Taler, Taler – musst du wandern?

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Taler, Taler – musst du wandern?
Editorial
Editorial
Taler, Taler – musst du wandern?
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wer kennt es nicht, das Kinderlied „Taler,
Taler, du musst wandern“. Besungen wird
darin die Schönheit und Ästhetik des
scheinbar allein intrinsisch motivierten
räumlichen Verbringens von Zahlungsmitteln zwischen menschlichen Individuen unter Nutzung der oberen Extremitäten, verknüpft mit dem an das Objekt
gerichteten Imperativ, eine Augenfälligkeit seiner selbst zu vermeiden.*1
Sofern alle Beteiligten Freude über derartige sinnfreie Vermögensverfügungen
verspüren, ist gegen einen solchen Zeitvertreib nichts einzuwenden, wenngleich
die Gefahr besteht, dass das Geschehen
durch beobachtende Dritte ob seiner
Pathologie hinterfragt wird. Selbst altersbedingt geschäftsunfähige Mitmenschen
gelangen auf empirischem Wege allerdings meist erstaunlich schnell zu der
Erkenntnis, dass sich beim Umgang mit
Geld der Spaßfaktor dann erheblich steigern lässt, wenn man als homo oeconomicus handelt.
Der Gesetzgeber – nicht gerade als Spaßgarant bekannt – hat im Versorgungsstärkungsgesetz nun eine Spielregel implementiert, die Taler entgegen des Kinderliedes unabhängig davon wandern
lässt, ob es den Verfügungsberechtigten
Pläsier bereitet. Sie werden ahnen, dass
die Vorschriften zur Terminservicestelle
(TSS) gemeint sind. Danach sollen die
TSS einen ambulanten Behandlungstermin im Krankenhaus anbieten, wenn es
ihnen nicht gelingt, einen Termin mit
einer Wartezeit von maximal vier Wochen
im vertragsärztlichen Versorgungsbereich
zu vermitteln. Ist dies notwendig, soll
eine Vergütung der Krankenhausleistung
zu Lasten unserer Gesamtvergütung erfolgen, natürlich ohne Budgetbeschränkungen. Diese Wanderung der Taler werden allenfalls die Krankenhäuser lustig
finden; ganz gewiss nicht die Fachgruppen, in deren Topf gegriffen wird.
Als Treuhänder des ärztlichen Honorarbudgets und dessen Endlichkeit geschuldeten rudimentär ausgeprägten Interesses
unsererseits an finanziellen Ringelpiez
bestand eine zentrale Intention bei der
KVS-Mitteilungen Heft 4/2016
vorzeitigen Einführung einer Terminvermittlungsstelle darin, die Taler nur im
Kreise der Vertragsärzteschaft wandern
zu lassen. Dies ist bislang auch gelungen,
denn durch das Element der Erfassung
der Dringlichkeit mittels A-B-C-Codierung der Überweisungen war die Möglichkeit gegeben, das Vermittlungsaufkommen überschaubar zu halten und
nach rein medizinischer Indikation zu
vermitteln, wodurch bis heute ein Vermittlungserfolg von 100 % gewährleistet
werden konnte.
Nicht zuletzt die mediale Begleitung der
nun zum Jahresbeginn bundesweit eingeführten TSS führte auch in unserem Bundesland zu einem spürbaren Anstieg der
Vermittlungsanfragen, zumal die gesetzliche Regelung eine konkrete Definition
der Dringlichkeit der Behandlung vermissen lässt. Der Umsetzung der Dringlichkeitscodierung kommt daher größte
Bedeutung zu, damit weiterhin die bisherige Vermittlungsquote realisiert und ein
Mittelabfluss zu den Krankenhäusern
verhindert werden kann. Leider lassen zu
viele Überweisungsscheine noch eine
A-B-C-Codierung*2 vermissen. Dies hat
zur Folge, dass unsere Vermittlungsstelle
in die Bredouille kommen könnte, auch
Patienten vermitteln zu müssen, die nach
ärztlicher Einschätzung eigentlich in die
Kategorie „C“ fallen, also bei denen kein
Behandlungsbedarf innerhalb von vier
Wochen besteht. Das führte dann nicht
nur zu einer Überlastung unserer (kostenmäßig schlank gehaltenen) TSS, sondern
zu der Gefahr, am legislativen Talerspiel
teilnehmen zu müssen – allein nach den
die Vertragsärzteschaft benachteiligenden Spielregeln des Gesetzgebers und
gänzlich ohne Hoffnung, dass die Taler
wie im Kinderlied vielleicht wieder
zurückwandern. Deshalb möchte ich an
dieser Stelle auch im Namen meines Vorstandskollegen Dr. Heckemann nochmals
auf die entsprechende Codierung der
Überweisungsscheine hinweisen.
*1 Taler, Taler, du musst wandern von der einen
Hand zur andern. Das ist schön, das ist schön,
Taler, lass dich nur nicht sehn!
*2 Kennzeichnungspflicht gemäß Anlage 28 zum
Bundesmantelvertrag Ärzte
Es gilt:
A = Behandlung sofort – Vermittlung
sollte direkt durch den Hausarzt/
überweisenden Arzt erfolgen
B = Behandlungsbedarf innerhalb von
vier Wochen – Bagatellerkrankung
oder verschiebbare Routineuntersuchung liegt nicht vor
C = kein Behandlungsbedarf innerhalb von vier Wochen – Bagatellerkrankung oder verschiebbare Routineuntersuchung liegt vor
Die Kennzeichnung der Dringlichkeit
sollte vorerst weiterhin als erster Eintrag
im Auftragsfeld der Überweisung durch
die Angabe des entsprechenden Buchstabens und eines Doppelpunktes, also z. B.
„B:“ erfolgen. Unsererseits wird angestrebt, dass der Überweisungsschein um
ein gesondertes Codierungsfeld ergänzt
wird.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Ihr Claus Vogel
Stellvertretender Vorstandsvorsitzender
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