April 2009 - Nachrichten und Kommentare aus Politik und Wirtschaft

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April 2009 - Nachrichten und Kommentare aus Politik und Wirtschaft
www.wirtschaftskurier.de
52. Jahrgang • B7388 E
€ 2,00
€ 2,30 (Österr.)
CHF 4,00
NACHRICHTEN UND KOMMENTARE AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT APRIL 2009
Erholung im zweiten Halbjahr
Die Scheichs lieben Daimler
Zukunftsfestigkeit
Anker in der Krise
Prof. Dr. Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz,
ist weit optimistischer für die konjunkturelle Entwicklung als die meisten Prognostiker (Interview).
AKTUELLES THEMA
Seite 3
Die Gefahr einer feindlichen Übernahme ist für
Daimler nicht gebannt. Doch Aarab Investments
wollen ihre Anteile eventuell aufstocken.
INDUSTRIE & MÄRKTE
Seite 5
Strategie eines Stadtwerks im harten
Schwerpunkt
Energie
Wettbewerb: Interview mit Dr. Kurt
Mühlhäuser, Chef der Stadtwerke München.
INDUSTRIE & MÄRKTE
Seite 9
Die deutschen Versicherungen zeigen in der
Finanzkrise Stabilität – und geben den Kunden
damit Sicherheit.
VERSICHERUNGSFÜHRER
Taboloid-Beilage
Globale Antworten auf globale Probleme
INHALT
WIRTSCHAFTSPOLITIK
Nachhaltigkeit | Ökosoziale Marktwirtschaft könnte eine Lösung sein
Yes, we can?
schen Realwerten und Schuldverschreibungen ist in den vergangenen Jahren weit
auseinandergedriftet. Das Volumen der
Schuldverschreibungen beträgt das Vierfache, in Europa sogar das Fünffache der
Realökonomie. Dabei stehen der Geldbasis
immer mehr „verbriefte Geldansprüche“ –
also Schuldverschreibungen, Pfandbriefe,
Aktien oder Fondsanteile – gegenüber. Auf
jeden Euro Zentralbankgeld, also der Geld-
sehr anschaulich mit einer „Reise nach
Jerusalem“. Solange die Musik spielt, ist
alles gut. Stoppt sie aber, kämpfen 50 Besitzer von Schuldverschreibungen um einen
Realgeld-Stuhl.
Ein weiteres Problem: Unter den Mitspielern sind auch einige große Finanzinstitutionen wie Hedgefonds und andere
institutionelle Anleger, die häufig in Ländern mit wenig Regulierung angesiedelt
VON ELWINE HAPP-FRANK
Einmalige Chance
D
ie weltweite Wirtschaftskrise erfordert globale Antworten. Denn die
Probleme haben globale Ursachen,
die auf nationaler Ebene zwar bekämpft,
aber nicht gelöst werden können. Darüber
diskutierten auch die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) auf ihrem
Gipfeltreffen Anfang April in London.
Das Thema ist komplex und die Ansichten über mögliche Lösungen gehen weit
auseinander. Einen Vorschlag für einen
ganzheitlichen Ansatz hat Dr. Dirk Solte,
Chefökonom des Bundesverbands für
Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft
e. V. (BWA), ausgearbeitet. Solte hat sich
dadurch einen Namen gemacht, dass er
bereits 2006 das jetzt eingetretene Krisenszenario beschrieben hat. In seinem Buch
„Weltfinanzsystem in Balance“ (2009) analysiert er ausführlich die Ursachen und
schlägt als Weg aus der Krise die weltweite
Einführung einer ökosozialen Marktwirtschaft vor.
Vereinheitlichung der
Steuersysteme
Ein zentraler Punkt dabei ist die internationale Harmonisierung der Steuersysteme.
Derzeit gehen den Staaten weltweit durch
die Flucht in sogenannte Steueroasen jährlich 500 Mrd. Euro verloren. Ein ähnlich
hoher Betrag entgeht dem Fiskus dadurch,
dass sich Unternehmen grenzüberschreitend – und zwar legal – die günstigsten
Steuerregeln heraussuchen. Insgesamt
entspricht diese Summe etwa dem Dreifachen der Neuverschuldung aller Staaten.
Wenn die Steuerungleichheiten abgeschafft werden, könnte die Ausblutung
der öffentlichen Hand gestoppt werden,
die wieder die nötigen Mittel für Investitionen erhält.
Der Grundsatz einer zukünftigen Neu-
„Mehrgeldsteuer“ eingedämmt werden.
Das ist eine Abgabe auf Wertpapiere und
Finanzprodukte, wobei die großen Profiteure – besonders die Finanzinstitute, die
mit ihren spekulativen Hebelgeschäften an
der Krise mit beteiligt sind – eine höhere
Abgabe leisten müssen als beispielsweise
der Mittelstand. Gleichzeitig müsste eine
Art Maximalreserve für Finanzinstitutionen eingeführt werden, die enorme Mittel
an Realgeld gehortet haben. Die Überhangliquidität sollte in einen Fonds eingezahlt werden, der beispielsweise vom IWF
verwaltet wird und der Kredite vergibt.
Dadurch könnte der Geldfluss auf den
Finanzmärkten wieder in Gang gebracht
werden.
Alles hängt heute mit allem zusammen:
Die Wirtschaftskrise kann nicht ohne die Umwelt- und die sozialen Probleme gelöst werden.
ordnung des Steuersystems sollte sein,
dass die Unternehmen in den Ländern, in
denen sie ihre Waren und Dienstleistungen herstellen, auch Steuern zahlen. Derzeit ist das vor allem bei Global Playern oft
nicht der Fall. Das Nachsehen hat der Mittelstand, die Säule der Wirtschaft, die diese
Fluchtmöglichkeiten nicht hat.
Außerdem sind neue, globale Regeln für
große Finanzakteure notwendig, wie sie
jetzt auch die US-Regierung erwägt. Im
Zusammenhang damit schlägt Solte die
Einführung einer Art „Mehrgeldsteuer“ vor,
mit der man das Problem der „Geldblase“
in den Griff bekommt. Das Verhältnis zwi-
basis, entfallen mittlerweile etwa 50 Euro
in Form von Verbriefungen.
Die gefährliche
„Reise nach Jerusalem“
Als nun die Vertrauenskrise den Markt erfasste, wollten viele Marktteilnehmer ihre
Schuldverschreibungen nicht mehr verlängern. Einige Unternehmen müssen also
plötzlich ihre realen Werte, zum Beispiel
Immobilien oder Produktionsanlagen, weit
unter Wert verkaufen und geraten dadurch
in Schwierigkeiten – ein solcher Fall ist
zum Beispiel die Geschichte des MerckleKonzerns. Solte beschreibt dieses System
Foto: Fotolia
sind. Diese Player haben etwa ein Fünftel
des Weltvermögens angesammelt und deshalb eine enorme Marktmacht. Diese Institutionen stellen derzeit ihr in verbrieften
Schuldverschreibungen gebundenes Kapital fällig und verschärfen damit die Krise.
Denn Marktteilnehmer, die ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können,
müssen ihre Realwerte unter Preis veräußern. Wenn die Krise dann irgendwann vorbei ist und der Wert wieder steigt, dann
könnte die Stellung dieser großen Finanzinstitutionen noch stärker sein als vorher.
Diese Probleme sollen mit der vom
Chefökonomen des BWA vorgeschlagenen
Auch die US-Regierung sieht die Rolle, die
die großen Finanzinstitutionen bei der
Entstehung der Krise gespielt haben, sehr
kritisch. Die nun geplante Reform der Finanzmärkte gilt immerhin als die radikalste seit den 30er-Jahren. Ziel ist eine strenge
Kontrolle über systemrelevante Finanzkonzerne und Hedgefonds.
Der Ansatz von Solte geht aber noch darüber hinaus. Der Chefökonom des BWA
schlägt einen „Weltstrukturfonds“ vor, der
unter anderem aus der „Mehrgeldsteuer“
gespeist wird. Dieser Fonds sollte zur Finanzierung von ökologischen und sozialen Zielen eingesetzt werden. Laut Solte
sind die derzeitigen ökonomischen Probleme eng mit den sozialen und ökologischen
Herausforderungen verknüpft. Die Krise
eröffne die vielleicht einmalige Chance, all
diese Problemfäden so zu verknüpfen, dass
Zukunftsfähigkeit erreicht wird.
Auch wenn die Beschäftigung mit ökologischen Problemen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auf den ersten Blick überflüssig erscheint, zeigt doch das Beispiel der
Autoindustrie, dass die andauernden Diskussionen über die Belastungen der Umwelt beim Konsumenten ihre Spuren
hinterlassen haben. Ähnliches gilt für Sozialstandards. Denn die Gegensätze von
reichen und ärmeren Ländern und die zunehmende Verarmung von breiten Bevölkerungsschichten droht die Gesellschaft
auf längere Sicht auseinanderzureißen.
Deshalb verknüpft Solte die Forderungen
nach einer globalen Wirtschaftsordnung
mit sozialen und Umweltstandards.
Dass diese Krise nur durch gemeinsame
internationale Bemühungen gelöst werden
kann, ist auch in der Politik angekommen.
Das zeigt sich an der Tatsache, dass die
G 20-Gipfel den G 7-Treffen den Rang abgelaufen haben.
Car-Sharing statt eigenem Auto
D
4 195007 102003
04
Schon davor deuteten sich Veränderungen
des Kundenverhaltens an, die durch einige
grundlegende Trends geprägt sind, die
aber in der Aufmerksamkeit der Automobilindustrie eher ein Schattendasein
geführt haben. Durch den steigenden Ölpreis und die CO2-Diskussion sowie unter
dem Druck der Finanzkrise hat sich das
Kundenverhalten „innerhalb eines automobilhistorischen Wimpernschlags“ unumkehrbar verändert, wie Arthur D. Little
in der Studie „Zukunft der Mobilität 2020“
feststellt.
Der Wunsch nach Mobilität dürfte auch
weiterhin ein zentrales gesellschaftliches
Bedürfnis sein. Doch die derzeit angebotenen Fahrzeugkonzepte geben offensichtlich keine ausreichende Antworten darauf.
Auch wenn die Politik sich nicht zu strengen Auflagen durchringen konnte und
auch die Automobilindustrie sich immer
wieder dagegen gewehrt hat: Der Kunde
scheint den starken Wunsch zu haben, mit
gutem Gewissen Auto fahren zu können.
Dabei werden die Lösungen für weitgehend gesättigte Märkte ganz anders aussehen als für die aufstrebenen BRIC-Märkte
Brasilien, Russland, Indien und China.
Denn es zeichnet sich ab, dass die Politik
dieser Länder darauf achtet, dass die
Daimler ist über den Erfolg des ersten Teils des car2go-Pilotprojekts in Ulm selbst
überrascht.
Foto: Daimler
Massenmobilisierung möglichst umweltfreundlich erfolgt. Ein weiterer Trend, der
die zukünftige Entwicklung bestimmt, ist
die Individualisierung, die Loslösung des
Konsumenten aus Massenbewegungen.
Da gibt es den erfolgreichen Unternehmer,
der einen Kleinwagen fährt, während der
Student die biedere Familienkarosse
nimmt. Dann gibt es da noch die wachsende Gruppe von häufig durchaus gut
verdienenden Menschen, die sich bewusst
gegen den Erwerb eines Fahrzeugs, aber
2
MEINUNG
Rendite der Bildung
Beim Ferry-Porsche-Preis bezeichnete
Porsche-Chef Wiedeking Bildung
als die renditestärkste Anlageform 4
INDUSTRIE & MÄRKTE
Gegen den Trend
Nicht alle Chemiekonzerne jammern:
Bayer präsentiert ein Rekord-EBITDA
7
und will den Ertrag steigern.
Auf Wachstumskurs
Wintershall will die Chancen in der
Krise nutzen und sieht sich gerüstet –
8
auch wenn das Klima rauer wird.
FINANZEN & BÖRSE
Noch ein weiter Weg
Fusionen unter Landesbanken
haben anscheinend nicht
höchste Priorität.
11
Rückbesinnung
Sparkassen-Präsident Heinrich
Haasis beobachtet eine Renaissance
12
des Hausbankenmodells.
Handy-Banking
Nach Onlinebanking kommt
Mobile Banking – die Direktbanken
16
stellen sich darauf ein.
BERLIN/BRANDENBURG
The place to be
Die Metropolregion will aus
Wissen und Wissenschaft
Wachstum generieren.
ab 19
LOGISTIK
Kluges Agieren
Die Logistikbranche ist von der
Krise besonders hart getroffen –
und sucht Vorteile des Wandels. ab 25
KURUMA BANARE
Mobilität 2020 | Von der Automobil- zur Mobilitätsindustrie
ie Automobilindustrie befindet
sich in der größten Krise ihrer Geschichte. Noch scheinen die Hersteller davon auszugehen, dass sie nach
einer mehrmonatigen Restrukturierungsphase wieder auf den alten Wachstumspfad zurückkehren werden. Doch das
könnte ein Irrtum sein. Einige Entwicklungen sprechen dafür, dass sich die Branche
auf einen tief greifenden Wandel einstellen
muss – weg von dem Selbstverständnis als
Produzenten von Pkws hin zu den Anbietern von Mobilität.
Ein nüchterner Blick auf die Zahlen verdeutlicht die schwierige Situation: Im vergangenen Jahr brach der Gewinn der weltweiten Automobilindustrie von 52 Mrd.
Euro auf 17 Mrd. Euro ein, das laufende
Jahr dürfte mit einem Verlust von 1 Mrd.
US-Dollar schließen, schätzt die Unternehmensberatung McKinsey.
Dabei war die Finanzkrise keinesfalls der
Auslöser des massiven Absatzeinbruchs.
US-Präsident Obama verbreitet
viel Optimismus, aber die
Stimmung ist schlecht.
gern für attraktive Mobilitätsangebote entscheiden.
Daimler hat sich schon recht früh auf
diese Entwicklung eingestellt. Ende März
2009 hat der Hersteller einen Kleinversuch
in Ulm mit 50 Smarts erfolgreich abgeschlossen und dehnt das car2go-Konzept
auf 200 Stadtflitzer aus. Die Fahrzeuge können einfach über einen speziell kodierten
Führerschein, den man an einen Sensor
hält, gemietet werden. Die Kosten sollen
geringer als bei einem Mietwagen sein.
„Der Erfolg der ersten Pilotphase hat uns
selbst überrascht“, sagte Robert Henrich,
verantwortlicher Projektleiter der Daimler
AG. „In nur zwei Wochen hatten sich
bereits über 500 Kunden bei car2go registriert – eine Zahl, die wir so nicht erwartet
hatten.“ Das Konzept soll auch international vermarktet werden. Im Herbst startet
ein weiteres Pilotprojekt in Austin, Texas.
Auch die Bahn will in dem Geschäft mitmischen und setzt dabei ihre Erfahrungen
mit dem „Call a bike“-System um. Unter
dem Namen „Flinkster“ können in Stuttgart 70 Kleinwagen von Alfa Romeo gemietet werden. Die nächste Station soll Köln
sein. Bislang schon hatte die Bahn Carsharing-Fahrzeuge an ICE-Bahnhöfen angeboten.
hp
Ist Japan ein Vorreiter beim Wandel
von der Automobil- zur Mobilitätsindustrie? Jedenfalls verlieren die Japaner, die seit Jahrzehnten mit einem
Null-Wachstum zu kämpfen haben,
anscheinend das Interesse am Auto.
Die Zahl der verkauften Fahrzeuge hat
sich von rund 7 Mio. Anfang der 90erJahre auf 4,25 Mio. in 2008 verringert.
Vor allem bei jungen Leuten verliert
das Auto als Statussymbol zunehmend an Bedeutung gegenüber
Smartphones, Netbooks etc. In Japan
wird das Phänomen „Kuruma Banare“, etwa Demotorisierung, genannt.
Dagegen hat sich die Nutzung von
Car-Sharing im vergangenen Jahr verdreifacht. Toyota oder Mazda haben
entsprechende Pilotprojekte gestartet,
die staatlich gefördert werden. Darüber hinaus investiert Toyota in die
Entwicklung von Winglet, einer Art
Steh-Miniscooter, einem völlig neuen
Produktkonzept für die Kurzstreckenmobilität. Vor dem Hintergrund des
aktuellen Marktdrucks gehen manche
japanischen Hersteller sogar noch
weiter. So diskutieren die Strategen
bei Nissan, ob sich der Konzern nicht
auf Entwicklung, Design und Marketing konzentrieren und die Fertigung in
Billiglohnländer vergeben sollte.
WIRTSCHAFTSPOLITIK
2 WirtschaftsKurier
Keine neuen Konjunkturprogramme
KOMMENTAR.
Spiel mit dem Feuer
Das kann ja heiter werden. Jetzt spielt
sogar die Europäische Zentralbank
(EZB) mit dem Feuer. Sie will – wie insbesondere die FED in New York und die
Bank of London – das Geld gewissermaßen per Abwurf aus dem Hubschrauber
unter die Leute bringen, nämlich durch
Ankauf von Wertpapieren und Anleihen.
Sofern es sich dabei um Staatspapiere
handelt, läuft dies auf eine direkte Finanzierung von Staatsschulden aus der
Notenpresse hinaus.
Und nun signalisiert auch die EZB
Schwäche. Offenbar brechen sämtliche
Dämme, nachdem die erschreckend
schlechten neuesten Konjunkturdaten
die professionellen Konjunkturfrösche in
den Forschungsinstituten wie in den
volkswirtschaftlichen Abteilungen der
Banken zur Korrektur ihrer bisherigen
Prognosen nach unten veranlasst haben.
Danach wird das Bruttoinlandsprodukt
im laufenden Jahr „um 5% und mehr“
sinken, abgeleitet mit Hilfe des kleinen
statistischen Einmaleins unter Berücksichtigung des Einbruchs des Auftragseingangs aus dem Ausland sowie des mit
Zeitverzögerung folgenden Absturzes des
Exports.
Nun steigt der Druck auf die EZB, ihre
Notenpresse auf Touren zu bringen und
ihre Schleusen zu öffnen, und dies nicht
mehr nur seitens unserer amerikanischen und britischen Freunde, sondern
auch aus dem eigenen Land. Dabei hatte bis zuletzt noch die Hoffnung bestanden, dass sich die EZB des stabilitätspolitisch äußerst gefährlichen Kurses der Notenbanken in New York und London bewusst ist. In den USA und in Großbritannien, wo man Ordnungspolitik im Sinne
der durch Geldwertstabilität abgesicherten Sozialen Marktwirtschaft für eine typisch deutsche Prinzipienhuberei hält,
zählt derzeit offenbar nur eines, den
Konjunkturzug so schnell wie möglich
wieder auf Touren zu bringen, egal mit
welchen Folgekosten hinsichtlich Staatsverschuldung und Inflation.
Erinnert sei an den geringschätzigen
Ausspruch eines US-amerikanischen
Notenbankers an die Adresse des damaligen Bundesbank-Präsidenten Helmut
Schlesinger, als dieser wieder einmal stabilitätspolitische Grundsatztreue gegen
angelsächsischen Pragmatismus hoch
hielt, dieser, nämlich Schlesinger, drehe
jeden Kieselstein um, ob darunter nicht
etwa die Inflation versteckt sei. Und
wenn uns die heutigen Volkswirtschaftstechnokraten weismachen wollen, bei
wieder laufender Konjunktur werde einfach das zuvor aus dem Hubschrauber
abgeworfene Geld wieder eingesammelt,
sei ihnen ein weitere Spruch eines ehemaligen Bundesbank-Präsidenten ins
Stammbuch geschrieben.Wenn die Erinnerung nicht trügt, war es Karl-Otto
Pöhl, der gesagt hatte, dass es mit dem in
den Kreislauf gedrückten Geld sei wie
mit der Zahnpasta: Ist die mal draußen,
bekommt man sie kaum wieder in die
Tube hinein.
kb
IHM-Spitzengespräch der Wirtschaftsverbände | Kanzlerin und Wirtschaft einig in der Bewertung der Lage
VON ULRICH KIRSTEIN
zuversichtlicher Wegweiser, sondern auch
ein Erfolg für das Handwerk, freute sich
as Handwerk in Deutschland ist ein
der Geschäftsführer des Ausrichters, der
starkes Bein des Mittelstands und
Gesellschaft für Handwerksmessen GHM,
der Mittelstand ist das Rückgrat der
Dieter Dohr. Auch beim direkten Kauf auf
Volkswirtschaft. Gleichzeitig gerieten Mitder wieder in eine Privat- und eine Profitelstand und auch das Handwerk völlig unSchiene geteilten Messe konnte eine leichschuldig in die gegenwärtige Finanzkrise
te Zunahme gegenüber 2008 festgestellt
und müssen nun die Probleme, die sich
werden. Und viele Aussteller berichteten,
die Banken und manche forsche Großkondass die Kunden lieber in ihr Heim inveszerne selbst bereiteten, in Form teurer oder
tierten als in risikoreiche Geldanlagen.
gar nicht mehr gewährter Kredite ausbaSchon bei der Eröffnung hatte Heinrich
den. Wie es dem Handwerk insgesamt
Traublinger, Präsident des Bayerischen
geht, wie es in die Zukunft blickt und welHandwerkstags und Vorsitzender des Aufche Chancen es dabei erkennt, das macht
sichtsrats der GHM und damit Gastgeber
die jeweils zu Jahresbeginn in München
der Internationalen Handwerksmesse, daveranstaltete Internationale Handwerksrauf hingewiesen, dass diese Leistungsmesse (IHM) – mit starker deutscher Ausschau das Stimmungsbarometer schlechtrichtung und Beteiligung – immer deuthin darstelle. Nach der Messe zeigte sich
lich. Insofern richteten sich im Zeichen der
Traublinger zufrieden mit dem Ergebnis.
Krise die Augen nach München. UnterDie Stimmung im Handwerk sei, allen Hormauert wird die wirtschaftliche Bedeutung
rormeldungen aus der Weltwirtschaft zum
des Handwerks als Motor der BinnenkonTrotz, insgesamt positiv. ZDH-Präsident
junktur noch durch das traditionelle MünOtto Kentzler geht davon aus, dass das
chener Spitzengespräch der Deutschen
Messeergebnis positive Impulse aussende
Wirtschaft, das wie immer im Rahmen der
und das Handwerk durch die gelungene
IHM stattfand und das die BundeskanzleVeranstaltung neues Selbstvertrauen gerin Dr. Angela Merkel mit den Vertretern
tankt habe. Immerhin, die Zahlen des
der vier wichtigsten Wirtschaftsverbände
bayerischen Handwerks, so der Präsident,
Bund Deutscher Arbeitgeber – BDA, Bund
wiesen 2008 nach oben: Es gab mehr BeDeutscher Industrie – BDI, Deutscher InAuch wenn die vier Herren und eine Dame eifrig Gemeinsamkeiten suchten, den Ton gab die Kanzlerin an: Im Bild wird
triebe (plus 0,9 %) und vor allem mehr Bedustrie- und Handelskammertag – DIHK
Dr. Angela Merkel flankiert von (v. l. n. r.) Prof. Dr. Hans-Peter Keitel, Präsident des BDI, Otto Kentzler, Präsident des ZDH,
schäftigte (plus 1 % auf insgesamt 864 000
und Zentralverband des Deutschen HandDr. Dieter Hundt, Präsident des BDA, und Ludwig Georg Braun, bis März 2009 Präsident des DIHK.
Foto: GHM
Menschen). Allerdings rechnet Traublinger
werks – ZDH führte.
damit, dass diese Zahl im Lauf des JahRentenversicherung aufgrund der guten
Hundt mahnte auch bei dieser GelegenDie Kanzlerin bekräftigte dabei, dass die
Lage. Doch wie sieht es bei den möglichen
res 2009 wieder auf im Schnitt 855 000 zuBeschäftigungssituation wieder ein Polster
heit an, dass die große Steuerreform komKrise noch das ganze Jahr andauern werde,
Gegenmitteln aus? Insgesamt begrüße
rückgehen wird. „Dennoch will ich auch
aufgebaut“, so die Kanzlerin. Sie bekräftigmen müsse und das gesamte Steuersystem
die Bundesregierung bisher aber adäquat
die deutsche Wirtschaft das Vorgehen der
ganz deutlich sagen: Die Arbeitsplätze im
te aber, dass dies nicht nur das Verdienst
auf den Prüfstand gehöre. Mehr Transdarauf reagiert habe. Die Krise treffe die
Bundesregierung im Rahmen des FinanzHandwerk sind relativ sicher.“ Traublinger
parenz und weniger Belastungen nannte
Exportnation Deutschland ganz besonmarktstabilisierungsgesetzes und der Konder Politik gewesen sei, sondern auch aus
begründete das damit,
Hundt hier als wesentders, und zwar kleine und große Unternehjunkturpakete I und II. Aber Hundt stellte
einer Summe von Effizienzverbesserungen
dass Handwerksbetriebe
lichste Stichworte. Auch
men. Aber: „Deutschlands Chancen liegen
auch klar: „Wir sind entschieden der Meiresultiere, die die Wirtschaft über einige Jah„Wir müssen auf
alles daran setzten, ihre
über den Ausstieg aus der
in der Kreativität der Beschäftigten“, so die
nung, dass für die Zukunft protektionistire hinweg unternommen habe.
dem eingeschlaStammbelegschaft so lanAtomenergie müsse noch
Kanzlerin, deshalb sei es für die Betriebe
sche Maßnahmen ausgeschlossen werden
Ganz oben auf der Tagesordnung von
einmal nachgedacht werauch im eigenen Interesse wichtig, mögmüssen und dass auch staatliche Hilfen in
Politik und Wirtschaft stehe das Thema
genen Weg weiter- ge wie möglich zu halten,
um vor dem steigenden
den. Das Gespräch mit
lichst viele Beschäftigte zu halten. Die
Form von Beteiligungen an Unternehmen
Innovationen, so Merkel. „Um innovativ
gehen, um mehr
Fachkräftemangel für die
der Kanzlerin habe ein
Kurzarbeit könne als „interessante Brücke“
nur zu Wettbewerbsverzerrungen und zu
tätig sein zu können, müssen die mittelZeit nach der Krise gehohes Maß an Übereinfungieren.
einem Überbietungswettbewerb führen,
ständischen Unternehmen jedoch auch
Netto vom Brutto
zu sein. Auch
stimmung gezeigt, so
Die deutsche Regierung, so die Kanzden wir nicht bestehen können und den
die entsprechenden Strukturen mit den
unserer Beschäftig- wappnet
beim Umsatz legten die
Hundt abschließend: „Polerin, werde durch die beschlossenen
wir deshalb ablehnen.“ Anders sehe es bei
großen Unternehmen bilden“, mahnte die
bayerischen Betriebe um
litik und Wirtschaft sind
Maßnahmen des FinanzBürgschaften aus, die von den Verbänden
Kanzlerin an. Staatliche
ten zu sichern.“
4 % auf 92,1 Mrd. Euro zu.
gemeinsam auf einem
marktstabilisierungsgemitgetragen würden, wenn sie temporär
Hilfen gebe es für kleine
Dr. Dieter Hundt,
„Deutschlands
Für 2009 rechnet Traubguten Weg, die derzeitige
setzes und der beiden
und in berechtigten Ausnahmefällen erUnternehmen genauso
Präsident BDA
linger damit, dass die
Konjunkturpakete in den
Chancen liegen in wie für große, aber nur folgten. Eine staatliche Beteiligung an Un- Krise zu beherrschen, obUmsätze eher zwischen
wohl wir noch um einiges
Jahren 2009 und 2010
ternehmen lehnten die Verbände, die dies
da, wo „positive Fortder Kreativität der führungsprognosen“ ge- auch in der „Münchener Erklärung“ fest- von einem Umschwung und einer positi- 1 % und 3 % sinken.
Als Chancen für das
mit einem Volumen von
Handwerk sieht Traublinger zum einen die
Beschäftigten.“
ven Entwicklung nach oben entfernt sind.“
4,7 % des Bruttoinlandszurrten, jedoch ab.
macht werden.
Konjunkturpakete der Bundesregierung,
Prof. Dr. Hans-Peter Keitel, Präsident des
produkts der Krise gegenHundt klagte vor der Kanzlerin aber über
Dr. Dieter Hundt, PräAngela Merkel,
zum anderen zeige der GfK-KonsumkliBDI, wies darauf hin, dass die Verbände
steuern. „Deshalb halten
Friktionen mit dem Finanz- und Bankensident des BDA, hatte das
Bundeskanzlerin
maindex wieder leicht nach oben, die Konunisono keinesfalls eine weitere Verschulwir auch nichts davon,
sektor, die derzeit herrschten. So beGespräch mit der Kanzsumneigung der Verbraucher gegenüber
dung der Bundesregierung zugunsten der
jetzt wieder neue Maßschwerten sich mittelständische Betriebe
lerin moderiert. Auf der
dem Vorjahr sei deutlich gestiegen. TatWirtschaft und auch keine weiteren Konnahmepakete ins Auge zu fassen“, stimmdarüber, dass die Banken die ZinssenkunPressekonferenz danach fasste er zusamsächlich stellte die GfK-Konsumklimajunkturprogramme einforderten. „Wir hate Angela Merkel mit den Wirtschaftsvergen nicht an die Unternehmen und Bemen: „Wir stimmen weitgehend darin
studie für den März 2009 fest, dass die
ben mit der Sozialen Marktwirtschaft ein
bänden überein.
schäftigten weitergäben. Hundt äußerte
überein, dass wir derzeit eine dramatische
Stimmung unter den Verbrauchern nahezu
Modell, das es nicht nur in guten Zeiten,
Die Kanzlerin erinnerte auch daran, dass
auch Kritik an Teilen der UnternehmenFinanzmarkt- und Wirtschaftskrise in eiunverändert, also gut sei. Die Anschafsondern gerade jetzt in schlechten Zeiten
Deutschland im Gegensatz zu anderen
steuerreform, insbesondere bei der sogenem Ausmaß haben, wie wir es seit dem
fungsneigung sei weiterhin auf hohem
zu verteidigen gilt“, so Keitel.
Ländern von einem recht guten Ausgangsnannten Zinsschranke, der Besteuerung
Zweiten Weltkrieg noch nicht hatten.“
Niveau. Neben der niedrigen Inflationsrate
Doch zurück zum Handwerk und der Inniveau in die Krise geraten sei. „Wir hatten
von Mieten, Pachten und Leasingraten soNiemand, so Hundt weiter, könne derzeit
nannte die GfK vor allem auch die Anreize
ternationalen Handwerksmesse als Gradim vergangenen Jahr eine gesamtstaatliche
wie der Besteuerung von Funktionsverseriös etwas über die künftige Entwickaus den Konjunkturprogrammen als ausmesser der Konjunktur und KonsumentenVerschuldung – Bund, Länder, Kommunen
lagerungen. „Wir müssen auf dem eingelung der Krise, über Dauer und Heftigkeit
schlaggebend. Insofern scheint die Politik
laune: Die IHM verzeichnete ein sattes Beund Sozialversicherungssysteme – von nur
schlagenen Weg weitergehen, um mehr
voraussagen. Insofern gebe es zwischen
der Bundesregierung, zumindest für die
sucherplus auf insgesamt 170 000 (159 000)
0,1 %. Wir haben bei der Bundesagentur
Netto vom Brutto unserer Beschäftigten zu
Wirtschaft und Politik ein hohes Maß an
Binnenkonjunktur, zu fruchten.
interessierte Gäste. Dies sei nicht nur ein
für Arbeit ein Polster. Wir haben bei der
sichern“, so Hundt.
Übereinstimmung bei der Beurteilung der
D
WirtschaftsKurier
Yes, we can
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APRIL 2009
USA | Ein ganzes Land befindet sich in einer tiefen Krise – aber Präsident Barack Obama verbreitet Optimismus
VON DIETER W. HEUMANN
Y
es, we can. Ein prägnanter Ausspruch könnte in den USA zum Leitsatz durch die tiefe Krise werden, in
die das Desaster an den Finanzmärkten
und die Rezession die größte Volkswirtschaft der Welt gerissen haben. Immerhin
hat es der neue amerikanische Präsident
Barack Obama geschafft, sein Wirtschaftsprogramm durch den Kongress und den
Senat zu bringen. Das größte Konjunkturpaket, das jemals in den USA aufgelegt
worden ist, umfasst 789 Mrd. US-Dollar.
Doch das Konjunkturprogramm ist nur
Teil des gigantischen Rettungspakets für
die amerikanische Wirtschaft. Zusammen
mit privaten Investoren und der US-Notenbank will die US-Regierung zwei Billionen Dollar mobilisieren. Insgesamt besteht
das Rettungspaket aus fünf Teilen, wobei
das bereits angesprochene Konjunkturprogramm Ausgaben und Steuernachlässe von
zusammen 789 Mrd. US-Dollar umfasst
und über zwei Jahre läuft. Vorgesehen sind
Investitionen in Infrastruktur, erneuerbare
Energien und für die Verbesserung der Arbeitslosenunterstützung. Zudem erhalten
Arbeitnehmer mit geringerem und mittlerem Einkommen Steuernachlässe in Höhe
von 400 US-Dollar. Den Unternehmen
werden Steuern – unter bestimmten Bedingungen – für fünf Jahre gestundet. Für
Investitionen gibt es Sonderabschreibungen. Auf die Kritik, dass den Hausbesitzern,
die mit Zahlungen für ihre Hypotheken in
Rückstand geraten und von der Zwangsversteigerung bedroht sind, bisher zu wenig Hilfe zuteil wurde, reagiert die neue
Regierung mit einem 50-Mrd.-Dollar-Programm für Hausbesitzer. Es soll „vermeidbare“ Zwangsversteigerungen verhindern.
Ferner soll die Notenbank ein bereits bestehendes Programm ausbauen und hypo-
thekengesicherte Anleihen der beiden
Hausfinanzierer Fannie Mae und Freddie
Mac bis zu 600 Mrd. US-Dollar aufkaufen.
Um den Kreditfluss in der Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, wird ferner ein bestehendes Programm der Notenbank Federal Reserve (Fed) erweitert. Das „Term
Asset-Backed Securities Loan Facility“
(Talf) sieht den Ankauf von Auto-, Studenten- und anderen Verbraucherkrediten sowie von Darlehen an kleinere Unternehmen durch die Fed vor. Dadurch sollen die
Institute Mittel freibekommen, die sie wiederum zur Vergabe neuer Kredite einsetzen sollen. Ziel ist es, so bis zu einer Billion US-Dollar – bisher 200 Mrd. USDollar – für neue Kredite zu mobilisieren. Das Bankenpaket von Obama
sieht vor, das noch unter der Vorgängerregierung Bush beschlossene Programm über 700 Mrd. US-Dollar
komplett umzubauen. Banken, die
dieses Programm künftig anzapfen
wollen, müssen ihre Eigenkapitalsituation offenlegen und ihre Kreditpolitik
nach außen transparenter darstellen. Die
Anteile an den Banken, die der Staat im
Zuge des Programms erwirbt, werden in
einer Art Treuhandanstalt zusammengefasst. Zudem plant US-Finanzminister
Timothy Geithner die Einrichtung einer
Auffangbank. Sie soll den Banken faule
und liquide Kredite abnehmen. Der Begriff
„Bad Bank“ wird vermieden. Die Einrichtung wird „Public-Private Investment
Fonds“ heißen. Der Fonds wird teilweise
mit privatem Kapital arbeiten und von Managern aus der Privatwirtschaft geleitet
werden. So soll gewährleistet werden, dass
Preise für die fraglichen Kredite mithilfe
von Marktmethoden ermittelt werden können. Zunächst ist vorgesehen, den Fonds
so auszustatten, dass er für 500 Mrd. US-
Dollar Papiere aufkaufen kann. Mittelfristig soll das Volumen auf eine Billion
US-Dollar ansteigen.
Jetzt liegt es an den privaten Haushalten
und den Unternehmen im Land, das Programm anzunehmen und umzusetzen.
Vertrauen ist gefragt – nicht nur zu Präsident Obama. Der gab sich in seiner ersten
großen Rede vor beiden Kammern des
Kongresses überzeugt: „Wir werden uns erholen und die Vereinigten Staaten werden
stärker sein als je zuvor.“ Der Präsident rief
die Bürger auf, der Krise mit amerikanischen Tugenden wie Optimismus, Einfallsreichtum und Fleiß zu trotzen. Die Amerikaner lieben solche Worte. Der Rückhalt
Obamas ist in der Bevölkerung nach wie
vor groß: Einer Umfrage der „New York
Times“ zufolge liegen seine Zustimmungswerte bei 63 %. Das Konjunkturprogramm
der neuen Regierung befürworten 64 % der
Amerikaner. Für die wirtschaftliche Zukunft des Landes sind zweifellos zunächst
der Glaube an das Konjunkturprogramm
und seine erfolgreiche Umsetzung entscheidend.
Dennoch, man wird abwarten müssen,
ob alle Details des Gesundungsprogramms
halten, was sie versprechen. In der New
Yorker Wall Street ist man eher skeptisch
und hadert mit dem Präsidenten. Von der
Amtsübernahme Obamas bis etwa Mitte
Februar büßte der Dow Jones Industrial
Index 6 % seines Wertes ein, tauchte sogar
unter das Tief vom November vergangenen Jahres ab und fiel schließlich auf
ein Sechs-Jahres-Tief. Wichtigster Kritikpunkt aus der Wirtschaft ist die
Häusermarktinitiative der Regierung.
Hier vermag man nur den sprichwörtlichen Tropfen auf dem heißen
Stein zu sehen. So schätzen die Volkswirte von Moody’s Economy.com,
dass von den 52 Mio. bestehenden Hypothekarverträgen 15 Mio. unterfinanziert sind. Das heißt, dass Millionen von
Eigenheimen letztlich zwangsversteigert
werden müssen. Die Herausforderungen,
die auf alle Akteure zukommen, sind
enorm. Notenbank-Chef Ben Bernanke
wies jüngst im Washingtoner Presseclub
darauf hin, dass die Senkung der Leitzinsen auf 0 % und die massive Aufblähung
der Notenbankbilanz zugunsten der Kreditwirtschaft nur erste Schritte zur Krisenbewältigung seien. Der staatliche Stimulus
zur Belebung von Konsum- und Unternehmensaktivitäten müsse dringend hinzukommen, um die Rezession überwinden
zu können. Die aber ist heftig und die
US-Notenbank hat die Prognose für das
Wachstum des Bruttoinlandsprodukts
(BIP) empfindlich nach unten korrigiert.
Danach soll die amerikanische Wirtschaft
in diesem Jahr um 0,5 % bis 1,25 %
schrumpfen. Angesichts täglicher Hiobsbotschaften haben die amerikanischen
Verbraucher jede Hoffnung auf einen raschen Aufschwung verloren. Der Konjunkturindikator des Forschungsinstituts
Conference Board, der das Konsumentenvertrauen misst, verschlechterte sich im
Februar erneut und fiel auf den tiefsten
Stand seit 1967. Auf die Stimmung drückt
die zunehmende Arbeitslosigkeit. 2008 gingen – laut Arbeitsministerium in Washington – in den USA fast 2,6 Mio. Arbeitsplätze
verloren. Seit Beginn der Krise sind die
Jobs in den USA sogar um 3,6 Mio. geschrumpft. Die Notenbanker erwarten,
dass die Arbeitslosenquote 2009 auf 8,5 %
bis 8,8 % ansteigen wird. Zu Beginn des
Jahres lag die Rate bei 7,6 %. Der amerikanische Konsum gerät andererseits aber
auch durch die ungebrochene Welle von
Zwangsversteigerungen bei Eigenheimen
sowie den anhaltenden Verfall der Aktienkurse in die Zange. Traditionell wird ein erheblicher Teil des amerikanischen Konsums, der zu gut 70 % die Entwicklung des
BIP bestimmt, über Gewinne an der Börse
finanziert. Die aber fehlen jetzt. Auch der
viel beachtete Konjunkturindex der USEinkaufsmanager ist auf dem Rückzug.
Nach Angaben des Institute for Supply
Management (ISM) sank er auf den
niedrigsten Wert seit 1980. Eine schnelle
Erholung der amerikanischen Industrie ist
nicht in Sicht. Auch vom US- Immobilienmarkt, von dem die weltweite Finanzkrise
ihren Ausgang genommen hat, kommen
immer noch Warnsignale. So beschleunigte sich der Preisverfall für Immobilien zum
Jahresende 2008 um 18,2 % im Vergleich zu
Ende 2007. Der Markt befindet sich seit
Mitte 2006 auf Talfahrt. Seither haben die
Häuser fast 27 % ihres Wertes eingebüßt.
APRIL 2009
AKTUELLES THEMA
WirtschaftsKurier
3
Erholung im Lauf der zweiten Jahreshälfte
Interview | Prof. Dr. Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz
WirtschaftsKurier: Herr Prof. Heise, die
globale Finanzkrise breitet sich mit beängstigendem Tempo aus. Wann haben
wir das Schlimmste überstanden?
Prof. Dr. Michael Heise: Prognosen der Finanzkrise sind kaum möglich, vor allem,
wenn es genaue Zeitpunktprognosen
sein sollen. Es handelt sich um eine Vertrauenskrise, die immer wieder eskalieren kann.
WiKu: Die Finanzkrise nahm ihren Ausgang vom amerikanischen Immobilienmarkt. Deutet sich dort eine Verbesserung der Lage an?
Heise: Der US-amerikanische Immobilienmarkt steht meines Erachtens kurz vor
der Wende, auch wenn noch kein eindeutig nach oben gerichteter Trend zu
erkennen ist. Zur Hoffnung Anlass gibt
Prof. Dr. Michael Heise, Chefvolkswirt
aber, dass die Bauproduktion derzeit
der Allianz-Gruppe.
Foto: Allianz
weit unterhalb der Nachfrage liegt, der
ter vorangeschritten als in den anderen
Markt also langsam geräumt wird und
Volkswirtschaften.
der Leerstand am Immobilienmarkt zuWiKu: Und was spricht für eine Wende im
rückgeht. Man sollte nicht übersehen,
kommenden Jahr?
dass die amerikanische Bevölkerung
Heise: Neben den massiven Konjunkturnach wie vor wächst. Zudem hat die
programmen der amerikanischen Regieamerikanische Regierung Maßnahmen
rung und der extrem expansiven Geldgetroffen, die zu der kräftigen Senkung
politik erleben wir einen kräftigen Verfall
der Hypothekenzinsen beigetragen hader Rohstoffpreise, der die Kaufkraft der
ben und damit die verschuldeten HausKonsumenten wesentlich erhöht. Das
besitzer entlasten. Also vom Immobizeigt sich auch daran, dass trotz derzeit
lienmarkt dürften auch die Banken bald
steil ansteigender US-Sparquote der
erste Entspannungen erfahren.
Konsum nicht wegbricht. Dazu trägt
WiKu: Die Finanzkrise stieß auf eine sich
auch bei, dass die niedrigen Zinsen vielbereits abschwächende Konjunktur. Die
fach verschuldete private Haushalte entPolitik hat in den meisten Industrielasten.
ländern mit massiven KonjunkturproWiKu: Wenn man sich des Aufschwungs
grammen reagiert und die Geldpolitik
in den USA 2010 so sicher ist, warum
schlug weltweit einen expansiven Kurs
will die US-Notenbank dann nochmals
ein. Sicherlich richtig, aber der IWF forüber eine Billion US-Dollar frisches
dert Maßnahmen in Höhe von 2 % des
Geld in die amerikanische Wirtschaft
Welt-BIP, bisher kamen erst 1,5 % zupumpen, indem sie Staatsanleihen kaustande. Muss nachgelegt werden, wie
fen wird?
bereits gefordert?
Heise: Um sicherzugehen, dass die KapitalHeise: Ich glaube nicht, dass es sinnvoll
marktzinsen und die Hypothekenzinsen
wäre, jetzt nachzulegen. Vielmehr sollte
wirklich niedrig bleiben.
man zunächst die 1,5 % wirken lassen.
WiKu: Nicht nur die Fed, allgemein haben
Die Durchwirkzeit kann bei Investitionsdie Zentralbanken die Welt mit Geld
ausgaben durchaus ein Jahr oder mehr
überschüttet. Sind Sie zuversichtlich,
betragen. Da würde man jetzt zu spät
dass es ihnen diesmal gelingen wird,
kommen. Allerdings sollte die Politik für
die ausufernde Liquidität rechtzeitig
den Fall, dass sich die Finanzkrise noch
abzuschöpfen, bevor wir deswegen in
einmal zuspitzt und sich die gesamtwirtdie nächste Krise schlittern?
schaftliche Situation weiter verschlimHeise: Natürlich wird der politische Druck
mert, sofort wirkende Eingreifpläne in
auf die Notenbanken auch diesmal da
der Schublade haben.
sein, nichts zu tun, was die wirtschaftWiKu: An welche Maßnahmen wäre konliche Entwicklung bremsen könnte. Aber
kret zu denken?
ich glaube, dass die Geldpolitik durch
Heise: Da gibt es viele Möglichkeiten, zum
diese Krise stärker sensibilisiert ist,
Beispiel Sofortabschreibungen, Ändesich aufbauende Makrorisiken wie
rung von Bilanz- und Kapitalvorschriften
Überschuldungssituationen, Kreditblaoder weitere Bürgschaften.
sen oder exorbitante Preissteigerungen
WiKu: Vor allem in den USA sind die Verwahrzunehmen und gründlicher zu
braucher tief verunsichert. Die Unterdurchleuchten. Die Politik, wie sie unter
nehmen investieren nicht, weil sie keine
anderem der ehemalige US-NotenbankGewinnperspektiven sehen. Reicht der
chef Alan Greenspan betrieben hat,
Teil öffentlicher Investitionen in den
dürfte endgültig passé sein.
Konjunkturprogrammen aus, um einen
WiKu: Entscheidend für eine Genesung
breiten konjunkturellen Aufschwung in
der Weltwirtschaft ist diesmal doch eine
Gang zu setzen?
Stabilisierung der BanHeise: Die meisten Länder
ken. Sind Fortschritte erhaben in ihrer Konjunk„Ich hätte mir
kennbar?
turpolitik auf staatliche
gewünscht, man
Heise: Fortschritte finden
Investitionen gesetzt.
statt, auch wenn sie in
Das ist grundsätzlich zu
hätte nicht ganz
Statistiken noch nicht
begrüßen. Die Wachsso stark auf
deutlich erkennbar sind.
tumsbedingungen lassen sich aber nur verStaatsinvestitionen Bilanzen werden verkürzt, Risiken zurückgebessern, wenn an der
gesetzt, sondern
führt. Besonders gilt dies
richtigen Stelle invesfür Kreditverflechtungen
tiert wird. Richtig sind
auch auf
der Banken untereinanzum Beispiel InvestitioSteuersenkungen.“ der und mit Hedgefonds
nen in Bildungsqualität
oder Private-Equity-Firund wirtschaftsnahe Inmen. Auch das Kreditgeschäft mit dem
frastruktur. Maßnahmen wie etwa die
privaten Sektor wird restriktiver. Zudem
Sanierung von Fußgängerwegen oder
ist der Eigenhandel der Banken massiv
der neue Schulanstrich haben kurzzurückgefahren worden, sodass sich
fristige Impulse, können also das Wachauch da die Risiken erheblich verminstums nicht dauerhaft erhöhen. Ich hätdern. Geschäftsmodelle werden überte mir gewünscht, man hätte nicht ganz
prüft: Unprofitable Geschäftsbereiche
so stark auf Staatsinvestitionen gesetzt,
werden geschlossen. Das alles wird zu
sondern auch auf Steuersenkungen.
einer Stabilisierung führen.
Schnelle Korrekturen bei der EinkomWiKu: Die Finanzkrise und der kräftig
mensteuer hätten Kaufkraft und Kondezimierte Welthandel haben auch die
sum der privaten Haushalte erhöht.
osteuropäischen Länder hart getroffen.
WiKu: Die USA sind als erstes Land in die
Welche Auswirkungen hat das auf die
Rezession marschiert. Viele glauben,
westeuropäischen Industrieländer?
dass sie als Erste auch wieder in den
Heise: Richtig, die dynamischen AbsatzAufschwung gehen. US-Notenbankchef
märkte in Osteuropa sind in eine heftige
Ben Bernanke erwartet, dass der AbKrise geraten. Dies trifft Industrie, Hanschwung in den USA bis Jahresende die
del und Dienstleistungssektoren in den
Talsohle erreichen und 2010 ein neuer
westeuropäischen Ländern, vor allem
Aufschwung einsetzen wird.
auch die westlichen Banken, die in MitHeise: Ich teile diese Ansicht. Die Amerikatel- und Osteuropa dominant sind.
ner sind im Abbau der Kapazitäten beWiKu: Sollten die Westeuropäer ihren
reits weiter fortgeschritten als andere
hochverschuldeten östlichen Partnern
Länder. Die Arbeitslosigkeit hat schon
unter die Arme greifen? Ein großes
massiv zugenommen und vor allem
Hilfspaket kam bisher nicht zustande.
zeigt sich, dass der Bauzyklus seine TalHeise: Nein, zunächst sind die Finanzinstisohle erreicht hat. In den nächsten Motute gefragt, die Lage dort zu stabilisienaten ist mit einer Stabilisierung der
ren. Es war ja durchaus bekannt, dass
Bauproduktion zu rechnen. Damit enthohe Risiken durch Fristentransformafällt einer der stärksten Belastungsfaktotionen sowie durch die Ausnutzung von
ren. Somit ist der Zyklus in den USA wei-
Währungsdifferenzen, sogenannte Carry
Trades, eingegangen worden waren. Bei
drohendem Staatsbankrott wäre allerdings Hilfe unverzichtbar. Mit einzubinden wäre jedoch der IWF, wie das bereits
im Falle Ungarns geschehen ist.
WiKu: Nicht nur in Osteuropa, sondern
weltweit – vor allem in den USA – türmen sich nach den Konjunkturprogrammen riesige Schuldenberge auf.
Müssen wir eine Hyperinflation fürchten, die letztlich zu einem Währungsschnitt führen würde?
Heise: Nein, beides sehe ich nicht. Die Politik weiß doch auch: Das Spiel mit der
Inflation ist gefährlich, da Inflationsprozesse leicht außer Kontrolle geraten.
Probleme werden dadurch nicht gelöst.
Im Gegenteil, die Folgen, wie zum Beispiel eine gigantische Vermögensvernichtung, schaffen neue Probleme. Zudem müssten die Zinsen niedrig bleiben,
sonst bringt eine Inflationierung dem
Staat keine Vorteile. Ich setze auch
auf die Notenbanken. Sie werden eine
Scheinlösung via Inflation verhindern.
WiKu: Und wie lässt sich die hohe Verschuldung abbauen?
Heise: Dies ist eine enorme Herausforderung für die Staaten und im Moment
sieht man noch nicht, wie sie dieses
Problem lösen wollen. Es gibt zwei
Möglichkeiten: Die Staaten müssen einen rigorosen Sparkurs einschlagen. Das
hieße vor allem Rückführung staatlicher
Investitionen und Einschnitte in die sozialen Netze. Eine Wachstumsbremse für
viele Jahre wäre die Folge. Besser wäre
zweifellos, wenn es gelänge, die Wirtschaft auf den Wachstumspfad zurückzuführen – unter anderem über eine
Verbesserung der Investitionsbedingungen, der Bildung, Ausbildung und Quali-
WiKu: Ich halte den Zinsschritt der Notenfizierung von Arbeitnehmern sowie eine
bank in dieser Situation für gerechtferintensive Förderung von Innovationen
tigt. Aber er wird rein konjunkturell nicht
und viel Wettbewerb auf den Gütermärkviel bewirken. Er begünstigt die Schuldten. Auch wenn es zurzeit nicht populär
ner, wird die Investoren aber nicht beflüist: Gerade jetzt muss man das Wachsgeln, die warten auf bessere Absatz- und
tumspotenzial der Marktwirtschaft umGewinnaussichten.
setzen. Entscheidend ist aber auch, ob
WiKu: Wann rechnen Sie mit einem weies gelingt, drohenden Protektionismus
tern Leitzinsschritt?
zu verhindern. Inflation ist kein geeigneHeise: Relativ rasch – und zwar mit einer
ter Weg.
Senkung um 0,25 Prozentpunkte. Ich
WiKu: Sehen Sie eine Deflation auf uns
gehe davon aus, dass sich die eurozukommen? Schließlich sinken die
päische Wirtschaft noch
Preise teils erheblich.
im Lauf des zweiten
Heise: Deflation ist zurzeit
die größere Gefahr als
„Man darf sich als Halbjahrs 2009 erholen
wird. Der Leitzins der EuInflation. Aber was wir
Prognostiker nicht ropäischen Zentralbank
bislang sehen, ist keine
Deflation der negativen nur an den aktuellen könnte daher bei 1,25 %
seinen Boden gefunden
Art. Die derzeit rückIndikatoren und
haben.
läufige Preisentwicklung
halte ich für äußerst poProduktionsdaten WiKu: Sie erwarten also,
dass sich die Wirtschaft
sitiv, da die Nominaleinorientieren, sonst
bis Ende dieses Jahres
kommen plötzlich aufgewertet werden: Wenn kommt man leicht zu nicht nur fangen, sondern auch erholen wird.
die Lohnsteigerungen in
Horrorzahlen.“
Das ist eine mutige Ausder Bundesrepublik im
sage – gemessen an den
Durchschnitt aller Branmeisten Prognosen.
chen bei 2,5 % liegen, dann sind das
Heise: Die derzeitige Entwicklung ist durch
auch real etwa 2,5 %. Das ist ein Fortein hohes Maß an Zyklik gekennzeichschritt. Die Preise dürften im nächsten
net. Die Unternehmen sind in hohem
Jahr eher wieder nach oben tendieren,
Maß verunsichert und versuchen um
ohne dass ich bereits ernstere Gefahren
jeden Preis, den Aufbau von Fertigfür die Preisstabilität befürchte. Gefährwarenlagern zu verhindern. Die Produklich würde es, sollten wir in eine Deprestion ist weltweit stärker eingebrochen
sion rutschen. Deswegen war es wichtig
als der private Verbrauch. Solche Prozesund richtig, dass die Wirtschaftspolitik
se müssen zurückschwingen. Und nach
starke expansive Impulse setzt, um eine
der starken Abwärtsentwicklung der
solche Entwicklung zu verhindern.
vergangenen Monate könnte dies noch
WiKu: Keine Inflationsgefahren – das ver2009 beginnen.
setzte die EZB in die Lage, ihren Leitzins
WiKu: Eine Negativprognose zum gesamtauf ein historisches Tief von 1,5 % zu
wirtschaftlichen Wachstum in Deutschsenken. Verschießt sie damit ihr Pulver
land jagt derzeit die nächste. Gestern
nicht zu früh?
Expedition – Innovation:
Auf der Suche nach Erfindern
u n d Re a l i s i e re r n . N a c h M e n s c h e n ,
d i e Re g e l n b re c h e n u n d N e u e s
schaffen wollen. Nach Ideen, die
d i e We l t b e w e g e n , n e u e L ö s u n g e n
..............................................................
..................................................................................................
P
rof. Dr. Michael Heise, Chefvolkswirt
der Allianz-Gruppe, München, ist für
die Entwicklung der Weltwirtschaft
bei Weitem nicht so pessimistisch wie
viele der derzeitigen Prognostiker – und
führt dafür eine Reihe von Gründen an.
Mit Prof. Heise sprach WiKu-Mitarbeiter
Dieter W. Heumann.
schaffen und Hoffnung stiften.
Wi r e r wa r te n S i e !
„Designent w i c k l u n g h a t
o ftm al s m e h r m i t E vo l u ti o n a ls
mi t I n no vatio n z u tun . “
KO N S TA N T I N G R CI C
Designer + Unternehmer
Podiumsdiskussion: „Design & Kreativität“
...........................................................
Weitere Referenten beim
G E R M A N E CO N O M I C FO R U M 2 0 0 9
GERHARD BERSSENBRÜGGE // Nestlé Deutschland AG
DR. DR. H.C. ERNST ULRICH VON WEIZSÄCKER
DIRK U. HINDRICHS // Schüco International KG
PROF. DR. HANS-JÖRG BULLINGER // Fraunhofer-Gesellschaft
DR. RALPH NONNINGER // ItN Nanovation AG
und mehr ...
GERMAN ECONOMIC FORUM: Plenum // Workshops // Netzwerkabend // Podien
29. + 30. April 2009 // Kongresshaus Garmisch-Partenkirchen // Thema: Expedition – Innovation
Weitere Informationen und Anmeldung unter www.germaneconomicforum.de
waren wir in der Spitze noch bei einer
BIP-Schrumpfung von 5 %; jetzt werden schon 6 % bis 7 % Minus geboten.
Worauf wetten Sie?
Heise: Man darf sich als Prognostiker nicht
nur an den aktuellen Indikatoren und
Produktionsdaten orientieren, sonst
kommt man leicht zu solchen Horrorzahlen. Mit einer deutlichen Erholung
im weiteren Verlauf werden wir bei minus 3 % landen.
WiKu: Aber die Finanzkrise ist unberechenbar.
Heise: Sollte die Finanzkrise nochmals
eskalieren, dann würden meine Erwartungen infrage gestellt. Aber wenn wir
davon ausgehen, dass sich die langsam
anlaufende Stabilisierung der Finanzmärkte fortsetzt, wofür einiges spricht,
dann wird dies die Kehrtwende der Wirtschaft unterstützen.
WiKu: Nun leidet Deutschland ja als eine
der größten Exportnationen besonders
unter dem Einbruch der Weltwirtschaft.
Die Ausfuhren sinken von Monat zu
Monat. Die Krise ist importiert. Und
die beiden Konjunkturprogramme der
Bundesregierung erreichen nur die Binnenwirtschaft. Ist sie allein stark genug,
um das Land aus der Krise zu bringen?
Heise: Die Frage ist natürlich, wie dauerhaft der Einbruch der Weltwirtschaft
ist. Strukturelle Gründe für eine dauerhafte globale Nachfrageschwäche gibt es
nicht. Daher wird der Welthandel nicht
lange Zeit im Minus bleiben. Von einer
Wiederbelebung des Welthandels wird
die deutsche Exportwirtschaft besonders
profitieren. Die Konsumnachfrage ist in
Deutschland im Vergleich zu anderen
Ländern relativ stabil. Der private Verbrauch stabilisiert die deutsche Konjunktur.
MEINUNG
4 WirtschaftsKurier
APRIL 2009
Bildung ist die renditestärkste Anlageform
Ferry Porsche-Preis 2008 | Porsche orientiert
sich an langfristigen Zielen und versucht, Probleme von vornherein zu vermeiden
stärkt aus der Krise hervorzugehen.
Auf Ihre eigene Situation übertragen, liebe Trägerinnen und Träger des Ferry-Porsche-Preises, bedeutet das: Auch Sie sind
gut beraten, sich ordentlich vorzubereiten
auf das, was Sie später im Berufsleben er-
VON DR. WENDELIN WIEDEKING*
L
eider scheint dieses Jahr wirtschaftlich gesehen unter keinem besonders
guten Stern zu stehen. Infolge der Finanzmarktkrise ist nun auch die deutsche
Volkswirtschaft tief in den Sog der weltweiten Rezession geraten. Es vergeht kaum ein
Tag, an dem die Medien nicht über neue
Milliardenverluste bei Banken und Unternehmen, über Kurzarbeit, Entlassungen,
Werkschließungen oder Insolvenzen berichten. Weltweit stehen die Unternehmen
vor einer Durststrecke, wie wir sie schon
seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt haben
und von der noch niemand weiß, wie lang
sie sein wird.
Dennoch dürfen wir eines nicht vergessen: Die konjunkturelle Entwicklung war
schon immer Schwankungen unterworfen,
mit mehr oder weniger starken Ausschlägen nach oben wie nach unten. Derzeit
geht es leider bergab, keine Frage. Und zugegeben: Diesmal ist die Talfahrt ziemlich
rasant.
Aber irgendwann wird auch diese Rezession die Talsohle erreicht haben. Und danach geht es wieder bergauf. Das lehrt uns
die Erfahrung. Es bringt deshalb überhaupt nichts, den Kopf in den Sand zu
stecken. Angst ist noch nie ein guter Ratgeber gewesen. Im Gegenteil. Man muss sich
den Herausforderungen stellen und die
Zukunft als Chance begreifen, wenn man
etwas erreichen will.
Nehmen Sie als Beispiel Porsche: Obwohl uns – wie allen anderen Automobilherstellern auch – der Wind derzeit heftig
ins Gesicht bläst, sind wir doch sehr zuversichtlich, den steinigen Weg, der noch vor
uns liegt, erfolgreich meistern zu können.
Denn wir haben uns in der Vergangenheit
gut vorbereitet und sind für schwierige Zeiten entsprechend gewappnet.
Bei meinem Amtsantritt zu Beginn der
90er-Jahre stand Porsche schon einmal in
der Krise – in einer weitgehend selbst verschuldeten. Wir haben daraus unsere Lehren gezogen und seither gewissenhaft unsere Hausaufgaben gemacht. Seit rund
16 Jahren schon optimieren wir unsere
Prozesse immer wieder aufs Neue. Und in
den zurückliegenden guten Zeiten haben
wir uns nicht etwa bequem zurückgelehnt
und uns auf unseren Erfolgen ausgeruht.
Nein, wir haben unvermindert hart daran
gearbeitet, unsere Effizienz und Produktivität weiter zu steigern und die Kosten zu
senken.
Unsere Geschäftsphilosophie ist eigentlich relativ einfach. Wir versuchen,
Probleme von vornherein zu vermeiden,
in dem wir uns konsequent an langfristigen Zielen orientieren und so weitsichtig
wie möglich handeln. Porsche hat heute
äußerst schlanke Strukturen und ein besonders flexibles Produktionssystem, das
in der Automobilbranche als vorbildlich
gilt. Unsere beiden Werke in Zuffenhausen und Leipzig arbeiten hoch produktiv.
„Irgendwann wird auch diese Rezession die
Talsohle erreicht haben. Und danach geht
es wieder bergauf. Das lehrt die Erfahrung.
Man muss sich den Herausforderungen
stellen und die Zukunft als Chance begreifen,
wenn man etwas erreichen will.“
Unsere Produktpalette ist breiter und attraktiver als jemals zuvor in unserer Geschichte. Und unser Vertrieb ist in inzwischen 107 Ländern schlagkräftig aufgestellt. Damit kann Porsche jedem Unwetter
trotzen.
Klar, auch wir müssen uns angesichts
des gegenwärtigen Nachfrage-Einbruchs
auf dem globalen Automobilmarkt mächtig anstrengen, um bei sinkenden Absatzzahlen unseren Marktanteil weiter auszubauen oder doch zumindest halten zu können. Aber dank seiner außerordentlich hohen Flexibilität ist Porsche in der Lage, seine Produktion zeitnah an die jeweilige
Nachfragesituation anzupassen.
Teil der Strategie von Porsche ist es, sich nicht auf den Erfolgen auszuruhen, sondern die Prozesse immer wieder aufs Neue zu optimieren.
Unternehmen wie Porsche, die sich
rechtzeitig und konsequent genug auf
schlechtere Zeiten vorbereitet haben, werden auch von einer Rezession, wie wir sie
derzeit erleben, nicht so schnell aus der
Bahn geworfen. Und wenn die Talsohle
durchschritten ist, können sie sich berechtigte Hoffnungen darauf machen, sogar ge-
wartet. Und die beste Vorbereitung ist immer noch eine vernünftige Ausbildung, mit
der Sie sich für den Eintritt in einen zukunftsorientierten Beruf qualifizieren. Wer
das erkannt hat und diese Erkenntnis auch
umsetzt, braucht sich um seine Zukunft
kaum Sorgen zu machen. Glauben Sie mir:
Bildung, Wissen und berufliche Qualifikation – das ist die mit Abstand krisensicherste, zukunftsträchtigste und renditestärkste
Anlageform, die es gibt. Denn was man im
eigenen Kopf hat, kann kein Banker, kein
Fondsmanager und kein Vermögensberater dieser Welt verspekulieren. Wissen ist
eine sehr harte Währung, die sich für Sie
künftig auch in klingender Münze auszahlen wird.
Porsche bleibt nur so lange wettbewerbsfähig, wie es uns gelingt, der Konkurrenz mindestens eine Nasenlänge voraus zu sein. Doch die Innovationen, die
dafür notwendig sind, fallen uns natürlich
nicht einfach in den Schoß. Sie sind das Ergebnis von harter und ausdauernder Arbeit, die von hoch qualifizierten Ingenieuren geleistet wird. Bei Porsche warten auf
Sie viele interessante Aufgabenstellungen.
Es müssen ja nicht nur immer wieder neue
Fahrzeugmodelle zur Serienreife gebracht
werden. Im Fahrzeugbau brauchen wir
auch ständig neue, innovative Werkstoffe
oder kreative Antworten auf die enormen
Herausforderungen, mit denen sich unsere
Branche zum Beispiel durch die KlimaDiskussion konfrontiert sieht. Gerade zur
Lösung dieses Problems gibt es viel zu tun.
Es sind Innovationen, mit denen es Porsche gelingt, sich im globalen Wettbewerb
zu behaupten. Wir haben selbstverständlich nicht vor, die einzigartige Wachstumsstory, die Porsche seit nunmehr gut eineinhalb Jahrzehnten schreibt, jetzt einfach
auslaufen zu lassen. Ganz im Gegenteil:
Wir arbeiten heute mit aller Kraft daran,
unserer Erfolgsgeschichte in Zukunft noch
viele weitere spannende Kapitel hinzuzufügen. Und dabei sind wir bereits auf sehr
gutem Weg.
Übrigens auch dank des Einstiegs unseres Unternehmens beim Volkswagen-Konzern. Inzwischen hält Porsche einen Anteil
von mehr als 50 % an Europas größtem Automobilhersteller. Und wir haben vor, diese Beteiligung weiter auszubauen. Es ist
unser erklärtes Ziel, gemeinsam mit VW
und seinen Tochtergesellschaften unter
dem Dach der Porsche Automobil Holding
SE eine schlagkräftige und international
wettbewerbsfähige Allianz zu schmieden,
die das Potenzial hat, eine Spitzenstellung
in der globalen Automobilindustrie zu
übernehmen.
*Dr. Wendelin Wiedeking,
Vorstandsvorsitzender der
Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG.
Der Text ist ein Auszug aus seiner Rede
anlässlich der Veranstaltung
zum „Ferry-Porsche-Preis 2008“
„Wir haben heute äußerst schlanke Strukturen und ein besonders flexibles Produktionssystem, das in der Autobranche als
vorbildlich gilt“, so Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. Im Bild der Panamera.
Fotos: Porsche
Die Diskussions-Klimakatastrophe
Typisch deutsch? | Meinungs-Abweichler werden schnell mit dem Vorwurf konfrontiert, sie seien „gekauft”
VON DR. HANS-DIETER RADECKE
W
er Anfang der 1980er Jahre unter
Studenten in einer Diskussion
zum Thema Nachrüstung Verständnis für den NATO-Doppelbeschluss
aufbrachte, musste nicht lange warten, bis
er das Totschlagargument zu hören bekam, er sei doch „gekauft“, von der Rüstungslobby oder allgemein: „dem Kapital“.
Schnee von gestern? Keineswegs, sogar
hoch aktuell. Ob Stammtischdisputant
oder Journalistenkollege – der Vorwurf,
eine nicht politisch korrekte Bemerkung
könne nur durch Überweisung mehrstelliger Summen auf das Privatkonto des Sprechers motiviert sein, ist allgegenwärtig. Jedenfalls hierzulande.
Man versuche beispielsweise einmal, die
Klimaskeptiker in einer dem Thema Klimaschutz verpflichteten Runde in Schutz
zu nehmen. Anfangs wird es nur darum
gehen, die Skeptiker als willige Idioten oder
gut bezahlte Handlanger der Industrie darzustellen. Zeigt man sich aber davon unbeeindruckt, gerät man schnell selbst in den
Verdacht, auf der Gehaltsliste von
Shell & Co. zu stehen.
Auffällig ist dabei, dass man es mit Gesprächspartnern anderer Kulturen anders
erlebt, dass es also doch immer wieder etwas gibt, was „typisch deutsch“ zu sein
scheint. Die Diskussion mit Briten oder
Amerikanern kann knallhart sein, aber die
Bakschisch-Keule wird kaum gezückt. Dies
ist durchaus keine Einzelerfahrung, wie
etwa der Journalist Hannes Stein in der
„Welt“ bestätigt: „Wenn ich hier (in den
USA) etwas sage, was dem linksliberalen
Mainstream widerspricht, wird man mir
möglicherweise scharf widersprechen.
Aber man spricht mir nicht sofort die persönliche Integrität ab. In Deutschland da-
gegen kommt sofort der Verdacht auf, ich
könnte bezahlt sein: vom Mossad, dem
Verband der schottischen Hutproduzenten, der Atomindustrie – oder all diesen erlauchten Institutionen zusammengenommen. Mit anderen Worten: Die einzig einleuchtende Erklärung dafür, dass jemand
eine abweichende Meinung hat, ist in
Deutschland: Er muss dafür BEZAHLT
worden sein.“ Hinzuzufügen ist noch ein
zweites „Argument“, das man sich einfangen kann: Man sei nicht ganz richtig im
Kopf.
Monolog der Klimaapokalyptiker
Das Erschreckende daran ist, dass sich die
Betreffenden wohl gar nicht bewusst sind,
wie menschenverachtend eine solche Unterstellung ist: Hier wird der Gesprächspartner als kompetentes Gegenüber nicht
ernst genommen und als böswillig und
korrupt hingestellt.
Entscheidender Hintergrund für diese
Verunglimpfungen ist der unverrückbare
Glaube an eine objektive Wahrheit, die
nicht nur vom Menschen dingfest gemacht
werden kann, sondern die der Sprecher offenbar zu besitzen glaubt.
Überdeutlich wird dies in der Klimadiskussion, die eigentlich gar keine Diskussion ist, sondern ein schroffer Monolog der
Klimaapokalyptiker. Nun gibt es unter den
Klimaexperten eine erstaunlich große Anzahl von renommierten Skeptikern, die
aufgrund ihrer Forschungen nicht viel von
der Theorie der menschengemachten Klimakatastrophe halten. Dazu gehören
durchaus auch Mitglieder des Weltklimarats IPCC, die sich in die Ecke gedrängt
und hintergangen fühlen. So musste etwa
Paul Reiter vom Pasteur-Institut in Paris
erst mit juristischen Schritten drohen, bis
sein Name aus der Unterzeichnerliste des
men ist prinzipiell nicht vorhersagbar. Wer
Klimaprotokolls gestrichen wurde, dessen
also behauptet, die gegenwärtigen KlimaSchlussfolgerungen er nicht teilte.
modelle, die ja unser Klima nicht einmal
Hier geht es nicht um das wissenschaftrückwirkend einigermaßen genau zu beliche Für und Wider eines menschenverurschreiben vermögen, könnten völlig künstsachten Klimawandels. Interessant ist nur
lich geschaffene Gröeines: Die deutschen
ßen wie die „WeltMeinungsführer
durchschnittstempeglauben, die endgülratur“ (die nur auf
tige, objektive Wahrder Basis von Theoheit über das Thema
rien mit einer Vielzu kennen. Wer anzahl von mehr oder
derer Ansicht ist,
weniger sicheren Anmuss bezahlt sein,
nahmen errechnet
von der Ölindustrie,
wird) über 50 oder
den Automobilkongar 100 Jahre zuverzernen oder anderen
lässig vorhersagen,
finsteren Mächten.
ist hoch unseriös.
Man muss es einmal
Aber in der brav miterlebt haben, welch
stenographierenden
erbitterte Feindschaft
Presse regt sich kein
plötzlich entsteht,
Gelächter, wenn Rewenn man an diesem
gierungsmitglieder
„Konsens“ zweifeln
allen Ernstes bemöchte.
haupten, ihre MaßDabei ist jede finanahmen könnten die
le Aussage in diesem
Erwärmung in den
Umfeld reine Glaunächsten 50 Jahren
benssache. Nirgends
steht dies deutlicher Kann man es sich heutzutage über- wie mit einem Therals im IPCC-Bericht haupt noch erlauben, kontroverse Mei- mostat auf zwei Grad
selbst. Dort liest nungen zu äußern?
Foto: Fotolia beschränken!
Man gaukelt uns
man: „Bei der Klimavor, es gebe eine objektive „Klimawirklichforschung und -modellierung müssen wir
keit“, die die Rechtgläubigen haben, wähanerkennen, dass wir es mit einem gekoprend die Ketzer entweder nicht alle Nadeln
pelten nicht-linearen chaotischen System
an der Tanne haben oder von bösen Mächzu tun haben und dass daher eine langfriten bezahlt werden. Gerade auf diesem Gestige Vorhersage künftiger Klimazustände
biet, wo ein derart komplexes und von unnicht möglich ist.“ Alle Modellrechnungen
zähligen Faktoren (die nicht einmal alle
sind also mit äußerster Vorsicht zu geniebekannt oder in ihren gegenseitigen Wechßen, dienen heute aber als Basis von Entselwirkungen erforscht sind) beeinflusstes
scheidungen, die die Menschheit über
natürliches Phänomen mit komplizierten
Jahrzehnte hinaus festlegen. Die EntwickComputermodellen erfasst werden soll, gilt
lung von nicht-linearen chaotischen Syste-
Tabus gäbe es in unserer Gesellschaft nicht
die alte Weisheit: Das Wissen von heute ist
mehr, versuche einmal den Krieg gegen
der Irrtum von morgen.
den Irak zu rechtfertigen, auf fundamentaÄhnlich unerquicklich ist die Situation
le Errungenschaften des Kapitalismus und
bei anderen umstrittenen Themen, etwa
Irrtümer der Globalisierungsgegner hinzuder Ursachenforschung zur Wirtschaftskriweisen oder die Theorie weiterzugeben,
se, dem Irakkrieg oder der Bekämpfung
das CO2 habe kaum etwas mit der Klimaerdes Terrorismus. Ein bedenklicher geistiger
Totalitarismus ist hier am Werk, der gerade
wärmung zu tun.
bei jenen am auffälligsten ist, die sich anDie jeweiligen Standpunkte einer Debatgeblich am intensivsten der Rettung der
te können kontrovers sein und mit ErbitteWelt verschrieben haben – von Nichtregierung aufeinander prallen. Jeder wird seirungsorganisationen wie Attac über divernen Standpunkt lautstark verteidigen, und
se „Aktivisten“ (das sind oft Eiferer, die für
dies ist in Ordnung, denn es zwingt andere
ihre Tätigkeit keinerlei
dazu, ihren Standpunkt
Kompetenzen nachweizu überprüfen und ihre
Das derzeitige Dis- Argumentation zu schärsen müssen) bis hin zu
den prominenten Talkern
kussionsklima hier- fen. Die überzeugendste
in den Fernsehrunden.
Argumentation gewinnt.
zulande ist geprägt
Hier geistern gar VorstelAber eine freie Geselllungen für ein Widerschaft muss verlangen,
von schreiender
standsrecht gegen demodass die gegenseitige
Selbstgerechtigkeit Achtung gewahrt bleibt
kratische Entscheidungen
durch die Köpfe – etwas,
und sich alle Beteiligten
und moralischer
was nur auf die Überzeudem
Mehrheitsurteil
Überhebung.
gung zurückgeführt werletztendlich fügen. Wer
den kann, man sei im Bedem Andersdenkenden
sitz der alleinigen Wahrheit.
jeweils die schlimmstmögliche Motivation
Das derzeitige Diskussionsklima hierzuunterstellt, wer seine Integrität in Frage
lande ist geprägt von schreiender Selbstgestellt oder ihn für nicht ganz bei Trost hält,
rechtigkeit und moralischer Überhebung,
ist gänzlich ungeeignet für die Teilnahme
von unbekümmerter Rechthaberei, von
an den Entscheidungsprozessen einer freimangelnder Selbstkritik. Vor allem aber
en Gesellschaft.
von einem Klima gegenseitiger HerabsetEine bessere, gerechtere Welt soll her.
zung, Schuldzuweisung und allgemeinem
Frieden geschaffen werden. Toleranz wird
Misstrauen.
eingefordert. Wenn jedoch im gesellschaftFür eine freie Gesellschaft ist dies fatal.
lichen Disput so viel Menschenverachtung
Sie ist im Prinzip ein Marktplatz für Ideen,
herrscht, gerade bei denen, die das Neue
auf dem sich alle Strömungen einer Geso lautstark fordern, ist dies ein Anzeichen
meinschaft zu Wort melden können. Die
dafür, dass unser Gemeinwesen nicht nur
Bürger und ihre gewählten Institutionen
vom Vorbild einer freien Gesellschaft, sonhaben diese Beiträge abzuwägen und auf
dern auch von einem friedlichen, toleranderen Basis ihre Entscheidungen zu treften Geist als Voraussetzung für eine bessefen, ohne Tabus und Zwänge. Wer meint,
re Welt noch meilenweit entfernt ist.
INDUSTRIE & MÄRKTE
APRIL 2009
WirtschaftsKurier
5
In Verhandlungen
Mit Zuversicht
Mit Wachstum
Im Ungewissen
Der Medizin- und Sicherheitstechnikkonzern Drägerwerk spürt die Krise, will aber den Siemens-AnSeite 6
teil an der Medizinsparte zurückkaufen.
Die breite Aufstellung des Bayer-Konzerns
lässt die Leverkusener relativ gelassen in
die Zukunft blicken.
Seite 7
Der größte deutsche Erdgas- und Ölproduzent,
die Wintershall AG, ist wie gewöhnlich der
Ergebnisbringer für die Mutter BASF.
Seite 8
Linde hat sich durch eine gezielte Fokussierung
gut aufgestellt, trotzdem wollte der Vorstand
keine Prognose für 2009 wagen.
Seite 10
Hoffnung auf das zweite Halbjahr
Salzgitter | Durch eine ausgewogene Produktpalette weist das Unternehmen eine gute Abnehmerstruktur auf
VON DIETER W. HEUMANN
W
ie die gesamte Stahlindustrie
kämpft auch der nach ThyssenKrupp zweitgrößte deutsche
Stahlkonzern, der niedersächsische Stahlund Röhrenhersteller Salzgitter AG, gegen
den Einbruch der Nachfrage seiner wichtigsten Kunden aus der Automobil-, Maschinenbau- und Bauindustrie. Nach den
Worten von Wolfgang Leese, Vorstandsvorsitzender der Salzgitter AG, gab es bis zum
Spätsommer 2008 eine gute Stahlkonjunktur. Danach sei eine plötzliche Verschlechterung eingetreten, die im vierten
Quartal zu einem drastischen Rückgang
führte. Die Auftragseingänge hätten sich
zum Teil halbiert. „Das ist historisch der
größte Einbruch, den ich je erlebt habe“,
beschrieb Leese auf der Jahrespressekonferenz Ende März in Salzgitter die derzeitige Lage. Laut Finanzvorstand Heinz Jörg
Fuhrmann lastet Salzgitter seine Kapazitäten derzeit nur noch um 40 % bis 50 %
im Vergleich zu Normalsituationen aus. In
einigen Bereichen liege man auch noch
darunter. So seien bei den Präzisionsrohren für die Automobilindustrie wochenlang sogar überhaupt keine Bestellungen
mehr eingegangen. So etwas habe er noch
nie erlebt, klagte Leese. Erfahrungsgemäß
benötigen die Stahlkocher eine Auslastung
der Kapazitäten in Höhe von etwa 75 %,
um im operativen Geschäft schwarze Zahlen schreiben zu können.
Der Stahl- und Technologiehersteller
reagiert mit Einsparungen: Im April wird
sich die Zahl der Kurzarbeiter auf 8 000 verdoppeln – das entspricht einem Drittel der
Ausgekocht? Die Stahlwerke leiden weltweit unter der Wirtschaftsflaute. Die
Salzgitter AG verfügt über ein breites Produktsortiment, doch die Auslastung
ging stark zurück – so bleibt nur die Hoffnung auf bessere Zeiten.Foto: Salzgitter AG
Gesamtbelegschaft – wobei der Schwerpunkt der Kurzarbeit im Flachstahlbereich
liegen wird. Wie lange die Kurzarbeit anhalten wird, konnte Leese nicht sagen,
man entscheide von Monat zu Monat. Unternehmen können von dieser Maßnahme
bis zu 18 Monate lang Gebrauch machen.
Bei Salzgitter erhalten Kurzarbeiter nicht
weniger als 90 % ihres letzten Lohns. An
Entlassungen denkt der Vorstand derzeit
nicht. Sollte sich die Situation weiter zuspitzen, will er sich aber mit dem Betriebsrat zusammensetzen und neu überlegen.
Unter die Sparmaßnahmen fallen auch die
Investitionen. Das Investitionsbudget soll
von 1,05 Mrd. Euro auf etwa 850 Mio. Euro
gekürzt werden. Allerdings bedeute dies
keine radikale Investitionszurückhaltung,
sondern komme eher einer Verschiebung
gleich, betonte Leese. Wo sich Marktchancen ergeben, da werde auch weiterhin investiert. Die Investitionen will man aus
vorhandenem Cash bestreiten. Zudem
werden die Aktionäre zur Kasse gebeten.
Die Dividende für 2008 wird von 3,00 Euro
auf 1,40 Euro je Aktie gekürzt werden, ob-
Die Scheichs lieben Daimler
Daimler | Die Gefahr einer feindlichen Übernahme ist noch nicht gebannt
A
uch nach dem – allseits begrüßten –
Einstieg der staatlich geführten
Fondsgesellschaft Aabar Investments aus dem Emirat Abu Dhabi ins Aktionariat der Daimler AG, Stuttgart, ist die
Gefahr einer feindlichen Übernahme und
Zerschlagung des Stuttgarter Automobilkonzerns noch nicht gebannt. Der anhaltend niedrige Kurs der Daimler-Aktie und
der hohe Anteil von 80,5 % Streubesitz
gelten nach wie vor als Risiken und mögliches Einfallstor für unerwünschte Investoren. 2007 notierte die Daimler-Aktie bei
80 Euro – derzeit sind es nur noch etwas
mehr als 20 Euro. Der Börsenwert des
renommierten Traditionsunternehmens
sank also binnen zwei Jahren von mehr als
85 Mrd. Euro auf nur noch rund 22 Mrd.
Euro. Immerhin: Der neue Hauptaktionär
Aabar schließt eine Aufstockung der jetzt
in einem ersten Schritt für 1,95 Mrd. Euro erworbenen 9,1%igen Beteiligung an
Daimler nicht aus.
„Eine mögliche Erhöhung unseres Anteils muss später geprüft werden – im Moment sind wir mit 9,1 % zufrieden“, erklärte Khadem al Qubaisi, Vorsitzender des
Verwaltungsrats von Aabar Investments,
bei der Erläuterung des Aktienerwerbs in
Stuttgart. Keinen Zweifel ließ al Qubaisi an
der Langfristigkeit des Engagements bei
Daimler und dem Ziel, den Automobilkonzern nicht zu zerlegen, sondern weiterzuentwickeln: „Wir sind nicht eingestiegen,
um raschen Gewinn zu machen – wir suchen eine dauerhafte Partnerschaft.“
Anders als das Emirat Kuwait, das 1974
die Daimler-Aktien der Familie Quandt erwarb und dessen Daimler-Anteil durch den
im Wege einer 10%igen Kapitalerhöhung
realisierten Einstieg von Aabar von bislang
7,6 % auf 6,9 % sinkt, versteht Aabar das
Investment bei Daimler nicht nur als reine
Finanzbeteiligung: „Wir sind überzeugt,
dass unsere künftige Zusammenarbeit
nicht nur Aabar nützen, sondern auch Abu
Dhabi und den Vereinigten Arabischen
Emiraten soziale und wirtschaftliche Vorteile bringen wird“, so al Qubaisi. Daimler
sei eine „Marken-Ikone, die weltweit für
Spitzenleistungen bekannt ist“.
Sichtlich zufrieden über den gelungenen
Einstieg des neuen Aktionärs erwiderte
Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der
Daimler AG: „Wir freuen uns sehr, in Aabar
einen neuen Großaktionär begrüßen zu
können, der unsere Unternehmensstrategie unterstützt und mit uns gemeinsam
strategische Projekte auf den Weg bringt.“
Zetsche und al Qubaisi berichteten über
bereits konkret vereinbarte Projekte der
Zusammenarbeit: So könnten künftig Teile
der Daimler-Entwicklungsarbeiten in Abu
Dhabi geleistet werden. Als Beispiele nannten Zetsche und al Qubaisi Fahrzeuge mit
Elektroantrieb und neue Verbundwerkstoffe für den Automobilbau. In Abu Dhabi,
dem mit 1,4 Mio. Einwohnern größten der
sieben Emirate am Persischen Golf, wollen
die Partner eine Ausbildungseinrichtung
„für junge Talente, die eine Position in der
Automobilindustrie anstreben“, gründen.
Vor dem Hintergrund der mit großem
Tempo vorangetriebenen Entwicklung der
Erdölförderregion Abu Dhabi zu einem
arabischen Zentrum für Wissenschaft und
Technik, aber auch der Aufstieg des Nachbar-Emirats Dubai zu einer internationalen Drehscheibe für Dienstleistungen
werden bei Daimler diese Vereinbarungen
offenkundig sehr ernst genommen: Für
alle Teilprojekte seien bereits Expertenteams geplant, die zeitnah mit der Umsetzung der gemeinsamen Vorhaben beginnen sollen.
Willkommener Mittelzufluss
Der neue Daimler-Hauptaktionär Aabar ist
Teil eines Konglomerats aus staatlich geAnzeige
führten und überwiegend auch in staatlichem Besitz befindlichen Fonds von Abu
Dhabi. In der Summe zählen die Fonds des
Emirats zu den reichsten der Welt. Investiert hat Abu Dhabi bislang vor allem
in Unternehmen der Energiebranche. In
Deutschland ist Abu Dhabi seit Januar 2009
zu 70 % an dem Anlagenbauer und Dienstleister MAN Ferrostaal AG beteiligt. 2006
waren Verhandlungen über eine Beteiligung
an VW gescheitert.
Vollzogen wurde die Kapitalerhöhung im
Rahmen einer von der letzten DaimlerHauptversammlung im April 2008 erteilten
Ermächtigung. Aabar Investments kaufte 94,4
Mio. frische Stückaktien zum Preis von 20,27
Euro pro Aktie. Der Mittelzufluss von 1,95
Mrd. Euro verschaffe dem Unternehmen „zusätzliche Flexibilität bei Investitionen in neue
Fahrzeugtechnologien“, so Zetsche.
Von der Börse kam überwiegend Lob für
den Deal – auch Anerkennung dafür, dass
es gelungen war, den seit gut drei Monaten
verhandelten Einstieg von Aabar bis zum
Tag des Vertragsabschlusses unter der Decke zu halten. Kurzzeitig stieg sogar der
Kurs der Daimler-Aktie – am Folgetag wurden die Aufschläge aber bereits durch Gewinnmitnahme-Verkäufe eingeebnet.
Die Politik reagierte vor allem erleichtert:
In Berlin wertete Regierungssprecher Ulrich
Wilhelm den Einstieg von Aabar als „positives
Signal“ und als Anerkennung der Zukunftsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger begrüßte die „Beteiligung eines langfristig interessierten Investors“ an Daimler. Das Engagement aus Abu
Dhabi zeige, dass der Automobilkonzern ein
„hochattraktives Investment“ sei.
Die Frage, inwieweit ihm der Einstieg von
Aabar die Sorgen über mögliche unfreundliche Übernahmeversuche nehme, beantwortete Zetsche – mit Absicht oder unfreiwillig –
zweideutig: Diese Gefahr sei „heute nicht größer als vor einem Jahr“. Freilich: Gerade vor
einem Jahr wuchs mit jedem Kursabschwung
der Daimler-Aktie das Risiko, dass Investorengruppen eine Mehrheit des Daimler-Kapitals erwerben, den Konzern in seine verschiedenen Sparten zerlegen – und diese Teile
dann gewinnbringend wieder veräußern.
Schätzungen wurden gehandelt, nach denen
ein Einzelverkauf der Personenwagensparte,
der Nutzfahrzeuge, der Mercedes-Benz-Bank,
der ausländischen Beteiligungen sowie der
Anteile am Luft- und Raumfahrtkonzern
EADS und an der Tognum AG deutlich mehr in
die Kasse von Investoren bringen könnten, als
diese zuvor für den ganzen Daimler-Konzern
bezahlen müssten.
Vor diesem Hintergrund war und ist das
Interesse des Daimler-Vorstands am Einstieg langfristig interessierter, verlässlicher
Investoren nachvollziehbar. Mehr als ein
Gerücht ist, dass die Landesregierung von
Baden-Württemberg ernsthaft eine, zumindest zeitweilige, Beteiligung über die
landeseigene L-Bank und die hälftig dem
Land gehörende Landesbank Baden-Württemberg prüfen ließ – gewissermaßen als
Notfallplan zur Abwehr eines eventuellen
Angriffs von „Heuschrecken“.
Derzeit schützen wohl der Geldmangel der
Fonds und die Schwierigkeit, für solche
Abenteuer bezahlbare Kredite zu bekommen,
Daimler vor derlei Attacken. Das Dilemma,
zum Übernahmekandidaten werden zu können, bleibt aber: Auch nach dem Einstieg des
Abu-Dhabi-Fonds bieten 80,5 % Streubesitz eine offene Flanke.
kw
wohl das vergangene Jahr noch relativ
gut gelaufen ist. Fuhrmann erklärte, dass
sich die Dividende nicht nur nach dem
Rückblick, sondern auch nach dem Ausblick bemesse.
Die bislang getroffenen Einsparungsmaßnahmen verdeutlichen, dass in Salzgitter trotz der gegenwärtig schwachen
Auftragslage durchaus noch keine Panik
herrscht. Nach Leese ist der Konzern gut
aufgestellt, bietet eine ausgewogene Produktpalette, weist gute Abnehmerstrukturen auf und sei dementsprechend auch für
die Zukunft gut gerüstet. Das galt aber
auch für das Gesamtjahr 2008, in dem die
Salzgitter AG ihren Außenumsatz um 23 %
auf 12,5 Mrd. Euro steigern konnte. Dazu
trugen eine anhaltend gute Entwicklung
des Röhrengeschäfts – vor allem bei Großrohren –, ein florierendes Handelsgeschäft
in den ersten neun Monaten sowie höhere
Stahlabsatzpreise bei. Allerdings konnte
der Konzern sein Spitzenergebnis von 2007
beim Vorsteuergewinn nicht wiederholen.
2008 ermäßigte sich die Position um 24 %
auf 1 Mrd. Euro – damit wurde aber immer
noch das zweitbeste Ergebnis in der Konzerngeschichte der Salzgitter AG eingefahren. Enthalten sind im Ergebnis bilanzielle
Anpassungen der Vorratsbewertung der
Unternehmensbereiche Stahl und Handel
in Höhe von 200 Mio. Euro. Sie resultieren
aus der drastisch verschlechterten Marktsituation im vierten Quartal 2008. In diesem Jahr erwartet Fuhrmann keine weiteren Wertkorrekturen bei Vorräten an fertigen und halbfertigen Stahlprodukten. Der
Grund: Es spreche einiges dafür, dass der
Tiefpunkt bei den Stahlpreisen schon bald
erreicht sein werde. Allerdings mochte er
weitere Abschreibungen bei Rohstoffen
nicht ausschließen, da die Talfahrt der
Rohstoffpreise noch nicht zu Ende sein
dürfte. Der Konzernjahresüberschuss ging
2008 um 25 % auf etwa 680 Mio. Euro zurück. Damit betrug das Ergebnis pro Aktie
im vergangenen Jahr 12,11 Euro, nach
15,80 Euro in 2007.
Derzeit ist keine seriöse
Prognose möglich
Obwohl der Konzern noch auf liquiden
Mitteln in Höhe von etwa 1 Mrd. Euro sitzt,
will der Vorstand – mit Blick auf die unsichere Zukunft der Märkte – zunächst auf
Akquisitionen verzichten. In der Tat sind
die Aussichten für das laufende Jahr alles
andere als gut. Lediglich in der Röhrensparte liegen Umsätze und Ergebnisse
noch auf hohem Niveau. Aber insgesamt
geht Leese „nach der extremen Geschäftseintrübung im ersten Quartal 2009 von
einer anschließenden Stagnation über das
zweite Berichtsquartal aus, der ab dem
zweiten Halbjahr ein zögerlicher Aufwärtstrend auf niedrigem Niveau folgen könnte“. Entsprechend erwartet der Vorstand
einen Verlust für das erste Halbjahr 2009.
„Wenn sich die Konjunktur in der zweiten
Jahreshälfte spürbar belebt, was aber keiner weiß, können wir im Gesamtjahr ein
ausgeglichenes Ergebnis erreichen“, hofft
der Vorstandschef der Salzgitter AG bei
aller Zurückhaltung. Eine quantifizierte
Prognose für das Konzernergebnis 2009
abzugeben, sei aber, „angesichts der bis
dato noch nicht erlebten Unwägbarkeiten
nicht seriös“, so Leese.
PERSONALIEN.
Nach dem unerwarteten Tod von
Hermann Merschroth folgte ihm als
Sprecher der Geschäftsführung von
AGCO-Fendt Peter-Josef Pfaffen
nach. Pfaffen ist bereits seit 1998 bei
Fendt in unterschiedlichen Positionen tätig und sammelte davor 19 Jahre
lang Erfahrung bei dem internationalen
Landmaschinenkonzern Case IH.
Der Sprecher des Vorstands der
uniVersa Versicherungen, Nürnberg,
Gerhard Glatz, wurde vom Aufsichtsrat zum Vorstandsvorsitzenden der
uniVersa Krankenversicherung a. G.,
der uniVersa Lebensversicherung a. G.,
der uniVersa Allgemeine Versicherung
AG sowie der uniVersa BeteiligungsAG ernannt. Glatz wirkt seit fast dreißig
Jahren für die 1843 gegründete uniVersa-Unternehmensgruppe.
Dr. Michael Rogowski, Vorsitzender
des Gesellschafterausschusses und
des Aufsichtsrats der Voith AG, Heidenheim, und Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI),
feierte am 13. März seinen 70sten Geburtstag. Neben seiner beruflichen Karriere – von 1986 bis 2000 leitete er die
Geschicke von Voith als Sprecher der
Geschäftsführung, Vorsitzender der
Konzerngeschäftsführung und Vorstandsvorsitzender – engagierte sich
Rogowski immer auch ehrenamtlich
und setzte sich für die unternehmerische und gesellschaftliche Freiheit sowie den Wirtschaftsstandort Deutschland vehement ein. Wie gratulieren auf
diesem Wege herzlich.
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LEWA-Pumpen dosieren hochpräzise rund um die Uhr
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INDUSTRIE & MÄRKTE
6 WirtschaftsKurier
Verhandlungen mit Siemens dauern an
Drägerwerk| Bei Forschung und Entwicklung soll nicht gespart werden
D
er Lübecker Medizin- und Sicherheitstechnikkonzern Drägerwerk
AG erwartet für 2009 einen Umsatzrückgang von bis zu 5 %, wie der Vorstandsvorsitzende der Drägerwerk Verwaltungs AG, Stefan Dräger, in der Jahrespressekonferenz in Hamburg mitteilte.
Nach Unternehmenschef Dräger – zugleich
Hauptaktionär der Gruppe – ist der DrägerKonzern „weniger stark betroffen als andere Branchen“. Aber man bereite sich
angesichts der gegenwärtig großen Unsicherheiten aller Prognosen auf stärkere
Auftragsrückgänge vor. Eine „punktgenaue
Prognose“ lehnte Dräger ab, sie sei aufgrund des aktuellen wirtschaftlichen Rahmens derzeit weder für die Umsatz- noch
für die Gewinnentwicklung möglich.
Dräger erwartet für das laufende Jahr
stärkere Auftragseinbußen und rechnet mit
einem Umsatzrückgang von bis zu 5 %.
Aber selbst bei 15 % Umsatzrückgang sei
noch ein Betriebsgewinn zu erwirtschaften. Der erwarteten Umsatz- und Gewinnflaute will Dräger mit einem Sparprogramm begegnen. „Wir wollen die Kosten
signifikant senken und die Rentabilität
kräftig steigern“, kündigte der Vorstandschef an. Auf Details zum Sparprogramm
ging Dräger nicht ein, will aber notfalls
auch vor Entlassungen nicht zurückschrecken. Der Konzern beschäftigt weltweit 10 900 Mitarbeiter. Zunächst sei der
Fokus allerdings auf Zeitarbeiter gerichtet. Auch Kurzarbeit sei möglich. Bis Anfang Mai sollen die anstehenden Maßnahmen identifiziert und quantifiziert werden.
In der zweiten Jahreshälfte soll dann mit
der Umsetzung der Maßnahmen begonnen werden. Allerdings schloss Dräger in
einzelnen Bereichen auch Einstellungen
nicht aus – „je nach Bedarf“. Nicht sparen
Auch Drägerwerk muss angesichts der Krise auf Sparkurs fahren, doch das Produktangebot soll ausgebaut werden.
Foto: Drägerwerk
will der Konzern bei den Investitionen in
Forschung und Entwicklung. Festgehalten
werden soll auch am Ausbau des Produktangebots. So hofft Dräger, seine mittelfristigen Ziele – eine mindestens marktkonforme Umsatzentwicklung, eine EBITMarge von 10 % sowie ein ROCE von 20 %
(2008 13,5 [16,3] %) – erreichen zu können.
2008 erzielte der Konzern noch ein Umsatzwachstum von 5,8 % auf 1,92 Mrd.
Euro. Die Auftragseingänge erreichten mit
1,93 Mrd. Euro fast den Vorjahreswert. Das
Ertragsziel wurde 2008 allerdings nicht
erreicht. Der Kostendruck, negative Währungseinflüsse, aber auch höhere Aufwen-
dungen für Forschung und Entwicklung
ließen den Jahresüberschuss um über 23 %
auf 46,6 Mio. Euro einbrechen. Die EBITMarge reduzierte sich auf 6,8 % – nach
8,3 % im Vorjahr. Aufgrund der Ergebnisentwicklung schlägt der Vorstand eine auf
0,29 Euro reduzierte Dividende je Stammaktie und 0,35 Euro je Vorzugsaktie vor.
Weiterhin in Verhandlungen steht Dräger mit Siemens. Es geht um den Rückkauf
des Siemens-Anteils in Höhe von 25 % an
der Medizinsparte. Damit wäre Dräger
wieder alleiniger Eigner der Medizinsparte.
Offensichtlich unterschiedliche Preisvorstellungen ziehen die Verhandlungen aber
in die Länge. Der Rückkauf könnte Dräger
bis zu 300 Mio. Euro kosten. Der Preis soll
über ein Schuldscheindarlehen finanziert
werden.
Die beiden Standbeine des Dräger-Konzerns, die Medizin- und die Sicherheitstechnik, entwickelten sich im vergangenen
Jahr unterschiedlich. In der Medizintechnik – die etwa Beatmungs- und Anästhesiegeräte herstellt – lag der weltweite Auftragseingang mit 1,27 Mrd. Euro um 4,4 %
über dem Vorjahreswert. Die Umsätze stiegen um 2,8 % auf 1,24 Mrd. Euro an. Allerdings verhagelten der Kostendruck der
Kunden, die Dollar-Stärke sowie höhere
Wertberichtigungen auf Forderungen im
Ausland das operative Ergebnis. Die EBITMarge verringerte sich von 8,6 % auf 7,1 %
in 2008. Vom Umsatz her gut aufgestellt
sieht sich der Konzern in Europa und
Deutschland, während er nach wie vor in
der Medizintechnik in Amerika und im
Raum Asien/Pazifik unterrepräsentiert ist.
Um auf dem amerikanischen Markt besser ins Geschäft zu kommen, setzt Dräger
auf seine Sicherheitstechnik und hier auf
die Alkohol- und Drogenmessgeräte, die,
wie auch Atemschutzmasken und -geräte
von Polizei und Feuerwehr in den USA bereits genutzt werden. Der Unternehmenschef sieht hier weiteres Wachstumspotenzial. Zudem reizt der US-Markt, weil dort
relativ hohe Preise erzielbar sind. Nach
eigenen Angaben ist Dräger bei Drogenmessgeräten Weltmarktführer. Der Auftragseingang des Unternehmensbereichs
Sicherheitstechnik sank 2008 um über 7 %
und erreichte knapp 680 Mio. Euro. Der
Umsatz lag um gut 10 % über dem Vorjahr
und belief sich auf weltweit über 700 Mio.
Euro. Die EBIT-Marge betrug 9,8 % gegenüber 10,9 % im Vorjahr.
heu
Börsengang verschoben
Evonik | Gut diversifiziertes Portfolio bietet einen klaren Vorteil in der Krise
D
ie ersten zehn Monate 2008 verliefen für die Evonik Industries AG
noch mit spürbar verbesserten Ergebnissen und operativ sehr erfolgreich“,
so der neue Vorstandsvorsitzende des Essener Konzerns, Klaus Engel, auf der Jahrespressekonferenz. Seit November 2008 sorgte der Einbruch wichtiger Endmärkte der
Chemie dann für heftigen Gegenwind.
Aber, so Engel: „In der aktuellen Wirtschaftslage verschafft uns unser gut diversifiziertes Portfolio mit den Geschäftsfeldern Spezialchemie – die von der früheren
Degussa übernommen wurde –, Energie
sowie Immobilien einen klaren Vorteil, um
gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Eine
Prognose zur Entwicklung der Umsatzund Ergebnisgrößen für 2009 wollte der
Evonik-Chef nicht geben. Das laufende
Jahr sei mit sehr großen Unsicherheiten
behaftet. „Wir gehen aber für 2009 nicht
von insgesamt roten Zahlen aus“, so Engel.
Die Chancen der drei Geschäftsbereiche
werden unterschiedlich eingeschätzt. Für
den Bereich Chemie, der – gemessen am
Außenumsatz des Konzerns – einen Anteil
von 72 % ausmacht, rechnet er nicht mit
einer raschen Verbesserung des wirtschaftlichen Umfelds in 2009. Niedrigere Beschaffungskosten für wichtige Rohstoffe
und umfangreiche Maßnahmen zur Kostenreduzierung hätten nur eine dämpfende Wirkung. Im Geschäftsfeld Energie – mit
einem Umsatzanteil von fast 23 % – geht
der Konzern hingegen nur von leichten
Einbußen aufgrund überwiegend langfristiger Bereitstellungs- und Abnahmeverträ-
ge mit Großkunden aus. Für seinen ImmoDies werde, so Engel, auch Auswirkungen
bilienbereich (etwa 2,5 % Umsatzanteil),
auf die 300 Stabsstellen im Corporate
dessen Schwerpunkt auf der Vermietung
Center haben. Im laufenden Jahr sollen
von Wohnraum an private Haushalte liegt,
kurzfristig Kosten in Höhe von etwa 300
Mio. Euro eingespart werden, davon circa
erwartet Evonik keine nennenswerten Aus100 Mio. Euro über die Kürzung von Gewirkungen durch die Wirtschaftskrise.
haltsbestandteilen. Betriebsbedingte KünAufgrund des dominanten Anteils der
digungen will Evonik vermeiden. Sollte
Chemie an den gesamten Aktivitäten des
sich die Krise aber zuKonzerns erwartet Engel
spitzen, wird Engel „neu
für 2009 einen deutlichen
„Das Interesse
nachdenken“. Bis 2012
Umsatzrückgang, der sich
an unserer
will der Konzern jährlich
negativ auf das EBITDA
Kosteneinsparungen von
auswirken wird. Der
Technik ist groß.“
500 Mio. Euro erzielen.
Mischkonzern gibt daher
Evonik-Chef
Finanzchef Hans-Jound aufgrund der allgeachim
Wagner geht davon
mein schwierigen wirtKlaus Engel über
aus, dass sich der Cashschaftlichen Verhältnisse
Li-Tec-Batterien
flow verbessern wird und
seinen Zeitplan für den
die Verschuldung reduGang an die Börse, der urziert werden kann. Der Gesamtumsatz des
sprünglich bis 2013 stattfinden sollte, auf.
Konzerns legte 2008 nochmals um 10 %
Nach Engel wird der Börsengang „mittelauf 15,8 Mrd. Euro zu. Das EBITDA verfristig“ angetreten – ohne konkreten Zeitminderte sich um 3 % auf 2,1 Mrd. Euro.
plan. Aufgegeben worden ist aber auch das
Das Konzernergebnis brach allerdings um
Ziel, den Unternehmenswert in den nächs67 % auf 285 Mio. Euro ein. Es war laut
ten fünf Jahren zu verdoppeln, stattdessen
Wagner von einer Reihe außerordentlicher
ist Sparen angesagt: Vor allem im ChemieBelastungen geprägt, von Bestandsabbereich wurden bereits 2008 Restrukturieschreibungen bei Chemie und Strom, aufrungsprojekte beschleunigt. In den USA,
grund sinkender Rohstoffpreise über WertEuropa und Asien legte man unrentable
korrekturen bei Beteiligungen mit verAnlagen still. Ferner wurde die Produktion,
schlechterten Ertragserwartungen bis hin
„wo immer es sich als notwendig abzeichzu Rückstellungen für den 2009 geplanten
nete“, gedrosselt und Arbeits- sowie UrRestrukturierungsaufwand. Im Geschäftslaubskonten abgebaut. Seit Anfang 2009
bereich Chemie verbesserte sich der Umwurden 3 000 Mitarbeiter in Kurzarbeit gesatz um 9 % auf 11,5 Mrd. Euro. Höhere
schickt. Im Ausland sind bereits 750 Stellen
Verkaufspreise durch die teilweise Weitergestrichen worden. Der Vorstand wurde
gabe der kräftig angestiegenen Rohstoffvon sieben auf drei Mitglieder gestutzt.
kosten waren dafür der Grund, während
die Absatzmengen in den letzten beiden
Monaten 2008 bereits leicht zurückgingen.
Im Geschäftsfeld Energie wurde der Umsatz 2008 um 21 % auf 3,6 Mrd. Euro gesteigert. Im Geschäftsfeld Immobilien ging der
Umsatz um 11 % auf 375 Mio. Euro zurück.
Ausschlaggebend hierfür waren weniger
umsatzwirksame Verkäufe von Wohneinheiten.
Die Sparte Immobilien will Evonik mittelfristig abstoßen. Den Zeitpunkt für den
Verkauf bestimmt nach Engel aber der
Markt. Der Konzern besitzt unmittelbar
60 000 eigene Wohnungen und ist an dem
Wohnungsunternehmen THS beteiligt. Deren Wohnungsbestand gehören Evonik
und der Gewerkschaft IG BCE je zur Hälfte.
Im Blick nach vorn ist Engel um Evonik
nicht bange – der Konzern sei gut für die
Zukunft gerüstet. Er verwies auf die Allianz
mit Daimler und erwartet, dass in zwei bis
drei Jahren Elektro- und Hybridautos mit
Evonik-Technik vom Band laufen werden.
Aber die Evonik-Beteiligung Li-Tec werde
künftig nicht nur Batteriezellen und Batterien für Mercedes oder Smart liefern,
sondern sich auch für andere Anbieter öffnen. „Das Interesse an unserer Technik ist
groß“, so Engel. Ebenfalls „sehr erfreulich“
entwickele sich das Geschäft für den Photovoltaik-Markt. Evonik verfügt über eine
Technologie zur energiearmen Herstellung
von Solarsilizium. Zugleich sei man erfolgreich bei der Produktion von Chlor- und
Monosilanen als Schlüsselkomponenten
für die weltweite Solarindustrie.
heu
„Kraft aus der Tiefe“
K+S | Der Kali- und Salzproduzent stemmt ein millionenschweres Umweltprogramm
Ü
ber den Stand und das Selbstbewusstsein der K+S AG, Kassel, gibt
vielleicht am besten das Motto
Ausdruck, das dem Geschäfts- und Finanzbericht gegeben ist: „Kraft aus der Tiefe“.
„Wir möchten damit deutlich machen,
dass K+S auf der Basis natürlicher Rohstoffe für mehr Wachstum, Gesundheit und
Lebensqualität sorgt: Wir helfen, die Erträge aus der Landwirtschaft zu steigern, und
leisten damit einen wichtigen Beitrag zur
Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung“, so der Vorstandsvorsitzende Norbert Steiner.
Immerhin ist das Unternehmen als einziger deutscher Rohstoffwert seit September 2008 im Dax vertreten und das Geschäftsjahr 2008 gibt dem voll recht: K+S
steigerte den Umsatz um 43,4 % auf 4,794
Mrd. Euro, vor allem aufgrund eines erheblichen Anstiegs der Preise. Das operative Ergebnis kletterte noch eindrucksvoller
um 370 % auf 1,343 Mrd. Euro.
„Die Zahlen bestätigen uns auch, dass
die K+S Gruppe für wichtige, weltweite
Firstanker-Bohrwagen im Salzbergwerk: Damit werden 1,2 Meter lange Gewindestangen zur Festigkeit der Salzschichten eingesetzt.
Foto: K+S
Megatrends richtig positioniert ist“, so
Steiner. Die zunehmende Weltbevölkerung, der wachsende Fleischkonsum der
Schwellenländer und der deshalb benötigte erhöhte Futtermittelbedarf sowie die
wachsende Nachfrage nach Biokraftstoffen
arbeiten der K+S langfristig entgegen.
„Auch und gerade in Zeiten der Wirt-
schaftskrise ist dies eine deutlich stabilere
Ausgangslage als in vielen anderen Bereichen, um auch in Zukunft erfolgreich zu
sein“, gab sich Steiner optimistisch.
In den nächsten Jahren wird K+S ein
360 Mio. Euro schweres Maßnahmenpaket
durchziehen, das dem Gewässerschutz der
Kaliproduktion in Hessen und Thüringen
dient. Damit soll das Salzwasseraufkommen aus der Produktion im hessisch-thüringischen Kalirevier bis 2015 halbiert werden.
K+S will die Aktionäre mit einer Dividende von 2,40 Euro am Erfolg beteiligen. Die
Ausschüttung von 396 Mio. Euro versteht
Schneider auch als Ausdruck „unserer finanziellen Solidität sowie unserer mittelund langfristigen Zuversicht.
Doch auch auf K+S hat sich die Krise bereits ausgewirkt und schon im vierten
Quartal 2008 waren Umsatz und Ergebnis
zurückgegangen, teilweise musste Kurzarbeit eingeführt werden. Schuld war insbesondere der rapide Preisverfall bei Getreide, der viele Kunden aus der Landwirtschaft dazu brachte, weniger Düngemittel
zu ordern. Da tendenziell weltweit sehr viel
weniger Getreide produziert als benötigt
wird, geht K+S mittelfristig aber von einem
weiteren Auftrieb bei den Agrarpreisen aus,
was wiederum die Landwirte zu einer noch
intensiveren Bewirtschaftung und damit
verstärkter Ordertätigkeit bei K+S führen
würde.
uk
APRIL 2009
Es kommt auf das richtige
Portfolio an
Patrizia | Immobilien-AGs in schweren Zeiten
W
er sein Geld im Vertrauen, Immobilien sind eine nachhaltige
Wertanlage, in die Aktien von
börsennotierten Immobilienunternehmen
gesteckt hat, dem ist mittlerweile das
Lachen tüchtig vergangen. Die Kurse der
sogenannten Immo-AGs rutschten reihenweise in den Keller, mit Kursverlusten von
bis zu über 90 % in den vergangenen drei
Jahren. Da machte auch die Augsburger
Patrizia Immobilien AG im Umfeld von Colonia Real Estate, Deutsche Wohnen, DIC
Asset, Gagfah und IVG keine Ausnahme.
Immerhin, die Augsburger konnten ihre
kurzfristigen Kredite in Höhe von 597 Mio.
Euro, deren Laufzeiten ausliefen, in Verhandlungen mit den Banken prolongieren.
Eigentlich eine ganz normale Sache, wie
Patrizia-Finanzvorstand Arwed Fischer
nicht müde wurde klarzustellen, aber in
Zeiten einer grassierenden Finanzkrise
reagieren auch viele berichtende Medien
zusehends nervös. Fischer erklärte, dass
die Patrizia als Immobilienhändler auftrete, also Immobilien en gros einkaufe
und dann entweder im Einzelverkauf (an
Mieter oder andere Interessenten) oder im
Blockverkauf wieder auf den Markt werfe.
Langfristige Kreditlinien würden zu Vorfälligkeitszahlungen führen und damit die
Rendite aus dem Verkauf auffressen. Es
habe auch keine Probleme bei den Verhandlungen mit den Banken gegeben, so
Fischer, weil diese vom Geschäftsmodell
und vor allem dem Immobilienportfolio
der Patrizia überzeugt waren. Außerdem
erwirtschaftet Patrizia gegenwärtig mit
73 Mio. Euro Mieteinnahmen die Zinsen
in Höhe von 63,7 Mio. Euro und die Bewirtschaftungskosten der gehaltenen Immobilien. Patrizia konzentriert sich rein
auf wertbeständige Wohnimmobilien in
den Ballungszentren Deutschlands, die
einen Zuzug zu verzeichnen haben. So
befinden sich allein 42,6 % des Immobilienbestands oder 5 141 Wohneinheiten in
München, weitere 13 % in Köln/Düsseldorf
und 11,2 % in Hamburg. Daneben verfügt
Patrizia nach über Immobilien in Leipzig,
Berlin, Frankfurt, Regensburg, Hannover,
Dresden und Friedrichshafen.
Für die Zukunft gaben sich Fischer und
sein Vorstandskollege Klaus Schmitt als
COO optimistisch. Laut Schmitt habe sich
die Nachfrage bereits in diesem Jahr wieder belebt. Auch bei den Angeboten an
Wohnungen steige das Volumen an, allerdings lasse die Qualität zu wünschen übrig,
weil die besten Brocken, als sich Versicherungen und andere Konzerne von ihren
Immobilienbeständen im großen Maße
trennten, bereits vergeben sind. Insofern
konzentriert sich Patrizia in naher Zukunft
auf den Verkauf der vorhandenen Immobilien. Durch den anhaltenden Trend, dass
sich gerade in den Ballungszentren die
Haushaltsgrößen vermindern und dadurch
der Wohnraumbedarf pro Person ansteigt,
werden mehr Wohnungen nachgefragt und
die Preise auch langfristig zumindest stabil bleiben. Außerdem verschiebt sich das
Gewicht innerhalb Deutschlands noch
weiter, das heißt, wirtschaftlich starke
Ballungsräume gewinnen noch mehr an
Attraktivität und es kommt verstärkt zu
Wanderungsbewegungen. An Bedeutung
gewinnen wird der Altbestand unter den
Immobilien, weil diese meist sehr viel zentraler liegen als Neubauten und insgesamt
auch noch günstiger sind. Steigende Baukosten und der Rückgang an Baugenehmigungen werden den Run auf Altbauten
zusätzlich anheizen.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2008
konnte Patrizia knapp 1 200 Immobilien
veräußern, darunter 476 (487) im Rahmen
der Wohnungsprivatisierung im Einzelverkauf und über fünf Blockverkäufe mit
insgesamt 722 Einheiten an institutionelle
Investoren – 2007 konnten hier keine Verkäufe vollzogen werden. Im Durchschnitt
konnte dabei ein Verkaufspreis von 2 322
Euro bei den Einzel- und 1 912 Euro bei
den Blockverkäufen erzielt werden, was
viel über die Qualität des Bestands sagt.
Im auf die Begleitung von Transaktionen spezialisierten Servicegeschäft musste
Patrizia einen Rückgang der Einnahmen
verzeichnen, dafür wurden erfolgreiche
Ankäufe für Co-Investments und Spezialfonds getätigt. Unter den Projektentwicklungen schloss Patrizia 2008 das selbst
konzipierte Wasserturm-Hotel in Hamburg
und das Projekt Altmarktkarree 2 ab.
Patrizia steigerte den Umsatz um 14,5 %
auf 221,3 Mio. Euro, wobei die Mieteinnahmen 33 % dazu beitrugen.
Das EBIT verbesserte sich 2008 operativ
um 55,3 % auf 64,5 Mio. Euro, bereinigt um
13,3 Mio. Euro auf 0,8 Mio. Euro. Gebeutelt
wurden die Ertragskennzahlen vor allem
durch die nach IFRS vorgeschriebenen
Wertberichtigungen bei Zinssicherungsgeschäften, die in jedem Quartal anders
ausfallen und für 2008 einen negativen
Wert von 32,8 Mio. Euro ausmachten –
2007 war es noch ein Plus von 6,1 Mio.
Euro gewesen. Nach Ablauf der Frist liegen diese Geschäfte jedoch beim Wert null,
versicherte Fischer.
uk
Zwei große Unbekannte
erschweren den Ausblick
Deutsche Leasing | Halt durch die Sparkassen-Gruppe
D
ie feste Einbindung in die Sparkassen-Gruppe bietet der Deutschen
Leasing Halt in der Finanzkrise.
„Wenn es eng wird, ist Verlass auf diese
Familie“, sagte Vorstandvorsitzender HansMichael Heitmüller bei der Vorstellung der
Jahresbilanz in Frankfurt. Die Banken seien
weitgehend dazu übergegangen, nur noch
ihre eigenen Leasing-Töchter zu finanzieren. Heitmüller sagte, derzeit herrsche
„Gruppenegoismus“. Die Sparkassengruppe trägt jetzt 87 % der Finanzierung der
Deutschen Leasing, im Vorjahr waren es
noch 77 %.
Etliche Mitbewerber hätten bereits im
Oktober 2008 ihre Bücher schließen können, da sie am Markt kein Kapital mehr
fanden, um Neugeschäfte zu tätigen. Inzwischen habe sich die Lage etwas gebessert. Derzeit seien kurzfristige Refinanzierungen – allerdings zu hohen Kosten –
erhältlich, jedoch keine langfristigen, so
Heitmüller in seinen Ausführungen.
Im Geschäftsjahr von 2007/08 (31. 9.)
konnte die Deutsche Leasing ihr Neugeschäft deutlich steigern. Es wuchs um 15 %
auf über 9 Mrd. Euro. Dabei sind die Ergebnisse der Tochtergesellschaft Deutsche Anlagen Leasing eingerechnet. Wachstumsträger waren vor allem das Sparkassenund das Auslandsgeschäft.
Auch im laufenden Jahr liege das Neugeschäft – gerechnet bis Ende März – mit
geschätzten 4,5 Mrd. Euro leicht über dem
Vorjahr. Doch daraus wollte Heitmüller
keine optimistischen Erwartungen ableiten. „Eine Prognose ist nicht möglich.“ Das
letzte Quartal 2008 sei stark gewesen, das
erste 2009 jedoch problematisch.
Er nannte zwei große Unbekannte, die
einen Ausblick unmöglich machten: die
Kosten für Kredite und die Bewertung der
eigenen Güter. Die Deutsche Leasing habe
zwar früher als viele Mitbewerber damit
begonnen, die Werte der Güter nach unten
zu korrigieren. Allein 2009 wurde der Wert
der Leasing-Wagen um 2 % und noch einmal um 1 % gesenkt, bezogen auf die
Unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers. Die aktuellen Werte liegen jetzt
unter denen der „Schwacke-Liste“, einer
gebräuchlichen Bewertungsliste für Gebrauchtwagen. „Deshalb hält sich unser
Mitleid mit anderen, die dicke Restwertrisiken haben, in Grenzen“, verdeutlichte
der Vorstandsvorsitzende.
Eine Prognose für das Geschäft 2009
sei auch deshalb unmöglich, weil nicht bekannt sei, wie sich die Zahl der Insolvenzen
unter den Kunden entwickeln werde. „Wir
versuchen, unser Geschäft so zu fahren,
dass auch Zusammenbrüche großer Engagements uns nicht an den Rand des Wahnsinns treiben“, formulierte Heitmüller. Die
Deutsche Leasing hat einen Risikopool von
19 Mio. Euro gebildet, um etwaige Ausfälle
abzufedern. Derzeit liege die Ausfallquote
mit 2,2 Promille deutlich unter dem kalkulierten Anteil.
„Es wird ein sehr schwieriges Jahr“,
räumte Heitmüller ein. Er erwarte eine
Konsolidierung des Leasing-Markts. Insbesondere kleinere Leasing-Unternehmen
könnten sich mangels Kapital in reine Vertriebsgesellschaften verwandeln.
Die Deutsche Leasing vermittelt ihren
Kunden „alles, was fährt, schwimmt oder
fliegt“, also Autos, Schiffe und Flugzeuge,
außerdem Anlagen und Immobilien. Etwa
ein Viertel des Geschäfts wird im Ausland
gemacht. Risiken sieht Heitmüller vor allem in Russland, Ungarn und Polen sowie
in Großbritannien.
Der Vorstandsvorsitzende bemerkt eine
deutliche Zurückhaltung bei mittelständischen Kunden. „Die warten, wissen aber
nicht worauf.“ Großprojekte hingegen
würden unverändert in Auftrag gegeben.
Dabei seien auch gute Preise durchsetzbar.
Völlig unabhängig vom generellen Trend
habe sich Anfang dieses Jahres das Autogeschäft verbessert. „Wir haben einen
Februar hingelegt, wie wir ihn noch nie
hatten“, sagte Heitmüller, konnte diese
Entwicklung aber nicht erklären.
Die Deutsche Leasing zeigte sich interessiert, von der HSH Nordbank deren 40 %
Anteil an der Deutschen Anlagen Leasing
(DAL) zu erwerben, um diese damit zu
einer hundertprozentigen Tochter zu machen. Es habe jedoch „noch keine Gespräche“ gegeben.
cs
INDUSTRIE & MÄRKTE
APRIL 2009
WirtschaftsKurier
Schnelle Reaktion auf die Lage
Ertragssteigerungen im Visier
Lanxess | Krisenfest durch frühere Restrukturierungen
Bayer | Das Sorgenkind sind die hochwertigen Materialien
D
ie Wirtschaftskrise macht deutlich,
was viele Wissenschaftler befürchtet hatten. Selbst Unternehmen,
die am Markt erfolgreich und gut aufgestellt sind, werden mittlerweile beim Absatz mit voller Kraft getroffen. Das spürt
auch der Chemieriese Lanxess, der erst vor
vier Jahren aus dem Leverkusener BayerKonzern herausgeschält worden war und
in diesem Jahr eigentlich in großem Stil
den 100. Geburtstag des synthetischen
Kautschuks feiern wollte. Doch das Ergebnis des vierten Quartals des vergangenen
Jahres, das durch einen deutlichen Absatzabsturz gekennzeichnet war, hat alle Pläne
verhagelt. Dennoch verkündete Vorstandsvorsitzender Dr. Axel Heitmann, dass alle
fürs vergangene Jahr gesteckten Ziele erreicht worden seien. Doch das laufende Jahr
werde höchst unerfreulich verlaufen. Mit
einem 250 Mio. Euro Sparpaket, in dem
derzeit keine Entlassungen oder Kurzarbeit vorgesehen sind, will Lanxess auf die
aktuellen Marktentwicklungen reagieren.
Im laufenden Jahr werden bereits 130 Mio.
Euro eingespart, vor allem durch Herunterfahren der Arbeitszeit mit gleichzeitiger
Entgeltkürzung. Außerdem werden in den
nächsten beiden Jahren Projekte und der
Umzug der Unternehmenszentrale nach
Köln ebenso verschoben wie der Bau des
geplanten Kautschukwerks in Singapur sowie Kapazitätserweiterungen. An größere
Übernahmen denkt in Leverkusen derzeit
niemand. Diese Maßnahmen sollen gleichzeitig signalisieren, dass Heitmann „nicht
ohne Zuversicht“ in die Zukunft schaut.
2008 zeigten sich zunächst die Stärken
von Lanxess durch sein starkes Regionenmix, ein breites Portfolio sowie profitable
Unternehmensbereiche. Über das gesamte
Jahr verharrte trotz Umsatzrückgänge in
der industriellen Chemie von bis zu 20 %
der Lanxess-Umsatz auf Vorjahresniveau
bei 6,6 Mrd. Euro. Dank durchgezogener
Preisanhebungen stieg das EBITDA
leicht auf 721 Mio. Euro. Die EBITDA-
Marge stieg auf 11 %, was auf eine Wettbewerbsverbesserung aus eigener Kraft hinweist. Gleichzeitig hat sich Lanxess mit
diesem Kennwert in das Mittelfeld vergleichbarer Chemieunternehmen geschoben – vor vier Jahren war das Unternehmen noch Schlusslicht. Das Konzernergebnis wurde auf 171 Mio. Euro gesteigert –
ein sattes Plus von 53 %. Insgesamt investierte Lanxess 356 Mio. Euro (plus 25 %)
fast überwiegend in Erweiterungsmaßnahmen und in Forschung und Entwicklung
97 Mio. Euro (plus 10 %). Auch die Aktionäre spüren das Tief in Form einer Dividenhalbierung auf 0,50 Euro. Ohne den Einbruch im vierten Quartal hätte Lanxess einen fulminanten Abschluss hingelegt. Da
das Unternehmen jedoch 40 % seines Umsatzes mit Geschäften mit der Automobilund Reifenindustrie erzielt, wurde es jetzt
mit nach unten gerissen.
Doch vielmehr scheint Heitmann die
Nachhaltigkeit der Krise zu fürchten, denn
auch in den ersten Monaten des laufenden
Jahres zeichnet sich kein nahendes Ende
ab. Selbst aus den aufstrebenden
Ländern in Asien, Lateinamerika oder Osteuropa
kämen keine positiven Signale. Auch wenn das
Umfeld alles andere als
heiter ist, steht Heitmann dennoch zuversichtlich zu dem von
ihm geleiteten Unternehmen. Denn in den
vergangenen Jahren sei erheblich an der Kostenstruktur
gearbeitet worden und alle schlecht positionierten Geschäfte seien verkauft worden. So
sieht Heitmann Lanxess deutlich besser
aufgestellt als die Mitbewerber. Hinzu komme auch die Erfahrung des Managements
mit Krisenbewältigung. Schließlich sei Lanxess aus den wenig profitablen Chemieaktivitäten, die von Bayer ausgegliedert worden
sind, entstanden.
Profitiert haben die Leverkusener 2008
vom für 350 Mio. Euro übernommenen
Kautschukhersteller Petroflex. Der Umsatz
des Segments Kautschuk (Performance Polymers) stieg rapide um über 22 % auf
3,3 Mrd. Euro und das EBITDA erhöhte
sich für das Kautschuk-Geschäft auf
413 (376) Mio. Euro. Allerdings drückte der
Kaufpreis die Nettofinanzverschuldung des
Konzerns auf über 860 (460) Mio. Euro. Gerade in den Kautschuk-Bereich setzt Heitmann hohe Erwartungen, denn „die Nachfrage nach Gummi ist geprägt von der
ständig steigenden Nachfrage nach Mobilität“. Auch wenn kurzfristig als Folge der Autokrise weniger geordert werde, bestehe für
die Zukunft eine fundamentale Nachfrage. Dass Lanxess auf die Kautschukproduktion setzt, ist auch
historisch begründet. Denn das
Unternehmen sieht sich als
Erbe des Chemikers Fritz Hofmann, der den synthetischen
Kautschuk entwickelt hat.
Ohne seine Entdeckung könnte heute kein Auto oder kein
Flugzeug eingesetzt werden.
Lanxess produziert mehr als 100
verschiedene Kautschuktypen für
die unterschiedlichsten Anwendungen.
law
Krisenbewältigung im
Blut: Lanxess-Chef Dr.
Axel Heitmann.
Foto: Lanxess
W
enn das nicht im derzeitigen
Umfeld von wirtschaftlichen
Schreckensmeldungen eine erfreuliche Nachricht ist: Der Bayer Konzern
hat das vergangene Jahr „als das operativ
beste in der Unternehmensgeschichte“ abgeschlossen, berichtete Vorstandsvorsitzender Werner Wenning. Außerdem seien
alle Unternehmensziele erreicht worden.
Der Konzernumsatz stieg um 1,6 % auf
32,9 Mrd. Euro, das EBITDA erhöhte sich
um 2,3 % auf den bisherigen Rekordwert
von 6,9 Mrd. Euro. Trotzdem ist nicht alles
Gold, was da in Leverkusen glänzt, denn
auch Bayer ist von der weltweiten Krise
hart getroffen. Denn vor allem der extrem
konjunkturabhängige Bereich MaterialScience (Kunststoffe) musste im letzten
Quartal des Vorjahres Umsatzrückgänge
von 30 % verkraften. Rückgänge, die Wenning in dieser Größe noch nie erlebt habe.
Trotz aller kritischer Rahmbedingungen
bleibt Wenning für die künftige Entwicklung der Weltwirtschaft zuversichtlich und
für seinen Konzern selbst erwartet er weitere Ertragssteigerungen.
MaterialScience, die das Geschäft mit
hochwertigen Materialien betreibt, die in
den drei letzten Monaten des vergangenen
Jahres noch einen Gewinn von 241 Mio.
Euro erzielt hatte, kam nach dem rapiden
Umsatzeinbruch auf einen Quartalsverlust
von 86 Mio. Euro. Die unternehmensinterne Reaktion erfolgte bereits Anfang dieses
Jahres durch Verkürzung von Arbeitszeit
und Lohn. Bedrohlich sei es allerdings, so
Wenning, dass sich diese Umsatzentwicklung auch nach dem Jahreswechsel fortsetze. Sollte der Trend nicht gestoppt werden, werde mit den Arbeitnehmern über
weitere Sparmaßnahmen geredet werden,
wobei allerdings für alle drei Bayer-Töchter
betriebsbedingte Kündigungen bis zum
Jahresende ausgeschlossen seien. Man
werde sich vielmehr auf die Flexibilität bei
Arbeitszeiten, Bezahlung und Standorten
konzentrieren. Auch eine Entlassung der
600 Leiharbeiter im Konzern schloss Wenning aus. Für das Gesamtjahr 2008 kam MaterialScience auf Umsatzerlöse von 9,7 (10,4)
Mrd. Euro und ein um ein Drittel reduziertes
EBITDA von 1,1 (1,5) Mio. Euro.
Bayer-Chef Werner Wenning gibt sich
optimistisch für sein Unternehmen,
trotz aller Krisenstimmung. Foto: Bayer
Die weniger konjunkturabhängigen Bereiche CropScience (Pflanzenschutz) und
HealthCare (Pharma) legten dagegen ein
fulminantes Geschäftsjahr hin. Im Gleichklang mit dem insgesamt wachsenden
Pharmamarkt steigerte der Teilkonzern seinen Umsatz um 4,1 % auf 15,4 Mrd. Euro,
wobei das Pharmageschäft auf 10,7 Mrd.
Euro und das Segment Consumer Health
mit rezeptfreien Arzneimitteln auf 4,7 Mrd.
Euro wuchsen. Besonders erfolgreich war
Bayer mit einigen Präparaten, wie dem
Krebsmittel Nexavar oder dem MultipleSklerose-Medikament Betaferon. Zu den
Highlights zählte auch der Blutgerinnungshemmer Xarelto, der bei Hüft- oder Knieoperationen eingesetzt wird. Bei den rezeptfreien Medikamenten brachte die Produktlinie Bepanthen mit plus 20 % das
höchste Umsatzwachstum. Um Sondereinflüsse bereinigt, kam HealthCare auf einen
EBITDA von 9,6 % oder 4,1 (3,8) Mrd. Euro
Diese positive Entwicklung sei auch eine
Folge aus der Schering-Übernahme.
Ebenfalls das angestrebte Ziel erreicht
hat der Bereich CropScience, der den Umsatz um 9,5 % auf den bisherigen Rekordwert von 6,4 (5,8) Mrd. Euro steigerte. Im
Verkauf legten sowohl beim Verbraucher
als auch beim Landwirt vor allem Mittel
gegen Pilze zu oder jene Mittel, die basie-
rend auf neuen Wirkstoffen erst nach 2000
eingeführt wurden. CropScience verbesserte insgesamt sein EBITDA um 21,1 % auf
1,6 (1,3) Mrd. Euro.
Für das vergangene Jahr weist der Bayer
ein Konzernergebnis von 1,7 (4,7) Mrd.
Euro aus. In diesem Betrag sind Sonderaufwendungen von 798 Mio. verkraftet, unter
anderem 365 Mio. Euro für den Kauf von
Schering, 106 Mio. Euro für Rechtsstreitigkeiten oder 215 Mio. Euro für Restrukturierungen bei CropScience und MaterialScience. Im laufenden Jahr soll die Nettoverschuldung des Konzerns auf 10 Mrd.
Euro abgebaut werden. Die Aktionäre erhalten eine Dividende von 1,40 (1,35) Euro.
Die 108 600 Mitarbeiter werden am Erfolg
von Bayer mit einem Incentivierungs-Programm mit 475 Mio. Euro beteiligt. Als
Solidarbeitrag zahlte jeder Mitarbeiter
(auch Vorstand) 2 % seiner individuellen
Erfolgsbeteiligung in einen Fonds, aus dem
jene Mitarbeiter finanziert werden, deren
Arbeitsplatz durch Strukturmaßnahmen
weggefallen ist und die nicht sofort an einem anderem Platz eingesetzt werden
können. So können betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden.
law
BAYER AG
Geschäftsjahr 2008 (31.12.)
in Mio. Euro
2008
Umsatz
32 918
– Health Care
15 407
– CropScience
6 382
– MaterialScience 9 738
EBIT
4 342
– HealthCare
– CropScience
– MaterialScience
Investitionen
F&E
Konzernergebnis
Dividende
(je Aktie in Euro)
Mitarbeiter
2007
32 385
14 807
5 826
10 435
4 287
2 764
1 084
586
1 982
2 653
1 719
2 492
786
1 117
1 891
2 578
4 287
1,40
1,35
108 600
106 200
Nicht unvorbereitet auf die Krise
Wacker Chemie | Breite Aufstellung bietet Chancen
A
uch die Wacker Chemie AG aus
München kann sich den Auswirkungen der weltweiten Rezession nicht
entziehen, obwohl das Geschäftsjahr 2008
mit Rekordwerten abgeschlossen werden
konnte. „Die Ergebnisse, die der Konzern
im Jahr 2008 bei Umsatz und Ertrag erzielt
hat, lassen sich im laufenden Geschäftsjahr
nicht wiederholen“, gab der Wacker-Vorstandsvorsitzende Dr. Rudolf Staudigl bei
Vorlage der Bilanz zu bedenken. Trotzdem,
mit liquiden Mitteln in Höhe von 305 Mio.
Euro und einer Eigenkapitalquote von 45 %
sei der Konzern gut gewappnet auch für Krisenzeiten wie diesen.
Wacker hat ebenfalls keine Antwort auf
die alles beherrschende Frage, wie lange
die Krise noch dauern wird, geht aber in jedem Fall davon aus, dass die Ergebnisse
von 2008 in diesem Geschäftsjahr nicht
mehr erreicht werden können. Wie hoch
der Rückgang ausfallen wird, darüber wollte Staudigl keine Prognosen abgeben. Vor
allem der Halbleiterbereich und die Geschäftsbereiche Silicones und Polymers
werden unter den Vorjahreszalen bleiben.
Trotzdem erkennt Staudigl durchaus auch
Wachstumspotenziale, vor allem in den
Bereichen Fine Chemicals und noch mehr
bei Polysilicon.
Da Wacker in der Polysilicium-Produktion sich als Technologie- und Kostenführer
definiert, wird Wacker hier aufgrund der
hohen Qualität von der anhaltend hohen
Nachfrage der Kunden, überwiegend aus
der insgesamt weiter prosperierenden Solarindustrie, profitieren. Um die Produktion noch weiter erhöhen zu können, befindet sich das Werk in Burghausen gerade in
der Ausbaustufe 8 – trotzdem sind die Produktionsmengen für die nächsten Jahre
bereits zu 80 % ausgebucht, und die Lieferveträge reichen zum Teil bis ins Jahr 2018.
Abnehmer ist insbesondere die Solarindustrie, die mittelfristig noch eher einen höheren Bedarf haben dürfte.
Des Weiteren investiert Wacker am
Standort Nünchritz in Sachsen für 760 Mio.
Euro in eine neue Produktionsanlage mit
einer Nennkapazität von 10 000 Jahreston-
nen. Bis Ende 2010 soll die Jahreskapazität
an den Standorten Burghausen und
Nünchritz von derzeit 15 000 Tonnen auf
35 500 Tonnen ausgebaut werden. Um mittelfristig die Kapazitäten noch weiter herauffahren zu können, hat Wacker bereits
ein Grundstück in den USA erworben.
Momentan reagiert Wacker mit Produktions- und Personalanpassungen auf die
Krise, um „die Kosten im Griff zu halten“
wie Staudigl betonte. Insgesamt will Wacker aber an seiner Wachstumsstrategie
festhalten.
Die Zahlen für 2008 waren für Wacker
durch die Bank hervorragend: Der Umsatz
stieg um14 % auf 4,30 Mrd. Euro, nicht zuletzt durch die Übernahme des Dispersionsgeschäftes von Air Products Polymers,
aber auch organisch bedingt. Das Jahresergebnis kletterte um 4 % auf 438 Mio. Euro
und das Ergebnis je Aktie stieg auf
8,84 (8,49) Euro. Insofern wird Wacker die
Aktionäre am gut verlaufenen Jahr 2008
beteiligen und schlägt eine Dividende in
Höhe von 1,80 Euro vor.
uk
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Getrunken wird immer
Braukonzerne | Mixgetränke als Gewinner
D
ie Zeiten, in denen sich die Deutschen noch ungehemmt dem Biergenuss hingaben und bis zu
1 000 Liter Bier pro Kopf und Jahr herunterspülten, sind längst vorbei – heute liegt
der Pro-Kopf-Verbrauch um die 100 Liter
mit sinkender Tendenz. Denn seit Jahren
registrieren die Brauer einen schrumpfenden Biermarkt. Die Nachfrage nach Bier ist
auch nicht mehr die von früher. Heute stehen die Mixbiere im Fokus der Verbraucher, Bier mit Limo, Zitrone oder Bananen
kommen immer besser an. Dass den Brauern im vergangenen Jahr in dem zusätzlich durch äußere Einflüsse erschwerten
Marktumfeld – etwa durch die unsägliche
Raucherdiskussion oder die Wirtschaftskrise – nicht vollends die Felle weggeschwommen sind, haben sie überwiegend
der vollzogenen Preisanhebung zu verdanken, die vom Verbraucher angenommen
wurde. Dennoch hat sich deutschlandweit
der gesamte Bierabsatz um 0,9 % reduziert,
der Pilsabsatz hat sich stabilisiert, während
die Biermixgetränke um 3,7 % zulegten.
Der Absatz der neu auf den Markt gekommenen Biermixgetränke ist sogar – von einem niedrigen Stand – um 41,8 % gestiegen.
Von dieser Entwicklung sind alle Brauereien betroffen. So halten die großen Marken auch seit Jahren den Abstand zueinander. Mit 5,3 Mio. Hektolitern Ausstoß ist
Krombacher unangefochten die Nummer
eins im Premium-Segment, gefolgt von Bitburger (3,6 Mio. Hektoliter), und Becks
(2,9 Mio. Hektoliter). Auf Platz vier der leistungsstarken Biermarken rangiert Hasseröder (2,6 Mio. Hektoliter), gefolgt von Veltins (2,6 Mio. Hektoliter) und Warsteiner
(2,3 Mio. Hektoliter). Der Wettbewerb unter den Brauern wird von Jahr zu Jahr härter. Durch immer neue Mixgetränke, die
fast durchweg erfolgreich sind, sollen neue
Verbraucherschichten angesprochen werden.
Im vergangenen Jahr brachte es die Privatbrauerei Veltins aus dem Sauerland auf
einen Ausstoß von 2,6 Mio. Hektoliter, das
sind 2,8 % weniger als im Jahr zuvor. Der
Umsatz jedoch wuchs dank Preiserhöhungen um 4 % auf 262 Mio. Euro. Den Hauptabsatz bringt das Veltins Pilsener (1,9 Mio.
Hektoliter), bereits gefolgt von den MixVarianten Veltins V+ mit 514 650 Hektolitern. Diese Sparte hat ein Plus von über
10 % geschafft. Veltins ist in 14 000 Gastronomieobjekten und in 44 000 Outlets direkt am Verbraucher.
Auch die Krombacher Gruppe hat im
durch Wirtschaftskrise, Rauchverbot und
Konsumzurückhaltung zusätzlich gebeutelten Markt ihren Umsatz 2008 beim abnehmenden Ausstoß erhöht. Der Umsatz
für Bier, Biermix- und alkoholfreie Getränke stieg vor allem als Folge der Preiserhöhungen auf 642,5 Mio. Euro. Der Gesamtausstoß fiel dabei auf 6,394 (6,404) Mrd.
Hektoliter. Die im vergangenen Jahr erzielten Ergebnisse sind für die Siegerländer
besonders deshalb erfreulich, weil die
Brauerei – wie auch die Mitbewerber –
nicht nur die äußeren Rahmbedingungen
verkraften musste, sondern auch die deutlich gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten.
Das Hauptprodukt, Krombacher Pils,
büßte im vergangenen Jahr 4,2 % auf
4,57 Mio. Hektoliter ein, Fassbier verlor
2,7 %. Auch die Biermischgetränke der Cab
Markenfamilie kamen nach einem Rückgang von 25 000 Hektoliter auf 166 000
Hektoliter. Punkten konnten dagegen vor
allem die Produkte Weizen, Weizen alkoholfrei, Radler und Schweppes. Jetzt setzt
Krombacher auf die neuen Produkte alkoholfrei Weizen sowie auf neue Varianten
bei den Biermischgetränken.
law
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7
INDUSTRIE & MÄRKTE
8 WirtschaftsKurier
Wachstumskurs trotz Krise
Wintershall | Die aktuelle Situation birgt auch Chancen
Schwerpunkt
Energie
Wintershall ist seit
über 75 Jahren bei der
Suche und Förderung von Erdöl und Erdgas aktiv. Im ihrem zweiten Arbeitsgebiet,
dem Erdgashandel, konnten die Verkäufe
der drei mit dem russischen Gasriesen
Gazprom betriebenen Joint-Venture-Gesellschaften (Wingas, WIEH und WIEE) mit
417 Mrd. Kilowattstunden um 13 % zulegen und damit einen Absatzrekord aufstellen. Auf die Tochtergesellschaft Wingas
entfielen davon knapp 300 Mrd. Kilowattstunden. Dieses Unternehmen ist im Inland und im europäischen Ausland kräftig
gewachsen und hat seinen Absatz um
durchschnittlich 19 % entgegen der allgemeinen Marktentwicklung gesteigert. Der
Erdgasverbrauch in Deutschland sank dagegen geringfügig.
Wingas plant Investitionen in die europäische Erdgas-Infrastruktur von rund
3 Mrd. Euro bis 2015. Die geplanten Ausgaben fließen maßgeblich in den Ausbau
des Transportsystems in Deutschland – vor
allem in die Landanbindungen für die Ostsee-Pipeline Nord Stream – sowie in den
Bau neuer Erdgasspeicher in Europa. Wegen der Finanzkrise könne sich aber man-
VON ULRICH HOTTELET
D
er größte deutsche Erdöl- und Erdgasproduzent Wintershall hat 2008
Rekorde bei Umsatz und Ergebnis
erzielt. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern stieg um 27 % auf 3,8 Mrd. Euro. Der
Umsatz kletterte im Vergleich zum Vorjahr
um 37 % auf 14,5 Mrd. Euro. Dieser Zuwachs resultierte aus beiden Geschäftsfeldern, Exploration und Produktion sowie
Erdgashandel. Die 100%ige BASF-Tochter
mit Sitz in Kassel hat damit 2008 erneut
den Großteil zum Ergebnis des Chemiekonzerns beigesteuert. Die Öl- und Gasproduktion steigerte die Wintershall Holding AG um 16 % auf 130 Mio. Barrel Öläquivalent.
Für 2009 rechnet Wintershall als Folge
der weltwirtschaftlichen Entwicklung mit
einer Abschwächung von Umsatz und Betriebsergebnis. Das Unternehmen geht davon aus, dass der Ölpreis und der Kurs des
Euro gegenüber dem US-Dollar im Vergleich zum Jahresdurchschnitt 2008 deutlich sinken werden. Den Planungen für
2009 wird ein Ölpreis von 50 US-Dollar pro
Barrel und ein Wechselkurs von 1,30 USDollar pro Euro zugrunde gelegt. 2008
hatte nach einem historischen Hoch des
Rohölpreises von über 140 US-Dollar pro
Barrel ein Nachfrageeinbruch mit einer
Aufwertung des US-Dollars eingesetzt, in
dessen Folge der Rohölpreis drastisch auf
unter 40 US-Dollar fiel. Der Durchschnittserlös lag bei 97 US-Dollar. „Sie können bei
einem Ölpreis von 50 Dollar nicht das
Gleiche verdienen wie mit 97 Dollar“, sagte Reinier Zwitserloot, Vorstandsvorsitzender der Wintershall Holding, lapidar, gab
sich aber selbstbewusst: „Wintershall ist als
kerngesundes Unternehmen gut gerüstet,
um die Anforderungen des Marktes zu
meistern. Auch wenn das wirtschaftliche
Klima in diesem Jahr überall in der Welt
rauer wird.“
Dabei birgt die aktuelle Krise auch
Chancen: „Bei einem niedrigen Preisniveau werden wir günstigere Rahmenbedingungen in der Zuliefererindustrie für unsere Explorations- und Investitionsvorhaben
zu nutzen wissen. Wir werden alle Kraft
daransetzen, neue attraktive Felder zu
finden, die auch in Zukunft Wachstum ermöglichen“, sagte Zwitserloot. Der weitere
APRIL 2009
Wintershall-Chef Reinier Zwitserloot präsentiert beim Bilanzpressegespräch neben guten Zahlen für das Jahr 2008 auch
stolz einen Bohrkopf.
Foto: Wintershall
Ausbau der Aktivitäten in den Schwerpunktregionen werde für Wintershall die
zentrale Rolle spielen. Das sind Europa,
Nordafrika, Südamerika, Russland und der
Raum am Kaspischen Meer. Der Vorstandschef kündigte an, die Produktion stärker
als geplant auf 140 Mio. Barrel Öläquivalent bis zum Jahr 2010 auszuweiten. Das
wäre ein Plus von knapp 8 %. Im laufenden
Jahr will Wintershall über eine Mrd. Euro
investieren, insbesondere in die Suche
nach neuen Öl- und Gasfeldern. Dafür sind
250 Mio. Euro vorgesehen.
Viele neue
Explorationslizenzen
Die Basis für dieses Wachstum wurde 2008
gelegt. Durch die Übernahme der Revus
Energy wurde Wintershall mit mehr als
60 Explorationslizenzen einer der größten
Lizenzhalter auf dem Festlandsockel Norwegens. Rund die Hälfte des in Europa
verbrauchten Erdgases stammt aus den
Nordsee-Anrainerstaaten. Auf der Arabischen Halbinsel wurde das Engagement
ebenfalls ausgebaut. In Katar ist Wintershall nun Betriebsführer von drei Explorationsblöcken. Einer davon befindet sich in
der Nähe des Nord-Feldes, dem größten
Erdgasfeld der Welt.
In Russland hat das zweite Gemeinschaftsprojekt mit Gazprom mit der Aufnahme der Erdgasförderung aus der Achimov-Formation der sibirischen UrengoiLagerstätte begonnen. Die maximale Produktion von 25 Mrd. Kubikmetern Gas pro
Jahr aus dem Feld Juschno Russkoje wird
bereits Mitte dieses Jahres und somit zwei
Jahre früher als ursprünglich geplant erreicht. Der starke Anstieg der Erdgasförderung durch Wintershall im vergangenen
Jahr beruht in erster Linie auf der erstmals
ganzjährigen Produktion dieses Erdgasfeldes. Zwitserloot äußerte sich voll des Lobes
über seinen Geschäftspartner Gazprom,
mit dem zusammen Wintershall dort Erd-
gas fördert: „Solch eine Professionalität
und Effizienz habe ich in meiner ganzen
Karriere noch nicht erlebt.“ Rainer Seele,
im Vorstand für den Erdgashandel zuständig, versicherte denn auch, man werde
Gazprom wegen der Lieferprobleme aufgrund des Transit-Streits mit der Ukraine
nicht verklagen. Der Engpass habe in Zusammenarbeit mit dem russischen Gaskonzern minimiert werden können und
die Nachlieferungen seien nach Beilegung
des Streits erfolgt.
Milliardeninvestitionen in die
europäische Erdgas-Infrastruktur
Die Rahmenbedingungen für die Förderaktivitäten von Wintershall sind günstig,
denn der Gasbedarf in Europa wird Studien zufolge steigen, während die Eigenproduktion sinkt. In Deutschland hat die
Firma nach eigenen Angaben einen Marktanteil von 18 %. Marktführer ist die E.ONTochter Ruhrgas.
Die Ostsee-Pipeline wird unter dem Namen Nord Stream von einem Bau- und
Betreiberkonsortium aus Wingas, E.ON
Ruhrgas, der niederländischen Gasunie
und Gazprom gebaut. Der russische
Gaskonzern hält 51 % der Anteile, E.ON
Ruhrgas und Wintershall haben je 20 %.
Die übrigen 9 % entfallen auf Gasunie.
Etwa 70 % des Projekts sollen laut Wintershall-Vorstandschef Reinier Zwitserloot über Banken finanziert werden. Mit
dem Bau der 1 200 Kilometer langen
Ostsee-Pipeline vom russischen Wyborg
nach Greifswald und den daran anschließenden On-Shore-Projekten wird die Vernetzung der Infrastruktur zur Versorgung
Europas verstärkt. „Die Nord Stream
kommt, weil sie für Europa unverzichtbar
ist“, betonte Zwitserloot. Rainer Seele,
im Vorstand für den Erdgashandel zuständig, nannte die Ostsee in Anspielung
auf den ukrainisch-russischen Lieferstreit
Q-Cells | Der Solarzellenhersteller rechnet mit einer guten zweiten Jahreshälfte
A
nton Milner, Q-Cells-Vorstand,
sieht die Solarbranche auf dem Weg
zu einer ganz normalen Industrie.
„Normal“ bedeutet: Die Zeiten, in denen
die Hersteller kaum so schnell produzieren konnten, wie ihnen die Solarmodule
abgekauft wurden, sind vorbei. „Wir werden eine Saisonalität erleben wie jede
andere Branche auch“, sagte Milner bei
der Vorstellung der Jahresbilanz durch die
Q-Cells SE, Bitterfeld-Wolfen, Ende März
in Frankfurt. Aufgrund der Finanzkrise sei
die Nachfrage gesunken, sodass Lagerbestände aufgebaut wurden. Mit Beginn
des Frühjahrs aber rechnet der Q-CellsVorstand schon wieder mit wachsender
Nachfrage, auch aufgrund der gesunkenen
Preise.
Um 20 % ließen die Preise für Solarzellen
Anfang des Jahres nach. Dies biete Anlegern eine einmalige Chance, hohe Renditen zu erzielen: Eine Solaranlage hält mindestens 20, eher sogar 30 Jahre und bietet
etwa 10 % Rendite. „So viel erzielen Sie
derzeit bei vergleichbarer Sicherheit nirgends“, pries Milner die Chance.
Q-Cells sieht sich als Marktführer bei
den Solarzellen und setzt weiterhin auf
Wachstum. 2008 erzielte das Unternehmen
ein Umsatzwachstum von 46 % auf 1,251
Mrd. Euro. Das Ergebnis (EBIT) lag mit 205
Mio. Euro um 4 % höher. „2008 war das
erfolgreichste Jahr, das wir je hatten“, hob
Finanzvorstand Hartmut Schüning hervor.
Die Tochter Q-Cells International, die
weltweit Solar-Kraftwerke baut, trug 91,9
Mio. Euro zum Umsatz bei. Die Globalisierung macht sich auch bei der Photovoltaik
bemerkbar: Inzwischen hat Q-Cells eine
Exportquote von 70 %. Wachstumsmärkte
sind Spanien, Italien und Frankreich, aber
auch Osteuropa.
Die Solartechniker warten auf den magischen Zeitpunkt der „Netzparität“, wenn
der Solarstrom günstiger oder genauso
teuer wie herkömmlicher Strom sein wird.
Das sollte die Nachfrage boomen lassen.
Nach Berechnungen von Q-Cells wird
dieser Zeitpunkt für Privathaushalte in
Deutschland 2013 oder 2014 erreicht sein,
in Italien sogar noch früher. 2020 würden
60 % der Endverbraucher in Europa mit
Solarstrom günstiger fahren als mit traditionell erzeugtem Strom.
Ein Haus voller Zellen: Das Hauptgebäude von Q-Cells in Bitterfeld-Wolfen steht
ganz im Zeichen des „Q“.
Foto: Q-Cells
Um für den erwarteten Nachfrageboom
gewappnet zu sein, investiert Q-Cells kräftig, etwa in den Aufbau einer Fabrik der
Tochter Solibro in Malaysia. Dort werden
Solarzellen in Dünnschichttechnologie
gefertigt. Verglichen mit herkömmlichen,
kristallinen Solarzellen sind diese Zellen
etwa 100-mal dünner. Ihr Wirkungsgrad
liegt derzeit noch leicht unter dem traditioneller Solarzellen, dafür ist die Produktion
aber weniger aufwendig.
Keine Angst vor
der neuen Konkurrenz
Vor allem in China sind inzwischen zahlreiche Anbieter von Solarzellen entstanden. Q-Cells-Vorstand Milner fürchtet
die neue Konkurrenz aber nicht: „80 % der
Anbieter werden wieder vom Markt verschwinden.“ Der Qualitätsvorsprung der
etablierten Hersteller sei nicht mehr einzuholen. Überdies ist Q-Cells mit einem
Produktionsvolumen von 570,4 Megawattpeak der weltweit größte Solarzellenhersteller.
Ferner hat Q-Cells an seinem Hauptsitz
im ostdeutschen Thalheim ein neues
Forschungszentrum errichtet. So sollen
die Forschungs- und Entwicklungskosten
deutlich gesenkt werden.
Durch die Beteiligung am norwegischen
Siliziumproduzenten REC hat sich Q-Cells
bereits 2007 den Zugang zum begehrten
Rohstoff gesichert. Außerdem hat Q-Cells
einen Ausflug in den Strommarkt unternommen und fungiert jetzt auch als Anbieter von Ökostrom.
Die Finanzierung für das kräftige Wachstum wird gesichert durch eine Brückenfinanzierung der Hausbanken, die bis Ende
2009 läuft. Zusätzlich wird Q-Cells Schuldscheine in Höhe von einer halben Mrd.
Euro ausgeben, und zwar noch in den
kommenden sechs Wochen. So soll die
Brückenfinanzierung abgelöst und vermieden werden.
Das Wachstum von Q-Cells spiegelt sich
auch in den Mitarbeiterzahlen wider, die
2008 um 861 auf insgesamt 2 568 stiegen.
Trotz des Nachfrageeinbruchs beurteilt
Finanzvorstand Schüning den Jahresauftakt zuversichtlich: „Der Februar war besser als der Januar und der März war besser
als der Februar.“ Im Übrigen hofft Q-Cells
auf den Obama-Effekt. Wenn die USA ihre
Energiepolitik neu ausrichten, wird die
Solarbranche ganz sicher davon in besonderem Maße profitieren.
Die Wasserkraft nicht nur aus dem Lech spielt eine wichtige Rolle bei der Energiegewinnung der RWE-Tochter LEW Lechweke AG.
Foto: LEW
Umsatz gestiegen
LEW | Ein stabilisierender Faktor für die Region
D
ie grassierende Finanzkrise hat
auch in der Bilanz der LEW Lechwerke AG ihre Spuren hinterlassen,
insbesondere in Form von Vermögensverlusten innerhalb des Finanzergebnisses.
Im Lauf dieses Jahres rechnet Vorstand
Ulrich Kühnl damit, dass auch beim
Stromabsatz wegen der heruntergefahrenen Produktion vieler Unternehmen
Minderungen eintreten werden. „Aufgrund unserer gesunden mittelständischen
Struktur stehen wir in Bayerisch-Schwaben noch vergleichsweise gut da, aber
auch hier haben eine Reihe von Industrieunternehmen Kurzarbeit angemeldet
und erste Entlassungen erreichen auch
unsere Region“, so Kühnl bei Vorlage der
Bilanz in Augsburg. So verzeichnet LEW
seit Ende 2008 einen Rückgang bei der
Stromabgabe von 5 %.
Trotzdem blickt Kühnl mit Optimismus
in die Zukunft und erkennt zum Beispiel in
Wintershall will sich weiter bei
VNG engagieren
Ihre 16-%-Beteiligung an der Leipziger Verbundnetz Gas (VNG) will Wintershall noch
weiter ausbauen. 2008 hatten beide Seiten
langfristige Erdgaslieferungen vereinbart.
Der Vorstandschef nannte die VNG eine
„hervorragende Firma“ und Handelsexperte Seele erklärte, man unterstütze den
Expansionskurs von einem ostdeutschen
Versorger zu einem Player auf dem europäischen Energiemarkt. VNG zählt unter
den Erdgasimporteuren in Deutschland als
Nummer drei und gehört in Europa zu den
Top Ten. Das Gas bezieht VNG aus Norwegen, Russland und anderen Quellen.
DIE OSTSEE-PIPELINE
Sonnige Aussichten
VON DR. CHARLOTTE SCHMITZ
ches Projekt verzögern, räumte Zwitserloot ein. Er forderte, das für Investitionen aufgewandte Kapital müsse angemessen verzinst werden. Bei Neuinvestitionen
in Pipelines blieben nach neuen Regelungen in Deutschland nach Steuern nur 5 %
Rendite. „Angesichts der enormen Höhe
der Investitionen, ihrer Langfristigkeit und
ihres Risikos ist dies völlig unzureichend“,
kritisierte er.
den derzeit fallenden Energiepreisen auch
Chancen, neue Großkunden für LEW zu
gewinnen. Bei der Energieeffizienz sieht
er ebenfalls gute Geschäftsmöglichkeiten,
wobei das Angebotsspektrum vom Energiecheck über innovative Energietechnik
bis hin zur energetischen Gebäudesanierung reicht. Das Konjunkturprogramm des
Bundes und des Freistaats Bayern unterstützt gerade diesen Bereich und kommt
so LEW ebenso zugute. Kühnl kann sich
hier auch noch zusätzliche Mittelzuflüsse
vorstellen: „So könnte eine haushaltsneutrale Finanzierung durch ein Fondsmodell
in Zusammenhang mit der diskutierten
Laufzeitverlängerung der Kernenergie erfolgen.“ Laut Kühnl wäre es dann nur
verursachungsgerecht und wettbewerbsneutral konsequent, wenn diese Mittel
besonders dort zum Einsatz kämen, wo
Kernkraftwerke laufen, also gerade auch in
Bayern.
„das sicherste Transitland“. Beide Unternehmensvertreter betonten, man sei bei
der Pipeline im Zeitplan. Wichtig sei aber,
dass alle Genehmigungen der Behörden
in den nächsten Monaten erteilt würden.
2010 will Wingas die ersten Rohre verlegen, ein Jahr später soll das erste Erdgas
hindurchströmen. Bereits im Sommer
könne mit dem Bau der Gasleitung Opal
begonnen werden, sagte Seele. Erst vor
Kurzem hatte die Bundesnetzagentur
dafür eine Ausnahmegenehmigung erlassen. Opal soll an die Ostsee-Pipeline
anschließen und Gas von Greifswald
nach Tschechien transportieren. Für die
zweite Leitung NEL von Greifswald nach
Rehden in Niedersachsen hatte die Bonner Behörde allerdings eine Sondergenehmigung abgelehnt. Zwitserloot kritisierte
diese Entscheidung als unverständlich.
Beide Röhren sind Gemeinschaftsprojekte von Wingas und E.ON Ruhrgas.
Weitere Chancen sieht Kühnl in der neuen, wachstumsorientierten Umstrukturierung des Mutterkonzerns RWE. Die Lechwerke werden nicht mehr an die RWE
Energy berichten, sondern, wie auch alle
anderen Regionalgesellschaften des Konzerns, direkt an die RWE AG. In den Bereichen Energieeffizienz und regenerative
Energieerzeugung, der vertrieblichen Akquisition und im Gasgeschäft verspricht
sich Kühnl Rückenwind von der Muttergesellschaft. Ein weiteres Wachstumsfeld
stellt der Aufbau neuer Telekommunikations-Infrastruktur über die Tochter LEW
TelNet dar.
Im vergangenen Jahr konnte LEW den
Umsatz noch um 15 % auf 1,16 Mrd. Euro
steigern und das operative Ergebnis mit
95,2 (96,6) Mio. Euro stabil halten. Auch
2008 war dieses operative Ergebnis durch
eine Reihe von Sondereinflüssen geprägt,
im Guten wie im Schlechten. So ging das
Finanzergebnis um 22 Mio. Euro zurück,
vor allem aus realisierten Kursverlusten
aus Wertpapierverkäufen und Umschichtungen sowie durch Abschreibungen und
Wertberichtigungen. Auf der positiven
Seite konnte LEW erstmals größere Rückflüsse aus der Beteiligung an der RheinMain-Donau AG verbuchen. Zusätzliche
Steuererstattungen führten dazu, dass sich
die Sondereffekte per saldo fast ausglichen.
Die Aktionäre will LEW mit einer Dividende von 1,50 Euro erfreuen, wobei hier allein an die RWE als Hauptaktionär 89,87 %
fließen, den Rest hält die öffentliche Hand
(6,74 %) – vordringlich die Regierung von
Schwaben – und 3,39 % befinden sich in
Streubesitz.
Vorstand Paul Waning erinnerte daran,
dass das Hauptgeschäft von LEW auf den
Wegenutzungsverträgen mit den Kommunen der Region beruht, die fast alle zwischen 2007 und 2011 ausliefen oder -laufen. Von den insgesamt 291 Konzessionsverträgen konnte LEW bereits 229 verlängern. „Wir sind zuversichtlich, dass wir
auch in den weiter anstehenden Konzessionsvertragsverhandlungen die Städte und
Gemeinden von den Vorteilen einer weiteren Zusammenarbeit mit LEW überzeugen
können“, so Waning optimistisch.
LEW sieht sich nicht nur als Energielieferanten für die Region, sondern auch als
stabilisierenden Faktor, gerade in Zeiten
der Krise. So legt LEW traditionell immer
auch eine Bilanz für die Region vor. Die
führt aus, dass LEW den Beitrag zur regionalen Wertschöpfung 2008 ebenfalls
wieder deutlich gesteigert hat, und zwar
auf insgesamt 473 Mio. Euro. Immerhin
gehört die Region zu den Spitzenreitern
der regenerativen Stromerzeugung in
Deutschland.
uk/pht
INDUSTRIE & MÄRKTE
APRIL 2009
Wirt schaftsKurier
Investitionen in die Zukunft
Schwerpunkt
Energie
Interview | Dr. Kurt Mühlhäuser,Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München
S
tadtwerke haben keine Zukunft, hieß
es zu Beginn der Liberalisierung der
Strommärkte. Viele Gemeinden und
Kommunen veräußerten die Anteile an ihren Versorgern. München und die Stadtwerke München GmbH (SWM) sind einen
anderen Weg gegangen. Dr. Kurt Mühlhäuser, Vorsitzender der Geschäftsführung der
SWM, hat 1995 den Vorsitz der Geschäftsführung übernommen. Seinerzeit machte
der Münchner Versorger hohe Verluste.
Schrittweise hat Mühlhäuser die Strukturen gestrafft, die Kraftwerkskapazitäten modernisiert und ausgebaut und
das Unternehmen wieder in die Gewinnzone gebracht. Für die nächsten Jahre
haben sich die SWM hohe Ziele gesteckt,
um die Energieversorgung in München
zukunftsfähig zu machen. Mit dem
SWM-Chef sprach WiKu-Chefredakteurin
Elwine Happ-Frank.
WirtschaftsKurier: Herr Dr. Mühlhäuser,
bei einer Untersuchung der TU München über europäische kommunale Versorger haben die Stadtwerke München
sehr gut abgeschnitten. Einer der Erfolgsfaktoren ist laut der Studie ein
Engagement in den vorgelagerten Wertschöpfungsketten der Energieversorgung. Darauf setzen die SWM schon
lange. Warum ist es für ein Stadtwerk
so wichtig, zum Beispiel in der Entwicklung von Gasfeldern tätig zu sein?
Dr. Kurt Mühlhäuser: Unser vorrangiges
Ziel ist es, die Liefersicherheit zu erhöhen, indem wir uns unabhängiger von
russischen Erdgaslieferungen machen.
Der Energiestreit zwischen Russland
und der Ukraine hat vor Augen geführt,
wie abhängig der Westen von den Erdgaslieferungen aus Russland ist. Deshalb
ist es unser ehrgeiziges Ziel, als erstes
deutsches Energieversorgungsunternehmen ab 2014 alle Heizgaskunden der
SWM in München und im Umland aus
eigenen Quellen zu versorgen. Ein weiteres Ziel neben der Versorgungssicherheit
ist die Preissicherheit. Mit dem Engagement ganz weit vorn in der Wertschöpfungskette können wir unseren Endverbrauchern konkurrenzfähige Preise
bieten. Und schließlich sichern wir die
Wertschöpfung für das Unternehmen.
WiKu: Wie viel Gas bezieht Deutschland
derzeit aus russischen Quellen?
Mühlhäuser: Etwa 38 % – und allen Prognosen zufolge dürfte dieser Anteil in
den nächsten Jahren erheblich steigen.
Außerdem muss man wissen, dass es
Russland, das Land mit den größten Erdgasreserven der Welt, gelungen ist, zusammen mit dem Iran und Katar, den
Ländern mit den zweit- und drittgrößten
Erdgasreserven, eine Art Gas-Opec zu
installieren. Weltweit werden nun auf
der einen Seite die Ressourcen knapper,
gleichzeitig steigt die Nachfrage nach
Energie, besonders im asiatischen Raum.
Die Konkurrenz um sichere Bezugsmengen zu wettbewerbsfähigen Preisen wird
härter und weitgehend von den Big Playern bestimmt.
WiKu: Was kann man in dieser Situation
als einzelnes Stadtwerk ausrichten?
Mühlhäuser: Für einzelne kommunale Unternehmen wäre ein Engagement am
europäischen Erdgasmarkt aufgrund der
hohen Investitionskosten und -risiken
nicht zu schultern. Der einzig sinnvolle
Weg ist eine Partnerschaft mit anderen
kommunalen Unternehmen. Deshalb
haben die Bayerngas und die SWM frühzeitig eine langfristig ausgerichtete und diversifizierte Beschaffungsstrategie für Erdgas entwickelt, die das Risiko minimiert.
WiKu: Wie sieht die Strategie konkret aus?
Mühlhäuser: Ziel ist es, durch eigene Feldbeteiligungen und Explorationen die Abhängigkeit von Importeuren nach und
nach zu reduzierten. Dafür wurde im
Februar 2006 die Bayerngas Norge gegründet. Wir haben für dieses Unternehmen hervorragende Fachleute gefunden,
die sich in kürzester Zeit durch ihre pro-
fessionelle und risikobewusste Vorgehensweise in der Öl- und Gasförderbranche sowie bei den norwegischen Behörden einen ausgezeichneten Ruf erworben haben. Dank diesem Team haben
wir bereits beträchtliche Fortschritte auf
unserem Weg erzielen können.
WiKu: Was haben Sie bereits erreicht?
Mühlhäuser: Die Bayerngas Norge verfügt
aktuell über sieben Feldbeteiligungen.
Hinzu kommt eine Vielzahl von Explorationsrechten. Insgesamt liegen die
Gas- und Ölreserven der Bayerngas Norge bei rund 150 Mrd. Kilowattstunden.
Allerdings befinden sich nicht alle Vorkommen in der gleichen Entwicklungsstufe. Das erste Gasfeld wird voraussichtlich 2010 reif für die Förderung sein.
Wir verfügen derzeit über zehn Explorationslizenzen. Die Fördermenge dürfte
also bis 2025 ansteigen. Damit können
wir das Ziel der Versorgungssicherheit
erreichen.
WiKu: Wie viel verbrauchen denn die
Heizgaskunden der SWM jährlich?
Mühlhäuser: Etwa 8 Mrd. Kilowattstunden.
Der Produktionsanteil der Quellen der
Bayerngas Norge liegt im Jahr 2014 bei
etwa 5,5 Mrd. Kilowattstunden. Um die
Differenz von rund 2,5 Mrd. Kilowattstunden zu decken, gründen die SWM
derzeit die SWM Norge. Diese Eigengründung ist notwendig, da der Erdgasbedarf für München über den der Gesellschafter der Bayerngas Norge hinausgeht. Über die SWM Norge wollen wir
die Erdgasgewinnung mit weiteren Feldbeteiligungen in der Nordsee steigern.
WiKu: Außer in die Entwicklung der Gasaktivitäten, in welche weiteren Projekte
werden Sie investieren?
SWM setzen auf regenerative Energien: der Bohrturm für eine Geothermie-Anlage in Sauerlach bei München.
Mühlhäuser: Ein weiterer zentraler Punkt
auf unserer Agenda ist: Wir wollen bis
2020 so viel regenerativen Strom erzeugen, dass wir damit alle Münchner
Haushalte versorgen könnten. Derzeit
können wir schon 140 000 Haushalte
versorgen, wir müssen unser Angebot
aber noch erheblich ausbauen. Wir set-
Die drei Blöcke des Heizkraftwerks Nord in München werden mit Kraft-WärmeKoppelung betrieben.
9
Serie Stadtwerke – Teil 1
„Unser vorrangiges Ziel ist
es, die Liefersicherheit
zu erhöhen, indem wir uns
unabhängiger von russischen
Erdgaslieferungen machen.“
Dr. Kurt Mühlhäuser,
Chef der Stadtwerke München
zen dabei auf einen Mix aus Wasser,
Sonne und Wind, aus Biogas und Geothermie sowie auf die umweltschonende
Energieerzeugung mit Kraft-WärmeKoppelung. Bei der Windkraft haben wir
gerade eine sehr interessante Kooperation geschlossen. Gemeinsam mit der
Heag Südhessischen Energie AG (HSE)
und weiteren Partnern bauen wir einen
Offshore-Windpark in der Nordsee.
WiKu: Wie sieht das Projekt konkret aus?
Mühlhäuser: Der neue Windpark Global
Tech I wird eine Gesamtleistung von 400
Megawatt haben. Dafür sollen bis 2013
in zwei Bauabschnitten 80 Windenergieanlagen errichtet werden. Noch in diesem Jahr wird mit den Arbeiten begonnen. Insgesamt erzeugt der Windpark
pro Jahr rund 1,4 Mrd. Kilowattstunden
Strom. Damit können wir über eine
Million Tonnen CO2 vermeiden und unsere Stromerzeugung aus regenerativen
Energiequellen bereits verdoppeln.
WiKu: Sind die vorhandenen Netzkapazitäten ausreichend für den Stromtransport nach Bayern?
Mühlhäuser: Der Anschluss an das Hochspannungsnetz erfolgt über eine bereits
im Bau befindliche Kabeltrasse der E.ON
Netz GmbH. Der Windpark Global Tech I
wird eines der ersten Projekte sein, die
fertiggestellt sind. Insgesamt sind nämlich zurzeit 19 Offshore-Windparks vor
der deutschen Nordseeküste genehmigt.
Der Global Tech I ist ein wichtiger Baustein unserer Ausbauoffensive für regenerative Energieerzeugung, weitere werden folgen, wir befinden uns da auch
schon in Verhandlungen. Unter Risikogesichtspunkten setzen wir aber natürlich nicht nur auf ein Projekt. Vielmehr
wollen wir mit unterschiedlichen Partnern, regional und verteilt auf verschiedene europäische Standorte Projekte mit
einem breiten Spektrum regenerativer
Energieträger realisieren. Hierfür werden
wir in den nächsten Jahren deutlich über
1 Mrd. Euro investieren.
WiKu: Welche Rolle spielt die Kraft-Wärme-Kopplung?
Mühlhäuser: Allein in den Ausbau dieser
Technologie haben wir in den vergangenen fünf Jahren fast eine halbe
Milliarde Euro investiert. Heute gewin-
EROLGSFAKTOREN FÜR DEN WANDEL
Im Rahmen einer europaweiten Studie
untersuchte Prof. Horst Wildemann (TU
München) die Erfolgsfaktoren regionaler
Infrastruktur- und Versorgungsunternehmen. Insgesamt beteiligten sich 130 Versorger aus ganz Europa an der Untersuchung. Danach müssen sich die Versorger für fünf zentrale Herausforderungen
wappnen:
■ die Sicherung des wirtschaftlichen Erfolgs als Fundament einer regionalen
Daseinsvorsorge,
■ die Sicherung der Nachhaltigkeit,
■ die Gewährleistung und den weiteren
Aufbau des Zugangs zu Energieressourcen,
■ die Schaffung von Erzeugungskapazitäten,
■ die Entwicklung innovativer Lösungen
für Privat- und Geschäftskunden.
Im Rahmen der Untersuchung habe sich
gezeigt, dass die Versorger künftig noch
stärker eine Leitfunktion für „ihre“ Region
wahrnehmen werden, heißt es in einer
Zusammenfassung der Studie. Aufseiten der Kunden sei eine Rückbesinnung
nen die SWM rund 80 % des Stroms
für München in hochmodernen KWKAnlagen. Im Bundes- und im EUDurchschnitt liegt der KWK-Anteil bei
der Stromproduktion lediglich bei
12 %. Überdies wird die im KWK-Prozess bei der Stromerzeugung anfallende Abwärme als Fernwärme genutzt.
Dadurch stehen dem Münchner Wärmemarkt rund 4 Mrd. Kilowattstunden
Heizenergie zur Verfügung. Müsste diese
Heizenergie-Menge mit Heizöl erzeugt
werden, würde man dafür etwa 450 Mio.
Liter benötigen. Dadurch würde die
Münchner Luft mit 1,1 Mio. Tonnen
Kohlendioxid belastet. Das entspricht
etwa der Hälfte des CO2-Ausstoßes des
Münchner Straßenverkehrs.
WiKu: Die Finanzkrise tobt durchs Land
und macht wohl auch vor den Industriekunden der SWM nicht halt. Können Sie die hohen Investitionen in die
Zukunftsfähigkeit der SWM halten?
München gehört zu den ersten Städten mit superschnellem Internet: SWM-Chef
Dr. Kurt Mühlhäuser (links) und Münchens OB Christian Ude.
auf stabile, vertrauenswürdige und nachhaltig orientierte Institutionen zu beobachten.
Die Veränderung der politischen, der
wirtschaftlichen, der sozialen sowie
der ökologischen Rahmenbedingungen
zwinge regionale Infrastruktur- und Versorgungsunternehmen zu einer umfassenden Analyse und gegebenenfalls
Neujustierung ihrer Strategie, heißt es in
einer Zusammenfassung der Studie.
Besondere Bedeutung hat dabei die
Entwicklung eigener Energieressourcen
und zukunftsfähiger Erzeugungskapazitäten.
Schwerpunkte sehen die Branchenexperten im Bereich der erneuerbaren Energien und in der Kraft-Wärme-Koppelung.
Der eigene Zugang zu Energieressourcen
und der Aufbau ökologisch verträglicher
Erzeugungskapazitäten erhöhe die Unabhängigkeit der Unternehmen. Das sichere
die zukünftige Energiebereitstellung und
könne helfen, die Endverbraucherpreise
von einer Preisexplosion bei Erdgas und
Öl zu entkoppeln.
Mühlhäuser: Nicht nur halten, wir wollen
sie sogar erhöhen. Wir sind finanziell ein
starkes Unternehmen mit einem sehr
guten Rating. Viele andere Stadtwerke
beneiden uns um unsere Aktivitäten
speziell bei der Gasbeschaffung und um
unsere Kapitalausstattung. Der Rück-
Schwerpunkt
Energie
Auf unseren Schwerpunktseiten Energie
werden wir uns in den nächsten Ausgaben mit den Themen Wasser und CO2freien Kohlekraftwerken beschäftigen:
gang des Stromverbrauchs durch die
Wirtschaftskrise hält sich in Grenzen,
weil in München und im Umland traditionell nicht allzu viel klassische Industrie mit hohen Energieverbräuchen
wie Aluminiumhersteller etc. angesiedelt
sind. Wir haben keinen Industriekunden, der mehr als 1 % seiner Wertschöpfung an Stromkosten hat.
WiKu: Woher kommt diese starke Finanzkraft?
Mühlhäuser: Wir haben frühzeitig unsere
Hausaufgaben gemacht und ein neues
großes Heizkraftwerk gebaut. Andere
haben ihre Kraftwerkskapazitäten stillgelegt, wir haben sie modernisiert. Wir
haben schon früh begonnen, unsere
Prozesse zu optimieren und Synergiepotenziale zu heben.
WiKu: Wie werden sich Ihrer Meinung
nach die Energiepreise in Zukunft entwickeln?
Mühlhäuser: Der Gaspreis ist ja an die Entwicklung des Ölpreises gekoppelt, der
bekanntlich in jüngster Vergangenheit
stark gefallen ist. Deshalb konnten wir
die Gaspreise für Privatkunden zum
1. April um bis zu 21 % senken. Eventuell ist in der zweiten Jahreshälfte
eine weitere Preisreduktion möglich.
Mittel- und langfristig werden die Ölund Gaspreise aber wieder steigen.
Gleiches gilt für die Strompreise, auch
wenn dort der Anstieg geringer ausfallen wird. Unser Ziel ist es, im Vergleich
der größten Städte zu den günstigsten
Anbietern zu zählen. Ein aktueller Vergleich der zehn größten deutschen
Städte zeigt, dass München bei den Gesamtkosten für Strom, Erdgas und Trinkwasser auf Platz zwei liegt. Ein weiteres
Projekt, das in diesem Zusammenhang
zu nennen wäre, ist übrigens die Erschließung von München und vom Umland mit einem hochmodernen Glasfasernetz.
WiKu: Was planen Sie hier genau?
Mühlhäuser: In den nächsten fünf Jahren erschließen wir die Hälfte der
Wohnungen in München mit einem
neu gebauten Glasfasernetz. Das neue
Netz ermöglicht Übertragungsraten
von 10 000 Megabit pro Sekunde und
damit das 200-Fache von herkömmlichen Kupferleitungen. Im Zeitalter der
Medien- und Informationstechnik ist
das ein weiterer wichtiger Faktor für
die Ansiedlung von Selbstständigen,
kleineren und mittleren Betrieben und
steigert auch den Wert privater Immobilien. Gleichzeitig schaffen wir damit
die Voraussetzungen für die von der
Bundesregierung geforderte Installation der neuen intelligenten, fernauslesbaren Zähler. Die Gesamtinvestitionen belaufen sich für die SWM auf
etwa 150 Mio. Euro. Mit dem flächendeckenden Ausbau des Glasfasernetzes gehört München zu den Spitzenreitern in Europa. In Deutschland hat
nur Köln schon mit der Verlegung von
Glasfaserkabeln begonnen. Damit hat
München einen klaren Standortvorteil
vor Städten wie Hamburg, Frankfurt
oder Berlin.
MAI-Ausgabe: Lebensraum Wasser,
Wasser als unersetzliches Nahrungsmittel und sauberer Energielieferant, neue
Kraftwerke, Gezeiten- und Wellenkraftwerke, sichere Leitungen bei Frisch- wie
Abwasser: Das Thema ist vielfältig und
hochaktuell.
JUNI-Ausgabe: Neue Trends im Kohlekraftwerksbau, die Renaissance des
Energieträgers Kohle in einem zukunftsträchtigen Energiemix und die Akzeptanzprobleme der CCS-Technologie in
der Bevölkerung sind einige der Themen.
Die Zentrale der SWM in München. Früher machten die SWM wie viele Regionalversorger Verluste, heute sind sie ein profitables Unternehmen.
Alle Fotos: SWM
INDUSTRIE & MÄRKTE
10 WirtschaftsKurier
APRIL 2009
Der Ausblick ist nicht düster
Linde | Fokussierte Konzernstrategie hilft dem Unternehmen in der Krise
W
ie groß die Abhängigkeit von der
Automobilindustrie selbst für einen Betreiber von technischen
Gasen und Anlagenbauer wie The Linde
Group, München, ist, das machte der Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Wolfgang Reitzle mit einer simplen Rechnung klar: In jedem produzierten Auto stecken technische
Gase (die zum Beispiel zum Schweißen benötigt werden) in Höhe von 40 Euro. Halbiert sich die Produktion weltweit, merkt
das selbst Linde. Dass es den Konzern in
der Krise trotzdem bisher nicht wirklich
schwer erwischt hat, zeigt die scheinbare
Abhängigkeit aber auch auf: Insgesamt
dürften Linde je Geschäftsjahr aus der Automobilproduktion in etwa 500 Mio. Euro
Umsatz zufließen, reduziert sich das um
20 %, wie derzeit bei vielen Autoherstellern, dann bedeutet dies einen Rückgang
von 1 % des Gesamtumsatzes, der bei über
12 Mrd. Euro liegt.
Insgesamt konnte Linde das Geschäftsjahr 2008 den Umsatz währungsbereinigt
um 8,4% auf 12,663 Mrd. Euro erhöhen
und ein operatives Ergebnis von 2,555
Mrd. Euro (währungsbereinigt plus
10,3 %) erreichen. Dazu steuerte der Bereich Gase 2,417 Mrd. Euro und der Engineering-Bereich 267 Mio. Euro zu. Dass
das operative Ergebnis (EBT) mit 1,006
Mrd. Euro unter dem Vorjahreswert von
1,375 Mrd. Euro lag, resultierte vor allem
aus einem außergewöhnlichen Gewinn im
Vorjahr in Höhe von 607 Mio. Euro aus der
Prof. Dr. Wolfgang Reitzle hat den Linde-Konzern gut aufgestellt. Fotos: Linde
Veräußerung von Unternehmensteilen.
Bei allen freundlichen Daten für 2008,
für das Geschäftsjahr 2009 wollte Reitzle
keine Prognose wagen, obwohl er zugab,
dass seine Vorstandskollegen und er in den
vergangenen Jahren bisher Umsatz und Ergebnis stets in einem Korridor von 1 % bis
3 % hätten vorhersagen können – ohne es
je getan zu haben. Dieses Jahr sei aber alles
anders und auch die Linde fahre „auf
Sicht“. Während der Oktober 2008 noch
der beste Monat der Unternehmensgeschichte gewesen sei, seien Januar und
Februar 2009 „leicht unter Vorjahr“ geblieben. „Düster“, so Reitzle auf Nachfrage,
„sieht es aber nicht aus“. Der Konzernumbau, die Übernahme der britischen BOC
und die Fokussierung auf nurmehr zwei
Geschäftsbereiche (Gase und Engineering)
habe sich ausgezahlt, so Reitzle. „Doch
sind auch wir nicht immun gegen die weltweite Rezession“, warnte Reitzle. Insofern
plant Linde, das schon beschlossene Programm zur Prozessoptimierung und Produktivitätssteigerung HPO (High Performance Organisation) jetzt präziser und
schneller durchzusetzen. In den Jahren
2009 bis 2012 erwartet Reitzle zwischen
650 Mio. Euro und 800 Mio. Euro an Einsparungen, schon im laufenden Jahr sollen
es 160 Mio. Euro bis 200 Mio. Euro sein.
Über personelle Maßnahmen wie Kurzarbeit oder Entlassungen denkt Reitzle
noch nicht nach, es wurde nur ein Einstellungsstopp verhängt mit Ausnahme von
Ingenieurspositionen.
Linde plant in verschiedenen Szenarien,
von denen eines auch noch eine leichte
Zunahme bei Umsatz und Ertrag vorsieht, allerdings müsste dann im zweiten
Jahr die Nachfrage wieder nach oben gehen. Linde musste die mittelfristigen Ziele, bis 2010 ein ROCE von 13% und ein
operatives Konzernergebnis von mindestens 3 Mrd. Euro zu erreichen, erst einmal
S
pätestens seit der dreiteiligen ZDFFolge über die Geschichte der Essener
Familie Krupp ist bekannt, dass das
große Geld nur mit der Waffenproduktion
zu verdienen ist. Ähnlich praktische Erfahrungen hat auch der Mischkonzern Rheinmetall im vergangenen Jahr gemacht. Zum
ersten Mal erzielte der Rüstungs- und Automobilzulieferer im Bereich Defence mit
10,7 % eine zweistellige Rendite. Dem gegenüber stand jedoch ein rapider Absturz
in der Autozuliefererbranche, sodass dieser
Bereich im vierten Quartal in die roten
Zahlen rutschte. Das Plus im Rüstungsbereich konnte das Minus im automobilen
Sektor nicht ausgleichen. Für das laufende
Jahr erwartet Rheinmetall-Chef Klaus
Eberhardt wieder ein positives Geschäftsergebnis. Seine Zukunftspläne sehen eine
weitere Internationalisierung und ein weiteres Wachstum der konjunkturunabhängigen Rüstungssparte vor. In der Sparte Automotive sehe er das Unternehmen gut
aufgestellt, sodass nach der Krise an frühere Erfolge angeknüpft werden könne.
Der rapide Absturz der Nachfrage im Automobilsektor im vierten Quartal hat bei Rheinmetall auch die Jobs unsicherer gemacht. Insgesamt sind hier weltweit 11 200 Mitarbeiter
beschäftigt, von denen jeder Zweite in Kurzarbeit steckt. Mittlerweile sind 1 500 Arbeitsplätze gestrichen worden, nun sollen weitere
1 000 Jobs der aktuellen Situation zum Opfer
fallen. In Deutschland zählt Rheinmetall
4 700 Mitarbeiter. Die Situation im Bereich
des Automobilzulieferers ist aktuell so
schwierig, dass Eberhardt selbst betriebsbedingte Kündigungen nicht weiter ausschließt, obwohl an fünf der acht deutschen Standorte Standortsicherungsverträge bestehen. Diese lassen allerdings betriebsbedingte Kündigungen zu, wenn die
Möglichkeiten des sozialverträglichen Abbaus ausgeschöpft sind.
Insgesamt erreichte Rheinmetall einen
nur um 3 % auf 3,9 Mrd. Euro gesunkenen
Konzernumsatz. Dabei wuchs Defence um
3 %, Automotive verlor 9 %. Damit erhöhte
der Defence-Bereich seinen Anteil am Gesamtumsatz von 44 % auf 47 %. Im Abschwung befand sich im vergangenen Jahr
auch das Konzernergebnis (EBIT), das sich
von 270 Mio. Euro auf 246 Mio. Euro reduzierte. An diesem Ergebnis ist der DefenceBereich mit 194 Mio. Euro (plus 21 %) beteiligt, Automotive steuerte 62 Mio. Euro
bei. Mit seinem Rüstungsbereich hat Eberhardt noch viel vor. So strebt er mittelfristig
ein Umsatzvolumen von mehr als 3 Mrd.
Euro mit dem Geschäft mit Munition, Waffen und gepanzerten Fahrzeugen an. Mit
dazu beitragen sollen auch die 2008 übernommenen Munitionshersteller Dengel
(Südafrika) sowie der Panzerbauer Stork
(Niederlande). Mit Übernahmen scheint es
nun allerdings vorbei zu sein. Denn Eberhardt setzt viel mehr auf Kooperationen,
etwa mit dem Nutzfahrzeughersteller MAN
auf dem Gebiet der Militärtransporter. Beide Unternehmen stünden bereits in Gesprächen, hieß es.
Während der Rüstungsbereich geschäftlich erfolgreich strahlt, verdunkelt es sich
weiter um das Autozuliefergeschäft. In diesem Bereich erwartet Eberhardt frühestens
2010 eine Trendwende. Verkaufsgerüchten
dieser Sparte trat Eberhardt vehement entgegen. Denn unverändert will Rheinmetall
auf den bisherigen beiden Säulen basieren. Schließlich habe das Unternehmen
eine Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern und den Aktionären, sagte er. Die
Aktionäre übrigens können eine Dividende
von unverändert 1,30 Euro erwarten, denn
auf Konzernebene hat sich die Rentabilität
als stabil erwiesen. So hält der Konzern mit
einer EBIT-Rendite von 6,4 % trotz aller
Probleme das Niveau des Vorjahres. Für
das laufende Jahr rechnet Eberhardt im Bereich Defence mit einer Fortsetzung des
Wachstumskurses, für die Automotive-Sparte
lehnte er eine Prognose ab.
Linde erwartet im Großanlagenbau einen Anstieg der Nachfrage, insbesondere
aus der Öl- und Gasförderindustrie.
2009 könnte ein gutes Jahr werden
Kooperationen statt
Übernahmen geplant
Rheinmetall | Rüstungsbereich als Cashcow
verschieben – sie aber nicht aufgehoben.
Die Aktionäre dürfen mit einer leichten
Erhöhung der Dividende auf 1,80 (1,70)
Euro vom Erfolg des Unternehmens in der
Vergangenheit profitieren. Reitzle hält dies
für den richtigen Weg, schließlich würden
die Aktionäre durch den allgemeinen Kursverfall, dem sich auch Linde nicht entziehen konnte, genug gebeutelt. Diese vertrauensbildende Maßnahme helfe dem
Unternehmen, falls in Zukunft wieder Kapital benötigt würde, etwa für eine mögliche Akquisition.
Die relative Krisenfestigkeit von Linde
resultiert auch aus der Tatsache, dass der
Konzern innerhalb seiner beiden Geschäftsfelder breit aufgestellt ist. Bei den
Gasen ist der – krisenfestere – Bereich Flaschengase mit 3,8 Mrd. Euro am Umsatz
beteiligt, das On-site-Geschäft, bei dem
Linde die Kunden mit vor Ort installierten
Anlagen versorgt, trägt mit 2,4 Mrd. Euro
und der Bereich HealthCare mit 995 Mio.
Euro zum Umsatz bei. Die Engineering Division liefert Olefin-Anlagen, Erdgas-Anlagen, Luftzerlegungs-Anlagen sowie Wasserstoff- und Synthesegas-Anlagen. Weil die
generellen Trends der Weltwirtschaft, der
steigende Energiebedarf und die überproportional hohe Nachfrage aus den aufstrebenden Volkswirtschaften, weiterhin
anhalten, erwartet Linde auch im Großanlagenbau für die Zukunft eine weitere
Nachfrage, insbesondere aus der Öl- und
Gasförder-Industrie.
uk
Bilfinger Berger | Servicebereich überflügelt inzwischen den Ingenieurbau
D
eutschlands zweitgrößter Baukonzern (nach Hochtief), die Bilfinger
Berger AG, Mannheim, entwickelt
sich mehr und mehr zum technischen
Dienstleister: Mit einem Anteil von 42,6 %
an der gesamten Konzernleistung von
10,7 Mrd. Euro hat der Service-Geschäftsbereich 2008 erstmals die bislang traditionell stärkste Unternehmenssparte Ingenieurbau (Anteil im Vorjahr: 38,7 %) überflügelt. Zum EBIT (Ergebnis vor Zinsen
und Steuern) des Vorjahres von insgesamt
298 Mio. Euro trugen die Dienstleistungen
224 Mio. Euro bei – das sind 75 %! Unter
den Bedingungen der gegenwärtigen weltweiten Rezession erweisen sich die die zumeist langfristig vereinbarten technischen
Dienstleistungen als „ein stabilisierender
Eckpfeiler unseres Geschäftsmodells“, so
der Vorstandsvorsitzende der Bilfinger Berger AG, Herbert Bodner, bei der Erläuterung des Geschäftsberichts 2008.
Bemerkenswert zuversichtlich äußerte
sich Bodner zu den Chancen seines Unternehmens, die Herausforderungen der
Wirtschaftskrise zu bestehen: Falls sich die
Situation „nicht noch mehr als bisher erwartet“ verschlechtere, dann könne 2009
für Bilfinger Berger sogar „ein gutes Jahr“
werden. Zur Begründung verwies der Vorstandsvorsitzende auf das „breite Kompetenzspektrum entlang der gesamten Wert-
schöpfungskette von Immobilien, Infrastruktur und Industrieanlagen“, betonte
die „solide Finanzierung“ des Unternehmens und die seit Langem praktizierte Beschränkung der Auftragsannahme auf seriöse und profitable Projekte. Bodner: „Unsere Kapazitäten sind noch immer stark
ausgelastet – wir haben keinerlei Abschreibungsbedarf bei unseren Geldanlagen, keinen kurzfristigen Refinanzierungsbedarf,
und wir haben einen ausreichenden Finanzierungsspielraum für Investitionen in
die Unternehmensentwicklung.“
Auftragsbestand entspricht
fast einer Jahresleistung
Bremsspuren der Wirtschaftskrise sind freilich auch in der 2008er-Bilanz von Bilfinger
Berger zu erkennen: So ist das Volumen
der Auftragseingänge um 8,5 % auf
10,3 Mrd. Euro gesunken. Der Auftragsbestand lag Ende 2008 um 1 % unter dem Niveau von Dezember 2007. Bodner betonte
allerdings, dass der Auftragsbestand von
10,6 Mrd. Euro, mit dem „wir in das neue
Jahr gegangen sind“, noch immer rechnerisch „fast einer Jahresleistung“ des Konzerns entspreche. Deshalb werde das Unternehmen sich auch künftig „nur bei solchen Projekten engagieren, die wir unter
Risiko- und unter Rendite-Kriterien für attraktiv halten“.
Für das Gesamtjahr 2009 erwartet Bodner einen Rückgang der Konzernleistung
von 10,7 Mrd. Euro (2008) auf „rund
10 Mrd. Euro“. Das Konzernergebnis könne 2009 das „um Sondereffekte bereinigte
Niveau des Vorjahres“ erreichen. Das EBIT
des Jahres 2008 lag mit 298 Mio. Euro um
69 Mio. Euro über dem EBIT des Jahres
2007. Dieser Anstieg beruhte aber zu zwei
Dritteln auf einmaligen Sondereffekten:
zum einen aus der Veräußerung einer Beteiligung an dem französischen Bauunternehmen Razel, zum anderen aus Neubewertungen von Projekten. Für 2009 hält
Bodner ein EBIT von 250 Mio. Euro für
möglich – als erreichbaren Jahresüberschuss nannte der Bilfinger Berger-Chef
140 (200) Mio. Euro.
Die Prognose einer leicht rückläufigen
Konzern-Gesamtleistung im Jahr 2009 begründete der Bilfinger Berger-Chef vor allem mit der Annahme stagnierender oder
rückläufiger Umfänge der Bautätigkeiten,
die nicht oder nur teilweise durch vermehrte Aktivitäten im Bereich der Dienstleistungen ausgeglichen werden können.
Im Baubereich will sich Bilfinger Berger
– so Bodner – vor allem um eine „Verbesserung des EBIT“ kümmern.
Die Sorge um die Rentierlichkeit am Bau
hat einen triftigen Grund: Trotz der beschriebenen Beschränkung bei der Auf-
tragsannahme sind die Erträge aus dem
Baugeschäft 2008 stark zurück gegangen:
Im Ingenieurbau – einst die Perle von Bilfinger Berger – sank das EBIT von 58 Mio.
Euro auf 17 Mio. Euro. Im Hoch- und
Industriebau ging das EBIT von 24 Mio. auf
14 Mio. Euro zurück. Zum Vergleich: Bei
den Dienstleistungen konnte das EBIT binnen Jahresfrist von 180 Mio. auf 224 Mio.
Euro verbessert werden.
„Der Geschäftsbereich Dienstleistungen
bleibt unser wichtigster Wachstumstreiber“, versicherte Bodner. Zumindest das
Wachstumstempo wird sich hier aber wohl
deutlich verlangsamen. Nachdem 2008 die
Investitionen – vor allem für Zukäufe in
der Service-Sparte – um 160 % auf knapp
700 Mio. Euro in die Höhe schnellten, werde es „2009 keine großen Akquisitionen geben“, kündigte Bodner an. Auch gebe es
derzeit keine Pläne, das Spektrum der
technischen Dienstleistungen auf weitere
Schwerpunkt-Branchen noch auszudehnen.
Schwerpunkte der Industrie-Dienstleistungen von Bilfinger-Berger sind bislang
vor allem die gesamte Kette der Energiewirtschaft sowie die Chemie-Industrie. Daneben bietet Bilfinger Berger aber auch die
komplette Betreuung und Wartung von Industrieparks oder Einzelanlagen sowie von
Gebäuden aller Art an.
kw
Gut vorbereitet auf die Zeit nach der Flaute
Tognum | Breites Produkt- und Kunden-Portfolio hält die Beschäftigung stabil
N
Rheinmetall plant ein weiteres Wachstum in der konjunkturunabhängigen
Rüstungssparte. Im Bild ein Marineleichtgeschütz.
Foto: Rheinmetall
Insgesamt ist Rheinmetall jedoch für
eine schwierige Zukunft recht ordentlich
gerüstet. Denn seine Nettofinanzschulden
machen nur noch 18 % des Eigenkapitals
aus. Weitere schon geplante Investitionen
will Eberhardt kürzen, um für den Fall der
Fälle die Liquidität zu schonen. Denn der
Rheinmetall-Vorstand muss mit allem
rechnen, da das Unternehmen derzeit nur
noch einen Börsenwert von 950 Mio. Euro
hat, aber über keinen Großaktionär verfügt. Das heißt, dass das Unternehmen zu
einem lukrativen Übernahmekandidaten
mutiert ist. Doch da Rheinmetall ein Rüstungsunternehmen ist, könnte die Bundesregierung bei einem Übernahmeversuch
aus dem Ausland nach dem Außenwirtschaftsgesetz ihr Veto einlegen. Von inländischen Finanzinvestoren scheint mangels
Geld auch keine Gefahr zu drohen.
law
ach dem „besten Jahr in der
100-jährigen Unternehmensgeschichte“ (2008) sieht der Vorstandsvorsitzende der Tognum AG, Volker
Heuer, den aus dem Traditionsunternehmen MTU (Friedrichshafen am Bodensee)
entstandenen Hersteller von Großmotoren, Antriebstechnik und Energiesystemen
„vor ganz neuen Herausforderungen“. Für
2009 rechne Tognum „mit Szenarien des
Umsatzrückgangs von 10 % bis 20 %“, so
Heuer bei der Bilanzpressekonferenz in
Stuttgart. Das – konträr zur Börsenmode
von der „Beschränkung auf Kerngeschäfte“
durchgehaltene – Tognum-Geschäftsmodell eines breiten Portfolios an Produkten
und Märkten sieht der Tognum-Chef gerade unter den Bedingungen der gegenwärtigen Wirtschaftskrise bestätigt: Die Spezialisierung auf „maßgeschneiderte, mit den
Kunden gemeinsam entwickelte Lösungen“ und ein hoher Anteil langfristig vereinbarter Lieferungen und Serviceleistungen stabilisiere die Beschäftigungssituation.
Als Beispiele für bislang kaum von der
Wirtschaftskrise betroffene Märkte nannte
Heuer Bahnfahrzeuge und Wehrtechnik,
wo Tognum als „Systemlieferant“ komplette Antriebslösungen entwickle und liefere.
„Zyklenfest“ seien auch die Ausrüstung
von Öl- und Gas-Bohrinseln, die Lieferung
von Energieversorgungs-Anlagen für Kraftwerke sowie die Landwirtschaft. Umgekehrt sei Tognum als Lieferant von Komponenten für den Fahrzeug- und Schiffsbau,
sowie von Ausrüstungen für die Bauwirt-
schaft und das produzierende Gewerbe
voll von den Absatzsorgen dieser Kundenbereiche betroffen. Nicht nur die Bestellmengen seien bei diesen unter dem Abschwung leidenden Kundengruppen seit
Herbst 2008 deutlich rückläufig, auch das
„Bestellverhalten“ habe sich verändert.
Heuer: „Früher haben unsere Kunden für
ein Jahr geordert – jetzt wird nur noch der
Bedarf für vier bis acht Wochen bestellt.“
Der Tognum-Chef äußerte die Hoffnung,
dass es dem Konzern gelingen könne, ohne
den Abbau von Stammpersonal oder gar
der Stilllegung von Produktionsbereichen
durch die Krise zu kommen. „Wir brauchen diese guten Leute auch künftig“, so
Heuer, „nur so können wir nach dem Abschwung wieder relativ rasch losmarschieren.“ Dank des in weiten Teilen des Spektrums von Produkten und Dienstleistungen „ordentlichen Auftragspolsters“ sowie
durch Umschichtungen technischer und
personeller Kapazitäten und eine „sehr flexible Nutzung von Arbeitszeitkonten“ habe
bislang sogar Kurzarbeit vermieden werden können. Allerdings: Befristete Arbeitsverhältnisse wurden und werden nicht verlängert, Leiharbeit wird abgebaut. „Nicht
jede frei werdende Stelle wird automatisch
neu besetzt“, so Tognum-Finanzvorstand
Joachim Coers. Doch auch jetzt baut Tognum noch Stellen auf: So sucht das Unternehmen derzeit rund 100 Ingenieure für
Forschung, Entwicklung und Erprobung.
Zur Bewältigung der Krisenfolgen setzt
der Tognum-Vorstand allerdings nicht nur
auf das Prinzip Hoffnung: Heuer und Coers
erläuterten einen in den letzten Monaten
erarbeiteten und bereits in Umsetzung befindlichen „Robust Action Plan“, der – einerseits – in allen kostenrelevanten Bereichen zusätzliche Korsettstangen einzieht
und – andererseits – die Schlagzahl bei der
Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen noch erhöhen soll.
„Keine Abstriche und Kürzungen wird es
bei Forschung und Entwicklung geben“,
betonte Heuer. Im Gegenteil: Die Bandbreite der Entwicklungen solle noch vergrößert, der Einsatz für „Schlüssel-Technologien“ intensiviert werden. Zur Begründung verwies er darauf, dass Tognum „kein
Massenhersteller“ sei und deshalb nur
durch den Erhalt der in vielen Bereichen
erarbeiteten „Technologie-Führerschaft“
dauerhaft bei den Kunden erfolgreich bestehen könne.
Wie solche Erfolge durch „TechnologieFührerschaft“ aussehen können? Auch dafür präsentierte Heuer ein paar praktische
Beispiele aus den letzten Wochen und Monaten: So hat Tognum einen Diesel-Elektro-Hybridantrieb für Lokomotiven und
Triebwagen entwickelt, mit dessen Hilfe
vor allem in Nah- und Regionalverkehr
rund 25 % Diesel-Kraftstoff eingespart werden können. Das Konzept: Die Bremsenergie wird in großen Batterien gespeichert –
und für den elektrischen Teil des Antriebssystems wieder eingesetzt. Der Hybrid-Antrieb könnte schon bald in neuen Lokomotiven von Voith („Gravita“) und Trieb-
wagen von Bombadier zum Einsatz kommen. Auch bei den klassischen DiesellokAntrieben hat Tognum technologisch
nachgerüstet: Unter der Bezeichnung „Locex“ läuft derzeit bei der Deutschen Bahn
AG bereits der Probebetrieb einer neuen
Generation von Dieselmotoren der Tognum-Tochter MTU, die – dank besonders
exakter Einspritztechnik und aufwendiger
Abgas-Nachbehandlung – den Ausstoß an
Feinstaub-Partikeln um 90 % und die
Emission von Stickoxiden um rund 50 %
reduzieren soll.
Bei stationären Brennstoffzellen soll,
nach jahrelangen Erprobungen verschiedenster Anordnungen in unterschiedlichem Einsatzbereichen, etwa zum Jahreswechsel 2009/2010 die Serienherstellung
anlaufen. Tognum geht davon aus, dass
diese Strom- und Wärmelieferanten inzwischen einen technischen Reifegrad erreicht
haben, der einen Verkauf an Kunden verantwortbar erscheinen lässt. Betrieben
werden können Tognum-Brennstoffzellen
sowohl mit Erdgas als auch mit Biogas.
In das Jahr des 100. Jubiläums ist Tognum mit erheblichen Sorgen, aber auch
auf der Basis eines sehr guten Vorjahresergebnisses gestartet: Die Umsätze wuchsen
2008 um 10,5 % auf 3,133 Mrd. Euro, die
Auftragseingänge um 4,0 % auf 3,231 Mrd.
Euro. Das EBIT stieg 2008 um 4,4 % auf
407 Mio. Euro, der Jahresüberschuss sogar
um 32,7 % auf 264 Mio. Euro. Die Zahl der
weltweit in 130 Ländern tätigen Mitarbeiter wuchs um 9,3 % auf 8 929.
kw
FINANZEN & BÖRSE
APRIL 2009
WirtschaftsKurier
11
Auseinandergelebt
Neues Bündnis
Die Ausnahme
Mobile Banking
Die Distanz zwischen Landesbanken und Sparkassen wächst zusehends. Bleibt die Frage:
Wer braucht hier wen?
Seite 12
Die Verzahnung der Allianz Privaten Krankenkasse mit der gesetzlichen KKH revolutioniert
den Markt.
Seite 14
Genossenschaftsbanken müssen nicht
unter den Rettungsschirm schlüpfen
– und bleiben trotzdem trocken.
Besonders bei der jungen Generation sind
Bankgeschäfte mit dem Handy auf
dem Vormarsch.
Seite 16
Seite 15
VON DIETER W. HEUMANN
W
ie ernst es um die Landesbanken
in der Bundesrepublik bestellt ist,
kennzeichnet die Flucht des
nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers nach vorn. Rüttgers sprach Ende Februar 2009 von einer
„bundesweiten Krise“ bei den Landesbanken. Das ist nichts Neues. Aber er bat sogar
die Bundesregierung um Hilfe. Der Bund
müsse eine „aktive Rolle“ bei der Neuordnung der Landesbanken übernehmen. Das
sind allerdings neue Töne, denn bisher waren Hilfen aus Berlin bei den Landesbankern eher verpönt. Die Landespolitiker befürchteten, dass dann künftige Gewinne an
den Bund gehen, während die alten Verluste weiter bei den Ländern verbleiben würden.
Längst haben die Landesbanken ihre ursprüngliche Aufgabe, Finanzierungsinstitute der Länder für den Mittelstand zu
sein, weitgehend aufgegeben. Das solide
Mittelstandsgeschäft ist heute allenfalls
nur noch ein geringerer Teil des Ganzen,
wird in der Regel gar von landeseigenen
Mittelstandsbanken wahrgenommen. Die
Landesbanker haben sich unter die globalen Player gemischt. Hier winkten verlockendere Renditen und anspruchsvollere sowie interessantere Geschäfte. Allerdings
sind damit in der Regel auch höhere Risiken verbunden, die manchen Betrachtern
in der Zeit prosperierender Märkte verborgen blieben. Doch in jüngster Vergangenheit zeigt sich das Risiko, das auch darin
lag, sich ohne entsprechend tragende Geschäftsmodelle und ausreichendes Eigenkapitalpolster auf international verzweigte
Märkte zu wagen, die – zumindest in ihren
lukrativen Bereichen – bereits weitgehend
verteilt waren. Der durch die EU verfügte
Fortfall der Gewährträgerhaftung hat das
„Going global“ der Landesbanken eher
noch verstärkt. Zudem reicht es nicht, international erfahrene Mitarbeiter einzukaufen; auch die Organe, die sie beaufsichtigen, sollten Kenntnisse und möglichst
auch Erfahrungen mitbringen.
Mit der konjunkturellen Krise, die nach
jüngsten Angaben des Internationalen
Weltwährungsfonds (IWF), die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession stürzen wird,
dürften weitere Risiken aus der Realwirtschaft auf die Landesbanken zukommen.
Das dürfte die bereits – durch den Fortfall
staatlicher Garantien sowie durch die Fi-
A
Experten fordern einen nachhaltigen Fusionsprozess unter den Landesbanken ein, doch noch gibt es viele Hindernisse auf dem Wege einer Vereinigung.
Foto: Fotolia
Noch ein weiter Weg
Landesbanken | Fusionen haben anscheinend nicht die höchste Priorität
„schwarzen Null“ rechnet, sowie der
nanzkrise – geschwächten Institute zusätzNordLB in Hannover, die nach vorläufigen
lich belasten.
Zahlen einen Gewinn vor Steuern von etwa
Das ehemalige Flaggschiff unter den
100 Mio. Euro für 2008 ausweisen wird,
Landesbanken, die baden-württembergiwerden die übrigen vier Landesbanken
sche LBBW, hat bereits ihre Risikovorsorge
teils kräftig rot geränderte Bilanzen für
für das vergangene Jahr auf 800 Mio. Euro
2008 präsentieren.
aufgestockt. Für 2008 muss die LBBW eiUnter Experten ist man sich überwienen Verlust von gut 2 Mrd. Euro verkraften.
gend einig: Landesbanken in ihrer heutiZwei Drittel der Belastungen resultieren
gen Form haben keine Zukunft; ein groß
nach eigenen Angaben aus der Übernahangelegter Fusionsprozess müsse her. Aber
me der SachsenLB und der Landesbank
auch andere Modelle, wie
Rheinland-Pfalz. Erfolge
eine engere Kooperation
erzielte die LBBW im KriDer Bankenmit den Sparkassen, sind
senjahr 2008 im Mittelim Gespräch. Der Präsistandsgeschäft, dessen
wettbewerb in
dent des Deutschen Sparbundesweite Ausdehnung
Deutschland
kassen- und GiroverTeil der neuen Strategie
bands (DGSV) Heinrich
der Bank ist. Das Einlazeigt bisweilen
Haasis favorisiert seit langenvolumen von Privatschon ruinöse
gem die Zusammenleanlegern und mittelstängung zu höchstens zwei
dischen Unternehmen im
Züge.
bis drei Landesbanken.
Kernmarkt Baden-WürtAndere Experten meinen,
temberg ist um 12 % geeine einzige Landesbank reiche für den
stiegen. Die Kreditvergabe an mittelständiSparkassensektor. Um die Belange der
sche Unternehmen sei um 13 % erhöht
Sparkassen auch international zu vertreworden. Allerdings hat dies die Verluste aus
ten, genügt sicherlich ein Institut, zumal
der Finanzkrise nicht völlig kompensieren
vor allem die größeren Sparkassen so gut
können. Mit Ausnahme der Landesbank
aufgestellt sind, dass sie sich im AllgemeiBerlin (LBB), die trotz heftiger Krisenbelasnen auch ohne Landesbank-Begleitung
tungen einen geringen Gewinn für 2008
mit ihren Kunden auf internationalem Parausweist, der Landesbank Hessen-Thürinkett bewegen können. Nach Harald Strötgen (Helaba), die insgesamt mit einer
gen, Vorstandsvorsitzender der Münchner
Stadtsparkasse, braucht Deutschland „keine sieben Landesbanken als Ergänzung für
die Sparkassen“. Im „Prinzip reicht eine
Landesbank“ ist der Sparkassenmann
überzeugt.
Doch nicht nur in der Münchner Staatskanzlei scheinen die Politiker, die gleichzeitig auch als Aufseher im Verwaltungsrat
ihrer Bank sitzen, die Dinge anders zu sehen. In München erinnert man daran, dass
die Staatsbank in ihrer 125-jährigen Geschichte schon viele Herausforderungen
überlebt habe und verweist auf Inflation,
Weltwirtschaftskrise sowie die schwierige
Nachkriegszeit und ist überzeugt, die Bank
werde auch jetzt nicht untergehen. „Wir
werden eine starke Regionalbank mit internationaler Ausrichtung“, so die Marschrichtung.
Dies lässt die örtlichen Sparkassen aufhorchen. Zwar belebt Konkurrenz das Geschäft, doch in einem ohnehin schon
„over- banked“ Land wie der Bundesrepublik zeigt der Wettbewerb unter den Banken bisweilen schon ruinöse Züge. Geht
man aber davon aus, dass die durch hohe
Sanierungskosten belasteten Landesbanken allenfalls schlechtere Konditionen als
die Konkurrenz bieten können, dann
scheint ein neues Desaster vorprogrammiert.
Zwischen Sparkassen und ihren Landesbanken leidet das Verhältnis ohnehin unter
der Situation der Landesbanken, für die
auch die Sparkassen als Träger – neben den
Ländern – geradestehen müssen. Wahrlich
keine gute Ausgangslage für eine engere
Zusammenarbeit. Allerdings sind die bayerischen Sparkassen in einer komfortablen
Lage: Der Freistaat hat die BayernLB mit
einer 10 Mrd. Euro-Eigenkapitalspritze zunächst gerettet und ist damit jetzt weitgehend alleiniger Inhaber. Der Anteil der
Sparkassen ist auf einen Bruchteil zusammengeschmolzen. Dennoch: Die frühere
Beteiligung hat die bayerischen Sparkassen 400 Mio. Euro gekostet. Der Freistaat
hat sich die Rettung der BayernLB etwa
25 % seines Haushalts kosten lassen. In der
Staatskanzlei hofft man nun auf eine erfolgreiche Sanierung und möchte die politischen Gestaltungsmöglichkeiten, die eine
eigene Landesbank in früheren Zeiten garantierte, auch in Zukunft nicht missen.
Das ist nicht zuletzt der Grund, warum
der Stadtstaat Hamburg und das Land
Schleswig-Holstein jüngst die HSH-Nordbank mit weiteren 13 Mrd. Euro in Form
von Kapital und Garantien über Wasser
hielten. Vor allem für das hoch verschuldete nördlichste Bundesland ist das kaum
verkraftbar. Für Schleswig-Holsteins Finanzminister Rainer Wiegard gibt es keine
Alternativen zur Rettung der Bank. Gerungen wird derzeit um das „richtige“ Geschäftsmodell für das Institut. HSH-Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher setzt
auch nach einer Halbierung der HSH-Bilanzsumme auf 100 Mrd. Euro auf die bisherigen Kernbereiche Schiffs- und Flugzeugfinanzierung sowie erneuerbare Energien.
Derweil macht sich unter den holsteinischen Sparkassen aufgrund der hohen Belastungen aus der HSH-Misere mit Blick
auf die Zukunft Panik breit: Das Land wird
aufgefordert, die Anteile des Sparkassenverbands an der HSH zu übernehmen. Verstört hat die schleswig-holsteinischen
Sparkassen, dass sich die HSH künftig stärker auf das Firmen- und Privatkundengeschäft im Land konzentrieren will. „Die
HSH geht wildern und die Sparkassen
müssen noch behilflich sein, die Flinte zu
spannen“, umschreibt der schleswig-holsteinische Kreistag die Befürchtungen.
Die derzeitigen Aktivitäten der Landesbanken sind eher auf Sanierung und Neustrukturierung der Banken gerichtet, was
aber kaum mit einer „Aufhübschung der
Bräute“ für baldige Fusionen zu erklären
ist. Fusionsgespräche hat es bereits viele
unter den Landesbanken gegeben, darunter auch der WestLB mit der Helaba unter
Beteiligung der Deka-Bank. Gescheitert
sind auch etliche Versuche, die WestLB
oder Teile der Bank mit der Deka-Bank zu
verschmelzen. Zu groß war die Angst vor
unentdeckten Risiken im Wertpapiergeschäft. Auch scheint keine Südbank in
Sicht zu sein. „Ein schneller Zusammenschluss von BayernLB und LBBW wäre
nicht zu verantworten“, so der Präsident
des baden-württembergischen Sparkassenverbands, Peter Schneider. Er besteht
vor einer Fusion auf die „Erledigung der
Hausaufgaben“ auf beiden Seiten.
Derweil hat die WestLB Post aus Brüssel
erhalten. Die EU-Kommission hat eine
Frist bis Ende März 2009 für einen Sanierungsplan gesetzt, wonach 50 % der Bank
in andere Eigentümerhände zu bringen
sind. Die Frist droht abzulaufen, ohne dass
ein Erfolg auch nur absehbar wäre. EUWettbewerbskommissarin Neelie Kroes
will keinen weiteren zeitlichen Aufschub
dulden und droht mit der Rückzahlung erhaltener Staatshilfen. Damit wächst der
Druck auf die Anteilseigner der Bank, sich
bis Monatsultimo auf eine Rettung der
Bank zu verständigen.
Back to the roots
Noch immer keine schöne Braut
BayernLB | Guter Start ins neue Jahr lässt Hoffnung aufkeimen
WestLB | Ergebnis dreht ins Plus
uf der gut besuchten Bilanzpressekonferenz der BayernLB in München mussten der Vorstandsvorsitzende Dr. Michael Kemmer und Finanzvorstand Stefan Ermisch das bestätigen,
was die zuletzt veröffentlichten Einschätzungen vermuten ließen: Im Ergebnis
weist der Konzern ein Minus von fast 5,1
Mrd. Euro aus. Doch all den Fehlern der
Vergangenheit zum Trotz – und dem daraus resultierenden katastrophalen Ergebnis – ist die Führungsriege relativ optimistisch für das laufende Jahr.
Besonderen Erfolg verspricht man sich
von den eingeleiteten Restrukturierungsmaßnahmen. „Aktivitäten, die nicht zum
Kerngeschäft gehören, werden wir konsequent abbauen“, sagte Kemmer. „Geschäfte ohne Kundenbezug werden eingestellt.“
Künftig sollen vier Säulen das Fundament
für die Geschäfte bilden. Hier liegt der besondere Fokus auf dem wiederentdeckten
Mittelstand. Aber auch Großkunden, gewerbliche Immobilien und das Privatkundengeschäft zählen dazu.
Der Mittelstand soll zusammen mit den
bayerischen Sparkassen ins Visier genommen werden. Ziel, so Kemmer, ist die bayerische Marktführerschaft in diesem Bereich. In der Veränderung der Struktur des
Finanzmarktes sehe man hier die Chance,
KMUs für sich zu gewinnen: Ausländische
Banken ziehen sich vermehrt aus dem
deutschen Markt zurück – schließlich müssen auch sie sich um ihre heimischen
Volkswirtschaften kümmern – und so werden Marktanteile frei, die besetzt werden
wollen. Langfristig sollen deutschlandweit
Unternehmer mit einem Umsatz zwischen
50 Mio. Euro und 1 Mrd. Euro geworben
werden. Innerhalb dieser Kundengruppe
soll das besondere Augenmerk auf Firmen
aus den Bereichen nachhaltige Energieer-
zeugung und Energieeffizienz, nachhaltige
Mobilität und Wasserwirtschaft gelegt werden. Um die zukünftigen potenziellen
Kunden auch versorgen zu können, wurde
in einem ersten Schritt beschlossen, über
die Tochter BayernLB Private Equity einen
Sanierungsfonds für die bayerische Wirtschaft aufzulegen.
Neue Akzente möchte die BayernLB im
Großkundengeschäft setzen. Neben deutschen Unternehmen werden auch ausgewählte Firmen aus Europa und Nordamerika in selektierten Branchen wie Bauwirtschaft oder Versorgung anvisiert.
Das Immobiliengeschäft ist künftig nicht
mehr bei den Töchtern angesiedelt. Stattdessen wird in der Kernbank ein gruppenweites Kompetenzzentrum Immobilien
etabliert. Hier soll wiederum der deutsche
Immobilienmarkt im Fokus stehen und
nur in Ausnahmefällen, so Kemmer, heimische Kunden ins europäische Ausland begleitet werden.
Im Privatkundenbereich soll die Deutsche Kreditbank (DKB) deutlich die DKBCash-Kontoverbindungen ausbauen. Derzeit hat die DKB etwa 1,5 Mio. Privatkunden, die kräftig gesteigert werden sollen.
Das gesamte Geschäftsmodell der BayernLB ist jedoch bisher nicht zu 100 % in
trockenen Tüchern. Noch steht die Genehmigung der EU-Kommission aus, mit der
das Konzept zwar schon erörtert wurde,
die endgültige Entscheidung fällt aber erst
Ende Juli.
Für den Vortrag über die tiefroten Zahlen
der BayernLB war Finanzvorstand Stefan
Ermisch verantwortlich. Mangels Vertrauen in den Finanzsektor stiegen die Risikoaufschläge, was auch bei der BayernLB zu
einer Verteuerung der Refinanzierung
führte. Außerdem mussten – bekanntermaßen – massive Kursverluste im Wertpa-
pierportfolio hingenommen werden, was
zu direkt aus der Finanzmarktkrise resultierenden Belastungen von 5,4 Mrd. Euro
führte. Trotz eines gewissen Imageschadens gelang es, das Kundengeschäft stabil
zu halten, weshalb sogar ein positives operatives Ergebnis in Höhe von 300 Mio. Euro
erzielt werden konnte – rechnet man die
bereits genannten direkten Belastungen
heraus.
Unterm Strich steht aber minus 5,4 Mrd.
Euro, die sich gleich aus mehreren Komponenten zusammensetzen: Neben den ABSPapieren und solchen aus dem Sekundärmarktportfolie (minus 2,1 Mrd. Euro) kommen auch negative Effekte aus den Finanzanlagen (minus 1,9 Mrd. Euro) hinzu. Abschreibungen auf das Lehman-BrothersEngagement und Islandkredite mit 500
Mio. Euro und 900 Mio. Euro gehören zur
Erklärung des hohen Minus.
Langfristig sollen die belastenden ABSWertpapiere aus dem Portfolio verschwinden. Im abgelaufenen Geschäftsjahr konnte bereits um 5,3 Mrd. Euro auf 19,6 Mrd.
Euro reduziert werden. Laut Ermisch besteht das Portfolio nun zu 87 % aus Papieren mit guter bis sehr guter Bonität. Erklärtes Ziel ist jedoch, so Ermisch, in rund
sieben Jahren das ABS-Portfolio um 90 %
abzubauen.
Die konjunkturell bedingte Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die damit verbundene Anpassung der Kreditrisikovorsorge, machen sich
insbesondere in den Büchern der Tochtergesellschaften bemerkbar. So entfällt
knapp ein Drittel auf die österreichische
Tochter Hypo Group Alpe Adria (HGAA)
und ein weiteres knappes Drittel der notwendigen Bereinigung auf das Lehman
Brothers Engagement und die Kreditvergaben in Island.
cm
D
as Ergebnis sieht auf den ersten
Blick erfreulich aus. Nach einem
Verlust in 2007 von knapp 1,5 Mrd.
Euro wurde im vergangenen Jahr ein Ergebnis vor Steuern von 26 Mio. Euro erwirtschaftet und das Konzernergebnis verbesserte sich von minus 1,59 Mrd. Euro auf
plus 18 Mio. Euro. Diese Zahlen ließen bei
fast jedem Unternehmen auf ein Anknüpfen an vergangene gute Zeiten schließen –
wenn es sich nicht gerade um die WestLB
handeln würde. In diesen Zahlen sind
nämlich 962 Mio. Euro durch den Verkauf
an die „Bad-Bank“ Phoenix enthalten. Verkauft wurden dabei minderwertige Risikopapiere – zum überhöhten Nominalwert
und nicht zum abgestürzten Marktpreis.
Die nordrhein-westfälische Landesbank
– jahrzehntelang hin- und hergerissen zwischen Markt und Politik, geführt von immer häufiger wechselnden Vorstandsvorsitzenden und inzwischen ein Loch ohne
Boden, in das von den Eigentümern (Land,
Zentrale der WestLB in der Düsseldorfer Friedrichstraße.
Foto: WestLB
Sparkassenverbände) Milliarden Euro als
„Schutzschirm“ geflossen sind und wohl
noch fließen müssen – weist nach Milliardenverlusten in den vergangenen Jahren
nun wieder einen Gewinn von 18 Mio.
Euro aus – zu wenig, um als Landesbank
begehrenswert zu sein. Kein Investor will
in diese Bank investieren, keine andere
Landesbank ist bereit, mit der WestLB zu
fusionieren. Dabei haben es alle Landesbanken gemeinsam mangels eines zukunftsträchtigen und schlüssigen Geschäftsmodells nicht leicht, Partner oder
Investoren zu finden.
Bei der WestLB kommt noch ein anhängiger millionenschwerer Streit mit der EUKommission hinzu, wobei es um angeblich zu Unrecht erhaltene Zuschüsse geht.
In diesem Beihilfe-Verfahren lief Ende
März 2009 die Frist der EU-Kommission
ab, während der ein Umbauplan für die
Bank vorgelegt werden sollte. Denn Brüssel
fordert einen Eigentümerwechsel. Doch
der ist nicht in Sicht, da die Fusionsgespräche mit der Helaba geplatzt sind. Derzeit
spekulieren Bank und Politik auf ein Bieterverfahren, für das die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes den Weg frei
machen könnte.
Trotz der 18 Mio. Euro Gewinn belasten
die WestLB noch „nicht-strategiekonforme
Aktivitäten“ in einer Größenordnung von
80 Mrd. Euro. Diese derzeit nicht mehr
handelbaren, da wertlosen Papiere sollen
in eine „Konsolidierungsbank“ ausgegliedert werden, die keine Bad Bank sei. Denn
die hat die WestLB bereits geschaffen, als
die Phoenix-Transaktionen „bereinigt“
werden mussten. Bei diesen Aktiva handelt es sich um Staatsanleihen und andere
Papiere. Diese Papiere hatten im letzten
Quartal 2008 die Bank schon mit 578 Mio.
Euro Verlusten belastet. Nun scheinen wei-
tere Belastungen auf die Bank zuzukommen. Hier sieht WestLB-Chef Heinz Hilgert
die Eigentümer in der Pflicht, den Risikoschirm zu spannen. Doch die beiden Sparkassenverbände stehen für weitere Hilfsaktionen nicht mehr zur Verfügung. Da bleibt
nur noch das Land übrig, das bereits 3,7 Mrd.
Euro für die Phoenix-Risiken verbürgt hat.
Nach Hilgert sei es das Ziel des Vorstands, die Kernbank mit einer bereinigten Bilanz wieder „zukunfts- und transaktiAnzeige
onsfähig“ aufzustellen. Dafür hat der neue
Vorstand zumindest die Weichen gestellt.
Im kundenbezogenen Geschäft war die
WestLB 2008 wieder erfolgreicher. Bei Projektfinanzierungen präsentierte sich die
Bank als die größte in Deutschland und
verbesserte sich weltweit von Rang 18 auf
Platz 7, bei syndizierten Krediten wurde
der Marktanteil mehr als vervierfacht.
Im operativen Geschäft stieg der Zinsüberschuss um 10 % auf 1,2 Mrd. Euro, der
Provisionsüberschuss sank um 69 Mio.
Euro auf 341 Mio. Euro. Bei den Provisionen schlugen die Probleme der internationalen Finanzmärkte durch.
law
FINANZEN & BÖRSE
12 WirtschaftsKurier
APRIL 2009
Angebotene Kredite werden nicht nachgefragt
Sparkassen-Präsident Haasis | „Vertrauen ist die eigentlich harte Währung in der Kreditwirtschaft“
VON KLAUS G. WERTEL
D
ie 438 deutschen Sparkassen profitieren vom Rückzug privater, vor
allem ausländischer Banken aus
dem Kreditgeschäft: Allein die 2008 von
den Sparkassen zugesagten Neukredite an
Unternehmen lagen mit 59,5 Mrd. Euro
um 10,4 % über dem Volumen des Jahres
2007. Auch die Kundeneinlagen erreichten
im Vorjahr mit einem Bestand von 742
Mrd. Euro einen neuen Höchststand. Der
Präsident des Deutschen Sparkassen- und
Giroverbands (DSGV), Heinrich Haasis,
sieht durch die Finanzmarktkrise die Kritiker „unseres oft als bieder beschriebenen
Geschäftsmodells“ widerlegt – und die
Konzentration der Sparkassen auf reale
Kundengeschäfte bestätigt: „Kein Wettbewerber genießt höheres Vertrauen – und
Vertrauen ist die eigentlich harte Währung
in der Kreditwirtschaft.“
Bei der Erläuterung der Bilanz 2008 der
Sparkassen-Finanzgruppe
kritisierte
DSGV-Präsident Haasis die Verknappung
und Verteuerung von Krediten durch einen
Teil der privaten Institute: Die Praxis der
Verbriefung und des Weiterverkaufs von
Forderungen führe, verschärft durch den
„Die Sparkassen brauchen Landesbanken – aber wir brauchen sie nicht in
der Anzahl, nicht in der Größe und
nicht in der Risikolage.“ Heinrich Haasis, Präsident DSGV.
Foto: DSGV
weltweiten Vertrauensverlust in der Branche, zu Engpässen und erheblichen Aufschlägen – zulasten der Kreditkunden.
Mangels ausreichender Refinanzierungsbasis täten sich viele Banken vor allem mit
langfristigen Kreditzusagen schwer. Hinzu
kämen Verteuerungen durch „überzogene
Renditeerwartungen von 20 % oder 25 %“.
Heinrich Haasis: „Banken sind eine dienende Branche und nicht Selbstzweck einiger Bankmanager und Aktionäre. Sie
können nicht auf Dauer deutlich mehr verdienen als ihre Kunden. Diese Lektion der
Auch nach dem Jahreswechsel 2008/09
hat sich – zumindest in den ersten beiden
Monaten – das Geschäftsvolumen der
Sparkassen weiter erhöht: „Da, wo andere
(Banken) sich schrittweise weiter aus dem
Markt zurückziehen, haben die Sparkassen ihre Kreditzusagen weiter erhöht“, so
Heinrich Haasis. Allerdings: In den letzten
Wochen sei auch zu beobachten, „dass Unternehmen zugesagte Kredite zurückhaltender in Anspruch nehmen“. Der Sparkassenpräsident sieht darin vor allem ein
Anzeichen für die mittlerweile in vielen
Branchen spürbare Investitionszurückhaltung – als Reaktion auf die Unsicherheit
über Tiefe und Dauer der weltweiten wirtschaftlichen Verwerfungen. Viele Unternehmen hätten sich aber auch bei den
Sparkassen auf Vorrat „frühzeitig und dauerhaft Kredite zu sehr günstigen Zinsen gesichert“. Die Sorge einer „Kreditklemme“
könne für die Kunden der Sparkassen auch
2009 als ausgeräumt gelten.
Wachsende Distanz
zu Landesbanken
Zwar haben die Sparkassen ihre Kreditzusagen weiter erhöht, die Unternehmer
zögern aber, zugesagte Kredite in Anspruch zu nehmen.
Foto: Fotolia
anderen Mitglieder der Sparkassen-Familie
entwickelt. So konnten die Landesbausparkassen die Anzahl der neu abgeschlossenen Verträge um 12,5 % auf 1,52 Mio. Verträge steigern. Die Bausparsumme der
Neuverträge wuchs im Vergleich zu 2007
um 6,4 % auf 35,8 Mrd. Euro. Das Volumen
der Auszahlungen der Landesbausparkassen nahm 2008 um 11,0 % auf rund 10 Mrd.
Euro ab.
Die zur Sparkassen-Finanzgruppe gehörenden Versicherungen konnten 2008 mit
Beitragseinnahmen von 16,6 Mrd. Euro ein
leichtes Plus verbuchen. Um rund 20 %
wuchs die Zahl neu abgeschlossener Lebensversicherungen. Im sehr harten Wett-
bewerb der Schadens- und Unfallversicherungen blieben die Beitragseinnahmen
stabil.
2009 erlahmende
Kreditnachfrage?
Federn lassen musste dagegen die DekaBank: Das zentrale Fondsinstitut der Sparkassen litt erheblich unter dem Vertrauens- und Wertverlust aus der Anlagebranche. Der Nettoverkauf von Fondsbeteiligungen brach auf 1,9 (12,4) Mrd. Euro ein.
Wie DSGV-Präsident Haasis zur Beruhigung versicherte, konnten und können
aber „alle Ausschüttungen planmäßig geleistet werden“.
Bemerkenswert distanziert äußerte sich
Heinrich Haasis zum Thema Landesbanken. Hatte sich der DSGV-Präsident bislang so vehement wie auch vergebens für
eine rasche Flurbereinigung der Landesbankenlandschaft eingesetzt, so ließ Haasis jetzt erkennen, dass die Sparkassen
nicht mehr um jeden Preis bereit sein werden, die teilweise erheblich defizitär und
ohne tragfähiges Geschäftsmodell operierenden Landesbanken zu stützen: „Die
Sparkassen brauchen Landesbanken –
aber wir brauchen sie nicht in der Anzahl,
nicht in der Größe und nicht in der Risikolage.“
Dringend empfahl Haasis einen Abbau
der bei einem Teil der Landesbanken in erheblichem Umfang betriebenen und jetzt
für die Schieflagen verantwortlichen spekulativen Finanzmarktgeschäfte – und eine
Beschränkung auf Tätigkeiten mit realem
Kundenbezug. Ziel einer Reform müsse
sein, „die Landesbanken in die Lage zu versetzen, stärker als bisher von realen wirtschaftlichen Vorgängen leben zu können“.
Ein „möglicher Weg zu diesem Ziel“, aber
kein Selbstzweck seien Fusionen, „weil sie
dazu zwingen, Strukturen zu verändern
und Kapazitäten abzubauen“.
Haasis schloss nicht aus, dass weitere
Sparkassenverbände ihre Mitträgerschaft
von Landesbanken reduzieren oder sich
auch ganz aus diesen Instituten zurückziehen könnten. Bislang haben sich die Sparkassen in Bayern und Schleswig-Holstein
geweigert, zusätzliche Gelder für Landesbanken bereitzustellen. Bei der BayernLB
sank der Anteil der Sparkassen am Stammkapital – nach einer allein vom Freistaat
Bayern geschulterten Kapitalerhöhung um
10 Mrd. Euro und der in diesem Zusam-
menhang vorgenommenen Neubewertung
der Bank – von 50 % auf 5 %. Bei der HSHNordbank AG, wo sich die Hansestadt
Hamburg und das Land Schleswig-Holstein im März auf eine Kapitalzufuhr von 3
Mrd. Euro und weitere Bürgschaften in
Höhe von 10 Mrd. Euro verständig haben,
wird der bislang 14,9 % betragende Anteil
der schleswig-holsteinischen Sparkassen
ebenfalls weiter sinken.
Die vor allem von Sparkassenpräsident
Haasis seit Jahren betriebene Konsolidierung der Landesbanken auf „zwei oder drei
Institute“ (Haasis) scheiterte bislang vor
allem an Bedenken und Widerständen der
Länder als Mitträger der Landesbanken.
Nachdem die in Not geratene SachsenLB
mit Wirkung vom 1. April 2008 und die
Landesbank Rheinland-Pfalz (LRP) mit
Wirkung vom 1. Juli 2008 auf die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) verschmolzen wurden, hat sich die Zahl der
Landesbanken auf neun reduziert – zwei
dieser Institute sind ganz oder mehrheitlich im Besitz einer anderen Landesbank.
Ursprünglich wurden die Landesbanken
vor allem als „Girozentralen“ (Abwicklungsstellen für den bargeldlosen Zahlungsverkehr) und Zentralbanken der
Sparkassen eingerichtet. In den meisten
Bundesländern wurde den Landesbanken
auch die Funktion eines staatlichen Förderinstituts übertragen. Die Aufgaben der
staatlichen Förderbanken mussten auf
Druck der EU-Kommission schon vor Jahren aus den zum Sparkassenlager gehörenden Landesbanken in „wettbewerbsneutrale“, neue Institute (zum Beispiel:
„NRW.Bank“) ausgelagert werden. Und
auch die Funktionen der „Girozentralen“
schwinden – dank der Entwicklung der Datentechnik und des Aufbaus von Kompetenzen bei den Sparkassen – seit langem
mehr und mehr. 2005 verloren die Landesbanken (wie auch die Sparkassen) – wiederum erzwungen durch die EU-Kommission – den Status der öffentlichen „Gewährträgerhaftung“.
Der Schwund an traditionellen Aufgaben und der Zwang zu neuen Finanzierungsgrundlagen hat die Landesbanken
veranlasst, ihre bisherigen Geschäftsmodelle – auf sehr unterschiedliche Weise –
anzureichern: In günstigen Fällen war dies
etwa die Begleitung der Sparkassenkundschaft ins Ausland – oder der Ausbau zur
regionalen Universalbank. Beispiele dafür
sind die Landesbank Baden-Württemberg
(LBBW) oder die Landesbank Hessen-Thüringen. WestLB und BayernLB sind Beispiele für einen anderen, inzwischen
gründlich gescheiterten Weg: den Gang in
die scheinbar sehr lukrativen „Kreditersatzgeschäfte“ mit Finanzmarktprodukten,
die zum Schluss wohl selbst die Verantwortlichen dieser Banken nicht mehr verstanden haben.
Fördern gegen die Krise
Der Markt ist nicht tot
NRW.Bank | Studienkredit wird gut angenommen
Deutsche Vermögensberatung | Weitere Berater geworben
VON DIETER W. HEUMANN
J
Finanzkrise sollten doch nun wirklich alle
gelernt haben.“
Die Schwierigkeiten mit den „von Finanzmarktprodukten abhängigen Bankgeschäften“ führen nach Beobachtung des
DSGV-Präsidenten derzeit zu einer „Renaissance des Hausbankmodells“. Insbesondere Unternehmenskunden, aber auch
Privatleute spürten nach spekulativen Ausflügen in scheinbar rentierlichere Anlageund Kreditbereiche wieder „dass eine Bindung an Kreditinstitute mit stabilem Geschäftsmodell sehr wichtig ist“. Dies komme jetzt in erheblichem Umfang den Sparkassen und den Genossenschaftsbanken
zugute – zum einen in Form verstärkter
Zuflüsse an Anlagevermögen, zum anderen durch verstärkte Kreditnachfragen.
Und: Das Wachstum der Kundeneinlagen
bei Sparkassen (und der Genossenschaftsbanken) sei auch die solide Basis für wachsende Ausleihungen.
In diesem Zusammenhang verwies
Heinrich Haasis auf das 2008 auf 111 Mrd.
Euro weiter gewachsene „Polster“ zwischen dem Volumen der von den Sparkassen ausgeliehenen Kundenkredite und der
Kundeneinlagen: Während der Bestand an
Kundenkrediten im Vorjahr um 2,3 % auf
631 Mrd. Euro zunahm, wuchs das Volumen der Kundeneinlagen um 3,5 % auf 742
Mrd. Euro. Der Nettozufluss an Kundeneinlagen erreichte 2008 mit 25 Mrd. Euro
sogar den höchsten Wert seit Einführung
des Euro-Bargelds im Jahre 2002.
Mit dem Vorjahres-Ergebnis der Sparkassen zeigte sich der DSGV-Präsident – „angesichts des schwierigen wirtschaftlichen
Umfelds“ – zufrieden. Das Betriebsergebnis vor Bewertung sank um 7,4 % auf 8,8
Mrd. Euro. Ursachen dafür waren nochmals rückläufige Zins- und Provisionsüberschüsse und ein um 3,7 % gewachsener
Personalaufwand. Aber auch die unmittelbaren Folgen der Finanzmarktkrise haben
Spuren in den Büchern der Sparkassen
hinterlassen: So wuchs der Umfang der
(negativen) Bewertungskorrekturen auf
6,1 (5,0) Mrd. Euro. Der Jahresüberschuss
sank auf 1,3 (1,7) Mrd. Euro.
Ein großer Teil der gestiegenen Bewertungsabschläge bezöge sich freilich auf
„durchaus solide Wertpapiere“, versicherte
Sparkassen-Präsident Haasis. Und weil die
Sparkassen „nicht gezwungen sind, solche
Papiere zur Unzeit zu verkaufen, gehen wir
davon aus, dass ein wesentlicher Teil der
Abwertungen zu einem späteren Zeitpunkt
wieder ausgeglichen werden kann“.
Den gesunkenen Jahresüberschuss der
Sparkassen verglich Heinrich Haasis mit
den Milliarden-Verlusten anderer Bereiche
der Kreditwirtschaft: „Während andere Finanzmittel des Staates benötigen, zahlen
die Sparkassen sogar in Milliardenhöhe
Steuern. Darauf sind wir stolz.“
Sehr unterschiedlich haben sich 2008 die
a, wir bekommen mit, dass es Liquiditätsschwierigkeiten gibt“, sagte der seit
September vergangenen Jahres amtierende neue Vorsitzende der nordrheinwestfälischen Förderbank, NRW.Bank,
Dietmar P. Binkowska, auf der Jahrespressekonferenz des Instituts in Düsseldorf.
Das gelte vor allem für Firmen mit geringerer Kreditwürdigkeit und keiner festen
Hausbankbeziehung. Aber auch bei einer
stabilen Hausbankbeziehung seien Bonität des Kunden und Kreditkosten eng miteinander verknüpft. 2008 hatte die
NRW.Bank ihr Fördervolumen um 11,5 %
auf über 9 Mrd. Euro erhöht. Besonders
stark war der Zuwachs in der Kommunalund Infrastrukturfinanzierung. Das Zusagevolumen erhöhte sich um mehr als 27 %
auf 3,4 Mrd. Euro. 11 % mehr, knapp eine
Mio. Euro, wurden für die soziale Wohnraumförderung zugesagt, wobei besonders
die Programme zur Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebestand und zur
Reduzierung von Barrieren gefragt waren.
Auch
die
Individualföderung
der
NRW.Bank stieg um 11 % auf 1,7 Mrd. Euro
an. Bisher haben mehr als 70 000 oder
21 % der beitragspflichtigen und darlehnsberechtigten Studierenden im
größten deutschen Flächenstaat ein Studienbeitragsdarlehen bei der NRW.Bank
abgeschlossen. Gemessen an der Anzahl
der Verträge ist die Düsseldorfer Förderbank damit bundesweit Marktführer bei
den Studienkrediten. Lediglich bei der
Existenzgründungs- und Mittelstandsförderung gab es 2008 einen leichten
Rückgang um etwa 2 % auf knapp 3 Mrd.
Euro. Allerdings war sie im Jahr zuvor
kräftig, um nahezu 60 %, angestiegen. Der
NRW.Bank-Mittelstandskredit blieb auch
im vergangenen Jahr das volumenstärkste
Förderprogramm. Erste Erfolge verzeich-
nete die Bank bei der Filmförderung.
Unter dem Motto „Fördern gegen die
Wirtschaftskrise“ hilft die NRW.Bank mit
einem Bündel von Maßnahmen, wie Beratertagen mit dem Themenschwerpunkt Eigenkapital, einer Infoline, ab dem dritten
Quartal 2009 mit einem neuen Venture
Fonds in Höhe von 80 Mio. Euro für die
Frühfinanzierung von Technologieunternehmen sowie ab 1. April mit einem Innovationsdarlehen für Schlüsseltechnologien. Neu ist, dass Förderbanken für Kredite teilweise die Haftung übernehmen – be-
Das Gebäude der NRW.Bank in Düsseldorf.
Foto: NRW.Bank
günstigt durch die beiden Konjunkturprogramme. So übernimmt die NRW.Bank seit
Anfang Februar bei einem Darlehen 50 % der
Kreditrisiken und entlastet so die jeweilige
Hausbank, was die Kreditvergabe an Mittelständler erleichtert. Pro Objekt sind bis zu
5 Mio. Euro Kreditvergabe möglich.
Angesichts der lebhaften Kreditnachfrage konnte die NRW.Bank ihr operatives Ergebnis 2008 verdoppeln. Zins- und Provisionsüberschuss steigerten sich gegenüber
2007 um über 50 % bzw. 75 %. Allerdings
musste ein um 74 % eingebrochener Jahresüberschuss hingenommen werden. Der
Grund: Die Risikovorsorge stieg von fast
4 Mio. Euro auf über 273 Mio. Euro bis
Ende 2008 an. Durch das starke operative
Geschäft ließ sich jedoch der Rückgang des
Ergebnisses vor Steuern auf 71 Mio. Euro
begrenzen, nach 164 Mio. Euro im Vorjahr.
Daraus wurde das Fördergeschäft mit 33
Mio. Euro, nach 30 Mio. Euro im Vorjahr, finanziert. Die Kerneigenkapitalquote erhöhte sich – mittels des vom Land als Eigenkapital eingelegten Immobilienvermögens – leicht auf 12 %.
Aufgrund der schwierigen Kapitalmarktsituation wird die Bank ihr Emissionsvolumen 2009 auf 12 Mrd. Euro zurückfahren
gegenüber 15 Mrd. Euro im Jahr zuvor. Es
sollen bis zu vier Benchmarkanleihen aufgelegt werden.
Angesprochen auf Auswirkungen der Risiken der WestLB, betonte Binkowska, er
sehe keine Situation, in der ein WestLB-Risiko auf die NRW.Bank zukommen könne.
Das nordrhein-westfälische Förderinstitut
ist zu 31 % an der WestLB beteiligt. Für den
Buchwert in Höhe von 2,2 Mrd. Euro gibt
es seit vier Jahren eine sogenannte Werthaltigkeitsgarantie des Landes – unabhängig vom aktuellen Wert. Der Betrag wird
verzinst – 2008 mit einem „namhaften Millionenbetrag“, wie Vorstandsmitglied Klaus
Neuhaus bestätigte.
VON DR. CHARLOTTE SCHMITZ
M
it dem Schwarzbrot des Finanzmarktes macht die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) auch in
der Krise gute, weil handfeste Geschäfte.
Anstelle von Renditebringern wie Hedgefonds oder Derivaten vermittelt die DVAG
Brotprodukte wie Lebensversicherungen,
Bausparverträge oder die Riester-Rente.
„Ausgerechnet im Krisenjahr 2008 haben
wir unser bisher mit Abstand erfolgreichstes Ergebnis erreicht“, konstatierte der
Gründer und Vorstandsvorsitzende, Prof.
Dr. Reinfried Pohl bei der Jahrespressekonferenzin Frankfurt.
2008 stiegen die Umsätze der
DVAG um 21,9 % auf 1,22
Mrd. Euro. Der Jahresüberschuss nahm um
18,1 % auf 149 Mio.
Euro zu. Allein in der
zweiten Jahreshälfte 2008
strömten rund 180 000
Neukunden zur DVAG, nicht
zuletzt auch aus Enttäuschung der
bisherigen Beratung durch die Hausbank
oder andere Finanzinstitute. Doch 2009
wird sich die Erfolgsgeschichte so nicht
fortschreiben lassen. Im Januar und Februar dieses Jahres verzeichnete die DVAG ein
Minus bei den Umsätzen. Im März – dessen Abschlusszahlen zum Zeitpunkt der
Pressekonferenz noch nicht vorlagen – sei
aber erfreulicherweise wieder eine deutliche Steigerung bei der Zahl der abgeschlossenen Verträge zu beobachten.
Krankenversicherungen und Krankenzusatzversicherungen sowie Bausparverträge waren besonders gefragt. „Der Markt
ist nicht tot“, konstatierte Pohl. Er hielt
sich zugute, dass er nie in das Geschäft in
Osteuropa eingestiegen sei. Außerdem
habe die DVAG keine Produkte des grauen
Kapitalmarkts vermittelt. Zugunsten einer
starken Eigenkapitalquote – von inzwischen über 54 % – habe man auf hohe Ausschüttungen verzichtet. Außerdem betonte
Reinfried Pohl die Kontinuität des Managements. Der Gründer steht seinem Unternehmen seit mittlerweile 34 Jahren vor.
Inzwischen besitzen seine beiden Söhne Reinfried und Andreas
Pohl zusammen die
Berater auf über 37 000. Sie vertreiben ausschließlich Produkte der Partner Deutsche
Bank und der Generali VersicherungsGruppe.
Die Versuche der Politik, den Verbraucher auf dem Finanzmarkt stärker zu
schützen, hält Pohl für so nicht praktikabel. „Honorarberatung wird nie Chancen
haben“, prophezeite er. Seinen Vertriebsmitarbeitern
ver-
Mit Brot- und Butterprodukten wie Lebensversicherungen oder Riester-Renten erzielte die DVAG
2008 das beste Ergebnis ihrer Geschichte.
Foto: Fotolia
Mehrheit der Anteile des nicht börsennotierten Unternehmens, doch Vater Reinfried Pohl will weiterhin im „Dreigespann
der Führung“ mitziehen.
Er nannte hohe Ziele: „Wir streben an,
der einzige bundesweit sichtbare Finanzvertrieb in Deutschland zu sein.“ Die Krise
nutzt das Unternehmen, um neue Vertriebsmitarbeiter anzuwerben. „Im Moment ist es leichter, die Zahl der Vermögensberater zu erhöhen als die Zahl der
Kunden“, erklärte Pohl. 2008 stieg die Zahl
der haupt- und nebenberuflichen DVAG-
schafften die neuen Auflagen wie das
Schreiben eines Beratungsprotokolls nur
eine wachsende Papierflut. Wichtiger als
die Regulierung der Beratung nannte
Pohl die Regulierung der Produkte. Hier
sollten nur solche Anlagen zugelassen
werden, die eine Mindest-Sicherheit bieten.
Pohl kündigte an, dass der bisherige Vorstandssprecher Friedhelm Bohl den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen wird und
Udo Corts seine Funktion im Vorstand
überlässt.
FINANZEN & BÖRSE
APRIL 2009
WirtschaftsKurier
Konservativ punktet
Innovativen Service für
medizinische Leistungen
Wüstenrot & Württembergische | 2009 soll der Gewinn verdreifacht werden
VON KLAUS G. WERTEL
T
rotz anhaltender Krise will der
Bauspar- und Versicherungskonzern
Wüstenrot & Württembergische AG
2009 weiter wachsen und den Jahresgewinn von 65,5 Mio. Euro (2008) auf 215
Mio. Euro mehr als verdreifachen. Der Vorstandsvorsitzende der W&W AG, Alexander Erdland, begründete diese vom Branchentrend deutlich abweichende Einschätzung bei der Bilanzpressekonferenz
in Stuttgart mit einem „Vertrauensbonus“,
den sich die Unternehmen der W&WGruppe bei ihren insgesamt mehr als
6 Mio. Kunden erarbeitet hätten: Die „früher gelegentlich belächelte“ konservative
Produkt- und Unternehmensstrategie der
W&W-Unternehmen erweise sich jetzt als
„krisenfest und zukunftsfähig“.
Kundenbetreuer
nicht verbrannt
Ohne Wettbewerber namentlich zu nennen, übte der – sonst eher bedächtig formulierende – W&W-Chef deutliche Kritik
an „Fehlentwicklungen“ der Finanzbranche. Erdland: „Wir sind seriös geblieben –
wir haben unsere Kundenbetreuer nicht
verbrannt durch die kurzsichtige Vermittlung riskanter, undurchsichtiger – und
letztlich abgestürzter – Anlageformen und
Finanzierungen.“ Auch habe W&W „die
Zusage eingehalten, keine Kredite weiterzuverkaufen“. Schließlich habe W&W „keine Subprime-Geschäfte gemacht“. Nicht
kundenbezogene „Kreditersatzgeschäfte“
seien im Konzern bereits 2006 gestoppt
und seither weitgehend abgebaut worden.
Die „Beschränkung auf unsere belastbaren Kernkompetenzen“ sieht Erdland
bestätigt: „Die Ratgeber, die uns zu mehr
Risiko und zu einem breiteren Geschäftsmodell aufforderten, sind inzwischen verstummt.“ Auch künftig werde sich W&W
ausschließlich um die Bereiche Wohneigentum, Vermögensbildung, Zukunftssicherung und Risikoschutz kümmern.
Dass es – trotz Selbstbeschränkung –
noch eine Menge zu tun gibt für die
knapp 10 000 W&W-Mitarbeiter, um aus
der Konzernmarke „Wüstenrot & Württem-
bergische“ einen für Kunden und Wettbewerb spürbaren Finanzdienstleistungsverbund werden zu lassen, verdeutlichte
Erdland an der noch bescheidenen Zahl
der Kunden, die bislang Verträge mit beiden W&W-Bereichen – Baufinanzierung
und Versicherungen – abgeschlossen haben: Von den jeweils rund 3 Mio. Kunden
beider Bereiche seien dies derzeit nur etwa
6 %. Diesen Anteil will Erdland – auch
durch Einsatz von „200 Spezialisten, die im
ganzen Konzern unterwegs sind“ – auf
rund 10 % steigern.
Eine Zusammenführung von Versicherungs-, Vermögens- und Baufinanzierungsbetreuung soll es freilich nicht geben: „Das sind sehr unterschiedliche Welten, bei denen auch sehr verschiedene
Kompetenzprofile gefragt sind“, begründete Erdland das Festhalten an getrennten
Sparten und Unternehmensteilen unter
dem Dach der W&W-Holding.
Die „Straffung des Konzerns“ durch eine
Bündelung von Steuerungsaufgaben und
Dienstleistungen in zentralen, konzernweit
tätigen Einheiten gilt freilich weiterhin als
Dauerbaustelle. Bereits in dem auf drei
Jahre – 2007 bis 2009 – angelegten „Zukunftsprogramm W&W 2009“ sind ambitionierte Aufgaben und Ziele zur Effizienzsteigerung, zur Straffung von Strukturen
und zur Rentabilitätsverbesserung definiert worden. So sollen beispielsweise
Revision, Risikomanagement, Rechnungswesen, Datentechnik und Personalmanagement konzernweit organisiert werden.
Eine gemeinsame Servicegesellschaft soll
für den gesamten Konzern den Einkauf,
das Flächenmanagement, die Betriebstechnik, den Vertragsservice, Dokumentenmanagement und Versorgungsaufgaben übernehmen.
Insgesamt zufrieden äußerte sich der
W&W-Vorstandsvorsitzende über Verlauf
und Ergebnisse des Geschäftsjahrs 2008.
Viel Freude bereitete vor allem das frühere
Sorgenkind des Konzerns: die Sparte Baufinanzierung. Erdland nannte es einen „sensationellen Erfolg“, dass das Neugeschäft
im Bauspargeschäft um 24 % auf rund
10 Mrd. Euro gesteigert werden konnte. Im
Branchendurchschnitt sei das Volumen der
Neuverträge 2008 nur um 13 % gestiegen.
Die Konzerntochter Wüstenrot rückte damit im Ranking der deutschen Bausparkassen auf Platz drei vor – hinter Primus
Schwäbisch Hall und dem Liga-Zweiten
BHW (vormals: Beamten-Heimstättenwerk). Die LBS West hält jetzt Rang vier.
Auch bei der Vergabe von Baufinanzierungen hat W&W – nach eigener Berechnung – 2008 besser abgeschnitten als die
Gesamtbranche: Der Umfang der im Vorjahr vergebenen Darlehen wuchs um 3,2 %
auf rund 5 Mrd. Euro. Im Durchschnitt der
deutschen Bausparkassen soll es einen
rund 3%igen Rückgang gegeben haben.
Das Neugeschäft in den verschiedenen
Versicherungssparten von W&W entwickelte sich 2008 unterschiedlich: Das Volumen
Hauptgründe für diesen Rückgang seien
höhere Belastungen aus Refinanzierungen,
zusätzliche Absicherungskosten und Abwertungen von Kapitalanlagen.
Alexander Erdland, der W&W-Vorstandsvorsitzende.
Sitz der W&W-Konzernzentrale in
Stuttgart.
Fotos: W&W
der neuen Lebensversicherungsverträge
wuchs – im Vergleich zu 2007 – um 2,6 %
auf 3,1 Mrd. Euro. Bei der Sparte Krankenversicherung nahm das Volumen des Neugeschäfts sogar um 31 % zu. In den Sparten
Schaden- und Unfallversicherung blieb der
Umfang der 2008 neu abgeschlossenen
Verträge dagegen geringfügig unter dem
Niveau von 2007. Trotz der Turbulenzen
auf den Anlagemärkten entwickelte sich
2008 auch das W&W-Fondsgeschäft positiv.
Beim Ergebnis nach Steuern hinterließ
die Finanzmarktkrise deutliche Spuren: Es
sank um 55 % von 146 auf 65,5 Mio. Euro.
sicherung AG (ARA) mit der Württembergischen Lebensversicherung AG verschmolzen. 2005 erwarb die W&W AG die Karlsruher Versicherungsgruppe, deren Markennamen „Karlsruher“ aber erhalten blieb.
Mehrheitsaktionär der W&W AG ist mit
69,7 % der Anteile die Wüstenrot Holding
AG, die ihrerseits zu 100 % der gemeinnützigen Wüstenrot-Stiftung gehört. 9,9 %
der W&W-Aktien gehören der Landesbank
Baden-Württemberg (LBBW), 7,5 % der italienischen Großbank UniCredito, 4,9 % der
Schweizer Rückversicherung SwissRe. Die
übrigen 8 % Aktien sind Streubesitz.
Um das zu tragen, muss man schon
exzellent sein.
Fusion zweier Traditionsmarken
Die Wüstenrot & Württembergische AG
(W&W AG) entstand 1999 als Dachgesellschaft zweier Traditionsunternehmen: der
1921 als „Gemeinschaft der Freunde Wüstenrot“ gegründeten, nach einem kleinen
Dorf bei Heilbronn benannten ältesten
deutschen Bausparkasse und der 1928 gegründeten Württembergischen Versicherung AG („Der Fels in der Brandung“). 2001
wurde die Leonberger Bausparkasse auf die
Bausparkasse Wüstenrot fusioniert, 2002
die Allgemeine Rentenanstalt Lebensver-
13
Barmenia | Im Wettbewerb gut aufgestellt
D
ie Kosten im Gesundheitswesen
steigen und steigen. Während aber
die gesetzliche Kasse von der Politik vielerlei Möglichkeiten eingeräumt
bekommen hat, sich dagegen zu wehren,
verweigert es die Politik der privaten Krankenversicherung, vergleichbare kostensenkende Strategien anzuwenden. Die Privaten müssen also schon versuchen, irgendwelche Schlupflöcher zu finden, die
es ihnen doch ermöglicht, den Preissteigerungen einigermaßen Herr zu werden.
Die Barmenia Versicherungsgruppe – ein
Krankenversicherer mit langer Tradition,
der irgendwann auch mit der Lebens- und
Sachversicherung anfing – kooperiert deshalb in Berlin seit Jahresmitte 2008 mit einem Versorgungszentrum, MediPlaza, das,
wie in solchen Zentren üblich, ergänzende
medizinische Leistungen anbietet. Die
Spanne reicht vom Hausarzt bis zum Spezialisten, von der Pflege bis zur Apotheke,
und dies alles unter einem Dach. Was nun
das Besondere des Barmenia Service ausmacht, ist die Tatsache, dass deren Kunden
Termine binnen einer Viertelstunde und
Facharzttermine binnen 48 Stunden bekommen oder auch dass ihnen BusinessSprechstunden zwischen 12.00 und 15.00
Uhr mit maximal 10 Minuten Wartezeit angeboten werden und natürlich auch Familiensprechstunden. Der besondere Pfiff:
Das Ärzteteam hat Abrechnungspreisen
zugestimmt, die unter jenen liegen, die ansonsten für Privatpatienten üblich sind.
Die Sache ist also für alle drei Beteiligten
vorteilhaft. Weitere Kooperationen in Bochum und in Koblenz, sozusagen in der
Höhle des Löwen – sitzt in Koblenz doch der
Marktführer Debeka –, sind vorgesehen.
Die Wuppertaler haben hierzu auch ein
Barmenia-Leistungsmanagement eingeführt, von dem sie überzeugt sind, dass es
eine Win-win-Situation für die Beteiligten
darstellt. So begleiteten sie seit der Einführung mittlerweile rund 1 700 Fälle mit
schweren akuten neurologischen Erkrankungen, davon im Berichtsjahr rund 200.
Sie erreichten damit, dass bei angemessener Heil- und Hilfsmittelversorgung die
Verweildauer verkürzt werden konnte. Der
Vorstandsvorsitzende Josef Beutelmann
bezifferte in der Bilanzpressekonferenz in
Wuppertal die damit im Berichtsjahr 2008
eingesparte Summe auf 4,15 Mio. Euro.
Doch dies ist nur eine Maßnahme, weitere
Ansatzpunkte zu Einsparungen auf der
Leistungsseite wie Disease-Management
und Rechnungsprüfung sollen die Kosten
weiter senken. Alles in allem hat die Barmenia Krankenversicherung im Berichtsjahr 22,6 Mio. Euro eingespart. Besonders
hob Beutelmann hervor, dass es erstmals
gelungen sei, mit einem Hersteller von Originalpräparaten eine Vereinbarung über
ein Arzneimittelmanagement zu treffen.
Insgesamt steigerte die Barmenia-Gruppe ihre Beitragseinnahme um 4,6 % auf 1,5
Mrd. Euro, während die Branche nur eine
Rate von 1,1 % erreichte. Hierzu steuerte
der Krankenversicherer mit knapp 1,3 Mrd.
82 % bei. Dieser ist auch der Wachstumsträger der Gruppe, der mit 5,8 % doppelt so
schnell zulegte wie die private Krankenversicherung insgesamt (plus 2,9 %). Der
Anstieg resultiert bei der Barmenia allerdings zu drei Vierteln aus Prämienerhöhungen, nur ein Viertel trugen neue Kunden bei, in der Branche liegt die Relation
etwa bei fifty-fifty. Die Kundenzahl stieg
zwar netto, also als Saldo aus Zu- und Abgängen, um 85 000 auf gut 1,2 Mio., doch
ausschließlich bedingt durch Neukunden
mit Zusatzversicherungen. Die Zahl der
Vollversicherten ist dagegen geringfügig,
um rund 800 Personen, zurückgegangen.
Im laufenden Jahr sieht Beutelmann
wieder Chancen, in der Krankenversicherung Vollkunden zu gewinnen, da die
meisten gesetzlich Versicherten seit Jahresbeginn bei weiter verringerten Leistungen
mit deutlich gestiegenen Beiträgen konfrontiert sind. Auch können gesetzlich Versicherte, die erstmals 2006 über der Jahresentgeltgrenze verdient haben, im laufenden Jahr zur privaten Krankenversicherung
wechseln. Insgesamt sieht Beutelmann die
Gruppe im Wettbewerb gut aufgestellt und
gegen die Krise mit betont konservativen
Prinzipien gut gewappnet.
kb
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FINANZEN & BÖRSE
14 WirtschaftsKurier
APRIL 2009
Gut durch die Krise gekommen
Wetterfest in der Flaute
Münchener Rück | Turbulentestes Jahr der jüngeren Geschichte
Allianz Deutschland | Hohe Erwartungen ans KKH-Bündnis
VON PAUL KELLENBENZ
I
m wohl turbulentesten Jahr in der jüngeren Geschichte der Münchener Rück
wurden, so der Vorstandsvorsitzende
Nikolaus von Bomhard in der Bilanzpressekonferenz in München, die ambitionierten Ziele für 2008 nicht erreicht. Allerdings
habe man diese unter ganz anderen Rahmenbedingungen formuliert, als sie sich
im Gefolge der Finanzkrise ergaben. Doch
sei die Münchener Rück gut durch die Krise gekommen, wie insbesondere ein Vergleich mit den Wettbewerbern zeige. Mit
einem Gewinn von 1,5 (3,9) Mrd. Euro
müsse sich die Münchener Rück keineswegs verstecken, unter den gegebenen
Umständen sei der Jahresüberschuss ein
respektables Ergebnis. Als wichtigste Ziele
des Unternehmens in der Krise bezeichnete von Bomhard Erhalt und Sicherung
des Kapitals. Eine klare Absage erteilte er
deshalb einer Politik erhöhter Risikobereitschaft. Deshalb auch habe man das Ziel
aufgegeben, bis zum Jahr 2010 einen Gewinn von 18 Euro je Aktie zu erreichen.
Jedoch werde das Ziel beibehalten, über
den Zyklus hinweg auf das risikoadjustierte Eigenkapital (RoRaC) einen Ertrag von
15 % zu erwirtschaften. Unter den heutigen
Rahmenbedingungen erscheine dies allerdings viel ehrgeiziger als noch vor ein,
zwei Jahren. Im Berichtsjahr ist diese
Kennziffer nach Steuern auf 6,9 (20,2) %
gesunken. Gleichwohl wird der Hauptversammlung eine unveränderte Dividende von 5,50 Euro je Aktie vorgeschlagen
werden.
In der Tatsache, dass die Münchener
Rück bislang viel besser durch die Krise
gekommen ist als die Wettbewerber, sieht
von Bomhard eine Bestätigung dafür, dass
man sich auf seine Kernkompetenzen, die
Rück- wie die Erstversicherung und die
Gesundheitspolitik, beschränkt habe. Gebe
es bei Versicherern Probleme, so hätten
diese meist ihre Ursache darin, dass sie
sich auf versicherungsfremdes Terrain begeben hätten. Und falls dem einen oder
anderen Versicherer geholfen werden müsse, brauche das ja keineswegs immer durch
den Staat geschehen. Im kritischen Umfeld könne die Hilfe auch vom Rückversicherer kommen.
Finanzchef Jörg Schneider berichtete,
dass das Eigenkapital im Jahresverlauf zügig sank, im vierten Quartal dann aber stabil blieb. Insgesamt verringerte es sich um
knapp 4,2 Mrd. Euro auf 21,3 Mrd. Euro,
doch bleibe die Kapitalausstattung weiter-
hin solide, die Solvency-Quote von 264 %
hält er für vollkommen ausreichend. Die
Aktienquote zu Marktwerten insgesamt
wurde von 13,8 % zu Jahresbeginn auf
11,6 % beziehungsweise 11,4 % Ende des
ersten beziehungsweise zweiten Quartals
abgebaut. Ende des dritten Quartals 2008
lag sie bei 9,3 % und am Jahresende bei
3,6 %. Da gleichzeitig aber verstärkt gehedged wurde, sank die Quote der nicht
gesicherten Aktien (einschließlich Investmentfonds und Beteiligungen) von 10,8 %
auf 1,7 %. Gefragt, ob die zweite Aktienkrise in diesem Jahrzehnt die Bedeutung der
Aktie in der künftigen Anlagestrategie verändere, betonte von Bomhard, dass dies in
der Tat so sei: „Die Aktie hat an Boden verloren und sie wird das nicht wieder gutmachen.“
sie sich von 96,4 % auf 99,5 %, bedingt vor
allem durch hohe Schäden, die größten
waren die Wirbelstürme Ike und Gustav.
Der für das Rückversicherungsgeschäft
zuständige Torsten Jeworrek beschrieb das
Geschäftsmodell des Rückversicherers dahingehend, dass es dessen Aufgabe sei,
Schuldner zu sein. Er bekomme Geld, das
er in den folgenden Jahren im Zuge der
Schadenregulierung sukzessive abstottere.
Die Münchener Rück habe ihre dabei über
lange Jahre hinweg aufgebaute Reputation
im Berichtsjahr weiter signifikant stärken
können. Diese Führungsposition soll weiter ausgebaut werden durch Finanzstärke,
klare Strategie und schlagkräftige Organisation. Hierzu werden Rezessionsszenarien
analysiert, wozu auch die Annahme einer
mehrere Jahre anhaltenden schweren welt-
Die Wirbelstürme Ike und Gustav waren im Jahr 2008 eine Herausforderung für
die Rückversicherer.
Foto: Münchener Rück
Die laufenden Kapitalerträge aus dem
Kapitalbestand von 177 (176) Mrd. Euro
Ende des Berichtsjahres beliefen sich auf
7,8 Mrd. Euro, das entspricht einer Rendite
von 4,6 %. Nach Abschreibungen von 7,2
Mrd. Euro, davon 4,9 Mrd. auf Aktien, Zuschreibungen von 4,3 Mrd., Gewinnen
aus dem Abgang von Kapitalanlagen von
2,1 Mrd. sowie sonstigen Aufwendungen
von 1,3 Mrd. verbleibt ein Anlageergebnis
von 5,8 Mrd. Euro, die Rendite verringert
sich dadurch auf 3,4 %.
Die Beitragseinnahme stieg insgesamt
um 1,5 % auf 37,8 Mrd. Euro. Das Rückversicherungsgeschäft steuerte hierzu mit einem Plus von 1,2 % 21,8 Mrd. Euro bei, die
Erstversicherungsgruppe Ergo 17,4 Mrd.,
dies entspricht einem Anstieg um 0,7 %.
Die Schaden-/Kostenquoten entwickelten
sich gegenläufig, in der Erstversicherung
verbesserte sie sich von 93,4 % auf 91,2 %,
in der Rückversicherung verschlechterte
weiten Wirtschaftskrise gehört. Am Underwriting wie am Risikomanagement soll
weiter gefeilt werden im Sinne einer profitablen Portefeuille-Steuerung und der
Vermeidung von Verlustrisiken. Andererseits sollen ertragreiche Geschäftschancen
ergriffen werden, seien es solche, die aus
der Krise resultieren, sei es in Nischensegmenten.
Jeworrek sieht klare Zeichen für eine
günstige Entwicklung. Insbesondere geht
er davon aus, dass dem Rückversicherer
zur Entlastung der Erstversicherer auf der
Kapitalseite wachsende Bedeutung zukommt. Als weitere Programmpunkte führte er unter anderem an, das Portefeuille
durch Rückzug aus nicht mehr profitablem
Geschäft zu verbessern und die Kernkompetenzen in benachbarten Bereichen zu
nutzen. Eines werde es allerdings nicht geben, nämlich Wetten darauf einzugehen,
dass es bald besser werden könnte.
B
ei der Präsentation der Zahlen der
Allianz Deutschland AG (ADAG)
konnten Vorstandsvorsitzender Dr.
Gerhard Rupprecht und Finanzvorstand
Rainer Schwarz auf ein relativ erfolgreiches
Geschäftsjahr zurückblicken. Bis auf den
Bereich Kfz-Versicherung war der Konzern
in 2008 weitgehend gut aufgestellt. Das
operative Ergebnis konnte – trotz zahlreicher Unwetter und Großschäden – zum
dritten Mal in Folge auf 2,2 Mrd. Euro (plus
3,7 %) bei nahezu konstanten Beitragseinnahmen in Höhe von 26 Mrd. Euro zulegen. Der Jahresüberschuss stieg sogar auf
2,3 Mrd. Euro (plus 19,2 %). Beim Ausblick
für das Jahr 2009 hob Rupprecht zum einen die Kooperation der Allianz Private
Krankenversicherung mit der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) und zum ande-
zum einen daran, dass die hohen Benzinpreise viele dazu zwingen, ihr Auto stehen
zu lassen, und zum anderen werden auch
die Kunden der Allianz älter und damit
umsichtiger. Man wolle auch nicht um
jeden Preis den Marktanteil im Segment
Autoversicherung halten. In gesättigten
Märkten findet Wettbewerb nur über den
Preis statt und passe damit nicht ins Nachhaltigkeitskonzept der Allianz.
Lebensversicherungen im Fokus
Im Segment Leben stieg die Beitragssumme im Neugeschäft um 17,7 %, die Neuund Mehrbeiträge sanken jedoch um 1,7 %
auf 4,9 Mrd. Euro, was vor allem am Rückgang der Einmalbeiträge liegt. Hiervon
ist die Allianz besonders betroffen, da sie
einen Marktanteil bei der betrieblichen
Allianz-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerhard Rupprecht (rechts) und -Finanzvorstand Rainer Schwarz bei der Bilanzpressekonferenz in München.
Foto: Allianz
ren die Neuordnung des Bankgeschäfts
nach Verkauf der Dresdner Bank hervor.
Wegen der erreichten Kosteneinsparungen durch die „gründliche Renovierung des
Hauses“ im Zuge der Neuordnung des Geschäftsmodells, so Rupprecht, habe man
alle Voraussetzungen geschaffen, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen.
Denn diese ist auch an der Allianz nicht
spurlos vorbeigegangen. Besonders die geringere Zahl der Kfz-Neuzulassungen und
die Tatsache, dass die Menschen immer
weniger Auto fahren, senkten die Beitragseinnahmen im Jahr 2008 erheblich um
3,9 % auf 3,4 Mrd. Euro. Zwar spüre man,
dass die Abwrackprämie auch im Versicherungsgeschäft ankomme – die Allianz hat
in den ersten drei Monaten dieses Jahres
30 % mehr Versicherungsangebote berechnet als im Vorjahreszeitraum –, jedoch
würden die Kunden immer höhere Schadensfreiheitsrabatte erreichen. Dies liegt
Altersversorgung von 30 % hält. Das Absinken der Neu- und Mehrbeiträge kommt
zustande, da angesichts der gegenwärtigen
Wirtschaftslage einige Firmenkunden die
externe Ausfinanzierung ihrer Pensionsverpflichtungen vorübergehend zurückgestellt haben. Insgesamt muss im Bereich
Leben zwar ein auf 620 Mio. Euro (minus
15,7 %) gesunkenes operatives Ergebnis
hingenommen werden, es ergab sich aber
dennoch ein Jahresüberschuss von 407
(472) Mio. Euro. Rupprecht ist sich sicher,
dass 2009 das Thema Lebensversicherung
wieder verstärkt in den Fokus rücken wird,
da diese den Kunden das Gefühl einer
sicheren Anlageform gibt. Hier habe sich
bewährt, dass die Allianz eine sicherheitsorientierte Anlagepolitik betreibt und dadurch Vertrauen aufbauen konnte. Rupprecht hierzu: „Wir wollen im wahrsten
Sinne des Wortes ,langweilig‘ sein, um unsere Kunden über eine lange Weile hinweg
vor bösen Überraschungen zu schützen.“
Bei der Schaden- und Unfallversicherung musste ein kleines Minus bei den Beitragseinnahmen hingenommen werden
(minus 0,9 % auf 9,3 Mrd. Euro). Aufgrund
der Unwetter des vergangenen Jahres wurden über 440 Mio. Euro für die Reparatur
von Unwetterfolgeschäden aufgebracht.
Mit neuen Produkten erhofft sich Rupprecht, wieder mehr Neukunden begeistern
zu können. So ist beispielsweise die Tierkrankenversicherung sehr erfolgreich angelaufen. Seit dem Start im Juli 2008 wurden schon 7 000 Kunden akquiriert.
Die private Krankenversicherung der Allianz – für Menschen – konnte sich bei den
Beitragseinnahmen im Vergleich zum Vorjahr mit 3,1 Mrd. Euro fast auf gleichem
Niveau halten. Die Folgen des Wettbewerbsstärkungsgesetzes spüre man vor allen Dingen im Neugeschäft (minus 6 %),
jedoch sei eine Verbesserung zum Vorjahr
erkennbar (2007: minus 16,9 %).
Ein strategisches Bündnis soll künftig
der Privaten Krankenversicherung der Allianz (APKV) wieder zu neuem Schwung
verhelfen. Zum 1. April 2009 fusionierten
die BKK Allianz und die Kaufmännische
Krankenkasse (KKH) und wollen so mit
2 Mio. Mitgliedern ihre Stärken auf dem
deutschen Krankenversicherungsmarkt
ausbauen. Die Verzahnung von gesetzlicher und privater Kasse soll den gesetzlichen Kunden das optimale private Zusatzpaket bieten. Auch bei Gesundheitsprogrammen wird künftig zusammengearbeitet. Dies bedeute keineswegs eine Abkehr
von der privaten Vollversicherung seitens
der Allianz, man sehe es aber als Pflicht
an, sich „gegen staatlichen Dirigismus zu
wehren, der versucht, unser Geschäftsmodell infrage zu stellen“.
Mit Spannung wurden die Ausführungen zum Thema Neuordnung des Bankgeschäfts erwartet. Nach dem Verkauf der
Dresdner Bank möchte die Allianz auch
weiterhin an ihrem integrierten Beratungsansatz festhalten, weshalb die Allianz Bank
zukünftig eine Zweigniederlassung der Oldenburgischen Landesbank AG (OLB) sein
wird. Da die OLB als Universalbank bereits
eine Banklizenz besitzt, muss die Allianz
Bank keine bei der BaFin beantragen. Die
OLB ist eine private Bank, die im Nordwesten Deutschlands 173 Niederlassungen
hat. Rupprecht hofft, dass ein Großteil der
rund 1 Mio. Bankkunden der Dresdner
Bank den Weg mit zur OLB gehen, schließlich würde weiterhin alles „unter dem
blauen Adler stattfinden“.
cm
Nur klassische Finanzierungen
Renaissance einfacher Produkte
Münchener Hypothekenbank | Personalaufstockung wegen höherem Neugeschäft
HypoVereinsbank | Einbindung in die UniCredit-Gruppe ist ein Erfolgsfaktor
W
ährend viele Finanzdienstleister
im Jahr 2008 Hiobsbotschaften
verkünden mussten, punktet die
Münchener Hypothekenbank mit erfreulichen Nachrichten. Das Fachmagazin „International Financing Review“ (IFR) verlieh ihr den Preis „Covered Bond of the Year
2008“ und die Jury des FMH-Awards honorierte die Produktinnovationen mit dem
Preis für die innovativste deutsche Bank
des Jahres. Doch der Finanzmarktkrise und
deren Folgewirkungen konnte sich auch
die Münchener Hypothekenbank nicht
entziehen. Der Jahresüberschuss betrug
10,2 Mio. Euro und hat sich damit im Vergleich zum Vorjahr um 15 % reduziert. Die
Ursachen dafür waren eine höhere Risikovorsorge sowie gestiegene Personalkosten.
Der Vorstandsvorsitzende Erich Rödel
zeigte sich auf der Bilanzpressekonferenz
zufrieden und bestätigte, dass im Branchenvergleich ein stabiles Ergebnis erzielt
wurde. „Wir haben in unserer Geschäftsstrategie stets auf die klassische Immobilienfinanzierung gesetzt und uns nicht in
toxischen Produkten engagiert. So konnten
wir die Auswirkungen der Finanzmarktund Wirtschaftskrise auf unser Geschäftsergebnis im vergangenen Jahr begrenzen“,
sagte Rödel.
Neugeschäft steigt weiter an
Trotz der turbulenten Marktbedingungen
stieg das Neugeschäft sowohl im privaten
Wohnungsbau als auch in der gewerblichen Finanzierung. Das Neugeschäft
nahm um 20 % auf 4,1 Mrd. Euro zu. Auch
bei den Hypothekenbeständen konnte um
1,9 Mrd. Euro aufgestockt werden. Das
Wachstum des Hypothekenneugeschäfts
und die Rückzahlung eines in 2009 fälligen öffentlichen Jumbo-Pfandbriefs hoben
die Bilanzsumme auf 36,1 Mrd. Euro.
Die Folgen des Zusammenbruchs von
Lehman Brothers waren für die Münchener Hypothekenbank vor allem im Passivgeschäft spürbar. Die problematischen Bedingungen auf den Geld- und Kapitalmärkten erschwerten deutlich die Refinanzierungsmöglichkeiten der Bank.
Vor dem Hintergrund der noch andauernden Finanzmarktkrise wagte der Vorstandsvorsitzende keine Prognose für 2009.
„Wir werden im Jahr 2009 auf Sicht fahren.
Unser vorrangiges Ziel ist es, die Beziehungen zu unseren Partnerbanken, gewerblichen Kunden und Investoren intensiv zu
pflegen und weiter zu festigen“, so Rödel.
Die Münchener Hyp wird im vorliegenden
Jahr eine vorsichtige Geschäftspolitik verfolgen und diese an die Situation auf den
Kapital- und Immobilienmärkten anpassen. Eine Normalisierung der Refinanzierungsmöglichkeiten sei nach Rödel zwar
noch nicht eingetreten, aber dennoch sei
eine gewisse Entspannung erkennbar. pht
Enttäuschte Kunden geworben
Privatbank Reuschel & Co. | Selbstständig unter dem Dach der Commerzbank
U
nter dem Dach der Commerzbank
bleibt die Münchner Privatbank
Reuschel & Co. auch weiterhin
operativ eigenständig. Diese Selbstständigkeit unterstrich Patrick Tessmann, persönlich haftender Gesellschafter und Sprecher
der Geschäftsleitung, ausdrücklich bei der
Vorstellung der Geschäftsergebnisse des
Jahres 2008. Anfang des Jahres 2009 wurde
die bisherige Muttergesellschaft von Reuschel, die Dresdner Bank, von der Commerzbank übernommen. Hinweise über
einen Verkauf durch die Commerzbank
gibt es derzeit nicht, so Tessmann.
Trotz der verheerenden Auswirkungen
der Finanzkrise hat Reuschel & Co. das
Geschäftsjahr 2008 mit einem positiven
Ergebnis abgeschlossen. Der Jahresüberschuss blieb mit 8,8 Mio. Euro erwartungsgemäß unter dem Rekordwert des Vorjahres (18,1 Mio. Euro). Auch das Betriebsergebnis hat sich auf 10,2 Mio. Euro redu-
ziert, im Vorjahr betrug das Ergebnis noch
20,3 Mio. Euro. Alles in allem wertet die
Geschäftsleitung die Ergebnisse in wirtschaftlich turbulenten Zeiten an den Finanzmärkten als durchaus zufriedenstellend. „Trotz der dramatischen Verschlechterung des wirtschaftlichen Umfelds und
der entstandenen Vertrauenskrise konnten
wir dennoch weiter wachsen: Wir haben
200 neue Zielkunden gewonnen und ein
Kundengeschäftsvolumen von über 350
Mio. Euro eingeworben“, erklärte Tessmann im Pressegespräch. Die Münchner
Privatbank habe in der Krise noch eher an
Vertrauen gewonnen, denn viele Neukunden haben sich enttäuscht von ihren bisherigen Banken abgewandt.
Die Ergebnisse im ersten Quartal 2009
sind erfreulich: Der operative Gewinn ist
um 20 % auf 5 Mio. Euro gestiegen. Die Finanzkrise wird den Privatbank-Sektor zwar
auch in diesem Jahr weiter belasten, aber
dennoch zeigt sich die Geschäftsführung
zuversichtlich. Das erfolgreiche Ergebnis
der ersten drei Monate könne zwar nicht
auf das Gesamtjahr hochgerechnet werden, aber das Betriebsergebnis von 2008
soll gehalten werden.
Reuschel & Co. verwaltet derzeit 2 Mrd.
Euro für 19 200 Kunden. Vermögende Privatleute, mittelständische Unternehmen
und Stiftungen zählen zu den Hauptkunden der Bank. Die risikominimierende Anlegung der Kundengelder hat sich im Krisenjahr als kluge Strategie erwiesen. Mehr
als 70 % der Erträge werden im direkten
Kundengeschäft erzielt. „In Produkte, die
wir nicht verstehen, investieren wir auch
nicht. Die Sicherheit der Kundeneinlagen
hat bei uns höchste Priorität“, erklärte
Tessmann der Presse. Die Bank halte auch
keine riskanten Positionen im Bestand und
mache auch keine Experimente im Eigenhandel.
pht
D
ie erste Bilanzpressekonferenz als
neuer Vorstandssprecher der HypoVereinsbank hätte sich Dr. Theodor Weimer bestimmt anders gewünscht.
Der internationalen Finanzkrise und deren schwerwiegenden Folgen konnte sich
auch das Münchner Institut nicht entziehen. Für das Geschäftsjahr 2008 wies die
HVB Group einen Verlust nach Steuern
und Fremdanteilen von 671 Mio. Euro aus.
Zum Vergleich: Im Vorjahr erzielte die HVB
Group – unter wesentlich besseren Rahmenbedingungen – einen Gewinn von
über 2 Mrd. Euro. Das operative Ergebnis
in 2008 belief sich auf plus 453 Mio. Euro,
die operativen Erträge lagen allerdings mit
knapp 4 Mrd. Euro deutlich unter dem
Vorjahr.
Doch Weimer zeigte sich auf der Jahrespressekonferenz zuversichtlich: „Auch
wenn uns das Ergebnis für das Geschäftsjahr 2008 insgesamt sicherlich nicht zufriedengestellt hat, hat sich unsere Bank im
vergangenen Jahr angesichts der globalen
Finanz- und Wirtschaftskrise solide entwickelt und vergleichsweise gut behauptet.“ Mit einem tragfähigen sowie gut diversifizierten Geschäftsmodell ist die HypoVereinsbank ordentlich aufgestellt. Die
Kernkapitalquote belief sich zum Jahresende 2008 auf 14,3 % und kann sich somit
auch im internationalen Vergleich sehen
lassen. Die Einbindung der HypoVereinsbank in die UniCredit-Gruppe sei eine gute
Basis, um Marktchancen effektiv zu nutzen
und mögliche Risiken zu reduzieren, so der
Vorstand. Weimer betonte, dass die Integration in den italienischen Finanzkonzern
eine entscheidende Stütze zur Überwindung in der aktuellen Krise sei.
Für die HypoVereinsbank besteht kein
Bedarf an Finanzmitteln aus dem Rettungspaket des Bundes. Weimer begrüße
zwar entsprechende Programme, warnte
aber auch vor Wettbewerbsverzerrungen.
Das staatliche Handeln solle sich auf
das Notwendige beschränken. Mit rund
2 Mrd. Euro gehört die HypoVereinsbank
zu den größten Kreditgebern der Schaeffler-Gruppe. Bislang wurden noch keine
Abschreibungen auf das Engagement bei
dem Autozulieferer vorgenommen. Der
HypoVereinsbank-Chef sieht dafür keine
Notwendigkeit.
HypoVereinsbank-Chef Dr. Theodor
Weimer.
Sitz der HypoVereinsbank in München.
Fotos: HypoVereinsbank
Die Divisionen Privat- und Geschäftskunden und Wealth Management haben
sich trotz verschärfter Marktbedingungen
gut entwickelt und positive Ergebnisse
vor Steuern erzielt. Auch die Division Firmen- & Kommerzielle Immobilienkunden
kann auf einen zufriedenstellenden Geschäftsverlauf mit spürbaren Ertragssteigerungen zurückblicken. Im Bereich Markets & Investment Banking wurde dagegen ein Verlust vor Steuern in Höhe von
2 031 Mio. Euro verzeichnet. Im Rahmen
der Restrukturierung des Investment Banking sollen gruppenweit 700 Stellen, davon
allein 400 in der HypoVereinsbank, abgebaut werden. Insgesamt plant die HypoVereinsbank bis 2010 einen Stellenabbau
von rund 2 500 Stellen. Zudem werden
erstmals keine Boni in der Division
Markets & Investment Banking gezahlt.
Weimer erklärte diese Entscheidung mit
der Ergebnisentwicklung der Division und
dem Unternehmensgrundsatz: „Wo Verluste anfallen, können auch keine Boni
verteilt werden.“
Weimer wagte einen vorsichtigen Ausblick auf die Geschäftsentwicklung in diesem Jahr: „Auch in den nächsten Monaten
rechnen wir mit schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die unsere
Kunden und die Bankenbranche weiterhin vor große Herausforderungen stellen
werden.“ In diesem Zusammenhang sei
eine Anpassung der Division Markets &
Investment Banking an die veränderten
Marktbedingungen unerlässlich. Die Division ist trotz der notwendigen Neustrukturierung ein wichtiger und strategischer
Baustein sowohl für die HypoVereinsbank
als auch für die UniCredit-Gruppe. Das
Investment Banking soll in der neuen
Aufstellung dafür gerüstet sein, von der
Erholung der Märkte zu profitieren. Darüber hinaus wäre der Anspruch, eine führende Firmenkundenbank in Deutschland
zu sein, ohne ein kundenorientiertes Investment Banking mit einem direkten
Kapitalmarktzugang nicht einzulösen“, so
Weimer.
Der Vorstand ist jedenfalls optimistisch
und davon überzeugt, das vorliegende
schwierige Jahr 2009 erfolgreich zu meistern. Ein Schwerpunkt wird in der stärkeren Fokussierung der Schlüsselkunden in
den Kernmärkten der UniCredit-Gruppe
liegen. Eine neue strategische Ausrichtung
werde es weder bei der UniCredit-Gruppe
noch bei der HypoVereinsbank geben, so
der Vorstand. An der grundsätzlichen Strategie und am Universalbank-Ansatz wird
nach wie vor festgehalten. Trotz konservativer Planungen werden viele Bereiche
neue und ungewöhnliche Lösungsansätze
erfordern. Weimer prophezeit niedrigere
Renditeziele und eine Renaissance einfacher und verständlicher Produkte.
pht
FINANZEN & BÖRSE
APRIL 2009
WirtschaftsKurier
Kreditangebot ist größer als die Nachfrage
Kein „Aufhübschen“
der Bilanzzahlen
Genossenschaftsbanken | Bislang musste kein Institut unter den staatlichen Schirm
VON ULRICH HOTTELET
M
it einem Jahresüberschuss vor
Steuern von 1,9 Mrd. Euro im
Jahr 2008 behaupten sich die
1 197 Volksbanken und Raiffeisenbanken
im Gegensatz zu vielen ihrer Wettbewerber
in der Finanzkrise erfolgreich. Allerdings
hat sie ihre Spuren bei den Abschreibungen auf Wertpapiere hinterlassen. So mussten die Genossenschaftsbanken zur Risikovorsorge 2,2 Mrd. Euro Abschreibungen
auf Wertpapiere vornehmen. Wie der Präsident des Bundesverbands der Deutschen
Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR),
Uwe Fröhlich, sagte, machte „der überwiegende Teil“ Kurswertabschreibungen und
ein „mittlerer dreistelliger Millionenbetrag“ Abschreibungen wegen Bankpleiten
wie Lehman Brothers und isländischer
Kreditinstitute aus. Einen großen Teil der
Gelder werde man jedoch bei Fälligkeit
der Papiere wieder wettmachen. Der Jahresüberschuss nach Steuern reduzierte
sich um 25 % auf 1,4 Mrd. Euro. Ohne Berücksichtigung der Abschreibungen erwirtschafteten die Kreditgenossen operativ
ein fast stabiles Teilbetriebsergebnis von
4,2 Mrd. Euro.
„Die Kreditgenossenschaften erweisen
sich in der Finanzmarktkrise als wichtige
Stütze der deutschen Kreditwirtschaft.
Nach wie vor muss keine Ortsbank wegen
der Finanzkrise staatliche Stützungsmaßnahmen oder auch nur Hilfen der Sicherungseinrichtung des BVR in Anspruch
nehmen“, betonte Fröhlich. Lediglich bei
der Zentralbank DZ Bank könnte es notwendig sein, vorübergehend Instrumente
zur Eigenkapitalentlastung bereitzustellen,
was gegenwärtig noch geprüft werde.
„Unsere Banken verwenden ihre Mittel vor
Ort im unmittelbaren Kundengeschäft und
nicht in intransparenten und riskanten
Kreditersatzgeschäften.“ Im Vergleich zu
anderen Bankengruppen seien die Genossenschaftsbanken in der Krise am erfolgreichsten gewesen.
Ihr Kreditgeschäft steigerten die Volksund Raiffeisenbanken in 2008 um 2,7 % auf
377 Mrd. Euro. Bei den mittelständischen
Gewerbekunden stieg der Marktanteil der
Genossenschaftsbanken auf 26 %. Fröhlich: „Der Mittelstand nimmt wahr, dass
wir die Bankengruppe sind, die maßgeblich zur Kreditversorgung in der Krise beiträgt. Noch immer würden wir allerdings
gern mehr Kredite an unsere Zielgruppe –
solide kleine und mittlere Unternehmen –
vergeben, als aktuell nachgefragt werden.“
Im Kreditgeschäft mit Privatkunden haben
die Genossenschaftsbanken inzwischen
ein Fünftel des Marktes gewonnen.
Auch das Einlagengeschäft florierte. Im
vergangenen Jahr nahmen die Kundeneinlagen bei Volks- und Raiffeisenbanken um
4,5 % auf 461 Mrd. Euro zu. Die sich im
letzten Quartal 2008 verschärfende Finanzmarktkrise sorgte dafür, dass Kunden den
Genossenschaftsbanken vor allem Termineinlagen in erheblichem Maß anvertrauten. Insgesamt stiegen die Verbindlichkeiten gegenüber Nichtbanken einschließlich
Inhaberschuldverschreibungen auf rund
eine halbe Billion Euro.
Trotz der negativen Konjunktur konnten
die Kreditgenossenschaften ihre Rücklagen
weiter dotieren, was zu einer Erhöhung des
bilanziellen Eigenkapitals auf 34,1 Mrd.
Euro führte. Das haftende Eigenkapital
wuchs auf 49,3 Mrd. Euro. Die Eigenkapitalrentabilität vor Steuern betrug im vergangenen Jahr 5,7 %. „Die Rentabilität der
Kreditgenossenschaften ermöglicht ein angemessenes Wachstum am Markt, eine
ausreichende Dotierung des Eigenkapitals
zur Abdeckung der Risiken und eine
marktgerechte Ausschüttung in Form der
Dividende an die Mitglieder“, kommentierte Fröhlich. Für 2009 rechne er trotz
schwer kalkulierbarer Konjunkturaussichten mit einer Ausweitung des Zinsüberschusses, der wichtigsten Ertragsquelle der
Kreditgenossenschaften.
Mit Blick auf den Bankenrettungsplan
der Bundesregierung klagte der Verbandspräsident über eine Wettbewerbsverzerrung. Er warf anderen Instituten vor, die
staatlichen Hilfen und Garantien für Dumpingangebote zu nutzen. „Manche Marktteilnehmer haben aus der Vergangenheit
offenbar nicht gelernt“, ärgerte sich Fröhlich. Sie gingen mit Kampfkonditionen an
den Markt, die sich betriebswirtschaftlich
nicht rechneten. Solche „überzogenen
Renditeversprechen“ könnten Banken nur
einlösen, wenn sie selbst riskante Investments eingingen. Einige Konkurrenten
hätten die Staatsgarantien in Anspruch genommen, um einen besseren Zugang zum
Kapitalmarkt und zu den üblichen Refinanzierungswegen zu bekommen, obwohl
sie über eine solide Eigenkapitalausstattung verfügten, und dann mit aggressiven
Angeboten Marktanteile zu gewinnen. Seine Kritik zielte offenbar auf Institute wie
Ergo-Gruppe | Ehrliche Basis für die Zukunft
A
BVR-Präsident Uwe Fröhlich und Vorstandsmitglied Gerhard Hofmann präsentierten die Geschäftsergebnisse der Volks- und Raiffeisenbanken.
Foto: BVR
die Commerzbank und die Dresdner Bank
sowie die Volkswagen-Bank, die Hilfen aus
dem Bankenrettungsfonds SoFFin in Anspruch nahmen und gleichzeitig Sparer
mit hohen Zinsangeboten lockten. „Die
Folge ist, dass Einlagen von gesunden Banken abgezogen werden und für das Kreditgeschäft mit dem Mittelstand nicht mehr
zur Verfügung stehen“, kritisierte Fröhlich.
Solche Wettbewerbsverzerrungen können
nach seiner Auffassung nur durch gesetzliche Regelungen im Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz verhindert werden. Er unterstrich, dass es im genossenschaftlichen Bankensektor beim Streben
nach Expansion in den verschiedenen Geschäftsfeldern stets um „profitables Wachstum“ gehe.
Die Volks- und Raiffeisenbanken haben
im Privatkundengeschäft nach eigenen Angaben einen Marktanteil von 15 % und liegen damit auf Platz zwei hinter den Sparkassen. Bei Mittelstandskrediten kommen
die Genossenschaftsbanken auf einen Anteil von 26 %. In beiden Segmenten will
man die Marktanteile steigern und baut
darauf, dass das eigene Geschäftsmodell
attraktiver geworden ist angesichts der unsoliden Praktiken mancher Konkurrenten,
die zur Krise beigetragen haben.
Zur geplanten Fusion der beiden genossenschaftlichen Spitzeninstitute DZ Bank
und WGZ Bank unterstrich Fröhlich den
Willen des BVR, diese Anfang April mit einem Verschmelzungsvertrag zu besiegeln,
der rückwirkend zum 1. Januar 2009 gelten
würde. „Gerade in Zeiten wie diesen zeigt
sich, wie wichtig es ist, durch gebündeltes
Auftreten die Wettbewerbsvorteile und die
Anziehungskraft unserer Organisation weiter zu stärken, Synergieeffekte zu nutzen
und gemeinsam Ertrags- und Wettbewerbspotenziale zu erschließen.“
Zum Abschluss der Jahrespressekonferenz nahm BVR-Vorstandsmitglied Gerhard Hofmann Stellung zur aktuellen Diskussion um die Bewältigung der Finanzkrise. Er bezeichnete das Krisenmanagement der Bundesregierung als angemessen und einen „beeindruckenden Beweis
der Handlungsfähigkeit der Demokratie“.
Die Umstände erforderten „sehr unkonventionelle, teilweise vorher unvorstellbare
Maßnahmen“. Er sprach sich für die Einrichtung von institutsspezifischen Bad
Banks aus und begrüßte den Ansatz der
Gipfelteilnehmer des G-20-Treffens, regulierungsfreie Räume zu beseitigen. Nicht
nur die Vergabe von Hypothekarkrediten
in den USA, sondern auch die Hebelgeschäfte von Hedgefonds und der intransparente außerbörsliche Handel mit Credit
Default Swaps hätten die Stabilität des Finanzwesens erschüttert. „Volksbanken und
Raiffeisenbanken wollen angemessen beaufsichtigt werden, das heißt entsprechend
ihrer Risikolage, ihrer Größe, ihrer Rolle für
das Gesamtsystem. Auch eigene Stabilisierungsbeiträge der Genossenschaftsbanken, nicht zuletzt über eine funktionierende Sicherungseinrichtung, sollen berücksichtigt werden. Die Aufsicht darf nicht da
besonders genau überwachen, wo zwar
viel Licht, aber wenig systemisches Risikopotenzial ist, sondern sie muss ihr Augenmerk dorthin richten, wo Größe und Komplexität der Produkte zu Ansteckungsrisiken führen können“, forderte Hofmann.
Nachdruck, dass es ihm hierbei keineswegs
uf Kurs in schwieriger Zeit – so das
darum gehe, den Gewinnrückgang zu relaMotto auf der Bilanzpressekonfetivieren, sondern darum, die Ertragskraft
renz der zur Münchener Rück geder Ergo darzustellen. Und er wies selbst
hörenden Ergo-Gruppe in Düsseldorf.
auf die Schwachstelle dieser Rechnung
Zum Konzern Ergo, der selbst gar kein
hin, nämlich auf die Frage, ob KapitalVersicherungsgeschäft betreibt, gehören
marktrenditen von 4,5 % künftig im „Norals wichtigste Töchter Victoria, Hamburgmalfall“ zu erreichen seien.
Mannheimer, DKV und D.A.S. Der Gewinn
Am stärksten exponiert ist hier die Lefiel drastisch auf nur noch 92 (781) Mio.
bensversicherung mit ihrer Zinsgarantie
Euro im Berichtsjahr. Angesichts der Fiihren Kunden gegenüber von im Durchnanzmarktkrise und der schwierigen Märkschnitt 3,4 %. Hier wiederum sind es insbete wertet Vorstandschef Torsten Oletzky
sondere zwei große Risiken, Kursverluste
das Ergebnis jedoch als zufriedenstellend.
aus der Aktienanlage und eine lang anhalZum Rückgang haben neben Goodwill-Abtende Niedrigstzinsphase. Der Anteil der
schreibungen vor allem die Erträge aus der
Aktien und Beteiligungen an der gesamten
von 102 Mrd. Euro auf 105 Mrd. Euro geKapitalanlage wurde im Jahresverlauf, wie
stiegenen Kapitalanlage beigetragen, diese
Kapitalanlage-Chef Daniel von Borries besind auf 2,9 (5,3) Mrd. Euro gesunken.
richtete, von 12,7 % auf 5,6 % heruntergeDoch sei hierbei zu bedenken, dass die
schleust. Rechnet man jenen Teil heraus,
Ergo ganz bewusst auf die Nutzung von
der abgesichert wurde, sank die Quote von
Bilanzierungsspielräumen verzichtet habe
11,0 % auf 1,0 %. Von Borries: „Wir haben
und mit ihrer konservativen Bewertungszum Jahresende viele
praxis auf finanzielle StärHedges auslaufen lassen
ke und Sicherheit setze.
„Wir haben es
und die Aktien zum abge„Wir haben schonungslos
alles bewertet, wir haben vorgezogen, uns für sicherten Kurs verkauft.“
Hier droht der Ergo keine
keine stillen Lasten in Akdie Zukunft zu
tien nach HGB, wir haben
Gefahr mehr. Etwaige länwappnen, anstatt
keine Bilanzierungsmögger anhaltende Niedrigstlichkeiten zur Aufhübzinsen jedoch sind keinesdem schlechten
schung genutzt“, erklärt
wegs unrealistisch, dann
Ergebnis Reserven nämlich,
Oletzky.
wenn es trotz
Der „Herr über die
hinterherzuwerfen.“ der weltweit immensen
Bücher“, Controlling-VorRolf Ulrich, Control- Konjunkturprogramme
nicht gelingen sollte, die
stand Rolf Ulrich, sagte
ling-Vorstand
Konjunktur wieder in
hierzu: „Wir haben es vorSchwung zu bringen.
gezogen, uns für die ZuDas organische Wachstum liegt Ulrich
kunft zu wappnen, anstatt dem schlechzufolge bei 8,9 %, wozu insbesondere das
ten Ergebnis Reserven hinterherzuwerfen.“
Geschäft in Polen beigetragen habe, das
Er dröselte den Gewinn auf und rechneim Schaden-/Unfallgeschäft auf eine
te die „außerordentlichen“ Komponenten
Wachstumsrate von 30 % komme. Der
heraus. Hierzu zählt er steuerliche SonderSchaden-/Unfallversicherung Deutschland
effekte, die Goodwill-Abschreibung und
zollte Oletzky großes Lob, sie habe ein
sonstige Einmaleffekte, aber auch ein Katolles Ergebnis mit einer tollen Combined
pitalanlageergebnis, wie es sich ergeben
Ratio erwirtschaftet. Diese hat sich von
hätte bei einer auf 4,5 % veranschlagniedrigerem Niveau aus stärker verbessert
ten „nachhaltigen“ Rendite, bezogen auf
als im Markt, nämlich auf 90,9 (93,4) % geden mittleren Kapitalanlagenbestand zu
genüber 95 % nach 95,7 % in der Branche.
Marktwerten. Diese Rendite war im BeFür das laufende Jahr wollte Oletzky anrichtsjahr mit 2,7 (5,2) % deutlich verfehlt,
gesichts der Krise keine Prognose abgeben.
in den drei Jahren zuvor jedoch jeweils, wie
es im Geschäftsbericht heißt, klar überDiese werde sich in der Assekuranz bemerktroffen worden. Nach dieser „als ob“-Rechbar machen. Allerdings geht er davon aus,
nung würde der 2007er-Gewinn von 781
dass sie auch Chancen bietet: „Die Kunden
Mio. Euro auf 492 Mio. Euro sinken und
werden bei der Auswahl ihres Versicherers
der des Berichtsjahrs von 92 Mio. Euro auf
wieder verstärkt auf die Sicherheit achten,
598 Mio. Euro steigen. Ulrich betonte mit
hier sind wir gut aufgestellt.“
kb
Wachstum über Durchschnitt
Bewährungsprobe für Zweitmarkt
Universa | Private Krankenversicherung war der Motor
Fondsbörse Deutschland | Noch ein sehr junger Markt
D
ie Universa Versicherungen mit Sitz
in Nürnberg sind im vergangenen
Jahr trotz Finanzkrise überdurchschnittlich gewachsen. Nach vorläufigen
Zahlen stiegen die Beitragseinnahmen in
der Kranken-, Lebens- und Allgemeinen
Versicherung um 4,1 % auf 572 Mio. Euro –
das Wachstum der Versicherungsbranche
lag nur bei circa 1,5 %. Aufgrund der
schwierigen Rahmenbedingungen sei das
ein hervorragendes Ergebnis, berichtete
Vorstandssprecher Gerhard Glatz. Trotz
des umstrittenen GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes, das den Zugang zur PKV
erschwert, verzeichnete die Universa einen Nettozuwachs von rund 8 000 vollversicherten Personen – damit war die private Krankenversicherung ein Wachstumsmotor.
Konservative Finanzpolitik
zahlt sich aus
Das Kapitalanlageergebnis konnte trotz Finanzmarktkrise auf 143,2 (125,8) Mio. Euro
gesteigert werden. Grund hierfür war, so
Glatz, eine bewusst konservative und um-
sichtige Finanzpolitik. So beinhaltet das
Kapitalanlageportfolio der Universa zum
größten Teil festverzinsliche Wertpapiere
mit Staatsgarantien und hohen Zinskupons. Der Aktienbestand wurde schon
im Jahr 2007 zu Höchstkursen verkauft.
Zur Sicherung der Nachhaltigkeit wurde
verstärkt in privatwohnwirtschaftliche Immobilien in deutschen Großstädten investiert.
Wachstum bei Riester
und Rürup erwartet
Die von der Bundesaufsichtsbehörde für
Finanzdienstleistungen geforderten Stresstests konnten mit deutlicher Überdeckung
bestanden werden. „Die Universa steht in
der aktuellen Finanzkrise höchst stabil da
und ist für die Zukunft gut gerüstet. Die
Rechtsform des Versicherungsvereins auf
Gegenseitigkeit hat sich in Krisenzeiten
wieder einmal bewährt“, erklärte Glatz.
Auch künftig will man weiter als selbstständige Unternehmensgruppe aus eigener Kraft überdurchschnittlich wachsen.
Günstige Absatzchancen sieht Glatz nach
wie vor in der Kranken- und Pflegezusatzversicherung, aber auch in der privaten Altersvorsorge und hier speziell bei der staatlich geförderten Riester- und Rürup-Rente.
Kein Direktvertrieb
Die Universa will auch in Zukunft mit
ihren knapp 1 300 Mitarbeitern im Innenund Außendienst den Wachstumskurs fortsetzen und sich weiter auf das Privatkundengeschäft sowie kleine und mittelständische Betriebe am Wirtschaftsstandort Deutschland konzentrieren. Der Service für Kunden und Vertriebspartner wird
weiter verbessert sowie der eigene Außendienst aufgestockt. Zum Jahreswechsel
wurde der Maklervertrieb in vier Landesdirektionen neu strukturiert. Über die Landesdirektionen werden weit über 5 000 unabhängige Vertriebspartner betreut und
hochwertige Vertriebsservices angeboten.
Einen Direktvertrieb schließt Glatz aus.
„Wir wollen, dass unsere Kunden weiter
persönlich vor Ort von Menschen beraten
und betreut werden, daran wird sich auch
in Zukunft nichts ändern“, so Glatz.
Vertrauensbeweise in der Krise
Stadtsparkasse München | Keine Kreditklemme bei Bayerns größter Sparkasse
D
15
ie Stadtsparkasse München kann
auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr
2008 zurückblicken. Leider hatte
die Erfolgsgeschichte einen Haken: Die
Krise der BayernLB hat Bayerns größter
Sparkasse den Gewinn verdorben. Durch
Abschreibungen wegen der BayernLB
wurde das operative Ergebnis um 36 Mio.
Euro vermindert. Das Betriebsergebnis im
Jahr 2008 nach Bewertung und vor Veränderung von Vorsorgereserven betrug
105 Mio. Euro, im Vorjahr waren es jedoch
125 Mio. Euro. Die Stadtsparkasse der
bayerischen Landeshauptstadt München
sei noch mit einem blauen Auge davongekommen, meinte der Vorstandsvorsitzende Harald Strötgen bei der Jahresbilanzpressekonferenz.
„Den Abschreibungsbedarf für die BayernLB herausgerechnet, haben wir mit
unserer Geschäftstätigkeit zum zweiten
Mal in Folge das beste Ergebnis seit Bestehen des Unternehmens erreicht“, erklärte
Strötgen. Die Gesamtkundeneinlagen im
Jahr 2008 wurden um 7,1 % auf 11,9 Mrd.
Euro gesteigert. Allein im vierten Quartal
2008 konnten 760 Mio. Euro an Einlagen
verbucht werden. Diesen Einlagenzuwachs gerade in der kritischen Phase der
Finanzkrise wertet die Stadtsparkasse als
einen Vertrauensbeweis. Eine Kreditklemme für die Kunden der Stadtsparkasse hat
sich im vergangenen Jahr nicht abgezeichnet. Das Kreditvolumen an Unternehmen
konnte erfreulicherweise um fast 9 % ausgeweitet werden.
Die Bank habe nicht in riskante Finanzprodukte investiert und profitiere deshalb
auch von einem „sicheren Image“ in Finanzfragen, so der Vorstandsvorsitzende.
Bei der Präsentation der Jahresbilanz 2008
wurde unter anderem auch betont, dass
Deutschlands fünftgrößte Sparkasse keine
Subprime-Wertpapiere im eigenen Bestand hält.
Langfristige Bindung
der neuen Firmenkunden
Zu den Ambitionen für das Jahr 2009 zählen neben der langfristigen Bindung von
neuen Firmenkunden sowohl die Haltung
der neu gewonnenen Kundeneinlagen im
Bestand der Stadtsparkasse München als
auch der verstärkte Ausbau im Beratungssegment.
Auch im Bereich des sozialen Engagements war die Bank 2008 sehr aktiv. Mit
ihren Stiftungen hat die Stadtsparkasse
München rund 240 Projekte und Einrichtungen mit 4,8 Mio. Euro unterstützt. pht
VON ALEX GADEBERG*
D
er Zweitmarkt für geschlossene
Fonds ist mit seinen rund zehn Jahren ein sehr junger Markt. Bis 2004
steckte dieser auch noch weitgehend in
den Kinderschuhen, hat sich dann allerdings in rasantem Tempo weiterentwickelt.
Heute ist der Zweitmarkt kaum noch
wegzudenken, denn er bietet Anlegern in
geschlossenen Fonds eine vorzeitige Ausstiegsmöglichkeit aus einer traditionell
langfristigen Anlage. Und genau diese
Möglichkeit ist es, die Investoren zu schätzen gelernt haben.
Im Zuge der Finanzkrise haben sich jedoch auch die Bedingungen am Zweitmarkt verändert. Die Kurse für gebrauchte
Beteiligungen sind seit September 2008
rückläufig und Käufer sind trotz niedriger
Preise wählerisch geworden. Gekauft werden hauptsächlich Fonds, die Perspektive
haben – sei es ein langfristiger Mietvertrag
mit einem guten Mieter bei Immobilienfonds oder ein noch längerfristig verchartertes Schiff im Bereich der Schiffsbeteiligungen. Hochwertige Fonds mit derartigen Bedingungen erzielen nach wie vor
Spitzenpreise.
Vom Verkäufer- zum Käufermarkt
In den ersten Jahren seit Etablierung des
Zweitmarkts nutzten verstärkt Verkäufer
die neue Ausstiegsmöglichkeit aus ihrer
Beteiligung. Die Gründe waren dabei sehr
vielfältig: Von Veräußerungen im Rahmen
persönlicher Notsituationen bis hin zur
Umsetzung von Portfolio-Optimierungen
war alles dabei. Käufer waren vor allem
Institutionelle, die sich gut am Markt auskannten und zum Teil das vorherrschende
Unwissen der Privatanleger ausnutzten.
Die Preise entsprachen oft noch immer
nicht dem realen Wert der Beteiligung,
jedoch war der Zweitmarkt noch zu klein
und unstrukturiert, um diesem Problem
entgegenzuwirken.
Mit steigendem Informationsfluss seitens der Zweitmarktbetreiber und zunehmender Transparenz konnte dieses Problem abgeschafft werden. Privatanleger
hatten plötzlich die Möglichkeit, sich über
die verschiedenen Verkaufsmöglichkeiten
zu informieren, und konnten selbst entscheiden, welchen Weg sie wählten. Dies
führte vor allem dazu, dass sich auch die
Käuferstruktur stark veränderte. So mancher Anleger entschied sich plötzlich bewusst gegen eine Investition am Erstmarkt
und für den Einstieg in eine geschlossene
Beteiligung aus zweiter Hand.
Am Zweitmarkt der Fondsbörse
Beispiel in einen Immobilienfonds, kann er
genau nachvollziehen, ob er in ein Bürogebäude, ein Einkaufszentrum oder aber
mehrere Einkaufszentren investiert. All
diese Angaben sind im Emissionsprospekt
des jeweiligen Fonds exakt ausgewiesen.
Und genau diese Transparenz ist es, die
den geschlossenen Fonds gegenüber anderen Anlageklassen interessant macht.
Immobilien- und Schiffsfonds
kritisch betrachtet
Alex Gadeberg ist Vorstandsmitglied
der Fondsbörse Deutschland Beteiligungsmakler AG.
Foto: FDB AG
Deutschland sind mittlerweile rund zwei
Drittel aller Käufer Privatanleger, die ihr
Portfolio durch geschlossene Fonds aus
zweiter Hand ergänzen. Der Vorteil ist
schnell erklärt. Bei gebrauchten Beteiligungen muss man sich nicht auf die Versprechen des Emissionsprospekts verlassen. Der Erfolg oder Misserfolg einer Beteiligung lässt sich konkret abschätzen, denn
es liegt bereits eine Historie vor, die mittels
Emissionsprospekten, Geschäftsberichten
und Leistungsbilanzen nachzuvollziehen
ist. Anleger können sich ein genaues Bild
über den bisherigen Geschäftsverlauf des
Schiffes oder der Immobilie machen. Besonders für sicherheitsorientierte Anleger
ist dies ein ausschlaggebender Grund, am
Zweitmarkt einzukaufen.
Geschlossene Fonds –
komplex, aber transparent
Aber warum überhaupt in geschlossene
Fonds investieren? Diese Frage ist vor allem angesichts der Marktturbulenzen der
vergangenen Monate einfach zu beantworten. Bei vielen Anlageprodukten wissen
Anleger oft nicht, in was genau sie investiert haben, oder sie verstehen das Produkt
nicht. Bei einem geschlossenen Fonds
handelt es sich jedoch um eine sehr transparente Anlage. Investiert ein Anleger zum
Besonders rein renditeorientierte Beteiligungen sind bei den Käufern begehrt.
Zu diesen beliebten Renditeobjekten gehören auch Immobilien. Auf der einen
Seite ist ihre Bewertung recht einfach
und auf der anderen Seite gibt es trotz
des aktuell schwierigen Marktumfelds
viele Investitionsobjekte mit attraktiven
Renditen. Hochwertige Fonds mit guten
und vor allem langen Mietverträgen sind
dabei besonders interessant, da sie den
Auswirkungen der Krise trotzen. Daher
erzielen gute Immobilienfonds am
Zweitmarkt auch dementsprechend gute
Kurse.
Bei Schiffsbeteiligungen sieht die Situation derzeit etwas differenzierter aus. Der
Schiffsmarkt ist direkt an den Welthandel
gekoppelt. Der Wirtschaftsboom der vergangenen Jahre hat für ständige Auslastung von Containerschiffen und Tankern
gesorgt. Heute liegen viele dieser Schiffe
buchstäblich auf dem Trockenen. Mit dem
Rückgang der Nachfrage sind automatisch
auch die Charterraten gesunken. Fondsbesitzer, deren Schiff noch langfristig
verchartert ist, haben gute Karten. Genau
diese Beteiligungen bringen beim Verkauf
ebenso gute Kurse wie noch in ruhigen
Zeiten.
Insgesamt läuft der Handel am Zweitmarkt der Fondsbörse Deutschland gut,
denn es gibt nach wie vor Käufer, die Interesse an gebrauchten Anteilen haben.
Zwar sind die Kurse rückläufig, aber das
müssen Anleger heute in allen Bereichen
einkalkulieren. Wichtig ist jedoch, dass der
Handel nicht komplett eingebrochen ist
und Verkäufer weiter aus ihren geschlossenen Fonds aussteigen können.
*Alex Gadeberg ist Vorstandsmitglied
der Fondsbörse Deutschland
Beteiligungsmakler AG, Hamburg
FINANZEN & BÖRSE
16 WirtschaftsKurier
APRIL 2009
Mobile Banking auf dem Vormarsch
Direktbanken | Kosten- und Zeiteinsparung für den Kunden
VON PHILIPP TRÖBINGER
D
er Markteintritt der Direktbanken
in den 90er Jahren hat das deutsche Bankenwesen verändert. Die
technische Weiterentwicklung des Internets beschleunigt diesen Trend. Die Direktbanken laufen den Filialbanken so
langsam den Rang ab. Der Kunde ist
selbstständiger und kritischer geworden:
Er informiert sich im Internet über die verschiedensten Produkte. Die filiallosen
Banken kommen dem zunehmenden
Kundenwunsch nach mehr Flexibilität
und Mobilität nach, indem sie rund um
die Uhr per Internet oder Telefon erreichbar sind.
Nun steht die nächste „Revolution“ vor
der Tür. Die vermehrte Nutzung von mobilen Webapplikationen wird den Bankensektor entscheidend prägen. Eine aktuelle
Studie des Marktforschers Juniper Research belegt, dass bis 2011 die Zahl der
Konsumenten, die per Handy ihre Bankgeschäfte erledigen wird, auf international
150 Mio. steigen wird. Speziell bei der jungen Generation wird der Zugang via Mobiltelefon künftig der Hauptkontaktpunkt
zwischen Bank und Kunden sein.
So genannte „reine“ Direktbanken verfügen über keine Filialen und persönliche
Kundenberatungsdienste. Allerdings haben sich im Laufe der Zeit auch Mischformen entwickelt, die über einige Filialen
verfügen. Die Einsparung von Gebäude-,
Filial- und Personalkosten kommt dem
Endverbraucher zu Gute: Die Finanzdienstleistungen sind im Vergleich zu herkömmlichen Hausbanken oft sehr günstig.
Die Vorteile von Direktbanken sind offensichtlich: Attraktive Konditionen und ein
ständiger Datenzugriff bedeuten für den
Kunden Kosten- und Zeiteinsparungen.
Der Bedarf an orts- und zeitunabhängiger Abwicklung von Finanztransaktionen steigt. Die Bankgeschäfte mit mobilen Endgeräten unterscheiden sich kaum vom
herkömmlichen Onlinebanking am PC. In den nächsten Jahren ist ein starker Anstieg der Mobile-Banking-Nutzer zu erwarten.
Foto: Fotolia
Gebührenfreie Girokonten sind mittlerweile ein Standardprodukt der meisten Direktbanken.
Direktbanken sind oft Tochterunternehmen von Finanzkonzernen. Zu den größten „reinen“ Direktbanken in Deutschland
zählen unter anderem 1822direkt, comdi-
Neues Wachstum in Übersee
VW Financial Services | Erstmals kein Rekordergebnis
V
or dem Hintergrund der internationalen Finanzmarktkrise sind wir mit
unserem Ergebnis sowie unserem
Volumenwachstum zufrieden“, teilte Frank
Witter, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen Financial Services AG, im Rahmen der
Bilanz-Pressekonferenz in Frankfurt mit.
Das Vorsteuerergebnis von 792 Mio. Euro
des Finanzdienstleisters lag mit 2 % leicht
unter dem Rekordergebnis des Vorjahres.
Die Gründe hierfür sah Witter im Geschäftsverlauf des zweiten Halbjahres
2008, in dem die globale Finanzkrise praktisch alle Wirtschaftsbereiche erfasste. Die
Auswirkungen für die Volkswagen Financial
Services AG waren eine verteuerte Refinanzierung aufgrund gestiegener Zinsen und
Spreads, höhere Risikokosten und ein deutlicher Rückgang der Automobilnachfrage auf
allen wichtigen Absatzmärkten. Im Februar
2009 hat Volkswagen Financial Services über
die Tochter Volkswagen Bank vom staatlichen
Rettungsfonds SoFFin einen Garantierahmen bis zu zwei Mrd. Euro erhalten. Die
Staatsgarantien wurden allerdings noch nicht
genutzt, da man nun darauf warte, bis die
SoFFin ein zeitliches Emissionsfenster zuweisen wird.
Auch wenn die Tochtergesellschaft der
Volkswagen AG zum ersten Mal kein Rekordergebnis präsentieren konnte, wurde
im abgelaufenen Geschäftsjahr 2008 der
Wachstumskurs fortgesetzt. Die Bilanzsumme des Finanzdienstleisters erhöhte
sich um 9,5 % auf 57,28 Mrd. Euro. „Beim
Volumen konnten wir – wie gewohnt – in
allen Geschäftsbereichen zulegen und gemäß unserem Auftrag als Absatzförderer
die Marken des Volkswagen Konzerns erfolgreich unterstützen“, so Witter. Der Gesamtvertragsbestand konnte um 9,3 % auf
5,79 Mio. gesteigert werden und die Zahl
der Neuverträge erhöhte sich um 5,6 % auf
2,04 Mio. Im Hinblick auf die einzelnen
Geschäftsbereiche wurden folgende Ergebnisse erzielt: Das Forderungsvolumen aus
Kundenfinanzierungen erhöhte sich um
4,9 % auf 21,91 Mrd. Euro, in der Händlerfinanzierung stiegen die Forderungen um
2,4 % auf 9,58 Mrd. Euro und aus dem Leasinggeschäft wurde ein Zuwachs von 9,3 %
auf 14,91 Mrd. Euro verzeichnet. Auch der
Bestand an Versicherungsvermittlungsund Serviceverträgen konnte im Jahr 2008
um 13,8 % gesteigert werden. Mit 668 000
Neuverträgen lag der Braunschweiger Finanzdienstleister allerdings mit 1,7 % leicht
unter dem Vorjahresniveau.
Trotz der anhaltenden Kapitalmarktkrise
ist das Einlagengeschäft von Volkswagen
Financial Services stark angestiegen. Mit
einem Plus von 33,4 % im Vergleich zum
Vorjahr wurde die Rekordhöhe von 12,83
Mrd. Euro erzielt. Der Kundenbestand der
Direktbank wuchs um 18,6 % auf 812 000
an und dieser positive Trend setzt sich
auch in 2009 fort. Witter äußerte sich auf
der Bilanz-Pressekonferenz sehr zuversichtlich. Die Eigenkapitalquote der VWTochtergesellschaft kann mit 11,8 % im internationalen Vergleich als überdurch-
schnittlich bewertet werden. Durch die gute
Positionierung auf vielen Marktfeldern und
die vielseitige Produktpalette – Neuwagenfinanzierung, Leasing, Dienstleistungen im
Gebrauchtwagensegment, Firmen- und Privatkundenbetreuung, Versicherungen, FullService Angebote – kann der Finanzdienstleister flexibel auf den Kunden und das
Marktumfeld reagieren.
Das laufende Jahr wird
noch einmal turbulent
Volkswagen Financial Services ist gut aufgestellt, doch im laufenden Jahr, das Witter
mindestens genauso turbulent einschätzt
wie das Vorjahr, wird sich das Unternehmen vorsichtig und konservativ verhalten.
„Wir gehen grundsätzlich nur Risiken ein,
die wir aufgrund unserer Kernkompetenz
nach Art und Umfang durchdringen und
somit auch bestmöglich beherrschen.
Trotzdem müssen wir natürlich realistisch
sein, dass auch wir uns Markt- und Segmenttrends nicht gänzlich entziehen können“, sagte der Vorstandsvorsitzende. Gerade in diesen schwierigen Zeiten erweist
rect, Cortal Consors, Deutsche Kreditbank,
ING-DiBa, Netbank oder die DAB bank.
Auch die drei bedeutenden Autobanken
von Mercedes-Benz, BMW und Volkswagen sind Direktbanken mit einer sehr hohen Kundendichte (Fahrzeugfinanzierung). Die Produktangebote sind allerdings
sehr unterschiedlich. Einige Kreditinstitute
beschränken sich auf gewisse Kundensegmente oder einzelne Produktgruppen, andere Direktbanken hingegen bieten eine
breite Dienstleistungspalette an.
Die netbank AG operiert beispielsweise
ausschließlich online – sie ist eine reine Internetbank, die sich von Anfang an (1999)
auf Online-Privatkunden spezialisierte. Mit
einer effizienten Organisationsstruktur
kann die netbank kontinuierlich attraktive
Konditionen bieten und dem verstärkten
Kundenwunsch nach mobilen Finanztransaktionen gerecht werden. Die Deutsche Kreditbank AG (DKB) konzentriert
sich auf ausgesuchte Zielgruppen in den
Bereichen öffentliche Kunden, Privat- und
Firmenkunden. Das moderne und serviceorientierte Internet-Banking der DKB findet großen Zuspruch: Seit 2002 konnte die
Direktbank die Anzahl an Privatkunden
mehr als verzehnfachen. Die comdirect
bank AG hat den Anspruch „führende Direktbank für den modernen Anleger“ zu
sein und bietet Brokerage, Banking und
Beratung aus einer Hand. Unter den On-
comdirect bank | Vermittlermodellen gehört die Zukunft
D
sich die Volkswagen Bank für Refinanzierungsstrategien als entscheidende Säule.
Anderen automobilen Finanzdienstleistern, die kein klassisches Einlagegeschäft
betreiben und nicht über eine etablierte
Position an den Kapitalmärkten verfügen,
prophezeite Witter zunehmende Refinanzierungsprobleme und diesbezüglich entsprechende Kostenentwicklungen.
Mittelfristig sieht der VW-Finanzdienstleister zahlreiche Wachstumspotenziale,
vor allem auch in den Entwicklungsmärkten in Osteuropa, Asien und in Lateinamerika und ist davon überzeugt, die Krise gestärkt zu überstehen. Kurzfristig ist der Vorstand jedoch weniger zuversichtlich und erwartet im laufenden Geschäftsjahr eine angespannte Volumen- und Margenentwicklung.
„Nach den vorliegenden Informationen
und Analysen wird das Ergebnis 2009 daher unter dem der Vorjahre liegen“, erklärte Witter.
pht
Direktbanken unterliegen denselben
bankenaufsichtsrechtlichen Bestimmungen wie Filialbanken. Als Nachteil gelten
die schwach ausgeprägte Infrastruktur an
Geldautomaten und der fehlende persönliche Kontakt zu Kundenberatern. Doch viele Direktbanken haben freie Makler für
Hausbesuche. Auch technische Probleme
oder Sicherheitsfehler beim Internet-Banking (Fälle von Online-Betrug) sorgen für
eine gewisse Skepsis in der Bevölkerung.
Jeder zweite „Direktbank-Skeptiker“ zählt
zur Generation 50plus. Die meisten Kunden gehören der Altersgruppe zwischen 14
und 49 Jahre an. Dieser Gruppe wird eine
höhere Online-Affinität zugeschrieben.
Direktbanken versuchen von den etablierten Geldhäusern enttäuschte Filialbankkunden mit attraktiven Zinnsätzen
und Konditionen zu locken. Ein Wechsel
zu einer Direktbank wird außerdem durch
eine „bedienungsfreundliche“ Homepage,
eine schnelle Erreichbarkeit sowie einen
einfachen Zugang begünstigt. Der Siegeszug des Internets macht Finanzangebote
vergleichbar und der Wechselwille der Privaten steigt. Die Bank fürs Leben gibt es
nicht mehr – demgegenüber gewinnen Direktbanken zunehmend an Bedeutung.
Aber auch die Filialbanken haben sich
auf den Strukturwandel im Bankenwesen
eingestellt und verfolgen eine so genannte
Multikanalstrategie. Dabei werden diesel-
Das Beste aus drei Welten
VON MICHAEL MANDEL*
Der
Vorstandsvorsitzende
Frank
Witter.
Foto: VV Financial Services
line-Brokern in Deutschland ist die comdirect bank Marktführer. Die führende Direktbank im Wertpapiergeschäft ist die
kundenstarke DAB bank AG. Im Bereich
Vermögensaufbau und Vermögenssicherung mit Wertpapieren hat der erfahrene
Internet-Broker eine maßgebliche Rolle in
der Bankenbranche. Als eine der bedeutendsten europäischen Direktbanken im
Segment private Geldanlagen und OnlineTrading ist Cortal Consors zu nennen. Das
Unternehmen der französischen BNP Paribas mit über 1,1 Mio. Kunden kann eine
umfassende Palette von Anlageprodukten
und Dienstleistungen vorweisen.
Mit über 6 Mio. Kunden ist die ING-DiBA
AG, ein Tochterunternehmen der niederländischen ING Group, die größte Direktbank in der Bundesrepublik. Vom Wirtschaftsmagazin „Euro“ wurde sie 2008 als
Deutschlands beliebteste Bank gekürt. Die
Kerngeschäftsfelder der ING-DiBa liegen
in den Bereichen Sparen, Wertpapiere,
Baufinanzierungen, Konsumentenkredite
und Girokonten. Auch die 1822direkt zählt
zu den größten Direktbanken in Deutschland und hat schon zahlreiche Auszeichnungen von Finanzzeitschriften eingefahren. Vom Gehaltskonto über den Versicherungsschutz bis hin zur Optimierung von
Geldanlagen oder Transaktionen bietet die
1822direkt individuell abgestimmte Produkte eines vielseitigen Sortiments.
ben Bankprodukte zu verschiedenen Preisen über unterschiedliche Vertriebskanäle
(Filiale, Internet, Call-Center) angeboten.
Doch mit den attraktiven Konditionen der
Direktbanken können die meisten Filialbanken nicht mithalten. Des Weiteren bewegen unzureichende Öffnungszeiten,
schlechte Erreichbarkeit von Kundenberatern, mangelhafter Service sowie ungünstiges Preis-Leistungs-Verhältnis Filialbankkunden zur Wechselbereitschaft. Das
Thema Beratung wird auch weiterhin eine
entscheidende Rolle im Bankenwettbewerb spielen.
Überdies steigt der Bedarf an orts- und
zeitunabhängiger Abwicklung von Finanztransaktionen und -dienstleistungen. Eine
zunehmend mobile einkommensstarke
Kundengruppe nutzt neben dem Onlinebanking verstärkt das so genannte Mobile
Banking. Dabei kann der Kunde über ein
mobiles Endgerät wie ein Mobiltelefon,
Smartphone oder PDA Transaktionen auf
dem Girokonto und im Depot durchführen
sowie Informationsdienste (beispielsweise
Kontobewegungen) in Anspruch nehmen.
Mit diesen innovativen Finanzdienstleistungen bieten Banken eine bequeme
Möglichkeit zur Abwicklung von Bankgeschäften. Dieser zusätzliche Distributionsund Ertragskanal wird an Bedeutung zunehmen. Die moderne Mobilfunktechnik
mit größeren Speichern, komplexeren
Funktionen und schnellen Netzen verschafft dem Mobile Banking einen Schub,
sodass sich die mobilen Dienste kaum
noch vom herkömmlichen Onlinebanking
am PC unterscheiden. Im Girokonten-Vergleich ermöglichen beispielsweise 1822direkt, comdirect, Haspa-Direkt oder die netbank Mobile Banking über spezielle Anwendungen. Mobile Infodienste per SMS
werden unter anderem von Cortal Consors,
der netbank oder auch von der EthikBank
angeboten.
Rajnish Tiwari, Wissenschaftler am Institut für Technologie- und Innovationsmanagement an der technischen Universität Hamburg-Harburg, geht davon aus, dass in
Deutschland in zwei bis drei Jahren ein starker Anstieg der Mobile-Banking-Nutzer zu erwarten sei. „Vor allem wenn die heutigen
Teenager erstmals ihre Bankgeschäfte abwickeln, werden sie dies öfter via Handy
erledigen. Für die junge Generation wird
das selbstverständlich sein“, so Tiwari. Die
Banken verzeichnen schon jetzt einen vermehrten mobilen Zugriff auf ihre Web-Portale, seit das iPhone auf dem deutschen Markt
ist. „Mobile Banking ist eine der SchlüsselApplikationen für Banken, wenn es um die
Erhaltung sowie Gewinnung von Kunden
geht“, erklärt der Autor der Juniper-Studie
Howard Wilcox. Ein modernes Image ist sicherlich ein angenehmer Nebeneffekt der
mobilen Dienste. In der technischen Weiterentwicklung des Internets oder mobiler
Endgeräte steckt noch ein enormes Potenzial
für digitale Finanzdienstleistungen.
ie Finanzkrise hat die Schwächen
vieler traditioneller Banken im
Umgang mit Privatkunden ans Tageslicht gebracht. Nun stellt sich die Frage,
wie das Retailbanking der Zukunft aussehen könnte. Werden Bankkunden heute
massenweise aufs Glatteis geführt und mit
ungeeigneten Produkten mutwillig ausgenommen? Muss der Staat stärker intervenieren und die Bürger – wenn es ums Geld
geht – vor sich selbst schützen? Verbraucherschutz für Finanzprodukte steht aktuell als Thema weit oben auf der öffentlichen Agenda. Auf der einen Seite mahnen
Politiker und Verbraucherschützer mehr
Transparenz und Verantwortungsbewusstsein in der Finanzberatung an. Sie plädieren für mehr Aufklärung über Wirkungsweisen, Risiken und Chancen von Finanzprodukten, mehr Qualität – und fordern, die Haftungsregeln für Beratungen zu verschärfen.
Auf der anderen Seite stehen Finanzberater,
bei denen – kaum ist die Diskussion in Gang
gekommen – reflexartig eine Abwehrhaltung
einsetzte. Man tue ja schon jede Menge,
das Geschäft mit der Zukunft sei nun einmal risikobehaftet, bedarfsgerechte Beratung angesichts der Fülle von Möglichkeiten eine Fiktion.
Klar ist: Die Debatte um mehr Transparenz und Verantwortung trifft genau den
Nerv. Eine repräsentative Forsa-Umfrage
im Auftrag der comdirect bank hat jüngst
ergeben, dass sich die Deutschen im
Schnitt erschreckend wenig auskennen mit
Finanzprodukten. Hier schätzt jeder zweite Deutsche sein Wissen als schlecht ein.
Würde es sich nur um Luxusgüter handeln,
wäre die weit verbreitete Unkenntnis zu
verschmerzen. Aber viele Menschen tappen schlichtweg im Dunkeln, wenn es um
existenzielle Fragen wie die ihrer eigenen
Altersvorsorge geht. Das volkswirtschaftliche Risiko dieser Uninformiertheit mag
man sich nicht vorstellen.
Zugleich gibt es keinen Grund, einen Gegensatz zwischen hohen Standards beim
Verbraucherschutz auf der einen und
mündigen, gut informierten Bankkunden
auf der anderen Seite zu konstruieren.
Selbstbedienung und Beratung schließen
einander nicht aus, sondern können sich
ideal ergänzen. Genau das ist das Erfolgsgeheimnis vieler Direktbanken, die mit
mehr als 15 Millionen Kundenverbindungen zu den erfolgreichsten Bankgründungen der vergangenen Jahre zählen. Vieles
von dem, was Politik und Verbraucherschützer fordern, gehört für die meisten der
Anbieter bereits zum alltäglichen Geschäft.
Ein Beispiel ist das Brokerage, die Keimzelle etlicher Direktbanken: Bevor die Neulinge das Terrain betreten haben, galt Aktienhandel als Nische für Spezialisten. Parallel zur atemberaubenden Entwicklung
des Internets haben die jungen Wilden unter den Banken Mitte der 90er-Jahre den
Aktienhandel im Prinzip für jedermann zugänglich gemacht und dabei ganz nebenbei Emanzipation und Selbstbestimmung
der Kunden weit vorangebracht. Aktiencharts und Informationen in Echtzeit gehörten anfangs zu den viel bestaunten Informationsangeboten, mit denen die Broker ihre Kunden intelligent unterstützen.
Heute sind sie Standard. Auch waren es die
Direktbanken, die erstmals Werkzeuge entwickelt haben, mit denen Bankkunden
endlich auf das komplette Anlageuniversum zugreifen können. Ein Beispiel dafür
sind die Online-Tools zur Auswahl von Investmentfonds. Damit finden die Kunden
genau die Angebote, die zu ihrer Anlagevorstellung und Risikoneigung am besten
passen. Wer dann noch Unterstützung benötigt, kann auf eine unabhängige Bera-
tung durch einen persönlichen Ansprechpartner vor Ort zurückgreifen. Die Zeiten,
in denen man als Anleger den konzerneigenen Produkten der Hausbank ausgeliefert
war, sind heute vorbei.
Online und offline
ergänzen sich optimal
Inzwischen kommen die Großen unter den
Direktbanken – gemessen an der menschlichen Lebensspanne – in das junge Erwachsenenalter und erweisen sich abermals als Wegbereiter für das Banking der
Zukunft. Denn sie verbinden das Beste aus
drei Welten zu einem modernen Leistungsangebot, mit dem herkömmliche Banken
und Sparkassen oft nicht mithalten können: Brokerage, Banking und Beratung
werden heute unter einem Dach angeboten. Online und offline ergänzen sich. Internet, Telefon oder der persönliche Besuch – entscheidend sind effiziente Lösungen, die dem Kunden weiterhelfen. Mit
dem Thema Beratung gehen die Direktbanken pragmatisch um, weil sie wissen:
Auch Kunden, die sich in weiten Teilen ihrer Geldangelegenheiten gut selbst zurecht
finden, suchen ab und zu einen versierten
Berater; beispielsweise, wenn es um komplexe Entscheidungen geht, etwa rund um
die Altersvorsorge oder die Baufinanzierung.
Dabei fließen die Erfahrungen aus dem
Online-Brokerage in die klassischen Bankprodukte ein und verändern diese grundlegend. Ein gutes Beispiel dafür ist die Baufinanzierung: Die Suche nach dem richtigen
Finanzpartner für die eigenen vier Wände
gestaltete sich für viele Immobilienkäufer
bislang als Odyssee; erst müssen sie Filialbank um Filialbank abklappern, um Angebote einzuholen – um am Ende dann festzustellen, dass man als Laie schnell an seine Grenzen stößt. Die comdirect bank hat
in der Baufinanzierung auf ein Vermittler-
modell gesetzt. Sie bündelt das Angebot
von rund 50 Baufinanzierern und führt die
Kunden durch eine systematische, direkte
Beratung zur maßgeschneiderten Finanzierungslösung. Solchen Vermittlermodellen, da
sind sich viele Experten einig, gehört die
Zukunft – auch in der Vorsorge. Der Ruf nach
vernünftigem Verbraucherschutz wird diese
Entwicklung sogar beschleunigen.
Die comdirect bank hat rund 15 Jahre
Erfahrung im Online-Geschäft gesammelt,
das bedeutet unter anderem: 15 Jahre Erfahrung in der individuellen, direkten Ansprache von und im Dialog mit Kunden. Es
bedeutet auch führendes technisches
Know-how bei modernen, leistungsstarken
Online-Plattformen, im Direktservice, im
Zusammenspiel der unterschiedlichen Kanäle, über die der Kunde komfortabel und
effizient seine Finanzgeschäfte tätigt. Direktbanken, wie die comdirect, haben ein
Erfahrungskapital gesammelt, das ihnen in
der Web-2.0-Welt vom Start weg einen gehörigen Vorsprung verschafft. In dieser Welt
wird die Beziehung zwischen Bank und Kunden neu justiert – der Kunde ist nicht mehr
nur Konsument, sondern gleichberechtigter
Geschäftspartner auf Augenhöhe.
Banking 2.0 ist in vielerlei Hinsicht eine anspruchsvolle Aufgabe: Standardisierte Geschäftsprozesse müssen so effizient wie möglich
abgewickelt werden, um auch künftig Kostenvorteile gegenüber den Wettbewerbern zu erzielen. Gleichzeitig erfordert das Retailgeschäft
der Zukunft eine individualisierte, persönliche
Ansprache des Kunden. Direktbanken haben in
der Vergangenheit bewiesen, dass sie diesen
Spagat beherrschen. Sie sind geradezu prädestiniert, in einem komplexer werdenden Marktumfeld auch künftig die Kunden zu begeistern
und weiter Marktanteile zu gewinnen.
*Michael Mandel ist Vorstandsvorsitzender
der comdirect bank AG in Quickborn
AKTIENSPIEGEL
APRIL 2009
DIE DAX-WERTE
DAX VOM 27.02. 3843,74 | 30.01. 4 338,35
Unternehmen
letzte
27.02.
Dividende
Adidas
0,50
23,01
Allianz*
5,50
53,63
BASF*
1,95
21,96
Bayer*
1,35
38,08
Beiersdorf
0,70
32,99
BMW
1,06
19,75
Commerzbank
1,00
2,79
Daimler*
2,00
18,01
Deutsche Bank*
4,50
20,78
Deutsche Börse*
2,10
36,38
Deutsche Post
0,90
7,64
Deutsche Postbank
1,25
8,79
Deutsche Telekom*
0,78
9,57
E.ON*
1,50
20,41
Fresenius Medical Care 0,54
32,49
Henkel VZ
0,53
18,66
Infineon
0
0,48
K+S
0,50
35,53
Linde
1,70
50,98
Lufthansa NA
1,25
8,70
MAN
3,15
32,08
Merck
3,20
59,46
Metro
1,18
23,02
Münchener Rück*
5,50
96,96
RWE*
3,15
49,97
Salzgitter
3,00
49,43
SAP*
0,50
25,52
Siemens*
1,60
40,33
ThyssenKrupp
1,30
14,20
Volkswagen*
1,80
188,00
30.01.
30.12.
28.11.
31.10.
30.09.
29.08.
31.07.
27,13
66,10
22,72
41,61
38,40
18,61
3,56
22,00
20,70
39,50
9,78
9,42
9,47
25,24
35,01
20,19
0,70
37,15
52,25
9,50
34,12
66,27
28,40
103,70
60,87
57,08
27,85
43,98
15,94
249,45
27,14
75,00
27,73
41,55
42,00
19,68
6,64
26,70
27,83
50,80
11,91
15,50
10,75
28,44
33,31
22,59
0,96
39,97
59,85
11,19
38,72
65,51
28,57
111,00
63,70
55,00
25,25
52,68
18,96
250,00
24,46
65,21
25,10
40,68
43,50
20,12
7,22
24,66
27,98
56,22
11,29
16,05
10,89
27,53
34,28
22,20
1,85
35,26
57,43
10,34
35,65
65,89
24,10
106,96
66,08
54,34
26,84
47,07
15,96
280,33
27,53
58,02
26,07
43,16
41,10
27,29
8,43
26,81
29,44
61,99
8,65
15,91
11,58
29,66
35,26
22,51
2,46
30,68
65,11
10,94
38,73
69,58
25,08
102,90
64,79
51,16
27,61
46,46
15,01
499,50
27,70
96,28
33,75
51,80
44,81
28,00
10,40
35,40
49,54
63,87
14,78
26,66
10,77
35,58
36,67
25,85
3,92
48,64
75,48
13,80
47,30
75,40
35,53
106,21
67,50
70,76
37,67
65,75
21,03
278,01
40,05
114,10
39,38
54,01
39,65
28,1
20,09
39,90
58,20
64,82
16,00
44,63
11,31
39,85
36,60
26,76
5,85
82,80
86,01
14,70
66,85
78,25
38,03
106,18
73,63
105,10
38,20
74,26
31,21
204,76
39,41
109,32
40,69
55,42
41,50
30,55
20,78
37,33
59,59
73,51
15,09
45,51
11,16
122,45
35,43
25,65
4,90
79,59
88,88
14,77
64,70
77,62
36,25
106,80
76,96
105,66
37,26
78,76
35,1
183,28
Hoch
Tief
(52 Wochen)
46,94 21,22
135,12 45,15
48,56 17,85
57,77 33,05
55,03 36,06
38,07 16,00
24,02
2,63
56,89 17,69
79,20 15,38
108,45 34,37
22,57
6,87
64,68
6,81
12,79
8,92
45,96 20,03
38,73 28,53
31,55 17,50
7,14
0,47
97,35 26,79
97,90 46,51
18,49
8,83
104,90 26,37
93,91 53,00
56,85 16,74
131,50 76,17
84,89 49,10
143,88 37,80
40,32 20,75
88,25 33,05
46,68 11,71
1005,01 149,03
* Diese Dax-Werte gehören auch zum Euro Stoxx 50
Kleinere Bewegung nach oben
Börsenmonat März | Erste Mitnahmeeffekte bremsten die Kurse zum Monatsende
U
m den 1. April als Drucktermin zu
vermeiden, erscheint diese Ausgabe bereits Ende März – und damit
fehlen die aktuellen Monats-Endkurse!
Trotzdem hat sich im März so einiges bewegt. Während das Wetter alles andere als
Frühlingsgefühle erzeugte, trieben die Kurse eifrig aus, und das weltweit!
Der Dax zum Beispiel legte kräftig zu,
obwohl er sich noch Anfang März – am 9.
März genauer – auf einem Tiefstand von
3 588 Punkten befand, bewegte er sich zum
Ausgang des Monats bei über 4 200 Punkten. Zum Monatsende bröckelten die Kurse dann zwar wieder leicht, hier schlugen
aber wohl erste „Mitnahmeeffekte“ durch –
in Zeiten wie diesen geht der Anleger lieber
auf Nummer sicher.
Es gab auch unter den Unternehmen
Überraschungen bei Kursgewinnen, denn
zum Beispiel konnte – ausgerechnet,
möchte man fast sagen – die Commerzbank deutliche Kursgewinne realisieren.
Prozentual legte die Bankaktie zeitweise
sogar zweistellig zu, bei einem Ausgangskurs von Pennystock-verdächtigen 2,60
Euro allerdings auch keine große Kunst.
Immerhin kratzte das Papier Ende März an
der 4 Euro-Marke. Dem Münchener Versicherungskonzern Allianz steht offensichtlich der Verkauf der Dresdner Bank an die
Commerzbank gut zu Gesicht, denn der Kurs
kletterte weiter von einem zwischenzeitlichen Tief von unter 50 Euro auf 68 Euro.
Auch Auto-Aktien
klettern nach oben
Die BMW-Aktie bewegte sich – trotz der
gerade die Autohersteller – hart treffenden
Krise und nach kleineren Tiefschlägen wieder nach oben, um immerhin 3,50 Euro.
Offensichtlich konnte BMW-Chef Dr. Norbert Reithofer seine künftige Strategie bei
Vorlage der Bilanz in München gut vertreten. Die Daimler-Aktie reagierte auf den
Einstieg eines Großinvestors aus Abu
Dhabi, der sich auch als strategischer Partner des deutschen Automobilkonzerns
und glücklicher Mitbesitzer einer Traditionsmarke sieht, positiv. Von einem zwischenzeitlichen Stand von nur 17,50 Euro pro
Aktie erholte sich der Kurs auf bis zu 22 Euro
Mitte März und trudelt jetzt in leichten Auf
und Abs auf etwa 20 Euro zum Monatsende.
DIE EURO STOXX 50-WERTE
Unternehmen
Aegon
Air Liquide
Alstom
Arcelor Mittal
AXA-UAP
Banco Bilbao
Banco Santander
BNP Paribas
Carrefour
Credit Agricole
Danone
Enel
ENI
Fortis
France Télécom
GdF Suez
Generali
Iberdrola
ING
Intesa Sanpaolo
L’Oréal
LVMH
Nokia
Philips
Repsol S.A.
Renault
Saint Gobain
Sanofi-Aventis
Schneider Electric
Société Generale
Telecom Italia
Telefonica de Espana
Total
Unicredito Italiano
Unilever
Vinci
Vivendi
letzte
Dividende
0,32
2,05
0,80
0,38
1,20
0,28
0,12
3,35
1,08
1,20
1,10
0,29
0,70
0,59
1,30
1,26
0,90
0,15
0,82
0,38
1,38
1,25
0,53
0,70
0,50
3,80
2,05
2,07
3,30
0,90
0,08
0,39
1,07
0,26
0,50
1,05
1,30
Aber die Krise wäre keine Krise und die
Börse nicht die Börse, gebe es nicht auch
deutliche Verlierer in diesem unbeständigen März 2009. Der noch im vergangenen
Jahr erfolgsverwöhnte Stahl- und Röhrenhersteller Salzgitter AG musste zum Beispiel Verluste hinnehmen, daran änderte
auch die Vorlage der Bilanzzahlen Ende
des Monats nichts mehr. Von einem Ausgangsniveau von bis zu 51 Euro fiel die Aktie auf 44 Euro zum Monatsende.
Der Linde-Kurs etwa blieb von der Bilanzpressekonferenz Mitte März völlig unbeeindruckt und bewegte sich gegen Ende
des Monats ohne sichtbare Erklärung langsam nach unten. Vielleicht lag der Grund
darin, dass die Anleger dem Industriegaseproduzenten verübelten, dass er die mittelfristigen Ziele nach hinten verschob und
sich an keine genauere Prognose für das
laufende Jahr wagte. Aber wer möchte zur
Zeit eine Prognose über die Wirtschaft im
allgemeinen und bestimmte Branchen
oder Unternehmen im besonderen abgeben? Selbst die Wirtschaftsweisen revidieren ihre Vorhersagen am laufenden Band,
nur die Richtung bleibt: nach unten. uk
EURO STOXX 50 VOM 30.01. 2 236,98 | 27.02. 1976,23
27.02.
30.01.
30.12.
28.11.
31.10.
30.09.
29.08.
31.07..
2,88
58,16
37,78
15,45
7,34
5,79
4,90
25,99
26,78
7,79
37,85
3,96
15,98
1,32
17,81
25,29
11,97
5,20
3,67
1,94
51,32
45,38
7,52
12,74
12,22
11,53
18,32
40,92
47,80
26,24
0,97
14,71
37,48
1,01
15,25
25,75
18,97
4,14
57,04
37,93
17,71
12,22
7,33
6,32
30,01
26,79
9,54
40,25
4,41
16,65
0,00
17,56
30,07
16,37
6,08
6,38
2,46
52,10
42,81
9,59
14,20
14,04
15,16
26,58
44,09
49,76
32,95
0,97
13,93
39,18
1,38
17,27
26,84
20,21
4,34
65,37
41,65
17,06
14,99
8,54
6,64
29,74
27,49
8,01
42,81
4,45
16,42
0,92
19,87
34,43
18,90
6,55
7,07
2,50
61,66
45,99
10,90
13,80
14,99
17,50
32,77
45,13
52,45
34,75
1,14
15,79
23,57
1,72
17,24
29,48
22,93
3,70
66,85
41,80
18,74
14,95
8,14
6,43
43,33
29,71
8,72
45,28
4,93
17,82
0,74
20,22
31,64
18,85
5,82
6,60
2,36
63,66
44,58
11,09
12,76
15,20
17,22
31,43
43,45
49,43
33,38
1,07
15,88
41,05
1,80
18,33
31,58
22,25
3,27
66,77
38,70
20,83
14,86
8,80
8,54
57,00
32,76
11,35
43,36
5,22
18,37
0,92
19,09
34,59
19,30
5,59
7,50
2,85
59,11
52,07
12,14
14,51
14,78
23,88
28,78
49,27
46,21
42,30
0,89
14,52
43,60
1,87
18,41
27,95
20,49
6,20
77,42
52,77
35,15
22,90
11,46
10,50
66,08
33,10
13,41
50,00
5,94
18,85
4,30
19,80
36,50
23,69
7,14
14,93
3,90
69,25
61,75
12,90
19,09
20,90
44,56
36,15
46,55
60,25
62,00
1,05
16,79
42,85
2,71
19,86
32,98
22,02
8,05
83,01
53,76
21,86
11,56
11,64
61,48
36,13
14,52
47,59
6,27
22,18
9,48
20,14
39,40
22,70
8,24
21,34
3,66
67,91
72,72
17,08
22,24
21,20
57,27
41,90
48,61
68,90
66,10
1,11
16,91
49,05
3,67
18,85
38,85
26,44
7,54
84,27
57,22
18,99
11,83
12,48
63,80
32,93
13,77
47,75
5,94
21,72
9,08
20,37
40,34
22,30
8,76
21,01
3,62
67,40
70,95
17,65
21,48
21,62
53,71
40,21
45,07
71,4
59,84
1,16
16,73
49,40
3,83
18,03
36,50
26,97
Hoch
Tief
(52 Wochen)
10,77
2,62
91,15
55,03
84,12
28,60
67,81
12,93
25,68
7,31
15,40
5,51
13,45
4,61
73,00
20,66
50,59
24,16
21,03
6,77
58,66
35,93
7,27
4,10
27,36
13,16
17,68
0,57
23,07
16,40
44,77
22,00
29,52
12,21
10,84
4,85
26,02
2,80
4,90
1,70
85,19
50,00
77,35
38,10
24,84
7,61
26,44
11,77
27,91
11,81
74,56
10,64
50,77
17,34
51,25
36,06
86,31
38,85
78,99
21,78
1,71
0,72
19,60
12,31
58,25
31,52
5,07
0,89
22,30
15,00
51,15
21,70
27,44
16,32
WirtschaftsKurier
DIE MDAX-WERTE
MDAX VOM 27.02. 4607,60 | 30.01. 5 098,09
Unternehmen
letzte
27.02.
Dividende
Aareal Bank
0,50
3,89
Arcandor
0
1,36
Bauer
1,00
22,91
Bilfinger Berger
1,80
27,63
Celesio
0,77
16,40
Continental
2,00
11,75
Douglas Holding
1,10
27,91
Demag Cranes
1,10
15,50
Deutsche EuroShop
1,05
20,80
EADS
0,12
11,65
Fielmann
1,40
46,55
Fraport
1,15
24,70
Fresenius
0,67
40,00
Fuchs Petrolub
1,50
25,50
Gagfah
0,20
2,39
Gea Group
0,20
8,55
Gerresheimer
0,40
16,65
Gildemeister
0,35
4,63
Hamburger Hafen
0,85
17,98
Hannover Rück
2,30
28,71
Heidelberger Druckm. 0,95
3,27
HeidelbergCement
1,30
21,00
Hochtief
1,30
22,00
Hugo Boss VZ
6,46
9,70
Hypo Real Estate
0,50
1,04
IVG Immobilien
0,70
4,04
Klöckner & Co
0,80
9,07
Krones VZ
0,70
28,57
KUKA
1,00
9,82
Lanxess
1,00
11,81
Leoni
0,90
7,13
MLP
0,50
6,53
MTU Aero Engines
0,93
20,51
Norddt. Affinerie
1,45
19,85
Pfleiderer
0,30
3,32
Praktiker Bau- u. H.
0,45
4,18
Premiere
0
1,90
ProSiebenSat1 VZ
1,25
1,41
Puma
2,75
119,52
Rheinmetall VZ
1,30
26,02
Rhön-Klinikum VZ
0,28
14,89
SGL Carbon
0
17,66
Stada Arzneimittel VNA 0,71
13,37
Südzucker
0,40
13,66
Symrise
0,50
7,29
Tognum
0,60
8,01
Tui
0,25
4,46
Vossloh
1,70
74,81
Wacker Chemie
3,00
49,75
Wincor Nixdorf
2,78
33,45
30.01.
30.12.
28.11.
31.10
30.09.
29.08.
31.07.
5,75
3,09
29,45
37,32
19,40
28,88
32,20
18,80
24,30
11,60
50,25
30,91
41,59
34,00
4,02
12,15
19,50
7,85
23,50
22,50
6,05
31,70
35,74
14,40
3,05
5,72
12,29
31,07
12,67
13,73
12,99
9,80
19,58
28,00
6,60
7,80
3,72
2,40
140,30
22,90
17,07
23,90
20,50
10,87
9,98
9,00
8,05
79,49
74,71
33,71
5,75
3,09
29,45
37,32
19,40
28,88
32,20
18,80
24,30
11,60
46,59
30,91
41,59
34,00
4,02
12,15
19,50
7,85
23,50
22,50
6,05
31,70
35,74
14,40
3,05
5,72
12,29
31,07
12,67
13,73
19,99
9,80
19,58
28,00
6,60
7,80
3,72
2,40
140,30
22,90
17,07
23,90
20,50
10,87
9,98
9,00
8,05
79,49
74,41
33,71
5,67
1,82
20,28
32,14
19,99
37,29
32,79
16,52
19,91
12,44
44,00
27,19
43,61
29,30
2,33
12,15
27,10
5,94
23,41
18,03
4,45
37,37
30,45
11,09
2,77
3,70
9,66
31,82
10,07
13,03
10,98
9,74
15,96
27,06
5,93
6,98
4,57
1,67
134,01
18,34
14,90
20,44
21,26
9,93
9,27
8,60
8,77
72,50
79,34
28,96
6,30
1,85
27,96
35,69
23,18
32,36
29,32
15,09
20,17
12,92
44,00
25,32
50,00
27,50
4,37
11,83
26,64
7,44
26,80
19,66
7,40
58,25
24,23
12,40
5,18
5,19
11,43
34,76
13,69
11,94
9,79
9,69
15,26
25,29
6,87
6,21
1,83
2,34
131,43
24,08
16,77
15,27
23,88
8,80
9,63
8,62
9,54
59,90
85,67
33,92
8,08
2,33
35,50
36,66
30,71
58,30
32,24
27,83
23,04
12,00
49,60
42,00
51,19
39,19
8,95
13,66
32,21
11,85
42,00
25,71
11,07
74,57
33,47
17,03
4,15
6,79
16,07
34,94
17,24
19,36
21,35
13,00
19,39
29,84
8,56
6,49
9,45
4,76
191,71
37,94
20,60
27,28
28,28
10,30
12,00
13,83
11,66
73,04
100,35
41,49
16,44
5,41
57,46
48,11
26,15
75,05
30,41
37,36
23,89
15,33
51,89
43,95
55,68
50,00
9,49
21,50
34,41
16,52
42,76
29,17
14,00
77,00
57,69
23,95
16,68
12,57
27,37
50,06
15,87
26,35
30,36
13,89
23,80
31,64
10,25
10,22
12,69
6,99
215,04
43,65
22,86
41,11
37,28
11,59
11,80
14,95
13,59
88,94
125,74
50,30
15,53
7,43
61,65
43,46
20,99
74,35
30,39
35,29
23,01
12,26
52,59
39,26
52,20
53,21
8,75
21,19
33,31
18,47
41,81
30,64
11,81
76,66
50,08
24,47
18,86
12,20
32,36
50,95
15,35
24,97
26,64
11,63
19,90
34,64
7,69
34,64
11,63
5,47
207,65
39,48
20,65
42,98
33,27
11,23
11,01
14,14
14,78
83,07
133,30
48,19
DIE SDAX-WERTE
Unternehmen
Air Berlin
Alstria Office Reit
Arques Ind.
BayWa
Bertrandt
Biotest
C.A.T OIL
Centrotec Sust.
Colonia Real Estate
comdirekt bank
CTS Eventim
Curanum
Dt. Beteiligungs AG
Delticom
Deutsche Wohnen
Deutz
DIC Asset
Dürr
Dyckerhoff VZ
Elexis
ElringKlinger
EM.Sport Media
Escada
Gerry Weber
Gesco
GfK
Grammer
GrenkeLeasing
Highlight Comm.
Homag Group
H&R Wasag
INDUS Holding
Jungheinrich VZ
Klöckner-Werke
Koenig & Bauer
KWS Saat
Loewe
Medion
MPC Capital
MVV Energie
Patrizia Immo
Rational
Sixt
SKW Stahl-Metal.
Springer Axel
TAG Tegernsee
Takkt
Vivacon
VTG
Wacker Constr.
letzte
Dividende
0,52
0,51
0,32
0,80
0,36
0
0,25
0,41
0,49
0,10
3,50
2,00
0
0,40
1,65
0,40
1,32
0,54
0,47
0
0
0,50
2,42
0,45
1,00
0,60
0,17
0,90
0,80
1,20
0,58
0,00
0,60
1,70
0,27
0,15
3,50
0,80
0
4,50
1,18
0,50
4,00
0,10
0,80
0,50
0
0,50
17
Hoch
Tief
(52 Wochen)
25,79
2,95
13,20
1,29
71,81
17,00
65,65
23,90
39,10
15,05
82,96
10,11
35,84
26,67
39,05
11,60
29,10
17,26
19,38
9,31
53,85
36,75
50,56
22,56
58,09
33,60
69,10
23,10
12,44
1,88
26,95
7,86
37,71
15,25
23,64
4,60
59,19
17,76
37,23
13,59
18,25
2,80
115,47
19,50
77,44
19,78
42,60
8,46
24,31
0,98
24,29
3,20
41,50
7,31
60,25
22,60
26,18
9,01
33,43
10,28
36,15
6,94
14,44
5,83
34,35
12,87
38,69
19,66
17,11
3,52
18,02
4,27
15,07
1,54
15,31
1,24
257,11 108,11
54,31
16,09
23,57
14,15
50,34
13,70
48,78
13,03
15,50
7,05
18,15
7,17
19,80
6,94
18,85
4,03
99,49
45,41
169,64
46,93
55,68
26,90
SDAX VOM 27.02. 2327,21 | 30.01. 2 567,59
27.02.
30.01
30.12.
28.11.
31.10.
30.09.
29.08.
31.07.
3,51
4,65
1,10
14,87
13,91
34,06
2,07
8,54
3,14
4,89
21,47
3,00
9,64
40,00
8,53
1,91
2,93
8,30
39,47
7,09
7,63
2,34
2,95
17,82
34,60
17,00
2,75
21,50
3,99
6,00
7,99
8,90
7,38
17,68
8,59
104,68
7,05
5,46
4,90
31,20
1,57
62,03
8,60
8,00
53,27
1,35
6,73
2,08
5,39
5,27
3,74
5,08
1,79
22,10
17,90
39,10
1,99
9,30
2,84
6,14
27,60
3,49
12,40
40,71
11,41
1,69
4,44
9,99
46,99
6,51
6,96
2,55
3,16
18,00
35,59
16,00
6,33
21,03
4,13
9,01
8,95
10,68
8,75
17,35
8,68
98,28
7,00
5,89
6,20
32,65
1,57
66,50
9,61
9,13
55,50
1,58
7,60
2,46
6,06
5,56
4,73
4,95
2,52
25,80
17,39
45,77
2,03
10,60
2,86
6,18
27,60
3,84
12,26
39,00
9,49
2,38
6,22
12,25
39,92
7,69
6,95
2,50
3,35
20,60
41,70
22,02
6,90
17,82
5,00
10,19
10,90
13,40
9,05
16,83
9,90
111,10
8,61
6,30
8,90
32,21
1,63
84,40
11,60
10,98
51,39
1,99
8,00
3,90
7,50
6,19
3,32
4,00
2,37
24,56
15,50
42,40
2,06
9,60
1,80
4,87
27,60
3,30
11,53
38,50
4,55
2,06
4,20
10,50
37,38
8,50
7,09
1,60
4,32
17,20
32,76
17,09
6,62
20,00
3,74
8,53
11,43
10,90
8,84
17,13
9,74
101,50
9,50
5,69
5,31
30,98
0,95
74,71
9,40
10,41
45,08
1,75
7,55
2,60
7,49
4,95
3,58
5,04
2,88
24,75
13,69
48,00
2,32
7,06
2,06
5,73
19,57
3,50
10,50
39,00
7,18
2,43
6,77
11,98
33,60
8,17
6,42
1,63
3,95
14,60
36,30
15,55
8,35
21,60
5,02
9,00
11,94
13,70
10,51
15,01
8,53
97,65
9,39
7,41
7,45
30,97
1,63
81,18
12,06
9,21
45,54
2,04
7,72
4,90
9,09
5,12
3,17
8,75
5,70
20,03
20,38
42,30
3,27
11,30
3,88
5,22
27,60
2,72
13,15
40,00
8,87
3,97
9,90
19,50
36,04
13,30
13,50
2,47
8,23
15,85
41,80
21,61
12,22
21,61
6,90
13,43
16,63
16,75
12,29
17,35
12,13
92,82
9,55
7,94
13,00
33,20
2,14
111,58
15,20
14,90
63,50
3,60
9,84
6,73
13,70
6,67
4,05
10,23
9,27
42,00
26,00
60,20
6,54
14,35
5,75
6,98
27,60
3,90
18,00
44,00
9,94
4,26
13,81
23,09
39,50
16,00
15,74
2,48
12,75
19,12
52,00
25,20
15,13
23,00
6,88
16,43
16,35
18,67
16,50
17,05
16,60
118,64
13,43
11,95
27,25
32,90
2,76
119,95
20,60
19,15
71,40
4,57
10,75
9,82
14,40
6,92
3,43
10,85
7,65
41,65
25,00
57,99
7,57
14,44
7,21
7,07
27,60
3,99
17,82
44,7
7,77
4,85
15,21
23,80
43,95
15,85
17,56
2,49
12,92
19,33
55,00
23,64
15,91
26,49
6,94
17,15
7,46
18,27
16,65
16,96
18,12
128,75
11,88
11,12
29,70
31,36
2,53
199,50
22,53
19,60
76,48
4,73
10,90
7,75
16,05
7,80
Hoch
Tief
(52 Wochen)
10,85
2,41
13,69
2,50
14,62
0,95
44,68
14,85
28,60
12,75
64,00
27,67
15,27
1,60
16,14
6,50
16,41
1,26
9,68
4,10
31,00
17,00
6,31
2,02
21,90
8,72
48,50
34,68
23,51
3,72
7,79
1,55
23,18
2,55
33,89
7,80
48,50
28,12
20,68
6,02
27,26
5,55
3,00
1,45
18,20
2,71
24,30
12,49
59,45
30,30
31,27
13,00
18,78
3,25
28,20
17,40
7,55
3,00
24,79
5,80
19,02
7,55
25,29
8,46
24,61
6,75
18,95
13,46
22,70
7,52
176,00
69,10
14,00
5,80
17,61
4,54
50,59
3,70
35,74
23,15
4,83
0,87
145,89
56,51
35,68
8,10
29,18
7,50
83,24
42,00
6,79
1,12
12,95
6,40
15,61
1,82
17,15
5,16
14,28
4,01
REISEMANAGEMENT
18 WirtschaftsKurier
Weniger Reisen
Besser Reisen
Netviewer | Mittelstand spart durch Onlinemeetings
Verband Deutsches Reisemanagement | Die Zukunft der Geschäftskontakte
lungen. Die Zusammenarbeit mit Kunden
und Dienstleistern ist effizienter, da Dokumente nicht umständlich per E-Mail hinund hergeschickt oder per Telefon abgestimmt werden. Der gemeinsame Blick auf
bahnung, Messebesuch, Vertragsverhandlung oder sonstiger wichtiger Anlass – eine
Beschränkung direkter Kundenkontakte
würde sich ähnlich verheerend auswirken
wie eine Kreditklemme.
VON DR. ANDREAS SCHWEINBENZ*
D
ie Roh- und Kraftstoffe verteuern
sich auf lange Sicht weiter – eine
Trendwende ist nicht in Sicht: Mittelständler streichen Kundentermine oder
Lieferantenbesuche, denn die Kosten für
Geschäftsreisen sind stark gestiegen. Webkonferenzen werden zur Alternative: Immer mehr Unternehmen nutzen Onlinetools und verlagern die Zusammenarbeit
ins Internet.
Die deutsche Wirtschaft hat ein schweres Jahr vor sich. Auf breiter Front heißt
die Devise: Sparen. Geschäftswagen, Flugreisen, Hotelübernachtungen und Fehlzeiten aufgrund von Auswärtsterminen
verursachen Ausgaben, die in Krisenzeiten schwer tragbar sind. Viele Unternehmen setzen den Rotstift daher bei den
Reisekosten an.
Die Alternative findet sich im Internet:
Webkonferenzen ersetzen immer häufiger
Besprechungen vor Ort. Während heute
33 % der deutschen Unternehmen Onlinemeetings abhalten, wollen dies künftig
Dr. Andreas Schweinbenz, Chef der
43 % tun. Zu diesem Ergebnis kommt eine
Netviewer AG, sieht in Onlinemeetings
Umfrage, die das Marktforschungsunterviel Sparpotenzial gerade auch für den
nehmen Vanson Bourne im Auftrag der
Mittelstand.
Foto: Netviewer
Netviewer AG durchgeführt hat. Von ihAngebote, Tabellen und Präsentationen
rem PC aus stimmen sich Berater mit ihren Kunden ab, organisieren Mitarbeiter
macht die Anreise der Diskussionspartner
unterschiedlicher Standorte ihre Projektüberflüssig.
besprechungen oder zeigen PräsentatioDabei stellt sich neben den gesparten
nen. Dabei schauen alle Teilnehmer auf
Reisekosten ein entscheidender Vorteil hedas gleiche Dokument und können es geraus: Die vielen Stunden für die Anreise
meinsam
bearbeiten.
können die Teilnehmer
Über Webcams sehen
sinnvoller nutzen, als im
„In Zeiten von
sich die DiskussionspartFlugzeug, Auto oder in der
ner und kommunizieren Internationalisierung Bahn zu sitzen. Ein Websomit auch über Gestik
meeting startet sofort,
und flexibel
und Mimik, genauso als
ohne wertvolle Zeit in
würden sie an einem zusammengestellten Staus, an Flughäfen oder
Tisch sitzen. Per Chat
Bahnhöfen zu vergeuden.
Teams wird die
können die Teilnehmer
82 % der von Vanson Bourne
ortsunabhängige
Fragen stellen, ohne eine
befragten GeschäftsanPräsentation zu unterwender erklären, dass ihZusammenarbeit
brechen.
nen Web-Collaboration soAlltag.“
Die Einsatzfelder sind
wohl deutliche Kosten- als
so vielfältig wie die Unauch Zeitvorteile bringt.
ternehmen und Abteilungen, die WebkonWährend für die meisten Firmen zuferenzen nutzen: Geschäftsführer besprenächst die Verminderung der Reisekosten
chen Unternehmenskennzahlen und Pround Reisezeit entscheidend ist, profitieren
jekte mit ihren Niederlassungsleitern in
viele gleichzeitig von insgesamt kürzeren
Onlinemeetings. Der Vertrieb nutzt WebReaktionszeiten. Mittels Onlinezusamkonferenz-Tools für die Akquise und
menarbeit beschleunigen manche UnterTeams an verschiedenen Standorten setnehmen ihre Entwicklung derart, dass sie
zen sie für die Projektarbeit ein. Marihre Produkte früher auf den Markt brinketingleute besprechen Konzepte und
gen können und sich damit einen WettbeEntwürfe mit Agenturen und Fachabteiwerbsvorsprung verschaffen. Der finan-
D
APRIL 2009
zielle Vorteil dessen lässt sich nur schwer
VON MICHAEL KIRNBERGER*
beziffern. Doch wer eine Innovation vor
der Konkurrenz einführen kann, gewinnt
ie Finanz- und Wirtschaftskrise
früher Kunden, was sich in höheren Umwirkt sich mittlerweile massiv auf
sätzen niederschlägt.
das Geschäftsreiseverhalten der
Die Zukunft der Onlinezusammenarbeit
deutschen Wirtschaft aus. Die meisten Trahat bereits begonnen: Interaktives Web-TV
vel Manager, die im Verband Deutsches Reiund Webcasts, wie die Live-Vermittlung von
semanagement (VDR), dem deutschen Gemultimedialen Inhalten an eine spezifische
schäftsreiseverband, organisiert sind, spüEmpfängergruppe auch genannt wird, breiren die Auswirkungen auf ihre Geschäftsten sich aus. Schon 16 % der von Vanson
reiseaktivitäten deutlich. Die Mehrheit rechBourne befragten Unnet damit, dass sich
ternehmen nutzen
frühestens in einem
Webcasts für die
Jahr die betriebliche
Kommunikation mit
Mobilität wieder norMitarbeitern und Inmalisiert und das alte
Die derzeitige weltweite Wirtschaftsvestoren, 43 % planen
Niveau erreicht.
krise lässt den Rotstift immer mehr diden Einsatz. Beim inZurzeit wird in den
rigieren: Er kürzt Marketingetats, Zulateraktiven Web-TV
Betrieben deutlich
gen, Investitionen und vor allem auch
führt der Moderator
intensiver geprüft als
Reisekosten. Der Vorstandsvorsitzenseinen Interessenten
früher, ob eine Reise
de von The Linde Group, Prof. Dr.
Bilder, Videos und Powirklich notwendig
Wolfgang Reitzle, gab erst jüngst auf
werpoint-Präsentaist. Gebucht werden
der Bilanzpressekonferenz seines Untionen vor und stellt
niedrigere Kategoternehmens bekannt, er wolle die Reisich den Chatfragen
rien bei Unterkünfsekosten drastisch senken. Er sehe
der Zuschauer. So
ten und niedrigere
gar nicht ein, dass sich in seinem
werden künftig VerKlassen bei der Beweltweit agierenden Unternehmen die
käufer ihre Produkte
förderung. Im Fokus
Ingenieure überwiegend in der Luft
in einer interaktiven
scheinen diejenigen
begegneten. Bei einem GesamtreiseOnlineshow vorfühReisen zu stehen, dekostenetat von etwa 120 Mio. Euro
ren. Reiseveranstalter
ren unmittelbarer
geht Reitzle davon aus, dass mindeskönnen ihren Kunden
Mehrwert bezweifelt
tens 20 % eingespart werden könnzuhause auf dem Sofa
wird oder bei denen
ten, wenn das hauseigene Equipment
einen Film über den
man meint, sie verfür Videokonferenzen besser genutzt
Urlaubsort und die
schieben zu können.
werden würde.
Ferienanlage zeigen.
Man stellt auch inDoch stimmt die einfache Rechnung,
Modemarken werden
frage, ob ein beweniger Reisen ist gleich weniger Kosdie Präsentation der
stimmter Termin von
ten ist gleich bessere Ergebnisse?
neuen Kollektion mit
– sagen wir – drei
Sind in Zeiten der Krise nicht gerade
individueller StilberaMitarbeitern wahrpersönliche Kontakte ausschlaggetung kombinieren.
genommen werden
bend? Wir stellen zwei Positionen vor,
Es ist unwahrmuss, oder ob es
die sich vielleicht eher ergänzen als
scheinlich, dass die
tatsächlich konträr sind.
nicht ausreicht, wenn
Wirtschaft in absehzwei Mitarbeiter reibarer Zeit einen deutsen. Natürlich gibt es
lichen Aufschwung erfahren wird. Sicher
auch die Fälle von Kurzarbeit – dann ergibt
hingegen ist, dass Mitarbeiter in einer
sich die Reduzierung der Geschäftsreisen
wachsenden Zahl von Unternehmen Webüber praktisch alle Bereiche hinweg. Ebenmeetings so selbstverständlich durchführen
so Firmenevents, Incentivereisen und exwie sie heute E-Mails versenden. In Zeiten
terne Meetings fallen stärker dem Rotstift
von Internationalisierung und flexibel zuzum Opfer und wurden reduziert. So wersammengestellten Teams wird die ortsunden aushäusige Weiterbildungsmaßnahabhängige Zusammenarbeit Alltag. Ganz
men verschoben, ebenso manche Routinebenbei leisten Unternehmen auch einen
netreffen.
aktiven Beitrag zum Umwelt- und KlimaEinen kompletten Reisestopp jedoch
schutz, indem sie ihre CO2-Bilanz verbeskann sich kein Unternehmen leisten, denn
die Mobilität ist ja Voraussetzung für das
sern.
Wirtschaftsleben. Geschäftsreisen sind ein
unverzichtbarer Bestandteil für den Erfolg
*Dr. Andreas Schweinbenz ist
moderner Unternehmen. Ob GeschäftsanCEO der Netviewer AG
D
REISEN ODER IT?
Michael Kirnbeger, Präsident des VDR,
hält Reisen gerade zur Erstanbahnung
von Geschäften für essenziell. Foto: VDR
Gesparten Reisekosten stehen immer
notwendigerweise gleichzeitig Kommunikationsverluste gegenüber. Aus weniger
Verkaufsverhandlungen beim Kunden
könnten weniger Aufträge entstehen. Aus
dem Fernbleiben bei Kongressen könnte
die Forschung und Entwicklung leiden. Im
Einzelfall mag das zu verschmerzen sein,
aber zum Prinzip erhoben führt ein Reisestopp zur Lähmung der gesamten Wirtschaftsaktivität und des Wachstums. Das
können sich weder die Privatwirtschaft
noch der Staat leisten.
Alle einschlägigen Untersuchungen belegen, dass Unternehmen, die das Knowhow des Travel Managements aktiv nutzen,
den Kostendruck im Geschäftsreisebereich
deutlich dämpfen. Unternehmen hingegen, die Travel Management nicht in Anspruch nehmen, werden nachweislich zum
Spielball der Anbieter und strapazieren
ihre Profitabilität. Welche Strategie im jeweiligen Unternehmen greift, hängt von
den konkreten Umständen und bestehenden Strukturen im Unternehmen ab.
Unternehmen müssen sowohl ihre direkten als auch indirekten Kosten unter die
Lupe nehmen. Bei den direkten Kosten ist
es generell sinnvoll, die Nachfrage auf wenige Vorzugsanbieter zu bündeln. Dann
müssen sämtliche Buchungen aber auch
wirksam dorthin gesteuert werden. Weitgehend unbeachtet jedoch bleiben häufig die
indirekten Kosten. Hier schlummert oft ein
Einsparpotenzial von 10 % bis 20 %. Typische Ansatzpunkte sind zum Beispiel umständliche oder aufwendige Genehmigungsverfahren und Buchungswege, überholtes Vorschusswesen und komplizierte
Reisekostenabrechnungen. Und wer lange
nicht mit seinem Reisebüro über die
Grundlagen der Zusammenarbeit gesprochen hat, sollte das schleunigst tun.
Viele Travel Manager erwarten, dass als
Reaktion auf die Krise die Geschäftsreisen
zukünftig kürzer sein werden, dass Flüge
früher gebucht werden, um Kosten zu sparen, und dass auch vermehrt niedrigere
Klassen bei Flügen gebucht werden. Bei
Unterkünften wird dies allerdings weit weniger prognostiziert. Insgesamt gehen die
Travel Manager auch davon aus, dass zukünftig mehr Telefon- und Videokonferenzen abgehalten werden. Sie werden bereits
in zwei Drittel der Unternehmen genutzt.
Eine nähere Analyse ergibt, dass abhängig
von der Reisestruktur eine größere Neigung
zum Einsatz besteht: Bei einem Anteil von
Auslandsreisen von mindestens 20 % ist die
Tendenz, die Kosten – und gleichzeitig den
CO2-Ausstoß – durch Alternativen für Geschäftsreisen zu reduzieren, höher als bei
Firmen, die mehr im Inland reisen. Reisen,
insbesondere zum Generieren von Neugeschäft, werden als Wachstumsgarant allerdings nicht ersetzbar sein. Für Meetings
von Teilnehmern, die sich bereits persönlich kennen, gibt es jedoch akzeptable alternative Konferenzformen.
Virtuelle Meetings sind breit akzeptiert
und alltäglich. Es kommt aber darauf an,
sie intelligent einzusetzen. Für bestimmte
Anlässe sind sie vollkommen ungeeignet,
zum Beispiel bei der Kontaktanbahnung.
Wenn es darum geht, beim Geschäftspartner Vertrauen aufzubauen, ist die persönliche Zusammenkunft unerlässlich. Das gilt
umso mehr in Kulturkreisen, wo gewisse Rituale im Geschäftsleben sehr ernst genommen werden. Bei sensiblen Verhandlungen
will man einem Menschen aus Fleisch und
Blut begegnen und ihm ins Auge sehen. Insofern wird der technische Fortschritt bei
virtuellen Meetings zwar zweifellos die
Kommunikationsqualität erhöhen, jedoch
nicht dazu führen, dass Verkäufer, Forscher
und Techniker zu Couch Potatoes werden.
*Michael Kirnberger ist
Präsident des Verbands
Deutsches Reisemanagement e.V. (VDR)
Berlin stärkt Ruhr-Region
Der Geschäftswagen steht parat
ITB Berlin | Die Reiseindustrie wird keine Krisenbranche
Flottenmanagement | Outsourcing spart Kosten
er Tourismus kann weltweit dazu
beitragen, mit seinen vielfältigen
ökonomischen Effekten die Rezessionsängste zu mildern und die Talfahrt
der Wirtschaft zu bremsen. Erfreulich darum, dass auf der im März veranstalteten
ITB Berlin (der Internationalen Tourismusbörse) von Krisenstimmung keine Rede
war. Stark im Trend liegen Reisen in
Deutschland. Interessant ist, dass die diesjährige und jeweils besonders engagiert
auftretende Partnerregion auf der ITB starke Resonanz fand. Es handelte sich um die
Ruhr-Region, die als Urlaubsgebiet immer
im Schatten der großen Touristenländer
Bayern, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein steht. Das Ruhr-Angebot
wurde auf der Messe zum großen Thema.
Der Geschäftsführer der Ruhr-Tourismus GmbH, Axel Biermann, betonte in der
Hauptstadt in der Bilanz zur ITB: „Mehrere
große Reiseveranstalter haben langfristige
Kooperationen mit unserer Region auf den
Weg gebracht. Das Interesse bei Fachbesuchern, Medienvertretern und Publikum
war enorm. Wir glauben, dass die ITB Berlin uns einen großen Schritt weitergebracht
hat auf dem Weg zu einem mittelfristigen
Ziel, die Metropole Ruhr als attraktives Reiseziel zu etablieren.“
Viele ITB-Besucher fanden die „ReisePoesie“ aus der Ruhr-Region in der Eröffnungsshow durchaus als originell. „Statt
Nachtleben in Rom oder Wandern in den
Dolomiten können Touristen auch Ab-
raumhalden stillgelegter Zechen erklimmen. Wer keine Lust auf lange Schlangen
vor dem Eiffelturm hat, sollte vielleicht einmal einen Hochofen besteigen“, heißt es in
einem Werbefilm von der Ruhr.
Auch die Tourismus-Marketing Brandenburg hat sehr positive Eindrücke von
der ITB. Kurzurlaube werden stark gefragt
und der „Fahrrad-Tourismus“ holt weiter
auf.
Abraumhalden statt
Wanderwege erkunden
Wenn die Anbieter von Reisen in Deutschland in Berlin sehr zufrieden schienen,
heißt das nicht, dass die starken Konkurrenten für Auslandsreisen skeptisch gestimmt waren. Auch hier herrschte weitgehend Zuversicht vor. Klaus Laepple, Vorsitzender des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft (BIW) und des
Deutschen Reise-Verbandes (DRV), sagte
auf der ITB zum Messeschluss: „Die Wirtschaft steht weltweit in diesem Jahr vor
großen Herausforderungen. Vor diesem
Hintergrund lassen sich keine fundierten
Prognosen abgeben. Sicher aber ist: Die
Reisebranche hat bereits viele Krisen bewältigt. Die weltweit größte TourismusMesse, die ITB Berlin, spielt hierbei eine
zentrale Rolle. Denn hier wurden wieder
die Weichen für die Zukunft gestellt. Es
wurden nicht nur kurzfristige, sondern
auch vor allem langfristige Geschäftsabschlüsse getätigt sowie Strategien und
Salve! Die offizielle Partnerregion der ITB Berlin 2009 war die RUHR.2010, Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2010.
Foto: ITB-Berlin
Maßnahmen besprochen, wie Unternehmen auf die aktuelle Situation reagieren
und mit Produkt- und Qualitäts-Optimierung den Markt stimulieren können. Auf
der ITB wurden wieder deutliche Signale
gesetzt. Die Branche ist daher für die Zukunft gut gerüstet.“
„Konstante Fachbesucher-Zahlen belegen,
dass die ITB Berlin auch in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld robust ist.
Die ITB hat ihre Position als weltweit führende Messe der internationalen Reiseindustrie erneut bestätigt“, betonte Dr. Christian Göke, Geschäftsführer der Messe Berlin. Vom 11. bis 15. März 2009 präsentierten 11 098 ausstellende Unternehmen aus
187 Ländern ihr Angebot. Verglichen mit
2008 waren die Zahlen trotz der Krise nahezu unverändert. Von den 110 857 Fachbesuchern (Vorjahr: 110 322) kamen 42
(38) % aus dem Ausland. Die Zahl der privaten Besucher blieb mit rund 68 000 stabil. Der die Messe begleitende Kongress
konnte mit über 12 000 Teilnehmern einen neuen Rekord verbuchen (Vorjahr
11 000).
Eine von der Fachhochschule Eberswalde vorgenommene repräsentative Umfrage
bestätigte, dass die Aussteller mit ihrem
Geschäftserfolg weitgehend zufrieden
sind. Sechs von zehn Ausstellern gaben an,
dass sie von der Krise nicht betroffen seien.
Allerdings werde sich das Reiseverhalten
verändern. 52 % der Aussteller glauben an
eine Verkürzung der Aufenthaltsdauer bei
Reisen, 60 % meinen, es werde zu einem
allgemeinen Boom bei Inlandsreisen kommen. Über 87 % der Aussteller gaben in der
Umfrage eines unabhängigen Marktforschungsinstituts an, einen positiven Eindruck von der Messe zu haben. 68 % rechnen mit einer verstärkten Nachfrage nach
Last-Minute-Angeboten.
Die ITB war auch wieder ein internationales Medienereignis. Neben den internationalen Nachrichtenagenturen kamen
rund 7 700 Journalisten aus 87 Ländern.
Vertreter von Politik und Diplomatie zeigten auf der Messe verstärkt Präsenz. Nun
liegt es an der Urlaubslust der Bürger in
der Welt, ob 2009 trotz der allgemeinen
Krise ein gutes Tourismusjahr wird.
Deutschland hat dabei keine schlechten
Karten.
wei
D
er Deal wirbelte die Branche zum
Jahresende 2008 noch einmal kräftig durcheinander: Am 27. November des vergangenen Jahres übernahm die
HPI Fleet GmbH, eine Gesellschaft des internationalen Beschaffungsdienstleisters
HPI mit Sitz in Sulzbach, die zwei Mal größere Aral Fleetmanagement GmbH in Bochum. Bis Mitte 2009 entsteht daraus mit
rund 30 000 Fahrzeugen im Vertragsbestand neben der Car Professional GmbH
(einer Tochter der Société Générale mit
37 000 Fahrzeugen) und der Daimler Fleet
Management der größte hersteller- und
bankenunabhängige Anbieter.
Der Markt boomt, und sogar die Finanzklemme liefert einen Beitrag dazu. Allein in
Deutschland befinden sich derzeit 3,7 Mio.
Pkw in firmeneigenen Fuhrparks. Diese
stellen oft einen der größten und oft unterschätzten Kostenblöcke dar. Deshalb haben viele Unternehmen das Potenzial, das
in der einheitlichen, zentralen und kostengünstigen Verwaltung ihrer Fahrzeuge
steckt, bei Weitem nicht ausgeschöpft. Nur
20 % verfügen nach Branchenschätzungen
für diesen Bereich über ein zentrales Management.
Für die Prüfung, Zahlungsabwicklung
und Archivierung von Tank-, Inspektionsoder Reparaturrechnungen entsteht zum
Beispiel ein immenser Aufwand in den
Buchhaltungen. 500 Autos „produzieren“
jährlich rund 7 000 Einzelbelege, aus denen 50 000 bis zu 70 000 Buchungsvorgänge resultieren. Bei Prozesskosten von bis
zu 15 Euro pro Beleg bedeutet dies eine
Belastung mit rund 100 000 Euro.
Bei der Auslagerung des Fuhrparkmanagements auf einen Spezialdienstleister gibt
es dagegen idealerweise an jedem Monatsende eine Sammelrechnung, in der sämtliche Positionen auf der Basis der Ist-Kosten
zusammengefasst sind. Dabei profitiert der
Auftraggeber von Skaleneffekten aufgrund
zentral genutzter Dienstleistungs- und
EDV-Kapazität. Dazu gehören auch Service-Module wie Software zur Fahrzeugkonfiguration und zur Verwaltung der
Fahrzeugdaten, Telematik-Dienste zur
Flottenüberwachung bis hin zur Strafzettelverwaltung.
Das Outsourcing führt aber nicht nur zu
höherer Effizienz. Großkundenverträge mit
Die Marke Volkswagen bleibt auf dem deutschen Markt mit 27,2 % Marktanteil
Nummer eins im Flotten- und Großkundengeschäft. Im Bild die imposante Flotte
von Werder Bremen.
Foto: VW
Fahrzeugherstellern, Finanzierungsgesellschaften, Tankstellenketten, Werkstätten
oder Versicherungen bringen ebenfalls finanzielle Vorteile. Zusammengerechnet
können in der Beschaffung und im Unterhalt Einsparungen von bis zu 20 % erzielt
werden. Die „kritische“ Marke für einen
Full-Service liegt bei etwa 50 Fahrzeugen.
Bei kleineren Flotten kann es sich lohnen,
Teilfunktionen auszugliedern beziehungsweise zentral steuern zu lassen.
Die pure Größe des Anbieters
spielt eine wichtige Rolle
Nach Branchenschätzungen gibt es hierzulande rund ein Dutzend Fuhrparkmanagement-Anbieter, die europaweit aufgestellt sind. Viele davon gehören zu Automobilherstellern oder Finanzierern. Zu
den wichtigsten Namen zählen alphabetisch Arval (Tochter von BNP Paribas, in
Deutschland allein etwa 33 000 Fahrzeuge), BMW, Volkswagen Leasing und VRLeasing (Volksbanken). Während Volkswagen als Hersteller im Flottengeschäft in
Deutschland mit einem Markenanteil von
27,2% die Nummer eins ist – gefolgt von
BMW – bietet zum Beispiel VR-Leasing inzwischen „Flottenmanagement mit Maus-
klick“ an. In diesem Online-Tool sind alle
relevanten Fuhrparkrichtlinien hinterlegt.
Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal
unter den Fuhrparkmanagern ist, ob das
Unternehmen seine Einkaufsstrategie „Single“- oder „Multi“-Supply ausgerichtet hat.
Während herstellergebundene Gesellschaften ihre Stärke aus der Nähe zu einer
leistungsfähigen Marke beziehen, pflegen
multibel Agierende wie HPI Geschäftsbeziehungen mit mehreren Herstellern
und Banken. Daraus resultiert eine umfassende Marktübersicht über Modelle,
technische Standards und Konditionen,
die optimal auf die jeweiligen Kunden zugeschnitten werden können.
Allerdings spielt auch die Größe des Anbieters eine wichtige Rolle. Je mehr Fahrzeuge er regelmäßig bestellt, desto bessere
Konditionen kann er aushandeln. Auch
dies ist in Zeiten anziehender Kosten ein
nicht zu unterschätzender Vorteil des externen Flottenmanagements. Schon allein
deshalb wird erwartet, dass sich der Markt
weiter konsolidiert. Da der Kuchen insgesamt aber deutlich größer wird und gleichzeitig Weniger darauf zugreifen, bieten sich
für die übrig bleibenden Unternehmen
große Wachstumschancen.
BERLIN – BRANDENBURG
April 2009
WirtschaftsKurier
19
Es wird gebraut
Es wird gebaut
Man ist begeistert
Man wird bedient
Die Region Berlin-Brandenburg will zu Deutschlands Pharmahauptstadt aufsteigen
– und ist auf dem besten Weg.
Seite 20
Die Baubranche der Hauptstadtregion will mit
den Mitteln aus dem Konjunkturpaket II
ihren Schwung halten.
Seite 20
Die Berliner Sparkasse fördert gezielt Start-Ups
und trägt damit zum Gründungsboom
der Region bei.
Seite 21
Die Region ist das Call Center Zentrum. Aber
auch viele andere Dienstleister kümmern sich
um des Kunden Wohlergehen.
Seite 21
Das Herzstück der Metropolregion
Berlin | Exzellentes Sprungbrett in die
VON KLAUS WOWEREIT*
B
erlin ist Herzstück der gemeinsamen
Metropolregion. Berlin und Brandenburg gewinnen international als
Wirtschaftsstandort immer mehr an Zugkraft. Weltweit setzt sich die Erkenntnis
durch, dass Berlin durch seine geografische
Lage ein exzellenter Standort zur Erschließung der Wachstumsregionen in Mittelund Osteuropa ist.
Kampagne „be Berlin”
Berlin hat zu Beginn des Jahres 2009 begonnen, sein Image als kreative und innovative Metropole in einem neuen Anlauf
international zu propagieren. Unsere erfolgreiche Kampagne „be Berlin”, die wir
mit nationaler Ausrichtung voriges Jahr gestartet haben, setzen wir nun international
fort. Dabei wollen wir Berlin auch als Wirt-
schaftsstandort fördern und Berlin weltweit
als Stadt des Wandels darstellen. Unser Slogan: Berlin – the place to be.
Wer in diesen Tagen über Wirtschaftsentwicklung und Konjunktur spricht, der muss
auch über die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise reden. Wirtschaftsund finanzpolitisch ist das auch für uns in
Berlin ein Schlag ins Kontor. Zum jetzigen
Zeitpunkt lässt sich feststellen, dass die
Krise die Berliner Wirtschaft in vergleichsweise geringem Maße in Mitleidenschaft
gezogen hat. Das hängt zu einem Teil damit
zusammen, dass wir uns strategisch auf
den Bereich Innovation konzentriert haben. Aber wir müssen abwarten und aktiv
bleiben. Unser eigenes millionenschweres
Konjunkturpaket und die Investitionen des
Konjunkturprogramms des Bundes und
der Länder werden hoffentlich helfen, das
Schlimmste zu verhindern. Der Berliner Senat hat alles getan, um die Mittel möglichst
schnell in Investitionen umzuwandeln, die
bei den Betrieben dann auch als Aufträge
wirksam werden.
Wachstumsregionen in Mittel- und Osteuropa
Das Rote Rathaus; hier
arbeitet der Regierende
Oberbürgermeister,
Klaus Wowereit.
Foto: Fotolia
Wissen und Wissenschaft
Klaus Wowereit, Oberbürgermeister
der Stadt Berlin.
Foto: Senatskanzlei
Strategisch geht es uns in Berlin darum,
aus Wissen und Wissenschaft Wachstum
zu generieren. Der Erfolg des Wissenschafts- und Technologieparks Adlershof
zeigt idealtypisch, dass das in Berlin hervorragend funktioniert. Die Fertigstellung
des neuen Großflughafens Berlin Brandenburg International (BBI) in unmittelbarer
Nähe zu Adlershof wird für den gesamten
Standort Berlin einen weiteren Schub bringen. Wir gehen von 40 000 Arbeitsplätzen
aus. BBI ist das wichtigste und größte Wirtschaftsprojekt in der Region.
Unsere Wirtschaftsförderung konzentriert sich auf fünf Kompetenzfelder: Biotechnologie, Medizintechnik, Informations- und Kommunikationstechnologie beziehungsweise Medienwirtschaft sowie Verkehrssystemtechnik und Optische Technologie. Berlin hat verstanden, dass wir auf
Innovation setzen müssen. Unsere Überlegung dabei: Wir müssen uns auf neuen Feldern engagieren, die andere Standorte
noch nicht besetzt haben.
Bunter Branchenmix
Berlin – Brandenburg | Von der Holzwirtschaft bis zur Nanotechnologie
W
underschön ist’s in Paris auf der
Rue Madeleine / Schön ist es im
Mai in Rom, durch die Stadt zu
gehn’n / Oder eine Sommernacht still beim
Wein in Wien. / Doch ich häng', wenn ihr
auch lacht, heut’ noch an Berlin.“ Viele
Berliner würden diese Zeilen der Schauspielerin und Sängerin Marlene Dietrich
sofort unterschreiben. Aber nicht nur gebürtige Hauptstädtler, auch Arbeiter, Studenten und Manager, die von überall auf
der Welt ihren Weg in die deutsche Hauptstadt gefunden haben, werden vom
Charme der Stadt verzaubert.
BERLIN ARBEITET
Unter den Top 40 der größten Arbeitgeber Berlins findet man die Berliner
Werkstätten für Behinderte GmbH. Das
Unternehmen, das seit über 40 Jahren
Menschen mit Behinderung eine Aufgabe gibt, bietet für nahezu jedes Talent das passende Einsatzgebiet: Ob
in der Druckerei, Fahrradwerkstatt oder
im BWB-eigenen Hostel, das Platz für
bis zu 26 Übernachtungsgäste bietet –
unter dem Motto „Hallo Leben“ kann
hier jeder an Selbigem teilnehmen.
Mit rund 3,4 Mio. Einwohnern und einem Ausländeranteil von etwa 14 % ist Berlin nicht nur die bevölkerungsreichste
Stadt Deutschlands, sondern auch eine der
buntesten. Umgeben vom Bundesland
Brandenburg mit „nur“ rund 2,5 Mio. Einwohnern bilden sie gemeinsam die so genannte Hauptstadtregion – jedoch noch
immer als separate Länder. Obwohl beide
wirtschaftlich stark voneinander profitieren, sind bisher alle Anläufe für ein gemeinsames Bundesland „Berlin-Brandenburg“ fehlgeschlagen. Vor allem die Brandenburger fürchten, ihre Interessen fielen
hinter denen der einwohnerstärkeren Stadt
hinunter und lehnen daher eine Fusion ab.
Wirtschaftlich gesehen sind diese Ängste
unbegründet. In Brandenburg haben sich
viele namhafte Firmen aus traditionellen
sowie aus Zukunftsbranchen angesiedelt.
Zu Ersteren zählen zum Beispiel Unternehmen der Holz verarbeitenden Industrie.
Brandenburg ist eines der waldreichsten
Bundesländer mit einer Gesamtfläche von
über 1 Mio. Hektar Wald. Der Rohstoff
Holz, der auch im Baugewerbe eine zunehmend wichtigere Rolle spielt, wird in einem Brandenburger Sägewerk zugeschnit-
ten, dann für die Industrie aufbereitet oder
zu Möbeln verarbeitet. Die Branche, die
immer noch einen stetigen Beschäftigungszuwachs verzeichnen kann, gehört
mit einer Exportquote von 38 % zu denen,
mit dem größten Wachstumspotenzial.
Neben Holz war auch Metall schon immer ein Material, dass in der Hauptstadtregion eine wichtige Rolle spielt. Etwa
600 Unternehmen beschäftigen mehr als
38 000 Mitarbeiter in der Stahl- und Metallindustrie. Neben einer Vielzahl mittelständischer Firmen sind Branchenriesen wie
die Heidelberger Druckmaschinen AG und
– einer der größten und umsatzstärksten
Arbeitgeber Brandenburgs – die ArcelorMittal Eisenhüttenstadt GmbH prägend.
Rund 18 000 Menschen arbeiten bei
115 Unternehmen in einem weiteren
Zweig der Metall verarbeitenden Industrie:
Die Tradition der Schienenverkehrstechnik
begründete wohl 1879 Werner von Siemens, der die erste elektrische Lokomotive
in Berlin präsentierte. Heute prägen moderne Unternehmen wie die Bombardier
Transportation, die ihre Zentrale in der
Hauptstadt hat, das Branchenbild. Sie beschäftigt weltweit über 30 000 Menschen,
die mit innovativen Ideen rund um Schienenfahrzeuge das Unternehmen zur weltweiten Nummer eins gemacht haben. Aber
auch die Verkehrslösungen der Siemens
Transportation Systems und die wasserbasierten Lacke der BASF Schwarzheide
GmbH verstärken die Kompetenzen der
Region in Sachen Schiene. Ohne das Werk
im südbrandenburgischen Schwarzheide
wäre die Position der Region in der Chemiebranche im deutschen Vergleich sicherlich weniger stark: Aus der Hauptstadtregion kommen 40 % aller Umsätze in den
neuen Bundesländern. BASF Schwarzheide
hat hier einen seiner größten und fortschrittlichsten europäischen Produktionsstandorte
und ist stolz auf das Werk in der Lausitz.
Das Beibehalten traditionsreicher Branchen und die kontinuierliche Integration
moderner Unternehmungen ist das, was
die wirtschaftliche Struktur der Hauptstadtregion ausmacht. So umwerben Berlin und Brandenburg unter anderem Firmen aus den Zukunftsbranchen Optik,
Mikro- und Nanotechnologie und bieten
ihnen hervorragende Standortvorteile.
Heute beherbergt die Hauptstadtregion
neben
30
Forschungseinrichtungen
270 Unternehmen und bietet damit
12 000 Menschen einen Arbeitsplatz im Bereich Optik. Hier gehört beispielsweise die
Berliner Glas Gruppe zu den führenden
europäischen Unternehmen rund ums
technische Glas. Bei der Berliner Glas
KGaA sind rund 500 Menschen damit beschäftigt, sphärische und asphärische Optik zur Anwendung etwa in der Laser- und
Messtechnik oder Biomedizin herzustellen.
Weitere Zukunftstechnologie wie die
Mikro- oder Nanotechnologie prägen das
Bild einer innovativen und dynamischen
Hauptstadtregion. Im neu entstandenen
Stadtteil Adlershof bietet Berlin eine integrierte Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft
und Medien. Hier haben sich nicht nur die
Naturwissenschaftler und Mathematiker
der Humbolt-Universität zu Berlin ein hervorragendes Forschungsnetzwerk aufgebaut, auch Unternehmen beispielsweise
aus dem Bereich der Mikrotechnologie haben die Synergieeffekte erkannt. So entwickelt, produziert und vertreibt die
Sentech Instruments GmbH in Adlershof
Produkte aus der Dünnschichtmesstechnik und Plasma Prozess Technologie. Aber
auch Nanotechnologen wie die Capsulution Pharma AG – ein aus dem Max-PlanckInstitut hervorgegangener Pionier bei der
Umsetzung von Forschungsergebnissen in
wirtschaftlich verwertbare Produkte – befindet sich hier. Zur Produktpalette gehören Nanokapseln und -komplexe, die pharmazeutische Produkte kontrolliert abgeben können. Die Kapseln können so klein
sein, das circa 3 Mrd. Stück davon in einen
Stecknadelkopf passen würden.
cm
Die Ansiedlung der Deutschlandzentrale
von Pfizer zeigt neben Bayer Schering Pharma und Berlin-Chemie, dass unsere Stadt
dabei ist, deutsche Pharmahauptstadt zu
werden. Diese Beispiele zeigen jenseits aller
Rhetorik: Es gelingt uns, am Standort Berlin
ein ansprechendes Umfeld mit kompetenten Partnern und überzeugenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu bieten.
Berlin rollt Investoren den roten Teppich
aus. Damit meine ich auch die Verwaltung.
Entscheidend ist, dass der Unternehmer die
notwendigen Entscheidungen an einer einzigen Stelle bekommt. Ich denke, dass wir als
Senat in dieser Hinsicht mit der Zentralen Anlauf- und Koordinierungsstelle für Unternehmen (ZAK) ein attraktives Angebot machen.
Berlin ist aber auch die wachsende kreative Metropole im Herzen Europas. Schon
jetzt arbeiten rund 800 Modedesigner und
Fashionlabels in Berlin und das bedeutet
nichts weniger als einen neuen Wirtschafts-
zweig für unsere Stadt. Die Messen selber
sorgen für Aufträge für Berliner Dienstleister, und rund 50 000 in- und ausländische
Gäste kommen zu diesen Veranstaltungen
nach Berlin. Das sind Leute, die wirtschaftliche Impulse setzen, die sich auch wieder
auf unsere Wirtschaft auswirken. Und natürlich lassen diese Menschen auch Geld in
der Stadt – bei einem Touristen oder einer
Touristin rechnen wir durchschnittlich mit
180 Euro am Tag.
Die Tatsache, dass die Modemesse
Bread & Butter wieder nach Berlin zurückgekehrt ist, obwohl es international starke
Mitbewerber gegeben hat, ist Beleg dafür,
dass diese Branche auch international als
ein ernst zu nehmender Wirtschaftsfaktor
angesehen wird. Mit dem Gebäudekomplex des Flughafens Tempelhof war Berlin
in der Lage, einen einzigartigen Standort
gerade für diese Messe anzubieten. Ich bin
sehr zufrieden über diesen Ansiedlungserfolg, der Berlin als Messestandort stärkt.
Auch die so genannten alten Industrien
haben in der Region einen hohen Stellenwert. Derzeit hoffen wir sehr darauf, dass
auch die Betriebe in Berlin, die zu Automobilkonzernen gehören, wie die Werke
von BMW in Spandau oder von Mercedes
in Marienfelde, die Krise überstehen. Wir
wissen, dass auch diese Branchen für das
wirtschaftliche Gedeihen unserer Metropole unverzichtbar sind. Vor der Krise haben
sie nachhaltig für neue Arbeitsplätze gesorgt. Ich wünsche mir, dass wir an diese
Entwicklung möglichst bald wieder anknüpfen können.
*Klaus Wowereit ist Regierender
Oberbürgermeister der Stadt Berlin
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Die Mitarbeiter all dieser Firmen können sich auf ein gut ausgebautes Netz
der öffentlichen Verkehrsmittel verlassen. Umgerechnet fährt die Berliner
Verkehrsgesellschaft (BVG) täglich
zum Mond und zurück oder – anders
gesagt – 18-mal um die ganze Welt.
Wer aber trotzdem auf das Auto nicht
verzichten kann oder möchte, dem
Klima aber nicht weiter schaden will,
sollte einen Blick auf das Pilotprojekt
der BMW Group und Berlins Energieversorger Vattenfall Europe werfen. 50
mit einem Elektromotor ausgestattetete Minis fahren durch die Straßen.
Sollte ihnen der „Saft“ ausgehen, bietet Vattenfall als erster Energiekonzern
in Berlin verteilte Ladesäulen, die‚ unabhängig vom Fahrzeugtyp auch von
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BERLIN – BRANDENBURG
20 WirtschaftsKurier
APRIL 2009
Berlin will Pharmahauptstadt werden
Vorreiter bei neuen Behandlungsmethoden | Viele Patienten aus dem Ausland kommen in die Region
VON CONSTANZE MEINDL
F
ragt man Unternehmer aus den Lifescience-Branchen, warum sie sich
für den Standort Berlin-Brandenburg entschieden haben, sind die Antworten vielseitig. Den einen ist wichtig, dass
in der Region die gesamte Wertschöpfungskette – von der Forschung bis zum
Endprodukt – abgebildet wird. Andere
schätzen die gute Qualifikation der Arbeitnehmer bei relativ geringen Lohnkosten
und auch die Nähe zu den Wachstumsmärkten in Ost- und Mitteleuropa ist ein
wichtiger Faktor. Neben der Infrastruktur,
die außer Straße und Schiene bald einen
internationalen Flughafen bietet, ist allen
voran die hohe Forschungsdichte ausschlaggebend.
In der „Stadt in der Stadt“ – Berlin-Adlershof, einem hochmodernen Technologiepark, in dem sich Firmen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Medien angesiedelt
haben – wird Tür an Tür geforscht und gearbeitet. Hier arbeiten nicht nur die Naturwissenschaftler und Mathematiker der
Humboldt-Universität zu Berlin, die Ende
dieses Jahres ihr 200-jähriges Jubiläum begeht, sondern auch elf außeruniversitäre
Institute bieten hier erstklassige Forschungsbedingungen.
Berlin-Buch wird
zur Gesundheitsregion
Aber auch der Berliner Stadtteil Buch bietet Unternehmen aus der Gesundheitsbranche ein attraktives Umfeld. Buch ist
dabei, sich zu Deutschlands Gesundheitsregion Nummer eins zu entwickeln. In der
Grundlagenforschung ist das hier ansässige Max-Delbrück-Centrum für Molekulare
Medizin (MDC) führend. Mit dem Einsatz
von Methoden aus der Molekularbiologie
und der Gentechnologie werden hier die
Spuren der neuen Volkskrankheiten wie
Bluthochdruck und Krebs bis in ihren genetischen Ursprung verfolgt, um wirksame Heilungsstrategien zu ermöglichen.
Aber auch praxisnahe Forschung wird im
Stadtteil Buch betrieben. Neben dem Experimental and Clinical Research Center
(ECRC) des Berliner Universitätsklinikums
In Berlin entwickeln nun auch Leverkusener neue Medikamente: Ein Krebsforscher bei der visuellen Kristallprüfung im Forschungslabor von Bayer Schering
Pharma in Berlin.
Charité werden in den Kliniken der Helios
Research Center GmbH in der Theorie erlangte Erkenntnisse im Klinikalltag erprobt. In diesem Umfeld haben sich auch
zahlreiche Biotechnologieunternehmen
angesiedelt.
Die vielen Forschungsergebnisse werden
in der Hauptstadtregion in neuartigen Behandlungsmethoden umgesetzt. Menschen aus aller Welt kommen nach Berlin,
um sich in einer der medizinisch fortschrittlichsten Städte behandeln zu lassen.
Allen voran ist hier sicherlich das Deutsche
Herzzentrum Berlin (DHZB) zu nennen,
das diesen Ruf entscheidend mitgeprägt
hat. Unter dem Motto „Made by DHZB“
müssen die Berliner den internationalen
Vergleich nicht scheuen, sondern sind – im
Gegenteil – oftmals Vorreiter bei neuen
Therapiekonzepten. Vor allem betuchte
Patienten aus Ost- und Südosteuropa sowie den GUS-Staaten reisen in die Haupt-
stadt, um sich hier behandeln lassen. Aber
auch meist kleine Patienten mit oftmals
seltenen Herzerkrankungen, die sich eine
Behandlung bei den Berliner Spezialisten
eigentlich nicht leisten können, finden
mithilfe von Stiftungen und Spenden den
Weg in die Spezialklinik für Herz-, Thoraxund Gefäßerkrankungen. Das DHZB hat
nicht nur deutschlandweit das größte
Herztransplantationsprogramm, sondern
gibt auch in der Entwicklung von künstlichen Herzen weltweit das Tempo vor.
Selbst wenn eine Transplantation oder
Operation gut verlaufen ist, können Infektionen in der intensiven Betreuungsphase
zu schweren Komplikationen führen. Das
frühzeitige Erkennen einer eventuellen
Sepsis ist Ziel der Spezialisten der Brahms
AG aus Hennigsdorf. Besonders auf Intensivstationen sind Blutvergiftungen ein Problem, da hier die Infektion besonders häufig
auftritt und oftmals zum Tode führt – allein
Gerade im sensiblen Pharma-Bereich muss mit äußerster Sorgfalt gearbeitet
werden. Hier wird die korrekte Synthese eines neuen Wirkstoffes physikalisch
überprüft.
Fotos: Bayer Health Care
in Deutschland erkranken jedes Jahr etwa
150 000 Menschen an einer Sepsis, die in
50 % der Fälle tödlich endet. Mit dem Sepsis-Marker Procalcitonin ist eine Früherkennung möglich geworden und mit ihr
die notwendige schnelle Einleitung von
Behandlungsschritten.
Mit Protonen
Augentumore behandeln
Bei der Erforschung von Krebserkrankungen – die Zahl von Neuerkrankungen in
Deutschland steigt jährlich – hat sich in
der Hauptstadtregion ein hochmodernes
Netzwerk von Kliniken und Unternehmen
gebildet, das stetig an neuen Behandlungsmethoden arbeitet. Hierzu zählt beispielsweise die Zerstörung von Augentumoren
mithilfe von Protonen. Dass Strahlentherapien zur Behandlung von Krebszellen eingesetzt werden, ist nichts Neues. Dass es
sich aber nicht unbedingt um Röntgen-
oder Elektronenstrahlung handeln muss,
um einen Krebs zu zerstören, erkannten
Forscher des Charité Campus Benjamin
Franklin und Physiker des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB). Durch eine Strahlentherapie mit Protonen, den positiv geladenen schweren Teilchen eines WasserstoffAtomkerns, können Augentumore wesentlich präziser eleminiert werden als mit den
herkömmlichen Methoden. Diese Art der
Krebsbehandlung kann nur an wenigen
Orten der Welt überhaupt durchgeführt
werden, da die technischen Voraussetzungen sehr hoch sind. Damit der Protonenstrahl exakt auf den Tumor treffen kann,
werden den Patienten zunächst – unter
Vollnarkose – kleine Metallplättchen auf
das Auge genäht, die den Rand des zu zerstörenden Gewebes beschreiben. Die Bestrahlung selbst findet dann im HelmholtzZentrum statt. Dort steht eine eigens entwickelte Strahlquelle, die Stabilität und
eine gute Protonenintensität garantiert.
Stufenweise werden die Protonen auf ihre
Endenergie von etwa 68 Mio. Elektronenvolt gebracht – das entspricht etwa halber
Lichtgeschwindigkeit. Aus einem Stahlrohr
wird dann der Strahl präzise in das Auge
der Patienten gelenkt. Ein entscheidender
Vorteil bei dieser Art der Behandlung ist,
dass das den Tumor umgebende, gesunde
Gewebe kaum verletzt wird, weshalb oftmals das Auge oder sogar die Sehkraft zumindest teilweise gerettet werden können.
Neben diesen fortschrittlichen Behandlungsmethoden kommen auch moderne
Medikamente aus der Hauptstadtregion.
Darum ist es Berlins erklärtes Ziel,
Deutschlands Pharmahauptstadt zu werden. Global Player haben sich hier genauso
angesiedelt wie erfolgreiche Mittelständler.
Zu den Großen zählt die Bayer Schering
Pharma AG mit Zentrale im Stadtteil Wedding. Seit der Übernahme von Schering
Pharma durch den Bayer Konzern findet
man auch die Leverkusener, die Weltmarktführer im Bereich der hormonellen
Empfängnisverhütung sind, in der Landeshauptstadt. Die Bayer Schering Pharma AG
beschäftigt weltweit etwa 40 000 Mitarbeiter. Die Pfizer Pharma GmbH – jährlich
werden mehr als 7 Mio. US-Dollar in Forschung und Entwicklung gesteckt und damit das erklärte Ziel der Gründer Karl Pfizer und Karl Erhart auch 150 Jahre nach
der Unternehmensgründung fortgeführt –
hat 2008 ihren Firmensitz von Karlsruhe
nach Berlin verlegt. Pfizer habe erkannt,
dass sich die Hauptstadtregion zum wichtigsten Zentrum für Medizin und Gesundheit entwickele, begründete der Deutschland-Chef Dr. Andreas Penk den Umzug
damals. Außerdem wolle man helfen, diese
Position weiter auszubauen. Neben Dr.
Mann Pharma – der weltweit führende
Ophtalmika-Hersteller bietet alles, was ein
gesundes Auge benötigt – findet man auch
den Berlin-Chemie Konzern – eine Tochter
der italienischen Menarini-Gruppe. Dieser
stellt feste und flüssige Arzneiformen (beispielsweise Tabletten, Dragees und Tropfen) sowie Arzneizäpfchen und Infusionslösungen her.
Der Bau behauptet sich
Baugewerbe | Die Branche will von den Konjunkturprogrammen der Regierung profitieren
D
ie Bauindustrie der Hauptstadtregion stemmt sich mit Händen und
Füßen gegen die Krise. Nachdem
das Jahr 2008 „mit einer schwarzen Null“
abgeschlossen werden konnte, hofft der
Bauindustrieverband Berlin-Brandenburg
e.V., mit den Mitteln aus dem Konjunkturpaket II die absehbaren Ausfälle durch
mehr Aufträge aus dem Öffentlichen Sektor abzufedern. „Immer wieder auftauchende Diskussionen über mögliche Kapazitätsengpässe der Baufirmen und Preissteigerungen am Bau sind angesichts der
nachlassenden Baunachfrage völlig aus der
Luft gegriffen“, betonte Hauptgeschäftsführer Axel Wunschel.
Auch die Fachgemeinschaft Bau Berlin
und Brandenburg e.V. erwartet eine spürbare Nachfragebelebung aus den Konjunkturpakten der Bundesregierung. Die Mitgliedsfirmen dieses von mittelständischen
Betrieben der Region dominierten Verbandes konnten das Jahr 2008 noch mit einem
Plus von 3,8 % abschließen. Für 2009 geht
Präsident Dr. Kaspar-Dietrich Freymuth trotz
Unterstütung seitens der Regierung allerings
von einem leichten Rückgang aus.
Nach Angaben der Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung in Berlin nahm der Umsatz im Bauhauptgewerbe in der Hauptstand um 7,2 % auf 2,259 Mrd. Euro zu.
Aufgrund der vielen Großbauprojekte,
die in Berlin seit dem Mauerfall 1989 anstanden und noch anstehen, gibt es im
Großraum Berlin nicht nur viele traditionelle kleine und mittlere Bauunternehmen, sondern es haben auch viele der Großen eigene Niederlassungen vor Ort gegründet und haben ihren Hauptsitz in Berlin, wie etwa die Alpine Deutschland
GmbH. Niederlassungen haben etwa Bauer Spezialtiefbau, Bilfinger Berger, Deutag,
Ed. Züblin, Heilit + Woerner, Hochtief, Max
Bögl und Strabag.
Gerade die kleinen und mittleren Bauunternehmen will der Verein Innovations-
So soll das von den gmp-Architekten geplante Terminal des neuen Großflughafens Berlin Brandenburg International aussehen.
Animation: BBI
zentrum Bau Berlin Brandenburg unterstützen. Ziel ist es, deren Wettbewerbsfähigkeit durch technologieorientierte Geschäftsprozesse sowie Verfahren und Produkte zu stärken. Im Vordergrund steht hier
der Technologietransfer. Durch Bündelung
und Aufbereitung von Informationen sollen die KMUs zeitnah informiert werden,
um so mit den Trends im Bau Schritt halten zu können.
So baut das Gottlieb Tesch Bauunternehmen – ein nicht nur in der Hauptstadtregion anerkannter Partner für Tief- und Ingenieurbau sowie Baumaßnahmen im
Bereich Umwelttechnik – die Rohrleitungen für den neuen Internationalen Flughafen Berlin Brandenburg BBI. Der neue
Großflughafen dürfte zu den größten Bauprojekten gehören, die in und um Berlin
derzeit ausgeführt werden. Ab 2011 soll der
gesamte Flugbetrieb der Hauptstadt von
hier aus erfolgen. Die Gottlieb Tesch
GmbH mit Sitz in Stahnsdorf bei Berlin errichtet die Bauwasserableitungen auf dem
Gelände des neuen Flughafens mit circa
9 000 Kanal- und Rohrleitungen.
In der Kanalsanierung ist außerdem die
BKP Berolina Polyester GmbH & Co. KG tätig. Das in der Hauptstadt ansässige Unternehmen hat sich an der internationalen
Spitze beim Thema Schlauch-Lining etabliert. Das bei dieser grabenlosen Methode
der Rohrsanierung entwickelte und paten-
tierte Verfahren zur Linerproduktion auf
der Basis von glasfaserverstärkten Kunststoffen ist weltweit einzigartig. Aber es werden nicht nur Kanalsanierungen durchgeführt, auch der Fernleitungsbau gehört
zum Programm der BKP. Ein erfolgreich
abgeschlossenes Projekt ist etwa die Rohrleitungsanbindung einer Bohr- und Förderinsel an die Landstation in Friedrichskoog. Die Ummantelung der Edelstahlrohre besteht aus glasfaserverstärkten Kunststoffen.
Zu den erfolgreichen familiengeführten
Bauunternehmen zählt die Freyler GmbH,
die in den Sparten Industriebau, Stahlbau
und Metallbau tätig ist. Eigentlich auf mittelständische Unternehmen spezialisiert,
für die Freyler zum Beispiel Produktionshallen oder Verwaltungsgebäude erstellt,
„bebaut“ das Unternehmen jetzt einen
8 400 Quadratmeter großen Abenteuerspielplatz in Neuenburg samt Halle und
Gastronomiebereich.
uk/cm
BERLIN – BRANDENBURG
APRIL 2009
WirtschaftsKurier
Aktives Engagement für
den Mittelstand
Selbstständig in Berlin
Berliner Sparkasse | Warum die Hauptstadt bei Unternehmensgründungen Spitze ist
VON DR. CHRISTIAN SEGAL*
D
er wirtschaftliche Abschwung ist
auch in Berlin angekommen. Wegen geringer industrieller Produktion und Exportabhängigkeit ist die
Hauptstadt jedoch bisher noch nicht so
stark von der Rezession betroffen wie
das Bundesgebiet. Zudem zeigt sich die
Berliner Wirtschaft in einer wesentlich
besseren Verfassung als noch vor wenigen Jahren. Die Stimmungslage der Unternehmen befindet sich dennoch auf
einem gedrückten Niveau. Nachdem
das Wachstum im Jahr 2008 noch über
dem Bundesdurchschnitt lag, ist in diesem Jahr nicht mit einer Steigerung der
wirtschaftlichen Leistung zu rechnen.
Das sind keine positive Botschaften,
Dr. Christian Segal von der Berliner
Sparkasse.
Foto: Berliner Sparkasse
dennoch bewirken sie derzeit wieder
eine Zunahme von Unternehmensgründungen. In einer Krise wird mehr gegründet. Mehr Ideen werden in die Tat
umgesetzt, sei es weil sich die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen verschlechtert haben oder
wegen Arbeitslosigkeit. Aktuell berichten verschiedene Institutionen – so auch
die Berliner Sparkasse – für die ersten
Monate 2009 von einer gegenüber dem
Vorjahr gestiegenen Anzahl von Anfragen.
In Berlin hat sich seit 2004 eine aktive
Gründerszene gebildet. Nach einer Untersuchung der Kreditanstalt für Wiederaufbau aus dem Jahr 2008 ist Berlin das
Bundesland mit den meisten Gründungen bezogen auf die Anzahl der Erwerbstätigen. Die folgenden Ränge belegen
Hamburg, Hessen und Brandenburg.
Während in Deutschland insgesamt die
Anzahl der Gründungen in diesem Zeitraum deutlich rückläufig war, zeigte sich
die Anzahl der Berliner Gründungen
auch in der konjunkturellen Boomphase
relativ stabil.
Schaut man sich die Verteilung der
Gründungen an, so ergab sich bei der
Berliner Sparkasse im Jahr 2008 folgendes Bild: 45 % wollten sich im Dienstleistungssektor selbständig machen, 28 %
im Handel und 14 % als Handwerker. 8 %
der Gründer sind Freiberufler wie
Rechtsanwälte, Ärzte, Steuerberater und
Wirtschaftsprüfer, 5 % Produktionsunternehmen. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt werden in Berlin überdurchschnittlich viele Handelsunternehmen gegründet. Hier probieren auch
häufig Gründer aus anderen Bundesländern neue Konzepte aus.
Was sind die Sonderfaktoren, die Berlin zur Gründerhauptstadt machen? Sicher profitiert die Stadt von ihrer großen
Anzahl an Universitäten, Fachhochschulen und Forschungsinstitutionen. Diese
Einrichtungen bieten zum Teil umfangreiche Beratungs- und Förderangebote
für Studenten und Mitarbeiter von
Hochschulen.
die Gründungen aus dem Bereich der
Kreativwirtschaft. Hierzu zählen Filmproduktionsfirmen, Designer und Modelabels,
aber auch Unternehmen der jungen
Gamesindustrie. Berlin ist als Medienstandort schon aufgrund seiner Hauptstadtfunktion sehr interessant. Die Region
Berlin-Brandenburg besitzt renommierte
Hochschulen wie die Hochschule für Film
und Fernsehen Konrad Wolf in Babelsberg.
Breite Unterstützung erhält die Kreativwirtschaft zudem über einen Kreativfonds
und ein Kreativ Coaching Center, beides
Institutionen der Investitionsbank Berlin.
Kreativwirtschaft boomt
Der Berliner Stadtteil Mitte erlebt eine Renaissance als Bankenviertel.
Zu dem Netzwerk, das in der Region Gründungen fördert, gehört der größte und älteste deutsche Businessplanwettbewerb Berlin-Brandenburg. Existenzgründer können
von Oktober bis Juli ein umfangreiches
Programm an kostenlosen Seminaren und
Veranstaltungen besuchen. Sie erhalten
professionelle Unterstützung bei der Erstellung ihres Businessplans. Im letzten
Jahr konnte mit mehr als 1 300 Teilnehmern und über 700 abgegebenen Businessplänen ein Rekord aufgestellt werden.
Zunehmende Bedeutung gewinnen auch
nal bekannt ist Berlin-Adlershof – einer
der erfolgreichsten Hochtechnologiestandorte in Deutschland. Auf einer Fläche von 4,2 Quadratkilometern ist ein
integrierter Wissenschafts-, Wirtschaftsund Medienstandort entstanden. Seit
1990 wurden hier 250 Unternehmen gegründet. Mittlerweile arbeiten etliche erfolgreich und tragen wesentlich zum Ansehen des Technologieparks bei. Die Nähe
zum künftig einzigen Flughafen in der Region, Berlin Brandenburg International in
Viele Technologieparks
Ein weiterer Standortfaktor, mit dem Berlin
punkten kann, sind die vielen Technologieparks und Gründerzentren. Überregio-
König Kunde
Berlin calling | Dienstleistungssektor ist regionale Stütze
D
werden hier pro Jahr 10 Mio. Anrufe in 16
er Dienstleistungssektor ist die
Sprachen bearbeitet. Auch die Telegap
wichtigste Säule der Wirtschaft der
GmbH nutzt das „Multikulti“ der HauptHauptstadtregion. Während Unterstadt zu ihren Gunsten. Das auf das Outnehmen aus Branchen wie Verkehr und
bound-Geschäft spezialisierte UnternehHandel aufgrund der leicht negativen Entmen kommuniziert mit den Telefonkunwicklung teilweise pessimistisch in die Zuden in 17 Sprachen.
kunft blicken, beurteilen die Dienstleister
in der Hauptstadtregion – laut des KonEin Draht aus Berlin
junkturreports der Industrie- und Handelsin die ganze Welt
kammern in Berlin-Brandenburg – ihre Situation für 2009 insgesamt positiver.
Die Kommunikation von Berlin aus in die
Ein Wirtschaftszweig mit besonderem
ganz Welt ist möglich, weil die LandesWachstumspotenzial hat sich die Haupthauptstadt über eines der modernsten und
stadtregion als deutsches Zentrum ausgegrößten Kommunikationsnetze verfügt,
sucht: die Call Center. In Berlin-Brandendas zu 100 % digitalisiert ist. Aber auch hier
burg arbeiten alleine rund 27 000 Menläuft ohne Stromversorgung nichts. Die
schen in nahezu 250 Call Centern. Als
Hauptstadtregion verfügt jedoch über geGrund für die vermehrte Ansiedlung von
nügend Versorgungsanbieter, die hier ihren
Unternehmen aus diesem WirtschaftsFirmensitz haben. Allen voran die Vattenzweig gelten mehrere Faktoren: Neben den
fall Europe AG, eines der führenden eurorelativ geringen Personal- und Immobipäischen Energieunternehmen, das verlienkosten – die Region befindet sich hier
stärkt die Nutzung regenerativer Energien
unter dem Bundesdurchschnitt – kann mit
vorantreibt und sich damit im Umwelteiner Vielzahl multilingualer potenzieller
schutz engagiert. So sucht der GroßkonMitarbeiter, die teilweise bis zu fünf Sprazern aktiv nach sicheren Wegen, das klichen und mehr beherrschen, geworben
maschädliche Kohlendioxid dauerhaft zu
werden – in der Region Berlin-Brandenlagern. In einem Kooperationsprojekt mit
burg leben schließlich Menschen aus über
Verbundnetz Gas AG Leipzig (VNG) und
180 Nationen. Dabei können die Call Cenden Schlumberger Carbon Services (SCS)
ter nicht nur auf qualifiplant Vattenfall Europe
zierten Nachwuchs aus
die Erkundung von unterden Universitäten hoffen
irdischen Gesteinsformen
Die Call-Center– an den 40 Hochschulen
in Brandenburg auf die
Branche in der
in Berlin und BrandenEignung zur dauerhaften
Hauptstadt boomt: Speicherung von Kohlenburg sind rund 180 000
Studenten eingeschrieMan hofft hier
Denn viele Berliner dioxid.
ben. Seit 2006 bietet die
Salzwasser führende Gesind multilingual.
zuständige Industrie- und
steinsschichten in etwa
Handelskammer die neu1 200 bis 1 600 Meter Tiefe
en Ausbildungsberufe zur
– so genannte Saline
„Servicekraft“ beziehungsweise „KaufAquiferen – zu finden. Rund 600 Meter
frau/-mann für Dialogmarketing“ an, woüber diesen liegen gasundurchlässige
durch das Angebot an qualifizierten MitarSchichten wie Salzstein oder Ton, in die
beitern stetig steigt. Die Hälfte der in der
man das Kohlendioxid einspeisen könnte,
Hauptstadtregion tätigen Call Center besodass es nicht in die Atmosphäre gelangt.
dienen allerdings beide Tätigkeitsfelder.
Genehmigt das zuständige Landesamt in
Entgegen des bisherigen Rufes dieser
Cottbus die Erkundungen, würden die VorBranche arbeiten heute rund 50 % der Anuntersuchungen bis ins Jahr 2011 hinein
gestellten als Vollzeitbeschäftigte in den Teandauern. Auch die Stadtwerke Neuruplefonzentralen.
pin GmbH, die ursprünglich als klassisches
Zu den in der Hauptstadtregion angesieVersorgungsunternehmen gegründet wurdelten Unternehmen zählt beispielsweise
de, sich aber mittlerweile zu einem Dienstdie Lufthansa Global Tele Sales, eine
leister für die Fontanestadt entwickelt hat,
100 %ige Tochter der Lufthansa AG, mit
gehört zu den Versorgern der HauptstadtDeutschlandzentrale in Berlin. Für den
region. Sie hat aber nicht nur die Strom-,
Hauptkunden Lufthansa wird unter andeGas- und Wasserversorgung im Programm,
rem die allgemeine Reservierungshotline
sie betreibt außerdem die Touristen-Informafür Deutschland und Österreich betreut.
tion und die Fahrgastschifffahrt ebenso wie
Aber auch fremde Unternehmungen köndie Wirtschaftsförderung von Neuruppin.
nen die Dienste der rund 1 400 Mitarbeiter
Berlin bietet im Dienstleistungssektor
in neun Ländern in Anspruch nehmen. Es
aber mehr als nur Kommunikation und
Versorgung. Auch wenn man beim Thema
Finanzen nicht sofort die Landeshauptstadt im Kopf hat, so ist Berlin auch ein Finanzplatz mit Tradition. Mit Beginn des 21.
Jahrhunderts entdeckten Banken und Versicherungen die Hauptstadt für sich wieder
neu. Finanzhäuser aus dem In- und Ausland eröffnen in Berlin Haupt- und Zweigniederlassungen und verhelfen so dem historischen Bankenviertel im Stadtteil Mitte
zur Renaissance. So hat beispielsweise die
DZ-Bank, eine Zentralbank der Volks- und
Raiffeisenbanken, in einem raffinierten
Neubau mit Atrium von dem international
renommierten Architekten Frank O. Gehry
am Pariser Platz nahe dem Brandenburger
Tor eine Niederlassung eröffnet. Die KfW
Bankengruppe hat sogar das Glück, von einem der wenigen erhaltenen Bankpaläste
der Kaiserzeit am Gendarmenmarkt aus
ihre Bankgeschäfte zu tätigen. Auch die
Deutsche Kreditbank und die in Berlin gegründete private Weberbank AG beschäftigen einige der 50 000 Berliner, die im Kredit- und Versicherungsgewerbe arbeiten.
Unweit vom Gendarmenmarkt hat die
Deutsche Bank eine zukunftsorientierte Filiale errichtet, in der Kunden zwar ganz
normal ihren Bankgeschäften nachgehen können, aber auch ihre Freizeit im
Ausstellungsbereich, einem Shop, der Leseecke und einem Bistro verbringen können.
Nicht weit vom Gendarmenmarkt entfernt lernen Studenten sich in einer anderen Welt als der der trockenen Finanzen zu
bewegen. Eine Welt für die die Hauptstadtregion weit über ihre Grenzen hinaus auf der ganzen Welt bekannt ist. An
der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin werden pro Jahr lediglich 24 Talente zum Regisseur, Kameramann oder
Produzenten ausgebildet. Wenn nach einem erfolgreichen Studienabschluss alles gut
läuft, haben sie keinen weiten Weg zu einer
der größten europäischen Filmfabriken: dem
Studio Babelsberg. Das älteste Großfilmstudio der Welt – Eröffnung 1911 – war in
den Jahren 2007 und 2008 das umsatzstärkste in Europa. Der Full-Service Anbieter stellt auf rund 420 000 Quadratmetern alles bereit, was man für Kinokassenschlager wie „Der Vorleser“ oder die „Operation Walküre“ benötigt. Aber nicht nur in
Babelsberg entstehen die rund 300 Filme, die
jedes Jahr in der Hauptstadtregion produziert
werden. Auch die Ufa Film & TV GmbH mit
Sitz in Potsdam ist mit einer Cinema-Tochter
wieder ins Kinogeschäft eingestiegen und
macht beispielsweise der Deutschen Columbia Pictures Filmproduktion somit
Konkurrenz.
cm
Schönefeld, wird die Attraktivität des
Standortes weiter erhöhen.
Die Berliner Sparkasse bietet bereits seit
dem Jahr 2000 ihre Expertise rund um Existenzgründungen in einem KompetenzCenter mit 12 Mitarbeitern an. Seitdem hat
die Berliner Sparkasse mehr als 1 400
Gründer in die Selbstständigkeit begleitet
und ist damit in der Hauptstadt führend.
Allein im letzten Jahr waren es über 300.
Mit Förderdarlehen finanziert werden
sowohl kleine Start-Ups mit einem Volumen von 10 000 Euro als auch HightechGründungen mit einem Kapitalbedarf
im Millionenbereich. Vom Tattoostudio
bis zum erfolgreichen Gamesproduzenten reicht die Palette der begleiteten Unternehmen. Auch Gründungen im Rahmen der Unternehmensnachfolge und
Sonderformen wie Franchise-Nehmer
werden begleitet.
Wir sind optimistisch, dass die Sonderkonjunktur bei Gründungen in Berlin anhalten und die Hauptstadt ihre Spitzenposition bei Existenzgründungen verteidigen
wird. Denn Berlin gilt gerade in dieser Szene als Labor für Geschäftsideen.
*Dr. Christian Segal ist Leiter des
KompetenzCenters Gründungen und Unternehmensnachfolge der Berliner Sparkasse
21
Deutsche Bank Berlin | Mehr Kredite vergeben
D
ie Deutsche Bank steht auch in turbulenten Zeiten mit Kreditmitteln
für ihre mittelständischen Kunden
bereit. Für jedes überzeugende Investitionsprojekt erarbeiten wir die passende Lösung.“ Das versichert nachdrücklich vor
Journalisten in der Hauptstadt Harald Eisenach, Mitglied der Geschäftsleitung der
Deutschen Bank Berlin und verantwortlich
für Firmen. Nach seinen Angaben setzen in
der Hauptstadtregion 81 000 Mittelständler
auf „die Kompetenz der Deutschen Bank“.
Die Zahl der Privat- und Geschäftskunden
stieg 2008 um 2 % auf 643 000.
In Berlin ist das Kreditvolumen der Bank
(Geschäftskunden und Firmenkunden) bis
Ende 2008 gegenüber Ende 2007 um 10 %
auf 2,6 Mrd. Euro gestiegen. Die mittelständischen Unternehmen sind nach dem
Eindruck der Bank in der Hauptstadtregion
gut aufgestellt. Die Eigenkapitalquote der
mittelständischen Unternehmen hat sich
in den vergangenen Jahren nach Überzeugung der Bank sogar „nachhaltig verbessert“.
Nicht nur im Kreditgeschäft, auch im
Einlagenvolumen war die Entwicklung
2008 positiv. Gegenwärtig betreut die
Deutsche Bank in Berlin ein Einlagenvolu-
men von 5,11 Mrd. Euro. Die Bank verzeichnete 2008 einen verstärkten Beratungsbedarf, was angesichts der Finanzkrise nicht verwundert. „Vor allem der
Aspekt der Sicherheit der Geldanlage steht
im Vordergrund“, betonte Rainer Goschin
von der Geschäftsleitung. Die intensive
Werbung für Festzins-Sparen brachte über
9 400 Kunden. Insgesamt haben die FestzinsSparer rund eine Mrd. Euro neu angelegt.
Das Depot-Volumen im Bereich der
Deutschen Bank hat sich in Berlin infolge
der Turbulenzen an den Kapitalmärkten
rückläufig entwickelt. Das Anlagenvolumen verringerte sich durchschnittlich um
8 % gegenüber dem Vorjahr. Dadurch bedingt ging das Geschäftsvolumen auf 10,9
(11,7) Mrd. Euro zurück. Eine Renaissance erleben die
Bausparverträge mit
einem Plus von 49 %.
Marc-Aurel von Dewitz, der in der Berliner Geschäftsleitung
für Private Wealth
Management verantwortlich ist, betonte, aus seiner
Sicht sei Risikomanagement in 2009 eines der wichtigsten
Themen: „Selbst in
einem freundlichen
Marktumfeld kommt
es bei der Vermögensverwaltung auf
Foto: Fotolia das Vermeiden unnötiger Risiken an.
Im Zweifel ist weniger mehr. Die Anleger
müssen sich auf moderate Renditeerwartungen einstellen.“
In der Region Berlin sind 915 Berater für
die Bank tätig. Insgesamt stellt sich die
Zahl der Mitarbeiter der Deutschen Bank
in der Hauptstadt auf 2 600. Nicht zuletzt
wegen des Kundenzuwachses sollen 2009
gezielt weitere qualifizierte Berater eingestellt werden. Nachhaltig investiert werden
soll, so wird weiter vorgehoben, auch in
die Aus- und Weiterbildung.
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AUTO & MOBILITÄT
22 WirtschaftsKurier
„Wir spielen weiter auf Angriff“
VW| Für die Zukunft besser als die Konkurrenz gerüstet
VON DIETER W. HEUMANN
F
ür den VW-Konzern aus Wolfsburg
war 2008 nochmals ein Spitzenjahrgang. Bestmarken wurden im vergangenen Jahr im Umsatz, aber auch im Ergebnis gesetzt, obwohl der Zukauf des
schwedischen Lkw-Produzenten Scania in
der zweiten Jahreshälfte voll konsolidiert
wurde. Das 2008 erzielte operative Ergebnis (EBIT) von 6,3 Mrd. Euro übertrifft den
Vorjahreswert um 3%. Der Gewinn nach
Steuern wurde um 13,7% auf 4,7 Mrd. Euro
gesteigert. Erreicht wurde das Ergebnis
durch einen um 1,3% höheren Absatz auf
6,3 Mio. Fahrzeuge sowie einen Umsatz,
der gegenüber dem Vorjahr um 4,5% auf
113,8 Mrd. Euro erhöht werden konnte. Im
Vordergrund stand die VW-Kernmarke:
Passat, Golf und Polo steigerten ihren Gewinn um nahezu 40%. Die Premiummarke
Audi legte beim Gewinn um 2,5% zu. Bei
Skoda brach der Gewinn um 21% ein, und
Seat rutschte sogar in die Verlustzone. Die
Kapitalrendite bewegte sich mit fast
11 (9,5)% erstmals im zweistelligen Bereich. Während sich bereits im vierten
Quartal 2008 über der Automobilindustrie
pechschwarze Wolken zusammenzogen,
kam der – nach Toyota und General Motors
– drittgrößte Automobilproduzent der
Welt, dank seiner kleineren und insgesamt
günstigeren Modelle, im Vergleich zur Konkurrenz noch verhältnismäßig glimpflich
davon: Die Absatzeinbußen waren im Gegensatz zur Branche insgesamt moderat
und mit einem EBIT- und Gewinnrückgang
von je einem Viertel konnte sich der Wolfsburger Autokonzern durchaus sehen lassen.
Vorstandschef Martin Winterkorns Botschaft: Auch Volkswagen wird nicht ungeschoren aus der tiefen Absatzkrise herauskommen. Aber um den Wolfsburger Autobauer ist es längst nicht so schlecht bestellt wie um die Konkurrenz. Der VW-Chef
rechnet damit, dass für Volkswagen „2009
eines der schwierigsten Jahre in der Unternehmensgeschichte“ werden wird. „Die
derzeitige Krise übertrifft alles, was ich persönlich in 30 Jahren Automobilindustrie
erlebt habe“, resümierte er in der Bilanzpressekonferenz. Eine dramatische Talfahrt
auf allen wichtigen Weltmärkten, der tief
greifende Vertrauensverlust bei Banken,
Unternehmen sowie Verbrauchern seien
Ausdruck einer hochexplosiven Mischung.
Dennoch will Winterkorn nicht der Panikmache das Wort reden. Für sein Haus geht
er für das laufende Jahr insgesamt sogar
wieder von einem positiven Ergebnis aus.
„Wir spielen weiter auf Angriff“, so Winterkorns Parole für 2009. Er nannte vier
Gründe, die den VW-Konzern auch in Zukunft besser als die Konkurrenz abschneiden lassen werden: Erstens, den breit aufgestellten Verbund, der – mit den neun
Marken VW, Audi, Skoda, Seat, Bentley, Bugatti und Lamborghini sowie die VW-Nutzfahrzeuge und Scania – jährlich über 6 Mio.
Fahrzeuge produziert. Dies biete ein technologisches, ökonomisches und ökologisches Potenzial, wie es kein zweiter Autobauer vorweisen könne. Zweitens präsentiere der Konzern fast 180 Modelle. Darunter unterschiedliche Modelle für Europa,
Asien und Amerika. Drittens kündigte der
VW-Chef eine „einzigartige, hocheffiziente
Modellvielfalt“ an. Winterkorn sprach damit die neue Kleinwagenfamilie an, die ab
soll dem Konzern zweistellige prozentuale
Einsparungen in den Bereichen Entwicklung, Einkauf und Produktion ermöglichen. Investitionen in zusätzliche Kapazitäten werden verschoben oder gestrichen.
Verträge für Leiharbeiter können laut Winterkorn nicht verlängert werden. Die eigenen Mitarbeiter stimmte der VW-Chef auf
„einschneidende Entscheidungen ein“.
Horst Neumann, Personalchef des Konzerns, gab sich aber optimistisch, die Beschäftigung der Stammbelegschaft in
Deutschland mittelfristig halten und im
den USA, Japan oder Westeuropa. Dagegen profitierte der Absatz in Deutschland
von der Abwrackprämie – nach Winterkorn
„ein Lichtblick“. Allein im Februar verbuchten die Wolfsburger Autobauer ein
Plus von rund 20 %. Das ist nach Winterkorn der höchste Auftragseingang seit der
Wiedervereinigung. Folglich setzt sich der
oberste VW-Manager für eine Fortführung
der Prämie über den 31. Dezember 2009
hinaus ein. Sie ist nach Winterkorn „das
beste Programm für die Sicherung von
Arbeitsplätzen und zum Schutz der Um-
APRIL 2009
Mit attraktiven Produkten
gut aufgestellt
Audi | Keine Abstriche bei Investitionen in neue Modelle
D
en Ingolstädter Audi-Konzern traf
als Premium-Hersteller die weltweite Krise mit voller Wucht: Im Januar 2009 reduzierte sich die Zahl der Auslieferungen an Kunden um 28,6 % auf rund
56 200 Autos. Trotzdem, es spricht für die
Qualität von Audi, dass die Marke gerade
in der Krise zulegen konnte und den
Marktanteil in Westeuropa und den USA
währenddessen ausbauen konnte. „Mit unserem attraktiven und jungen Produktportfolio sind wir hervorragend für die heutigen Marktbedürfnisse aufgestellt“, begründete Audi-Chef Rupert Stadler seine Zuversicht für die Zukunft, gerade auch im
Jahr 2009, in dem Audi den 100. Geburtstag
feiern kann.
Audi denkt in verschiedenen Szenarien
und hat sich Zwischenziele für 2009 bis
2011 gesetzt, will aber auf jeden Fall die
Beschäftigung der Stammbelegschaft bis
2011 garantieren. Für das hervorragende
Jahr 2008 – Audi lieferte über 1 Mio. Fahrzeuge aus und erwirtschaftete ein Vorsteuerergebnis von 3,177 Mrd. Euro – erhalten
die Mitarbeiter eine Gratifikation von
durchschnittlich 5 300 Euro.
Kein Einstellungsstopp
VW-Chef Martin Winterkorn wies bei der Bilanzpressekonferenz auf das Concept Blue Sport hin, schließlich will auch VW
bei sportlichen Fahrzeugen mit Umweltverträglichkeit glänzen.
Foto: VW
2010 in Serie gehen soll. Dabei soll es unterschiedliche Versionen für Ballungsräume, aber auch für Wachstumsmärkte in
den Schwellenländern geben. Insgesamt
würden bis 2010 mehr als 20 neue Modelle
auf den Markt kommen. Und Viertens verfüge VW über die finanzielle Basis, seine
Zukunft aus eigener Kraft zu gestalten.
Gesetzt wird beim größten europäischen
Autobauer aber auch auf Einsparungen –
sowohl bei Kosten als auch bei Investitionen. In der Herstellung wurden die Kosten
bereits gesenkt und so der Bau der neuen
Modelle kostengünstiger gestaltet. Zudem
haben die Wolfsburger einen Baukasten für
Autoteile entwickelt, der den meisten Zukunftsmodellen zur Verfügung steht. Dies
Ausland sogar ausbauen zu können. Ende
2008 beschäftigte der Konzern 370 000 Mitarbeiter, darunter 174 000 in seinen deutschen Werken.
Bis 2018 will VW
ganz an die Spitze
Die Schwierigkeiten, die auf die Wolfsburger 2009 zukommen, spiegelten sich bereits im Ergebnis der ersten zwei Monate
des laufenden Jahres: Im Januar und Februar wurden weltweit gut 809 000 Fahrzeuge verkauft – 15 % weniger als im gleichen
Vorjahreszeitraum. Finanzvorstand Hans
Dieter Pötsch schließt für das erste Quartal
rote Zahlen nicht aus. Dramatische Einbrüche gab es in wichtigen Märkten, wie
welt“. Die Umsatzerlöse werden 2009 infolge rückläufiger Absatzzahlen unter denen des Vorjahres liegen. Auch steigende
Refinanzierungskosten und Ländermixverschlechterungen werden das Ergebnis belasten. Eine genauere Prognose zum Verlauf des Jahres 2009 lehnte Winterkorn
aber ab. Die hohe Volatilität der Marktentwicklung lasse derzeit keine verlässliche
Aussage über den Verlauf des kommenden
Geschäftsjahres zu. Dennoch hält er am
ehrgeizigen Ziel, VW bis 2018 an die Spitze
im Automobilbereich zu bringen, den Konzernabsatz auf etwa 11 Mio. Fahrzeuge zu
steigern (6,3 Mio. 2008) und dabei ökonomischer und ökologischer Marktführer zu
sein, fest.
Stadler ließ aber keinen Zweifel daran, dass
sein Unternehmen auf die Nachfrageschwankungen professionell reagieren
müsse und dazu von der Arbeitszeitflexibilität, und hier auch der Kurzarbeit, Gebrauch mache. Aber Audi habe keinen Einstellungsstopp verhängt, sondern werde allein im ersten Quartal 150 Experten, vor
allem Techniker, neu einstellen. Überdies
erhöht Audi die Zahl der Auszubildenden
um 40 auf 722 und übernimmt alle Ausgelernten.
Audi will seinen „Vorsprung durch Technik“ in Zukunft vor allem auch auf die
CO2-Vermeidung der Fahrzeugflotte ausbauen. Als Zukunftstrends, denen sich
Audi stellen will, gelten der langfristige
Aufbau von Kompetenzen im Bereich der
Elektro-Traktion, ein verstärkter Fokus auf
Aluminium-Leichtbau und neue Werkstoffe und eine Verfeinerung und weitere Optimierung der dem Wettbewerb überlegenen
Pionierstellung bei TDI und TFSI-Antrieben. Audi geht es also um neue (Elektro-)
Antriebe, neue, leichtere Materialien und
Werkstoffe sowie eine kontinuierliche Fortentwicklung der Antriebstechnik.
Stadler wies ausdrücklich darauf hin,
dass, wer beim Antrieb der Zukunft „ganz
oben mitspielen will“, einen „langen Atem“
brauche. Noch einige Jahrzehnte werde auf
jeden Fall der Verbrennungsmotor den
Markt dominieren, und auch hier will Audi
gerüstet sein.
Antizyklisch will Audi auch beim Marketing fahren und die Budgets nicht kür-
BMW | Der bayerische Premiumhersteller will gestärkt aus der Krise kommen
W
BMW-Chef Dr. Norbert Reithofer lehnt verstaatlichte Autokonzerne ab und
plädiert für Unternehmen, die aus eigener Kraft aus der Krise fahren. Foto: BMW
ten Absatzrückgang erlebt habe – gut aufgestellt sei, machte Reithofer an einer ganzen Reihe von Punkten deutlich. So verfüge
der Konzern über eine Liquidität von
8,1 Mrd. Euro und damit über ausreichend
finanzielle Sicherheit und Handlungsspielräume. Außerdem habe BMW die Kosten,
Investitionen und den Kapitaleinsatz pro
Fahrzeug deutlich gesenkt. Bereits 2008 lagen die Fixkosten unter dem Vorjahr. Bis
2012 will BMW 4 Mrd. Euro bei den Materialkosten einsparen, eine Zielgröße, die die
Münchner wohl eher noch übertreffen
dürften. Im Gegensatz zur Konkurrenz hat
BMW die Lagerbestände reduziert, weil bereits Ende 2008 die Produktion in den
deutschen Werken heruntergefahren wurde. Seit 2009 setzt BMW außerdem punktuell Kurzarbeit ein, derzeit in den Werken
Dingolfing und Regensburg, während in
München und Leipzig normal gearbeitet
werde. BMW hatte auch bereits vorsorglich das Personal abgebaut und die Zahl
der fest angestellten Mitarbeiter um 7 500
verringert, rund 4 000 Beschäftigte hatten
bis Ende Dezember 2008 einvernehmlich
einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet.
Nicht nur in der Produktion, auch in der
Verwaltung wurden beispielsweise 500
Stellen abgebaut. Im laufenden Jahr rechnet Reithofer damit, dass aufgrund der natürlichen Fluktation noch einmal bis zu
1 500 Beschäftigte abgebaut werden können. Trotzdem will BMW auch 2009 neue
Mitarbeiter einstellen und wird weiterhin
die hohe Ausbildungsquote von 5 % beibehalten und auch über Bedarf ausbilden.
Das langfristige Ziel von BMW definierte
Reithofer als „nachhaltige Mobilität“, zu
der neben der Gestaltung der bisherigen
Fahrzeugflotte unter dem Motto „mehr
Leistung bei weniger CO2“ mithilfe von efficient dynamics auch das „project i“ zähle.
Als erstes Ergebnis konnte BMW daraus
den Mini E präsentieren, den bereits
500 Kunden in Kalifornien testen, als
Nächstes folgen Berlin und München. Bei
einer Reichweite von bis zu 250 Kilometer
leistet dieser Mini 204 PS. Trotzdem warnte auch Reithofer: „Für Euphorie ist es aber
noch zu früh“, denn es werde noch viele
Jahre brauchen, bis Elektoautos in nennenswerter Zahl auf den Straßen unterwegs seien. Noch immer seien Fragen wie
eine bezahlbare Technik, die Lebensdauer
der Batterien sowie eine entsprechende Infrastruktur offen und noch immer lernten
Hersteller und die Gesellschaft insgesamt
dazu. Das zweite Ergebnis aus dem project i wird ein Megacitiy Vehicle sein, das
den Auftakt zu einer Famile extrem emissionsarmer Fahrzeuge bilden soll. Die ersten
Großserienfahrzeuge werden in der ersten
Hälfte des nächsten Jahrzehnts auf den
Markt kommen.
Das Jahr 2008 konnte BMW – obwohl das
vierte Quartal schon im Zeichen der Krise
stand – mit über 1,43 Mio. verkauften Fahrzeugen als zweitbestes Absatzergebnis der
Geschichte verbuchen. Während der Umsatz noch moderat um 5 % auf 53,197 Mrd.
Euro zurückging, brach das EBIT um
78,1 % auf 921 Mio. Euro ein. Allein
1,968 Mrd. Euro an zusätzlicher Risikovorsorge für die Restwerte aus Leasingverträgen und von Kreditausfällen sowie
455 Mio. Euro außerordentliche Personalaufwendungen verhagelten hier das Ergebnis. Im vierten Quartal 2008 schrieb BMW
bereits rote Zahlen mit einem EBIT von
minus 718 Mio. Euro, im ersten Quartal
2009 kämpfe man noch, so Reithofer.
BMW hält an den langfristigen Profitabilitätszielen fest und will bis 2012 einen
ROCE von 26 % im Segment Automobile
und eine Umsatzrendite von 8 % bis 10 %
auf EBIT-Basis im Segment Automobile
erzielen. Das Ziel, bis 2012 ein Volumen
von 1,8 Mio. Fahrzeugen zu erreichen,
gab BMW allerdings auf. Wann diese
Zielmarke erreicht werden könne, dazu
müssten erst neue Planungen erfolgen, so
Reithofer.
uk
zen, sondern auf gleich bleibend hohem
Niveau belassen. In Zeiten, wo viele Konkurrenten ihre Budgets signifikant kürzen,
komme so Audi bei gleichem Aufwand eine
erhöhte Aufmerksamkeit zu.
Nachdem 2009 etwa das A5 Cabriolet
und der A4 allroad quattro neu in die Modelpalette fahren werden, wird es 2010 mit
dem Audi A1 den Auftakt in das Segment
der Kleinwagen geben. Es soll in seiner
Klasse das einzige vollwertige PremiumAuto sein.
Finanzvorstand Axel Strotbek hob in der
Retrospektive auf 2008 die hohe Ertragskraft von Audi hervor: Die Umsatzrendite
vor Steuern sei von 8,7 % auf 9,3 % angestiegen und dokumentiere damit das überprotortionale Ergebniswachstum. „Mit diesem Wert zählt der Audi-Konzern heute zu
den ertragsstärksten Unternehmen im internationalen Automobilgeschäft, ganz besonders in einem Jahr, in dem die Auswirkungen der Finanzmarktkrise bereits deutlich zu spüren waren“, so Strotbek.
In den hervorragenden Kennzahlen des
Jahres 2008 erkennt Strotbek vor allem
auch eine solide Basis, damit Audi das
ambitionierte Modellprogramm der
nächsten Jahre aus eigenen Mitteln
stemmen könne.
Audi will auch in den Zeiten der Krise
kräftig in neue Produkte, zukunftsträchtige
Technologien und Wachstumsmärkte investieren, so Strotbek, werde jedoch durch
eine konsequente Ausgaben- und Investitionsdisziplin sowie eine Optimierung der
Prozesse den Widrigkeiten der Krise gegensteuern.
„Audi hat das Potenzial, durch neue Modellreihen, aber auch durch eine noch bessere Ausschöpfung bestehender Märkte
weiter zu wachsen“, so Stadler.
uk
Keine Höhenflüge – aber
ein solides Fundament
„Größe ist nicht alles“
ahrscheinlich wird BMW den bekannten Slogan „Freude am Fahren“ bald in „Freude am CO2Sparen“ umtexten. Wenigstens betonte
BMW-Chef Dr. Norbert Reithofer in seiner
Rede zur Bilanzvorlage 2008, wie sehr seine Fahrzeugflotte in Sachen Spritverbrauch und CO2-Ausstoß vorneweg fahre.
Inzwischen emittierten die BMWs, RollsRoyces und Minis im Durchschnitt
156 Gramm CO2 pro Kilometer und damit
deutlich weniger als die Pkw der anderen
Premiumhersteller. Dass dies nicht von
nichts komme, daran erinnerte Reithofer
deutlich: „Heute profitieren wir davon,
dass wir bereits in der Vergangenheit über
1,2 Mrd. Euro in umweltfreundliche Technologien investiert haben“, so Reithofer.
„Premium wird künftig viel stärker über
Nachhaltigkeit definiert“, ist sich Reithofer
sicher, und „weniger über die Anzahl der
PS im Fahrzeug”.
Reithofer räumte mit dem Vorurteil auf,
dass es bei Automobilkonzernen vordringlich auf Massse ankäme: „Größe ist nicht
alles“, so Reithofer. Vielmehr würden nur
diejenigen Unternehmen überleben, die
flexibel seien, sich im harten globalen Wettbewerb behaupten könnten und die mit
Ideen und aus eigener Kraft heraus neue
Wege der individuellen Mobilität selbst gestalten und vorantreiben könnten. Reithofer ließ keinen Zweifel daran, dass BMW zu
diesen Unternehmen gehöre – und dass
sich der Staat eher heraushalten sollte.
Insofern habe BMW nicht das geringste
Interesse an der Übernahme von Opel
oder eines anderen Volumenherstellers,
baue vielmehr punktuell die Zusammenarbeit mit PSE (Produktion von kleineren 4Takt-Motoren) und Daimler (beim Einkauf
von Teilen, die nicht zur Markenunterscheidung führen) weiter aus.
Dass BMW auch in der derzeitigen Krise
– und auch Reithofer betonte, wie derzeit
viele Automanager, dass er in den letzten
30 Jahren noch niemals einen solch abrup-
Audi-Chef Rupert Stadler sieht sein
Unternehmen bei den Premium-Marken vorneweg fahren.
Foto: Audi
EADS | Hohes Auftragspolster für 2009
D
er deutsch-französische Luft- und
Raumfahrtkonzern EADS sieht sich
angesichts der Krise in einer guten
Ausgangsposition: Mit 400 Mrd. Euro erreichte der Auftragsbestand einen neuen
Rekordwert und die Nettoliquidität kletterte auf einen neuen Höchststand von
9,2 Mrd. Euro. „Unsere Branche steht 2009
vor großen Herausforderungen, aber wir
können auf unsere hoch motivierten Mitarbeiter und unser ausgezeichnetes Produktportfolio zählen“ so der EADS-Vorstandsvorsitzende Louis Gallois bei Vorlage der Bilanz.
Da schon das laufende Jahr 2009 von
großer Unsicherheit geprägt ist, wendet
das EADS-Management das Konzept der
„rollierenden Planung“ an. Auf jeden Fall
wird die Produktionsrate bei der A320-Familie ab Oktober 2009 auf 34 Flugzeuge
pro Monat angepasst und bei den Langstreckenflugzeugen auf 8,5 Flugzeuge pro
Monat. Immerhin biete in dieser Situation
das Verteidigungsgeschäft mit den institutionellen Kunden eine gewisse Sicherheit.
2008 konnte EADS einschließlich zwölf
neuer A380 insgesamt 483 Flugzeuge an
Kunden übergeben. Eurocopter legte noch
einmal 588 Hubschrauber dazu. Bei Umsätzen in Höhe von 43,3 Mrd. Euro (plus
11 %) erzielte EADS ein EBIT von
2,830 Mrd. Euro und ein Konzernergebnis
von 1,572 Mrd. Euro. Das EBIT war mit
704 Mio. Euro wegen des A400M-Programms
belastet. Inzwischen verhandelt EADS mit
den Erstkunden über einen neuen Zeitplan
und will die erste Auslieferung drei Jahre
nach dem Erstflug im März 2009 tätigen.
Für 2009 geht EADS für Airbus von einem Umsatzniveau von 2008 aus. Das
EBIT vor Einmaleffekten wird geringer als
2008 ausfallen, aber immerhin deutlich
positiv. Die Höhe des EBIT hängt allerdings
in hohem Maße von der Einigung mit den
Kunden aus dem A400M-Programm ab, da
diese prinzipiell ihre Bestellungen wieder
EADS-Chef Louis Gallois.
Foto: EADS
zurücknehmen und ihre Anzahlungen zurückfordern können. Derzeit geht EADS
davon aus, 2009 einen Cash-Verbrauch von
mehr als 1,5 Mrd. Euro zu haben, neben
den Verhandlungen spielen hier auch geringere Kundenanzahlungen und ein Vorratsaufbau aufgrund der reduzierten Produktionsrate am Ende 2009 eine Rolle.
2008 konnten alle Geschäftsbereiche
punkten, wobei Airbus bei einem Umsatz
von 27,453 Mrd. Euro (plus 9 %) ein EBIT
von 1,790 Mrd. Euro erzielte – im Vorjahr
stand hier noch ein Minus von 881 Mio.
Euro zu Buche. Der Bereich Militärische
Transportflugzeuge setzte 2,759 Mrd. Euro
um und schloss mit einem EBIT von minus
16 (minus 155) Mio. Euro ab. Eurocopter
erlöste 4,486 Mrd. Euro Umsatz (plus 8 %)
und ein EBIT von 293 Mio. Euro (plus
39 %). Astrium konnte den Umsatz um
21 % auf 4,289 Mrd. Euro steigern und ein
EBIT von 234 (174) Mio. Euro erzielen. Bei
Verteidigung und Sicherheit legte der Umsatz auf 5,668 (5,392) Mrd. Euro zu und das
EBIT um 18 % auf 408 Mio. Euro.
uk
IT & TELEKOMMUNIKATION
APRIL 2009
WirtschaftsKurier
23
Entscheidungshilfen auf Knopfdruck
Verwaltungs-Software | Behörden können mit speziellen IT-Systemen ihre Personalressourcen steuern
VON DR. HANS-DIETER RADECKE
D
ie Behörden von Bund, Ländern
und Kommunen stehen vor einem
großen personellen Umbruch: Innerhalb der nächsten zehn Jahre werden
mehr als eine Mio. Mitarbeiter in Rente
gehen – etwa jeder dritte Beschäftigte wird
dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Für
die meisten dieser Mitarbeiter muss ein
Nachfolger gefunden werden. Wegen des
demografischen Wandels stehen jedoch
weniger Kandidaten dafür zur Verfügung:
Die Zahl der Schul- und Hochschulabgänger geht ebenso zurück wie die Gesamtzahl der Menschen im Erwerbsalter – momentan stehen in Deutschland noch rund
50 Mio. Menschen dem Arbeitsmarkt zur
Verfügung, 2050 werden es nur noch rund
36 Mio. sein. „Die Herausforderungen des
demografischen Wandels früh zu erkennen
und Probleme offen zu benennen, ist der
beste Weg, sie zu lösen“, bringt es Bundespräsident Dr. Horst Köhler auf den Punkt.
Der Mitarbeitermangel ist etwa bei ITAufgaben oder im Schulwesen bereits
heute spürbar. Diese sich schon jetzt abzeichnende Personallücke geht einher mit
wachsenden Anforderungen an die öffentliche Verwaltung: Bürger und Politik erwarten, dass Behörden ihre Servicequalität
verbessern, ihre Prozesse verschlanken,
Bürokratie abbauen und Innovationsfähigkeit beweisen.
Services bündeln
Einer von mehreren möglichen Ansatzpunkten für erfolgreiches Verwaltungshandeln bei dünner Personaldecke liegt darin,
allgemeine Leistungen der öffentlichen
Verwaltung, die nicht zu ihren Kernaufgaben gehören und die dezentral erbracht
werden, auf zentrale Institutionen zu übertragen. In solchen sogenannten Public
Shared Service Centern (PSSC) werden
die Leistungen für eine Vielzahl von Behörden gebündelt. Informatikdienstleistungen sind besonders geeignet für die
Verlagerung in ein PSSC, da sich deren
Kosten wegen der Skalierungseffekte erheblich senken lassen: Die Unternehmensund Software-Beratung Accenture rechnet
mit einem Einsparpotenzial von bis zu
25 %, BearingPoint sogar von bis zu 50 %.
Zugleich steigt die Qualität der IT-Services,
da in den PSSC mehr spezialisierte Mitarbeiter zur Verfügung stehen.
Darüber hinaus können die Verwaltungen so Leistungen in Anspruch nehmen,
ohne selbst Kapazitäten aufbauen zu müssen. Beispiel Datenanalyse: Sogenannte
Analytics-Lösungen (also Analysewerkzeuge) liefern Behörden zuverlässige Informationen für die strategische Steuerung,
mit denen sie etwa die eigene Leistungsfähigkeit überwachen, die Servicequalität
verbessern oder Schwachstellen in den
Prozessen identifizieren können. Die Spezialisten eines PSSC wären in der Lage,
Analysen, Simulationen und Prognosen
zentral für mehrere Verwaltungen durchzuführen. Der Vorteil für die Behörden: Sie
profitieren vom umfassenden Know-how
dieser Spezialisten und entlasten zugleich
ihre eigenen IT-Abteilungen.
Den Personalbedarf vorhersagen
Ein weiterer Ansatzpunkt liegt darin, die
Behördenmitarbeiter gezielt dort einzusetzen, wo sie ihren Qualifikationen entsprechend den größten Nutzen bringen. Das
setzt eine zuverlässige, aussagekräftige
Bestandsaufnahme der Kompetenzen, Erfahrungen und auch Restriktionen der
Beschäftigten voraus. Auf dieser Basis
Der (Über-)Alterungsprozess in unserer Gesellschaft hat Auswirkungen auf die Verwaltungen, gerade auch bei der Personalbeschaffung, wie zum Beispiel bei
Lehrern. Hier kann eine intelligente IT die Prozesse besser und schneller steuern, sodass sich etwa Fehlzeiten in den Schulen minimieren.
Foto: Fotolia
können die Personalplaner in den Verwaltungen dann mithilfe moderner Lösungen
für die strategische Personalplanung die
Mitarbeiter optimal einsetzen. Besonders
bei unvorhergesehenen Ereignissen – etwa
eine Grippewelle in der Behörde – zeigen
diese IT-Systeme ihre Stärken: Sie liefern
quasi auf Knopfdruck Entscheidungshilfen, sodass sich der Betrieb auch bei
Einschränkungen aufrechterhalten lässt.
Die Verantwortlichen können zum Beispiel
innerhalb von Minuten einen Dienstplan
erstellen, der alle Qualifikationen und Einschränkungen, die Verwaltungsstrategie
und nicht zuletzt die Belange der Mitarbeiter berücksichtigt. Auch bei internen
Umstrukturierungen wie der Zusammenlegung von zwei Ämtern leisten diese Lösungen gute Dienste, denn sie zeigen, welche Mitarbeiter für die jeweiligen Aufgaben am besten geeignet sind.
Bedarfsgerechte Qualifizierung
Wie Behörden bei der Personalplanung
von diesen Verfahren profitieren, zeigt das
Beispiel der belgischen Schulverwaltung in
Flandern. Um bei Krankheitsfällen schnell
geeignete Ersatzlehrer bereitstellen zu können, nutzt die Behörde eine Planungslösung, die zugleich die Zuordnung der
Lehrer transparent und fair gestaltet. Zunächst werden die Lehrer klassifiziert, etwa
nach Fachgebieten, Mobilität, Art der Lehrerlaubnis oder gewünschter Stundenzahl.
So entsteht für jeden einzelnen Lehrer ein
exaktes Profil, das automatisiert mit den
offenen Stellen abgeglichen wird. In kurzer
Zeit liefert die Software für jede offene Stelle den passenden Kandidaten: Dauerte die
Personalzuteilung früher oft Wochen, so
kann die Schulverwaltung jetzt Ersatzlehrer innerhalb von maximal drei Tagen bereitstellen. Unterrichtsausfälle sind deutlich zurückgegangen.
Noch einen großen Schritt weiter gehen
Behörden, wenn sie im Personalmanagement berücksichtigen, inwieweit die Mitarbeiter auch künftige Anforderungen abdecken können. So lassen sich schon heute durch Weiterbildungsmaßnahmen oder
durch gezieltes Recruiting die Weichen für
die Aufgaben von morgen stellen. Die dazu
nötigen Informationen liefern analytische
Business-Intelligence-(BI-)Systeme. Wie
man sich das vorzustellen hat, erläutert
Andreas Nold, Sales Manager Öffentlicher
Bereich bei SAS Deutschland, der deutschen Niederlassung des weltweit größten
Anbieters derartiger Systeme: „Diese Lösungen führen sämtliche Personaldaten
aus allen verfügbaren HR-Systemen, Datenbanken und Fachanwendungen zusammen. Bereits mit diesem ersten Schritt sind
Unternehmen in der Lage, die Qualifikationen der Mitarbeiter sowie die gegenwärtigen Anforderungen miteinander abzugleichen.“ Nold fuhr fort: „So entsteht Transparenz im Personalmanagement – durch
aussagekräftige Berichte mit strategischen
Kennzahlen zum vorhandenen Know-how,
zu Kosten, Trainings, Kündigungen oder zur
demografischen Struktur der Beschäftigten.“
In einem zweiten Schritt können die Personalmanager mit integrierten Analyseinstrumenten unter anderem Personalbedarf und -kosten prognostizieren, Budgetvorhersagen erstellen und die Ergebnisse
von Weiterbildungsszenarien simulieren.
Ausgehend von der übergeordneten Verwaltungsstrategie lassen sich mit diesen
Informationen dann gezielte Aktivitäten zu
Personalentwicklung, Nachfolgeplanung
oder Mitarbeiterbindung entwickeln und
konkrete Trainings- und Recruiting-Maßnahmen aufsetzen.
Aufgaben priorisieren
Ein anderer Weg aus den Personalengpässen liegt darin, Verwaltungsaufgaben zu
priorisieren, sodass die Mitarbeiter gezielt
für die Tätigkeiten eingesetzt werden, bei
denen die Kosten-Nutzen-Relation am
günstigsten ist. Etwa bei Kontrollen im
Verbraucherschutz oder in der Landwirtschaft: Wenn sich die Behörden auf diejenigen Überprüfungen konzentrieren, bei
denen die Wahrscheinlichkeit für einen
Verstoß gegen ein Gesetz oder eine Verwaltungsvorschrift am größten ist, steigt deren
Erfolgsquote deutlich. Zugleich reduzieren
sie so den bürokratischen Aufwand, wovon vor allem diejenigen Bürger profitieren, die sich rechtskonform verhalten.
Analytische BI-Lösungen liefern überprüfbare, aussagekräftige Regeln, anhand derer
die Mitarbeiter eine optimale Auswahl der
zu kontrollierenden Fälle treffen können.
Dabei ist es sogar möglich, die vorhandenen internen Ressourcen bei der Analyse
zu berücksichtigen.
Wie funktionieren diese Prognosen?
Andreas Nold: „Die Lösungen analysieren
Verstöße aus der Vergangenheit auf wiederkehrende Muster. Dazu werden zunächst einmal alle für einen Vorgang relevanten Daten unabhängig von ihrer Quelle
und ihrem Format zusammengeführt. Innerhalb dieser Datenbasis identifiziert die
Analysesoftware mittels komplexer statistischer Verfahren (Data Mining) Trends,
Muster und Abweichungen, die dem bloßen Auge verborgen bleiben und die auf
Anomalien hinweisen – natürlich unter Beachtung aller Datenschutzvorgaben.“
Mittels solcher Analysen lassen sich
dann Kenngrößen ableiten, anhand derer
die Wahrscheinlichkeit, dass ein Betrugsfall
vorliegt, für jeden einzelnen Vorgang dargestellt werden kann. Auf diese Weise erhalten die Kontrolleure eine Liste, die
zeigt, wo die Chance, illegale Handlungen aufzudecken, am größten ist, und
können ihre Aufklärungsquote entsprechend steigern.
Potenzial wird verschenkt
DIW-Studie | IT-Weiterbildung erhöht Wertschöpfung
R
eaktionsgeschwindigkeit, Flexibilität
und Innovationskraft sind die Markenzeichen des deutschen Mittelstands. Gerade vor dem Hintergrund des
globalen Wettbewerbs sehen sich viele
Unternehmen derzeit allerdings neuen
Herausforderungen gegenüber. Denn wer
sich flexibel den Ansprüchen und Wünschen der Kunden stellen will, braucht hoch
qualifizierte Mitarbeiter. Hier verdunkeln
sich zunehmend die Perspektiven: Fähiger
Nachwuchs ist knapp und die demografische Entwicklung heizt den Trend noch an:
Bereits 2010 werden 58 % aller Beschäftigten über 40 Jahre alt sein. Gezielte Weiterbildung der Mitarbeiter wird zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor. Dabei werden vor
allem IT-Qualifikationen immer stärker
nachgefragt, denn auch in eher traditionellen Berufen ist IT nicht mehr wegzudenken.
Stichworte wären hier CAD-Programme,
ERP-Systeme oder Spezialwerkzeuge.
Wo steht die deutsche Wirtschaft derzeit
bei der Mitarbeiterqualifizierung? Dieser
Fragestellung ist eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
(DIW) im Auftrag der Initiative IT-Fitness
von Microsoft Deutschland und Partnern
nachgegangen. Das alarmierende Ergebnis: Rund 4,5 Mrd. Euro gehen hierzulande
jährlich durch fehlende Weiterbildung verloren. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich auf einem der letzten Ränge.
Laut der Untersuchung des DIW bildet
sich gerade einmal jeder dritte Mitarbeiter
im verarbeitenden Gewerbe weiter. Im
produzierenden Gewerbe tut dies sogar
nur jeder Vierte. Damit liegt Deutschland
im europäischen Vergleich hinter Frankreich und Schweden. Im produzierenden
Gewerbe ist Deutschland in puncto Quali-
fizierung sogar das europäische Schlusslicht.
Potenziale bei beruflicher Weiterbildung
werden nicht nur im verarbeitenden und
produzierenden Gewerbe, sondern über
alle Branchen hinweg verschenkt. Während Schweden pro Jahr einen Wertschöpfungszuwachs von 329 Euro je Beschäftigten verzeichnet, stehen dem nur 172 Euro
pro Erwerbstätigen in Deutschland gegenüber. Einer der wichtigsten Wertschöpfungstreiber ist der Studie zufolge die ITWeiterbildung. Allein 75 % des Produktivitätswachstums wird durch die Nutzung
von Informationstechnologie generiert. Jedoch: Bislang finden nur 36 % der Weiterbildungsmaßnahmen zu IT-Inhalten statt.
Deutschland hinkt hinterher
Dabei ist in der modernen Informationsund Wissensgesellschaft der sichere Umgang mit neuen Medien eine wichtige
Schlüsselqualifikation. Fast jeder zweite
Auszubildende hat jedoch laut der IT-Fitness-Umfrage noch keine ausreichenden
Kenntnisse im Umgang mit Computer und
Internet. Das nachzuholen, ist teuer
und belastet das knappe Budget für
Personalentwicklung von kleinen und
mittelständischen Unternehmen. Allerdings muss die Qualifizierung nicht
teuer sein, wenn IT für IT-Qualifizierung
herangezogen wird, sprich E-LearningProgramme. So bietet etwa die Initiative
IT-Fitness verschiedene E-LearningKurse an, die Unternehmen zur
kostenlosen IT-Weiterbildung
einsetzen können.
Achim Berg, Vorsitzender
der Geschäftsführung von
Microsoft Deutschland, der
zugleich Beiratsvorsitzender
der Qualifizierungsinitiative IT-Fitness ist,
hebt angesichts der ernüchternden Ergebnisse der DIW-Studie die Bedeutung der
Weiterbildung hervor: „Berufliche Qualifizierung zahlt sich aus. Arbeitnehmer verdienen besser, erhöhen die Produktivität
und sichern dadurch den Erfolg des Unternehmens – davon profitiert auch der Mittelstand als Motor der deutschen Wirtschaft.
Deshalb ist kontinuierliche Weiterbildung
hier besonders wichtig.“
Die Initiative IT-Fitness wird neben Microsoft von mehreren Partnern, wie dem
Zentralverband des Deutschen Handwerks
(ZDH), der Bundesagentur für Arbeit und
der Deutschen Bahn, getragen. Unter ihrer
Federführung wurden verschiedene ITTrainingsmaßnahmen entwickelt. Erklärtes
Ziel der Initiative ist es, bis 2010 vier Mio.
Menschen in Deutschland kostenlos und
leicht verständlich berufsrelevante IT-Basiskenntnisse zu vermitteln. „Für die sich
schnell verändernden Märkte brauchen die
Betriebe qualifizierte und flexible Mitarbeiter“, so Hanns-Eberhard Schleyer, Generalsekretär des ZDH. „Nur so können
sie ihren Qualitätsvorsprung im europäischen und globalen Wettbewerb halten. Besonders Investitionen
in IT versprechen höchste Produktivitätszuwächse.“ Um Betrieben teures
Nachschulen ihrer Lehrlinge zu ersparen,
hat der ZDH im Rahmen der Initiative das Programm „Lehrlinge
gehen online“ entwickelt. Mit
dieser E-Learning-Plattform
erlernen Azubis den Umgang mit gängiger Software
und weisen ihre Qualifizierung durch ein Zertifikat
nach.
hdr
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MEDIZINTECHNIK
24 WirtschaftsKurier
APRIL 2009
Früher erkannt – schneller gebannt
Bildgebende Diagnoseverfahren | Die Früherkennung beginnt bereits auf der Molekülebene
ser Krankheiten, deren Behandlung in
schweren Fällen bis zu 20 000 Euro pro
Jahr kosten kann, vermeiden oder erheblich hinauszögern.
Molekulare Bildgebungverfahren machen es möglich, Oberfläche und Inhalt
einer Zelle zu analysieren. Dabei zeigen
sich etwaige Veränderungen oder bestehende Defekte in der Zellstruktur oder in
den Prozessen (etwa des Stoffwechsels),
die in der Zelle ablaufen.
VON DR. HANS-DIETER RADECKE
W
artezimmer sind Plattformen für
aufschlussreiche Darstellungen
der Stimmung unter den Patienten. Genutzt wird sie soeben von zwei älteren Damen, die ihre schlechten Erfahrungen mit den Leistungen ihrer Kassen austauschen. Der Bogen spannt sich weiter
und weiter, bis er das Fundament des
deutschen Gesundheitssystems erreicht. Schließlich fällt die Jüngere
der beiden ein schnörkelloses Urteil:
„Die wollen doch alle gar nicht, dass
wir alt werden. Ein braver Bürger arbeitet hart für die Steuerkasse, und
wenn er in Rente geht, soll er gefälligst
auf der Stelle und ohne Komplikationen tot umfallen. Das schont die
Rentenkasse und hilft der Krankenkasse.“
Was hier als Einzelmeinung
daherkommt, gibt inzwischen
die Stimmung unter den ständig
mit Änderungen in den Formalitäten, politischem Gezerre um
Systemnachbesserungen und
Klage- oder Wutgeschrei von Ärzten und Kassen konfrontierten
Kassenmitgliedern recht gut wieder. In letzter Konsequenz ist die
Aussage der Patientin auf rein funktionaler Ebene auch durchaus logisch.
Zum Glück dürfen wir wohl davon ausgehen, dass in der Regel alle Beteiligten
eine gesund alternde, zufriedene Bevölkerung vorziehen.
Damit der Anteil gesunder Menschen
bis ins Alter möglichst hoch ausfällt, dabei aber gleichzeitig die Kosten im Gesundheitswesen nicht völlig aus dem Ruder laufen, müssen alle Ecken des Versorgungsdreiecks aus Diagnose, Therapie und
Nachsorge mit höchster Effizienz ausgestattet sein.
Früherkennung
als Effizienzmotor
Prävention und Früherkennung von
Krankheiten stehen bereits seit einiger Zeit
ganz oben auf der Prioritätenliste der Gesundheitsexperten.
Während Prävention in erster Linie
durch Aufklärung der Bevölkerung und relativ kostengünstige Routineuntersuchungen zu bewerkstelligen ist, gehört die
Frühdiagnostik zu den besonders Technologie-intensiven Sparten der modernen
Medizin. Sie bringt dem Gesundheitswesen mehrere, eigentlich offensichtliche
Vorteile: Zunächst leuchtet unmittelbar
ein, dass eine frühe Diagnose von Krankheiten oder körperlichen Fehlentwicklungen nicht nur spätere schwere Folgen vermeiden oder abmildern hilft, sondern
auch in den meisten Fällen dem Patienten
unangenehme Therapien ersparen kann,
also seine Lebensqualität dramatisch erhöht und für eine längere Lebensspanne
sorgt. Menschen bleiben länger produktiv
und können ihre Fähigkeiten länger in die
gesellschaftlichen Prozesse einbringen.
Hinzu kommt, dass bei spät erkannten
Krankheiten die Therapiemaßnahmen in
der Regel intensiver und damit teurer ausfallen, als wenn entsprechende Maßnahmen bereits im Frühstadium eingeleitet
werden können – und dass die Heilungschancen in vielen Fällen signifikant steigen. Besonders bekannt ist dieser Effekt
etwa bei der koronaren Herzerkrankung
mit der Spätfolge Herzinfarkt.
Die Erkenntnis, dass eine medizinische
Früherkennung große Vorteile für die Betroffenen, die Patienten und für die Partner im Gesundheitswesen mit sich bringt,
hat dazu geführt, dass sowohl alle großen
Player der Medizintechnologie als auch
die zahlreichen mittelständischen Medizintechnikunternehmen wachsende Summen in die entsprechenden Diagnosetechnologien und -verfahren investieren. Die
Bedeutung dieses Sektors wird durch einschlägige Marketingkampagnen von Branchenriesen wie beispielsweise Agfa, Dräger, GE Healthcare, Philips oder Siemens
unterstrichen.
ERGEBNISSE
MIT
neuen Investitionen in Früherkennung:
80 % weniger Herzerkrankungen
80 % weniger Schlaganfälle
80 % weniger Diabetes Typ 2
40 % weniger Krebserkrankungen
8 Mio. Todesfälle weniger innerhalb
der nächsten zehn Jahre
3 Mio. weniger Sterbefälle von
Menschen unter 70 Jahren in den
nächsten zehn Jahren
OHNE
neue Investitionen in Früherkennung:
88 Mio. Tote durch chronische
Krankheiten bis 2015
Anstieg der Todesfälle bei chronischen Erkrankungen um 4 %
Anstieg der Todesfälle bei Diabetes
um 23 %
Quelle: Weltgesundheitsorganisation WHO
Der richtige Mix von
Diagnosemethoden macht’s
Bildgebende Verfahren und eine Kombination aus den verschiedenen Methoden erfordern zwar hohe Kosten bei der Beschaffung, bringen jedoch einen enormen Ertrag, vor allem für die Lebensqualität der Patienten. Langfristig sind sie auch für das Gesundheitssystem insgesamt günstiger. Im Bild die neueste Entwicklung von GE
Healthcare, das Ultraschallgerät Logiq E9, das Sonografieaufnahmen mit CT-, MR- oder PET-Bildern kombiniert.
Foto: GE
Das Potenzial, das auf diesem Technologiesektor noch brachliegt, ist nach Expertenansicht gewaltig. Zukünftig sei mit einer Revolution im Gesundheitswesen zu
rechnen, die vor allem durch eine verbesserte Früherkennung und dadurch ermöglichte individuelle Therapieverfahren gekennzeichnet sei, meint etwa Ralph Weissleder von der Harvard Medical School.
auch die Wärme- und Elektroleitfähigkeit
(Thermografie und Impedanztomografie)
von Organen verwenden.
Routinemäßig werden elektrische und
magnetische Emissionen von Gehirn und
Herz zur Früherkennung von Schäden dieser Organe verwendet (EEG und EKG),
und die Streuung von Ultraschall an unterschiedlichen Gewebeschichten ist eine
bewährte Untersuchungsmethode für den
Das Arsenal
Zustand der inneren Organe. Damit lasder Früherkennung
sen sich auch etwaige Ablagerungen an
den Arterien frühzeitig erkennen, was graBereits heute stehen für die rechtzeitige
vierende Folgen für die Herztätigkeit verFeststellung von Krankheiten Hilfsmittel
hindern hilft. Alle hierbei auftretenden
zur Verfügung (vor allem BildgebungsSignale können Computer-gestützt und
und Laborverfahren), an die vor wenigen
etwa durch entsprechende Farbgebung
Jahrzehnten noch nicht zu denken war.
kontrastverstärkt in aussagekräftige Bilder
Aus der Fülle innovativer Technologien
umgesetzt werden.
ragen – insbesondere was ihre ZukunftsDas bekannteste bildgebende Verfahren
perspektiven betrifft – die bildgebenden
ist zweifellos die Röntgenaufnahme. TradiVerfahren heraus. Sie ermöglichen einen
tionell wird dabei das zu beobachtende
detaillierten Einblick in die Vorgänge im
Objekt mit Röntgenlicht durchstrahlt, woKörper bis hinunter auf die Zellebene bei
bei die Röntgenstrahlung von Gewebe und
geringer Belastung für den Patienten.
Knochen unterschiedlich stark absorbiert
Um innerkörperliche Vorgänge genau zu
wird. Ein Schirm fängt die Strahlen auf,
studieren, war es lange Zeit nötig, den
und das Ergebnis ist das bekannte RöntKörper zu öffnen – keine angenehme Vorgenbild: zweidimensional und ohne Ausstellung aus Sicht des Patienten und eine
sagen über die Tiefenstruktur der Organe.
Vorgehensweise, die ein hohes RisikopoInzwischen ermöglicht die so genannte
tenzial birgt. Das änderte sich mit den ersComputertomografie (CT) eine detaillierte
ten Röntgen- und Ultraschallgeräten, die
dreidimensionale Röntgendiagnostik. Dadie Pioniere nichtinvasiver (also nicht in
bei werden zahlreiche Schichtröntgenaufden Körper eingreifender) Untersunahmen mit Hilfe eines Computers mit
chungsmethoden darstellen.
hoher Rechenleistung zu einer dreidimenGrundsätzlich geht es bei den bildgesionalen Darstellung zusammengefügt.
benden Verfahren darum, die physikaliUnterschiedliche Einfärbungen von verschen Wechselwirkungen (Absorption, Reschiedenen Absorptionsabstufungen der
flexion, Streuung etc.) zwischen Teilchen
Strahlung erhöhen zusätzlich die Aussaoder Strahlung (Photonen) und dem Körgekraft der Aufnahmen.
pergewebe einschließlich Knochen dazu
CT-Aufnahmen machen sehr kleine
zu nutzen, Informationen über die FeinStrukturen sichtbar (haben also eine hohe
struktur der inneren Organe bis hinunter
Auflösung). Sie zeigen
zur Einzelzelle auszuForm und Lage von
nutzen. Licht (PhotoHeute stehen für die
Organen sowie Zunen) verschiedener
rechtzeitige Feststelstand und Verlauf von
Wellenlänge oder TeilGefäßen. Um daraus
chen wie Elektronen
lung von Krankheiten
Rückschlüsse auf ein
oder Positronen unterHilfsmittel zur
Frühstadium
von
schiedlicher Energien
eignen sich aufgrund
Verfügung, an die vor Krankheiten ziehen zu
ihrer
Wechselwirkönnen, muss der Arzt
wenigen Jahrzehnten in der Lage sein, unterkungsmerkmale für jeweils ganz spezifische
schiedliche Muster den
noch nicht zu
Untersuchungen. Die
einzelnen Organen zudenken war.
Strahlen aus Teilchen
zuordnen und die veroder Photonen drindächtigen Gewebetygen in den Körper ein, werden von verpen zu erkennen. Nachteilig ist bei allen
schiedenen Gewebeanteilen unterschiedRöntgenverfahren die unvermeidliche
lich abgelenkt oder absorbiert (was sich
Strahlenbelastung.
in einem jeweils unterschiedlichen KonEin bildgebendes Verfahren ohne Strahtrast niederschlägt) und gelangen schließlenbelastung ist die Kernspintomografie,
lich zu einem Detektor, der mithilfe komauch unter den Bezeichnungen Magnetreplexer Computerprogramme aus den physonanztomografie (MRT), Nuclear Magsikalischen Informationen ein (im Idealfall
netic Resonance (NMR) und Magnetic Redreidimensionales) Bild der gewünschten
sonance Imaging (MRI) bekannt. Dabei
Körperregion erzeugt und für diagnostiwird ein physikalischer Prozess ausgesche Zwecke optisch aufbereitet.
nutzt, der die Wechselwirkung zwischen
einem starken äußeren Magnetfeld und
Bilder aus dem Körperinneren
den Spins der körpereigenen Wasserstoffzur Frühdiagnose
atomkerne betrifft. Der Körper des Patienten wird dabei in ein starkes Magnetfeld
Was mit der Röntgenuntersuchung begebracht, wobei sich die Kernspins nach
gann, bei der die Absorption dieser hochArt einer Kompassnadel entsprechend
energetischen elektromagnetischen Strahausrichten. Das Ergebnis eines dabei ablen im Knochengewebe zur Bildgebung
laufenden komplizierten physikalischen
ausgenutzt wird, hat sich heute zu einem
Vorgangs ist ein Spannungssignal, das sich
ganzen Arsenal von Diagnosewerkzeugen
messen lässt. Wieder können Computerentwickelt, die neben Teilchen und Licht
programme aus diesen Signalen ein Bild
der zu untersuchenden Organe erzeugen.
Dieses sehr aufwändige und komplexe
Verfahren erreicht einen hohen Kontrast
bei weichen Körperteilen, eignet sich also
vor allem zur Gewebeuntersuchung, etwa
bei Verdacht auf Schädigungen des Gehirns. Mit modernsten Geräten lassen sich
Körperfunktionen wie etwa die Gewebedurchblutung direkt darstellen.
menten und die Umstellung der Lebensweise ausreichen – teure und unangenehme
Behandlungen von Spätfolgen entfallen.
Weiterentwickelte Versionen dieses
Prinzips sind etwa die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) und die Einzelphotonen-Emissions-Tomografie (Single Photon Emission Computed Tomography,
SPECT). Beide dienen dazu, aus Schnittbildern Informationen über innere Organe
und Gewebsstrukturen zu gewinnen. Auch
Moleküle im Dienst am Patienten
hier werden schwach radioaktive Substanzen (Radionuklide) in die Blutbahn injiDie Instrumente der Frühdiagnostik mit
ziert, die sich im Körper verteilen. Bildgedem größten Zukunftspotenzial sind zweibungsprogramme machen den Zustand
fellos die verschiedenen Verfahren der in
der Organe sichtbar.
der Nuklearmedizin eingesetzten molekuPET beruht auf der
laren Bildgebung. Sie
Registrierung
der bei
gestattet die AbbilHochtechnologie im
der Vernichtungsstrahdung biologischer ProDienst der medizinilung von Elektronen
zesse auf der Zellebene oder etwa die
schen Früherkennung und Positronen auftretenden Photonen in
Beobachtung
der
kann nicht nur die
speziellen Detektoren.
We c h s e l w i rk u n g e n
zwischen Proteinen.
Gesundheit der Bevöl- SPECT registriert die
Gammastrahlung, die
Durch die Einführung
kerung, sondern auch die eingesetzten Ravon
Markierungsdionuklide frei setzen.
oder Sonden-Moleküdie Wirtschaftlichkeit
Beide Verfahren sind
len, die sich mit den
des Gesundheitssysfür die Früherkennung
bildgebenden Verfahtems verbessern.
von entscheidender
ren sichtbar machen
Bedeutung. So spielen
lassen, können die zu
sie etwa eine große Rolle bei der Diagnose
untersuchenden Gewebestrukturen aufgevon Tumoren, der Krebsfrüherkennung,
funden und begutachtet werden.
der Feinuntersuchung von HerzerkranVoraussetzung für die Entwicklung diekungen und der Demenzforschung. Insser Methoden waren bahnbrechende Erbesondere lassen sich mit den Verfahren
kenntnisse aus der Molekularbiologie und
kleinste auffällige Strukturen lokalisieren,
der Biochemie, die es erlauben, die Frühwas in vielen Fällen – etwa im Gehirn –
stadien bestimmter Krankheiten auf sehr
die Unterscheidung zwischen verschiedekleinräumige Prozesse zurückzuführen,
nen ähnlichen Krankheitsbildern ermögdie über die Zellebene hinaus bis auf die
licht. Für die Frühdiagnose von DemenzMolekularebene herabreichen. Dazu geerscheinungen ist es entscheidend, feinhören etwa hauchdünne Eiweißablageste Spuren von erkranktem Nervengewebe
rungen im Gehirn, bei denen ein Zusamim Gehirn zu erkennen, um rechtzeitig
menhang mit der Alzheimer-Krankheit
medikamentös eingreifen zu können. Auf
vermutet wird. Zahlreiche andere Krankdiese Weise lassen sich die Spätfolgen dieheitsursachen lassen sich heute ebenfalls
auf Unregelmäßigkeiten zurückführen, die
sich auf Molekülebene bemerkbar machen. Sie lassen sich mit Diagnosetechnologien aufspüren, aufzeichnen
und analysieren. Damit wiederum können
1. Erkrankungen des Herzens und der
Therapien (etwa bei Krebs- und HerzerBlutgefäße (kardiovaskuläre Krankheikrankungen) eingeleitet werden, lange beten) zählen weltweit zu den häufigsten
vor sich die entsprechenden SchädigunTodesursachen; wenigstens 80 % aller
gen makroskopisch bemerkbar machen.
frühzeitigen Todesfälle aufgrund von
Ein typisches bildgebendes Diagnosekardiovaskulären Herzerkrankungen und
werkzeug der Nuklearmedizin ist die SzinSchlaganfälle könnten nach Untersutigrafie. Dabei werden sehr schwach rachungen der Weltgesundheitsorganisatidioaktiv markierte Stoffe in die Blutbahn
on WHO verhindert werden.
injiziert, die sich im zu untersuchenden
2. Die wichtigsten Risikofaktoren, die zu
Organ anreichern. Eine spezielle Kamera
einem Anstieg von Erkrankungen führen,
macht die emittierte Strahlung sichtbar.
sind nach Erkenntnissen der WHO vor
Die Methode erlaubt etwa das Erkennen
allem Alkohol- und Tabakkonsum sowie
von Entzündungen im Skelett und gibt Inhohe Cholesterinwerte. Alle drei Faktoformationen über etwaige Funktionsstören können vom Patienten selbst gerungen in Organen wie etwa den Nieren.
steuert werden.
Das Prinzip des Szintigramms ist bereits
3. Laut der Weltgesundheitsorganisatiseit Längerem aus der Kardiologie beon WHO ist Brustkrebs weltweit die
kannt. Dort erlaubt die Beobachtung der
Krebserkrankung, die am zweithäufigradioaktiv markierten Substanzen Rücksten zum Tode führt. Mammografien
schlüsse auf die Blutversorgung des Herkönnten über einen Zeitraum von 14
zens: Selbst kleinste Herzkranzgefäße lasJahren auf eine Gesamtpopulation von
sen sich so sichtbar machen. Bevor es
58 Mio. Frauen im Alter zwischen 40 und
noch zu ernsthaften Verengungen durch
74 Jahren 47 000 Leben retten, so eine
abgelagerte Plaques kommt, kann der Arzt
US-Studie zur Krebsstatistik aus dem
therapeutisch eingreifen, wobei in vielen
Jahr 2004.
Fällen allein die Einnahme von Medika-
Die beschriebenen Diagnose-Technologien stellen die Grundbausteine des Früherkennungsarsenals der modernen Medizin dar. Da alle Verfahren ihre Stärken,
aber auch Schwächen haben (unterschiedliche Auflösungen, verschiedene
physikalische Prozesse zur Untersuchung
unterschiedlicher physiologischer Strukturen, unterschiedliche Komplexität), ist
es meistens eine Kombination von mehreren Diagnosemethoden, die die optimale
Bilddarstellung verdächtiger Körperregionen liefert und damit ein Optimum an
Früherkennung ermöglicht.
So erreicht eine Kombination aus MRT
und CT eine hohe räumliche Auflösung.
Aufschluss über die Sauerstoffversorgung
des so lokalisierten Gewebes liefert etwa
die optische Bildgebung, während ein EEG
die Nervenaktivität anzeigt. Aus diesen
Daten verschiedener bildgebender Verfahren kann ein detaillierter Überblick über
die Vorgänge im Körper gewonnen werden. Bei Risikopatienten lässt sich der
Ausbruch einer Krankheit durch rechtzeitiges Screening mit mehreren Verfahren in
vielen Fällen ganz vermeiden.
Häufig werden PET und SPECT mit
Computertomografen gekoppelt (PET/CT
und SPECT/CT) und mit großem Erfolg in
der Erforschung von Frühstadien von Alzheimer und Parkinson eingesetzt. Die
Kombination ermöglicht es, die beteiligten
Stoffwechselprozesse und die anatomischen Details des Gewebes gleichzeitig zu
analysieren. Die schädlichen Eiweißablagerungen im Gehirn, die nach heutigem
Wissen an der Entstehung von Alzheimer
beteiligt sind, können damit im frühesten
Stadium mit hoher Auflösung sichtbar gemacht werden. (Inzwischen gibt es bereits
auch Kombinationen aus MRT und PET.)
Konkretes Anwendungsbeispiel: Mittels
PET kann der Arzt Krebsgewebe aufgrund
eines gesteigerten Stoffwechsels der kranken Zellen erkennen. Die CT wiederum
verhilft zur Erstellung einer dreidimensionalen anatomischen Landkarte des untersuchten Gewebes. Durch die Kombination
PET/CT kann also der Tumor eindeutig lokalisiert werden. Zudem lassen sich mit
PET/CT-Geräten auch die Herzkranzgefäße ohne den unangenehmen Einsatz von
Kathetern sehr genau untersuchen.
Vom Kostenstandpunkt aus betrachtet,
scheint der Diagnoseaufwand zunächst
bedenklich hoch. Viele Geräte erfordern
Investitionen im sechs- oder gar siebenstelligen Bereich. Allerdings sind sich die
Analysten weitgehend einig, dass dieser
Aufwand durch Einsparungen bei den
horrenden Folgekosten schwerer Erkrankungen für Therapie und Pflege bei vernünftigem Einsatz weit mehr als ausgeglichen wird. Derzeit wandern nur rund 3 %
der medizinischen Ausgaben in die Diagnose, auf deren Basis dann aber 70 % bis
80 % an Folgekosten fällig werden. Neue
Methoden der Diagnose, vor allem die
Molekularmedizin, erhöhen wohl den
Diagnoseanteil der Kosten, halten jedoch
ein enormes Einsparpotenzial beim „dicken Brocken“ Folgekosten bereit.
Bildgebende Verfahren sind daher ein
unverzichtbares
Instrument
der
Frühdiagnostik, das uns alle zu einem –
zumindest körperlich – besseren Leben
verhelfen kann.
FÜNF GRÜNDE FÜR FRÜHERKENNUNG
4. Die frühzeitige Erkennung von Parkinson ermöglicht bessere Therapieergebnisse und hilft vor allem auch, Kosten zu
reduzieren. Eine Studie hierzu ergab:
Während sich die Behandlungskosten
bei einer Diagnose im ersten Stadium
auf 6 867 US-Dollar (Stand 1998) pro
Patient jährlich belaufen, fallen für eine
Behandlung im vierten Stadium mit
34 659 US-Dollar pro Jahr fünfmal so
hohe Kosten an.
5. Wird Darmkrebs in einem frühen Stadium erkannt, liegt die Fünfjahres-Überlebensrate bei 90 %. Allerdings werden
nur 39 % aller Darmtumore in diesem
Stadium entdeckt. Dies liegt insbesondere daran, dass Screenings nicht in
ausreichendem Maße in Anspruch genommen werden. Sobald der Krebs sich
ausgebreitet und angrenzende Organe
oder Lymphknoten in Mitleidenschaft
gezogen hat, sinkt nach Erkenntnissen
der American Cancer Society die Fünfjahres-Überlebensrate auf 68 % – bei
Patienten mit weit verstreuten Metastasen sogar auf nur noch 10 %.
hdr
LOGISTIK
APRIL 2009
WirtschaftsKurier
25
Köpfe treffen
Ressourcen sparen
Netze knüpfen
Fracht fliegen
Die transport logistic 2009 in München wächst
trotz der Krise weiter, weil die Marketingbudgets konzentriert werden.
Seite 26
Die Deutsche Post DHL beweist mit GoGreen,
dass auch ein Logistiker „grün“ denken und
nachhaltig handeln kann.
Seite 26
Güterverkehrszentren optimieren Logistikleistungen; das nutzt der LogistikimmobilienEntwickler ProLogis für seine Kunden. Seite 27
Die Lufthansa Cargo fliegt wegen der Krise
weniger Fracht, würde aber trotzdem
gerne auch nachts in die Luft gehen.
Seite 27
Zuversicht auch in schwierigen Zeiten
Logistik | Kluge und kundenorientierte Strategien führen zu einem nachhaltigen Erfolg
VON ULRICH KIRSTEIN
E
ine Katastrophe zeichnet sich ab“,
setzte der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung
(BGL) plakativ über seine jüngste Konjunkturprognose. Tatsächlich schlug die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise im
Transportgewerbe voll ein. Gerade für die
Lkw-Transporteure verstärkte sich die Krise noch durch die Tatsache, dass die Bundesregierung über Toll Collect pünktlich
zum 1. Januar 2009 die Mautgebühren
drastisch nach oben kurbelte – quasi ein
Antikonjunktuprogramm für eine überwiegend mittelständisch geprägte Branche.
Während also intensiv über eine milliardenschwere Rettung von Opel nachgedacht wird, lässt man auf der anderen Seite weite Teile einer ganzen Branche über
die Wupper gehen. Wie dramatisch die
Lage im Transportgewerbe ist, zeigten die
Ergebnisse der Konjunkturanalyse zum
vierten Quartal 2008 des BGL: 24 % der befragten 600 Unternehmen gaben an, ihren
Fuhrpark und 27 % ihren Fahrpersonalbestand bereits reduziert zu haben. 52 % hielten ihr Betriebsergebnis für „schlecht“.
„Obwohl dies die schlechtesten Umfragewerte sind, die wir je ermittelt haben, steht
uns das Schlimmste noch bevor: Die Prognosewerte für das erste Halbjahr 2009
stellen selbst diese Negativrekorde noch
bei Weitem in den Schatten“, warnte Prof.
Dr. Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer des BGL. „Wir befürchten bis zum Sommer den Verlust von 60 000 bis 70 000 Arbeitsplätzen im Transportlogistikgewerbe,
Die Logistikbranche erlebt derzeit einen heftigen Sturm. Die Marenave Schiffahrts AG erwarb trotzdem den Autotransporter MV „Höegh Berlin“.
von denen mehr als die Hälfte auf die
Mauterhöhung zurückzuführen sein dürften“, so Schmidt.
Interessant sind hier auch die Auswirkungen für die Lkw-Hersteller: Die Neuzulassungen von Sattelzugmaschinen gingen
im Oktober 2008 um 19,6 % zurück, im November um 45,1 % und im Dezember um
17,4 %. Im Januar 2009 betrug der Rückgang 28,7 % und im Februar sogar 48,2 %!
Insgesamt zählt die Logistikwirtschaft
laut Bundesvereinigung Logistik (BVL)
etwa 2,7 Mio. Beschäftigte und erreicht
einen Jahresumsatz von 205 Mrd. Euro.
Nach dem Umsatz ist die Logistik damit
die drittgrößte Branche in Deutschland.
Etwa zwei Drittel aller logistischen Tätigkeiten werden innerhalb der produzierenden Unternehmen geleistet, die Zahlen
müssten also verdreifacht werden, um die
gesamte logistische Leistung zu errechnen.
Dr. Raimund Klinkner, Vorstandsvorsitzender der BVL, erinnerte daran, dass die
Logistikwirtschaft in den vergangenen Jahren eine Phase der Expansion und der Effizienzgewinne verbuchen konnte. In Zeiten
der Krise müsse „kluges, strategiebetriebenes Agieren die richtige Antwort“ sein, so
Klinkner, der als Vorstandsvorsitzender der
KnorrBremse AG aus München tätig ist.
Doch der allgemeine Einbruch trifft alle,
auch wenn sich die Großen aufgrund ihrer
vielfältigen Einsatzmöglichkeiten anhand
der gesamten Wertschöpfungskette besser
behaupten können. Betont zuversichtlich
gibt sich Dr. Detlef Trefzger, Vorstandsmitglied bei der Bahn-Tochter Schenker AG,
Essen. Logistikdienstleister mit effizienten
und flexiblen Supply-Chain-Lösungen können gerade auch in wirtschaftlichen Krisenzeiten profitieren, so sein Credo. „Wir
erleben derzeit einen beispiellosen Sturm,
durch den die Logistikbranche navigieren
muss“, so Trefzger. Gleichzeitig würden
sich aber auch die gewohnten Rahmen-
Foto: Marenave
bedingungen des Markts verändern, mit
der Tendenz zur Verlagerung auf immer
günstigere Verkehrsträger, zum Beispiel
von der Luft aufs Wasser. Heute sollte sich
der Kunde für den Logistikdienstleister
entscheiden, der anpassungsfähig ist, die
gesamte Kette aller Dienstleistungen aus
einer Hand anbietet und darüber hinaus
über ein leistungsfähiges Netzwerk verfügt.
Insofern gab der Schenker-Vorstand auch ein
Plädoyer für die „Großen“ der Branche ab.
Verschont von der Krise blieben allerdings auch die Bahn und Schenker nicht.
So musste Schenker Rail ab März Kurzarbeit in ausgewählten Bereichen anmelden.
Zunächst sind bis zu 5 000 Mitarbeiter davon betroffen. Immerhin lag der Auftragseingang in den ersten sechs Wochen des
Jahres 2009 um ein Drittel unter dem Vorjahr. Gleichwohl stemmt die Bahn trotz der
Krise ein milliardenschweres Investitionsprogramm, das insbesondere kleinen und
mittelständischen Unternehmen zugute
kommen soll. Damit sichere sein Unternehmen, so Bahn-Chef Hartmut Mehdorn,
mehr als 600 000 Arbeitsplätze. Insgesamt
bestelle die Deutsche Bahn AG jährlich
Waren und Dienstleistungen im Wert von
mehr als 20 Mrd. Euro. Allein in die Infrastruktur sollen in den Jahren 2009 und
2010 über 11 Mrd. Euro fließen.
Postchef Frank Appel hat seinem Konzern eine neue Strategie bis 2015 und
gleich einen neuen Namen verpasst: Unter
Deutsche Post DHL will der ehemalige
Staatskonzern seine weltweite Einkaufstour beenden und sich auch verstärkt dem
Heimatmarkt zuwenden. Deutsche Post
DHL soll künftig auf zwei Säulen stehen:
einem integrierten und internationalen
Logistikgeschäft (DHL) und einem starken
Briefgeschäft mit dem eindeutigen Bekenntnis zu einem umfassenden Versorgungsauftrag (Deutsche Post). „Wir müssen besser werden, wenn wir Mitarbeiter,
Kunden und Investoren langfristig an uns
binden wollen“, so Appel. Er betonte aber
auch: „Wir können um ein Vielfaches besser werden, wenn wir unsere Schwachstellen gezielt angehen.“ Mittelfristig will Appel, dass alle Konzernbereiche ein organisches Wachstum von jährlich 1 % bis 2 %
über dem Marktdurchschnitt erzielen.
Im Wandel der Zeit
www.transportlogistic.de
Logwin | 2009 wird ein schwieriges Jahr
K
im Jahr darauf konnte Logwin darauf veraum ein Logistikunternehmen erfinweisen, nun mit einer Niederlassung in
det sich immer wieder neu wie die
Sydney auf allen Kontinenten aktiv zu sein.
heutige Logwin AG, das zeigt schon
Die neue Aufstellung scheint das Unein kurzer Blick in ihre Historie: 1877 wurternehmen relativ krisenfest gemacht zu
de das Transportunternehmen Birkart in
haben, jedenfalls lag der Umsatz im GeAschaffenburg gegründet, also noch einige
schäftsjahr 2008 mit 2,046 Mrd. Euro unZeit vor der Erfindung des Automobils
gefähr auf Vorjahresniveau, trotz der beoder des Lastwagens. 1919 ging daraus inreits Ende des Geschäftsjahres eingetrefolge der Motorisierung die Kraftverkehr
tenen negativen gesamtwirtschaftlichen
Bayern (Südkraft) hervor, aus der 1956 die
Entwicklung. Zurück ging
Lohman Int. Kraftwagenallerdings das Ergebnis,
spedition (Locton) wurde.
„In unserem ersten von 32 Mio. Euro auf 23,3
Im Jahr 2000 ging das UnMio. Euro. 5 Mio. Euro daternehmen unter dem
Jahr als Logwin
von waren der Einführung
Namen Thiel Logistik AG
haben wir viel
der Marke Logwin gemit Erfolg an die Börse,
schuldet, der Rest geht auf
zwei Jahre später stieg
erreicht.“
die konjunkturbedingten
Stefan Quandt mit seiner
Delton AG als Haupt- Berndt-Michael Winter, Nachfragerückgänge zurück. Ein deutliches Beaktionär ein. 2007 wurde
CEO Logwin AG
kenntnis zu Logwin legte
eine neue Führungs- und
auch der MehrheitsaktioOrganisationsstruktur mit
när, die Delticon AG, ab, denn sie erhöhte
den Geschäftsfeldern Solutions, Air + Ocedie Beteiligung von 53,2 % auf 80,6 % des
an sowie Road + Rail geschaffen. Im Jahr
Grundkapitals und der Stimmrechte.
darauf firmierte Thiel dann unter dem
Das Nettoergebnis belief sich auf minus
neuen Namen Logwin AG.
100,9 Mio. Euro, worin allerdings 98 Mio.
Doch Logwin hat im Laufe der GeschichEuro Firmenwertabschreibungen enthalte nicht nur die Namen geändert, das Unten sind, die wegen der heraufziehenden
ternehmen bewies immer wieder mit InKrise vorgenommen werden mussten.
novationen seine Bedeutung für den LogisInsgesamt sei das Unternehmen im
tikmarkt: Schon 1964 wurde der hängende
Geschäftsjahr 2008 deutlich hinter den
Kleiderversand eingeführt und im Jahr der
angestrebten Zielen geblieben, gab BerndtOlympischen Spiele in München, 1972,
Michael Winter, CEO von Logwin, zu.
wagte Logwin bereits den Schritt nach
Trotzdem habe sich sein Unternehmen als
Asien und eröffnete eine eigene Niederlasintegrierter Logistikdienstleister weitersung in Hongkong. 1988 entwickelte das
entwickelt. „In unserem ersten Jahr als
Unternehmen den Logistik-Ganzzug und
Die Nase vorn: Der Logwin-Bereich Air + Ocean konnte den Umsatz trotz Krise
steigern, schwieriger sah es auf Straße und Schiene aus.
Foto: Logwin
Logwin haben wir viel erreicht“, so Winter.
Erfolgreich abgeschlossen werden konnte
auf jeden Fall die umfangreiche Markenumstellung. „Heute ziehen über 8 600 Mitarbeiter für ihr gemeinsames Unternehmen und für unsere Kunden an einem
Strang“, freut sich Winter.
Über die weitere Entwicklung des Unternehmens in diesem Jahr können kaum
Vorhersagen getroffen werden, auf jeden
Fall wird die Krise auf Umsatz und Ergebnis von Logwin durchschlagen. Die Konkurrenz um die reduzierten Transport- und
Logistikvolumina wird größer werden. Insofern wird Logwin die internen Prozesse
weiter optimieren und die Strukturen verschlanken. Denn nur wenn der Konzern
stabilitätsorientiert geführt wird, können
in Zukunft Wachstums- und Entwicklungschancen wahrgenommen werden.
Unter den einzelnen Unternehmensbereichen konnte 2008 Air + Ocean den Umsatz um 6 % auf 553 Mio. Euro steigern und
Road + Rail um 3,1 % auf 838 Mio. Euro.
Air + Ocean legte beim Segmentergebnis
deutlich um 22,9 % auf 23 Mio. Euro zu,
der Bereich Straße und Schiene sank von
minus 1,6 Mio. Euro auf minus 2,4 Mio.
Euro, wobei da das schlechte vierte Quartal
durchschlug. Hier gab es bei einzelnen
Kunden Produktionsstillstände und durch
die Bank rückläufige Transportvolumina.
Bei Solutions auf dem Feld der Kontraktlogistik nahm der Umsatz um 6,2 % auf
713 Mio. Euro ab. Verantwortlich für den
Rückgang machte Logwin die schwache
Entwicklung in Kernbranchen und Einmaleffekte aus beendeten Kundenprojekten.
Das Ergebnis reduzierte sich um 61,2 % auf
9,1 Mio. Euro, die Marge sank von 3,1 % auf
1,3 %. Hier will Logwin in Zukunft das vorhandene Know-how übergreifend nutzen
und die Kostenstruktur weiter verbessern.
Außerdem sollen verschiedene Kundenlösungen innovativ weiterentwickelt werden.
Die Mitarbeiter von Logwin sind heute
in 45 Ländern damit in allen wichtigen
Märkten aktiv. Logwin erbringt an über
400 Standorten ganzheitliche Logistik- und
Servicedienstleistungen für Industrie und
Handel. Neben globalen und lokalen
Transporten in der Luft, auf der Schiene
oder Straße und übers Wasser zählen auch
Warehousing, Value Added Services und
Supply Chain Management zu den Kernkompetenzen von Logwin. Dabei ist der
IT-lastige Bereich Solutions nach Branchen
in Industrial Goods, Consumer Goods,
Fashion und Media gegliedert, während
Air + Ocean sowie Road + Rail geografisch
aufgestellt sind. Luft- und Seefracht werden global, Straße und Schiene europaweit
angeboten.
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LOGISTIK
26 WirtschaftsKurier
APRIL 2009
Am schnellsten wächst die Kontraktlogistik
transport logistic 2009 | Interview mit Eugen Egetenmeir, Mitglied der Geschäftsführung der Messe München
D
ie transport logistic in München
versammelt alle zwei Jahre Entscheider aus der Welt der Logistik
auf dem Gelände der Neuen Messe München. In diesem Jahr erfreut sich die zum
zwölften Mal stattfindende Messe – trotz
der Krisensituation in fast allen Branchen
und Ländern, die auch auf die Logistik
durchgeschlagen hat – eines regen Interesses bei den Ausstellern. Offensichtlich konzentrieren sich die Unternehmen gerade
in schlechten Zeiten auf das Wesentliche:
direkte Kundennähe, vermittelt über Messen. Eugen Egetenmeir, Mitglied der Geschäftsführung der Messe München und
verantwortlich für die Logistikleitmesse
transport logistic, erklärt im Interview,
warum dies der Fall ist.
WirtschaftsKurier: Die transport logistic
wächst trotz Krise. Wie erklären Sie sich
das?
Eugen Egetenmeir: Ja, wir werden dieses
Jahr um eine Halle, also 10 000 Quadratmeter, wachsen, und haben jetzt bereits
mit über 1 600 angemeldeten Ausstellern
die Gesamtzahl von 2007 übertroffen.
Dies zeigt uns: Gerade jetzt schauen Unternehmen besonders auf die Kosten
und investieren nur noch in die
effektivsten Vermarktungsinstrumente.
Die transport logistic als die weltweit
größte Messe ihrer Art ist damit für viele weiterhin ein Muss. Wer 2009 ein
Stück vom Kuchen in der Branche abhaben will, sollte hier im Mai in München dabei sein.
WiKu: In welcher Hinsicht spüren Sie dendie Plattform für das größte Branchennoch die Auswirkungen der weltweiten
treffen, sondern bietet ein Forum für die
Wirtschaftskrise? Könnten gerade hier
Vernetzung von Industrie und Handel
auch Chancen liegen?
mit der Transport- und
Egetenmeir: Die WeltwirtDies
„Die fortschreitende Logistikbranche.
schaftslage hat natürlich
unterstreicht auch uneinen Rückgang des welt- Globalisierung stellt ser Leitmotiv „connecweiten Güterverkehrs zur
ting business”. Ein Quaimmer höhere
Folge. Das betrifft auch
litätsfaktor ist auch unAnforderungen an ser
unsere Kunden, und wir
Konferenzproerhielten einige Absagen.
gramm.
Wir
entwickeln
intelligente
Viele sind mit dem Spares gemeinsam mit einer
Logistik.“
zwang aber auch kreativ
Vielzahl von fachlichen
umgegangen und haben
Trägern. Damit sind wir
sich Partner gesucht, mit denen sie genicht nur nah am Markt, sondern geben
meinsam ausstellen können. Es wird
der Branche auch innovative Impulse –
dieses Jahr eine große Zahl an Gemeinund in diesem Jahr auch hoffentlich vieschaftsständen auf der transport logistic
le Strategien aus der Krise.
geben. Ganze Länder, aber auch RegioWiKu: Mit wie vielen Besuchern rechnen
nen und in Deutschland beispielsweise
Sie für die kommende Veranstaltung?
Bundesländer werden ihre Synergien
Woher kommen diese?
nutzen und sich gemeinschaftlich an
größeren und damit repräsentativeren
Ständen vorstellen. Dies hat auch für die
Besucher Vorteile: Es erleichtert die Navigation und Orientierung auf der in diesem Jahr erstmals acht Hallen umfassenden Messe.
WiKu: Was macht die transport logistic so
erfolgreich?
Egetenmeir: Die transport logistic ist die
Messe, die die gesamte logistische Wertschöpfungskette bewegt: von Logistik,
Dienstleistungen und Systeme des Güterverkehrs über IT und Telematik bis
hin zu innerbetrieblichem Transport
und Materialfluss. Sie ist nicht nur
Egetenmeir: Zum jetzigen Zeitpunkt Zahlen zur kommenden Veranstaltung zu
äußern, wäre reine Spekulation. Bei der
vergangenen Veranstaltung 2007 hatten
wir 47 636 Besucher aus 118 Ländern.
Wir verkünden lieber gesicherte Zahlen
am letzten Veranstaltungstag als ungesicherte Prognosen zwei Monate zuvor.
Welche Schwerpunkte und Trends der
Branche werden sich auf der transport
logistic 2009 widerspiegeln?
Egetenmeir: Strategien aus der Krise werden natürlich eine Rolle spielen. Die
Messe startet am 12. Mai mit der hochrangig besetzten Diskussionsrunde
„Weichenstellung im unsicheren Umfeld: Wohin geht die Reise in der weltweiten Logistik?“ Teilnehmen werden Bundesminister Wolfgang Tiefensee, Bahnchef Hartmut Mehdorn, Kühne + NagelPräsident Klaus-Michael Kühne, Panalpina-Präsidentin Monika Ribar, der Vorsitzende der Bundesvereinigung Logistik, Raimund Klinkner, und der Generaldirektor für Energie und Verkehr der Europäischen Kommission, Matthias Ruete.
Außerdem stellt die fortschreitende Globalisierung immer höhere Anforderungen an intelligente Logistik. Dies erfordert stetig Innovationen in der IT, wie es
bereits mit der Einführung von RFID ge-
lungen ist. 2013 soll auch Gallileo an den
Start gehen. Zudem bedingen die steigenden Energiepreise ein Umdenken. Es
wird wohl bald nicht mehr bezahlbar
sein, alle erdenklichen Konsumgüter
rund um den Erdball zu transportieren,
das heißt, der Wert von Transport wird
steigen und Green Logistics zunehmend
an Bedeutung gewinnen. Auch Outsourcing von Logistikdienstleistungen wird
ein
großes
Thema
sein.
Die
Kontraktlogistik ist derzeit das Segment
mit dem größten Wachstumspotenzial.
Zu all diesen Top-Themen haben wir sowohl im Ausstellungsbereich als auch im
Konferenzprogramm einiges zu bieten.
Außerdem stellen wir in Länder-Specials
prosperierende Märkte vor wie die Türkei, Kroatien, Brasilien und in einem Eurasia-Special die Handelsroute von Zentralasien, Russland, Mittlerer Osten bis
nach Südwest-Asien. Unternehmen aus
diesen Regionen werden sich zudem gemeinschaftlich an einem Eurasia-Pavillon präsentieren.
Eugen Egetenmeir, Mitglied der Geschäftsführung der Messe München, ist
neben den Auslandsaktivitäten unter anderem auch für die transport logistic zuständig.
Die transport logistic des Boomjahres 2007 war ein voller Erfolg bei Ausstellern wie Besuchern. Doch
auch ins Krisenjahr 2009 geht die Messe in München mit großer Zuversicht, mehr Ausstellern als
2007 und einer um 10 000 Quadratmeter vergrößerten Ausstellungsfläche.
Fotos: Messe München
Stark bleibt, wer an morgen denkt
DHL | Logistiker schützt mit intelligenten Lösungen die Umwelt
VON STEFFEN FRANKENBERG*
B
evor die Finanzkrise die Weltwirtschaft in die Rezession trieb, sprachen Unternehmen viel über Nachhaltigkeit im Umgang mit natürlichen Ressourcen. War das ein Schlagwort für gute
Zeiten? Für die Deutsche Post World Net ist
die Antwort eindeutig: Die Ressourcen
schonende Logistik bleibt im 21. Jahrhundert die zentrale Herausforderung für die
Branche. Als erstes großes Logistikunternehmen hat sich der Konzern deshalb ein
eigenes Klimaschutzziel gesetzt: Bis 2020
will die Deutsche Post World Net die CO2Effizienz ihrer eigenen Geschäftsaktivitäten wie auch die ihrer Subunternehmer
um 30 % verbessern. Ganz konkret geht es
darum, Logistikprozesse, Gebäude und
Anlagen noch effizienter in Bezug auf
Energie und CO2-Ausstoß zu machen.
Viele Kunden haben
eigene Klimaschutzziele
Seine Expertise in der CO2-Effizienz setzt
die Deutsche Post auch für ihre Geschäfts-
kunden ein. Denn viele Kunden haben eigene Klimaschutzziele. In Großbritannien
stellte DHL im November 2008 beispielsweise die erste klimaneutrale Einrichtung
dieser Art fertig. Das zentrale Distributionszentrum des britischen Telekommunikationsanbieters O2 am Standort Wakefield
wurde von Grund auf unter Umweltgesichtspunkten neu durchdacht. Ein Beispiel ist das innovative Heizsystem. Die
Heizung nutzt die Erdwärme mithilfe acht
Kilometer langer Röhren, die einen Meter
unter der Erde vergraben sind. Denn selbst
wenn der Boden friert, bleibt die Temperatur unter der Erdoberfläche bei 12 bis
14 Grad Celsius. Eine Wärmepumpe hält
die Temperatur im Lagerhaus das ganze
Jahr über konstant. Um zusätzlich Energie
zu sparen, wurden die Lichtsysteme mit
Bewegungssensoren ausgestattet. AußerBegeisterung über ein fast CO2-freies
Lager von O2 im britischen Wakefield,
umgerüstet von DHL (links). Das DHL
Express-Drehkreuz bei Leipzig mit
Sonnenkollektoren (unten); beides
Projekte des GoGreen-Programms der
Deutschen Post.
Fotos: DHL
dem stellte DHL die Stromversorgung auf
Ökostrom um.
Das Team von DHL führte auch eine
thermodynamische Temperaturanalyse im
Lagerhaus durch. Da die Güter auf beiden
Seiten ein- und ausgeladen wurden, wehte der Wind ständig durch die großen, zugigen Türen. Die Heizung diente nur als
Frostschutz: Röhren unter der 15 Meter
hohen Decke bliesen heiße Luft auf die
Sprinkleranlagen, damit sie nicht einfroren. Ventilatoren versuchten vergeblich,
die Wärme im Raum zu verteilen. Bei der
Umgestaltung wurde baulich eine Zwischenebene eingezogen, um den riesigen
Lagerraum zu verkleinern. DHL stattete
die großen Tore deshalb rundum mit
Gummiklappen aus, die sich wie Siegel
um die rückwärts angedockten Lastwagen
schmiegen und verhindern, dass Luft
während des Be- und Entladens ausströmt. Durch die Messung und Reduzierung der CO2-Emissionen im Zuge des
Umbaus konnte DHL den Treibhausgasausstoß um insgesamt 98 % reduzieren. Lediglich 2 % erforderten eine Neutralisierung
durch CO2-Zertifikate (Gold Standard Certified Emission Reductions, CER). Insgesamt
können so 760 Tonnen an CO2-Emissionen
pro Jahr reduziert und neutralisiert werden, das entspricht dem Ausstoß von über
150 Hin- und Rückflügen von London
nach Sydney.
Energieeffizienz einbezogen
Anders als im Lagerhaus Wakefield war es
am DHL Express-Drehkreuz in Leipzig/Halle möglich, Energieeffizienz schon
vor dem Bau in die Planungen einzubeziehen. Kern des im Mai 2008 realisierten
Konzepts ist ein Blockheizkraftwerk, das
mit Erdgas betrieben wird und das Kraft
und Wärme koppelt. Das Kraftwerk erzeugt
Strom, und die dabei entstehende Wärmeenergie wird genutzt. Im Winter heizt
sie die Gebäude, im Sommer kühlt sie die
Lagerhäuser. Möglich wird das durch eine
Absorptionskältemaschine, die Wärme in
Kälte umwandelt. Auf dem Flachdach der
Werkstätten des Drehkreuzes liefern mehr
als 1 000 Quadratmeter Sonnenkollektoren
zusätzlichen Strom. 100 000 Kilowattstunden kann DHL ins öffentliche
Stromnetz einspeisen.
Transparente Fassade
spart Energie
Ein gutes Beispiel für modernes Bauen ist
der riesige DHL-Hangar, in dem die Flugzeuge gewartet werden. Er besitzt eine
transparente Fassade, sodass ungehindert
Tageslicht einfällt. Insgesamt spart das
Umweltkonzept des DHL-Luftfrachtdrehkreuzes Leipzig/Halle mehr als 3 000 Tonnen CO2 im Jahr im Vergleich zu herkömmlichen Technologien. Übrigens: DHL geht
in Leipzig/Halle nicht nur sparsam mit
Energie um, sondern auch mit der wertvollen Ressource Wasser. Auf dem Gelände
stehen Zisternen, die Regenwasser auffangen. Es dient zum Reinigen der Frachtflugzeuge und zum Spülen von Toiletten.
Seit Jahresbeginn bezieht die Deutsche
Post World Net nahezu 100 % ihres Bedarfs
an elektrischem Strom in Deutschland aus
regenerativen Quellen. Die neuen Stromlieferverträge gelten für alle 115 Brief- und
Paketzentren sowie alle anderen Immobilien, zum Beispiel an Logistik- oder Verwaltungsstandorten. Die Konzernzentrale
– der Post Tower in Bonn – wird bereits seit
2008 zu 100 % mit Ökostrom versorgt.
Durch die flächendeckende Umstellung
auf Ökostrom spart das Unternehmen
jährlich rund 400 000 Tonnen CO2 ein, was
dem jährlichen Pro-Kopf-Ausstoß einer
Stadt mit mehr als 30 000 Einwohnern entspricht.
*Steffen Frankenberg
ist Senior Vice President GoGreen
der Deutschen Post World Net
GoGreen
Bis 2020 will die Deutsche Post World
Net die Emissionen pro verschicktem
Brief, pro transportierter Tonne oder
pro Quadratmeter genutzter Fläche
um fast ein Drittel im Vergleich zu
2007 reduzieren. In einem ersten
Schritt soll die CO2-Effizienz der eigenen Aktivitäten bis 2012 um 10 % verbessert werden. Im Fokus stehen die
Optimierung der Luft- und Fahrzeugflotte, die Steigerung der Energieeffizienz, die Entwicklung innovativer
Technologien, die Motivation der Mitarbeiter zu klimabewusstem Verhalten
sowie die Einbeziehung von Subunternehmern. Neben den eigenen Aktivitäten bietet der Konzern seinen Kunden
auch klimaneutrale Produkte und
Dienstleistungen an. Klimaneutral bedeutet, dass die Menge an CO2 ausgeglichen wird, die beim Versand entsteht. Das vom konzerneigenen DHL
Innovation Center entwickelte Carbon
Management ermittelt die Emissionen
grammgenau. Der Ausgleich des
Ausstoßes erfolgt über Emissionszertifikate aus Klimaschutzprojekten.
Geschäftskunden erhalten über die
Leistungen am Ende des Geschäftsjahres ein Zertifikat. Mit ihm können sie
die Jahresemission für die eigene Ökobilanz ausweisen. Im Express-Bereich
setzen Geschäftskunden immerhin
schon seit November 2006 auf den
umweltfreundlichen Versand. Im Jahr
2008 wurden rund 5,5 Mio. GoGreenPakete und über 100 Mio. klimaneutrale Briefe verschickt. Wegen des guten Anlaufens in Deutschland bietet
die Deutsche Post nun auch den Briefversand ins Ausland mit GoGreen-Option an.
LOGISTIK
APRIL 2009
WirtschaftsKurier
27
Drehscheiben für Güter und Informationen
Güterverkehrszentren | ProLogis setzt in Augsburg ein modernes Konzept um
VON ULRICH KIRSTEIN
G
üterverkehrszentren (GVZ) sind, zumindest in Deutschland, eine Erscheinung der 80er-Jahre. Es sind
quasi hochkomplexe und bestens ausgestattete Drehkreuze für den nationalen
und internationalen Güterverkehr, wo
verschiedene Verkehrsträger (etwa Straße,
Schiene, Wasser) und unterschiedliche Verkehrsunternehmen (Speditionen und Lagereien) sowie Logistikdienstleister und
logistikintensive Industrie- und Handelsbetriebe zusammengeführt und miteinander vernetzt werden.
Gerade eine einwandfreie Abwicklung
des kombinierten Verkehrs, also der Verknüpfung mehrerer Verkehrsträger, kann
so am besten gewährleistet werden. Bundesweit gibt es mehr als dreißig solcher Güterverkehrszentren, zusammengeschlossen in der Deutschen GVZ-Gesellschaft mbH (DGG). Sie vernetzt praktisch
die lokalen Vernetzer zu einem nationalen
Netzwerk.
Die einzelnen Güterverkehrszentren
sind über das gesamte Bundesgebiet verteilt, wobei ein Schwerpunkt mit sechs
Zentren Niedersachsen bildet (in Osnabrück, Wolfsburg, Salzgitter, Emsland,
Hannover-Lehrte und Göttingen). Außerdem ist der Süden stark vertreten mit den
Standorten Augsburg, Ingolstadt, Nürnberg und Regensburg in Bayern sowie
Kornwestheim/Stuttgart, Ulm und Weil am
Rhein in Baden-Württemberg. Aber auch
die neuen Länder können mit vier GVZ in
Brandenburg (Frankfurt/Oder, Berlin-Ost,
-West und -Süd) sowie drei weiteren in
Sachsen (Dresden, Leipzig und Südwestsachsen) sowie Magdeburg in SachsenAnhalt, Erfurt in Thüringen und Rostock
in Mecklenburg-Vorpommern aufwarten.
Im Ranking der DGG liegen die Güterverkehrszentren Bremen, Nürnberg, Berlin-Süd und Leipzig an erster Stelle, sie
können laut DGG auch im europäischen
Vergleich bestehen.
In den vergangenen Jahren wurden die
GVZ mit Mietern gut gefüllt, denn die Logistikbranche und die Industrie boomten.
In den nächsten Jahren im Zeichen der Krise wird die Auslastung deutlich schwieriger
werden und die Kunden werden genau auf
die gebotene Infrastruktur und zusätzlichen Dienstleistungen achten. Aber GVZ
sind gerade wegen ihrer Infrastruktureinrichtungen wie Terminals, Häfen und
Schienenanbindung teuer, einfach konstruierte Hallen nahe der Autobahn tun es
für einfache Distributoren auch und sind
bedeutend günstiger zu haben.
Vorreiter der GVZ-Bewegung war Bremen. Heute umfasst das Areal 472 Hektar
Bruttofläche, verfügbar sind noch etwa
20 Hektar. Eine eigene GVZ Entwicklungsgesellschaft Bremen mbH dient als Interessensgesellschaft der angesiedelten Unternehmen aus der Logistik und logistikintensiven Produktion. Sie dient darüber
hinaus auch als Moderator für viele Beratungs- und Kooperationsprojekte. Zu den
Besonderheiten in Bremen zählt die Anlage für den kombinierten Ladungsverkehr
(KLV), betrieben von der privatwirtschaftlich organisierten Roland Umschlagsgesellschaft für den kombinierten Güterverkehr
mbH & Co. KG. In der Anlage befinden
sich sechs Gleise in der Länge eines ganzen Zuges und die Umschlagkapazität
liegt bei rund 220 000 Behältern pro Jahr.
Ein Leuchtturmprojekt ist auch das mit
110 000 Quadratmetern größte Hochregallager Europas, das sich derzeit Tchibo, Minolta und Daimler teilen, betrieben von
der BLG Logistic Group.
Weit unten im alle vier Jahre von der
GVZ-Gesellschaft durchgeführten Ranking
liegt das noch junge GVZ Augsburg, das
überhaupt erst 2007 an den Start ging.
Doch Augsburg bietet auch den Beleg, dass
GVZ immer mehr in den Fokus internationaler Immobilienentwickler geraten: Der
weltgrößte Eigentümer, Verwalter und Entwickler von Logistikimmobilien, die ProLogis AG aus Denver Colorado, errichtet
im Gelände des Augsburger GVZ den weltweit ersten Service Logistic Park auf einer
zusammenhängenden Fläche von 93 000
Quadratmetern. Davon sollen einmal
47 000 Quadratmeter Logistikflächen in
fünf Hallen und in Abschnitten zu 5 000
Oben: Bauarbeiten zur Neugestaltung der Uferpromenade des Europahafens im GVZ Bremen. Unten: ProLogis Logistic
Park im Güterverkehrszentrum Augsburg bietet viele Dienstleistungen rund um logistische Prozesse.
Fotos: BIG/ProLogis
Quadratmetern ausgewiesen werden. Hinzu kommen noch ein eigenes Service-Center und Büroflächen. Bis März 2009 waren
30 000 Quadratmeter fertig entwickelt. Das
innovative Park-Konzept wurde in Zusam-
menarbeit mit der Frauenhofer-Arbeitsgruppe für Technologien der LogistikDienstleistungswirtschaft ATL entwickelt.
In Augsburg bietet ProLogis aufgrund
dieses neuen Konzepts eine Reihe von
zusätzlichen Dienstleistungen an, die von
allen Mietern genutzt werden können:
Neben Facility Management und Security
zählen dazu zum Beispiel gemeinsame ITServices, Postdienste, Personaldienstleis-
tungen und ein gemeinsames Entsorgungskonzept sowie eine eigene Werkstatt
für Flurförderfahrzeuge. Ansprechen will
ProLogis damit vor allem Mieter aus dem
Bereich hochwertiger Güter und der Ersatzteillogistik. „In Augsburg haben wir
erstmals zusätzliche Dienstleistungen in
einen Logistic Park integriert und damit einen Mehrwert zu unserem bisherigen Angebot geschaffen“, so Rudolf Hämel, First
Vice President von ProLogis.
Um möglichst kundennah und bedarfsgerecht zu planen, initiierte ProLogis im
Vorfeld zwei Workshops gemeinsam mit
potenziellen Mietern und Dienstleistern,
wissenschaftlich begleitet vom Fraunhofer-Institut. „Unter den Mietern von Logistikimmobilien gibt es erhebliche Synergieeffekte, die bislang nicht genutzt wurden“, so Alexander Nehm, Projektleiter bei
Fraunhofer ATL.
Die Anbindung des GVZ Augsburg sei
optimal, kreuzen sich doch hier im Norden
die Bundesautobahn A8, die Schnellstraßen B2 und B17, außerdem verfügt das
GVZ noch über einen direkten Anschluss
zum Schienennetz der Deutschen Bahn
und der Augsburger Lokalbahn. Überdies
liegt Augsburg mitten in der sogenannten
„Goldenen Banane“, einem halbkreisförmigen Bereich von Ballungsgebieten in
Westeuropa, der sich von London über die
Benelux-Staaten, das Ruhrgebiet, RheinMain, Bayern, Norditalien und Südfrankreich bis Nordspanien zieht. „In dieser Goldenen Banane hat Augsburg eine hervorragende Position an der Kreuzung wichtiger
Ost-West- und Nord-Süd-Verbindungen
und mit einer optimalen Lage zwischen
Stuttgart und München. Beide Ballungsgebiete sind gut erreichbar, die mit ihnen
oft verbundenen Verkehrsbehinderungen
strahlen jedoch nicht bis Augsburg aus“,
so Hämel von ProLogis.
Insgesamt habe die Nachfrage nach Logistikimmobilien noch keinesfalls nachgelassen, betonte ProLogis noch im März
2009. Die hohe Zahl der Neuvermietungen,
der Vermietungsstand insgesamt und die
große Anzahl an verlängerten Verträgen
lassen keine Krisenstimmung zu.
Herausforderungen meistern
Lufthansa Cargo | Zweitbestes Ergebnis der Geschichte eingeflogen
VON JOACHIM HOSPE
M
it ihrem zweitbesten Ergebnis
in der Unternehmensgeschichte
hat die Lufthansa Cargo AG das
Geschäftsjahr 2008 abgeschlossen. Die
Frachtsparte des Lufthansa Konzerns
konnte das operative Ergebnis noch einmal deutlich um 20,9 % auf 164 Mio. Euro
steigern. Gleichzeitig stiegen die Umsatzerlöse um 6,3 % auf 2,9 Mrd. Euro. Carsten
Spohr, Vorstandsvorsitzender der Lufthansa Cargo, sagte anlässlich der Bilanzvorstellung, der Erfolg zeige, dass sein Unternehmen die Herausforderungen des vergangenen Jahres professionell gemeistert
habe – seien es wachsende Überkapazitäten oder stark schwankende Treibstoffpreise. Im vergangenen Jahr reduzierte sich allerdings die transportierte Tonnage Fracht
und Post um 6 % auf 1,7 Mio. Tonnen. Das
angebotene Transportvolumen legte um
2,8 % auf 12,584 Mrd. Frachttonnenkilometer (FTKO) zu, der Absatz ging dabei um
2,0 % auf 8 283 Mio. Frachttonnenkilometer (FTKT) zurück. Damit lag der FrachtNutzladefaktor im Geschäftsjahr 2008 unter dem Vorjahreswert bei 65,8 (69,1) %.
Die Kunden haben nicht nur Zugriff auf
die Kapazitäten der MD-11-Frachter und
die Laderäume der rund 400 Passagierflugzeuge der Lufthansa Passage Airlines, sondern können auch die Boeing 747-400ERFrachter des deutsch-chinesischen Joint
Ventures Jade Cargo International nutzen.
Lufthansa Cargo vermarktet seit April 2008
deren Kapazitäten auf allen Strecken aus
Europa und seit 1. Januar 2009 den Großteil der Laderäume auch aus Asien heraus.
Zukünftig kann Lufthansa Cargo Kapazitäten auf fabrikneuen Boeing 777-200LRFrachtflugzeugen ihres neuen Joint Ventures mit dem Partner DHL Express, der
AeroLogic GmbH, anbieten. Die Gesellschaft wird ihren Flugbetrieb im Juni 2009
vom Flughafen Leipzig/Halle aufnehmen.
Lufthansa Cargo hat erneut bekräftigt,
in Frankfurt einen dreistelligen Millionen-
Die Lufthansa Cargo investiert weiter in Frankfurt, doch die Krise bremst derzeit die Luftfracht.
betrag in ein neues Logistikzentrum in der
CargoCity Nord zu investieren, sofern die
wirtschaftlichen Voraussetzungen stimmen. Das derzeitige Umschlagzentrum
wurde im Jahr 1982 in Betrieb genommen
und bedarf einer Modernisierung. In der
Diskussion um eine mit dem Flughafen-
ausbau verbundene Nachtflugregelung
setzt sich Lufthansa Cargo deshalb weiter intensiv für eine praktikable Lösung
ein, bei der marktseitig geforderte Frachtflüge auch in der sogenannten Mediationsnacht zwischen 23 und 5 Uhr durchgeführt werden dürfen. Ein absolutes
Foto: Lufthansa Cargo
Nachtflugverbot würde Lufthansa Cargo
nämlich existenziell gefährden sowie den
Logistikstandort Frankfurt und die Exportnation Deutschland nachhaltig schwächen, heißt es.
Die globale Wirtschaftskrise beeinflusste
seit dem vierten Quartal 2008 auch den
weltweiten Luftfrachtverkehr massiv. Zum
1. Januar 2009 hat Lufthansa Cargo ein
Ergebnissicherungsprogramm eingeführt,
mit dem das Unternehmen unter anderem seine Frachtkapazitäten, aber auch
Personal- und Sachkosten reduziert. Trotz
der eingeleiteten Maßnahmen erwartet
der Vorstand aufgrund des extrem schwierigen Umfelds für das Geschäftsjahr 2009
einen spürbaren Umsatzeinbruch und ein
deutlich schlechteres operatives Ergebnis
gegenüber dem Vorjahr.
Das Unternehmen beschäftigt derzeit
etwa 4 600 Mitarbeiter weltweit. Das Streckennetz umfasst rund 300 Zielorte, wobei
sowohl Frachtflugzeuge als auch die
Frachtkapazitäten der Lufthansa-Passagiermaschinen sowie Lkw genutzt werden.
Der Großteil des Cargo-Geschäfts wird
über den Flughafen Frankfurt, den größten Frachtflughafen Europas, umgeschlagen. Lufthansa Cargo ist ein 100%iges
Tochterunternehmen der Deutschen Lufthansa AG.
GESUNDHEIT FÜR MANAGER
28 WirtschaftsKurier
APRIL 2009
Medizinischer Check-up im Luxushotel
Privatkliniken | Von Ein-Tages-Tests bis zur Behandlung durch renommierte Spezialisten
VON PHILLIP TRÖBINGER
T
ermindruck, falsche Ernährung, wenig Bewegung und Schlaf sowie Reisestress – ständige Belastungen im
Beruf beeinträchtigen die Gesundheit.
Nach einer Studie der IAS – Institut für Arbeits- und Sozialhygiene Stiftung ist jede
vierte deutsche Führungskraft gesundheitlich gefährdet. Erste Anzeichen sind meist
Herz- und Kreislaufprobleme sowie körperliche und emotionale Erschöpfungssymptome. Auch die Kreativität und die
soziale Kompetenz der betroffenen Führungspersonen sind erheblich eingeschränkt. Dem wollen Institute und Privatkliniken entgegentreten. Sie bieten professionelle Hilfe für Entscheidungsträger
aus Politik und Wirtschaft an, um die psychische und physische Leistungsfähigkeit
zu erhalten respektive wiederherzustellen.
Mittlerweile hat sich der „Manager-Gesundheits-Check“ in einigen Kliniken als
zusätzlicher Wirtschaftsfaktor etabliert.
Prevent, eine Dienstleistung der IAS, bietet seit Jahren Gesundheits-Check-ups für
größten Anbieter von stationärer und ambulanter Patientenversorgung in Deutschland – haben ein Konzept der Vorsorgediagnostik für Leistungsträger entwickelt, das
die medizinischen Risiken durch Möglichkeiten der Früherkennung reduziert. So
können beispielsweise an der Helios Klinik
in Borna die Programme „Manager-Check“
und „Manager-Check Plus“ in Anspruch
genommen werden. Die Programme werden von einem Arzt geleitet und beinhalten mehr als 13 verschiedene Untersuchungen. Anschließend werden individuelle Präventionsprofile ausgearbeitet und
die Befunde ausführlich mit dem Teilnehmer besprochen. Auch im Helios Rehazentrum Bad Berleburg betreut ein Arzt mit
seinem Team persönlich das Diagnostikprogramm. An nur einem Tag werden alle
wesentlichen Organfunktionen getestet
und ein aktueller Gesundheitsstatus erstellt. Die Programme „Premium-Check“
und „Premium-Check Plus“ verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz und werden mit
einem individuellen Beratungskonzept ergänzt.
Gesundheitszentren mit Perspektive: medizinische Versorgung sowie Fitnessund Wellness-Angebote unter einem Dach.
Foto: Fotolia
Verantwortungsträger aus Wirtschaft und
öffentlichem Leben an. Viele Dax-notierte
Unternehmen nehmen diese maßgeschneiderten Präventionsprogramme in
Anspruch, um die Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Manager zu unterstützen. Auch das Institut für Arbeitsmedizin, einer der führenden Dienstleister in
den Bereichen Arbeitsschutz, Gesundheitsvorsorge und -management, hat den
sogenannten Manager-Check im Angebot.
Unter dem Motto „Leistungsfähigkeit erhalten, Gesundheit fördern“ betreut das
Institut Unternehmen aus den verschiedensten Branchen, Organisationen und
Behörden. Zum Institut für Arbeitsmedizin gehört außerdem die Diagnostische
Klinik – eine staatlich konzessionierte Privatklinik mit den Schwerpunkten Gesundheitsvorsorge und präventivmedizinische
Diagnostik. Der MMS-Medical Management Service in Pirna hat im Bereich der
Präventionsmedizin einen umfassenden
Manager-Check entwickelt: In etwa drei
bis vier Stunden werden verschiedene
EKGs, Tests, Untersuchungen (Lunge) und
Analysen (Blutbild) durchgeführt sowie individuelle Trainings- und Ernährungspläne
erstellt.
Einige Einrichtungen der Helios Gruppe
– mit 62 Kliniken und 23 medizinischen
Versorgungszentren eine der führenden
Unternehmen im Privatisierungsprozess
des Gesundheitswesens und einer der
Ein spezieller Manager-Check ist ebenfalls auf der Insel Rügen möglich: Dort hat
das Sana-Krankenhaus Rügen, eine Einrichtung der Sana Kliniken AG, einen zweitägigen medizinischen Check-up für Führungskräfte im Angebot. Ein ausgereiftes
Diagnostikprogramm ermittelt das gesundheitliche Risikoprofil von Managern.
Aufgrund der Untersuchungsergebnisse
wird abschließend ein Präventivprogramm
zusammengestellt. Das Sana Krankenhaus
wirbt außerdem mit dem wohltuenden Nebeneffekt der Ostsee-Region: „Welcher Ort
wäre für einen solchen Check-up besser
geeignet als unsere wunderschöne Perle
der Ostsee – die Insel Rügen, ein Ort, an
dem man ideal die Seele baumeln lassen
kann.“
Die Waldburg-Zeil Klinik Alpenblick hat
ebenfalls ein Erholungs- und Freizeitangebot für gestresste Manager in ihrem
Dienstleistungsportfolio. Die Fachklinik
der Waldburg-Zeil Kliniken GmbH & Co.
KG im württembergischen Westallgäu bietet eine berufsbezogene Therapie an, zum
Beispiel für Mobbing- oder Burn-outBetroffene, die den Rehabilitationsaufenthalt auf dem Land mit der Förderung von
beruflichen Schlüsselqualifikationen verbindet.
So wie das Sana-Krankenhaus in Rügen
oder die Waldburg-Zeil Klinik Alpenblick
im Westallgäu setzen viele Privatkliniken
auf ein umfassendes Konzept. Experten
prophezeien, dass die Zukunft den Gesundheitszentren gehören wird, die unter
einem Dach stationäre und ambulante
medizinische Versorgung mit Fitness- und
Wellness-Angeboten kombinieren. Auch
wegen der zunehmenden Konkurrenz werden solche Einrichtungen deshalb eher einem Hotel ähneln als einem Krankenhaus.
Ein gewisser Trend ist schon sichtbar: Neue
Privatkliniken verbinden hervorragende
Medizin mit dem Komfort eines FirstClass-Hotels. Die meisten dieser Kliniken
sprechen Privatversicherte und Selbstzahler an und praktizieren Medizin als persönliche Dienstleistung. Das exzellente Angebot von Hightech-Medizin in einer „serviceorientierten Wohlfühl-Oase“ hat dementsprechend seinen Preis.
Medizinplus, eine Privatklinik auf dem
Gelände des Städtischen Klinikums Nürnberg, zählt zu den Vorkämpfern dieser neuen Gesundheitsbewegung. Die anspruchsvollen Privatpatienten der Tochtergesellschaft des Nürnberger Klinikums können
hier die Kompetenz der Chefärzte der umliegenden Spezialinstitute und Abteilungen sowie den Service eines Luxushotels
in Anspruch nehmen. Einige der Privatkliniken in diesem „Luxussegment“ haben
sich auf ein medizinisches Fachgebiet spezialisiert. So hat beispielsweise die Herzklinik in Bad Neustadt/Saale, eine Tochter der
Rhön-Klinikum AG, einen hervorragenden
Ruf im Bereich der Kardiologie erworben:
Die kardiologische Abteilung ist eine der
größten in Europa.
An der Martini Klinik in Hamburg erforschen und therapieren Urologen die häufigste Krebsart bei Männern. Die Tochtergesellschaft des Universitätsklinikums Eppendorf ist schon heute das europäische
Zentrum für die Behandlung des Prostatakrebs. Auch die Max Grundig Klinik auf der
Bühlerhöhe spielt medizinisch, pflegerisch
und gastronomisch in der „ersten Liga“.
Die Privatklinik für Innere Medizin im
Schwarzwald zählt zu ihren drei Hauptsäulen Prävention, internistische Primärversorgung und Anschlussheilbehandlung.
Das Thema Gesundheitsmanagement
wird zunehmend eine entscheidende Rolle
einnehmen, denn Unternehmen sind in
Zukunft mehr denn je auf leistungsfähige
Mitarbeiter angewiesen. In der BusinessWelt gibt es seit einiger Zeit einen Sinneswandel, der gesunde und motivierte Mitarbeiter als wertvolles Kapital neu entdeckt.
Ein „gesundes“ Arbeitsklima tritt immer
mehr in den Fokus der Unternehmensphilosophien. Denn jährlich gehen Milliardenbeträge durch krankheitsbedingte
Fehlzeiten verloren. Berufserfolg und Gesundheit sind untrennbar miteinander verbunden. Bei vielen innovativen Unternehmen spielt das Thema eine wichtige Rolle:
Sie finanzieren beispielsweise Massagen,
Yoga-Kurse, Gesundheits-Checks, Therapien, Firmensportplätze, Salatbars in den
Kantinen sowie weitere gesundheitsfördernde Angebote für ihre Mitarbeiter. Die
Gesundheitsversorgung reduziert nämlich
nicht nur die Fehlzeiten, sondern bindet
auch die Mitarbeiter an die Unternehmen
und strahlt positive Effekte auf andere Bereiche wie die Motivation oder das interne
Klima aus.
Das Sana-Krankenhaus auf der Insel Rügen hat den Mana- Viele Privatkliniken bieten hervorragende Medizin in einem
ger-Check für Führungskräfte im Angebot.
angenehmen Ambiente.
Fotos: Sana-Krankenhaus Rügen
ZEHN MINUTEN FÜR DEN RÜCKEN
Regelmäßige Bewegung gilt als wichtigste Maßnahme zur Vorbeugung von
Rückenschmerzen. Doch nur wenige können sportliche Aktivitäten kontinuierlich
in ihren Alltag einbauen. Einer Woche mit
ausreichend Bewegung folgen häufig
mehrere Wochen, in denen keine Zeit
dafür bleibt. Nachteil: Die Muskeln bauen
sich schnell ab und der Aufbau beginnt
wieder bei null. „Dabei erfordert eine
nachhaltige Stärkung des Rückens weniger Aufwand, als viele denken“, sagt
Dr. Reinhard Schneiderhan, Orthopäde in
München und Präsident der deutschen
Wirbelsäulenliga e. V. „Wer sich täglich
nur zehn Minuten Zeit für ein gezieltes
Rückentraining nimmt, verspürt schon
nach kurzer Zeit positive Effekte.“ Dazu
empfiehlt der Experte zwölf Übungen:
Übung 1: Rückenlage, Beine auf einem
Stuhl ablegen. Kopf und Schultern vom
Boden abheben, Arme seitlich vom Körper
anheben. In der Vorwärtsbewegung bei
gestreckten Armen die Hände an den
Beinen vorbeischieben. Dabei zeigen
die Handrücken in Richtung des Kopfes.
10 bis 15 Wiederholungen.
Übung 2: Rückenlage, das linke Bein
leicht angewinkelt. Kopf anheben und mit
der rechten Hand gegen das linke Knie
drücken, Ellenbogen leicht gebeugt halten. 10 bis 15 Wiederholungen.
Übung 3: Seitenlage, Beine gestreckt,
Oberkörper mit Unterarm abstützen. Hüfte
anheben, bis der Körper eine gerade Linie
bildet. Spannung halten, Seite wechseln.
Übung 4: Rückenlage, Beine angewinkelt,
Hände rechtwinklig über dem Kopf ablegen. Beine nach rechts ablegen, Kopf und
Schultern bleiben am Boden. Spannung
halten, Seite wechseln.
Übung 5: Rückenlage, die rechte Hand
hinter den Kopf legen. Erst das linke, dann
das rechte Bein nach links führen. Den
rechten Arm mitsamt dem Oberkörper so
weit wie möglich nach links schieben.
Spannung halten, Seite wechseln.
Übung 6: Schrittstellung, rechtes Bein weit
nach vorn stellen und etwas beugen. Beide Hände auf der Hüfte abstützen. Hüfte
weit nach vorn schieben, bis eine Dehnung
in der Leiste spürbar ist. Spannung halten.
Anschließend anderes Bein nach vorn.
Übung 7: Vierfüßlerstand, Ellenbogen leicht
gebeugt, Kopf gerade halten. Linkes Bein
und rechten Arm anheben und in Längsrichtung gerade ausstrecken. Daumen zeigt nach
oben. Spannung halten. Anschließend Arm
und Bein wechseln.
Übung 8: Aufrecht sitzen oder stehen,
Rücken gerade halten, Beine hüftbreit stellen, Kopf nach vorn beugen. Mit einer
Hand den Kopf sanft zur Seite neigen, andere Schulter zu Boden ziehen. Spannung
halten, Seite wechseln.
Übung 9: Bauchlage, Zehen aufstellen,
Gesäß und Bauch anspannen, Stirn ablegen, ebenso die gebeugten Arme. Kopf,
Schultern und Arme anheben, der Nacken
bleibt gestreckt. Dabei die Schulterblätter
näher zusammenbringen und in Richtung
Gesäß ziehen. Spannung halten.
Übung 10: Rückenlage, Beine angewinkelt, Arme ausgestreckt neben dem Körper, Handflächen nach oben. Gesäß anspannen und ohne Hohlkreuz anheben, bis
der Körper eine nicht durchhängende Brücke bildet. Spannung halten.
Übung 11: Mit dem Bauch auf einen Stuhl
legen, mit den Händen an den Stuhlbeinen
festhalten, Rücken und Nacken gerade,
Gesicht schaut zum Boden. Beine abwechselnd rechtwinklig nach oben ausstrecken, sodass die Fußsohle zur Decke
zeigt. 10 bis 15 Wiederholungen.
Übung 12: Schrittstellung im Türrahmen,
linkes Bein vorn, linken Arm rechtwinklig
am Türrahmen auflegen. Den gesamten
Oberkörper nach vorn beugen, bis ein
Dehnungsgefühl im Brustmuskel eintritt.
Spannung halten, Seite wechseln.
Der schöne Eingangsbereich der Helios Klinik in Borna: Die Testprogramme für Manager beinhalten mehr als 13 verschiedene Untersuchungen.
Foto: Helios Kliniken