Petra Stockmann

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Petra Stockmann
Menschenrechtliche Diagnostik
Vortrag gehalten auf der 4. Tagung „Soziale Diagnostik“, ASH Berlin,
27.10.2012,
von Petra Stockmann, Ph.D. (HKBU)
[email protected]
„Prinzipien der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit sind grundlegend für
die Soziale Arbeit. … Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit dienen als Motivation
und Rechtfertigung für sozialarbeiterisches Handeln“, heißt es in der internationalen
Definition Sozialer Arbeit, die 2001 von der International Federation of Social Workers
und der International Association of Schools of Social Work verabschiedet wurde.
Ein wichtiger Aspekt einer solchen Bezugnahme auf Menschenrechte in der Sozialen
Arbeit wurde von den beiden genannten internationalen Verbänden in ihrem 1994
erschienenen Manual: Human Rights and Social Work formuliert: nämlich die Notwendigkeit, Bedürfnisse in korrespondierende Rechte zu übersetzen. Eine solche Betrachtung hat Implikationen unter anderem für den Bereich sozialer Diagnostik. Ich
möchte hier zeigen, dass sich angesichts der mittlerweile sehr ausdifferenzierten und
rechtlich verbindlichen Menschenrechte die Möglichkeit bietet, Problemlagen und
Bedürfnisse von KlientInnen ergänzend in menschenrechtlichen Kategorien zu konzeptualisieren, d.h. mit expliziter Bezugnahme auf Menschenrechte, und in dieser
Form auch diagnostisch zu erfassen.
Beginnen möchte ich mit einer kurzen Einführung über ausgewählte Menschenrechtsinstrumente und ihre Verbindlichkeit. Ich beschränke ich mich aus Zeitgründen
auf Menschenrechtsinstrumente im Rahmen der Vereinten Nationen, weitere gibt es
regional im Rahmen des Europarates, und auf Verbindlichkeit in Deutschland. Anschließend möchte Ihnen dann einen ersten Entwurf für eine menschenrechtliche
Diagnostik auf der Basis der Behindertenrechtskonvention präsentieren. Dazu wer-
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den vorab ein paar einführende Worte zu dieser für die Klinische Sozialarbeit bedeutsamen Konvention nötig sein.
Worüber sprechen wir, wenn wir von Menschenrechten reden? Seit der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1948 sind auf internationaler
Ebene zahlreiche Menschenrechtsinstrumente entstanden – viele davon mit erheblicher Relevanz für die Soziale Arbeit. Menschenrechtsinstrumente mit höherer Verbindlichkeit sind die Konventionen und Pakte, denen Staaten durch Ratifizierung beitreten können. Das heißt für Deutschland: nach der Unterzeichnung durch die Regierung muss der Bundestag - und ggf. auch der Bundesrat - zustimmen.
Besondere Bedeutung haben die Konventionen und Pakte, zu denen internationale
Vertragsorgane existieren, die die Einhaltung überwachen: Im Rahmen der Vereinten
Nationen sind dies vor allem die folgenden neun, die ich in chronologischer Reihenfolge mit ihren, nicht immer glücklichen, deutschen Kurzbezeichnungen nenne: die
Anti-Rassismus-Konvention, der Zivilpakt, der Sozialpakt, die Frauenrechtskonvention, die Anti-Folter-Konvention, die Kinderrechtskonvention, die Wanderarbeiterkonvention, die Behindertenrechtskonvention und die Konvention gegen Verschwindenlassen.
Für alle der genannten Konventionen gibt es den internationalen Überwachungsmechanismus der regelmäßigen Staatenberichte. Ein weitergehendes Überwachungsinstrument ist das Individualbeschwerdeverfahren, dem die Staaten gesondert zustimmen müssen. Dass für alle der genannten neun Übereinkommen mittlerweile
Individualbeschwerdemechanismen existieren bzw. im Aufbau sind, zeigt, dass im
Rahmen des internationalen Menschenrechtsschutzsystems wirtschaftliche, soziale
und kulturelle ebenso wie politische und bürgerliche Rechte für einklagbar gehalten
werden.
Deutschland hat die genannten Übereinkommen - bis auf die Wanderarbeiterkonvention – ratifiziert. Individualbeschwerdeverfahren akzeptiert Deutschland für den Zivilpakt, die Anti-Rassismus-Konvention, die Anti-Folter-Konvention, die Frauenrechts2
konvention und die Behindertenrechtskonvention, demnächst wohl auch für die Kinderrechtskonvention.
Was die Dimension der Staatenverpflichtung angeht, spricht man heute von der
Pflichtentrias der Staaten, nämlich der Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflicht, die sich auf alle Menschenrechte erstreckt. Achtungspflicht bedeutet dabei,
dass der Staat selbst die Rechte nicht verletzt, Schutzpflicht besagt, dass der Staat
Einzelne vor Verletzungen ihrer Rechte durch Dritte schützt, Gewährleistungspflicht
meint, dass der Staat die Rechte durch Bereitstellung von Leistungen und Mitteln ermöglicht. Der Grad der Verpflichtung variiert dabei abhängig von der Art der festgeschriebenen Rechte und Normen: Einige sind unmittelbar anwendbar, etwa das Diskriminierungsverbot, für andere gilt die Pflicht zur progressiven Verwirklichung.
Die Frage der Justiziabilität von Menschenrechten bleibt eine schwierige und fällt in
den Zuständigkeitsbereich der JuristInnen. Es sei hier nur so viel gesagt, dass die
Rechtsauffassung, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte seinen nur Programmsätze und prinzipiell nicht justiziabel, auch in Deutschland im Wandel begriffen
ist. Bei Bedarf erläutere ich das gern später. Wichtig zu wissen ist vielleicht auch, dass
nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts innerstaatliches Recht völkerrechtsund damit menschenrechtskonform auszulegen ist. Dies ist für Ermessensentscheidungen interessant, heißt es doch, dass Ermessensspielräume so durch menschenrechtliche Normen begrenzt werden.
Kommen wir nun zur Behindertenrechtskonvention, BRK, einer für die Klinische Sozialarbeit zentralen Konvention.
Die Convention on the Rights of Persons with Disabilities (CRPD) wurde im Dezember
2006 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen. Seit Ende
März 2009 ist sie in Deutschland bindendes innerstaatliches Recht. - Österreich hat
sie auch ratifiziert, die Schweiz nicht. - Deutschland akzeptiert, wie erwähnt, auch das
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Individualbeschwerdeverfahren für die BRK, d.h. Einzelpersonen oder Personengruppen können sich nach Erschöpfung innerstaatlicher Rechtsbehelfe mit ihrer Beschwerde an den zuständigen UN-Ausschuss wenden, wenn sie ihre in der Konvention festgeschriebenen Rechte verletzt sehen. In der BRK werden, wie in anderen Spezialkonventionen für bestimmte vulnerable Gruppen, die politischen, bürgerlichen,
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, wie sie in allgemeiner Form vor allem im Zivil- und Sozialpakt festgehalten sind, für Menschen mit Beeinträchtigungen
spezifiziert.
Die Konvention ist von hoher Relevanz für die Klinische Sozialarbeit, weil sie für einen
Großteil der Menschen, für die sich Klinische Sozialarbeit zuständig fühlt, gilt. Denn
die Konvention bestimmt: „Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen,
die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen (im
Original: physical, mental, intellectual or sensory impairments) haben, welche sie in
Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe (im Original: participation) an der Gesellschaft hindern können.“
(Art. 1 BRK)
Das heißt, die BRK gilt u.a. auch für Menschen mit chronischen Krankheiten, mit psychischen Erkrankungen, Suchterkrankungen, verschiedensten Verhaltensstörungen,
schweren Traumatisierungen, tiefgreifenden Entwicklungsstörungen sowie für den
Großteil der älteren und betagten Menschen, die Beeinträchtigungen in der einen
oder anderen Form haben u.v.m.
Ein Satz noch zum Verständnis von Be-Hinderung in der BRK: Mit der Verabschiedung
der Konvention wird nun weltweit auch auf rechtlicher Ebene ein Paradigmenwechsel
festgeschrieben: Behinderung wird in der Konvention nicht länger im Individuum verortet, sondern als gesellschaftlich konstruiert aufgefasst: Denn die Konvention anerkennt, dass „… Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an
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der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern.“
(Präambel Abs. e, BRK).
Wie könnte nun eine Diagnostik auf der Basis der BRK aussehen? Hier ein erster Entwurf. Zu allen Punkten bedarf es ausführlicher Erläuterungen in einem noch zu
schreibenden Manual, die ich hier nur skizzieren kann. Das folgende ist nur für erwachsene Menschen mit Beeinträchtigungen gedacht – für Kinder mit Beeinträchtigungen gilt es ergänzend die Kinderrechtskonvention zu berücksichtigen – für Frauen
ist natürlich auch die Frauenrechtskonvention zu berücksichtigen, was hier nicht mit
eingearbeitet ist.
Ich habe die Bereiche, die in der BRK als subjektive Rechte, Normen oder Verpflichtungen der Staaten formuliert sind, in drei große Bereich unterteilt: Autonomie,
Schutz und Sicherheit sowie Inklusion und Partizipation. Diese finden sich jeweils in
der linken Spalte der Diagnosebögen. Aufgabe der Fachkräfte wäre, die Situation von
KlientInnen hinsichtlich der einzelnen Bereiche zu beschreiben, d.h. Beeinträchtigungen, Schwierigkeiten, Barrieren etc. ebenso wie Ressourcen. Dies unter Bezug auf den
Person-in-Environment-Ansatz, der dem interaktionalen Behinderungsbegriff der BRK
gut gerecht wird. Der Person-in-Environment-Ansatz findet auch bei der Analyse der
allgemeinen Aufgaben und konkreten Interventionen Beachtung, beziehen sich diese
doch auf die Person ebenso wie auf die Umwelt des Klienten auf der Mikro-, Mesound Makroebene (Aufgabe bzgl. letzterem könnte dann z.B. auch politische Lobbyarbeit sein). Ich gehe die Bereiche einmal durch, für einige gebe ich kurze Fallbeispiele.
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Diagnosebogen 1: Autonomie
1. Freiheit der Person: Zentral ist in der BRK, dass Zitat „das Vorliegen einer Behinderung in keinem Fall eine Freiheitsentziehung rechtfertigt“.
2. Rechts- und Handlungsfähigkeit: Welche Unterstützung brauchen Menschen mit
unterschiedlichen Beeinträchtigungen zur Ausübung ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit?
3. Können umfassende körperliche, geistige, soziale und berufliche Fähigkeiten von
Menschen mit Beeinträchtigungen durch Habilitation, Rehabilitation und im Bildungsbereich erreicht bzw. bewahrt werden?
Fallbeispiel
4. Freiheit der Meinungsäußerung: Fallbeispiel eines nicht-sprechenden autistischen
Erwachsenen: Situationsbeschreibung Klient: frühkindlicher Autismus mit schwerer
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expressiver Sprachstörung sowie Störung des Kommunikationsverhaltens. Ressourcen: Fähigkeit zum Erlernen alternativer Kommunikationsformen.
Situationsbeschreibung Umwelt z.B.: das soziale Umfeld übersieht oft, dass der Klient eine eigene Meinung hat, da er diese nicht äußern kann. Das Umfeld verfügt nicht
über Kenntnisse anderer Kommunikationsformen. Ressourcen: u.a. Bereitschaft, alternative Kommunikationsformen zu erlernen.
Aufgaben bzgl. Klient: Kompetenzerweiterung mit Bezug auf Kommunikation. Aufgaben bzgl. Umwelt: Wissens- und Kompetenzerweiterung bzgl. Beeinträchtigung des
Klienten und dessen Bedürfnis nach Autonomie, Kompetenzerweiterung bzgl. Kommunikation mit dem Klienten.
Interventionen bzgl. Klient: Alternative Kommunikationsformen (Gebärdensprache,
Schriftsprache, Unterstütze oder Gestützte Kommunikation) vermitteln und trainieren, Motivation zur Kommunikation mit der Umwelt fördern. Interventionen bzgl.
Umwelt: psychoedukative Gespräche, Familie: nach Möglichkeiten suchen, wie die
Meinung des Klienten erkundet werden kann, Motivation zum Erlernen von alternativen Kommunikationsformen verstärken, ggf. Unterstützung diesbezüglich, Coaching
in der Situation.
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Diagnosebogen 1: Autonomie
Nächster Punkt: 5. Unabhängige Lebensführung, einschl. persönliche Mobilität: Wie
kann durch Habilitation und Rehabilitation sowie durch unterstützende Hilfen und
Zugänglichkeit/Barrierefreiheit ein Höchstmaß an Unabhängigkeit der Lebensführung
erreicht werden?
6. Freie Wahl des Aufenthaltsortes und der Wohnform: Die BRK bestimmt, dass
Menschen mit Beeinträchtigungen gleichberechtigt entscheiden können, wo und mit
wem sie zusammenleben und nicht verpflichtet sind, in einer besonderen Wohnformen zu leben.
7. Menschen mit Beeinträchtigungen haben Entscheidungsfreiheit bzgl. Partnerschaft, Ehe, Familie und Elternschaft. Im Fall eines schwer autistisch beeinträchtigten
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jungen Menschen – welche Maßnahmen wären nötig, um sein oder ihr Recht auf
Partnerschaft zu realisieren?
8. Freizügigkeit, Besitz einer Staatsangehörigkeit: Staatsangehörigkeit und Identitätsdokumente dürfen nicht aufgrund von Beeinträchtigung verwehrt werden.
9. Sonstige Bereiche bzgl. Autonomie habe ich aufgenommen, denn die Achtung der
individuellen Autonomie und der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sind
Grundprinzipien der Konvention.
Diagnosebogen 2: Schutz und Sicherheit
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Schutz und Sicherheit, dies – existentiell, sozial, gesundheitlich, persönlich
1. Angemessener Lebensstandard sowie dessen Verbesserung, Schutz vor Armut,
sozialer Schutz: das heißt u.a. angemessene Ernährung, Bekleidung, Wohnung, aber
auch, dass beeinträchtigungsspezifische notwendige Hilfen vorhanden sind.
2. Erreichbares Höchstmaß an Gesundheit: Dies schließt für Menschen mit Beeinträchtigungen beeinträchtigungsspezifisch benötigte Gesundheitsleistungen ebenso
ein wie Leistungen, um Folgebeeinträchtigungen zu vermeiden oder gering zu halten.
3. Schutz des Lebens wird im Kontext der BRK viel mit Bezug auf Pränataldiagnostik
und Schwangerschaftsabbruch diskutiert. Liest man Erläuterungen zum Recht auf Leben von UN-Ausschüssen, findet dort auch die Verbesserung der Lebenserwartung
Erwähnung, was m.E. auch für den Kontext der BRK relevant ist. Zur BRK gibt es noch
keine Kommentare vom zuständigen UN-Ausschuss.
4. Freiheit von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung sowie von Folter.
5. Achtung der körperlichen und seelischen Unversehrtheit, körperliche Unversehrtheit wird im Kontext der BRK vor allem mit Bezug auf medizinische Eingriffe ohne
Einwilligung des Patienten diskutiert: Zwangsbehandlung, Zwangsmedikation, auch
Zwangssterilisation. Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch: Die Schutzverpflichtung bezieht laut sich BRK explizit auch auf den Wohnraum von KlientInnen.
Fallbeispiel
Fallbeispiel für einen Aspekt psychischer Gewalt aus dem Alltag eines autistischen
Menschen: Eine Gruppe junger Jugendlicher macht sich über das Verhalten des Klienten in der Öffentlichkeit lustig, sie lachen, karikieren sein Hände flattern und Lautieren.
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Aufgaben bzgl. Klient: Schutz und anwaltschaftliches Eintreten für den Klienten in der
Situation, später: Belastungsreduktion sowie Kompetenzerweiterung bzgl. Umgang
mit belastenden Situationen.
Interventionen: Situation beenden durch anwaltschaftliches Eintreten für den Klienten gegenüber den Jugendlichen, Klienten aus der Situation bringen; später: Aufarbeiten der Situation, Strategien für Umgang mit ähnlichen Situationen in Zukunft erarbeiten. Klient kann kommunizieren.
Umwelt: Aufgabe: Förderung der Achtung und Akzeptanz des Klienten in seinem SoSein. Interventionen: Sind es Jugendliche aus dem Wohnumfeld, später Gespräch
suchen, ggf. - mit Einverständnis des Klienten - über dessen Schwierigkeiten, aber
auch Fähigkeiten, informieren. Perspektivübernahme: eigene Erfahrung der Jugendlichen mit Mobbing und Beleidigung thematisieren, ggf. motivieren, mit Klienten in
Kontakt zu kommen, sich zu entschuldigen.
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Diagnosebogen 2: Schutz und Sicherheit
Zum nächsten Punkt: 6. Schutz vor Zwangs- und Pflichtarbeit, Sklaverei, Leibeigenschaft, in Bezug auf Sklaverei wäre hier bspw. an Zwangsprostitution zu denken.
7. Gesunde, sichere Arbeitsbedingungen, Schutz vor Belästigung am Arbeitsplatz.
8. Achtung der Privatsphäre umfasst u.a. den Schutz vor willkürlichen Eingriffen u.a.
in den Schriftverkehr oder andere Arten der Kommunikation der KlientInnen. Achtung
der Privatsphäre schließt ferner explizit den Schutz der Daten über die Person, die
Gesundheit und die Rehabilitation ein.
9. Ein weiterer Schutzaspekt sind das Gewährleisten der Verhältnismäßigkeit von
Maßnahmen zur Unterstützung der Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie Schutz
vor missbräuchlicher Einflussnahme.
10. Abschließend: Freiheit von Diskriminierung und Gleichberechtigung beziehen sich
auf alle Rechte. Zusätzlich wird das Verbot jeglicher Diskriminierung aufgrund von
Behinderung und entsprechender rechtlicher Schutz festgeschrieben, daher zusätzlich diese Rubrik im Bereich Schutz und Sicherheit.
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Diagnosebogen 3: Inklusion und Partizipation
Einige Bereiche werden explizit in der BRK thematisiert und umfänglich ausgeführt.
Unabhängig davon sind Inklusion und Partizipation Grundprinzipien, die sich auf alle
Lebensbereiche beziehen.
Fallbeispiel
Ein Fallbeispiel aus dem Gesundheitsbereich: Situationsbeschreibung für unseren
Erwachsenen mit Autismus: Arztphobie, daher große Schwierigkeiten, überhaupt
Untersuchungen zuzulassen. Ressourcen: Kognitive Fähigkeit, an Ängsten zu arbeiten.
Situationsbeschreibung Umwelt: nicht auf die Bedürfnisse des Klienten eingerichtet,
Unkenntnis und Mangel an Erfahrung im Umgang mit Menschen mit schweren Beein-
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trächtigungen, Zeitdruck. Ressourcen: Bereitschaft, sich auf die Bedürfnisse des Klienten einzulassen, um Behandlung zu ermöglichen.
Aufgaben mit Bezug auf den Klienten: Kompetenzerweiterung, so dass er mit Behandlungssituationen umgehen kann. Interventionen: u.a. systematische Desensibilisierung.
Aufgaben mit Bezug auf die Umwelt: Kompetenz- und Wissenserweiterung, ggf. anwaltschaftliches Eintreten für Klienten, um Behandlung zu ermöglichen. Interventionen: Gespräche mit MitarbeiterInnen der Arztpraxis, um sie - mit Einverständnis des
Klienten - über dessen Schwierigkeiten und Bedürfnisse aufzuklären und um z.B. darauf hinzuwirken, dass Vertrauensperson des Klienten in die Untersuchung einbezogen wird, dass sie Geduld mit dem Klienten haben, gemeinsam kreative Untersuchungsmöglichkeiten entwickeln.
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Diagnosebogen 3: Inklusion und Partizipation
Die anderen Bereiche nenne ich nur kurz:
2. Sozialsystem: Gleichberechtigter Zugang zu Sozialversicherungen und Sozialleistungen, Zugang zu beeinträchtigungsspezifisch benötigten Maßnahmen.
3. Bildungsbereich: Recht auf inklusive Bildung und auf die notwendige Unterstützung.
4. Arbeit und Beschäftigung.
5. Information: Inwieweit sind Informationen zugänglich?
6. Inklusion und Partizipation in dem Bereich: Kulturelles Leben, Erholung, Freizeit,
Sport
7. Inklusion und Partizipation im öffentlichen und politischen Leben: betrifft u.a. das
Wahlrecht.
8. Justizwesen: Zugang zur Justiz und Partizipation, einschließlich z.B. als Zeuge
9. Sonstige Lebensbereiche – wie gesagt, Inklusion und Partizipation sind Grundprinzipien für alle Lebensbereiche.
Soweit mein Entwurf. Ich freue mich jetzt auf Kommentare und Kritik.1 Gern auch
über Anmerkungen zur Nützlichkeit des Gesagten für die praktische Arbeit. Vielen
Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Ich bedanke mich bei den TeilnehmerInnen des Symposiums für Anmerkungen und Hinweise, die ich teilweise
in diese schriftliche Version eingearbeitet habe.
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Ausgewählte Literatur
Bielefeld, Heiner (2009): Zum Innovationspotential der UN-Behindertenrechtskonvention, Essay No. 5, Deutsches Institut für Menschenrechte, 3. Aufl.
http://www.institut-fuer-menschenrechte.de
Hüfner, Klaus; Sieberns, Anne & Weiß; Norman (2012): Menschenrechtsverletzungen:
Was kann ich dagegen tun? Menschenrechtsverfahren in der Praxis, hrsg. von der
Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V., dem Deutschen Institut für
Menschenrechte und
der Deutschen UNESCO-Kommission e.V., 3. Aufl.
http://www.institut-fuer-menschenrechte.de
Ife, Jim (2008): Human Rights and Social Work. Towards Rights-Based Practice, Cambridge, 2. Aufl.
Schneider, Jacob (2004): Die Justiziabilität wirtschaftlicher, sozialer und kultureller
Menschenrechte, http://www.institut-fuer-menschenrechte.de
Staub-Bernasconi, Silvia (2008): „Menschenrechte in ihrer Relevanz für die Soziale
Arbeit in Theorie und Praxis, oder: Was haben Menschenrechte überhaupt in der Sozialen Arbeit zu suchen?“, in: Widersprüche, Jg. 28, März 2008, S. 9-32 (auch online
verfügbar)
Stockmann, Petra (2011): Klinische Sozialarbeit als Menschenrechtsarbeit - was könnte das heißen? Schriftenreihe zur psycho-sozialen Gesundheit, Bd. 19,
http://visuellemeditation.de/zks-verlag
Stockmann, Petra (2012): „Menschenrechtsbewusstes Handeln als Qualitätsstandard
Klinischer Sozialarbeit“, in: Klinische Sozialarbeit. Zeitschrift für psychosoziale Praxis
und Forschung, Jg. 8, Heft 3, Juli 2012.
UN Centre for Human Rights; International Federation of Social Workers, International Association of Schools of Social Work (1994): Human Rights and Social Work. A
Manual for Schools of Social Work and the Social Work Profession. Professional Training Series No. 1, New York, Geneva
Welke, Antje (Hrsg., 2012): UN-Behindertenrechtskonvention mit rechtlichen Erläuterungen, Berlin
Ausgewählte Homepages
Office of the United
http://www2.ohchr.org,
Nations
High
Commissioner
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Deutsches Institut für Menschenrechte: http://www.institut-fuer-menschenrechte.de
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