07-6E-00492-B-A - Thüringer Oberverwaltungsgericht

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07-6E-00492-B-A - Thüringer Oberverwaltungsgericht
6 E 492/07 We
VERWALTUNGSGERICHT WEIMAR
BESCHLUSS
In dem Verwaltungsstreitverfahren
des Herrn _____ W_____,
B_____, _____ W_____
- Antragsteller gegen
die Stadt Weimar,
vertreten durch den Oberbürgermeister,
Schwanseestraße 17, 99423 Weimar
- Antragsgegnerin wegen
Kommunaler Steuern
hier: Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO
hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Weimar durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Lenhart,
den Richter am Verwaltungsgericht Hofmann und
den Richter am Verwaltungsgericht Erlenkämper
am 20. Juni 2007 beschlossen:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Zweitwohnungssteuerbescheid der Antragsgegnerin vom 13. Februar 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 6. März 2007 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 22,75 € festgesetzt.
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Gründe
Der Antrag hat Erfolg.
Er ist zulässig, insbesondere ist, was für das gerichtliche Eilverfahren im Falle der hier vorliegenden Anforderung öffentlicher Abgaben und Kosten Zugangsvoraussetzung ist, der gemäß
§ 80 Abs. 6 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - erforderliche Antrag auf Aussetzung der
Vollziehung von dem Antragsgegner mit Schreiben vom 13. März 2007 und damit vor Stellung des Eilantrags bei Gericht abgelehnt worden.
Der Antrag ist auch begründet. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO haben Widerspruch und
Anfechtungsklage gegen Abgabe- und Kostenbescheide keine aufschiebende Wirkung. Das
Verwaltungsgericht kann in diesen Fällen jedoch gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen. Voraussetzung hierfür
ist nach der auf das gerichtliche Verfahren entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 80
Abs. 4 Satz 3 VwGO, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht
durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (ThürOVG, Beschluss vom 23. April 1998 – 4 EO 6/97 – ThürVGRspr. 2001, 77 = ThürVBl. 2001, 131 =
LKV 2001, 415; BrdbgOVG, Beschluss vom 23. September 1996 – 2 B 53/96 –; OVG NW,
Beschluss vom 17. März 1994 – 15 B 3022/93 –, NWVBl. 1994, 337 f.; VG Weimar, Beschluss vom 16. Februar 1998 – 3 E 919/97.We).
Hier bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zweitwohnungssteuerbescheide.
Rechtsgrundlage für den Bescheid ist die Satzung der Antragsgegnerin zur Erhebung einer
Zweitwohnungssteuer (rathauskurier Nr. 12 vom 6. Juni 2001) in der Fassung des 3. Nachtrages vom 15. Januar 2007 (rathauskurier Nr. 2 vom 28. Januar 2007) – im Folgenden:
ZwWoStS -. Die Besteuerung von Studierenden oder Auszubildenden, die, wie der Antragsteller, ihre Nebenwohnung in ihrem ehemaligen Kinderzimmer in der Wohnung ihrer
Eltern haben, erweist sich aus materiellen Gründen als unzulässig.
Gegenstand und damit notwendige Voraussetzung der Besteuerung ist nach § 2 Abs. 1
ZwWoStS das Innehaben einer Zweitwohnung. An diesem Tatbestandsmerkmal fehlt es hier.
Die inhaltlichen Voraussetzungen des Innehabens sind nicht erfüllt (vgl. nachfolgend zu 1.).
Hierüber vermag auch die Fiktion des § 2 Abs. 6 Satz 1 ZwWoStS oder die an mehreren Stel-
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len der Satzung zum Ausdruck kommende Bezugnahme auf die Bestimmungen des Thüringer
Meldegesetzes nicht hinwegzuhelfen (vgl. nachfolgend zu 2.).
1. Inhaber einer Zweitwohnung ist derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über eine
Sache hat. Das ergibt sich bereits aus der allgemeinen Wortbedeutung (VG Weimar, Beschluss vom 15. September 2005, - 6 E 971/05 We –; vgl. auch Gersch in Klein, AO, 8. A.,
§ 8, Rdnr. 3). Die tatsächliche Verfügungsgewalt ist jedoch nach – soweit ersichtlich – allgemeiner Ansicht nicht ausreichend. Denn nach § 2 Abs. 5 ZwWoStS ist eine Wohnung
nur dann Zweitwohnung, wenn sie dem Betroffenen zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs oder des persönlichen Lebensbedarfs der Familienmitglieder dient. Die in der Formulierung „zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs“ zum Ausdruck kommende besondere Zweckbestimmung des Innehabens einer Wohnung setzt voraus, dass der Wohnungsinhaber nicht nur die tatsächliche Verfügungsgewalt hat, sondern ihm darüber hinaus
auch noch ein Verfügungsrecht zusteht. Denn allein die tatsächliche Verfügungsgewalt
ermöglicht es dem Wohnungsinhaber noch nicht, über die Wohnung zweckbestimmt – für
den persönlichen Lebensbedarf - zu verfügen. Vielmehr bedarf er dazu auch einer rechtlichen Verfügungsbefugnis (VG Weimar, Beschluss vom 15. September 2005, - 6 E 971/05
We – und Urteil vom 27. September 2006 – 6 K 5509/04 -; ebenso auch OVG NW, Urteil
vom 23. April 1993 – 22 A 3850/92 -, NVwZ–RR 1994, 43, 46; wohl auch NdsOVG, Urteil vom 17. Juli 1985 – A 167/84 -, ZKF 1986, 134, 135; OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 29.
Januar 2007 – 6 B 11579/06 –, zitiert nach JURIS Rdnr. 7; BayVGH, Urteil vom 14. Februar 2007 – 4 N 06.367 -, zitiert nach Juris Rdnr. 60 und Beschluss vom 20. März 2007 – 4
CS 07.478 -, zitiert nach J URIS Rdnr. 8; VG Köln, Beschluss vom 5. April 2006 – 20 L
67/06 -, zitiert nach J URIS Rdnr. 16; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5. Dezember 2002 – 16
K 3699/01 -, zitiert nach Juris Rdnr. 93 ff.; Engelbrecht, Die Studentenbude als besonderer
persönlicher Aufwand?, Kommunalpraxis Bayern 2006, 11 [Tz. 3.4]; Winkler, Problemfragen bei der Erhebung der Zweitwohnungssteuer aus der Sicht Studierender, KStZ 2007,
5, 10; Meier/Juhre, Aktuelle Problemfragen im Zusammenhang mit der Zweitwohnungssteuer bei Studierenden, KStZ 2005, 46, 47 und KStZ 2005, 167, 169).
Angesichts des so durch den Satzungsgeber zum Ausdruck gebrachten Regelungswillens
kann dem Begriff des Innehabens auch vor dem Hintergrund der mit dem 3. Nachtrag eingefügten Satzungsänderungen keine andere Bedeutung beigemessen werden. Geändert
wurde etwa die Regelung in § 3 Abs. 1 ZwWoStS dahingehend, dass nicht mehr das „Innehaben“ der Zweitwohnung die Steuerpflicht auslöst, sondern lediglich das „Bewohnen3
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können“; Voraussetzung für eine Zweitwohnung ist nach § 2 Abs. 2 ZwWoStS nunmehr
nicht mehr, dass sie jemand „innehat“, sondern dass er sie „bewohnt“. Aus diesen Änderungen ergibt sich Auffassung der Kammer kein abweichender Wille des Satzungsgebers
dahingehend, dass er die Besteuerung nunmehr ausschließlich von dem Merkmal des Bewohnens abhängig machen wollte, nicht mehr hingegen vom Innehaben. Denn der Steuergegenstand in § 2 Abs. 1 ZwWoStS ist unverändert geblieben und knüpft weiterhin an das
Innehaben einer Zweitwohnung an. Dementsprechend ist auch die Regelung in § 2 Abs. 5
ZwWoStS nicht geändert worden, wonach eine Wohnung nur dann eine Nebenwohnung
(gemeint sein dürfte wohl: Zweitwohnung) im Sinne der Satzung ist, wenn sie einer dort
mit Nebenwohnung gemeldeten Person zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs oder
des persönlichen Lebensbedarfs der Familienmitglieder dient. Wie bereits erwähnt, konkretisiert die Formulierung „zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs“ die besondere
Zweckbestimmung des Innehabens und setzt somit weiterhin voraus, dass dem Bewohner
der Wohnung die tatsächliche und rechtliche Verfügungsmacht an der Wohnung zusteht
(vgl. dazu insbesondere OVG NW, Urteil vom 23. April 1993 – 22 A 3850/92 -, NVwZ–
RR 1994, 43, 46). Auch die geänderte Regelung über die Steuerpflicht knüpft an das Bewohnenkönnen an und setzt damit eine entsprechende Verfügungsmacht voraus. Die genannten Satzungsänderungen sind deshalb so zu verstehen, dass der Satzungsgeber an dem
grundsätzlichen Anknüpfungspunkt für die Besteuerung - dem Erfordernis des Innehabens
der Zweitwohnung – festhalten wollte. Durch die Änderungen tritt neben dieses Erfordernis ein weiteres in Gestalt des Bewohnen(–könnens). Reichte es vorher aus, eine Wohnung
innezuhaben, muss die innegehabte Wohnung jetzt zusätzlich auch bewohnt werden können.
Die Antragsgegnerin hätte aus verfassungsrechtlichen Gründen auf das Erfordernis des Innehabens für die Besteuerung auch gar nicht ganz verzichten können. Die Gemeinden können die Zweitwohnungssteuer nur als Aufwandsteuer erheben. Denn sie sind nach § 105
Abs. 2a Grundgesetz – GG - nur berechtigt, Verbrauch– und Aufwandsteuern zu erheben,
wobei es hier erkennbar nicht um eine Verbrauchsteuer geht. Als Aufwandsteuer stellt die
Zweitwohnungssteuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ab, die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt (BVerfG,
Kammerbeschluss vom 29. Juli 1995 – 1 BvR 1800/94 und 1 BvR 2480/94 -, zitiert nach
JURIS Rdnr. 17). Um die Besteuerung zu rechtfertigen, muss ein besonderer Aufwand, d. h.
eine über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehende Einkommensverwendung vorliegen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. August 1989 - 2 BvR
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1532/88 – zitiert nach Juris Rdnr. 3), wobei es grundsätzlich nicht darauf ankommt, von
wem und mit welchen Mitteln dieser Aufwand finanziert wird und welchem Zweck er
dient oder ob er im Einzelfall die persönliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen überschreitet. Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf
neben der Hauptwohnung ist ein Zustand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck
bringt (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 – 2 BvR 1275/79 -, zitiert nach JURIS
Rdnr. 75). Es handelt sich dabei um einen Sachverhalt, der sich einerseits von der Inanspruchnahme - lediglich - einer Erstwohnung, die keinen besonderen Aufwand gemäß Art.
105 Abs. 2 a GG darstellt (BVerwG, Urteil vom 29. November 1991 - BVerwG 8 C 107.89
– zitiert nach Juris Rdnr. 14), unterscheidet, andererseits aber keineswegs eine besonders
aufwendige oder luxuriöse Einkommensverwendung voraussetzt (BVerwG, Urteil vom 12.
April 2000 – 11 C 12/99 -, zitiert nach JURIS Rdnr. 29). Eine Satzung, die bei der Besteuerung auf das Erfordernis des Innehabens ganz verzichtete und lediglich auf das rein faktische Bewohnen abstellte, knüpfte nicht mehr an einen Lebenssachverhalt an, der im Regelfall eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indiziert (OVG S.-H., Urteil vom 20. März
2002 – 2 L 136/00 -, zitiert nach JURIS Rdnr. 25). Hinreichend verlässlicher Indikator für
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sind nur zusätzliche Mittel, die jemand aufwendet,
um sich neben der Erstwohnung eine weitere dauerhafte Wohnmöglichkeit zu schaffen
(Engelbrecht, Die Studentenbude als besonderer persönlicher Aufwand?, Kommunalpraxis
Bayern 2006, 11 [Tz. 3.3]). Dies aber setzt eine entsprechende Nutzungsberechtigung und
damit das Innehaben der Zweitwohnung schon von Verfassungs wegen notwendig voraus.
Der Antragsteller ist weder tatsächlich noch rechtlich befugt, über sein ehemaliges Kinderzimmer in der Wohnung seiner Eltern (sowie die dortige Küche, Waschgelegenheit und
Toilette, vgl. § 2 Abs. 4 ZwWoStS) uneingeschränkt zu verfügen. In den sogenannten „Besucherfällen“, in denen, wie hier, das volljährige Kind einen auswärtigen Hauptwohnsitz
hat, und nur vorübergehend, z. B. am Wochenende, in die Wohnung der Eltern zurückkehrt
und dort unentgeltlich sein früheres Kinderzimmer wieder bewohnt, ist das Zimmer lediglich als unselbständiger, der elterlichen Wohnung angegliederter Bestandteil zu betrachten.
Nicht das besuchsweise zurückkehrende Kind, sondern die Eltern haben in diesen Fällen
die volle tatsächliche und rechtliche Verfügungsgewalt über das Zimmer (VG Weimar, Beschluss vom 15. September 2005, - 6 E 971/05 We -). Den Kindern wird lediglich wie einem Gast Unterkunft im elterlichen Haushalt gewährt. Sie haben schon tatsächlich kaum
eine Möglichkeit, über die Verwendung des Zimmers, in dem sie sich eher selten aufhal5
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ten, selbst zu bestimmen. Es fehlt ihnen aber auch die rechtliche Befugnis. Die Verfügungsbefugnis an einer Wohnung steht regelmäßig nur dem Eigentümer oder Besitzer der
Wohnung zu. Studierende, die bei den Eltern wohnen, sind regelmäßig nicht Eigentümer
der Wohnung. Auch ein Besitzrecht, aufgrund dessen sie über die Wohnung verfügen
könnten, ist nicht anzunehmen. Das ist in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt.
Kindern sind Räume der elterlichen Wohnung durchweg nicht zu selbständigem Gebrauch
überlassen. Sie haben deshalb in der elterlichen Wohnung regelmäßig keinen Mit– oder
Teilbesitz daran, sie sind lediglich Besitzdiener (§ 855 BGB; KG Berlin, Entscheidung
vom 26. Oktober 1993 – 1 W 6068/93 -, zitiert nach JURIS Rdnr. 5; LG Lüneburg, Entscheidung vom 12. Februar 1998 – 1 S 244/97 -, NJW–RR 1998, 662). Dies gilt nicht nur
für minderjährige, sondern - wenn auch mit eigener Haushaltsführung - auch für erwachsene Kinder, die weiterhin in der elterlichen Wohnung in dem ihnen zugewiesenen Zimmer
wohnen und Gemeinschaftseinrichtungen wie Küche und Bad etc. mitbenutzen (OLG
Hamburg, Entscheidung vom 6. Dezember 1999 – 6 W 73/90 -, zitiert nach J URIS Rdnr. 3;
unter verfassungsgerichtlichen Gesichtspunkten bestätigt von BVerfG, Entscheidung vom
16. Januar 1991 – 1 BvR 59/91 -, zitiert nach JURIS Rdnr. 4; vgl auch KG Berlin, Entscheidung vom 26. Oktober 1993 – 1 W 6068/93 -, zitiert nach J URIS Rdnr. 5 -; Meier/Juhre,
Aktuelle Problemfragen im Zusammenhang mit der Zweitwohnungssteuer bei Studierenden, KStZ 2005, 46, 48 und KStZ 2005, 167, 169). Ausnahmen können allenfalls aufgrund
besonderer Umstände in Erwägung gezogen werden, etwa bei abgeschlossenem Lebensbereich, eigenem Hausstand oder Mietzahlung (vgl. Stöber in Zöller, ZPO, 21. Auflage, §
885, Rdnr. 7). Dafür ist hier aber nichts ersichtlich. Damit ist eine Steuerpflicht für Studierende, die ihren Nebenwohnsitz als Zimmer in der elterlichen Wohnung haben, nicht gegeben (VG Weimar, Urteil vom 27. September 2006 – 6 K 5509/04 -; im Ergebnis ähnlich
OVG S.-H., Urteil vom 20. März 2002 – 2 L 136/00 -, zitiert nach JURIS; VG Lüneburg,
Urteil vom 2. Januar 2004 – 5 A 118/04 -, zitiert nach JURIS; Engelbrecht, Die Studentenbude als besonderer persönlicher Aufwand?, Kommunalpraxis Bayern 2006, 11 [Tz. 3.4];
Winkler, Problemfragen bei der Erhebung der Zweitwohnungssteuer aus der Sicht Studierender, KStZ 2007, 5, 10).
2. Das Innehaben der Zweitwohnung wird im vorliegenden Fall auch nicht durch die Vorschrift des § 2 Abs. 6 Satz 1 ZwWoStS oder die an mehreren Stellen der Satzung (vgl. etwa § 2 Absätze 2, 3 und 5 sowie § 3 Abs. 2) zu findende Bezugnahme auf die Bestimmungen des Thüringer Meldegesetzes fingiert. Grundvoraussetzung der Besteuerung ist zunächst, dass der Betreffende eine Zweitwohnung wirklich innehat. Nur dann betreibt er ei6
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nen Aufwand, der auf eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit schließen lässt.
Allein die melderechtlichen Verhältnisse oder der melderechtliche Status lassen nicht auf
einen solchen Aufwand schließen. Das Melderecht trifft bei zwei vorhandenen Wohnungen
lediglich die Unterscheidung, welche die vorwiegend benutzte und damit die Hauptwohnung ist (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 ThürMeldeG). Darin erschöpft sich die Übertragbarkeit
der melderechtlichen Verhältnisse auf die Zweitwohnungssteuerpflicht. Für die Frage, ob
die Wohnung auch „innegehabt“ wird und damit überhaupt tauglicher Steuergegenstand
ist, trifft die Vorschrift dagegen keine Regelung. Deshalb muss das Merkmal des Innehabens eigenständig und unabhängig von den melderechtlichen Verhältnissen oder vom melderechtlichen Status bestimmt werden (OVG S.-H., Urteil vom 20. März 2002 – 2 L
136/00 -, zitiert nach JURIS Rdnr. 24; VG Lüneburg, Urteil vom 2. Januar 2004 – 5 A
118/04 -, zitiert nach JURIS Rdnr. 30 f.; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 14. Februar 2007 –
4 N 06.367 -, zitiert nach JURIS Rdnr. 60 und Beschluss vom 20. März 2007 – 4 CS
07.478 -, zitiert nach J URIS Rdnr. 8, der von einer widerleglichen Vermutungsregelung
ausgeht).
Eine Besteuerung des Antragstellers wäre aber auch dann unzulässig, wenn die Bezugnahme auf die melderechtlichen Verhältnisse und den melderechtlichen Status so zu verstehen wäre, dass dadurch allein und verbindlich darüber Auskunft gegeben werden soll,
wer zur Zweitwohnungssteuer herangezogen werden kann, und somit derjenige, der mit
Nebenwohnung im Stadtgebiet gemeldet ist, auch als „Inhaber“ einer Zweitwohnung fingiert würde (so Winkler, Problemfragen bei der Erhebung der Zweitwohnungssteuer aus
der Sicht Studierender, KStZ 2007, 5, 8). Eine so verstandene Regelung verstieße in ihrer
Anwendung auf Studierende gegen den sich aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG - ergebenden Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Denn der Personenkreis, der rechtlich und tatsächlich über die Zweitwohnung verfügt und sie damit innehat, unterscheidet sich in wesentlicher Hinsicht von demjenigen, der mangels Verfügungsbefugnis über die Wohnung
eben keinen besonderen Aufwand betreibt, aber durch die melderechtlichen Vorschriften
als Zweitwohnungsinhaber fingiert wird. Diese abgabenrechtliche Gleichbehandlung ist
willkürlich. Ein sachlicher Grund hierfür ergibt sich weder aus dem Grundsatz der Typengerechtigkeit noch aus dem der Verwaltungspraktikabilität (OVG Rh.-Pf., Beschluss vom
29. Januar 2007 – 6 B 11579/06 -, zitiert nach J URIS , Rdnrn. 6 ff.; wohl auch OVG M.-V.,
Beschluss vom 27. Februar 2007 – 1 M 103/06 -). Der Grundsatz der Typengerechtigkeit
gestattet es dem Normgeber zwar grundsätzlich, an Regelfälle eines Sachbereiches anzuknüpfen, dementsprechend typische Fälle gleich zu behandeln und nicht zum Regeltyp
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passende Umstände des Einzelfalls außer Acht zu lassen. Im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG darf jedoch die Anzahl der vom Regeltyp abweichenden Ausnahmefälle nicht mehr als etwa 10 % betragen (BVerwG, Beschluss vom 28. März 1995 ,
NVwZ–RR 1995, 594, 595; Urteil vom 1. August 1986, NVwZ 1987, 231, 232). Dieser
Anteil dürfte hier deutlich überschritten sein. Dass Studierende ihren Nebenwohnsitz bei
den Eltern haben, dürfte sogar eher der Regelfall sein. Von einer lediglich untergeordneten
Benachteiligung dieser Personengruppe kann deshalb nicht gesprochen werden (Winkler,
Problemfragen bei der Erhebung der Zweitwohnungssteuer aus der Sicht Studierender,
KStZ 2007, 5, 10; vgl. auch OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 29. Januar 2007 – 6 B
11579/06 -, zitiert nach JURIS, Rdnr. 9; a. A. BayVGH, Urteil vom 14. Februar 2007 – 4 N
06.367 -, zitiert nach JURIS Rdnr. 62 und Beschluss vom 2. März 2007 – 4 CS 06.2654 -,
zitiert nach JURIS Rdnr. 9). Auch Praktikabilitätserwägungen rechtfertigen die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte nicht. Die an einem Wirklichkeitsmaßstab ausgerichtete
Feststellung, dass der Steuerschuldner tatsächlich zwei Wohnungen innehat, stößt auf keine unzumutbaren administrativen Schwierigkeiten. So können Informationen etwa ohne
Weiteres im Zusammenhang mit der von der Antragstellerin ohnehin in jedem Einzelfall
angeforderten „Erklärung zur Zweitwohnungssteuer“ abgefragt werden. Auch im vorliegenden Fall hat der Antragsteller schon in der Erklärung angegeben, dass er nur zu Besuchszwecken bei seinen Eltern wohne und deshalb keine Nebenwohnung im Sinne der
Zweitwohnungssteuersatzung habe. Im weiteren Verfahrensverlauf hat er diese Aussage
mehrmals wiederholt. Besonderer Ermittlungen seitens der Antragsgegnerin, die einen
größeren Verwaltungsaufwand erfordert hätten, bedurfte es folglich nicht (so auch OVG
Rh.-Pf., Beschluss vom 29. Januar 2007 – 6 B 11579/06 -, zitiert nach JURIS, Rdnr. 9; VG
Lüneburg, Urteil vom 2. Januar 2004 – 5 A 118/04 -, zitiert nach JURIS Rdnr. 32; a. A. FG
Bremen, Urteil vom 1. Februar 2000 – 299283 K 2 -, KStZ 2000, 171, 172; VG Aachen,
Beschluss vom 25. Mai 2004 – 4 L 146/04 -, zitiert nach JURIS Rdnr. 11; für eine zwingend
in die Satzung aufzunehmende generelle Steuerbefreiung oder einen Billigkeitserlass: VG
Lüneburg, Beschluss vom 28. Juli 2004 – 5 B 34/04 – zitiert nach JURIS Rdnr. 12; FG
Bremen, Urteil vom 1. Februar 2000 – 299283 K 2 -, KStZ 2000, 171, 173; Winkler, Problemfragen bei der Erhebung der Zweitwohnungssteuer aus der Sicht Studierender, KStZ
2007, 5, 10; ablehnend Engelbrecht, Die Studentenbude als besonderer persönlicher Aufwand?, Kommunalpraxis Bayern 2006, 11 [Tz. 5.1 ff.]).
Danach war dem Antrag mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge stattzugeben. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 i. V. m. § 53 Abs. 3 Nr. 2 Gerichts8
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kostengesetz in der seit dem 1. Juli 2004 geltenden Fassung und richtet sich nach der Höhe
des Zahlungsgebotes. Dieser Betrag ist im abgabenrechtlichen Eilverfahren auf ein Viertel zu
kürzen, was zu dem in der Beschlussformel genannten Wert des Streitgegenstandes führt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Thüringer Oberverwaltungsgericht zu.
Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Weimar, Rießnerstraße 12 b, 99427 Weimar, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses einzulegen.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses zu begründen.
Die Begründung ist - wenn sie nicht bereits mit der Beschwerdeeinlegung erfolgt - beim Thüringer Oberverwaltungsgericht, Kaufstraße 2-4, 99423 Weimar, einzureichen.
Gegen die Festsetzung des Streitwertes in dem Beschluss steht den Beteiligten und den
sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Thüringer Oberverwaltungsgericht zu, wobei es insoweit einer Begründung nicht bedarf.
Die Streitwertbeschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Weimar einzulegen. Sie ist nur
zulässig, wenn die Beschwerde innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die
Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.
Hinweis: Für das Beschwerdeverfahren (mit Ausnahme der Streitwertbeschwerde) besteht
Vertretungszwang nach Maßgabe des § 67 Abs. 1 VwGO.
Lenhart
Hofmann
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