So jung und doch schon Krebs?

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So jung und doch schon Krebs?
So jung und doch
schon Krebs?
Spezielle Gesichtspunkte bei der
Behandlung junger Brustkrebspatientinnen
Dr. Wolfgang Hartmann
Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Brustzentrum Westend
DRK Kliniken Berlin Westend
Mathias Steyer
Brustkrebs bei jungen Frauen
Kylie Minogue
36 Jahre
Sylvie van der Vaart
31 Jahre
Anastasia
34 Jahre
Brustkrebsrisiko
Brustkrebs ist die häufigste
bösartige Erkrankung der Frau
Das mittlere Lebenszeitrisiko
von Frauen an Brustkrebs zu
erkranken, beträgt in
Deutschland 9,2%
Jede 11. Frau erkrankt im Lauf
ihres Lebens an Brustkrebs
Schön D, Bertz J, Görsch B et al. (2004) Die Dachdokumentation Krebs. In:
Gesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2004 (47): 429 bis 436
La Fornarina 1518-1520
Raffael
Brustkrebs bei jungen Frauen
Brustkrebs die wichtigste
Krebserkrankung bei jüngeren
Frauen
Im Alter zwischen 35 und 59
Jahren sind fast 40% der
Krebsneuerkrankungen und
knapp 30% der Todesfälle
durch Brustkrebs verursacht
8% der
Brustkrebspatientinnen sind
unter 40 Jahre alt
Gesundheitsberichterstattung des Bundes 09.02.2013
La Fornarina 1518-1520
Raffael
Altersverteilung in Brandenburg 2000-2011
n= 22.288
Krebsregister Brandenburg: Frau Dr. Tillack
Probleme bei der Diagnostik
 Bei den unter 30-Jährigen wird keine regelmäßige
Untersuchung der Brust im Rahmen der
gynäkologische Vorsorgeuntersuchung empfohlen
 Palpation ist oft durch einen dichten und knotigen
Drüsenkörper erschwert
 Aussagekraft der Mammographie eingeschränkt
 Patientin und Arzt
 Dass sie krank ist, hätte ihr niemand geglaubt.
Nicht mal die Gynäkologin meint, dass es etwas
Ernstes sein könnte, als Emma Bergener in der
Sprechstunde von einem Knoten erzählt. Harmlos,
sagt die Ärztin – und schickt sie wieder nach
Hause.
Mitten im Leben Katrin Schulze Der Tagesspiegel 10/2012
Besonderheiten der Lebenssituation junger
Patientinnen
 Wenig Erfahrung mit
der Verarbeitung von
Schicksalsschlägen.
 Verlust der körperlichen
Integrität.
 Spannungsfeld Familie,
Partnerschaft und Beruf
 Spannungsfeld Kinder
beziehungsweise
Kinderwunsch
Primärsituation bei jungen Frauen
Tumoren sind größer
Tumoren sind häufiger schlecht differenziert (G3)
Tumoren haben häufiger negative Hormonrezeptoren
Tumoren sind häufiger multifokal
Die axillären Lymphknoten sind häufiger befallen
Es sind häufiger mehr als 4 Lymphknoten befallen
Präinvasive Läsionen sind größer und häufiger
multifokal
 Das Vorliegen einer genetischen Belastung
(BRCA1/BRCA2) ist häufiger.








Medianes Erkrankungsalter bei BRCA1 und BRCA 2 Mutationsträgerinnen
33,5 Jahre!
Fredholm et al. Breast cancer in young women: PLoS One 2009 Poor survival despite intensive
treatment
Alvarado R. et al. Ann Surg Oncol. 2012 Nov;19(12):3777-84.
Biology, treatment, and outcome in very young and older women with DCIS
Überleben von jungen
Brustkrebspatientinnen
 Patientinnen mit Brustkrebs unter 35 Jahren
haben eine deutlich schlechtere Prognose als
ältere Patientinnen
 Für Patientinnen unter 35 Jahren ist das Alter
ein unabhängiger Prognosefaktor
 unabhängig von der Tumorcharakteristik und selbst bei
kleinen Tumoren
 unabhängig von der Therapie
Fredholm et al.
Breast cancer in young women: poor survival despite intensive treatment.
PLoS One. 2009
Livi L. et al
The impact of young age on breast cancer outcome
Eur J Surg Oncol. 2010 Jul;36(7):639-45.
Kim I.K. et al
Clinical Significance of Age at the Time of Diagnosis among Young Breast Cancer Patients.
J Breast Cancer. 2011 Dec
Therapie bei jungen Brustkrebspatientinnen
< 35 Jahre
50 – 69 Jahre
Chemotherapie
65%
26%
Operative
Therapie
Mastektomie
48%
35%
Endokrine
Therapie
41%
61%
Radiotherapie
71%
76%
Fredholm et al. Breast cancer in young women: Poor survival despite
intensive treatment. PLoS One. 2009
Chemotherapie
Ovartoxizität von Chemotherapeutika
Hohes Risiko: Cyclophosphasmid, Ifosphamid
Mittleres Risiko: Epirubicin, Cisplatin
Niedriges oder kein Risiko: Methotrexat. 5-FU
Unklares Risiko: Taxane, Monoklonalen
Antikörper, Tyrosinkinaseinhibitoren
Operative Therapie
Es muss mit der jungen Patientin über ein
offensichtlich erhöhtes Lokalrezidivrisiko
gesprochen werden
.... under 35 years of age or with triple negative disease have a
relatively high risk of recurrence
Kwon et al. BMC Cancer. 2010
Being 40 years or younger has a statistically significant
independent adverse impact on the locoregional failure-free
survival of patients with early breast cancer
Rudat V. et al. J Oncol. 2012
Junge Patientinnen haben ein höheres Risiko
für die Entwicklung eines kontralateralen
Karzinoms
Narod, SA Breast cancer in young women Nat Rev Clin Oncol.
2012 Jun
Operative Therapie
Operative Therapie
Rekonstruktion mittels DIEP-Flap
Rekonstruktion mittels DIEP-Flap
Rekonstruktion mittels DIEP-Flap
Operative Therapie bei BRCA1/BRCA2
 Mutationsträgerinnen (BRCA1/BRCA2)
haben ein Risiko von 25–45 % ein
kontralaterales Mammakarzinom
innerhalb von 15 Jahren zu entwickeln
 Die bilaterale oder kontralaterale
Mastektomie reduziert die Inzidenz für
ein Zweitkarzinom der Brust, bislang aber
ohne belegbaren Effekt auf das
Gesamtüberleben
 Das kontralaterale
Zweiterkrankungsrisiko kann auch durch
eine prophylaktische beidseitige
Salpingo-Oophorektomie um 60 %
gesenkt werden, sofern sie vor der
Menopause erfolgt. Hierfür ist auch ein
Überlebensvorteil beschrieben
S3 Leitlinie 2012
Operative Therapie
1,0
0,8
0,6
0,4
Mastektomie
0,2
0,0
Brusterhaltende Therapie (BET + R)
0
5
10
15
Jahre
Veronesi et al. (Milan Trial) NEJM 2002
Alter < 40 Jahre (n = 449)
50
Standardtherapie
Zusätzliche Bestrahlung
40
% Wahrscheinlichkeit
 Bei brusterhaltender Therapie
ist eine Bestrahlung dringend
zu empfehlen
 Die Altersgruppe unter 40
Jahren profitiert besonders
von einer zusätzlichen
Boostbestrahlung des
Tumorbettes
 Keine Schädigung der Ovarien
durch eine Bestrahlung
Überlebenswahrscheinlichkeit
Strahlentherapie
P = 0,002
30
20
10
0
1
2
Bartelink et al. NEJM 2001
3
4
5
6
7
8
Jahre
20
Zusätzliche Beratungsinhalte bei
jungen Patientinnen
 Genetische Beratung
 Berechnung des spezifischen
Risikos für
- Kontralaterales Karzinom
- Ovarialkarzinom
 Beratung zur Familienplanung unter
besonderer Berücksichtigung der
Möglichkeit der Fertilitätsprotektion
(FertiPROTEKT)
 Spezielle psychoonkologische Beratung
 Spezielle Rehabilitationsmöglichkeiten
Schwangerschaft nach Brustkrebs

Bislang konnte in keiner Studie eine Erhöhung des
Rezidivrisikos durch eine Schwangerschaft bestätigt
werden. Der in einigen Studien postulierte
Überlebensvorteil ist aber fraglich (S3 Leitlinie 2012)

Grundsätzlich gilt, dass die Entscheidung für oder
gegen eine Schwangerschaft nach Abschluss der
Primärtherapie eines Mammakarzinoms persönlichen
Überlegungen der Lebensführungen und weniger
wagen medizinischen Hypothesen folgen sollte (S3
Leitlinie 2012)

Pregnancy outcome and BC-pregnancy interval
did not seem to impact the risk of relapse.
Azim HA Jr et al. Prognostic impact of pregnancy after breast cancer according to
estrogen receptor status: a multicenter retrospective study. J Clin Oncol. 2013
Möglichkeiten der Fertilitätsprotektion
 GnRH- Antagonisten bzw. GnRH-Agonisten
 Idee: Inaktive Gonaden im präpubertären Alter
werden bezüglich der späteren Fruchtbarkeit weniger
beeinträchtigt, als in der reproduktiven Phase
 Zoro Studie (GBG 37)
- Zusätzliche Gabe von Zoladex® hat keinen Vorteil
gegenüber der alleinigen Chemotherapie. Nach zwei
Jahren berichteten alle Frauen wieder von einen
normalen Menstruationszyklus. Schwangerschaften
traten in beiden Gruppen gleich häufig ein.
Gerber B et al.
Effect of luteinizing hormone-releasing hormone agonist on
ovarian function after modern adjuvant breast cancer
chemotherapy: The GBG 37 ZORO study.
J Clin Oncol. 2011 Jun 10;29(17):2334-41.
Möglichkeiten der Fertilitätsprotektion
 Kryokonservierung von Keimzellen nach
Stimulation




Kontrollierte Überstimmulation
Follikelpunktion
Fertilisierung (IVF / ICSI)
Kryokonservierung im Vorkernstadium
 Vorteil:
- Hohe Schwangerschaftsraten (40%)
 Nachteil:
- Chemotherapie muss um 3-4 Wochen verschoben werden
- Mögliche Stimulation hormonrezeptorpositiver Tumoren
Möglichkeiten der Fertilitätsprotektion
 Kryokonservierung von Ovargewebe
 Entnahme von Ovargewebe
 Später Retransplantation in die Fossa ovarica
 Experimentell: Bisher weniger als 15
Schwangerschaften weltweit
 Schwerpunkt der deutschen Forschung durch die
Universität Erlangen
-
6 Transplantationen seit 5/2007
32. Jahre; Morbus Hodgkin, 2005
OP in Dresden, Kryokonservierung in Bonn
6/2010 Retransplantation in Erlangen
Low dose-FSH und VZO in Dresden
HCG am 10.02.2011: 370 IU/l,
10.10.2011 Geburt
Dtsch Arzteblatt Int 2008; 105:274-8
Müller, A. et al Retransplantation von kryokonserviertem Ovarialgewebe:
Erste Geburt in Deutschland Dtsch Arztebl Int 2012; 109(1-2):
Zusammenfassung
 Die Betreuung junger Patientinnen
mit Brustkrebs stellt eine besondere
Herausforderung dar
 bei der Diagnosestellung
 in der Therapie
 bei der Beratung
 In besonderer Weise müssen hier
organmedizinische Aspekte
(medikamentöse, strahlen-
therapeutische und operative
Interventionen) mit psychologischen
und ökosozialen Aspekten in
Einklang gebracht werden
Mathias Steyer
Zusammenfassung
 Interdisziplinarität von besonderer
Bedeutung
 Gemeinsam gut beraten,
gemeinsam gut therapieren bringt
für diese Patientinnen besondere
Vorteile
 Wir dürfen unseren jungen
Patientinnen Mut machen!
Danke!
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!