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UNTERRICHTSMATTERIAL
Melancholisch-romantisches Lustspiel oder politische Satire?
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In Zürich schrieb Büchner als Emigrant und Privatdozent das letzte romantische Lustspiel 'Leonce und Lena'. Es ist ein zarter Traum aus Witz und Schwärmerei, ein Marionettenspiel im schwebenden Raum der übermächtigen Phantasie." Fritz Martini Deutsche Literaturgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, Kröner Stuttgart 1960 S.368 "Gleichsam ein Endstadium der K(omödie) stellt Georg Büchners Leonce und Lena (1838) mit seiner Zitathaftigkeit und Radikalisierung dar, die die Spieler zu Marionetten und Automaten in einer heillosen Welt werden lässt." Volker Meid - Sachwörterbuch zur Deutschen Literatur, Stichwort "Komödie", Reclam Stuttgart 2000 CD-ROM-Ausgabe Das übermütige, von feiner Ironie durchzogene Lustspiel gehört zu den Perlen deutscher Komödienkunst. Der äußerst anmutige und spritzige Dialog wechselt fortwährend zwischen witzigen Pointen und echten Herzenstönen; das innere Thema ist die Überwindung des Lebensekels in einer im Automatismus erstarrten Welt durch die Liebe." Reclams Schauspielführer, Stuttgart 1954 S. 431 Hebt sich der Vorhang von 'Leonce und Lena', so wird die Wirklichkeit für eine Weile aufgehoben, doch ohne daß man sie vergessen könnte. Das Stück ist keine MärchenEntführung, sondern Daseins-Verdoppelung, Traum-Erkenntnis. Leonce und Lena ist das Satyrspiel nach der Tragödie des Danton. Ein Spiel über die Schicksalspieleri, nach dem Ernst der Schicksalsverhängung. (...) Das Stück ist aber auch Büchners in Ironie gekleideter Verzicht auf ferneres Eingreifen ins Weltgeschehen, sein Abschied von der Politik. Alles, was er im Landboten gesagt, sagt er noch einmal, doch diesmal nicht mit dem Ernst, der ihn beinahe umgebracht hat, sondern mit Witz, der ihn freimachte und erlöste." Ernst Johann: Büchner, rowohlt Hamburg 1958/1970 S. 113/4 SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000
Die Grundstimmung, die Büchner ein »Lustspiel« schaffen läßt, ist nicht fröhlicher Mutwillen oder heiter lächelnder Spott, sondern Haß. Das klingt seltsam. Haß mag die Gestaltung des Satirikers und Pamphletisten leiten, der nicht so sehr lachen machen, als treffen und verletzen will. Aber der Lustspieldichter? (...) In der Tat sind weite Stellen des Leonce weder romantisches Lustspiel noch Lustspiel überhaupt, sondern ganz einfach Satire: alle Szenen des spinozisierenden Königs Peter und der höfischen Hegelinge um ihn her. Auch die grausam-traurige Bauernszene, jenes Spalier der vivatschreienden Sozialstatisten bei der Durchfahrt hoher Herrschaften, dem jedes Bewußtsein der Erbärmlichkeit seiner Lage fehlt." Hans Mayer, Georg Büchner und seine Zeit, Suhrkamp Frankfurt 1972 S. 323, zuerst 1959 Aufbau Verlag Berlin (DDR) Das in einem deutschen Duodez-Fürstentum angesiedelte, aus kurzszenischen Bildfolgen bestehende Stück - eine »Affenkomödie« des Großherzogtums Hessen - ist eine grandiose, parodistisch zugespitzte Denunziation der nutzlosen feudalaristokratischen Lebensweise, der nicht-produktiven, auf Ausbeutung beruhenden Existenz und ihrer Attribute: Genußsucht und Melancholie, Langeweile und hohle Konvention, romantische Weltflucht und Winkelpolitik. Was Büchner im »Hessischen Landboten« angeklagt hatte - den »langen Sonntag« der Reichen -, ist hier auf dem Unterboden eines bitteren Sarkasmus in ironisch-beziehungsreiche, poetisch verschlüsselte Bilder umgesetzt. Deren politische Brisanz wäre einem zeitgenössischen Publikum gewiß offenkundig gewesen." Kurze Geschichte der deutschen Literatur, Volk und Wissen Berlin (DDR) 1981, S. 406 "Leonce und Lena (1836), ein Lustspiel nach dem Vorbild von Brentanos Ponce de Leon, führt zurück in die Welt der Drahtpuppen und Automaten, nur aufgehoben durch die Atmosphäre der Ironieform des Traumes. Damit scheint dieses heitere Satyrspiel als Gegenstück zur Danton Tragödie konzipiert." Hoffmann/Rösch: Grundlagen, Stile, Gestalten der deutschen Literatur, Cornelsen 1996, S. 283 "Büchner brach zwar nach der Flucht aus Hessen im März 1835 seine Verschwörertätigkeit ab, doch war ihm nur der Sinn einer Revolution in Deutschland SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000
suspekt geworden. Er bestreitet ihren Zweck, sofern sie hier und heute stattfände. Deshalb ist es kein Bruch, wenn er vom Stück über die notwendig scheiternde Revolution ('Danton') zur Karikatur feudaler Staatlichkeit und gelangweilten Müßiggangs ('Leonce und Lena') und von einer zum Stimmvieh abgerichteten Volksmasse ('Leonce und Lena', III, 1) zum einzelnen Opfer bürgerlich-gesellschaftlicher Abrichtung im 'Woyzeck' weitergeht." Joachim Bark, Geschichte der deutschen Literatur, Biedermeier-Vormärz, Bürgerlicher Realismus, Pegasus Klett Stuttgart 1984 S.42 Die Komödie - mehr noch die Satire - verlangen vom Dichter eine konsequente Parteinahme gegen das Alte, Verfallende und - objektiv - sein Eintreten für das Neue. Es ist kein Zufall, dass sich gerade in der Zeit, als sich das deutsche Proletariat als Klasse formierte, Dichter fanden, die mit der Waffe des - meist bitterbösen - Lachens gegen diese Welt des Verfalls angingen, wie Heine, Büchner, Weerth, dass der Glauben an das Volk ihnen die Kraft dazu gab. In „Leonce und Lena" entlarvt Büchner mit satirischer Übersteigerung die Unmenschlichkeit, Hohlheit und nicht zuletzt den Anachronismus des feudalen Kleinstaatendespotismus in Deutschland." Autorenkollektiv: Vormärz 1830 - 1848, Erläuterungen zur deutschen Literatur, Volk und Wissen Berlin (DDR) 1952/1972 S. 61/2 SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000
Vom Umgang mit literarischen Mustern
Affenkomödie - Komik - Lustspiel
Der Begriff der Komödie in zwei Büchner-Briefen An die Familie Straßburg, im Dezember 1832 (...) Ich hätte beinahe vergessen zu erzählen, daß der Platz in Belagerungszustand gesetzt wird (...). Unter meinem Fenster rasseln beständig die Kanonen vorbei, auf den öffentlichen Plätzen exerzieren die Truppen, und das Geschütz wird auf den Wällen aufgefahren. Für eine politische Abhandlung habe ich keine Zeit mehr, es wäre auch nicht der Mühe wert, das Ganze ist doch nur eine Komödie. Der König und die Kammern regieren, und das Volk klatscht. Darmstadt: d. 9.Dez. 33. Lieber August! (...)Ich werfe mich mit aller Gewalt in die Philosophie, die Kunstsprache ist abscheulich, ich meine für menschliche Dinge müsse man auch menschliche Ausdrücke finden; doch das stört mich nicht, ich lache über meine Narrheit und meine, es gäbe im Grund genommen doch nichts als taube Nüsse zu knacken. Man muß aber unter der Sonne doch auf irgend einem Esel reiten, und so sattle ich in Gottes Namen den meinigen ... Die politischen Verhältnisse könnten mich rasend machen. Das arme Volk schleppt geduldig den Karren, worauf die Fürsten und Liberalen ihre Affenkomödie spielen. Ich bete jeden Abend zum Hanf und zu d. Laternen KOMIK -> komos gr. Festzug •
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Form des übertreibenden Kontrastierens belustigende, aber auch befremdende Erfahrung einer Dissonanz zwischen Sein und Schein, zwischen Anspruch und Wirklichkeit die dadurch hervorgerufene Spannung löst sich im Lachen auf (Der Brockhaus in 5 Bänden 1993) 1. Während in der Tragödie die Kontrahenten relativ ebenbürtig sind, beruht der komische Konflikt auf der Unebenbürtigkeit der Gegenspieler (z.B. der Gebildete und der Ungebildete, der Reiche und der Arme, der vermeintliche Kluge und der vermeintlich Dumme, die scheinbar Schöne und die schöne Unscheinbare ...) 2. Komisch finden wir die unfreiwillige Abweichung von einem erwarteten Verhalten: "Ein Mann läuft auf der Straße, stolpert und fällt. Die Passanten lachen. Ich glaube, man würde nicht lachen, wenn man annehmen könnte, er habe sich plötzlich entschlossen, sich hinzusetzen. Man lacht, weil er sich unfreiwillig hingesetzt hat ... es ist das Unfreiwillige an diesem Wechsel, es ist die Ungeschicklichkeit, die uns lachen macht." (Henri Bergson 1859 -1941: Das Lachen) 3. Drei Mittel eignen sich vor allem zur Erzeugung des Komischen: SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000
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Die Repetition (die Wiederkehr des Gleichen), wobei mit jeder Wiederkehr die Situation für den Zuschauer durchschaubarer wird) Die Inversion (Umkehr der Verhältnisse, die "verkehrte Welt"): Aus oben wird unten usw., die Schüler sind klüger als die Lehrer, der Igel ist schneller als der Hase, der Hobby-Detektiv ist schlauer als die Polizei, ... Confusion (Verwechslungen, vertauschte Identitäten): Die Personen auf der Bühne halten jemanden für jemanden anderen, als er wirklich ist, jeden Augenblick muß alles auffliegen, aber immer wieder wird die Auflösung hinausgeschoben, die Verwirrung noch tiefer ... 4) Weitere komische Motive: Sprachliche Missverständnisse, Aneinandervorbeireden, Wortspiele Verletzung der Normen des guten Geschmacks: Draufhauen, Fluchen, Rülpsen ...(-> stellvertretend für den gesitteten Zuschauer, der das nicht darf) Schwindeln und Betrügen (-> aber für den Zuschauer durchschaubar) Dummheit und Ahnungslosigkeit (-> bestätigt die Überlegenheit des Zuschauers) Wie und wo findet man in 'Leonce und Lena' diese Elemente des Komischen wieder? Komödie Komödie (gr. komodia von komos lustiger, ritueller Umzug als Bestandteil des DionysosKults, und ode Gesang; lat. comoedia, ital. commedia, Ez. comedie) ist Gegenstück zur Tragödie. Erwächst aus der Haltung der Komik (im Ggs. zu dem aus dem Humor entstandenen Lustspiel). An die Stelle tragischer Erschütterung tritt komische Befreiung; an die Stelle des pathetischen Heroismus realistische Entlarvung menschlicher Schwächen. Die Komödie hat desillusionistischen Grundcharakter: in Verfall begriffene oder überholte geschichtliche bzw. soziale Erscheinungen bilden den Hintergrund; sie sieht aus der Nähe, ist mit der alltäglich erfahrbaren Realität verbunden. Das Komische beruht dabei auf dem Kontrast zum allgemein Gewohnten: diese Aufdeckung des Risses durch die Welt" führt die Komödie auf ihrem Höhepunkt in die Nähe des Tragischen (Möglichkeit des Kippens"), doch folgt in Erkenntnis der Unlösbarkeit des Widerspruchs die befreiende Lösung im reinigenden Dennoch" des Lachens. Im Ggs. zur Tragödie lebt die Komödie aus dem Bezug auf die gesellschaftliche Situation der jeweiligen Zeit. Mit dem Verfall einer Gesellschaft schwindet auch die darauf zugeschnittene Komödie. Voraussetzung für ihre Entstehung und Wirkung ist daher eine in (Vor-)Urteilen und Wertungen gleichgesinnte Gesellschaft. Ein zu großer Anteil zeitgebundener Anspielungen kann Verständnis und Wirkung in späterer Zeit beeinträchtigen. 1. Antike Komödie Entstanden aus gleichem Ursprung wie die gr. Tragödie. Übergang bildete das Satyrspiel (Satyrn= Fruchtbarkeitsdämonen aus dem Gefolge des Dionysos). Künstlerisch auf die Höhe geführt (z.Z. der Aufführung während der Dionysien = Festspieltage zu Ehren des Dionysos) durch ARISTOPHANES. Von 44, zwischen 425 und 388 v. Chr. geschriebenen SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000
Komödien sind 11 erhalten (z.B.: Der Frieden, Die Frösche Lysistrata, Die Wolken, Die Vögel); die meisten gehören noch dem 5.Jh. an. (Er) verspottete die neuen, aufklärerischen Gedanken, die Naturphilosophie und die künstlerischen Entwicklungen seiner Zeit. Demgemäß galt seine Liebe dem Aischylos, sein Hohn dem Euripides. Als einem Verächter des damals Modernen, der Avantgarde seiner Zeit, war ihm der Beifall der Menge sicher. Doch fühlte er sich als frommer Patriot, der bewährte Ideale zu verteidigen hat. Ob seine Satiren dazu beigetragen haben, das Vertrauen des Volkos in die Demokratie zu untergraben, oder ob die Demokratie zu ihrer Selbstreinigung solcher Satiren bedarf - das war schon damals eine Streitfrage." (Georg Hensel, 124) Da Witz und Komik oft sehr zeitgebunden, kein eigentliches Weiterleben der antiken Komödie als Ganzes, wohl aber Weitergeben komödiantischer Formen.(...) 2. Charakterkomödie Im Mittelpunkt steht eine Figur, die auf Grund ihrer Eigenart den Zuschauer zunächst verblüfft und in ihrer scheinbaren Mächtigkeit täuscht. Indem sich diese Mächtigkeit schrittweise von Szene zu Szene in nichts auflöst, löst sich auch die Dissonanz. Dies anzuschauen, erheitert. Geschichtliche Entwicklung führte von der Typenkomödie zur Charakterkomödie; so auch im Schaffen des Meisters der Charakterkomödie: MOLIERE (von z. B. Les precieuses ridicules [Die lächerlichen Preziösen] 1659, zu z.B. Le Tartuffe, 1669, L'Avare [Der Geizige], 1668). (...) ln Deutschland seit LESSINGS Minna von Barnhelm" 1767, Charakterschilderungen in der Art MOLIERES ... Erst bei KLEIST (Der zerbrochene Krug, 1811; Figur des Dorfrichters Adam) und bei GERHART HAUPTMANN (Biberpelz, 1893; Figur der grundehrlichen" Wäscherin Mutter Wolffen) reine Charakterkomik. 3. Intrigenkomödie Nach der oft listig angelegten Verwicklung bezeichnet (frz. intrigue Ränkespiel). Im Ggs. zur Charakterkomödie hat die Handlung Vorrang. Bspe der Weltliteratur: SHAKESPEARE, Kaufmann von Venedig, Die lustigen Weiber von Windsor, Viel Lärm um nichts, Wie es
euch gefällt, Was ihr wollt (alle vermutlich zwischen 1595 und 1600); CALDERON, Die Dame Kobold,1636; BEAUMARCHAIS, Figaros Hochzeit,1784. - In dt. Dichtung auch LESSINGS Minna von Barnhelm, 1767, hierher zu rechnen. 4. Situationskomödie Akzentuierung durch Komik der Situationen, die dadurch entsteht, daB nur der Zuschauer von ihrem Unwert weiß. Situationskomik ist im Volksstück beliebtestes Strukturelement; von KLEIST aber auch mit Wendung bis an die Grenze des Tragischen benutzt in Amphitryon, 1807. 5. Dramatische Satire Entstanden aus moralischer Haltung der Anklage und nicht aus der Haltung des befreienden Humors, daher in der Regel lustspielfeindlich; kann sich in den besten SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000
Beispielen bis zur tragikomischen Groteske steigern. Bspe: WEDEKIND, Der Marquis von Keith, 1901, STERNHEIM, Die Hose, 1911; Der Snob, 1914; ZUCKMAYER, Der Hauptmann von Köpenick, 1930, DÜRRENMATT, Die Ehe des Herrn Mississippi, 1952; Romulus der Große, 1958 (hier Mischung mit tragikomischen Zügen). aus Ivo Braak: Poetik in Stichworten - Hirts Stichwortbücher Verlag Ferdinand Hirt 1972, S. 239-41 SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000
Die Umwertung eines romantischen Motivs in Büchners Lustspiel
Lob des Müßiggangs
Friedrich Schlegel: Lucinde - Roman (1799) Idylle über den Müßiggang "...Warum sind denn die Götter Götter, als weil sie mit Bewußtsein und Absicht nichts tun, weil sie das verstehen und Meister darin sind? Und wie streben die Dichter, die Weisen und die Heiligen auch darin den Göttern ähnlich zu werden! Wie wetteifern sie im Lobe der Einsamkeit, der Muße und einer liberalen Sorglosigkeit und Untätigkeit! Und mit großem Recht: denn alles Gute und Schöne ist schon da und erhält sich durch seine eigne Kraft. Was soll also das unbedingte Streben und Fortschreiten ohne Stillstand und Mittelpunkt? (...) Nichts ist es, dieses leere unruhige Treiben, als eine nordische Unart und wirkt auch nichts als Langeweile, fremde und eigne. Und womit beginnt und endigt es als mit der Antipathie gegen die Welt, die jetzt so gemein ist? (...) Nur mit Gelassenheit und Sanftmut, in der heiligen Stille der echten Passivität kann man sich an sein ganzes Ich erinnern, und die Welt und das Leben anschauen. Wie geschieht alles Denken und Dichten, als daß man sich der Einwirkung irgendeines Genius ganz überläßt und hingibt? Und doch ist das Sprechen und Bilden nur Nebensache in allen Künsten und Wissenschaften, das Wesentliche ist das Denken und Dichten, und das ist nur durch Passivität möglich. Freilich ist es eine absichtliche, willkürliche, einseitige, aber doch Passivität. Je schöner das Klima ist, je passiver ist man. Nur Italiäner wissen zu gehen, und nur die im Orient verstehen zu liegen; wo hat sich aber der Geist zarter und süßer gebildet als in Indien? Und unter allen Himmelsstrichen ist es das Recht des Müßiggangs was Vornehme und Gemeine unterscheidet, und das eigentliche Prinzip des Adels. (...) In der Tat man sollte das Studium des Müßiggangs nicht so sträflich vernachlässigen, sondern es zur Kunst und Wissenschaft, ja zur Religion bilden! Um alles in Eins zu fassen: je göttlicher ein Mensch oder ein Werk des Menschen ist, je ähnlicher werden sie der Pflanze; diese ist unter allen Formen der Natur die sittlichste, und die schönste. Und also wäreja das höchste vollendetste Leben nichts als ein reines Vegetieren. " (Ullstein Taschenbuch, Frankfurt 1980 S. 32/33) SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000
Georg Büchner: Leonce und Lena (1836) I.1 Leonce: (...) Aber Edelster, dein Handwerk, deine Profession, dein Gewerbe, dein Stand, deine Kunst? VALERIO mit Würde. Herr, ich habe die große Beschäftigung, müßig zu gehen, ich habe eine ungemeine Fertigkeit im Nichtstun, ich besitze eine ungeheure Ausdauer in der Faulheit. Keine Schwiele schändet meine Hände, der Boden hat noch keinen Tropfen von meiner Stirne getrunken, ich bin noch Jungfrau in . der Arbeit, und wenn es mir nicht der Mühe zu viel wäre, würde ich mir die Mühe nehmen, Ihnen diese Verdienste weitläufiger auseinanderzusetzen. LEONCE mit komischem Enthusiasmus. Komm an meine Brust! Bist du einer von den Göttlichen, welche mühelos mit reiner Stirne durch den Schweiß und Staub über die Heerstraße des Lebens wandeln, und mit glänzenden Sohlen und blühenden Leibern gleich seligen Göttern in den Olympus treten? Komm! Komm!(...) III,3 LEONCE.(...) Wollen wir ein Theater bauen? Lena lehnt sich an ihn und schüttelt den
Kopf. Aber ich weiß besser was du willst, wir lassen alle Uhren zerschlagen, alle Kalender verbieten und zählen Stunden und Monden nur nach der Blumenuhr, nur nach Blüte und Frucht. Und dann umstellen wir das Ländchen mit Brennspiegeln, daß es keinen Winter mehr gibt und wir uns im Sommer bis Ischia und Capri hinaufdestillieren, und (wir) das ganze Jahr zwischen Rosen und Veilchen, zwischen Orangen und Lorbeer(n) stecken. VALERIO. Und ich werde Staatsminister und es wird ein Dekret erlassen, daß wer sich Schwielen in die Hände schafft unter Kuratel gestellt wird, daß wer sich krank arbeitet kriminalistisch strafbar ist, daß Jeder der sich rühmt sein Brot im Schweiße seines Angesichts zu essen, für verrückt und der menschlichen Gesellschaft gefährlich erklärt wird und dann legen wir uns in den Schatten und bitten Gott um Makkaroni, Melonen und Feigen, um musikalische Kehlen, klassische Leiber und eine kommode Religion! SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000
Aspekte des DETERMINISMUS bei Georg Büchner
"Das MUSS ist eins von den Verdammungsworten, womit der Mensch getauft
worden."
(An die Braut, März 1834) Die Macht der materiellen und politischen Verhältnisse
Sind wir denn aber nicht in einem ewigen Gewaltzustand? Weil wir im Kerker geboren und großgezogen sind, merken wir nicht mehr, daß wir im Loch stecken mit angeschmiedeten Händen und Füßen und einem Knebel im Mund." (An die Familie, 5.April 1833) Büchner über die Macht des Hungers: "Ein Huhn im Topf jedes Bauern macht den gallischen Hahn verenden."(An Gutzkow, 1835) Woyzeck: "Ja Herr Hauptmann, die Tugend. Ich hab‘s noch nicht so aus. Sehn Sie, wir gemeine Leut, das hat keine Tugend, es kommt einem nur so die Natur, aber wenn ich ein Herr wäre ..." (Woyzeck, Szene 5) Geschichtsdeterminismus
Ich studierte die Geschichte der Revolution. Ich fühlte mich wie zernichtet unter dem gräßlichen Fatalismus der Geschichte." (An die Braut, März 1834) Danton: "Wer will der Hand fluchen, auf die der Fluch des Muß gefallen? Wer hat das Muß gesprochen, wer? Was ist das, was in uns hurt, lügt, stiehlt und mordet? Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nicht, nichts wir selbst! Die Schwerter, mit denen Geister kämpfen, man sieht nur die Hände nicht, wie im Märchen." (Dantons Tod" II,5) Das mechanistische Weltbild der Aufklärung:
Der Mensch als Maschine
Die Welt ist eine Maschine und der Mensch ein Automat, dessen innere Regungen, die er für Gefühle hält, bloße Mechanismen sind. Siehe hierzu auch La Mettrie, L'homme machine (1748) u.a. Valerio: " Sehen Sie hier meine Herren und Damen, zwei Personen beiderlei Geschlechts, ein Männchen und ein Weibchen, einen Herrn und eine Dame. Nichts als Kunst und Mechanismus, nichts als Pappendeckel und Uhrfedern ... Geben Sie Acht, meine Herren und Damen, sie sind jetzt in einem interessanten Stadium, der Mechanismus der Liebe fängt an sich zu äußern ..." (Leonce und Lena, III,3) SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000
BEISPIELE FÜR QUIZ UND ARBEITSBLÄTTER
www.zum.de/Faecher/D/BW/gym/Buechner/links.htm QUIZ: GEORG BÜCHNER
Fragenkomplex 1 Frage 1: Wie heißt Georg Büchners Vater? Dr Ernst Karl Büchner Prof. Dr. Ludwig Büchner August Büchner Siegfried Stauffen Frage 2: Mit wem war Georg Büchner verlobt? Friedericke Bauer Camille Desmoulins Wilhelmine Jaegle Frage 3: Wo wurde Georg Büchner geboren ? Salzburg Weiden Bergheim Goddeldau Fragenkomplex 2 Frage 1: Wer wurde nach Büchners Aussage am 5. Tage geschaffen? Bauern und Handwerker Könige und Fürsten Ulrich von Papen Der kleine Junge, der alle auslacht SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000
Frage 2: Georg Büchner sagt im hessischen Landboten: "Die Justiz ist in Deutschland die der Fürsten." Fragenkomplex 3 Frage: Nachdem dieser Steckbrief veröffentlicht war, sah sich Georg Büchner gezwungen aus seiner Heimat zu fliehen. Wohin flüchtete Georg Büchner? Fragenkomplex 4 Frage: Warum wird Danton verurteilt? Fragenkomplex 5 Frage: Wie geht der folgende Satz von Saint-Just in seiner Rede vor dem Konvent weiter: "Wo der Gang der Geschichte rascher ist, ? Fragenkomplex 6 Frage: Welcher Komponist wurde durch Büchners "Woyzeck" zu einer Oper inspiriert? Fragenkomplex 7 Frage: Was wollte Georg Büchner seinen Lesern mit diesem Drama sagen? Messer können gefährlich sein. Literatur kann aufklären. Eifersucht kann mörderisch sein. Fragenkomplex 8 Frage 1: Warum gewann Goerg Büchner mit seinem Schauspiel "Leonce und Lena" bei einem Schriftstellerwettbewerb nicht? Frage 2: Aus welchem Königreich stammen Leonce und Lena? Fragenkomplex 9 Frage: Mit welchen Werken wurde der Dichter Reinhold Lenz berühmt? Fragenkomplex 10 Frage: Wer hat den Georg Büchner Preis gewonnen und wann? http://members.aol.com/gbgym/buechner/fragen/index_d.htm SERVICENUMMER NEXT LIBERTY 0316 / 8008 – 1120 KARTENRESERVIERUNG 0316 / 8000
LINK-EMPFEHLUNG http://www.kerber-net.de/literatur/deutsch/drama/buechner/leonce.htm: sehr umfassende und gut aufbereitete Homepage mit vielen Arbeitsblättern und didaktischen Aufbereitungen! (Auflösung siehe ebd.)
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