Donald Trump beschimpft Ausländer und Frauen
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Donald Trump beschimpft Ausländer und Frauen
FRUCHT DES ZORNS TITEL Donald Trump beschimpft Ausländer und Frauen, will Islamisten in die Steinzeit bomben – und hat gute Chancen, der nächste US-Präsident zu werden. Die Geschichte eines sehr amerikanischen Phänomens FOTO: MARK PETERSON/REDUX/LAIF Von Norbert Höfler 38 Laut, lauter, Trump: der Kandidat auf der Straße in seiner Heimatstadt New York 4.2.2016 FOTOS: LANDON NORDEMAN 1 3 2 Szenen aus Trumps Wahlkampftour in Florida: 1. Anhänger mit Werbebuttons. 2. Ein Elefant mit Trumps Motto („Amerika wieder groß machen“) . 3. Fans halten eine Puppe des Kandidaten hoch; auf dem Plakat dahinter steht: „Die schweigende Mehrheit hält zu Trump.“ 4. Begeisterte Besucher einer Wahlveranstaltung 4 4.2.2016 41 FOTO: TOM PENNINGTON/GETTY IMAGES 42 MACHT UND STÄRKE FÜR AMERIKA. DAS IST SEINE BOTSCHAFT Groß, größer, Amerika: Trump vor einer riesigen US-Flagge bei einer Veranstaltung in Dallas 4.2.2016 Ach, Amerika! Das halbe Land spielt verrückt. Fast jeder zweite US-Bürger würde derzeit Donald Trump zum Präsidenten wählen. Einen Hetzer und Demagogen. Einen Narzissten und Angstmacher. Einen Mann, für den alle Muslime potenzielle Terroristen sind. Der Wladimir Putin für seine Härte bewundert und Angela Merkel für bekloppt hält, weil sie ein Herz für Flüchtlinge hat. Im eigenen Land will Trump elf Millionen unregistrierte Einwanderer zusammentreiben und nach Süd- und Mittelamerika deportieren lassen. An US-Schulen soll das Tragen von Waffen erlaubt werden. Bei Reden von Trump kommt es dauernd zu Krawallen. Er blüht dann auf. Als in Vermont ein Störer aus dem Saal gedrängt wurde, rief er vom Rednerpult: „Behaltet seinen Mantel. Es sind minus zehn Grad da draußen.“ In Las Vegas wollte der Trump-Mob einen schwarzen Protestierer lynchen. Sie riefen: „Knallt ihn ab!“ Und: „Sieg heil!“ Sicherheitskräfte gingen dazwischen. Trump sagt: „Wahlkampf ist Krieg.“ Und trifft einen Nerv. Denn Amerika liebt es in diesem Winter radikal. Zehntau44 4.2.2016 Kontakt. Er wählt einfache Worte. Kein anderer Kandidat spricht so simpel. Seine Masche ist erprobt: Erst schockiert er seine Zuhörer, dann richtet er sie langsam wieder auf. Trump sagt: „Unser Land geht zur Hölle.“ – „Ich weiß, es geht euch schlecht.“ – „Ich kümmere mich um euch. Ich verspreche es.“ – „Ich baue Amerika wieder auf. Schöner, besser als zuvor.“ Eine halbe Stunde geht das so, dann ruft er: „We make America great again!“ Mit diesem Slogan gewann Ronald Reagan 1980 gegen Jimmy Carter. Keiner beherrscht die Zwiesprache mit seinen Anhängern so wie Trump. Er stellt Fragen, die Zuschauer antworten. Es ist ein wohliges Schunkeln. Trump fragt: „Ein Lobbyist wollte mir fünf Millionen Dollar spenden. Ich war so verrückt und habe abgelehnt. Habe ich das richtig gemacht?“ Das Publikum ruft: „Ja!“ Trump: „Oder sollte ich das Geld doch annehmen, so wie Jeb Bush, Ted Cruz oder Hillary?“ Das Publikum ruft: „Buuuuh!“ Trump sagt dann: „Genau. Ich brauch’ das Geld nicht. Ich bin selber reich. Richtig reich! Sehr, sehr reich.“ Das Publikum tobt. Trump ist tatsächlich der einzige Kandidat, der keine Wahlkampfspenden nimmt. Damit setzt er sich von allen ab. Vor allem von Hillary Clinton, die bisher 60 Millionen Dollar eingesammelt hat. Das wird ihr Trump in den nächsten Monaten noch genüsslich um die Ohren hauen. Wer Geld von anderen nimmt, sei käuflich, eine Marionette des Kapitals. Bei fast allen seinen Auftritten sagt Trump: „Als Geschäftsmann habe ich Politikern Geld gegeben und von ihnen immer bekommen, was ich wollte.“ Jetzt tritt Trump gegen „Big Money“ an. Endlich einer, der auf die Millionen der Wall Street pfeifen kann. Allein deshalb wollen ihn viele wählen. Er traut sich alles zu, auch Putin Vor der Halle in Des Moines verteilt ein junger Mann Werbezettel. Phil ist einer von vielen unbezahlten Wahlhelfern. Der 24-Jährige war sechs Jahre bei der US-Armee, zuletzt in Afghanistan. Nun lebt er von Gelegenheitsjobs. Er habe noch nie für einen Politiker geworben, noch nie gewählt. Aber Trump werde er seine Stimme geben. So wie viele seiner Freunde. Diese Neuwähler sind des Kandidaten größter Trumpf. Kein anderer kann sie so mobilisieren. Ausgerechnet Donald J. Trump, ein Milliardär aus New York, wird zur Galionsfigur der weißen Unterund Mittelschicht, die sich von der 4 FOTOS: MIKE BLAKE/REUTERS; MARK PETERSON/REDUX/LAIF A sende pilgern zu Trump. Ob in Florida oder in Iowa, die Leute stehen stundenlang an. Der Anti-Politiker Trump, der noch vor wenigen Wochen als „Clown“ und „Psycho“ verlacht wurde, ist der neue Politik-Star. Die ersten Wahlforscher sagen, Trump könnte es tatsächlich ins Weiße Haus schaffen. Des Moines, Iowa, vor einigen Wochen. In der Messehalle riecht es nach gegrilltem Hühnchen und Stampfkartoffeln. Die Speisen werden in immensen Kasserollen hereingetragen. 500 Leute sitzen schon, immer zehn an einem Tisch. Noch einmal so viele stehen draußen vor der Halle. Fast alle tragen die guten Sachen, wie sonst zum Kirchgang. Jeder hat ein paar Dollar bezahlt. Dafür bekommen sie Essen und Politik satt. Als alle drin sind, wird gebetet. „Danke, lieber Gott, für die Freiheit. Danke für unsere Demokratie. Gib uns die Weisheit, jene zu wählen, die dich ehren. Amen.“ Es folgt die Nationalhymne. Hand aufs Herz. Applaus. Guten Appetit. An Tisch 86 sitzen Elizabeth und ihr Mann Tom McChesney, sie ist Lehrerin, er Farmer. Sie haben neun Kinder aus zwei Ehen. Beide sind weit gereist. In Deutschland kennen sie den Main und München. Sie sind Wechselwähler, mal Demokraten, mal Republikaner. Nun ist Trump ihr Mann. Warum? Sie sagt: „Wir fühlen uns nicht mehr sicher. Trump lässt die Terroristen erst gar nicht ins Land.“ Er: „Trump ist nicht käuflich. Er gehört nicht zur Politikerkaste aus Washington.“ Die McChesneys reden Trumps Text: „Mehr Jobs, mehr Lehrer, mehr Gerechtigkeit, mehr Geld. Ein starkes Militär. Die Welt soll Amerika wieder respektieren.“ Die Hühnerbeine auf ihren Tellern werden kalt. Egal, es geht um ihr Land. Schwarze Mülltonnen werden in die Halle geschoben, halb volle Plastikteller reingeschmissen. Es erscheint Donald Trump. Der Kandidat winkt, marschiert im Sturmschritt zum Rednerpult und hält ein dickes Buch in die Höhe. „Das ist die Bibel meiner Mutter. Ich lese jeden Tag darin.“ Sonst sagt er gern, die Bibel sei zwar sein Lieblingsbuch, gleich danach aber komme „Die Kunst des Erfolges“, der Bestseller, den er vor 30 Jahren selbst geschrieben hat. Auf diesen Gag verzichtet er in Iowa lieber. Hier glauben die Menschen an Gott. Trump redet sich warm. Erst leise, so knüpft er mit seinem Publikum schnell Fasziniert verfolgt das Publikum – hier in New Hampshire – die Auftritte von Donald Trump KURZE SÄTZE, EINFACHE WORTE – SO FÄNGT ER DIE WÄHLER 1 4 3 6 Das Leben eines Milliardärs: 1. Trump mit Ehefrau Melania und Sohn Barron im Penthouse in New York. 2. Mit Vater Fred C. Trump in den 70er Jahren. 3. Mit den älteren Kindern Donald jr. (r.), Eric und Ivanka. 4. Sein Stern in Hollywood. 5. Das Klubhaus seines Golfplatzes in New Jersey. 6. Da noch Freunde, heute Feinde: die Trumps und die Clintons. 7. Vor einem seiner Hochhäuser in Chicago 5 7 FOTOS: REGINE MAHAUX/GETTY IMAGES; BARTON SILVERMAN/THE NEW YORK TIMES/LAIF; MARK VON HOLDEN/WIREIMAGE/GETTY IMAGES; VINCE BUCCI/GETTY IMAGES; NORBERT HOEFLER (2); MARING/CONTOUR/GETTY IMAGES; CHARLES REX ARBOGAST/AP 2 Einen Politiker wie Trump haben die Politik in Washington vergessen und Amerikaner bisher nicht gesehen. Er saß betrogen fühlt. Immer mehr Amerikaner zieht Trump noch keinen einzigen Tag in einem Parlaauf seine Seite. Zu seinen Reden kommen ment, er übte noch nie ein politisches Amt inzwischen sogar Menschen, die eigentlich aus. Von Außenpolitik hat er keine AhAnhänger Hillary Clintons sind. So wun- nung. Trump sagt, was er darüber wisse, derte sich der populäre TV-Comedian habe er aus Fernsehsendungen gelernt. Stephen Colbert neulich über sich selbst. Er glaubt, mit dem sogenannten IslamiEr finde nahezu alle Ideen schen Staat könne man kurzen Prozess machen: „Die Scheiße von Trump abstrus, aber des‑ sen Populismus wirke auf würde ich aus ihnen herausihn irgendwie anziehend. John bomben.“ Waynes Tochter schrieb Trump, Wäre dieser Trump als USihr Vater, wenn er noch lebte, Präsident ein Risiko für die wäre stolz auf ihn. Trump posteWelt? Wieder ein Kriegstreiber, Elizabeth und te den Brief sofort auf Facebook, wie George W. Bush? Tom McChesney wo ihm 5,5 Millionen Fans folOhne Zweifel würde Trump sind Anhänger gen, mehr als doppelt so viele die USA massiv aufrüsten. Er von Trump. Früher wie Hillary Clinton. sagt: „Wir wären so stark, keiner wählten sie auch Tatsächlich passt Trump in würde sich mit uns anlegen.“ Er mal Demokraten. kein politisches Lager. Mal steht glaubt an die alte Doktrin der Heute sagen sie: „Trump ist er weit rechts, mal klingt er wie Abschreckung. nicht käuflich. Er Trump sagt, als Präsident wolein Sozialist, zumindest für USgehört nicht zur Maßstäbe. Er ist für das Recht auf le er total unberechenbar sein. Politikerkaste von Waffenbesitz und trägt bisweilen Auf der großen Bühne kultiviert Washington“ selbst eine Pistole. Klimawandel er die Pose des Anarchos, absohält er für ein Märchen. Aber er macht lut angstfrei und skrupellos. In kleiner sich für Sozialhilfe stark und für ein staat- Runde erlebt man einen nachdenklicheliches Investitionsprogramm, um marode ren Mann, wie neulich nach einer PresseBrücken und Straßen zu sanieren. Jeder konferenz im Foyer des Trump Tower Arbeiter und jeder Rentner solle eine Kran- in New York, wo er wohnt und seine Wahlkenversicherung haben. Da klingt er fast kampfzentrale hat. Da sagte er: „Eine Fühwie Obama. Studenten aus dem Ausland, rungspersönlichkeit muss flexibel sein: die an Eliteunis studieren, will er unbedingt einerseits seinen Standpunkt vertreten, im Land halten. Er sagt: „Wir wären doch aber auch genug Spielraum haben, um bescheuert, sie gehen zu lassen.“ Er sagt, mit Kompromisse zu machen.“ der Homo-Ehe habe er kein Problem, obTrump setzt wirklich auf die Macht des wohl er sich bisweilen darüber mokiert. Die Verhandelns. Er ist zutiefst davon übereigene Industrie will er zwingen, in den USA zeugt, dass er darin ein Meister ist. Dass zu produzieren. Dem Autohersteller Ford Weltpolitik mit Putin nach anderen Regeln drohte er mit 35 Prozent Einfuhrzoll, falls funktioniert als ein Immobiliendeal in der Konzern in Mexiko eine neue Auto Manhattan, will er nicht gelten lassen. Ein fabrik baue. Da ist Trump Protektionist. Trump traut sich alles zu. Für die DeutDer linksliberale Nobelpreisträger und schen, nebenbei, hat er auch einen Plan in Starökonom Paul Krugman bescheinigte petto. Sie sollen für die stationierten Trump, er sei der einzige Kandidat der Re- US-Truppen bezahlen. Eine Art Schutzgeld. publikaner mit wirtschaftlichem SachverVor dem Einzug ins Weiße Haus liegt stand. Trump will Steuerschlupflöcher für allerdings ein langer Weg. Der Kandidat die Reichen schließen und Hedgefonds- Trump muss erst die Vorwahlen in seiner Milliardäre zur Kasse bitten. Starke Schul- eigenen Partei gewinnen. Die Bürger in tern könnten mehr tragen als schwache. Iowa haben am vergangenen Montag Ein Amerika unter Donald Trump wäre ja erst den Anfang gemacht. Es folgen vom „Kapitalismus pur“, den sich viele Re- Abstimmungen in den anderen 49 Bunpublikaner wünschen, weit entfernt, wes- desstaaten. Trump liegt bei den Repub halb sogar lange das Gerücht kursierte, er likanern vorn, Hillary Clinton bei den sei ein U-Boot der Clintons mit der Mis- Demokraten. sion, die Partei von innen zu zerstören. Das Im Sommer dann beginnt der richtige Land würde wirtschaftspolitisch sogar Zweikampf ums Weiße Haus, und der kann dem Amerika des Barack Obama ähneln – knapp werden. In den Umfragen steht es allerdings ohne Klimaabkommen, ohne zurzeit 45 zu 43 Prozent für Clinton. Atomdeal mit dem Iran. Trump ist Patriot, Denn sie ist nicht so stark, wie Analyskein Freihändler. Sein Motto lautet: Ame- ten erwartet hatten. Auf viele Wähler wirkt rika zuerst, China zuletzt, Mauern hoch. sie wie al dente gekochter Brokkoli, gesund, aber ein wenig langweilig. Trump hingegen wie ein süßer, fetter Donut. Wenn am 8. November der neue US-Präsident gewählt wird, ist Donald Trump 70. Fast jeder Amerikaner kennt seine Geschichte: geboren in Queens, New York, Sohn reicher Eltern, aufgestiegen zum Immobilienkönig von Manhattan, verheiratet, fünf Kinder. Die ältesten, Donald jr., 38, Ivanka, 34, und Eric, 32, arbeiten in Vaters Firma. Sie sollen das Unternehmen gemeinsam führen, wenn er Amerika regiert. Tiffany, 22, geht noch zum College. Der Jüngste, der neunjährige Barron, überlegt, wen er zum Spielen ins Weiße Haus einlädt. Die Familie setzt sich in Szene Trumps Ehefrau übt schon für die Rolle der First Lady. Im US-Modemagazin „Harper’s Bazaar“ posierte die vor 45 Jahren im einstigen Jugoslawien geborene Melania in einem engen Designer-Einteiler vor einer amerikanischen Fahne. Am Ringfinger trägt sie einen 25-Karat-Diamanten, ein Geschenk des Gatten zum zehnten Hochzeitstag. Auch durchaus seriöse Zeitungen vergleichen die elegante Mrs Trump bereits mit Jacqueline Kennedy. Die Trumps bewohnen das riesige Penthouse im Trump Tower an der Fifth Avenue. Es ist eine der teuersten Adressen der Welt. Der Blick geht weit über die Stadt. Im Süden sieht man das neue One World Trade Center, im Norden den Central Park. Auf einem Tisch neben dem weißen Klavier steht ein Foto, das die Trumps mit den Clintons zeigt. Die Ehepaare waren einst locker befreundet, die Clintons Gäste bei Trumps Hochzeit. Der Ex-Präsident lobte den Milliardär noch im Oktober als „interessantesten Charakter da draußen, der Klartext spricht und ideologische Gräben überschreitet“. Trumps „Macho-Appeal“ wirke auf Wähler anziehend. Bill Clinton weiß, wovon er spricht. Melania Trump sagt, die Kandidatur ihres Mannes sei eine gemeinsame Entscheidung gewesen. Sie gab ihre eigene kleine Schmuckfirma dafür auf. Bei wichtigen Reden sitzt sie nun in der ersten 4 SEIN REICHTUM SOLL DAS VORBILD SEIN 4.2.2016 47 ZU DEBATTEN REISEN DIE TRUMPS IN DER EIGENEN BOEING 757 AN 48 4.2.2016 megebühr und 25 000 Dollar Jahresbeitrag. Der „Trump National Golf Club Bedminster“ gehört zu den 100 besten der Welt. Die Zufahrt wird von Wachpersonal gesichert. Eine Privatstraße schlängelt sich fünf Kilometer durch eine Hügellandschaft. Manager David Schutzenhofer lädt vom Herrenhaus an zu einer Tour mit dem Golfcaddy. Der Klub, erzählt er, war pleite, Trump bekam ihn günstig und investierte. Nun liege der Nettogewinn bei rund zehn Millionen Dollar im Jahr. Vor zwei weißen Cottages hält Schut zenhofer an. „Rechts wohnt Mr Trump. Er verbringt viele Wochenenden hier. Das linke gehört seiner Tochter Ivanka. Sie kommt oft mit ihren Kindern.“ Im heißen New Yorker Sommer sitzt die TrumpFamilie mit den anderen Klubmitgliedern abends am Pool, die Kinder fangen johlend Goldfische, die extra für sie im Becken ausgesetzt wurden. Als Chef sei Trump „sehr anspruchsvoll“, sagt Schutzenhofer. Dazu fällt dem Manager eine Geschichte ein. „Ein Albtraum“ sei es gewesen. Es war im Herbst vor sechs Jahren. Trumps Tochter Ivanka wollte im Klub Hochzeit feiern. Der Brautvater erließ die Order, alles müsse absolut perfekt sein. Jede Ecke wurde gewienert, jedes Champagnerglas musste zweimal poliert sein. Sogar die winzigen Risse im Asphalt auf dem Parkplatz wurden ausgeteert. Doch zu Trumps Schrecken fiel Laub von den Bäumen. Er verlangte: „Alles wegfegen!“ Nach zwei Stunden hieß es: „Aufhören, alle Blätter zurück!“, es sei schließlich Herbst, bunte Blätter gehörten dazu. Wenig später erteilte Trump den Befehl, nur „die schönsten Blätter dürfen liegen bleiben“. Schutzenhofer sagt, er wäre dem Kollaps nah gewesen. Trump ist so sehr in seine Tochter vernarrt, dass er sie am liebsten selbst anbaggern würde, wie er kürzlich fantasierte. Schutzenhofer zeigt noch die Bar im Herrenhaus. Sie hängt voller Trump-Memorabilien, darunter ein „Playboy“-Heft mit Trump auf dem Titel. Er war einer der ganz wenigen Männer, die es je auf das Cover des Herrenmagazins schafften. Eine Kopie schmückt auch sein Büro im New Yorker Trump Tower. Theodor Levine kennt Donald Trump aus gemeinsamen Schulzeiten. Am Telefon sagt Levine, er wisse zwar noch nicht, ob er Trump wähle, aber er könne erklären, warum der Kandidat und die Stimmung in Amerika so gut zueinander passten. Auf dem Weg zu Levines Kartonagenfabrik in Paterson, New Jersey, sind die Schlaglöcher groß, viele Fabriken wurden vor langer Zeit mit Brettern vernagelt, die Häuser sind 4 PRÄSIDENT GESUCHT Vor dem Einzug ins Weiße Haus liegt ein Marathon an Wahlen Am 8. November 2016 wählen die Amerikaner ihren neuen Präsidenten. In den Monaten bis dahin wird zunächst beim Personal gesiebt. Das geschieht in den „Primaries“. Diese Vorwahlen haben sich nach und nach herausgebildet. In den ersten Jahrzehnten der USA, bis etwa 1820, waren es die Kongressabge ordneten der Parteien, die den jeweiligen Präsidentschaftskandidaten bestimmten. 1910 gab es in Oregon die ersten Vor wahlen. Dem Kandidaten sollte so größere demokratische Legitimität gegeben werden. Das System wurde ausgedehnt, heute werden in allen Bundesstaaten Primaries abgehalten. In diesem Jahr bewerben sich 15 Kandi daten um den Job im Oval Office: zwölf Republikaner, drei Demokraten. Traditio nell als Erste wählte am Montag das jeweilige Partei-Volk in Iowa – in Form des Caucus. Dabei stimmen die Mitglie der der Demokraten und Republikaner auf Parteiversammlungen ab. Meist wird geheim abgestimmt, manchmal auch per Handzeichen. Je mehr Stimmen ein Kan didat bekommt, desto mehr Delegierte entfallen auf ihn. Auch zweite oder dritte Plätze bringen so wichtige Punkte. Die ersten Bewerber werden vermutlich schon nach den Primaries in New Hamp shire (9. 2.) und South Carolina (20. und 27. 2.) das Handtuch werfen – auch weil ihnen ohne Erfolg das Spendengeld ausgehen dürfte. Eine Vorentscheidung fällt am „Super Tuesday“, dem ersten Dienstag im März, wenn in 15 Staaten gewählt wird. Dann dürfte wahrscheinlich feststehen, ob Donald Trump tatsächlich Spitzenkandidat der Republikaner werden wird. Bei den Demokraten entscheidet sich das Rennen zwischen H illary Clinton und Bernie Sanders. G ekürt werden die Kandidaten auf den Parteitagen im Juli. Vor einigen Tagen hat Michael Bloom berg, der ehemalige Bürgermeister von New York, mit einer Kandidatur als Unabhängiger geliebäugelt. Sein Kalkül: Um Sanders zu schlagen, rückt Clinton nach links und gibt die Mitte preis – die dann ihn, Bloomberg, wählen würde. Bislang allerdings ist noch nie ein unab hängiger Kandidat Präsident geworden. FOTO: DPA/PICTURE ALLIANCE Reihe und gibt Zeichen. Daumen hoch bedeutet: „Weiter so, Donald!“ Sie ist Trumps dritte Ehefrau, das dritte Model. Erst Ivana, dann Marla, jetzt Melania. Immer der gleiche Typ Frau: groß, schlank, schön. Melania Knauss kam 1996 mit einem Arbeitsvisum aus Slowenien in die USA. Starfotografen wie Helmut Newton und Mario Testino arbeiteten mit ihr. Sie traf Trump, der gerade mitten in seiner Scheidung steckte, auf einer Party. Sie heirateten 2005, ein Jahr später wurde sie Amerikanerin. Ihr Akzent verrät bis heute, dass sie aus Osteuropa stammt. Zu TV-Debatten und Wahlkampfauftritten reisen die Trumps mit der eigenen Boeing 757 an. „TRUMP“ steht in dicken Lettern auf dem Rumpf. Die Schnallen der Sitzgurte sind vergoldet. Er sagt, seine Maschine sei größer als die Air Force One des Präsidenten, was nicht stimmt, aber zu den „unschuldigen Übertreibungen“ (Trump) gehört, die er sich oft gönnt. Für kürzere Strecken nimmt er seinen eigenen Hubschrauber. Seinen Nettoreichtum (nach Abzug aller Kredite) beziffert er auf rund neun Milliarden Dollar. Für das Jahr 2015 gibt Trump seinen Verdienst mit über 300 Millionen Dollar an. Ihm gehören 500 Firmen. Unter dem Label „Trump“ verkauft er Krawatten für 50 Dollar und Luxuswohnungen für 50 Millionen. In den 90er Jahren ging Trump beinahe bankrott. Seine Firmen hatten 3,4 Milliarden Dollar Schulden. Trump rappelte sich wieder hoch. Ein Comeback ganz nach amerikanischem Geschmack. Seinen Reichtum führt der Kandidat sehr gern vor, zum Beispiel in seinem Wochenenddomizil, einem exklusiven Golfklub in New Jersey, der ihm selbst gehört. Von Manhattan ist man in einer Stunde dort. Mitglieder zahlen 150 000 Dollar Aufnah- es geschafft hätten, die Hände von Alkohol und Drogen zu lassen. Auch er selbst meide Wein und Bier. Sein älterer Bruder Fred war Alkoholiker. Er starb 1981 mit nur 43 Jahren. Ich will deine Stimme! Trump in seinem Helikopter bei einem Wahlkampf auftritt in Florida seit Jahren nicht mehr gestrichen worden. Die Wintersonne scheint mild, die Gegend wirkt trotzdem grau und abgestanden. Levines Büro ist fensterlos, aber voller Auszeichnungen, Pokale und Fotos aus seiner guten Zeit. 20, 30 Jahre sind sie alt. Levine sagt, Amerika sei schon lange nicht mehr Nummer eins, man sei schwach geworden. „Plopp“, schnalzt er mit den Lippen. „Weg war der amerikanische Traum.“ Levine spricht sehr ruhig, sehr gelassen. Er sagt: „Die meisten Arbeiter in Amerika haben seit zehn oder 20 Jahren keine echte Lohnerhöhung mehr bekommen.“ Auf seinem Schreibtisch liegt eine Zeitung, darin steht, dass 60 Prozent seiner Landsleute weniger als 1000 Dollar auf dem Konto haben. Fast ein Viertel sogar so gut wie gar keine Ersparnisse. Levine sagt, wer das wisse, verstehe auch den Aufstieg von Donald Trump. Theodore Levine teilte mit ihm in den frühen 1960er Jahren ein Zimmer in der berühmten Militärschule „New York Military Academy“, die unter anderen auch Filmregisseur Francis Ford Coppola und der spätere Mafiaboss John A. „Junior“ DIE WUT DER VERLIERER IST SEIN PFUND 50 4.2.2016 Eine Schülerin will wissen, wie man den Beruf findet, der zu einem passt? Trump erzählt vom Sohn eines Geschäftsfreundes. Der Vater sei ein WallStreet-Tycoon, ein fürchterlicher Kerl. Das Publikum lacht. Er habe den Sohn gezwungen, Investmentbanker zu werden. Dann hörte Jim, so der Name des Sohnes, dass Trump einen Golfplatz neu gestalten wolle. Jim plante und überwachte den Umbau. Schmiss seinen Job an der Wall Street und stieg ins Baugeschäft ein. Trump macht eine Kunstpause und sagt dann: „Kürzlich rief mich Jims Frau an. Sie sagte, Donald, danke, ich habe den glücklichsten Mann der Welt zu Hause.“ Ob wahr oder gut erfunden, die BotGotti besuchten. Trump war dort, weil er schaft kommt an. seinen Musiklehrer geohrfeigt hatte. Eine Schülerin will noch wissen, ob Theodore und Donald hielten zusam- Trump auch einen Muslim in seine Regiemen. „Ohne Freunde warst du rungsmannschaft aufnehmen erledigt“, sagt Levine. Er holt alte würde. Jahrbücher aus der Schulzeit. Trump sagt, ohne zu zögern: „Absolut. Keine Frage.“ Darin kleben viele Fotos, auf denen er, ein kleiner schmächtiTrump will gar nicht aufhören. ger Teenager, mit Trump zu Er will Fragen beantworten. sehen ist, groß, blond, sportlich. Mehr, mehr, mehr. Er dreht auf, Theodor Levine „Ich musste schlau sein und er mag die jungen Leute um sich mir einen starken Beschützer war auf der Militär herum. Er scheint so sehr in die schule einer der Idee verliebt, wirklich ihr Präsisuchen“, sagt Levine. Die zwei engsten Freunde Jungs lernten, strammzustehen, von Donald Trump. dent zu werden. Er packt mit seiGewehre zu ölen und Klos mit nen breiten Händen rechts und Die harten Sitten, sagt er, prägten Zahnbürsten zu putzen. links das Rednerpult, als ob er es den Mann bis Die Hierarchie war brutal. gleich hochheben wollte. Er ruft: in die heutigen „Ich verspreche euch, ich mach Neuankömmlinge durften ein Tage hinein halbes Jahr lang nicht mit älteunser Land besser als jemals ren Schülern sprechen. „So lernte man, die zuvor.“ Er knurrt jetzt ins Mikrofon wie ein Schnauze zu halten“, sagt Levine. Konflik- hungriges Tier: „Grrrrrrr. Ich erledige das te wurden oft mit Fäusten ausgetragen. für euch.“ Dann sagt Trump: „Ich liebe Trump habe dort schnell eine Regel verin- euch.“ Die meisten jubeln ihm zu. nerlicht: „Wenn du auf dem Schulhof einen Es ist wie überall, wo Trump in diesen Mitschüler schlägst, und er schlägt nicht Tagen auftritt: Die Menschen wollen an zurück, gehört sein Pausengeld dir.“ Heu- ihn glauben. Wie die McChesneys beim te sagt Trump: „Wer mich angreift, den Hühnchenessen in Des Moines. „Bush hat schlage ich doppelt so hart.“ es nicht gebracht, Obama auch nicht. Wir So gerüstet, zieht er nun durchs Land. haben nichts mehr zu verlieren.“ Sie wolEr teilt aus, er droht, er pöbelt. Er ist fies, len ihren amerikanischen Traum zurück. hämisch und arrogant. Aber auch erschre- Dafür sind sie bereit, wieder einen Verführer zu wählen. ckend gewinnend, väterlich und sanft. Die Schüler des College der Kleinstadt Urbandale in Iowa hatten alle Kandidaten Norbert Höfler besuchte bei seinen im Spätsommer angeschrieben und zur Recherchen auch Trumps CasinoDiskussion geladen. Nur einer antworteHotel in Atlantic City. Reichtum te: Trump. allerdings bescherte es ihm nicht. Nun ist er da und redet mit den jungen Beim nach dem Inhaber getauften „TrumpLeuten. Über seine eigenen Kinder, dass sie Poker“ verlor er. Mitarbeit: Anuschka Tomat 2 FOTOS: LANDON NORDEMAN; NORBERT HÖFLER Politik nach Lehren des Militärs