KURIER Oradea, vergessenes Kleinod Vergessenes

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KURIER Oradea, vergessenes Kleinod Vergessenes
REISE
k u r i e r. a t
Sonntag I 20. Juli 2014
REISE
k u r i e r. a t
Sonntag I 20. Juli 2014
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Kostbar, aber beinahe vergessen: Oradea im Aufbruch
Sehr österreichisch: Der Hauptplatz von Oradea
Neue Attraktion in Felixbad: Der Aquapark des Hotels President soll Gäste aus den Nachbarländern anlocken
Fassade mit „Zuckerglasur“: Bürgerhaus in einer Seitengasse
Einzigartige Konstruktion: Kirche mit Mondphasen-Uhr
Retro-Look: Milchbar in der Fußgängerzone
Guide Orlando lüftet ein Geheimnis: Verstecktes Maria-Theresia-Bild
Rumänien. Das einstige Großwardein ist
ein Stück Altösterreich an der Grenze zu
Ungarn, sechs Autostunden von Wien
entfernt.ZwischenBarock-&JugendstilPracht und kommunistischen Bausünden bricht hier gerade neues Leben auf.
VON CLAUDIUS RAJCHL
O
radea? Liegt das in Südafrika?“ Nicht nur der
deutsche Hotelmanager
Urs Platz tippte völlig daneben,
bevor er die Leitung für das
Doubletree by Hilton Hotel in
der rumänischen Kleinstadt angetreten hat. Wer kennt schon
Oradea?
Ich gebe zu, ich kannte es bis
jetzt auch nicht. Mein Tipp: Fahren Sie sobald es geht hin, denn
noch können Sie quasi live dabei
sein, wie – etwa sechs AutostundenvonWienentfernt–einefaszinierende Stadt mit beinahe
vergessenen
Kulturschätzen
dank engagierter junger Bürger
aus dem Dornröschenschlaf
wachgeküsst wird.
Das Rathaus mit seinem zur
Aussichtsplattform umfunktionierten Turm, das entzückende
kleine Stadttheater (erbaut von
Fellner & Hellmer, den Architekten der Wiener Staatsoper), die
zahlreichen Kirchen, alles im
Schönbrunner Gelb. Kein Zwei-
fel: Hier haben die Habsburger
ihre Spuren hinterlassen.
Auf den ersten Blick sieht
Oradea auch ganz wie eine österreichische Kleinstadt aus. Sogar ULF, die Wiener NiederflurBim, ist im Zentrum unterwegs.
Aber es gibt auch viele –zum Teil
kuriose – Kulturschätze, die nirgendwo sonst zu finden sind.
Party mit Jugendstil
Die einzigartige Jugendstil-Passage „Zum Schwarzen Adler“
zum Beispiel – mit ihrem Spiel
aus verschnörkelten Fassadenmalereien, Balkonen und den
Glasmalereien, die dank EUFörderungen schon in neuem
Glanz erstrahlt. Im Inneren dieses ehrwürdigen Gebäudes geht
jede Nacht die Post ab: Eine Bar
folgt auf die andere, hier treffen
fesche Mädels auf junge Möchtegern-Machos. Aufrisszone mit
historischem Touch.
Oder die Kirche mit Mond
auf dem Hauptplatz, die eine
einzigartige Mondphasen-Uhr
aus dem 18. Jh. zu bieten hat.
Rumänien
Mystisches Rumänien
8-tägige Busrundreise ab/bis Bukarest, 7 Nächte im DZ mit Halbpension,
Verlauf lt. Programm, Anreise am 23.10.14
Preis pro Person , ohne Flug € 385
Tagesaktuelle Flugpreise bei Kuoni!
Wenn Sie nett zum Kirchenaufseher sind, geht er vielleicht mit
Ihnen die ausgetretene Treppe
hinauf, öffnet die Tür mit dem
rostigen Schloss und zeigt Ihnen
die einzigartige Konstruktion.
„Wir arbeiten daran, die
Treppen zu renovieren und die
Attraktion Touristen regulär zugänglich zu machen“, verrät mir
Mihai Jurca. Der erst 29-jährige
ManageristnichtnurfürdieEntwicklung des neuen BusinessParks am Rande von Oradea zuständig, sondern soll sich im
AuftragdesBürgermeisters(mit
45auchungewöhnlichjung)um
den aufkeimenden Tourismus
kümmern. Die Pläne sind jedenfalls ehrgeizig: Die Rollbahn des
nationalen Flughafens soll für
den internationalen Flugverkehr ausgebaut werden. Bürgermeister Ilie Bolojan träumt von
Direktflügen aus Wien oder
deutschen Städten. Die Chancenstehengut,dieFinanzierung
steht, sagt Bolojan.
Schwieriger gestaltet sich
die Renovierung der Altbauten
in der Fußgängerzone, die
schon seit Jahren eingerüstet
sind. Nicht, weil sie bereits saniert werden, sondern um Passanten vor herabfallenden Steinen zu schützen.
„Das Problem sind die Eigentümer“, erläutert der Bürgermeister. „Die Häuser wurden
nach der Wende billigst verkauft, jetzt können sich die Eigentümer die Renovierungen
nicht leisten und lassen die Ge-
bäude verfallen. Da kann die
Stadt wenig tun.“ Der Ortschef
setzt auf Touristen, Devisen und
neue Fördermöglichkeiten.
Wer durch die Fußgängerzone spaziert, spürt diese Spannung zwischen verblichenem
Glanz, teilweise morbidem
Charme, aber auch der Aufbruchsstimmung, die in der
Stadt herrscht: Während von
den Obergeschoßen der Putz
bröckelt, haben sich zu ebener
Erde schicke Bars und Shops angesiedelt. Eine in der kommunistischen Ära beliebte Milchbar
hat nach der Wende als originelles Retro-Lokal neu geöffnet.
Vis-à-vis des Theaters kann
man im bekanntesten Gastgarten der Stadt für unglaubliche
3,50 € ein komplettes Menü bestellen, das gar nicht einmal
schlecht schmeckt. Wobei: Die
Rumänen sind Fleischtiger, Vegetarier und Linienbewusste haben’s in Oradea schwer. Noch:
denn auch die Gastronomie gibt
Vollgas. Im „Graf“ kann man
zum Beispiel in einem renovierten Haus mit Garten beinahe auf
Haubenniveau fein dinieren (siehe Info).
Versteckte Festung
Das Wahrzeichen der Stadt, die
Festung, haben die Kommunisten unter dem verhassten Diktator Ceausescu hinter Plattenbauten gut versteckt. Was ursprünglich ab dem 11. Jh. eine
Kirchenfestung war und zu Zeiten Maria Theresias als österreichischer Militär-Stützpunkt verwendet wurde, diente den Kommunisten als Foltergefängnis.
HeuteistderHistorikerDumitru
NoaneHerrderFestung–alsLeiter der Renovierungsarbeiten,
die gerade in vollem Gange sind.
ResteeinerKirchewurdenebenso freigelegt wie Wandmalereien. 2015 soll die Burg als Museum und Kulturzentrum eröffnet
Prachtvoller Jugendstil: Die Passage „Zum Schwarzen Adler“ bietet Nightlife für die Jugend in historischer Kulisse
Kurzentrum mit westlichem Standard: Das Hotel International bietet ein umfassendes Therapieprogramm
UKRAINE
MOLDAWIEN
Oradea
UNGARN (Großwardein)
Băile Felix
(Felixbad)
SERBIEN
200 km
RUMÄNIEN
Bukarest
BULGARIEN
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Info
Anreise Am schnellsten mit dem Pkw nach Oradea:
Wien–Budapest–Magyarország via Autobahnen A 4,
M 1 und M 5, weiter auf recht guten Bundesstraßen bis
Oradea. Ca. 500 km, 5,5 Stunden Fahrzeit
Währung Ein Euro = ca. 4,40 Rumänische Neue Lei (RON)
Kulturjuwel in
neuem Glanz:
Dank EUFördermitteln
hat die Stadt
schon einige
ihrer verblichenen Baudenkmäler am
Hauptplatz zu
neuem Glanz
gebracht
werden. Gegen Voranmeldung
zeigt der Historiker schon jetzt
die Highlights.
Ein originelles Dankgeschenk an Maria Theresia haben
die Großwardeiner in ihrer barocken Kathedrale versteckt:
Zwei Medaillons mit Bildnissen
von Maria und Josef haben Geheimtürchen.Wennmandieöffnet,tauchthinterderMuttergottes ein Porträt von Maria TheresiaundhinterdemheiligenJosef
ein Bild von Joseph II. auf.
Versteckt ist auch ein beliebtes In-Lokal der Stadt: Das Café
Moskwa unweit des Theaters ist
im ersten Stock eines Altbaus
untergebracht. Nichts deutet
amEingangdaraufhin,dasshier
die junge Künstlerszene ein und
aus geht und regelmäßig Konzerte oder Lesungen darbietet.
Hotel-Tipps Hotel Ramada: City-Designhotel mit nettem
Restaurant, Zimmer ab 55 €, www.ramadaoradea.ro
– Doubletree by Hilton: Internationales Kettenhotel am
Stadtrand unter deutscher Führung. Feiner Spa, schöner
Indoor-Pool. Zimmer ab 37 €,
http://doubletree3.hilton.com
Lokal-Tipps Restaurant Graf: Top-Lokal mit feiner Küche,
schönem Garten, 170 Weinsorten und Zigarren-Bar,
Hauptgericht ab 10 €, Steak ab 14 €.
St. Delavrancea 3., www.restaurantgraf.ro
– Restaurant Oradea, typisches bürgerliches Restaurant
mit Biergarten, Menü ca. 3 €, das Nationalgericht
Sarmale (Krautroulade) um ca. 4 €,
Iosif Vulcan nr. 1 (vis-a-vis Stadttheater),
www.butoiuldeauroradea.ro
– Corsarul: Guter Fisch und Pizza, Piata Creanga Nr. 1,
www.restaurantcorsarul.ro
– Café Moskwa: Verstecktes Künstlerlokal im ersten
Stock eines Altbaus, St. Moscovei 8,
eBook Der Grazer Rudolf J. Strutz hat ein eBook über
Oradea und Felixbad verfasst, Gratis-Download-Links auf
www.auvi.me
Auskünfte Rumänisches Tourismusamt in Wien,
¤ 01/317 31 57-1, www.rumaenien-info.at,
http://oradea.travel/de
Komplette Kur um 350 € im „glücklichen Bad“
Băile Felix. Der Thermalort Felixbad lockt mit modernem Therapieangebot und neuem Aquapark
Eine Woche Kur mit Halbpension,ArztgesprächundTherapien
ab ca. 350 € pro Person – mit solchen Preisen lockt die Kurstadt
Felixbad, etwa 40 Autominuten
von Oradea entfernt. Nicht alle
Kurhotels können aber mit westlichem Standard mithalten.
Die Heilquelle, die ein
Mönch um 1221 entdeckte,
sprudelt noch heute, ihm verdankt das „glückliche Bad“ seinen Namen. Der Ort ist ein typisches Kurdomizil: riesige Hotels
mit Pools und Wasserpark, daneben Pensionen und kleine Hotels, die ein, zwei Jahre alt sind.
Attraktion im Herzen des Ortes
isteinParkmitSeerosenteichen,
auch ein öffentliches Bad lockt –
mit wenig Schatten. „Der Betreiber wollte mehr Platz für die
Gäste und hat fast alle Bäume
gefällt“, klagt Guide Orlando.
Als bestes Kurhotel gilt in Felixbad das 4*-Haus „International“, das mit einem großen Outdoor-Pool und einem modernen
Kurzentrum aufwarten kann, in
dem sich auch Wellness-verwöhnte Österreicher durchaus
wohlfühlen können.
Der ärztliche Direktor Tarau
Mircea legt Wert auf Qualität,
die mit westlichen Standards
mithalten kann, der Betrieb ist
nach dem Prädikat „Europe
Spa“zertifiziert:Helle,freundliche Behandlungsräume und
moderne Therapiegeräte etwa
für Elektrobehandlungen, Ultraschall, Laser u. v. m. „Wir haben auch deutschsprachiges
Personal, und die Behandlungen werden in Einzelräumen
durchgeführt“, betont der Arzt.
Anders im wenige Minuten
entfernten Hotel President:
„Wir haben auch
deutschsprachiges
Personal, die
Behandlungen erfolgen
in Einzelräumen.“
Tarau Mircea
Ärztlicher Leiter, Kurhotel International
Dort liegen mehrere Patienten
in einem Raum, nur durch Vorhänge getrennt. Typische Krankenkassen-Atmosphäre. Ohne
die Patienten vorher zu fragen,
führt uns der Arzt durch die Be-
handlungsräume. Intimsphäre
ist hier noch ein Fremdwort.
Dennoch kommen Gäste sogar aus den USA, um sich behandeln zu lassen. „Wir haben eines
der umfangreichsten und besten Kurangebote bei Problemen
mit Gelenken, dem Bewegungsapparat,beiStress–vonElektrotherapien über Ultraschall und
Laserbehandlungen bis zu Heilbädern und Trinkkuren“, sagt
der Mediziner Gheorge Moreru.
Neueste Attraktion des Hotels President ist ein Aquapark
mit 13 Pools und Wasserrutschen. Auch in Oradea ist ein
Aquapark geplant: Die Rumänen wollen den Thermaltourismus nicht länger den ungarischen Nachbarn überlassen.
.
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INTERNET
www.felixspa.com
BILDER: CLAUDIUS RAJCHL (8), GREGORY WRONA/GETTY IMAGES, MARCO CRISTOFORI/AGE/F1ONLINE
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