abschlussarbeit jugendreferentenseminar

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abschlussarbeit jugendreferentenseminar
von Stefanie Stückler
Wie schaut dein beruflicher Werdegang aus?
Nach der Handelsoberschule in Bruneck absolvierte ich das dreijährige Laureatsstudium „Kommunikationswissenschaften im
mehrsprachigen Kontext“ an der „Freien Universität Bozen“ in
Brixen. Danach arbeitete ich neun Monate als Moderator und
Werbeberater beim Privatradiosender „Radio 2000“ in Bruneck, u.a. war ich für die wöchentliche Moderation einer Diskussionssendung mit vielen Südtiroler Persönlichkeiten verantwortlich. Zuletzt war ich drei Monate in meinem Heimatdorf als
Zähler für die „Volkszählung 2011“ unterwegs.
Vielen Dank für dieses interessante Interview.
Ich wünsche dir für deine Vorhaben Alles Gute!
Foto rechts: Hannes Zingerle am Zuckerhut von Rio de Janeiro.
Abschlussarbeit Jugendreferentenseminar
Feel the music – Musik für Gehörlose. Ein interessantes Thema, mit dem sich Tina Ruß, Absolventin des
Jugendreferentenseminars Süd, beschäftigte. Die Arbeit der 20jährigen Steirerin und Mitglieds der Marktmusikkapelle Gaishorn-Treglwang wurde im Herbst in Zeillern/Niederösterreich prämiert und von Tina
präsentiert.
Musik empfinden und gehörlos sein? Für die meisten Menschen
ein Widerspruch in sich. Doch dass Musik für viele Gehörlose
sehr wichtig sein kann, ist den meisten Hörenden nicht klar. Das
liegt vermutlich daran, dass viele Menschen „gehörlos sein“ aus
medizinischer Sicht sehen und somit die Defizite der Gehörlosigkeit in den Vordergrund gerückt werden.
Hörende und schwerhörige Personen nehmen Musik vor allem
über ihr Gehör wahr, allerdings ist es auch für sie möglich, die
Vibrationen der Musik zu spüren. Schallwellen tieferer Töne
werden zum Beispiel als rhythmische Druckänderung auf der
Haut und Rauhheit im Ohr empfunden.
Tina Ruß studiert seit 2009 Österreichische Gebärdensprache an
der Karl-Franzens Universität Graz und darum war es für sie
naheliegend sich mit diesem Thema zu beschäftigen.
Tina erklärt: „Ich zählte Gehörlosigkeit auch zu einer Behinderung, dachte aber zunächst nicht daran, dass gehörlose Personen eher einer sprachlichen Minderheitengruppe angehören,
mit eigener Sprache und Kultur. Musik kann für Gehörlose
ebenso zum Leben gehören wie es bei Hörenden der Fall ist.
Man muss natürlich bedenken, dass nicht für jeden Gehörlosen
Musik eine Besonderheit ist.“
Möglichkeiten zur Wahrnehmung von Musik bei Gehörlosen
Es gibt Gehörlose, die noch ein Resthörvermögen besitzen. Nur
etwa 10% der Menschen mit Hörbeeinträchtigung sind tatsächlich aus medizinischer Sicht zur Gänze gehörlos, ohne Resthörvermögen. Mit diesen Hörresten ist es möglich, besonders tiefere
Frequenzbereiche noch wahrzunehmen.
Von links nach rechts: Alois Loidl (Präsident des Österreichischen Blasmusikverbandes), Hans Brunner (Bundesjugendreferent), Tina Ruß
(Absolventin) und Andreas Schaffer (Leiter des Jugendreferentenseminars SÜD).
3-2012 öbj
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Abschlussarbeit Jugendreferentenseminar
„Zahlreiche Forschungsprojekte in den USA haben bewiesen,
dass gehörlose Personen die vier Komponenten von Klängen
(Klangfarbe, Tonhöhe, Lautstärke und Rhythmus) durch ihren
ausgeprägten Vibrationssinn wahrnehmen können. So werden
auch verschiedene Instrumente unterschiedlich wahrgenommen, und zwar so exakt, dass es sich zur Wahrnehmung von
hörenden Menschen kaum unterscheidet“, so Tina Ruß.
Zur Musik gehört auch der Tanz. Beim sogenannten Gehörlosentanz, der die verschiedensten Stile umfasst, ist es wichtig,
dass die gehörlosen Tänzer die Vibrationen der Musik und somit den Takt spüren können. Dies ist bei lauter Musik leichter.
Gehörlose machen auch selbst Musik. Eine Art der Gehörlosenmusik sind die sogenannten Gebärdenchöre. Sie musizieren
tonlos und übertragen die Lieder in die Gebärdensprache.
Meistens werden die Lieder synchron dargestellt, es gibt aber
bereits modernere Varianten, bei denen die Chormitglieder
verschiedene Bewegungsabläufe tätigen. Im Dezember 2010
sang zum Beispiel ein Gebärdenchor mit 25 Kindern und Jugendlichen drei Strophen der österreichischen Bundeshymne
im Parlament in Wien. Eine noch etwas neuere Kunstform der
Gebärdensprache ist der Gebärdenrap.
Dies ist nur eine kurze Zusammenfassung der Abschlussarbeit
von Tina Ruß. Wollen Sie mehr dazu lesen, dann laden Sie die
ganze Arbeit auf www.winds4you.at/seminararbeiten herunter!
Tina Ruß bei der Präsentation ihrer Abschlussarbeit
CD: Eingespielte Literatur für die Übertrittsprüfung von der
Unter– in die Mittelstufe bzw. Prüfung zum (Jung)musikerleistungsabzeichen Bronze SAXOPHON
Gemeinsam mit den beiden Künstlern Markus Holzer, Saxophon und Stefan Schön, Klavier hat die Österreichische Blasmusikjugend eine CD mit der eingespielten Literatur für die Übertrittsprüfung von der Unter– in die Mittelstufe bzw. Prüfung
zum (Jung)Musikerleistungsabzeichen in Bronze für Saxophon
herausgebracht.
Durch die Play-Along Funktion können die jungen Saxophonisten zuerst zur Version für Saxophon und Klavier spielen. Danach kann die Solo-Stimme zur Klavierbegleitung dazu gespielt
werden.
Die CD (15,– € zuzügl. Versand) ist bei der Österreichischen Blasmusikjugend oder bei dem Saxophonisten Markus Holzer erhältlich: Österreichische Blasmusikjugend
eMail: [email protected], Tel.: 04762/36280 oder direkt über
das Bestellformular http://www.winds4you.at/obj/bestellung
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3-2012 öbj
Seminararbeit
zum 6.Jugendreferentenseminar Süd 2010
von
Tina Ruß
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Seminararbeit selbstständig
verfasst, und in der Bearbeitung und Abfassung keine anderen als die
angegebenen Quellen oder Hilfsmittel benutzt, sowie wörtliche und sinngemäße
Zitate als solche gekennzeichnet habe. Unterschrift
Datum: 2 Inhaltsverzeichnis
1.) Einleitung…….…………………………………………………………………..4
2.) Gehörlosenkultur…………………………………………………………………5
3.) Hörschädigungen…………………………………………………………………7
4.) Möglichkeiten zur Wahrnehmung von Musik bei Gehörlosen……………………9
5.) Gehörlosentanz……………………………………………………………………10
6.) Gehörlosenmusik………………………………………………………………….12
6.1)
6.2)
Musik für Gehörlose…………………………………………………..12
Musik von Gehörlosen………………………………………………..12
7.) Berühmte gehörlose Musiker……………………………………………………...14
7.1) Evelyn Glennie…………………………………………………………….14
7.2) Ludwig Van Beethoven……………………………………………………14
7.3) Sarah Neef…………………………………………………………………15
7.4)Sean Forbes…………………………………………………………………15
8.) Weitere Kunstformen der Gebärdensprache………………………………………16
9.) YouTube/ My Video Links………………………………………………………...18
10.)
Quellenangabe……………………………………………………………...19
3 1.) Einleitung
Musik empfinden und gehörlos sein? Für die meisten Menschen ein Widerspruch in sich und
absolut unmöglich in Zusammenhang zu bringen. Doch dass es in Wirklichkeit kein
Widerspruch ist und dass für viele Gehörlose Musik sehr wichtig sein kann, ist den meisten
Hörenden nicht klar. Das liegt vermutlich daran, dass viele Menschen „gehörlos sein“ aus
medizinischer Sicht sehen und somit die Defizite der Gehörlosigkeit in Vordergrund gerückt
werden. Doch dass „gehörlos sein“ auch aus einer kulturellen Sicht gesehen werden kann und
dass es auch durchaus positive Seiten von Gehörlosigkeit gibt, wird oft, meistens von
Medizinern, in den Schatten gestellt.
Ich studiere seit 2009 Österreichische Gebärdensprache auf der Karl-Franzens Universität in
Graz und meine Faszination für Gehörlose, deren Kultur und deren Sprache steigt von Tag zu
Tag. Auch ich habe mit einem völlig falschen, jedoch nicht negativen Bild mein Studium
begonnen. Zunächst war ich von der Gebärdensprache beeindruckt, dachte mir aber eigentlich
nicht, dass man mit ihr wirklich alles ausdrücken kann, wie es auch in jeder Lautsprache
möglich ist und dass es auch Kunstformen der Gebärdensprache gibt. Darunter auch
Gebärdenlieder, wo nicht gesungen, sondern gebärdet wird, dazu aber später mehr. Ich zählte
Gehörlosigkeit auch zu einer Behinderung, dachte aber zunächst nicht daran, dass gehörlose
Personen eher einer sprachlichen Minderheitengruppe angehören, mit eigener Sprache und
Kultur. Ich wurde mittlerweile eines besseren belehrt und weiß unter anderem nun auch, dass
in die Kultur von Gehörlosen Musik genauso zum Leben gehören kann, wie es auch bei
Hörenden der Fall ist. Man muss natürlich bedenken, dass nicht für jeden Gehörlosen Musik
eine Besonderheit ist, die es gilt zu genießen. Wie auch bei den Hörenden, gibt es im Kreis
der Gehörlosen Künstler, die es lieben sich mit Musik zu beschäftigen, aber auch einige für
die Musik nichts weiter bedeutet.
Dank meines Professors Christian Stalzer, der ebenfalls gehörlos ist und die Gehörlosenkultur
vermitteln kann wie kein anderer, wurde mir und auch meinen Studienkolleginnen vieles
bewusst, was die Gehörlosigkeit, die Gebärdensprache und deren Kunstformen betrifft.
Ich hoffe Sie können am Ende meiner Seminararbeit meine Ansichten nachvollziehen und
vielleicht sehen auch Sie danach Gehörlosigkeit in einem etwas anderem Licht.
Tina Ruß
4 2.) Gehörlosenkultur
Da ich denke, dass man die Gehörlosenkunst nur dann verstehen kann wenn
man auch etwas über die Kultur der Gehörlosen weiß, möchte ich nun einen
kurzen Einblick in die Gehörlosenkultur geben.
Wie bereits erwähnt, gibt es zunächst einmal die weit verbreitete
„medizinische“ Sicht der Gehörlosigkeit, das sogenannte Defizitmodell.
Hierbei werden vorrangig die Defizite von Gehörlosigkeit, also der
Hörverlust, die Schwierigkeiten beim Erlernen der Lautsprache und der Schriftsprache, usw.
in den Vordergrund gerückt. Man will die Defizite so gut wie möglich wett machen und gibt
den gehörlosen Kindern oft nicht die Chance Gebärdensprache zu erlernen, da noch immer
viele Menschen der Meinung sind, dass Gebärdensprache „verblödet“ und keine richtige
Sprache sei.
Es wurde aber bereits mehrmals bewiesen, dass
•
Gebärdensprache ein vollwertiges Sprachsystem ist, wie auch jede Lautsprache,
•
sich bei Verwendung der Gebärdensprache die visuelle Wahrnehmung stark
entwickelt
•
sich gehörlose Kinder, trotz Hörhilfen wie Cochlea Implantaten (CI), die ins Gehirn
implantiert werden, oder mit Hörgeräten, nur mit der Gebärdensprache eine
vollwertige Muttersprache aneignen können und somit auch eine normale Entwicklung
in sprachlicher und psychischer Hinsicht möglich ist.
Trotzdem wird in den meisten Gehörlosenschulen lautsprachlich unterrichtet, ganz ohne
Gebärdensprache, was zur Folge hat, dass gehörlose Kinder dem Inhalt des Unterrichts nicht
folgen können und die Schriftsprache, die eine ganz andere Grammatik hat als die
Gebärdensprache, auch nach dem Schulabschluss wenig oder gar nicht beherrschen. Man geht
oft nicht auf die Bedürfnisse von Gehörlosen ein, bzw.
werden diese meistens von Hörenden bestimmt, die nicht
selten glauben, besser zu wissen was gut und was schlecht
für Gehörlose ist. Vielleicht haben Sie auch bemerkt, dass
ich nie das Wort „taubstumm“ benutze. Auch das gehört zu
den negativen Betrachtungen der Gehörlosen, denn es bringt
die Gehörlosigkeit sofort in Verbindung mit Stummheit, was
5 Dank der Gebärdensprache aber absolut nicht der Wahrheit entspricht.
Neben dem Defizitmodell gibt es auch die Gehörlosenkultur, die eher die positiven Seiten der
Gehörlosigkeit betont. Zur Gehörlosenkultur zählen unter anderem:
•
die Gebärdensprache, als eigene, vollwertige Sprache mit eigener Grammatik
•
die Gehörlosengemeinschaft, die viel intensiver gelebt wird als jene der Hörenden, mit
vielen Gehörlosenvereinen und Gehörlosenveranstaltungen
•
die „fliegenden Hände“ die bei Gehörlosen als Applaus gelten
•
Die Gehörlosenkunst
•
Aber auch die gemeinsamen Probleme, mit denen jeder Gehörloser zu kämpfen hat
um nur einige Punkte zu nennen.
Die meisten Gehörlosen sehen sich als sprachliche Minderheit und nicht als behindert. Ihr
Zusammenhalt untereinander ist beeindruckend stark und für sie ist ihre positive Einstellung,
zur Gehörlosenkultur, sehr wichtig. Dabei zählt nicht der Grad der Hörbeeinträchtigung,
sondern dass man sich selbst als Mitglied der Gehörlosengemeinschaft sieht und nicht mit
allen Mitteln versucht sich an Hörende anzupassen.
6 3.) Hörschädigungen
Hörschädigungen lassen sich medizinisch gesehen in vier Kategorien einordnen:
•
Nach Schwere der Hörstörung – Grad der Hörschädigung
Mittlerer Hörverlust
Bezeichnung(en)
20-45 dB
Leichtgradige Hörschädigung
Auswirkung
Ohne Hörgeräte, vor allem
Probleme im Verstehen von
Flüstersprache
45-60 dB
Mittelgradige Hörschädigung
Probleme beim Verstehen
von Umgangssprache, wenn
der Sprecher über 1m weit
weg ist
60-90 dB
Hochgradige oder an
Ohne Hörgerät ist ein
Gehörlosigkeit grenzende
Verstehen normal
Hörschädigung
gesprochener Sprache nicht
mehr möglich
Ab 90 dB
Resthörigkeit
Teilweise vorhandene
Hörreste, die für
Sprachwahrnehmung
genutzt werden können
Größer als 120 dB
Gehörlosigkeit
Auch mit Hörgeräten kein
Sprachverständnis mehr
•
Nach dem Zeitpunkt des Auftretens
- bei der Geburt > gehörlos
- vor Spracherwerb > frühertaubt
- im späteren Leben > spätertaubt
•
Hinsichtlich der Ursache
- genetisch bedingt
- infektiös bedingt
- traumatisch bedingt
7 •
Nach dem Ort der Hörstörung
- Verarbeitungsstörung
- Weiterleitungsstörung
8 4.) Möglichkeiten zur Wahrnehmung von Musik bei Gehörlose
Wie bei Punkt 3 bereits erklärt, gibt es auch Gehörlose, die noch ein Resthörvermögen
besitzen. Nur etwas 10 % der Menschen mit Hörbeeinträchtigung sind tatsächlich aus
medizinischer Sicht zur Gänze gehörlos, ohne Resthörvermögen. Mit diesen Hörresten
ist es möglich, besonders tiefere Frequenzbereiche noch wahrzunehmen. Da das
Frequenzspektrum in der Musik besonders umfangreich ist, eignet sich Musik sehr gut
dazu, eventuelle Hörreste aufzuspüren.
Auch elektronische und technische Hilfsmittel, wie das Hörgerät oder das CI, können
gehörlosen Menschen ermöglichen, Musik vermittelt zu bekommen. Diese machen
Töne sichtbar oder fühlbar.
Hörende und schwerhörige Personen nehmen Musik vor allem über ihr Gehör wahr,
allerdings ist es auch für sie möglich die Vibrationen der Musik zu spüren. Bei
gehörlosen Menschen sind jedoch oft der Tastsinn, der Sehsinn und der Geruchsinn
stärker ausgeprägt als bei hörenden Menschen, da ihr Gehörsinn wenig oder gar nicht
vorhanden ist. Da es sich bei Musik um Schalwellen handelt, wird diese Vibration
körperlich fühlbar. Schalwellen tieferer Töne werden zum Beispiel als rhythmische
Drückänderung auf der Haut und Rauheit im Ohr empfunden.
Es gibt drei Möglichkeiten wie sich Vibrationen von Tönen erfühlen lassen:
•
Kontaktfühlen: dabei wird direkter Körperkontakt zur musikalischen
Schallquelle hergestellt und dadurch werden die Vibrationen gefühlt
•
Resonanzfühlen: dabei werden die Vibrationen durch die Luft übertragen
•
Indirekte Vibrationsrezeption: dabei wird direkter Körperkontakt mit Objekten
hergestellt, die die Vibrationen aufnehmen und weitergeben (z.B.: Ein
Lautsprecher spielt Musik und der Tisch neben dem Lautsprecher nimmt die
Schalwellen und somit die Vibrationen auf. Wenn man ihn berührt spürt man
die Vibrationen.)
Zahlreiche Forschungsprojekte in den USA haben bewiesen, dass gehörlose Personen die vier
Komponenten von Klängen (Klangfarbe, Tonhöhe, Lautstärke und Rhythmus) durch ihren
ausgeprägten Vibrationssinn wahrnehmen können. So werden auch verschiedene Instrumente
unterschiedlich wahrgenommen, und zwar so exakt, dass es sich zur Wahrnehmung von
hörenden Menschen kaum unterscheidet.
9 5.) Gehörlosentanz
Es gibt bei Gehörlosen, wie auch bei den Hörenden, ein weitgefächertes Angebot für Tanz
Bei Gehörlosen nennt man dies allerdings Gehörlosentanz. Von Hip
Hop über Jazz bis Bauchtanz ist alles dabei. Wichtig dabei ist nur,
dass die gehörlosen Tänzer die Vibrationen der Musik und somit den
Takt spüren können.
Die Maturantin Rahel Farine beschreibt in ihrer sehr gelungenen und
interessanten Maturaarbeit eine Tanzstunde mit Gehörlosen, die sie
besucht hat. Sie bemerkte in ihrer Arbeit, dass die Musik so laut
eingestellt wurde, dass der Rhythmus auf dem Holzboden gut spürbar war. Auch sie spürte
die Vibrationen auf dem Holzboden, jedoch ist das für Hörende nicht ganz einfach und auch
nicht selbstverständlich. Die Lehrerin der gehörlosen Schüler meinte, dass es ein Prozess sei,
von „hören“ bis „differenziert hören“. Der Tastsinn und der Sehsinn seien also nicht
vollständig vorhanden, sondern entwicklungsfähig. Während sich Gehörlose automatisch
mehr auf ihren Tast- und Sehsinn konzentrieren, müssen sich Hörende zuerst dafür öffnen und
sich selbst darauf aufmerksam machen. Rahel Farine meinte weiters, dass die gehörlosen
Tänzer die Musik mit allen Sinnen erfassen und von innen heraus tanzen, nicht so wie
hörende Tänzer, die oft sehr sexy aussehen wollen beim Tanzen und sehr harte Bewegungen
machen. Der Tanz bei Gehörlosen dagegen ist sehr ausdrucksstark.
Bekannt durch die deutsche Fernsehsendung „Das
Supertalent“ wurde auch Tobias Kramer, ein gehörloser
Tänzer aus Deutschland. Er ist seit seiner Geburt gehörlos
und hört keine Musik, aber er spürt sie, je lauter desto
mehr. Er tanzt seit seinem 12. Lebensjahr und seine Crew
„DeafForDeaf“ war die erste gehörlose Breakergruppe
Deutschlands. Sein Traum ist es, als Choreograph oder
Tänzer zu arbeiten und vielleicht auch einmal eine Tanzschule zu eröffnen.
Der Unterschied zu Hörenden ist auch, dass es bei Gehörlosen keine Rolle spielt welche
Musik sie „hören“ und zu welcher sie tanzen. Bei Veranstaltungen von Gehörlosenvereinen
wird Musik quer durch die Bank gespielt und es gibt auch keine bestimmten Musikrichtungen
10 die durch die Lautsprecher trönen. Jeder, der Lust hat zu tanzen, tanzt, egal zu welcher Musik.
Für Hörende kann es dann schon einmal zu einem Lächeln führen wenn man etwas ältere
gehörlose Damen sieht, die begeistert zu David Guetta tanzen oder auch Teenager zu Schlager
oder Volksmusik. Die Musik ist bei solchen Festen für Hörende meistens sehr anstrengend, da
sie wirklich außerordentlich laut gespielt wird. Es ist dabei immer gut Oropax in der Tasche
zu haben.
Man sieht also, dass für Gehörlose das Tanzen absolut kein Tabu ist und jeder, ob
professionell oder zum Spaß, seiner Tanzbegeisterung nachgehen kann.
11 6.) Gehörlosenmusik
Wie wir nun bereits wissen, kann Musik für Gehörlose sehr wichtig sein und zu einem
wichtigen Teil ihres Lebens gehören. Natürlich muss das nicht der Fall sein, aber es gibt
durchaus viele Gehörlose, die sich mit Musik beschäftigen und zum Teil selbst musizieren.
In Österreich gibt es im Bereich Musik für Gehörlose wenige nennenswerte Projekte, da
Österreich, was die Gehörlosenpädagogik betrifft, noch sehr im Rückstand ist. Deutschland
hingegen ist uns schon um Jahre voraus und daher werde ich meine Beispiele vorwiegend aus
Deutschland beziehen.
6.1) Musik für Gehörlose
Das Musikangebot für Gehörlose ist sehr weit gefächert und wird auch immer größer. Auch
Musikfestivals sind nichts Seltenes bei Gehörlosen. Im Dezember 2010 fand zum Beispiel
zum 13.mal das „Deaf Rockfestival“ in Berlin statt, mit viel
Rockmusik und sogar einem Luftgitarrenwettbewerb mit
Gebärdensprache. Ein internationales Festival mit Musik und
Tanz für Gehörlose ist das „Festival der Stille“ („Festival du
Silence“) in Paris. Dabei ist zuschauen wie auch aktives
Mitwirken gefragt.
Doch nicht nur Festivals stehen im Angebot, sondern auch
zahlreiche Konzerte für Gehörlose. Peter Maffay und PUR gaben
zum Beispiel bereits Konzerte für Hörgeschädigte, das untertitelt und in Gebärdensprache
begleitet wurde. Auch der „Modern Gospel Choir“ aus Berlin arbeitete bereits mit dem
Berliner Gehörlosenverband zusammen, um seine Konzerte auch für gehörlose Personen
zugänglich zu machen. Die in Gebärdensprache übersetzten Texte, die Tänzer und die Musik
unterstützende Lichtshow regen mehrere Sinne als nur den Gehörsinn an und machen die
Show zu einem unvergesslichen Erlebnis für gehörlose wie auch für hörende Personen.
6.2) Musik von Gehörlosen
Etwas zu lernen was auf den ersten Blick unmöglich zu sein scheint, ist das Ziel der
Rock&Pop Schule in Kiel. „Grenzen sind relativ“ nennt sich ihr Pilotprojekt für
12 Hörgeschädigte und Hörende. Seit November 2010 bieten sie Musikunterricht für die
Instrumente Gitarre, Bass, Schlagzeug, Gesang und Bandtraining an. Initiator, Projektleiter
und Botschafter ist der 30 jährige Mischa Gohlke. Er ist seit Geburt an gehörlos, ist aber
Dozent für Gitarre, spielt in einer Band und ist Inhaber einer Agentur für Musik, Events und
Projektmanagement namens „migo connections“.
Eine Art der Gehörlosenmusik sind auch die sogenannten Gebärdenchöre. Sie musizieren
tonlos und übertragen die Lieder in die Gebärdensprache. Meistens werden die Lieder
synchron dargestellt, es gibt aber bereits modernere
Varianten bei denen die Chormitglieder verschiedene
Bewegungsabläufe tätigen. Der Dirigent eines
Gebärdenchores wird Gebärdenleiter genannt. Seine
Aufgabe ist es die Einsätze zu geben und den Rhythmus
vorzugeben. Im Dezember 2010 sang ein Gebärdenchor
mit 25 Kindern und Jugendlichen drei Strophen der österreichischen Bundeshymne im
Parlament in Wien.
Diese Gebärdensprachlieder können natürlich auch von einzelnen Personen gebärdet werden
und nicht nur im Chor. Falls Sie Interesse daran haben, habe ich bei den Quellen einige Links
von YouTube Videos mit Gebärdensprachliedern hinzugefügt.
Eine noch etwas neuere Kunstform der Gebärdensprache ist der
Gebärdenrap. Der Gebärdenrap ist ähnlich wie die
Gebärdensprachlieder, allerdings etwas härter und nicht so klassisch
wie normale Lieder. Der Regisseur Yoav Parish versuchte einen
Musikclip mit Gebärdensprache zu filmen und nahm Kontakt mit
topdix auf, einer schweizerischen Selbsthilfeorganisation von
jungen Gehörlosen, die sich für hörgeschädigte Jugendliche einsetzt.
Zusammen mit dem Rapper E.K.R. schufen sie den Gebärdenrap. Im Video des Rappers
begleiten gebärdensprachliche Elemente den Rap.
13 7.) Berühmte gehörlose Musiker
7.1) Evelyn Glennie
Evelyn Glennie ist eine britische Percussionistin und Komponistin. In
ihrer Kindheit verschlechterte sich ihr Hörvermögen aufgrund einer
Nervenkrankheit so stark, dass sie nun nur noch 20% ihres
Hörvermögens hat. Die Musik nimmt sie hauptsächlich über
Vibrationen wahr. Bereits als Kind faszinierte sie diese Kunstform,
was dazu führte, dass sie an der Royal Academie of Music in London
Klavier und Schlagzeug studierte. Nun tritt sie mit den größten
Orchestern der Welt auf, gibt zahlreiche Solokonzerte und ist eine
weltweit bekannte Interpretin zeitgenössischer Musik. 1988 gewann
sie einen Grammy für die Einspielung der „Sonate für 2 Klaviere und
Schlagzeug“ für Béla Bartók.
7.2) Ludwig Van Beethoven
Ludwig Van Beethoven wurde 1770 in Bonn geboren. Er gilt als
der Komponist, der die Wiener Klassik zu ihrem Höhepunkt
geführt hat. 1795 begann sich Ludwig Van Beethovens Gehör zu
verschlechtern und die Taubheit verschlimmerte sich trotz
Medikamente und Kuren immer mehr. 1817 ertaubte er schließlich
zur Gänze und konnte nur mehr mit Hilfe von Konversationsheften
kommunizieren. Trotz seiner Taubheit komponierte er seine
berühmte Klaviersonate Nr. 29 die auch als
„Hammerklaviersonate“ oder „Große Sonate für das
Hammerklavier“ bekannt ist. Sie gilt als das größte und
schwierigste Klavierwerk von Ludwig Van Beethoven.
14 7.3) Sarah Neef
Sarah Need ist seit ihrer Geburt gehörlos. Musik und Ballett ist aber seit
ihrer Kindheit ihre Leidenschaft. Heute ist sie eine berühmte und
erfolgreiche Balletttänzerin, spielt Klavier und Flöte. Auch sie gibt an,
die Schwingungen der Musik mit ihrem Körper zu spüren. Als Kind
besuchte sie eine „Mutter-Kind- Rhythmusgruppe“ die die Liebe zur
Bewegung und zum Ballett förderte.
7.4) Sean Forbes
Sean Forbes wuchs in Detroit auf und ist seit seiner frühen Kindheit gehörlos. Die Beats und
Vibrationen lassen ihn Musik spüren und begeistern ihn schon seit seiner Kindheit. Er selbst
nennt sich „musician on a mission“ weil er die Musik
auch für gehörlose und schwerhörige Kinder und
Jugendliche zugänglich machen möchte. Dazu
produziert er professionelle Musikvideos, die besonders
gehörlose und schwerhörige Kinder und Jugendliche
ansprechen sollen. Dabei vermittelt er die Liedtexte so,
dass sie für sein Zielpublikum klar verständlich sind und
sie die Musik in vollen Zügen genießen können, indem er singt, simultan auf ASL (American
Sign Language) gebärdet und die Musikvideos mit Unter-, Ober- oder Nebentiteln unterlegt.
15 8.) Weitere Kunstformen der Gebärdensprache
Neben den Kunstformen der Gehörlosenmusik gibt es natürlich auch noch viele andere.
Folgende sind nur ein paar aus Vielen:
o Gebärdensprachpoesie: Gedichte werden visuell vorgetragen, in einer
Mischung aus Gebärdensprache und pantomimischer
Oberkörpersprache. Oft spielt man mit der Gebärdensprache, nimmt
zum Beispiel immer wieder die gleiche Handform, oder man arbeitet
mit Rhythmus und Takt.
o Gehörlosentheater: Die Schauspieler sind gehörlos, aber auch hörend.
Gespielt wird in Gebärdensprache. Das Gehörlosen-Theater erzählt
Geschichten von gehörlosen Menschen, ihrem Leben und ihrer Kultur.
Bestimmt ist das Theater für gehörloses und hörendes Publikum.
o Märchen in Gebärdensprache: Meistens werden dabei Märchen in
Lautsprache erzählt und zeitgleich in Gebärdensprache übertragen. Die
gebärdensprachliche Darstellung ist dabei sehr ausdruckstark und es
wird sehr viel Mimik eingesetzt, was für gute Geschichten in
Gebärdensprache unbedingt dazugehört. Weiters werden auch
Pantomimen eingesetzt um die Märchen und Geschichten noch
spannender zu gestalten.
o Bildende Kunst: In der bildenden Kunst von Gehörlosen wird oft
auf die Probleme und die Kultur von Gehörlosen eingegangen. Dabei
kommen oft durchgestrichene Hände vor, die als Zeichen für das Verbot
der Gebärdensprache gelten. Auch Augen werden oft gezeichnet, die für
die starke visuelle Wahrnehmung gelten, aber auch Ohren, die meist etwas
abnormal dargestellt werden und auf den Hörverlust hinweisen.
16 Auf den verschiedenen Gehörlosenfestivals gibt es zahlreiche Wettbewerbe bei denen das
Können der gehörlosen Künstler gezeigt wird. Auch dies ist ein wichtiger Teil der
Gehörlosenkultur.
17 9.) YouTube/ My Video Links:
Auftritte von Tobias Kramer:
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Casting: http://www.myvideo.at/watch/7931525
Halbfinale: http://www.youtube.com/watch?v=b8ZfDnjCbCc
Finale: http://www.youtube.com/watch?v=muV0voDkSis&feature=related
Popsongs in Gebärdensprache:
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Owl City – Fireflies: http://www.youtube.com/watch?v=zlxPp0vAniY
Miley Cyrus – 7 Things :
http://www.youtube.com/watch?v=7bNXdFpeASo&feature=related
I Can Do Anything Better Than You:
http://www.youtube.com/watch?v=98mkjc5yMwo&feature=related
Gebärdenrap:
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Will Smith - Fresh Prince:
http://www.youtube.com/watch?v=yC5tWuj7qcI&feature=related
Sean Forbes – I’m Deaf http://www.youtube.com/watch?v=E5l-2Jo14cQ
E.K.R. – Dunne mit em King http://www.youtube.com/watch?v=jceGRXmmy0o
18 10.)
Quellenangabe
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Wie Gehörlose Musik hören - Rahel Farine
•
Unterlagen von Herrn Professor Christian Stalzer und Frau Professor Mag. Karin
Hofstätter (Karl-Franzens Universität Graz)
´
Links:
•
http://www.taubenschlag.de/cms_pics/gl_und_musikunterricht.pdf
•
http://www.gebaerdenwelt.at/artikel/kultur/literatur/2009/04/02/20090402906365214.
html
•
http://www.gebaerdenwelt.at/artikel/kultur/unterhaltung/2010/08/10/20100810584020
512.html •
•
•
http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_van_Beethoven http://www.vienna.cc/d/musik/beethoven_biographie.htm http://de.wikipedia.org/wiki/Evelyn_Glennie 19