein Gewicht nicht durch Erfolge im Sport und im Showgeschäft. Auch
qualifiziert eine sensationelle, häufig dunkle Vergangenheit nicht zu einem öffentlichen Zeugnis des
Evangeliums. Leider scheinen wir als Christen im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie und der
Überflutung durch Sensationsmeldungen in den Massenmedien zu dieser Haltung zu neigen.
Der Vorstand der Christlichen Literaturverbreitung Bielefeld e. V.
Gerrit Alberts, Wolfgang Bühne, Ewald Epp, Peter Lüling, Daniel Zach
25
idea spektrum vom 21.08.13, S. 13, siehe auch http://www.theguardian.com/world/2013/jul/28/tonyanthony-kung-fu-sham
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