Graffiti - Theorie und praktisches Ausprobieren - LEHRER

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Graffiti - Theorie und praktisches Ausprobieren - LEHRER
Graffiti – Theorie und praktisches Ausprobieren
1. Geschichte
Wortherkunft
Vom italientischen Wort „il graffito“, das übersetzt „das Gekratzte“ bedeutet, leitet sich das
heutige Wort Graffiti ab.
Wandmalerei, die man als Ursprung des Graffiti sehen kann, gibt es bereits seit Urzeiten.
Anfänge des Graffiti-Writings
Ende der 1960er Jahre haben Jugendliche in New York einen neuen Zeitvertreib für sich
entdeckt. Zunächst schrieben sie mit Filzstiften ihre Initialen und Spitznamen auf Fassaden,
Häuserwände, U-Bahn-Stationen und Lieferwägen. Um ihre Identität nicht preiszugeben,
verwendeten sie Tags.
Verbreitung des Graffiti-Writings
Die Idee des Graffiti-Writing verbreitete sich innerhalb New Yorks schnell. Filzstifte wurden
nach und nach durch Spraydosen ersetzt. Jugend-Gangs benutzten die Tags um ihre
Bezirke zu kennzeichnen. Vor allem Kids aus ärmeren Stadtteilen wollten dadurch Aufsehen
erregen und respektiert werden. Ziel war es möglichst viele Tags in der Stadt zu verteilen.
Fame zu erlangen war das Motto. U-Bahn-Züge wurden bald als Tag-Flächen entdeckt, da
diese so besser verbreitet und zur Schau gestellt werden konnten.
Herkunft der Sprayer und ihre Message
Viele der Sprayer stammten aus den Ghettos in Harlem, der Bronx und Brooklyn.
Vorwiegend waren es junge Schwarze oder Latinos, die die Kunst aus der Spraydose
entwickelten. Was im musischen Bereich der Rap oder Break Dance ist, um seine Gefühle
auszudrücken, ist im künstlerischen Bereich die Graffiti-Kunst. Besonders in den 70er Jahren
kam es durch das freie Arbeiten der Writer an den Zügen und Wänden zu heftigen, teilweise
gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den in bestimmten Stadtteilen herrschenden
Banden.
Jüngste Entwicklung
Anfang der 80er Jahre begann man auch die positive Seite der Graffiti-Kunst zu sehen, da
die Jugendlichen etwas Produktiveres taten, als auf der Straße herumzulungern. Graffiti
wurde immer häufiger als eigene Kunstform anerkannt, da Auftragsarbeiten in Auftrag
gegeben und bezahlt wurden. Legale Sprayer konnte sich in den Halls of Fame austoben.
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Der Graffiti-Boom breite sich über die gesamten USA aus und schwappte nach Europa über.
Stuttgart gehört zu einer der Spätzünder unter den Graffiti-Städten.
2. Rechtliche Seite
New York in den 70er Jahren
Aufgrund des Taggings, das zu zunehmenden Auseinandersetzungen der Banden
unterschiedlicher Stadtteile führte, wurde ein spezielles Graffiti-Gesetz erlassen und ein
Sondereinsatzkommando gebildet.
Deutschland
§ 303 StGB
1. „Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
2. Der Versuch ist strafbar.“
Die illegale, öffentliche Anbringung von Graffiti kann juristische Konsequenzen nach sich
ziehen. Wenn nicht das Einverständnis des Eigentümers vorliegt, ist das Besprayen von
fremdem Eigentum Sachbeschädigung.
In der Praxis wird Graffiti nicht immer als Zerstörung betrachtet. Die Grenzen zwischen
Beschmutzung, Beschädigung und Zerstörung sind nicht immer klar, auf jeden Fall hat der
Eigentümer ein Recht auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Wenn dies nicht
erfolgt, können hohe Schadenersatzansprüche entstehen.
Illegale Graffiti verursachen jährlich Kosten um die 200 Millionen Euro.
3. Lexikon
graffiti
von ital. „il graffito“ = „das Gekratzte“
1967 führt Robert Reisner „graffiti“ als Überbegriff für
subkulturelle Auf- und Inschriften in den amerikanischen
Sprachraum ein.
writer
Der Begriff „writer“ entstand historisch zunächst als
Bezeichnung für diejenigen, die in New York Ende der 60er
Jahre Signaturengraffiti („tags“) schrieben. Heute wird der
Begriff nur noch im Zusammenhang mit größeren Schriftbildern
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(„pieces“) gebraucht. Tagger gelten in der Regel nicht mehr
als „writer“.
tag
einfarbig, graphisch gestaltetes Signaturengraffiti; oft stark
stilisiert und damit kaum noch dechiffrierbar.
Das „tag“ ist aus der Tradition der Erinnnerungsgraffiti
entstanden. Es besteht in der Regel nur aus dem
Namen/Pseudonym des Sprühers. Aus dem „tag“ entwickelte
sich nach und nach durch immer großflächigere und farbigere
Ausgestaltungen das „piece“ mit all den heute bekannten
unterschiedlichen Stilen.
Zu Beginn änderten die Tagger fast nie ihr Pseudonym, sie
wollten ja bekannt werden. Unter dem Druck polizeilicher
Verfolgung aber wechseln heute viele Sprüher häufig ihren
Writing-Name.
piece
größerformatige Wandbilder – gemalt oder gesprüht
Ein „piece“ zeigt in der Regel einen künstlerisch
ausgestalteten Schriftzug, meist den Namen des Writers.
Ergänzt ist die Schrift durch figurative Elemente, so genannte
„characters“.
Die in das „piece“ integrierten „tags“ stellen mitnichten stets
eine Signatur dar. Oft handelt es sich um
Respektsbezeugungen gegenüber anderen Sprayern.
mural
großformatige Wandbilder/Mauerbilder – gesprüht oder gemalt
UND: Gesamtwerk verschiedener „writer“
fame
„fame“ = Ruhm
„Fame“ zu bekommen ist der Hauptantrieb der meisten StreetArt-Künstler. Das amerikanische Graffiti besitz ein relativ starres
Regelwerk zur Erlangung von „fame“: viel „fame“ bekommt,
wer 1. besonders viele Graffiti macht oder 2. besonders riskante
Plätze für sein Graffiti wählt oder 3. technisch besonders
schwierige „pieces“ sprüht.
hall of fame
Plätze, die oft von Sprayern zum Malen besucht werden,
heißen ab einem bestimmten Bekanntheitsgrad “hall of fame“;
z.B.: alter Flughafen München
UND: zum Sprühen freigegebene Flächen
black-book
Skizzenbuch der Sprayer
outline
Umrisslinie
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first outline
1. Vorskizze eines Graffitis, bestehend lediglich aus einer
Umrisszeichnung ohne farbliche Ausgestaltung.
2. Linie, die den gesprühten Buchstaben eines „pieces“
umreißt. Die „outline“ dient dazu, Elemente eines
„pieces“ von der Umgebung abzuheben.
Umrisslinie, die der Maler als erste sprüht. Sie dient als Skizze
und zur Orientierung beim Sprühen.
fill in
= farbig ausgesprühte Fläche innerhalb eines Buchstaben. Das
„fill in“ wird ausgeführt, nachdem zunächst eine erste
Umrisslinie des Buchstabens, die so genannte „first outline“,
angelegt worden ist.
highlight
= Schmuckelement eines „piece”, das Lichtreflexen oder
kleinen Sternen ähnelt.
character
= figuratives Element des Graffiti; meist anthropomorphe
Wesen, nicht selten aus Comics oder Cartoons.
background
= Hintergrund
blocks
= Schatten
drips
= Tropfen
Diese entstehen durch Auslaufen der Sprühfarbe bei längerem
Halten des Sprühdosenstrahls auf einen Punkt; wird z. T. als
stilistisches Element eingesetzt.
blockbuster
große, rechtwinklige Blockbuchstaben als Teil eines „pieces“.
fading
= verschwinden, überblenden.
Schwierige Sprühtechnik, mit der fließende Übergänge
zwischen einzelnen Farben erreicht werden.
overkill
= unkontrolliertes Herausschießen der Farbe aus der
Sprühdose (technischer Fehler)
can
Synonym für Sprühdose
cap
Düsenaufsatz einer Sprühdose;
Den vom Sprühkopf erzeugten Strahl unterscheidet man in „fat
cap“ und „skinny cap“
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4. Styles
1. Schriftbild
•
Simple Style
Die Buchstaben werden leicht leserlich und möglichst wenig kompliziert
angeordnet.
•
Bubble Style
Buchstaben werden blasenförmig aufgetrieben.
•
3-D-Style
Die Buchstaben werden dreidimensional aufgebaut. Starke Blocks
werden eingesetzt, durch unterschiedliche Stärke der Buchstaben
entsteht zusätzlich eine plastische Wirkung.
•
Wild Style
Die Buchstaben sind besonders verschachtelt oder abstrakt. Sie
können kaum entziffert werden.
2. Hintergrund
• Bubbles/Clouds
Der Hintergrund ist unregelmäßig verwaschen oder wolkenartig
gestaltet
•
Aura
Der Hintergrund ist unscharf begrenzt
•
Highlights
Lichtreflexe oder Sterne auf dunklem Hintergrund
•
Splash
Der Hintergrund ist unregelmäßig umrissen und hat die Form eines
klecksartigen Schmuckelements
5. Technik
Von der Idee zum fertigen Graffiti
1.
Ohne Schablone
Übertragung der Skizze (Projektion oder frei Hand)
Beim Sprühen geht man umgekehrt vor wie beim Skizzieren. Man muss ebenso
mit den First Outlines beginnen. Diese werden später wieder völlig übersprüht.
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Dann aber folgen -anders als beim Skizzieren- das Fill-In und die Blocks.
Erst dann werden die Outlines und zum Schluss die Second Outlines gezogen.
Nur auf diese Weise erhält man saubere, abgegrenzte Konturen.
2.
Mit Schablone
• Additive Schablone
spart die zu lackierende Farbfläche aus.
•
Subtraktive Schablone
deckt die Bereiche ab, die nicht lackiert werden sollen.
•
Objekte des täglichen Gebrauchs als Schablone:
Schlüssel, Nudeln, Wolle, Schrauben
6. So entsteht ein Graffiti-Skizze
1. Idee entwickeln:
•
•
•
Überlege dir ein Wort und die passende Buchstabenform ( siehe Styles)
Überlege dir, wie du den Schriftzug verfremden könntest ( siehe Styles)
Zeichne zuerst mit Bleistift und ziehe die first Outlines dann mit Filzstift nach
Kopien machen!
2. Blocks hinzufügen
•
Die first Outlines werden verbreitert
Kopien machen!
3. Mit Filz- oder Bundstiften farbig gestalten
•
•
•
•
Die Art der Fill-Ins wird festgelegt
Der Background wird entworfen (siehe Styles)
Weitere Outlines können hinzugefügt werden
Characters können hinzugefügt werden
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7. Anregungen für Graffiti im Unterricht
Tipps
- mit Schablonen-Graffiti einsteigen
genügend Zeit fürs Herstellen der Schablonen einplanen
- Sprayen nur im Freien (Frühjahr/ Herbst)
- kostenintensiv
- zeitintensiv Projektwoche oder geblockt
- fächerübergreifendes Arbeiten:
Deutsch (Theorie erarbeiten)
Mathe (geometrische Formen, Kosten berechnen)
Handlungsplanung, eigenständiges Arbeiten reflektieren, Kommunikation,
Sozialkompetenz
Material
- Spraydosen (ca. 3 € pro Dose)
- Feinstaubmasken (20er-Packung ca. 25 €)
- Handschuhe, alte Kleidung
- Abdeckfolie, Teppichmesser
- Karton für Schablonen und Probesprayen
- Sprayuntergrund: Leinwand, Karton, dünne Holzplatte, dicke Tapete, Leintuch etc.
- Objekte des täglichen Gebrauchs als Schablone
- Kreppband zum Fixieren der Schablonen
- schwarze Eddings in verschiedenen Stärken für Outlines
Homepages
http://194.95.207.60/kids/projekte/hiphop/sites/graffiti/graf
www.kunstunterricht.de/referate/graffiti.pdf
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www.schule.bremen.de/graffiti/gft/
Graffiti als Kunst entdecken
- Anregungen sammeln und kanalisieren:
Hall of Fame aufsuchen
Schüler Graffiti fotografieren lassen
Internetrecherche
- für Schablonen-Graffiti bekannte Motive sammeln und verfremden
- theoretische und rechtliche Hintergründe thematisieren
legaler Einsatz von Graffiti!
8. Literatur:
Franz, Angelika (Hrsg.) (1996): Das endgültige Buch der Sprüche und Graffiti. München:
Wilhelm Heyne
Lohmann, J. (2005): Graffiti als Kunst und Dekor. München: Knaur
Schwarzkopf, Oliver (Hrsg.) (o.J.): Graffiti Art. Deutschland – Germany. Berlin: Schwarzkopf
& Schwarzkopf
Schwarzkopf, Oliver/ Mailänder, Ulf (Hrsg.) (1995): Graffiti Art. Band 2. Süddeutschland und
Schweiz. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf
Schwarzkopf, Oliver (Hrsg.) (1995): Graffiti Art. Band 3. Writing in München. Berlin.
Schwarzkopf & Schwarzkopf
Van Treek, Bernhard (1994): Graffiti Lexikon. Street Art – legale und illegale Kunst im
öffentlichen Raum. Moers: edition aragon Verlagsgesellschaft
http://de.wikipedia.org/wiki/Graffiti, 18.10.2009
http://194.95.207.60/kids/projekte/hiphop/sites/graffiti/graffiti.htm, 19.10.2009
www.kunstunterricht.de/referate/graffiti.pdf, 19.10.2009
www.schule.bremen.de/graffiti/gft/, 19.10.2009
www.polizei-beratung.de/vorbeugung/jugendkriminalitaet/illegale_graffiti/, 18.10.2009
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