Alias setzt neue Akzente im Design

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Alias setzt neue Akzente im Design
© 2005 Carl Hanser Verlag, München
www.cad-cam.de
Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern.
M A N A G E M E N T
Alias setzt neue
Akzente im Design
Es gab Zeiten, da hatte man den Eindruck, als konzentriere sich Alias immer stärker
auf das Geschäft mit 3D-Grafik-Anwendungen für Film, Video, Spiele
und Multimedia. Mit der Vorstellung der StudioTools-Version 12
vor ein paar Monaten hat das kanadische Softwarehaus
jedoch klar gemacht, dass es auch im Computer Aided
Industrial Design (CAID) weiter Akzente zu setzen
gedenkt. CAD CAM sprach mit Fritz Küderli, General
Manager EMEA von Alias, über die Herausforderungen
Das Geschäft von Alias ruht heute
im Wesentlichen auf zwei Säulen,
nämlich dem EntertainmentBereich mit der Software Maya und
dem Designbereich mit der StudioTools-Familie und ergänzenden
Produkten. (Columbia Pictures:
Spider-Man 2. Bild: Sony Pictures)
Als Fritz Küderli Mitte des Jahres 2001 zu
Alias stieß, hieß die Firma noch Alias/Wavefront – Ergebnis der Fusion des kanadischen
Softwarehauses Alias Research mit dem
ehemaligen Mitbewerber Wavefront Technologies aus Kalifornien. Beide Firmen wurden Mitte der 90er Jahre von Rechnerhersteller Silicon Graphics gekauft und verschmolzen, nachdem Wavefront zwei Jahre
zuvor schon den französischen Animationsspezialisten Thomson Digital Image
geschluckt hatte. Aus den Fusionen ging
eine Software-Schmiede hervor, die innovative Software für die Erzeugung realitätsnaher, digitaler Inhalte entwickelt.
Ganz gleich, ob es sich bei den Inhalten um
einen Oscar-verdächtigen Film oder um ein
preisgekröntes Produktdesign handelt.
Anlässlich des 20-jährigen Firmenbestehens wurde der sperrige Doppelname im Jahr
2003 in ein neues ›Alias‹ geändert, was man
als Schlussstrich unter die Integration der
beiden Firmen interpretieren könnte. Die
Geschichte der Übernahmen ist damit allerdings noch nicht zu Ende erzählt: Im letzten
Jahr kaufte die Firma Accel-KKR den Softwarehersteller von Silicon Graphics, mit
und Wachstumschancen im Designbereich.
finanzieller Beteiligung des Ontario Teachers’ Pension Plans und des Alias-Managements. Accel-KKR ist eine Tochtergesellschaft von KKR, dem größten Private Equity
Fund, die sich auf mittelständische Unternehmen im Technologiesektor spezialisiert
hat. Die Investoren zahlten insgesamt 57,7
Millionen US-Dollar für die Firma, was
damals etwa einem Jahresumsatz entsprach.
Ein Schnäppchen? Küderli möchte den
Kaufpreis nicht kommentieren, erläutert
aber, was sich die Investoren von ihrem
Engagement versprechen: »Unsere neuen
Eigentümer sind bereit, in das Wachstum
des Unternehmens zu investieren, um
dadurch seinen Wert zu steigern. Das ist
nicht nur ein Lippenbekenntnis. Sie haben
ihre Strategie schon kurz nach dem Kauf
von Alias durch die Übernahme der Firma
Kaydara unterstrichen, die auf 3D-Animationen in Echtzeit spezialisiert ist. Der
Wille zu investieren macht sich auch
intern bemerkbar, sowohl bei der Softwareentwicklung als auch beim Aufbau
einer weiteren strategischen Säule im Servicegeschäft. Deshalb sind wir von unserer
Übernahme sehr angetan.«
Alias-Geschäftsführer Fritz
Küderli: »Als
Nischenanbieter
technologisch
immer die Nase
vorn.«
Fritz Küderli studierte Maschinenbau
und arbeitete drei Jahre lang bei MBB,
bevor er bei Control Data ins
Großrechnergeschäft
einstieg.
Er
gehörte zu den Männern der ersten
Stunde, als der Hardwarehersteller im
Jahr 1979 mit der Entwicklung von
CAD-Software begann. Daraus ging die
Firma ICEM hervor, deren Geschicke
Küderli von 1992 bis 2000 leitete. Nach
einem kurzen Ausflug ins CAMGeschäft, übernahm er vor knapp vier
Jahren die Verantwortung für Europa,
den Nahen Osten und Afrika bei Alias.
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Zwei (gleich) starke
Produktlinien
Das Geschäft von Alias ruht
heute im Wesentlichen auf zwei
Säulen, nämlich dem Entertainment-Bereich mit der Software
Maya als Flaggschiff und dem
Designbereich mit der StudioTools-Familie und ergänzenden
Produkten. Diese Aufteilung
spiegelt sich auch in der Organisationsstruktur der Firma wider:
»Wir haben die regionale Organisation aufgelöst und uns nach
Märkten ausgerichtet, wobei die
Büros in München, London, Paris
und Mailand weiter bestehen.
Sie berichten aber nicht mehr an
einen relativ autarken Regional
Manager«, erläutert Küderli.
Derzeit beschäftigt Alias in
Mit Version 12 der StudioTools ist der Designbereich bei Alias wieder im Kommen. Künftig sollen die GeschäftsEuropa rund 50 der weltweit
bereiche Entertainment und Design gleichmäßig ausgebaut werden.
über 500 Mitarbeiter.
Entsprechend den Produktschwerpunk- Unsere Strategie sieht vor, beide Geschäfts- Küderli sagt: »Grundsätzlich wollen wir das
ten gliedert sich die Firma in eine Entertain- bereiche künftig gleichmäßig auszubauen.« Geschäft mit den vielen Designbüros über
Wiederverkäufer abwickeln, weil wir für
ment und eine Design Business Unit. Die
diese Volumina organisatorisch nicht optitechnischen Ressourcen hat man in einer
Ausbau des indirekten Vertriebs
mal aufgestellt sind. Aber die müssen wir
Professional Services Division zusammengefasst, die für beide Produktbereiche tätig Gibt es in Deutschland überhaupt einen erst einmal heranziehen.«
Den indirekten Vertriebskanal auszuwird. Worin besteht ihre Aufgabe? »Neben Markt für Entertainment-Software? Küderli
Consulting geht es meist um Anpassung bejaht: »Ich war gerade bei der Berliner Film bauen, ist eine der Herausforderungen, vor
unserer Produkte an die kundenspezifi- Companie, die sich auf die Entwicklung von denen das Unternehmen steht – zumindest
schen Anforderungen«, sagt Küderli. Animationsfilmen spezialisiert hat. Die Firma in Zentral- und Südeuropa. »In England und
»Früher haben wir das von Fall zu Fall realisiert mit unserer Software gerade ihr Nordeuropa gibt es glücklicherweise eine
gemacht, um mehr Software zu verkaufen, erstes Großprojekt, einen voll in 3D animier- starke Reseller-Kultur, was im Falle Nordwährend wir das Geschäft heute strategisch ten Film, der bis September fertig sein soll. europas damit zusammen hängt, dass die
angehen. Wir haben beispielsweise von Das zeigt, dass so etwas auch in Deutschland Märkte dort nie groß genug waren für den
General Motors einen Auftrag über meh- funktionieren kann.« Zugegebenermaßen Aufbau eigener Vertriebsorganisationen«,
rere Millionen Dollar erhalten, um den spielt die Musik im europäischen Entertain- sagt Küderli. »Dort machen wir fast alles
Workflow im Karosseriedesign zu verbes- ment-Markt eher in Großbritannien, wo indirekt, während sich indirekter und direksern. Einen ähnlichen Vertrag gibt es auf Alias-Kunden wie die Moving Picture Com- ter Vertrieb in Deutschland, Frankreich oder
der Entertainment-Seite mit Dreamworks.« pany (MPC) oder der Spielehersteller Electro- Italien in etwa die Waage halten.«
Gemessen am Umsatz sind die beiden nic Arts ihren Sitz haben.
Säulen heute in Europa etwa gleich stark,
Während die Firma ihre Software für Nachholbedarf im Industriedesign
während weltweit über 60 Prozent der den Entertainment-Markt von Ausnahmen
Umsätze auf den Entertainment-Bereich abgesehen über Wiederverkäufer vertreibt, Die Wachstumsstrategie der neuen Eigner
entfallen. Besonders stark ist das Gewicht dominiert im Designbereich noch der von Alias ist bislang aufgegangen: Im abgedes Geschäfts mit 3D-Grafik-Software für Direktvertrieb. Das hängt einerseits damit laufenen Geschäftsjahr 2004 konnte das
Film und Medien naturgemäß in Nordame- zusammen, dass das Unternehmen sich Unternehmen einen weltweiten Umsatz
rika, was mit ein Grund dafür sein mag, dass lange Zeit auf das Geschäft mit Großkun- von knapp 70 Millionen US-Dollar oder
Alias in den letzten Jahren mehr Ressourcen den in der Automobilindustrie konzentriert umgerechnet rund 53,5 Millionen Euro
in die Weiterentwicklung von Maya inves- hat; Automobilhersteller und -zulieferer erzielen, was einem Zuwachs von über 15
tiert hat. »Das hat sich aber im letzten Jahr repräsentieren etwa 70 Prozent der Prozent entsprach. Davon entfielen rund 15
von Grund auf geändert, wie die Version 12 Umsätze mit Design-Software. Eine Rolle Millionen Euro auf die europäischen
der StudioTools beweist«, sagt Küderli. »Der spielt aber auch die Schwierigkeit, kompe- Märkte. »Entscheidend ist, dass wir in den
Designbereich ist wieder im Kommen. tente Wiederverkäufer zu finden, wie letzten Jahren profitabel operierten, was in
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dieser Branche keineswegs selbstverständlich ist«, betont Küderli. Er geht davon aus,
dass die Umsätze im Designgeschäft in den
nächsten Jahren »im niedrigen zweistelligen Bereich« wachsen werden.
Nachholbedarf besteht vor allem bei
den Industriedesignern, bei denen die AliasSoftware längst nicht so weit verbreitet ist,
wie man aufgrund ihrer Design-Orientierung vermuten würde. Eine ganze Reihe
von Designbüros arbeitet heute mit volumenorientierten CAD-Systemen wie SolidWorks, um sich möglichst nahtlos in den
Entwicklungsprozess ihrer Kunden einbringen zu können. »Wir haben uns in diesem
Markt vielleicht nicht stark genug positioniert«, räumt Küderli ein. »Das soll sich aber
ändern, wie Sie schon daran erkennen können, dass wir die Zahl der Direktschnittstellen zu CAD-Systemen weiter ausbauen. Wir
Ein Bedarf in
Sachen StudioTools
besteht vor allem
bei den Industriedesignern. Direktschnittstellen zu
CAD-Systemen
sollen eine Ergänzung zu anspruchsvollen DesignAufgaben bieten.
Optimierung der Prozesskette
Die Prozesskette bei den meisten europäischen Automobilherstellern sieht so aus,
dass relativ am Anfang des (digitalen) Entwurfs die Alias-Software eingesetzt wird,
vielleicht gefolgt von ICEM Surf im Strak,
um die Geometrien dann irgendwann an
das Plattformsystem – in der Regel Catia –
zu übergeben. Was heißt unter diesen
Umständen Workflow-Optimierung? Geht
es darum, andere Werkzeuge zu verdrängen?
Küderli winkt ab: »Dadurch verbessere ich
nicht unbedingt den
Workflow. Es gibt
innerhalb der AliasProzesskette noch viel
zu optimieren, beispielsweise den Übergang von 2D-Skizzen
zum 3D-Modell. Die
Version 12 bietet dafür
eine Vielzahl von
Werkzeugen, die den
Prozess enorm beschleunigen können.«
Ein anderes Werkzeug für die Workflow-Optimierung ist
die Software ImageStudio, mit der auch
Anwender
ihre
Modelle rendern könMit ImageStudio können auch Anwender ihre Modelle rendern, die nur
nen, die so gut wie
wenig Erfahrung im Umgang mit Rendering-Programmen haben.
keine Übung oder
verstehen uns nicht als Konkurrenz zu CAD- Erfahrung im Umgang mit Rendering-ProSystemen, sondern als Ergänzung zu grammen haben. »Die Aufbereitung fotoanspruchsvollen Design-Aufgaben.«
realistischer Ansichten ist ein komplexer
Küderli sieht aber auch bei den großen Vorgang, der viel Zeit und Know-how erforBestandskunden in der Automobilindustrie dert«, erläutert Küderli. »Wir stellen dem
noch einiges Potenzial, wobei die Heraus- Benutzer ein ganz einfach zu bedienendes
forderung hier vor allem darin besteht, die Tool zur Verfügung, das nicht den Anspruch
Einbettung der Design-Werkzeuge in den erhebt, absolute Fotoqualität zu bieten, mit
Workflow zu verbessern und dadurch die dem er sich aber schnell ein realistisches
Produktivität zu steigern. Mithin auch eine Bild von seinen Entwürfen machen kann.
Aufgabe für das Custom Engineering: »Im Das verstehe ich unter Erhöhung der ProAutomobildesign hat jeder Kunde einen duktivität.«
Der Spielraum für Produktivitätssteigeetwas anderen Ablauf. Diesen Ablauf wollen wir mit unseren Tools kundenspezifisch rungen durch den Einsatz von Spezialtools
optimieren, damit der Kunde noch wird natürlich in dem Maße kleiner, in dem
die großen CAD/CAM-Systemanbieter ihre
einfacher und schneller zum Ziel kommt.«
Software weiterentwickeln. Es ist kein
Geheimnis, dass Daussault Systèmes im
Karosseriedesign gerne eine durchgängige
Catia-Prozesskette etablieren möchte.
»Diese Bemühungen sind ja nicht neu«, sagt
Küderli. »Wir müssen als Nischenanbieter
technologisch immer die Nase vorn haben
und unseren Kunden einen Zusatznutzen
bieten, wie durch neue Module. Konkret hat
noch kein Automobilhersteller die Absicht
erkennen lassen, unsere Software im Zuge
der Migration auf Catia V5 abzulösen, und
ich kenne meine Kunden ganz gut.«
Visualisierung im Blickpunkt
Bei der Weiterentwicklung seiner DesignSoftware will Alias vor allem auf dem Gebiet
der Visualisierung neue Akzente setzen. »Wir
haben diesbezüglich schon in der Version 12
die ersten Fortschritte gesehen«, sagt
Küderli. »Die Kunden stellen immer höhere
Ansprüche an die Qualität fotorealistischer
Darstellungen. Daran arbeiten alle Unternehmen in der Branche, aber das Ende der
Fahnenstange ist sicher noch längst nicht
erreicht.« Einzelheiten über die geplanten
Visualisierungsprodukte wollte Küderli nicht
verraten. Man kann aber davon ausgehen,
dass das Unternehmen die in der GrafikHardware steckenden Echtzeit-Möglichkeiten noch besser ausreizen wird.
Die Visualisierung gehört zu den Anwendungsbereichen, die für Entertainment und
Design gleichermaßen interessant sind und
bei denen sich dadurch auch in der Entwicklung Synergien ergeben. Die größten Synergiepotenziale setzen dabei die 3D-Computerspiele frei, wie Küderli betont: »Das ist ein
unglaublich schnell wachsender Markt, der
sich technologisch ständig verändert. Man
braucht sich nur mal anzuschauen, was die
neue Playstation im Vergleich zum Vorgängermodell an Leistung bietet. Hinzu kommt,
dass der Preisdruck enorm ist. Darauf müssen
wir als Softwarehersteller reagieren. Den
Nutzen davon haben alle unsere Kunden,
weil die Technologie aus den Computerspielen letztlich auch in die Design-Software
einfließt.«
Michael Wendenburg (www.wendenburg.net)
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