Unheil im Anflug

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Unheil im Anflug
MANAGEMENT
Braunvieh 2/ 2012
Unheil im Anflug
heit und ganz neu das Schmallenberg-Virus. Auch Parasiten und Pilzsporen sowie
Durchfälle verursachende Kokzidien können durch Insekten übertragen werden.
Durch die zusätzliche Unruhe, die massiv
auftretende Insekten verursachen, kann
es außerdem zu Leistungseinbußen von
bis zu 20 Prozent bei den Tieren kommen.
Während sich lange Zeit der Fokus der
Bekämpfung vor allem auf Fliegen und
Bremsen konzentrierte, gerieten seit dem
Aufkommen der Blauzungenkrankheit in
Deutschland auch Mücken – hier vor allem
die Gnitzen – ins Visier der Bekämpfung.
Auch bei der Verbreitung des Schmallenberg-Virus zählen sie zu den Hauptüberträgern, wie kürzlich veröffentlicht wurde.
Die Viren werden bei den mehrfachen
Blutmahlzeiten der weiblichen Gnitzen
der Gattung Cullicoides übertragen. Ist
eine Gnitze einmal mit dem Virus infiziert,
bleibt sie das auch für den Rest ihres Lebens. Besonders gerne stechen Gnitzen
am Bauch, am Rücken und an den Beinen
der Tiere.
Foto: Maucher
Mit Fliegen, Bremsen und Mücken haben sich Weidetiere schon seit jeher
arrangieren müssen. Doch das milde Klima scheint immer größere Mengen dieser umherschwirrenden Lästlinge hervorzubringen. Und was noch
viel schlimmer ist, das ist die immer länger werdende Liste von Krankheiten, die sie übertragen können.
Was kann getan werden?
Galt früher häufig der Rat, die Tiere erst
am Abend auf die Weide zu lassen, um sie
vor Fliegen und Bremsen zu schützen, so
müsste es mit Blick auf Stechmücken heißen: Bringen Sie die Tiere zur Dämmerung
und nachts in den Stall, um sie zu schützen – denn die stechenden Gnitzenweibchen sind vor allem dämmerungs- und
nachtaktiv!
Doch auch dieser Rat hat einen Haken.
Wie Dr. Peter-Henning Clausen vom Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin der FU Berlin erklärt, halten
sich die Stechmücken auch gerne an und
in den Ställen auf. Vor allem im Herbst,
wenn es wieder kühler wird, ziehen sie
Unzählige Fliegen umschwirren andauernd die Weidetiere. Je nach Jahres- und Tageszeit kommen noch Stechmücken, Gnitzen, Kriebelmücken und Bremsen dazu.
D
ie schlechte Nachricht gleich vorweg: Den ultimativen Insektenschutz für Tiere auf der Weide gibt
es nicht. Doch es gibt Möglichkeiten, wie
man den Rindern das Leben auf der Weide
etwas einfacher und den Insekten dafür
etwas schwerer machen kann. Prinzipiell
ist es aber erst einmal nicht verkehrt zu
wissen, mit wem man es zu tun hat, bevor
man zum Angriff übergeht.
Weidetiere werden sowohl durch stechende als auch nicht stechende Insekten belästigt (siehe Kasten). Beide können
Krankheiten übertragen. Bakterielle Erkrankungen sind zum Beispiel die WeideKeratitis (Entzündung der Binde- und
Hornhaut der Augen), Sommermastitis,
die Brucellose oder die Dysenterie. Zu den
Virus-Erkrankungen zählen die Maulund Klauenseuche, die Blauzungenkrank-
Fliegenfrei im Stall
Auch im Stall fühlen sich Fliegen und sogar
Steckmücken wohl.
Oberstes Gebot, um die Lästlinge fern zu halten,
sind Sauberkeit und Hygiene. Das gilt für Liegeund Laufflächen, Futtertische und Melkkammern
gleichermaßen. Überall, wo sich organisches
Material ansammelt und vergammelt, sind Fliegen schnell zur Stelle und sorgen für reichlich
Nachkommen.
Nicht wohl fühlen sie sich, wenn der Stall gut
durchlüftet ist. Hier können auch Ventilatoren
für eine für Fliegen unangenehme Brise sorgen.
Auch das Ausbringen von Kalk in Liegeboxen
und Laufgängen trägt zur Hygiene bei.
Sind immer noch zu viele dieser Lästlinge im
Stall, kann im konventionellen Betrieb zu Larviziden gegriffen werden, die entweder ausgestreut
oder per Gießkanne beziehungsweise über eine
Rückenspritze ausgebracht werden. Die Larven
der Fliegen kommen so gar nicht zur Entwicklung. Gegen ausgewachsene Fliegen können
Fliegenfallen (Klebebänder), Fraßköder (ausgelegt oder im Anstrich) oder UV-Fallen eingesetzt
werden.
Ein biologischer Weg zur Fliegenbekämpfung
ist der Einsatz von Schlupfwespen oder Güllefliegen, die beispielsweise über das Internet bezogen werden können .
Fotos (2): Haubner
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Eine magische Anziehungskraft auf Fliegen übt ein frischer Kuhfladen aus. Unter anderem hier beladen sich
die Quälgeister mit Krankheitserregern oder nutzen
die organische Substanz zur Eiablage.
Aufguss-Präparate gegen Ekto- und Endoparasiten wirken auch gegen Fliegen und
Bremsen. Es gibt aber auch Aufguss-Mittel speziell gegen Fliegen und Bremsen.
sich gerne in den warmen Stall
zurück. Und selbst im Winter
kann man Gnitzen und andere
Stechmückenarten in den Ställen fangen. Sie finden dort alles vor, was sie zum Vermehren
brauchen: Wärme, Feuchtigkeit
und organisches Material.
Eben diese Faktoren gilt es
so weit wie möglich einzudämmen. Im Stall geht dies
einfacher, auf der Weide ist das
schwierig bis unmöglich.
Gießen oder clippen
Einen gewissen Erfolg bei
der Abwehr und dem Bekämpfen der Insekten versprechen
eine Vielzahl von Mitteln gegen Ektoparasiten, die im Anwendungsgebiet auch Fliegen,
Bremsen und die kleine Weidestechfliege aufgeführt haben.
Die speziellen Mittel (Repellentien) enthalten Pyrethroide,
synthetische Insektizide, wie
zum Beispiel Cyfluthrin, Cypermethrin, Deltametrin, Flumethrin oder Permethrin.
Die Pyrethroide wirken für
die Insekten als Kontaktgift
und haben eine abschreckende
und abtötende Wirkung. Auch
einige Produkte mit Wirkstoffen der Avermectin-Gruppe
(z.B. Ivermectin, Eprinomectin,
Moxidectin) haben zumindest
die kleine Weidestechfliege im
Anwendungsgebiet, allerdings
bei geringerer Wirkdauer als
die Phyrethroide.
Da sich bis zum Auftreten
der Blauzungenkrankheit niemand um Stechmücken oder
Gnitzen im Besonderen kümmerte, waren und sind großteils auch heute noch die
Lästige Insekten
Stechende Insekten:
Fliegen (Brachycera):
Große Weidestechfliege (Haematobia stimulans),
Kleine Weidestechfliege (Haematobia irritans),
Wadenstecher/Stallfliege (Stomoxys
calcitrans),
Lausfliegen (Pferdelausfliege),
Bremsen (Tabanidae), z.B. Rinderbremse, Gemeine Viehbremse, Regenbremse, Pferdebremse,
Mücken (Nemaoteca):
Stechmücken (Culicidae, z.B. Culex
pipiens = Gemeine Stechmücke),
Gnitzen oder Bartmücken (Ceratopogonidae mit 5 Gattungen, z.B.
Culicoides)
Kriebelmücken (Simuliidae);
nicht stechende Insekten:
Fliegen (Brachycera):
Große Stubenfliege (Musca domestica),
Kleine Stubenfliege (Fannia canicularis),
Kopffliege (Hydrotea irritans),
Augenfliege/Gesichtsfliege (Musca
autumnalis).
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Foto: Riesberg
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auf dem Markt erhältlichen Mittel nicht
auf ihre Wirksamkeit bei Mücken geprüft
und zugelassen. Wegen des breiten Wirkspektrums wurde allerdings davon ausgegangen, dass Pyrethroide auch Mücken
abtöten können, und so empfahl das FLI
die Produkte zum Einsatz bei der BT-Bekämpfung. Für die Wirkstoffe Cypermethrin und Cyflutrin beispielsweise führten
die Hersteller Versuche in der Gnitzen-
bekämpfung durch, Felduntersuchungen
und sog. Bioassays. Der sogenannte Killing-Effekt betrug etwa 14 zu 23 Tage.
Für Rinder, die komplett auf der Weide
gehalten werden, bietet sich das Verabreichen des Wirkstoffes über einen Ohrclip
an. Dieser sollte etwa 2 bis 3 Tage vor dem
Weideaustrieb am Tier befestigt werden.
Dies geschieht über die Alflex-Markierzange mittels Ohrstanze oder über ein
spezielles Befestigungssystem. Hier werden die Ohrclips an den bereits vorhandenen Identifikationsohrmarken befestigt.
Die Wirkdauer wird mit 4 bis 5 Monaten
angegeben. Das Pour-on-Verfahren ist für
Tiere geeignet, die einen Stall aufsuchen
oder anderweitig fixiert werden können.
Je nach Länge der Weidesaison sind 2 bis 3
Anwendungen für einen anhaltend guten
Schutz nötig.
AH
Präparate zum Einsatz bei Rindern gegen Fliegen und Bremsen
Anwendung
Wirkdauer
Wartezeit
Vertriebsbeschränkungen
Auriplak
Hersteller und
Wirkstoff
Vertreiber
Virbac
Permethrin
Ohrclip
5 Monate
apothekenpflichtig
Bayofly
Bayer
Lösung zum Aufgießen 4 – 6 Wochen
essbare Gewebe 0 Tage
essbare Gewebe 0 Tage
Milch 0 Tage
Name
Butox 7,5 mg/ml
Pour-on
Intervet
Flectron
Pfizer
Latroxin Delta
0,750 g/100 ml
Medistar
Cydectin 0,5 %
Pour-on
Fort Dodge
Ivomec
Pour-on
Merial
Quelle: TGD Bayern; Stand März 2012.
Cyfluthrin
6 – 10 Wochen
Suspension zum
essbare Gewebe 18 Tage
Weidetiere dürfen auf
Deltamethrin
Aufgießen
derselben Weide nur 1× pro Milch 0 Tage
Saison behandelt werden
essbare Gewebe 0 Tage
Cypermethrin Ohrclip
4 – 5 Monate
Milch 0 Tage
6 – 10 Wochen
Suspension zum
essbare Gewebe 18 Tage
Weidetiere dürfen auf
Deltamethrin
Aufgießen
derselben Weide nur 1× pro Milch 0 Tage
Saison behandelt werden
5 – 6 Wochen
essbare Gewebe 14 Tage
Moxidectin
Lösung zum Aufgießen witterungsbedingt
Mlch 0 Tage
u. U. kürzer
essbare Gewebe 15 Tage; nicht
anwenden bei Tieren, die der MilchIvermectin
Lösung zum Aufgießen 28 – 35 Tage
gewinnung dienen; nicht innerhalb
von 60 Tagen vor dem Kalben
apothekenfplichtig
apothekenpflichtig
verschreibungspflichtig
apothekenpflichtig
verschreibungspflichtig
verschreibungspflichtig