Schlussdokumentation - Freundeskreise Sucht

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Schlussdokumentation - Freundeskreise Sucht
$00,
Freundeskreise
für Suchtkrankenhilfe
Schlussdokumentation
„Beratung und Information von Angehörigen durch SuchtSelbsthilfegruppen"
Ein Projekt der
Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe - Bundesverband e.V.
gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG),
Bonn
Laufzeit: Februar 1998 - Juni 1999
Die Freiheit zu sehen und zu hören, was ist,
statt zu sehen und zu hören, was sein sollte oder einmal sein wird.
Die Freiheit zu sagen, was Du fühlst und denkst,
statt zu sagen, was Du darüber sagen solltest.
Die Freiheit zu fühlen, was Du fühlst,
statt zu fühlen, was Du fühlen sollst.
Die Freiheit, um das zu bitten, was Du möchtest,
statt immer auf die Erlaubnis zu warten.
Die Freiheit um der eigenen Interessen willen Risiken einzugehen,
statt sich dafür zu entscheiden, „auf Nummer Sicher zu gehen" und
„das Boot nicht zum Kentern zu bringen".
Die fünf Freiheiten, Virginia Satir (1988)
Bundesverband
INHALT:
Seite
1. Zusammenfassung
3
2. Vorbemerkung / Einführung
9
3. Co-Abhängigkeit und ihre Bedeutung
10
4. Projektziele
10
5. Projekt-Planung
11
6. Vorlaufphase „workshop"
12
7. Projektphasen
14
7. 1. Fragebogen
14
7. 2. Projektseminare 1 - 3
16
7. 3. Praxisbegleitung
18
8. Erkenntnisse und Folgerungen aus dem Projekt
21
9. Projektmitarbeiter/innen
25
Anhang
-
Fragebogen und Auswertung
Richtlinien für die Gruppenmoderation
Grundsätze für den Umgang mit „unterschiedlichen Wahrheiten"
- Grundsätze für die Behandlung des Themas
„Grenzüberschreitungen"
- Literaturliste
1. ZUSAMMENFASSUNG
Lange bevor der sogenannte „systemische Ansatz" Einzug in die Suchtkrankenhilfe
gehalten hat, ging die Selbsthilfe davon aus, daß die Suchtkrankheit die ganze
Familie betrifft. Deshalb haben die Sucht-Selbsthilfegruppen die Angehörigen in ihre
Gruppenarbeit von Anfang an integriert.
Aufgrund der Durchführung des ersten Projektes der Bundesarbeitsgemeinschaft der
Freundeskreise „Aufbau von Frauenarbeit in den Freundeskreisen" (1995 - 1997)
wurde deutlich, daß die (weiblichen) Angehörigen, die überwiegend in den Gruppen
vertreten sind, und deren Probleme in den Gruppen und auf Verbandsebene zu
wenig Beachtung finden. Dem Schicksal der Angehörigen wird in der SuchtSelbsthilfe, aber auch in der hauptamtlichen Suchtkrankenhilfe zu wenig Beachtung
entgegengebracht.
Trotz der Einbeziehung und Weiterentwicklung familientherapeutischer und
systemischer Erkennntisse in die Suchtkrankenbehandlung hat diese auf selbstverständliche und gleichwertige Beratungs- und Behandlungsangebote für Angehörige
noch zu wenig Auswirkungen.
Bereits in ihrem Beitrag zum Jahrbuch Sucht 1995 schreibt Ingrid Arenz-Greiving „Es
ist an der Zeit, daß die Angehörigen von Suchtkranken - hier die Partnerinnen in ihrer
eigenen Problematik und Situation ernst genommen werden. Wir brauchen
spezifische Beratungs- und Behandlungsangebote für sie. In der Selbsthilfe muß es
möglich sein und werden, daß Angehörige spezielle Angehörigengruppen bilden
können, wenn diese es wollen."1
Geändert hat sich - so scheint es - bis heute kaum etwas.
Dies zeigen auch Rückmeldungen von den Projektmitarbeiterinnen zu Beginn des
Projektes im Jahr 1998, die ihre Situation in den gemischten Gesprächsgruppen wie
folgt beschreiben:
•
•
•
•
Reine Angehörigenarbeit findet in den Gruppen / Verbänden praktisch kaum bis
gar nicht statt.
Angehörige sind in den Gruppen oft die Stabilisatoren für die Suchtkranken.
Angehörige haben Probleme, fühlen, daß etwas nicht mit ihnen stimmt. Doch
dazu finden sie in den Gruppen keine Ansprechpartner.
Die Notwendigkeit von Angeboten für Angehörige wird von den Suchtkranken so
nicht gesehen. Angehörigenarbeit wird eher unterlaufen, blockiert, denn gefördert.
Daraus folgt: Angehörige in der Sucht-Selbsthilfe fühlen sich alleingelassen, hilflos während der Suchterkrankung des Partners, aber auch in den Selbsthilfegruppen mit
ihrem Schwerpunkt auf gemischte Gruppen und den Blick auf den Betroffenen.
Angehörige bleiben in ihrer Rolle der Introvertierten, sind auf sich selbst bezogen,
mißtrauisch, zweifeln an ihrem eigenen Können.
Dabei stellen die angehörigen Frauen von Suchtkranken mit 25 bis 40 % einen
Großteil der Gruppenteilnehmerinnen in den Sucht-Selbsthilfegruppen aller
1
Ingrid Arenz-Greiving, Jahrbuch Sucht 1995, S. 238, Neuland-Verlag
Abstinenz- und Selbsthilfeverbände. Es ist bekannt, daß ca. 90 % der Frauen ihre
abhängigen Männer während der Suchterkrankung und -behandlung begleiten,
während dies nur ca. 10 % der mitbetroffenen Männer tun. So ist auch deren Anteil in
den Gruppen gering (ca. 20 % der Angehörigen)
Auch sind es die angehörigen Frauen, die meist als erste den Kontakt zur
Selbsthilfegruppe suchen, aber dann mit ihrer eigenen Problematik - unabhängig
vom Suchtkranken - allein bleiben:
•
•
•
•
Angehörige brauchen die Möglichkeit zur Bestimmung des eigenen Standortes
und zur Findung des eigenen SELBST.
Angehörige brauchen die Möglichkeit, sich selbst wahrzunehmen und zu fühlen.
Angehörige müssen sich zuerst mit sich selbst, der eigenen Persönlichkeit und
der eigenen Co-Abhängigkeit auseinandersetzen (was eben bisher kaum
geschehen ist), bevor sie daran denken können, anderen Angehörigen zu helfen
oder diese zu beraten.
Ohne entsprechende Bearbeitung der eigenen Problematik kann Helfen und
Beraten "Gift" für Angehörige sein, weil sie sehr leicht wieder in ihre alte Rolle
zurückfallen bzw. auch hineingedrängt werden.
Es war Anliegen des Projektes in der Sucht-Selbsthilfe die Aufmerksamkeit auf die
Angehörigen zu lenken, deren Problematik deutlicher darzustellen und verstärkt
Angebote für Angehörige zu entwickeln.
Angebote, die
•
sich im Sinne von „Angehörigen helfen Angehörigen" direkt an Angehörige in der
Öffentlichkeit wenden, die diese aufklären und informieren, z.B. darüber, was
Sucht ist, wie sie behandelbar ist und wie sie selber sich dem suchtkranken
Ehemann / Partner gegenüber verhalten sollten, damit ein früherer Ausstieg aus
der Sucht möglich wird
•
Angehörige in den Sucht-Selbsthilfegruppen befähigen, z.B. Erstgespräche mit
hilfesuchenden Angehörigen führen zu können
es ermöglichen, daß Angehörige in den Sucht-Selbsthilfegruppen eigene
Angehörigengruppen gründen können, und wie mit Widerständen von
suchtkranken Männern / Gruppenleitern umzugehen ist.
schließlich, Angehörige befähigen sollen, Angehörigengruppen selbständig
leiten zu können.
Obwohl das Projekt mit einer Laufzeit von einem Jahr und fünf Monaten zu kurz war,
lassen sich folgende Feststellungen treffen:
In der Arbeit mit Angehörigen im Projekt wurde sehr deutlich und bewußt, daß es
sich bei den Angehörigen um Mitglieder in der Sucht-Selbsthilfegruppe handelt, die
lange und immer noch im Abseits der Aufmerksamkeit stehen, die z.T. einen hohen
Leidensdruck haben. Hier gilt es, daß Sucht als Familienkrankheit, die jedes einzelne
Familienmitglied in individueller Weise in seinem Leben und Handeln beeinträchtigt,
nicht nur gesehen wird, sondern endlich so gehandelt wird.
Die in der Literatur beschriebene Persönlichkeit von Angehörigen war auch im
Projekt erkennbar. So benötigten die Angehörigen (das traf auch für den einzigen
anwesenden Mann zu) immer wieder Ermutigung zu denken, was sie denken; zu tun,
was sie tun wollen und für angemessen und notwendig halten; zu fühlen, was sie
fühlen; Nein zu sagen, wenn sie Nein meinen und die Ermutigung, sich für sich und
die Anliegen von Angehörigen einzusetzen - egal, ob sie nun dafür (von Betroffenen,
von Männern, vom Verband) geliebt werden oder nicht!
Die Erfahrungen im Projekt zeigen weiter, daß das Selbstverständnis der
Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe - auch das der anderen Abstinenz- und
Selbsthilfeverbände - in der bisherigen Formulierung „Angehörige werden von
Anfang an in die Gruppenarbeit integriet..." verändert werden muß in: „Angehörige
benötigen eigenständige Gruppenangebote, die von Angehörigen geleitet
werden."
Das Projekt zeigte deutlich, daß die Teilnahme von Angehörigen nur (im Sinne von
„ausschließlich") an den gemischten Gruppensitzungen der Problematik der
Angehörigen nicht gerecht wird. Auch in den Einrichtungen der professionellen
Suchtkrankenhilfe haben Angehörige noch nicht den „Platz", der ihnen aufgrund ihrer
Betroffenheit „zusteht".
Zudem drängt sich die Frage auf, ob „neue Wege und Ansätze in der Selbsthilfe
energiesparender (für die Beteiligten) außerhalb der traditionellen Strukturen gewagt
werden können. Es werden viele Kräfte (und damit ehrenamtliche Zeit) aufgewendet,
um in den eigenen Reihen Akzeptanz und Unterstützung zu suchen / zu finden.
Die Erfahrungen der Projektmitarbeiterinnen mit den Selbsthilfegruppen vor Ort sind
auf den ersten Blick erschütternd. Es scheint bei manchen Gruppenleitern
erhebliche, aber diffuse Angst ausgelöst zu werden, wenn Angehörige selbst aktiv
werden und „etwas auf die Beine stellen". Das ist verständlich, wenn man bedenkt,
daß nicht nur die Sucht ein „Geheimnis" bleiben muß, sondern vor allem deren
Auswirkungen (Gewalt, Mißbrauch etc.)
Wenn die Sucht-Selbsthilfegruppen (d.h. die suchtkranken Männer/ Gruppenleiter)
es nicht verstehen, Angehörigenarbeit als eigenständiges Angebot zu integrieren,
besteht die Gefahr, daß sich Angehörigenarbeit an ihnen und den SelbsthilfeOrganisationen vorbei selbständig entwickelt.
„Angehörige helfen Angehörigen" sollte ein weiteres qualifiziertes Arbeitsfeld für die
Selbsthilfe werden. Dies ist vor allen Dingen auch notwendig, auf dem Hintergrund
der aktuellen Entwicklungen in der Suchtkrankenhilfe. Hier zeichnet sich bereits ab,
daß gerade ein Bereich, wie der der Angehörigenarbeit, durch vorgenommene
Streichungen und Kürzungen im hauptamtlichen Bereich, als erstes wegfallen wird
und damit die Angebote der Selbsthilfe noch mehr Bedeutung erlangen.
„Nicht selten werden Frauen durch jahrelanges „co-abhängiges" und damit oft
selbtzerstörerisches Verhalten selbst suchtkrank oder entwickeln psychosomatische
Beschwerden und Symptome. Hier spielen nicht zuletzt die Ärzte eine wichtige Rolle,
die recht schnell Medikamente verschreiben, um Frauen von suchtkranken Männern
das „Aushalten" in der Situtation „zu ermöglichen".
Eine gute und sensible Arbeit mit Angehörigen von Suchtkranken ist stets auch
(sucht-)präventive Arbeit und Rückfallprävention."2
Angehörige und Betroffene gemeinsam - jeder auf seine Art - sind Teile eines
Suchtsystems, in dem sie eingebunden und versponnen sind. Dehalb benötigen
auch alle Beteiligten (= Familienmitglieder) die Chance, ihre eigene Geschichte
aufarbeiten zu können, um die suchtfördernden Erlebens- und Verhaltensweisen
überwinden oder „ablegen" zu können. Erst wenn beide Partner „genesen" sind, ist
die Genesung der Familie als Ganzes - auch der Kinder - möglich.
Angehörige werden es allein nicht schaffen, die eigene Problematik zu erkennen und
aufzuarbeiten. Ihre Motivation, in die Gruppe zu gehen, ist zunächst ihrem
suchtmittelabhängigen Partner helfen zu wollen, daß er trocken wird bzw. abstinent
bleibt. Angehörige sind ebenso schwer (oder leicht) zu motivieren, an sich selbst zu
arbeiten, ihren Teil der Verantwortung zu sehen und zu übernehmen wie
Suchtkranke. Diesen wird aber die Motivationsarbeit zugestanden - bei Angehörigen
wird sie in der Regel vorausgesetzt und erwartet!
Die Sucht-Selbsthilfegruppen müssen sich der co-abhängigen Problematik bewußt
sein; ein Gruppenleiter muß damit umgehen können und Angehörige in der Gruppe
müssen befähigt werden, hilfesuchende Angehörige unterstützen zu können. Dies ist
in einer reinen Angehörigengruppe eher möglich. Gleichwohl ist die Arbeit in der
gemischten Gruppe wichtig, damit die Partner (Suchtkranke/r und Angehörige/r) ihre
Kommunikation und Beziehung (wieder) verbessern können.
Forderungen
für den hauptamtlichen Bereich:
1. Die Auswirkungen einer Suchterkrankung auf die Familienangehörigen des
Abhängigen müssen in ihrem Ausmaß und in den unterschiedlichen
Ausprägungen von co-abhängigem Verhalten, Denken und Fühlen kommuniziert
und in der Öffentlichkeit vermittelt werden. Gleiches gilt für die Suchtkrankenhilfe
mit ihren hauptamtlichen Mitarbeitern und ehrenamtlichen Helfern und
Gruppenleitern.
2. Um hier nicht ausschließlich von Erfahrungen und Beobachtungen aus der Praxis
ausgehen zu müssen, ist es notwendig, daß auch Forschung bzgl. der Situation
und Erlebenswelt (= der Betroffenheit) der Angehörigen betrieben wird.
3. Auch Angehörige müssen selbstverständlich das Recht haben und bekommen,
die für sie angemessene Hilfe in Anspruch nehmen zu können.
4. Alle professionellen Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe müssen verpflichtet
werden, ein jeweils angemessenes Angebot für Angehörige vorzuhalten, das den
zu erarbeitenden Leistungsstandards entspricht.
2
aaO, S. 240
5. Es sind Standards für die Arbeit mit Angehörigen von Suchtkranken zu
entwickeln, die sowohl die erwachsenen Angehörigen als auch die Kinder
suchtkranker Eltern berücksichtigen.
6. Bestehende (Therapie- und Beratungs-) Konzepte müssen in Bezug auf die
Einbeziehung der Angehörigen überprüft und ggf. überarbeitet werden.
7. Bei der Überarbeitung der Empfehlungsvereinbarung Sucht (von 1978) und der
EVARS müssen die adäquaten Maßnahmen für Angehörige aufgenommen
werden.
8. Es müssen Bausteine für die Beratung von / die Arbeit mit Angehörigen ent
wickelt und den Praktikern zur Verfügung gestellt werden.
9.
Dabei müssen sowohl begleitende, beratende, motivierende, aufklärende als
auch therapeutische Maßnahmen beschrieben, entwickelt und umgesetzt
werden.
Denn:
10. Nicht alle Angehörigen von Suchtkranken (Partner/innen, Eltern, Kinder,
Geschwister) benötigen therapeutische Hilfen, aber alle Angehörigen brauchen
Unterstützung, Entlastung, angemäßene Aufklärung sowohl über Suchterkrankung und deren Auswirkungen - auch auf die Familienmitglieder - als auch
motivierende Hilfen zur Überwindung der eigenen Betroffenheit (z.B. coabhängiges Verhalten, Deuten, Fühlen).
11. Professionelle Helfer/innen, Berater/innen, Therapeut/innen müssen für eine
angemessene Arbeit mit Angehörigen qualifiziert werden.
12. Die Kosten- und Leistungsträger und der Gesetzgeber müssen die (sozial-)
rechtlichen Grundlagen für die Finanzierung der Angebote für Angehörige
schaffen (z.B. als sekundarpräventive Maßnahmen).
-
für die Sucht-Selbsthilfe:
13. Die Selbsthilfe- und Abstinenzorganisationen sollten sich öffnen für die Idee
und die Umsetzung von Selbsthilfegruppen für Angehörige. Diese sollten als
zusätzliches Angebot für Angehörige entstehen und gefördert werden, wenn
Angehörige diesbezüglich aktiv werden.
Dabei sollte jede/r Angehörige selbst entscheiden, wann der Wechsel in oder
die Kombination von Besuchen der gemischten Selbsthilfegruppen für ihn/sie
angezeigt ist. Angehörige Partner/innen sind in der Regel bestrebt, alles
dafür zu tun, daß die Beziehung zum Suchtkranken positive Veränderungen
vollzieht.
14. Selbsthilfegruppen für Angehörige werden von betroffenen Angehörigen geleitet /
moderiert; dabei empfiehlt sich eine Leitung im Team (zwei Personen).
15. Angehörige in den Selbsthilfe- und Abstinenzgruppen müssen ermutigt und
gestützt werden, um die Verantwortung für die Umsetzung ihrer eigenen
Selbsthilfeangebote selbst zu übernehmen und selbst aktiv zu werden.
8
16. In diesem Sinne müssen Angehörige immer wieder die Botschaft vermittelt
bekommen, die Verantwortung für ihr eigenes Befinden / Leben selbst zu
übernehmen. Hierzu sollten alle Helfer/innen über die erforderliche Sensibilität
und Klarheit verfügen.
17. Die Selbsthilfe- und Abstinenzorganisationen sollten ihre Weiterbildungsangebote dahingehend überarbeiten bzw. ergänzen, daß auch die Betroffenheit
der Angehörigen und mögliche Hilfen vermittelt wird - sowohl den suchtkranken
Helfer/innen und Gruppenleiter/innen als auch angehörigen Helfer/innen und
Gruppenmitglieder.
18. Selbsthilfe- und Abstinenzorganisationen benötigen zusätzliche Ressourcen
- auch finanzieller Art -, um Angehörigen die ihnen entsprechende Hilfe
(im Rahmen der Selbsthilfe) anbieten zu können.
19. Das „Jahr der Angehörigen" kann der Start in ein „erweitertes Bewußtsein" der
Suchtkrankenhilfe sein, damit im 2. Jahrtausend die Erkenntnis „Suchterkrankung ist Familienerkrankung" mit praktischem Handeln erfüllt wird.
20. Bei der Erarbeitung und Umsetzung dieser Schritte und Forderungen sind
(genesende) Angehörige aktiv einzubeziehen - es darf nicht für sie geplant und
über sie geredet werden, sondern mit ihnen!
2. Vorbemerkungen / Einführung
Das erste von der BAG der Freundeskreise durchgeführt Projekt (1995 -1997)
„Aufbau von Frauenarbeit in der Sucht-Selbsthilfe", zeigte in einer im Rahmen des
Projektes durchgeführten Umfrage unter den Freundeskreisen, daß in den
Freundeskreisen ein Großteil der Gruppenteilnehmer weiblich sind (von ca. 15.000
Gruppenteilnehmern 43 %). Die Angehörigen machen dabei ca. 25 % aus, davon
sind 22 % männliche Angehörige, die weniger in den Sucht-Selbsthilfegruppen
mitarbeiten. Ebenfalls sind es mit 28 % die Angehörigen, die zuerst Kontakt zur
Gruppe aufnehmen3.
Die Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe haben - lange bevor der „systemische
Ansatz" in der Suchtkrankenhilfe Einzug hielt - bereits erkannt, daß Suchterkrankung
eine Erkrankung ist, von der die gesamte Familie mit betroffen ist. Konsequenz
daraus war, daß die Angehörigen frühzeitig in die Gruppenarbeit einbezogen wurden
und dies in ihrem Selbstverständnis mit „Die Angehörigen werden von Anfang an in
die Gruppenarbeit integriert" festgeschrieben haben.
In der Realität sieht die Integration von Angehörigen aber oftmals so aus, daß
weniger die Probleme der Angehörigen in der gemischten Gruppe angesprochen
werden, sondern daß hier der Betroffene im Mittelpunkt des Gruppengeschehens
steht. Die Angehörige konzentriert sich auch hier wie in der Zeit der Sucht des
Partners nun auf die Abstinenz des Partners und hofft, damit wird alles gut. Sie geht
dem Betroffenen zuliebe in die Selbsthilfegruppe, nimmt sich selbst unbewußt mit
ihren eigenen Anliegen und Problemen zurück. Daß sie selber als Angehörige mit der
Sucht etwas zu tun haben, erfahren sie oftmals nur, indem ihnen Schuldzuweisungen
entgegengebracht werden.
Im Bereich der Angehörigenarbeit kann es aber nicht nur darum gehen, die gut
gemeinte, aber letztlich oft verschlimmernde „Hilfe" der Angehörigen zu
durchbrechen und damit auch die Rückfallgefahr in der Abstinenz des Suchtkranken
zu senken, sondern es muß insbesondere auch darum gehen, Defizite und
Fehlentwicklungen bei den Co-Abhängigen aufzugreifen und langfristig Perspektiven
für ein eigenes gesünderes Leben zu schaffen und damit auch für eine zufriedene
Partnerschaft.
Leider werden auch in der hauptamtlichen Suchtkrankenhilfe (ambulante Beratungsund Behandlungsstellen, stationären Einrichtungen) die Angehörigen von
Suchtkranken viel zu wenig in der Arbeit berücksichtigt. Dies liegt nicht zuletzt daran,
daß die Leistungsträger entsprechende Angebote nur bedingt und begrenzt
finanzieren. Es ist zu befürchten, daß zukünftig bei noch knapper werdenden Mitteln oft damit verbunden Einsparungen von Personalstellen - eher eine Entscheidung
gegen als für eine Arbeit mit Angehörigen getroffen wird. Auch in der
Empfehlungsvereinbarung für die Ambulante Rehabilitation (EVARS) ist mit 12
Einheiten die Angehörigenarbeit unzureichend berücksichtigt, zumal auch hier nur
die Angehörigen für Gespräche in Betracht kommen, deren Partner in einer
ambulanten Behandlung sind.
Statistik der BAG der Freundeskreise, 1996
10
3. Co-Abhängigkeit und ihre Bedeutung
Was der Alkohol oder das Suchtmittel für den Alkoholiker ist, das ist für die Partnerin
der Suchtkranke: Irgendwann dreht sich ihr ganzes Denken, Fühlen und Handeln um
den Suchtkranken: Wie kann ich ihm helfen? Was muß ich tun, damit er nicht mehr
trinkt? Wie kann ich verhindern, daß die Umgebung etwas merkt?4
Angehörige von Suchtkranken werden auch als Co-Abhängige bezeichnet. Jemand,
der sich co-verhält, unterstützt jemanden - bewußt oder unbewußt - in seinem oder
ihrem Tun. Co-Abhängigkeit ist ein Problem- und Lebensbewältigungsmuster, wobei
sich nicht nur Angehörige von Suchtkranken co-abhängig verhalten, aber in der
Interaktion mit einer suchtkranken Person entwickelt oder verstärkt sich dieses
Verhalten5.
Was sind die spezifischen Erfahrungen der Angehörigen? Was macht die
Persönlichkeit von Angehörigen aus?
Nach P. Mellody haben Co-Abhängige Schwierigkeiten:
- angemessene Selbstachtung zu erfahren,
- intakte Grenzen zu setzen,
- die eigene Realität zu beherrschen und auszudrücken,
- Erwachsenen-Bedürfnisse und -Wünsche zu erkennen und zu erfüllen und
- Realität maßvoll zu erfahren und auszudrücken6.
Damit wird deutlich, daß Angehörige.:
- für sich Ruhe und Zeit benötigen, um Co-Abhängigkeit zu erkennen und dagegen
etwas zu tun; sie brauchen genau wie der suchtkranke Partner Zeit, um vor der
Suchtkrankheit zu kapitulieren
- sie müssen lernen, ihr eigenes Empfinden (wieder) zu spüren, das sie nicht
haben oder das ihnen abhanden gekommen ist
- sie müssen lernen, Grenzen für sich zu setzen und diese nicht zu überschreiten
und
sie müssen auch lernen, die Grenzen anderer zu respektieren und lernen, Nein
zu sagen, wenn sie nein meinen.
4. Projektziele
Ausgangspunkte, die zur Projekt-Idee führten:
-
Rund ein Viertel der Gruppenteilnehmer sind (überwiegend weibliche) Angehörige
Sie benötigen eigene Angebote und sollen als Angehörige auch die Rolle einer
Gruppenleiter/in übernehmen können
-
Angehörige sind maßgeblich diejenigen, die als erste Kontakt zur
Selbsthilfegruppe aufnehmen
Obwohl hier von dem Suchtkranken und der (weiblichen) Angehörigen die Rede ist: gemeint ist auch
die Suchtkranke und der (männliche) Angehörige
5 Pia Mellody, Verstrickt in die Probleme anderer, Kempten: Kösel 1998
6 ebenda, aaO., S. 23 f
4
11
Was müssen Sucht-Selbsthilfegruppen hilfesuchenden Angehörigen bieten?
•
Berichte in Medien über Suchterkrankungen führen zu vermehrten Anrufen von
Angehörigen bei Organisationen der Suchtkrankenhilfe
Wie und wodurch können Angehörige motiviert werden, in die Selbsthilfegruppe
zu kommen?
•
Wie können durch die Sucht-Selbsthilfegruppen früher Angehörige erreicht und
das Angebot der Selbsthilfegruppen besser bekannt gemacht werden?
Welche Form von Öffentlichkeitsarbeit wird benötigt?
•
In den Gruppen tauchen wenig angehörige Männer von suchtkranken Frauen auf.
Was benötigen diese? Womit können Sie zur Teilnahme an der Gruppe motiviert
werden?
und ...
•
die fachliche Suchtkrankenhilfe vernachläßigt Angebote für Angehörige.
Welche Forderungen hat die Selbsthilfe hier?
5. Projekt-Planung
Das Projekt hatte eine Laufzeit von Februar 1998 bis Ende Juni 1999 mit folgenden
Phasen:
Die Durchführung eines Workshops, in dem die Pojektidee und -Inhalte überprüft und
ggfs. modifiziert sowie Teilnehmer/innen am Projekt gewonnen werden sollten. Die
Teilnehmerzahl war auf 30 begrenzt.
Mit den im Workshop gewonnenen Teilnehmer/innen (max. 15) sollten insgesamt drei
Seminare durchgeführt werden, in denen methodisch/didaktische Hilfen zum Aufbau
und strukturelle Hilfen zur inhaltlichen Gestaltung von Gruppen zur „Information und
Beratung von Angehörigen durch Sucht-Selbsthilfegruppen" vermittelt werden.
Anmerkung: Nach Bekanntwerden des Projektes und nach Durchführung des
Workshops erlebten wir eine für uns überraschend hohe Nachfrage nach einer
Mitarbeit innerhalb des Projektes. So wurde sogar angeboten, die Kosten selber
übernehmen zu wollen, nur um im Projekt mitarbeiten zu können und damit die
Möglichkeit von Informationen zum Aufbau und zur Arbeit mit Angehörigen zu
erhalten.
Statt der ursprünglich 15 geplanten Teilnehmer/innen wurden schließlich 20
berücksichtigt, auch um 10 Zweier-Teams zu haben, die an ihrem Wohnort
Angehörigenarbeit leisten bzw. aufbauen.
12
Die Teilnehmer/innen, die nicht im Projekt mitarbeiten wollten / konnten, wurden als
Multiplikatoren gewonnen, die vom Verlauf des Projektes ständig unterrichtet wurden
und die die Ergebnisse des Projektes in ihre Gruppe / Verband transportieren sollen.
Als Abschluß ist geplant ein Handbuch herauszugeben zur „Arbeit mit Angehörigen in
den Sucht-Selbsthilfegruppen". Hier ist bereits Kontakt mit dem Lambertus-Verlag
aufgenommen worden. Die Leiterin der Seminare, Ingrid Arenz-Greiving, wird
Autorin, die BAG der Freundeskreise Herausgeber des Handbuchs sein.
6. Vorlaufphase - workshop
Obwohl als Projektbeginn der 1.1.1998 geplant war, verzögerte sich die Erteilung des
Bewilligungsbescheides bis zum 18.3.98. Dies setzte uns unter einen erheblichen
zeitlichen Druck, da der workshop bereits am 3. - 5. April 98 durchgeführt werden
sollte. Durch die verspätet versandten Einladungen - da die Bewilligung erst
abgewartet werden mußte - konnten von den ursprünglich geplanten 30
Teilnehmer/innen lediglich 20 Personen am workshop teilnehmen.
Positiv war - und dies bestätigte sich auch im Verlauf des Projektes -, daß die
Teilnehmer/innen aus allen fünf Abstinenzverbänden (Blaue Kreuz in Deutschland 6
Teilnehmerinnen, Blaues Kreuz in der Evang. Kirche 2, Guttempler 1, Kreuzbund 3
und Freundeskreise 5) sowie 2 Teilnehmerinnen aus den Elternkreisen und eine
Teilnehmerin aus einer freien Angehörigengruppe kamen. Damit kann das Projekt als
„verbandsübergreifend" bezeichnet werden.
In einer ersten Erfahrungsrunde im workshop wurde deutlich, daß von den
Teilnehmerinnen Angehörigenarbeit als unbedingt notwendig und wichtig erachtet
wird. Unterstützt gerade aus der eigenen Erfahrung, die Angehörige machen mußten
- alleingelassen, hilflos in der akuten Suchterkrankung des Partners, in der Familie,
aber auch alleingelassen in der Selbsthilfe mit ihrem Schwerpunkt auf die
gemischten Gruppen und dem Blick auf den Betroffenen.
Auf der anderen Seite gibt es bereits vielfältige Angebote für Angehörige (wie eine
unter den Projekt-Teilnehmer/innen durchgeführte Befragung, s. 7.1. zeigte), die leider - „leise, still und bescheiden" arbeiten.
Allerdings wurden hier folgende Probleme genannt: Die Schwierigkeit der
Abgrenzung zur gemischten Gruppe; die Motivierung von Angehörigen zur
Teilnahme und das Dabeibleiben in der Angehörigengruppe; wenig bis gar keine
Vermittlung von Angehörigen über Beratungsstellen/Ärzte; die bei den Angehörigen
vorhandenen Ängste und das mangelnde Zutrauen in eigene Fähigkeiten; fehlende
Öffentlichkeitsarbeit etc.
Die in Kleingruppen behandelte Frage „Was muß in Angehörigengruppen
angeboten werden?" „Was kann ich als Angehörige für Angehörige leisten?" brachte
folgende Ergebnisse:
Angehörige sollten
- ihre Grenzen kennen und für sich als Gruppenverantwortliche/r etwas tun (im
Bereich von Fortbildung, aber auch im privaten / persönlichen Bereich)
13
ihre Zielgruppe kennen und hier auch wissen, wen und wie spreche ich diese an.
(als zu schwierige Zielgruppe wurden angehörige Kinder genannt)
sich im klaren sein, was Gruppenleitung heißt und sollten diese nicht alleine
tragen wollen. Besser: im Team und eher als „Moderation" zu verstanden.
bereit und offen sein, sich notfalls auch Hilfe von außen zu holen - als
Gruppenleiter/in, aber auch für die Gruppe
und „Wie muß ein Angebot für Angehörige aussehen?"
-
Eine „Angehörigengruppe" bedeutet einen "Freiraum für Angehörige", in dem sie
zu sich selber finden zu können
Neben dem Gruppenangebot sollte es ein Angebot zum Zweiergespräch geben Angehörige sind oft sehr belastet und nicht in der Lage, vor anderen zu sprechen.
Hilfe geben, ohne Trennung (vom betroffenen Partner) zu schaffen; aber wenn
eine Trennung notwendig ist, Unterstützung bieten
Angehörigearbeit scheint schwieriger zu sein, da Angehörige selten die
Möglichkeit hatten, fachliche Beratung / Behandlung in Anspruch zu nehmen. Im
Gegensatz dazu hat der Betroffene eine Therapie durchlaufen und damit die
Möglichkeit gehabt, „Defizite" zu erkennen und zu bearbeiten und entsprechend
vorbereitet in die Selbsthilfe zu kommen.
In der Angehörigengruppe selber ist es wichtig,
-
-
das Selbstwertgefühl der Angehörigen zu stärken, das eher mangelhaft bis nicht
vorhanden ist - Angehörige müssen lernen, daß sie eigenständige Menschen sind
und nicht „nur" Mit-Betroffene
sie müssen erfahren, „sie sind nicht allein mit ihrem Problem"
ihnen muß vermittelt werden, daß es keine „schnelle" Lösung gibt, sondern daß
sie mit sich, dem Partner, der Entwicklung Geduld haben müssen
Angehörige müssen lernen, sich zu akzeptieren (Ich bin ich und möchte so
akzeptiert werden)
Ansprechen: Scham- und Schuldgefühle (spielen besonders eine große Rolle bei
angehörigen Frauen, auch bei Kindern - was habe ich verkehrt gemacht?)
Angehörige
benötigen
Informationen
/
Literaturangebote
über
die
Suchterkrankung, die Co-Abhängigkeit sowie der Familie als „System"
Schließlich genau so wichtig sind
Freizeitaktivitäten (nur für Angehörige), da sie oftmals jahrelang für sich selber
nichts mehr getan haben
Notwendig ist Öffentlichkeitsarbeit, um für Angehörige früher den Anschluß an eine
Sucht-Selbsthilfegruppe zu erreichen, dies kann geschehen durch ein
Faltblatt mit Informationen, „Wer sind wir, was wollen wir, wo und wann trefffen
wir uns"
Als Ergebnis des Workshops kann festgehalten werden:
Angehörige
* müssen früher und direkt angesprochen werden (Faltblätter, Aktionen)
* benötigen Hilfe in der eigenen persönlichen Entwicklung
14
(mangelndes Selbstwertgefühl, große Ängste)
* benötigen methodisch/didaktische Hilfe bei dem Vorhaben, eigene
Angehörigengruppen zu gründen und zu leiten
* benötigen Unterstützung, in der Überzeugung von betroffenen Männern,
daß Angehörige eigene Angebote benötigen
Weiter wurde festgestellt:
Angebote für Angehörige sind notwendig. In der Sucht-Selbsthilfe muß es möglich
sein und möglich werden, daß Angehörige Angehörigengruppen bilden können,
wenn diese es wollen.
Dabei ist die Frage, ob dies eigenständige Angehörigen-Gruppen oder ein
Zusatzangebot zur gemischten Gruppe sein sollten, unerheblich. Nur sei es wichtig,
daß die Angehörigengruppe in Verbindung zur betroffenen Gruppe bleibt.
7. Projektphasen
Zur Mitarbeit im Projekt erklärten sich schließlich 19 angehörige Frauen und ein
angehöriger Mann bereit. Da überwiegend der Wunsch geäußert wurde, im Projekt
als Team arbeiten zu wollen, wurde zwei Teilnehmerinnen zugesagt, daß sie weitere
Teilnehmerinnen zur Mitarbeit melden können.
7.1. Fragebogen
In der Zeit zwischen dem workshop und dem ersten Seminar wurde an die
Teilnehmerinnen des Projektes ein Fragebogen gesandt7, der ihre Situation in ihrer
Gruppe abfragte und zudem Erwartungen an die Inhalte der geplanten ProjektSeminare.
Grundlage waren 11 befragte Gruppen. Davon waren 4 Gruppen im Aufbau
befindlich, 3 Gruppen arbeiteten seit 1 bis 2 VT. Jahren, 4 Gruppen 3 bis 4 Jahre. Die
Größe der Gruppen lag bei den im Aufbau befindlichen bei durchschnittlich 4 - 1 0
Personen; länger bestehende Gruppen hatten 12-15 Teilnehmerinnen.
Die Gruppen setzten sich zusammen aus 90 % Frauen, also Partnerinnen von
Suchtkranken. Angehörige Männer waren wenig vertreten - lediglich in zwei Gruppen
je ein angehöriger Mann. Aber auch Eltern und Geschwister waren in den Gruppen
vertreten. Im Elternkreis natürlich Eltern von drogenabhängigen Jugendlichen
14-tägige Treffen waren überwiegend die Regel.
7 Gruppen verstanden sich als „Zusatzangebot" zur gemischten Gruppe.
Erläuterungen machten deutlich, daß die Angehörigengruppe parallel zur gemischten
Gruppe läuft, aber auch teilweise als Einzelangebot genutzt wird. Oftmals nehmen
die Angehörigen dann nicht an der gemischten Gruppe teil.
7
Fragebogen und Auswertung s. ANHANG
15
4 Gruppen arbeiten als „unabhängiges" Angebot. Dies betraf den Elternkreis der vom
Angebot her eine reine Angehörigengruppe ist. Oftmals bestand eine Anbindung mit
den geplanten Aktivitäten zur gemischten Gruppe.
Überwiegend werden die Gruppen im Team geleitet (8), wobei die Bedeutung
„Gruppenleitung im Team" wahrzunehmen, nicht eindeutig erklärt werden konnte.
„Rituale" und „Strukturen" - im Stuhlkreis sitzen, Beginn und/oder Ende mit „Blitzlicht",
gemeinsames Singen, Abschlußworte, Schlußgebet - verbinden die Gruppe und
vermitteln - auch der Gruppenleitung - Sicherheit.
Als wichtige, typische und oft wiederkehrende Themen und Inhalte in der Gruppe
wurden genannt:
•
•
•
•
•
Persönliche Probleme einer jeden Einzelnen
(z.B. fehlendes Selbstbewußtsein/Selbstwert und der Wunsch dies ändern zu
wollen, Selbsterkenntnis, Partnerkonflikte, Vertrauen, Mutter/Tochter-Rolle,
Hilflosigkeit, Enttäuschung, Verhaltensweisen versuchen zu ändern,
Vergangenheitsbewältigung, Abgrenzung, neue Lebensinhalte finden)
Aufarbeitung von Familienproblemen
Angst vor Rückfall, Umgang mit Rückfällen des Partners
Belastungen von „außen" (Diskriminierung als „Trinkerfamilie")
Informationen zu Abhängigkeitserkrankung, Co-Abhängigkeit etc.
Bereits die Auswertung von nur 11 Angehörigengruppen zeigt, daß
Angehörigenarbeit in der Sucht-Selbsthilfe einen geringeren Stellenwert genießt als
die Arbeit in der gemischten Gruppe - für den Suchtkranken und seine Angehörigen.
Überwiegend verstehen sich die bisher arbeitenden Angehörigengruppen - was auch
unsere Erfahrung in der Arbeit als Nachsorgereferentinnen der Geschäftsstelle des
Bundesverbandes bestätigt, daß Angehörigengruppen „Zusatzangebote" sind, die
sich i.d.R. neben der eigentlichen „Stammgruppe" trifft, oftmals auch eine Aufteilung
am Gruppenabend in Angehörigegruppe und Betroffenengruppe vorgenommen wird.
Wollen Angehörige eine eigenständige Gruppe gründen, stoßen sie auf große
Widerstände, da es von Suchtkranken, die in der Regel auch Leitungsfunktion
innehaben, nur schwer zu akzeptieren ist, daß Angehörige ihre eigene Gruppe
beanspruchen. So werden diese Vorhaben dementsprechend auch unterlaufen bzw.
boykottiert, immer auch mit dem Hinweis, daß alle Probleme doch in der gemischten
Gruppe angesprochen werden könnten.
Daß dies nicht so ist, bestätigt wiederum die Realität. Der Suchtkranke (die Flasche)
steht im Mittelpunkt der Gruppengespräche. Die Angehörige kommt höchstens zu
Wort als Partnerin des Suchtkranken, wenn es um Beziehungs- und
Familienprobleme geht.
Auch in der Projektgruppe erlebten die Mitarbeiterinnen massive Widerstände, als
bekannt wurde, daß sie zum einen im Projekt mitarbeiten und zum anderen die
Absicht äußerten, selbständige Angehörigengruppen gründen zu wollen. Dies ging
sogar so weit, daß ein (suchtkranker) Gruppenleiter, anbot, seinen Posten der
Angehörigen zur Verfügung zu stellen, wenn sie von ihrem Vorhaben absehen
würde.
16
Deutlich wurde auch, daß ganz selten bis eher gar nicht, Angehörige von
Suchtkranken von außen in Angehörigengruppen kommen. Nehmen sie Kontakt zur
Selbsthilfegruppe auf, führt der Gruppenleiter ein Informationsgespräch und die
Angehörige wird in die gemischte Gruppe integriert.
7.2. Projekt-Seminare 1 - 3
In den Projekt-Seminaren 1 - 3 wurden folgende Inhalte bearbeitet, die sich auf die
Rückmeldungen aus dem o.a. Fragebogen bezogen bzw. nach Ende eines Seminars
den Bedürfnissen / Entwicklungen entsprechend modifiziert wurden.
•
•
•
•
•
•
•
•
Aufgaben der Gruppenmoderation: Rahmenbedingungen, innere Haltungen,
Gesprächsführung
Rolle von Gruppenleitung und Grenzen
Kommunikation in Gruppen (non-verbal/verbal)
Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung an aktuellen Beispielen
Denkanstöße und Impulse für die Gruppenarbeit (mit Materialienbörse)
Merkmale von Co-Abhängigkeit
Umgang mit Grenzüberschreitungen
Umgang mit zwei Wahrheiten - Schweigepflicht in gemischter Gruppe /
Angehörigengruppe
Der Verlauf der Seminare zeigte, daß die Teilnehmerinnen sehr hohe Anforderungen
an sich selbst als Gruppenleiter!n/-moderatorln haben und sich sehr viel
abverlangen.
Angehörige neigen dazu, „grenzenlos" bei Anforderungen an sich zu sein („Das
Unmögliche möglich machen"). Da Sucht / Co-Abhängigkeit mit Grenzenlosigkeit zu
tun hat, ist es besonders wichtig, der Gruppenarbeit bestimmte Strukturen zu geben,
z.B. Gestaltung einer Anfangsphase, eines Gruppenendes, bestimmte Sitzordnung,
etc., um eben Überforderungen zu vermeiden. Angehörige als Gruppenleiterinnen
übernehmen schnell die Verantwortung für die Gruppe, sie versorgen die Gruppe, es
dürfen keine Fehler passieren, alles muß perfekt laufen. Geschieht dies nicht, so
suchen sie die Fehler ausschließlich bei sich selber. Im Seminar wurden Richtlinien
für die Moderation erarbeitet, zum einen zur Entlastung von eigenen Forderungen
und Ansprüchen, zum anderen aber auch, um Verantwortung abgeben zu können8.
Die Auseinandersetzung mit der Thematik „Co-Abhängigkeit" - von der
Seminarleitung sorgsam begleitet und moderiert war für die Teilnehmerinnen
schwierig. Es wurde sehr deutlich, wie belastet und letztendlich dadurch somatisch
krank einzelne Teilnehmerinnen waren. Symptome (z.B. Krebserkrankungen) sind
zwar medizinisch gut versorgt, mögliche Ursachen aber therapeutisch nicht ergründet
worden. Aus den Berichten der Angehörigen wurde klar, daß es krank macht
(machen kann), wenn Angehörige keine Hilfe für sich in Anspruch nehmen. Die
Gesprächsgruppen der Sucht-Selbsthilfe haben in diesem Bereich keine Anregungen
oder Hilfen vermitteln können. „In der gemischten Gruppe können Angehörige nicht
sagen, was sie bedrückt, wofür sie sich schämen. Die Suchtkranken können manche
Dimensionen aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen nicht verstehen. Das bedeutet
Richtlinien für die Gruppen-Moderation - s. Anlage
17
deshalb nicht, daß Angehörige besser oder schlechter als die Suchtkranken sind. Der
Erfahrungshintergrund ist eben ein ganz anderer" - so die Aussage einer
Teilnehmerin.
So wurde auch begriffen, daß das Wissen über Co-Abhängigkeit auch eine Chance
zur Bearbeitung in sich birgt: „Ich habe vieles gefunden, was so ist, was sich
verändert hat und was sich in Veränderung befindet."
Wichtig war insbesondere, den Teilnehmerinnen zu verdeutlichen, daß die z.T.
schmerzhaften Erinnerungen und Erfahrungen zur Persönlichkeit gehören, die nicht
genommen werden können. Aber die Möglichkeit der Bearbeitung in Form von
Gruppengesprächen, aber auch in der fachlichen Therapie ist sehr wichtig und birgt
eine Chance auf positive Veränderungen der jeweiligen Persönlichkeit.
Deshalb ist auch das Geben und Annehmen von Feedback so wichtig. Hier
geschieht Selbsterfahrung - wobei auch hier die Schwierigkeit deutlich wurde, als
Angehörigenpersönlichkeit ein (positives) Feedback anzunehmen, ohne dies
abzuwerten, zu rechtfertigen oder zu bagatellisieren.
Es zeigte sich in den Seminaren sehr schnell, daß das Thema „Umgang mit
Grenzüberschreitungen" eine große Wichtigkeit hatte, aber auch mit großen Ängsten
besetzt war. Angst davor, sich den eigenen - oftmals verdrängten - Erfahrungen zu
stellen und die Furcht vor den dadurch wieder aufbrechenden schlechten Gefühlen
(Verletzungen, Kränkungen).
Schließlich beim dritten und letzten Seminar zeigte sich der Wunsch und die
Bereitschaft zur Bearbeitung dieser Thematik, nicht zuletzt gestützt durch das große
Vertrauen in die Gruppe und zur Seminarleitung. In Kleingruppen war für die
Teilnehmerinnen Gelegenheit, soweit sie dies wollten, die eigenen - zum Teil
erschütternden - Erfahrungen einzubringen. Durch die Beantwortung von sehr
konkreten Fragestellungen, wurde eine Struktur vorgegeben, die verhinderte, daß die
Thematik zu einer Überforderung wurde. Den Teilnehmerinnen wurde das Motto auch für die Gruppenarbeit - mitgegeben: „Den Sack aufschnüren und ihn auch
wieder zubinden". Erleichterung herrschte anschließend darüber, über ein Thema
endlich gesprochen zu haben, das noch in keinem anderen Setting - nicht einmal vor
dem Ehe-Partner, aus Angst, den Genesungsprozeß zu gefährden - möglich war.
Gerade für diese Thematik müssen zukünftige Gruppenleiterinnen für Angehörigengruppen Anleitung und Unterstützung erhalten, da davon auszugehen ist, daß alle
Angehörigen von Suchtkranken Grenzüberschreitungen erlitten haben, viel zu häufig
wohl auch körperliche Gewalt.9
Probleme bereitet den Gruppenleiterinnen von Angehörigengruppen auch der
Umgang „mit zwei Wahrheiten". D.h. das was Angehörige oftmals in der
Angehörigengruppe äußern unterscheidet sich von den Berichten der Suchtkranken
in den gemischten Gruppen. Dies bringt sowohl die Angehörigen selber, als auch die
Gruppenleiterin in Konflikte, wie damit umzugehen ist. Tatsache ist, daß es von einer
Begebenheit oftmals unterschiedliche Wahrnehmungen und Sichtweisen gibt. Dies
sollte aber in beiden Gruppen (Angehörigen- wie gemischter Gruppe) offen gemacht
' Grundsätze für die Behandlung des Themas „Grenzüberschreitung" in der Sucht-Selbsthilfegruppe
18
und auch besprochen werden. Auch hier benötigen die Gruppenleiter einen
sensiblen Umgang mit den „zwei Wahrheiten"10.
Überwiegend begriffen die Angehörigen die Teilnahme am Projekt als Chance,
endlich etwas für sich tun zu können. Sie zeigten sich überaus motiviert und
interessiert am Thema, zugleich aber auch diszipliniert und (über-)angepaßt.
Immer wieder zeigte sich auch, wie schwer es für Angehörige ist, die eigenen
Grenzen anzuerkennen. Präsentationen von z.B. Arbeitsgruppenergebnissen waren
geprägt davon, diese ganz „großartig" darzustellen, superperfekt sein zu wollen.
Strukturen von Gruppenstunden und klare Linien gingen dadurch oftmals verloren.
In den Seminaren wurde versucht, mit einfachen Entspannungsübungen z.T. mit
Musik und Bewegungsübungen, einen Zugang zur eigenen Befindlichkeit zu
schaffen. Trotz mancher Vorbehalte „disziplinierten" sich die Teilnehmerinnen und
verlangten sich die Mitarbeit daran ab, um aber dann zu erleben, daß diese Übungen
ein gutes Gefühl bei ihnen hinterließen: „Ich habe mich wohl gefühlt und konnte mich
zum ersten Mal auf Entspannungsübungen einlassen".
In der Auswertung der Seminare äußerten die Teilnehmerinnen, daß sie sich in
diesem einen Jahr persönlich weiterentwickelt und viel gelernt haben: „Ich habe
meine Opferrolle verlassen", „Ich muß erst mit mir umgehen, dann kann ich auch mit
anderen umgehen", „Ich habe erfahren: ,Du darst auch laut reden!' - im Sinne von:
Meine wirkliche Größe zeigen", „Ich wachse jetzt in die Arbeit der Gruppe", „Ich habe
gelernt Grenzen zu setzen. Es geht nicht über mich, sondern nur mit mir".
Die Situation des einzigen männlichen Angehörigen war nicht immer ganz leicht. Die
Sucht-Selbsthilfe muß sich hier bemühen, eine Mitarbeit von angehörigen Männern in
der Selbsthilfegruppe zu erreichen. Aber auch die angehörigen Frauen müssen für
die spezielle Problematik der angehörigen Männer sensibilisiert werden. Die Aussage
des männlichen Teilnehmers macht dies treffend deutlich: „Ich habe einen weiteren
männlichen Teilnehmer vermißt, denn ich habe die schmerzliche Erfahrung gemacht,
nicht ernst genommen zu werden."
7. 3. Praxisbegleitung
Im Laufe des Seminars wurde in Kleingruppen besprochen, wie die Praxisbegleitung
- ursprünglich geplant als regionales Angebot abends, das aber nun durch die
Zusammensetzung der Teilnehmerinnen bundesweit nicht zu realisieren war organisiert werden kann.
Auch hier ist eine hohe Motivation zu merken und der Wunsch, gemeinsam zu einer
Lösung zu kommen, von der alle etwas haben, auch mit der Befürchtung, daß das
Angebot der Praxisbegleitung/Supervision sonst entfallen könnte.
Es werden vier Supervisionsgruppen - im nördlichen, südlichen und westlichen
Bereich sowie in Ostwestfalen-Lippe - gebildet. Termine und Treffpunkte werden von
den Seminarteilnehmerinnen gemeinsam festgelegt. Die Treffen werden
eigenverantwortlich organisiert.
10
Leitlinien „Zum Umgang mit zwei Wahrheiten" - s. Anlage
19
Da es sich um eine Praxisberatung handelt, kann nicht der Verlauf geschildert
werden. Nachfolgend wird versucht, kurz Erkenntnisse und Schlußfolgerungen aus
den Themenschwerpunkten der Sitzungen darzustellen:
1. Stellenwert und Akzeptanz der „neuen" Angehörigengruppe. In welchen
Zusammenhängen (Gruppe, Verband) findet die Angehörigenarbeit
statt - was bedeutet dies für den Stellenwert und die Akzeptanz?
Auswirkungen von Angehörigenarbeit in der Organisation - Parallelen zwischen
Angehörigenarbeit und Frauenarbeit
Die Erfahrungen mit den bestehenden, traditionellen Selbsthilfegruppen vor Ort
sind auf den ersten Blick ein wenig erschütternd. Es scheint bei manchen „Alten
Hasen" erhebliche, aber diffuse Ängste auszulösen, wenn Angehörige selbst aktiv
werden und „etwas auf die Beine stellen". Die Behinderungen sind nicht in
konkreten Aktionen zu fassen, es läuft eher unterschwellig, entmutigend und im
Sinne von „moralischem Druck" ausübend.
Für diese Art der Beeinflussung sind Angehörige von Suchtkranken wohl
besonders empfänglich. Sie spüren und erahnen, wenn es dem Suchtkranken
nicht recht ist und verhalten sich stillschweigend danach, sie nehmen Rücksicht
und suchen nach eher stillen Wegen, um das zu tun, was sie wollen. Dieses
Verhalten konnte bewußt gemacht und dann auch Strategien für den offenen,
aktiven Umgang mit dieser Situation entwickelt werden.
Zudem wurden die strukturellen und organisatorischen Zusammenhänge
beleuchtet, in denen vor Ort die Angehörigenarbeit stattfindet. So erhielten auch
einige der „Probleme" einen Sinn, mit denen Angehörigenarbeit konfrontiert ist.
Interessant dabei war, daß die Projektmitarbeiterinnen (=Angehörige) die Fragen
und Probleme schildern unter dem Aspekt „Was machen wir falsch, daß einige
Betroffene und Verbandsvertreter uns mit unseren Anliegen in der Angehörigenarbeit nicht so recht ernst nehmen etc.?". Diese Art der Fragestellung ist sehr
typisch für Angehörige und Frauen von Suchtkranken und zeigt das „coabhängige" Denken.
Es ging vor allem darum, die gewachsenen Strukturen und Inhalte der Selbsthilfeorganisationen transparent zu machen und daraus ableitend zunächst
Verständnis dafür zu entwickeln, daß Turbulenzen / Verwirrungen und
Widerstände immer dann entstehen, wenn jemand in einem (stabilen) System
Änderungen einführt. Veränderungsprozesse sind immer mit solchen
psychodynamischen Prozessen bei den Beteiligten verbunden - das ist nicht zu
verhindern! Widerstände und Skepsis kommen in solchen Zusammenhängen
nicht daher, daß die anderen „böswillig oder schlecht" sind. Vielmehr handelt es
sich um sehr menschliche und normale Reaktionen, daß diejenigen, die von dem
Ist-Zustand „profitieren", z.B. vertraute Gewohnheiten und Regeln, „sichere"
Strukturen, solche Änderungen abwehren, die diese vertraute Sicherheit
gefährden. Hierbei handelt es sich in der Regel nicht um bewußte, sondern um
unbewußte, intuitive Reaktionen und Befürchtungen.
Nachdem die Projektmitarbeiterinnen diese Zusammehänge (rational und
emotional) verstehen konnten, waren sie in der Lage zu sehen, daß diese
„normalen Prozesse" sie nicht von ihren Anliegen abbringen müssen. Es geht
20
also nicht um die Frage „Was habe ich falsch gemacht, daß die anderen...?",
sondern es geht um den Ansatz: „Wie kann ich meine Inhalte und Anliegen
einbringen und - trotz der Reaktionen „am Ball bleiben?" und „Wie kann ich meine
bzw. die Interessen bzgl. Angehörigenarbeit einbringen und umsetzen, ohne die
anderen abzuwerten oder ihnen „Böswilligkeit" zu unterstellen?".
Bei diesem Schritt wurde sehr deutlich, daß Angehörige (und Frauen) sich hier
meistens selbst „im Weg stehen", denn unbewußt ist immer auch der Wunsch
nach Anerkennung und „geliebt werden für das, was ich tue" ein zentrales
Bedürfnis. Von diesen Bedürfnissen und Vorstellungen muß man sich verabschieden, wenn man / frau wirklich im Sinne einer Sache etwas „voranbringen"
will! Dieses war für die Anwesenden eine schmerzhafte und gleichzeitig
befreiende Erkenntnis, die ihnen half, für das konkrete Anliegen Lösungsschritte
zu finden.
1. „Störfaktoren" in der Angehörigengruppe - möglicher Umgang damit. CoAbhängigkeit und ihre Symptome - Auswirkungen auf die oder in der Gruppenarbeit
Die Leiterinnen / Moderatorinnen schilderten Schwierigkeiten im Umgang mit
bestimmten Personen. Dann wurden mögliche Motive und Hintergründe für das
Verhalten gesucht und den Leiterinnen Ansätze für den Umgang in der Gruppe
aufgezeigt.
Es zeigte sich an einigen Stellen, daß es oft nicht die Gruppenmitglieder sind, die
„schwierig oder nicht offen" sind, sondern die Gruppenleiterinnen merkten, daß
sie selbst manchmal Erwartungen an bestimmte Personen haben, z.B. im Sinne
von „das müßte sie doch schon gelernt haben!". Menschen ändern sich bzw. ihr
Verhalten jedoch nicht, wenn die Leiterin oder Beraterin die Entwicklungsschritte
erwartet / wünscht, sondern jeder Mensch hat ein Recht auf sein eigenes
(Entwicklungs-) Tempo. Dabei zeigten die „schwierigen" Personen eher die
Symptome von Co-Abhängigkeit wie: Verleugnen, nicht wahrhaben-wollen,
bagatellisieren etc.
Nachdem den Teilnehmerinnen der Praxisberatung dies bewußt geworden war,
konnten Möglichkeiten des Umgangs mit diesen „schwierigen" Gruppenmitgliedern erarbeitet werden. Einige merkten rasch, daß sie von sich selbst diese
und ähnliche Einstellungen und Verhaltensweisen durchaus kannten. Allerdings
war ihnen nicht mehr präsent, daß auch sie selbst einige Zeit benötigten, um
erste oder weitere Entwicklungsschritte tun zu können.
2. Wie können Impulse und Erkenntnisse aus dem Projekt „transportiert" bzw.
weitergeführt werden? Impulse für den Aufbau einer Angehörigengruppe
Den Projektmitarbeiterinnen wurde deutlich, daß die intensive Arbeit im Projekt
bald zu Ende sein wird. Es wurde ein Stück Bilanz gezogen und betont, daß sie
selbst sehr vieles für sich und in Bezug auf Angehörige gelernt hatten. Sie
beschreiben viele Änderungen im Denken und in Einstellungen und Sichtweisen,
die wiederum anderes Verhalten zur Folge haben. Eine Frauen schildern auch
sehr persönliche Änderungsprozesse, die in dieser Projektzeit in Gang
gekommen seien.
21
Großes Interesse besteht daran, daß das Projekt oder wesentliche Inhalte in
irgendeiner Form weitergeführt und transportiert werden. Es werden spontan
Ideen entwickelt, wie und an wen sie sich in ihrem Verband mit diesem Anliegen
wenden könnten. Vorschläge zur Weiterführung sollen im letzten Seminar
angesprochen werden.
Beim Thema „Impulse für den Aufbau einer Angehörigengruppe" wurde deutlich,
wie sehr sich die Angehörigen bei ihren bisherigen Bemühungen anstrengen,
Überzeugungsarbeit in den eigenen Organisationen zu leisten. Manche
Angehörigen / Frauen neigen sehr dazu, alle überzeugen zu wollen bevor sie
beginnen, etwas zu tun. Hier werden Energien zum Teil sehr wenig effektiv
eingesetzt. Durch diese Art des Vorgehens werden ggfs. eher Widerstände oder
Skepsis geweckt statt abgebaut. Angehörige (vor allem Frauen) müssen lernen,
mit ihren Kräften effektiver zu haushalten und ihre Anliegen „strategisch klüger"
einzubringen.
Insgesamt kann festgehalten werden, daß diese Form der Praxisbegleitung für die
Teilnehmerinnen sehr entlastend, anregend und ermutigend war. Es ist im Grunde
erstaunlich, wie wenig an Beratung, Unterstützung und Wissensvermittlung nötig ist,
damit die Teilnehmerinnen sich wieder handlungsfähig fühlen. Die Motivation und
das Engagement steigt dann wieder sprunghaft an. Der zentrale Punkt ist dabei
immer wieder die Ermutigung, zu denken, was sie denken; zu tun, was sie tun wollen
und für angemessen und notwendig halten; zu fühlen, was sie fühlen, und die
Ermutigung, sich für sich und die Anliegen von Angehörigen einzusetzen - egal, ob
sie nun dafür (von Betroffenen, von Männern, vom Verband) geliebt werden oder
nicht.
Dies läßt sich auch mit den „Fünf Freiheiten" von Virginia Satir (1988) beschreiben
(siehe Titelblatt der Dokumentation)!
8. Erkenntnisse und Folgerungen aus dem Projekt
Angehörige von Suchtkranken
müssen früher und direkt angesprochen werden
benötigen Hilfe in der eigenen persönlichen Entwicklung (mangelndes Selbstwertgefühl, große Ängste)
benötigen Unterstützung bei dem Vorhaben, eigene Angehörigengruppen zu
gründen und zu leiten
benötigen Unterstützung der Betroffenen (vor allem Männer, die in den
Selbsthilfe-Verbänden aktiv sind): „Angehörige brauchen (auch) eigene
Angebote"
II. Angehörige (Frauen) brauchen
•
•
Raum für sich zum (Erfahrungs-) Austausch, zum lernen und ausprobieren
Information über Suchterkrankungen, Co-Abhängigkeit und Hilfemöglichkeiten
22
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Verständnis, Akzeptanz, Anerkennung und Wertschätzung ihrer bisherigen
Bemühungen
(wiederholendes) Feedback zu ihrem Verhalten und den Konsequenzen
die „Erlaubnis", Grenzen zu spüren, zu setzen, an sich zu denken etc.
einfühlsame Hilfe beim ersten Schritt: „Ich akzeptiere, daß die Suchtkrankheit
mächtiger ist als ich!"
konkrete und praxisnahe Hinweise / Anregungen, wie sie .helfen' können
Ermutigung und Unterstützung, die Verantwortung für ihr eigenes Leben zu
übernehmen
Hilfen bei der Bewältigung der vielschichtigen Ängste
die .Erlaubnis', daß es ihnen gut gehen darf
Anstöße, um die .Opferhaltung' verlassen zu können
Erfolgserlebnisse und Kontakt zu sich und ihren eigenen Fähigkeiten - neben der
Sorge um und für andere
die .Erlaubnis', Fehler machen zu dürfen, Mensch zu sein
Kontakt und Auseinandersetzung mit Menschen, die sich trauen, auch die
.negativen Seiten' der übergroßen Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme
anzusprechen, wie z.B. .Erziehung zur Unmündigkeit', Allmachtsphantasien /
Größenwahn als Merkmale von Co-Abhängigkeit etc.
III. Angehörige Männer
•
•
•
gehen eher selten in eine Selbsthilfegruppe (und Beratungstelle, Klinik etc.)
sie unterscheiden sich hier nicht sehr von den .meisten' Männern, die typischerweise dazu neigen, Probleme alleine zu bewältigen oder .mit sich abzumachen'
erleben die Suchterkrankung der Partnerin ggf. als persönliches Versagen, als
Angriff auf ihre Männlichkeit
Angehörige Männer, die keine (Selbsthilfe-) Angebote in Anspruch nehmen,
verhalten sich scheinbar .normal' in dem Sinne, daß Männer in unserer Gesellschaft
eher selten Hilfeangebote in Anspruch nehmen - nicht nur bei Suchterkrankungen.
Es ist zu vermuten, daß die betroffenen (suchtkranken) Männer in den zahlreichen
Selbsthilfegruppen nur deshalb den Schritt zur Inanspruchnahme von Hilfen getan
haben, weil sie enorm .unter Druck' standen (drohender Arbeitsplatzverlust,
drohende Scheidung, massive gesundheitliche Probleme etc.) und es sonst keinen
Ausweg mehr gab und ihnen in der fachlichen Behandlung der Anschluß an eine
Gruppe auch dringend nahegelegt wurde. Ohne diesen individuell unterschiedlichen
Leidensdruck wären viele der betroffenen Männer wohl auch nicht .freiwillig' in den
Selbsthilfegruppen.
Der Leidensdruck von angehörigen Männern ist weniger .bedrohlich' - weniger nach
außen sichtbar, es drohen keine existentiellen Veränderungen wie
Arbeitsplatzverlust, weil die Partnerin auffällig oder abhängig ist Dann wäre es
leichter, Wege zu finden, wie bzw. ob überhaupt auch diese Männer zukünftig von
Selbsthilfegruppen erreicht werden können. (Diese Hypothese kann z.B. mit Hilfe von
Interviews mit angehörigen Männern überprüft werden.)
23
IV. Suchtkranke (Männer) und gemischte Selbsthilfegruppen
Die bisherigen Erfahrungen der Projektmitarbeiter/innen bestätigen, daß sie von den
bestehenden (gemischten) Selbsthilfegruppen Unterstützung für die Anliegen der
Angehörigen und für die Akzeptanz eines eigenen Angebotes wünschen. Allerdings
ist hier noch viel zu tun.
Zur Zeit erleben Projektmitarbeiter/innen hier eher Skepsis und (unterschwellige)
Widerstände in den eigenen Reihen. Ausgehend von diesen Erfahrungen werden
folgende Hypothesen aufgestellt:
Suchtkranke (Männer) - haben Angst vor
• Angehörigen die aktiv werden, Angst vor einer .Verselbständigung'
• davor, verlassen zu werden, wenn die Partnerin sich entwickelt,
• vor Schuldzuweisungen,
• als Männer versagt zu haben,
• vor der Verantwortung, die sie tragen müßten - auch gegenüber der Familie,
schießlich auch, wenn sie Gruppenleiter sind
• vor Konkurrenz
• daß die Zahl der Gruppen- oder Verbandsmitglieder sich verringert
Diese Hypothesen können überprüft werden, indem z.B. Gespräche mit Betroffenen
und Teilnehmer/innen aus den gemischten Selbsthilfegruppen (und auf
Verbandsebene) geführt werden.
Sollten sich diese Annahmen bestätigen, ist es wichtig, Wege zu finden, wie diese
Ängste abgebaut werden können. Eine Möglichkeit besteht darin, daß in den
Verbandszeitungen und auf Tagungen und Veranstaltungen der Selbsthilfeorganisationen die Inhalte, Ziele und Erfahrungen mit der Angehörigenarbeit deutlich
thematisiert werden. Hier kann man auf die Erfahrungen (und Methoden)
zurückgreifen, die beim Aufbau der Frauenarbeit gesammelt wurden. Die Frauen
mußten sich (damals) mit sehr ähnlichen Befürchtungen und Ängsten der Männer
auseinandersetzen.
Auch die professionelle Suchtkrankenhilfe muß u.a. die Betroffenen mehr für die
Angehörigen sensibilisieren und auch mehr diesbezügliche Arbeit leisten. Es kann
nicht allein die Aufgabe der Selbsthilfe / ehrenamtlichen Hilfe sein, Raum und Hilfe
für Angehörige zu schaffen!
V. Fortbildungen für Angehörige als Gruppenleiterin
Aus den zuvor gemachten Ausführungen wird sicherlich bereits deutlich, daß
insbesondere Angehörige spezielle Seminare zur .Leitungsbefähigung' benötigen.
Solange sich die Angehörigenarbeit ,im Aufbau' befindet und an vielen Stellen auch
auf Skepsis stößt, wird es sicherlich für die Leiter/innen hilfreich sein, auch eigene
Seminare nutzen zu können. Im übrigen gibt es Themen, die in Angehörigengruppen
einen größeren Stellenwert haben (müssen) als dies erfahrungsgemäß in gemischten
Gruppen der Fall ist.
Hier sind z.B. Themen wie Gewalterfahrungen, Grenzüberschreitungen und Angst
vor Rückfällen des Betroffenen ebenso zu nennen, wie Co-Abhängigkeit, Sexualität
24
und Gefühle wie Wut, Ekel, Hoffnungslosigkeit und Schuld, Scham, Angst und
Allmachtsphantasien (und deren Auswirkungen bzw. Überwindung).
Leiter/innen von Angehörigengruppen benötigen sicherlich eine .besondere
Fähigkeit' darin, Angehörige auf ihr co-abhängiges Verhalten offen aufmerksam zu
machen. Das bedeutet, stoppen von sich ständig wiederholenden Redebeiträgen von
Personen, die in einem Stadium des .Klagens und Jammerns stecken bleiben'
(würden). Das kann auch bedeuten, einer Angehörigen klar zu machen, daß sie mit
dem überfürsorglichen Verhalten ihren Partner eher wie ein unmündiges Kind
behandelt o.a. Diese offene Art von Feedback und Konfrontation mit eigenem
Verhalten ist für die Beteiligten oft zunächst schmerzhaft und beschämend, was auch
dadurch verstärkt wird, daß der Begriff ,Co-Abhängigkeit' oft wie ein .Schimpfwort'
benutzt wird. Der (selbst-)zerstörerische und fast zwanghafte Aspekt von coabhängigen Verhaltensweisen wird dann nicht gesehen, kann nicht offen
angesprochen und so auch nicht überwunden werden. Ein geschützter Rahmen /
Raum für Angehörige ist folglich hilfreich und notwendig („Hier sitzen Menschen, die
das auch kennen. Ich bin so nicht allein, ich muß mich nicht schämen etc.")
Leiter/innen von Angehörigengruppen können / sollten lernen, Feedback auf klare
und gleichzeitig wohlwollende und menschenwürdige Weise zu äußern. Damit wirken
sie wiederum als Vorbild in der Gruppe; andere haben die Gelegenheit, diese Art
ebenfalls zu lernen. Auch Angehörige haben eine verzerrte Wahrnehmung im bezug
auf sich selbst und brauchen ehrliches Feedback, wenn sie sich aus abhängigen
Verhaltens- und Denkweisen heraus entwickeln wollen.
Selbstverständlich sollte auch in den gemischten Gruppen angemessen Feedback
gegeben und mit gegenseitiger Wertschätzung kommuniziert werden;
erfahrungsgemäß gelingt dies - gerade gegenüber Angehörigen und trotz ehrlicher
Bemühungen - (noch) nicht sehr gut.
25
9. Projektmitarbeiterinnen
Einen ganz herzlichen Dank sagen wir den Angehörigen, die im Projekt
mitgearbeitet und die Durchführung unterstützt haben. Ohne ihre
Bereitschaft der Offenheit und ihr Engagement wäre es nicht möglich
gewesen, das Projekt in dieser Intensität durchzuführen.
Bekemeier, Christel
Birkenstock, Irmgard
Fritsch, Christine
Johanning, Sigrid
Olschewski, Heidi
Rethwisch, Inge
Schröter, Pierrette
Westphal, Brunhilde
Blaues Kreuz in Deutschland e.V.
Birkenstock, Hans-Werner
Henneböhl, Klaudia
Blaues Kreuz i.d.Evang. Kirche e.V.
Loogen, Gabriele
Skomrock, Michaela
Elternkreise drogengefährdeter und
drogenabhängiger Jugendlicher e.V.
Grunert, Angelika
Kaemena, Gertrud
Treder, Brigitte
Stender-Bahr, Antje
Voß, Gisela
Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe e.V.
Schilling, Georgia
Ulrich, Heide
Deutscher Guttempler Orden e.V.
Buschmann, Christine
Unabhängige Angehörigengruppe,
Gütersloh
Bedanken möchten wir uns auch bei Ingrid Arenz-Greiving, Firma trialog,
Dülmen, die in kompetenter Weise das Projekt mitbegleitet und gestaltet hat
und durch ihre einfühlsame und behutsame Art die Projektmitarbeiterinnen
durch die Seminare und Praxisbegleitung geführt hat.
Seminarbegleitung: Ute Krasnitzy-Rohrbach, Nachsorgereferentin,
Bundesverband der Freundeskreise, Kassel
Projektleitung:
Käthe Körtel, Dipl. Sozialpädagogin,
Geschäftsführerin und Nachsorgereferentin
Bundesverband der Freundeskreise, Kassel
Zurück an:
Bundesarbeitsgemeinschaft
der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe
Kurt-Schumacher-Str. 2
34117
Kassel
Fragebogen zur Situation Ihrer Angehörigengruppe
1. Bitte beschreiben Sie (kurz) Ihre derzeitige Angehörigengruppe bzw. die
Sie in nächster Zeit ins Leben rufen wollen
- Seit wann besteht das Angebot?
- Wie groß ist die Gruppe?
- Wie setzt sich die Gruppe zusammen? (Männer/Frauen, Eltern ....
von Suchtkranken)
- Ort, Zeit und Häufigkeit der Treffen der Gruppe (z.B. jeden 2. Donnerstag
im Monat, 14-tägig etc.)
2. Ist die Angehörigengruppe vom Veständnis her ein „Zusatzangebot" zur
gemischten (FK-, BKE-) Gruppe oder existiert sie unabhängig von einer
Anbindung an eine gemischte Gruppe?
3. Arbeiten Sie bereits im Team?
Ja n
Nein
4. Wenn ja, wie gestaltet sich die Zusammenarbeit im Moment im Team?
Haben Sie eine Aufgabenverteilung oder übernehmen Sie die Gesprächsmoderation gemeinsam? Bereiten Sie die Inhalte des Abends jeweils vor
(getrennt oder gemeinsam)?
5. Haben Sie „Rituale" / „Strukturen" in der Gruppe, z.B. fangen Sie mit einem
Blitzlicht an oder enden damit? Beginnen Sie mit einigen einführenden Worten
(Meditation, Text) etc. ?
6. Welches sind wichtige, typische oder oft wiederkehrende Themen und Inhalte der
Gruppe?
7. Aus Ihrer derzeitigen Situation heraus: Was wären für Sie wichtige Themen und
Inhalte für die zukünftigen Seminare im Projekt bzw. der Praxisberatung (Supervision)?
Vielen Dank für Ihre Mithilfe!!
Rückgabe (möglichst)
Gruppe
bis 10. Juni 1998
Name der Ansprechpartnerin/-innen
Zusammenfassung
der Auswertung „Fragebogen zur Situation Ihrer
Angehörigengruppe"
Frage 1:
Bitte beschreiben Sie (kurz) Ihre derzeitige
Angehörigengruppe bzw. die Sie in nächster Zeit ins
Leben rufen wollen
• bestehen seit:
1 x im Aufbau
1 x knapp 2 Monate
1 x 5 Monate
1 x 1 Jahr
2 x ca. 1 1/2 Jahre
1 x ca. 2 1/2 Jahre
1 x 3 Jahre
1 x 3 1/2 Jahre
2 x 4 Jahre
Größe der Gruppe:
2 x ohne Angabe
1 x 4 - 6 Personen
1 x 5 - 8 Personen
3 x 6 - 1 0 Personen
1 x7 - 10 Personen
1 x 1 2 Personen
2 x 1 5 Personen
Zusammensetzung:
2 x ohne Angaben
90 % Frauen und Partnerinnen
Männer, Frauen, Eltern, Geschwister
Eltern von drogenabhängigen Jugendlichen
Frauen von Suchtkranken und 1 Mann v. SK
1 Mann, 3 - 5 Frauen
Frauen, Eltern
wird eingerichtet für mitbetroffene Frauen
Männer, Frauen, Kinder (junge Erw.), Eltern
z. Z. nur Frauen (Ehefrauen)
Häufigkeit der Treffen:
3 x wöchentl. Treffen (Mo., Mi., Do.)
5 x 14tägiges Treffen (Mo., Mi., Do., So.,)
2 x monatliches Treffen (Mi., Di.)
1 x ist im Aufbau
• Ort der Treffen:
Frage 2:
7 x keine Angabe
1 x im Aufbau
Altentagesstätte
Blaukreuz-Haus Marburg
Kirchengemeinde
Ist die Angehörigengruppe vom Verständnis her ein
„Zusatzangebot" zur gemischten (FK-, BKE-) Gruppe
oder existiert sie unabhängig von einer Anbindung an
eine gemischte Gruppe?
• 7 x Zusatzangebot, teilweise mit Erläuterungen, wie „zur gem. BKGruppe (läuft parallel)" - „wird aber teilweise als Einzelangebot
genutzt" - „allerdings kommen die Angehörigen praktisch nicht zur
gemischten Gruppe" - „zur gemischten BKE-Gruppe"
• 4 x unabhängig, teilweise mit Erläuterungen, wie „von einer
gemischten Gruppe" - „Der Elternkreis ist von jeher eine reine
Angehörigengruppe." - „Sie soll unabhängig zentral im
Guttemplerhaus angeboten werden..." - „Wir sind eine unabhängige
Gruppe. Mit unseren Aktivitäten besteht eine Anbindung an die
Begegnungsgruppen."
Frage 3:
Arbeiten Sie bereits im Team?
• 8 x ja
• 2 x nein
• 1 xjein
Frage 4:
•
•
•
•
•
Wenn ja, wie gestaltet sich die Zusammenarbeit im
Moment im Team? Haben Sie eine Aufgabenverteilung
oder übernehmen Sie die Gesprächsmoderation
gemeinsam? Bereiten Sie die Inhalte des Abends jeweils
vor (getrennt oder gemeinsam)?
3 x keine Antwort
1 x Aufgabenverteilung
4 x gemeinsame Arbeit
2 x Moderation übernimmt einzelner
1 x keine Teammotivation, bereitet alleine vor, Widerstand
Frage 5:
Haben Sie „Rituale" / „Strukturen" in der Gruppe, z. B.
fangen Sie mit einem Blitzlicht an oder enden damit?
Beginnen Sie mit einigen einführenden Worten
(Meditation, Text) etc.?
2 x keine Antwort
1 x nein
2 x Gesprächsrunde, nur Austausch
7 x „Rituale" - „Strukturen", wie Blitzlicht, Stuhlkreis, gemeinsames
Singen, Abschlußworte, Schlußgebet, Andacht
Frage 6:
Welches sind wichtige, typische oder oft wiederkehrende
Themen und Inhalte der Gruppe?
• 2 x keine Antwort
• Angst vor Rückfall, Umgang mit Rückfällen
• Persönliche Probleme eines jeden Einzelnen (fehlendes
Selbstbewußtsein, Selbsterkenntnis, Partnerkonflikte, Vertrauen,
Mutter/Tochter-Rolle, Hilflosigkeit, Enttäuschung, Verhaltensweisen
versuchen zu ändern, Stärkung des Selbstwertes und Selbstbewußtseins, Vergangenheitsbewältigung, Abgrenzung, neue Lebensinhalte
finden)
• Aufarbeitung der Familienprobleme
• Informationslücken (Abhängigkeitserkrankung, Co-Abhängigkeit)
• Belastungen von „außen" (Diskriminierung)
Frage 7:
Aus Ihrer derzeitigen Situation heruas: Was wären für Sie
wichtige Themen und Inhalte für die zukünftigen
Seminare im Projekt bzw. der Praxisberatung
(Supervision)?
• Selbsterfahrung
• Gesprächsmoderation, Denkanstöße für Durchführungder
Gruppenarbeit, Aufbau und Leitung einer Angehörigengruppe
• sexueller Mißbrauch, Gewalterfahrung, Eifersucht
• Integration sozial Schwacher und Arbeitsloser
•
•
•
•
•
Information über Abhängigskeitserkrankung und Co-Abhängigkeit,
Auswirkung auf die Familie (Probleme der mitbetroffenen Ehefrau,
Kinder), Umgang mit einzelnen Phasen der Abhängigkeit
Motivation derNeuen
Entlastung durch Gespräche, neuen Lebensmut vermitteln
Schuldenberatung, Wege der gesetzlichen Betreuung, Trinken am
Arbeitsplatz und gesetzliche Konsequenzen
Supervision: eigene Begrenzungen, blinde Flecken wahrnehmen
lernen, „Wie gehe ich mit Zeitkillern um?"
C:\Daten\Mellenthin\Vermerke\diverse\Zusammenfass.Frageb.Angehor.-Gruppe.doc
Aufgaben der Gesprächsmoderation (in einer Gruppe)
• Klima der Offenheit und des Vertrauens schaffen
Das ist das wichtigste: Eine Atmosphäre der Offenheit und des Vertrauens sowie ein
lockerer, entspannter Umgangsstil. Nur dann kann produktiv gearbeitet werden - nur dann
findet Lernen statt. Dies beginnt mit der Offenheit und Ehrlichkeit sowie dem Humor der
Moderatorin / des Moderators. Sie/Er hat eine wichtige Vorbildfunktion.
• Kommunikation: Dialog kontrollieren
Gute Verständigung der Gruppenmitglieder untereinander ist das A und O. Die Moderatorin
/der Moderator sollte dafür sorgen, daß gut zugehört, nachgefragt, geklärt - und nicht
aufeinander ein- oder aneinander vorbei geredet wird.
• Gruppenentwicklung: Hilfe zur Selbsthilfe
Nicht alles selbst machen wollen, sondern dafür sorgen, daß die Gruppenmitglieder selbst
aktiv werden und bleiben; daß sie sensibler werden für die Qualität der Verständigung in der
Gruppe; und daß sie ihr Zusammenwirken selbständig 'entstören' und 'entspannen' lernen.
• Die Gruppe als Ganzes im Blick haben
Immer die 'Funktionsfähigkeit der Gesamtgruppe im Auge behalten. Das Prinzip lautet:
Jedes Gruppenmitglied ist ein wichtiger Partner! Für alle verfügbar und ansprechbar sein.
Niemanden bevorzugt behandeln, niemanden abqualifizieren, niemanden 'abhängen',
niemanden ausgrenzen.
• Sich selbst nicht unnötig unter Leistungsdruck setzen
Der Moderator/die Moderatorin muß nicht immer 'alles im Griff haben. Er /Sie kann nicht
zaubern. Er/Sie versteht nicht immer alles auf Anhieb. Er/Sie ist nicht 'schuld', wenn es mal
stockt oder zu einer Verstimmung kommt. Entscheidend ist einzig und allein sein/ihr
aufrichtiges Bemühen, die Gruppe bei der Analyse und Verarbeitung auftretender
Schwierigkeiten zu unterstützen.
Was bedeutet das konkret?
Welche Möglichkeiten hat ein/e Moderator/in, Einfluß zu nehmen?
• Hintergründe und Zusammenhänge klären
Gut moderieren kann nur, wer selbst genau versteht, von was die rede ist, was von wem gesagt
wird und welches die Hintergründe und Zusammenhänge der Fragen und Probleme sind, die in
der Gruppe besprochen werden. Das heißt: Er /Sie braucht allein schon für sich Klarheit. Er
/Sie muß aber auch im Interesse der Gruppe dafür sorgen, daß in komplexen Fragestellungen und darum handelt es sich sehr oft - nicht voreilige Schlüsse gezogen und vorschnelle
'Lösungen / Ratschläge' produziert, sondern die Hintergründe sorgfältig analysiert werden
trialog
Selbst gezielt nachfragen
z.B.
Ich habe das noch nicht verstanden. Um was geht es genau?
Das verstehe ich nicht, wo ist der Zusammenhang?
Warum sind Sie zu dieser Meinung gekommen?
Wie ist diese Situation entstanden? Usw.
oder die Gruppe zur Klärung anregen.... z.B.
Wissen alle, warum Xdiese Meinung vertritt?
Wissen alle, was genau X uns sagen und fragen will?
Haben bereits alle verstanden, wie die Situation entstanden ist?
Sind die Gründe för den Konflikt schon klar? Wenn nein, bitte nachfragen.
Geben Sie bitte keine Ratschläge, bevor Sie das Problem verstanden haben.
• Gute Verständigung sicherstellen
dafür sorgen, daß die Gruppenmitglieder einander gegenseitig gut zuhören und verstehen - und
nicht aneinander vorbeireden. Z.B.
Haben Sie verstanden, was Xschon gesagt hat?
Sind Sie sicher, daß die anderen verstanden haben, was Sie sagen wollten?
Lassen Sie ihn bitte ausreden, dann wird er sich verständlich machen können.
Kann bitte einer der Zuhörer wiedergeben, was er bis jetzt verstanden hat - dann weiß X, was
er noch erklären muß und was nicht
• Für Konkretisierung sorgen
Sicherstellen, daß Abstraktes, zu Allgemeines oder ganz einfach Unverständliches durch
Konkretisierung (Beispiel, Ergänzungen) verständlich gemacht wird. Z.B.
Können Sie das genauer beschreiben?
Bitte geben Sie uns ein praktisches Beispiel.
Das ist mir noch zu abstrakt, das verstehe ich noch nicht.
Wann waren Sie zuletzt in solch einer Situation - und wie war das genau?
Was heißt 'Man sollte'? Wer sollte was?
Bitte beschreiben Sie Schritt für Schritt, was genau passiert ist
zusammengestellt von:
Ingrid Arenz-Greiving, Dipl. Soz.Päd.
Mozartstrasse 9, 48249 Dülmen
Tel.: 02594/81055
trialog
Aufgaben der Moderation im Überblick
Hintergründe und Zusammenhänge klären
Gute Verständigung sicherstellen
Für Konkretisierung sorgen
Wortmeldungen zuteilen
Stille Gesprächsteilnehmer/innen ermutigen / aktivieren
Vielredner bremsen
Zum Thema zurückführen
Das Wesentliche herausarbeiten
Zwischenergebnisse festhalten
Meinungs- und Interessenunterschiede offenlegen
Konflikte bearbeiten / deutlich machen
Die Verständigung in der Gruppe zum Thema machen
Feedback / Rückmeldung geben
Gefühle und Empfindungen ansprechen
Eigene Gefühle zeigen
Zeit strukturieren
Ergebnisse sicherstellen / zusammenfassen(lassen)
Für klare Vereinbarungen sorgen
Gemeinsame Bilanz und 'Manöverkritik' anregen
Der „Dialogberater"
START
Ich bemerke...
Ich hoffe
Ich schätze es...
Ich erwarte...
Ich möchte...
Ich wäre froh,
wenn...
Es frustriert mich, daß...
Ich fürchte, daß
Ich nehme an, das bedeutet.
Ich möchte wissen...
Ich vermute,
daß du...
Ich glaube,
daß ich...
Mich stört...
Ich bin verwirrt...
Es verletzt mich, daß...
Ich bedaure, daß...
Das Selbstwertgefühl in der Kommunikation
Bei allen Gesprächen die Sie führen, sollten Sie immer das
Selbstwertgefühl Ihres Gegenübers beachten!
Greifen Sie niemals in Situationen in denen Sie für Ihr Anliegen
werben, das Selbstwertgefühl Ihres Gesprächspartners an.
Selbstwertgefühl-Waage
Das bin Ich
Das ist mein
Gesprächspartner
oder das Team
Ich bin o.k.
Du bist o.k.
10 Grundregeln effektiver Gesprächsführung
1. Sprechen Sie in klaren, deutlichen Sätzen, die für Ihren Gesprächspartner
sofort verständlich sind.
2. Aktives Zuhören ist die Grundlage jedes guten Gespräches.
3. Gute Gespräche brauchen Zeit. Fragen Sie daher Ihren Gesprächspartner
wann Er/Sie für ein Gespräch Zeit hat. Achten Sie auch darauf, daß Sie
ungestört miteinder sprechen können.
4. Bitten Sie Ihre Gesprächspartner um Rückmeldung. So erfahren Sie, ob Sie
richtig verstanden wurden.
5 Stellen Sie einen positiven Kontakt zu Ihrem Gesprächspartner her.
6. Fragen fördern den Gesprächsverlauf. Achten Sie aber darauf, das Sie Ihren
Gesprächspartner nicht ausfragen.
7. Achten Sie auf die Mimik und Körpersprache Ihrer Gesprächspartner.
8. Sprechen Sie die Gefuhlslage Ihres Gesprächspartners an.
9. Sprechen Sie mit „Ich-Botschaften". Vermeiden Sie per „man" oder „wir"
zu sprechen.
10. Fassen Sie das Ergebnis des Gespräches noch einmal zusammen.
Grundsätze für den Umgang mit "unterschiedlichen Wahrheiten" in der
Angehörigen- und der gemischen Gesprächsgruppe
Der Blickwinkel ist in der gemischten Gesprächsgruppe anders, als in der
Angehörigengruppe,
ein Beurteilung wie "Lüge" oder "Wahrheit" hilft dabei nicht weiter,
die unterschiedlichen Blickwinkel sollen allen Beteiligten bewußt sein / bewußt
gemacht werden,
der Gruppenmoderator muß aufpassen, daß er sich nicht einen Blickwinkel
aufzwingen läßt,
Geschieht es doch, so sollte er seine Irritationen mitteilen und die damit
verbundenen Probleme offen machen. Je früher dies angesprochen wird, desto
besser.
Der Gesprächspartner, der einen Sachverhalt in der gemischten Gruppe ganz
anders darstellt als in der Angehörigengruppe sollte "den Spiegel vorgehalten
bekommen", damit er merkt, wie dies beim Moderator / der Gruppe ankommt, z.B.
"In der Angehörigengruppe hast du das aber ganz anders dargestellt, und das
verwirrt mich jetzt." (1. Schritt: noch nicht ins Detail gehen, sondern eigene
Irritation deutlich machen und fragen, wie das zu erklären ist).
Mit der Angehörigengruppe gemeinsam erarbeiten, welche Schritte generell in
einem solchen Fall zur Anwendung kommen, z.B. 1. Schritt wie oben ausgeführt,
nächster Schritt: "Das, was Du in der Angehörigengruppe dargestellt hast, hat uns
alle sehr betroffen gemacht, und ich kann nicht aushalten, zu hören wie Du das
jetzt darstellst. Ich bitte Dich, dazu noch einmal Stellung zu nehmen". Der 3.
Schritt könnte dann sein, daß der Sachverhalt - mit Ankündigung - so dargestellt
wird, wie er in der Angehörigengruppe dargestellt bzw. verstanden wurde. Die
Ausarbeitung und konsequente Befolgung solcher Schritte könnte auch zu den
Gruppenregeln einer Angehörigengruppe gehören, denn:
Transparenz führt zu Klarheit im Umgang miteinander.
Grundsätze für die Behandlung des Themas „Grenzüberschreitung" in der
Selbsthilfe-Gruppe „Sucht"
1.) Für die Thematik „Grenzüberschreitung" benötigt die Gruppe Zeit und Raum.
2.) Das Thema muß begrenzt werden.
3.) Ziel ist nicht, alles zu erzählen, was man jemals erlebt hat, alles „auszupacken"
bis es allen schlecht geht. Ziel ist, einiges zu erzählen, um Kontakt zu den
Gefühlen zu bekommen und Gegenwehr zu entwickeln.
4.) Wichtig ist, dem Ungeheuerlichen Worte zu geben. Der Moderator muß auf
Dosierung achten („den Sack aufmachen, ihn aber auch wieder zubinden")! Die
betroffene Angehörige muß auch vor eigener Grenzüberschreitung geschützt
werden.
5.) Wichtig ist, mit der Gruppe zu verabreden, daß bei den Erzählungen von
Angehörigen zum Thema „Grenzüberschreitung" nicht gelacht werden darf. Das
ist sonst die nächste Form von Grenzüberschreitung, die der Angehörige erlebt.
6.) Angehörige müssen immer wieder hören, daß auch sie Menschenwürde haben,
und lernen, sich nicht selbst „mit Füßen zu treten".
Was können Angehörigengruppen hierbei leisten?
•
Die Gruppe kann Hilfestellung sein, um Worte zu finden, die Grenzüberschreitungen zu benennen, die Verletzung zu spüren und das Bedürfnis nach
Grenzziehung zu wecken.
•
Die Gruppe kann helfen, klar auszusprechen, welche Form von
Grenzüberschreitungen wie erlebt wurde und diese nicht zu verniedlichen,
z.B.dadurch daß ein weiteres Gruppenmitglied aus seiner eigenen Erfahrung
Beispiele nennt und hier dann z.B. klar sagt: "Ich fand am schlimmsten, wenn er
mich als blöde Schlampe betitelte."
•
Die Gruppe sollte auch eigene Gefühle und Gedanken zu den Erfahrungen
benennen, z.B. das eigene Entsetzen ausdrücken, damit die "Opfer" merken, daß
es nicht normal ist, was der betroffenen Angehörigen passierte / angetan wird.
Die Moderation sollte hierzu auf folgende Haltungen achten:
•
Zeit haben und lassen, d.h. den Zeitrahmen vorher klären,
•
(innere) Ruhe,
•
verstehen und einfühlen, nicht (ver-)urteilen,
•
Mut haben, die Realität der Erfahrungen und Empfindungen so zu sehen, wie sie
sind und Worte finden, die die Erfahrungen wirklich ausdrücken (nicht ironisch
werden oder lachen aus Verlegenheit)
•
Struktur und Rahmen schaffen, damit Gefühle Platz haben,
•
kleine Schritte machen, statt den "Sack ganz zu öffnen" oder etwa wegzusehen.
Ziele dieser Gesprächsführung sind:
•
aussprechen der schmerzvollen Erfahrungen und Gefühle,
•
dadurch erfahren, daß diese losgelassen werden können und sich später
verändern,
•
Selbstwert der von Grenzüberschreitung betroffenen Menschen stärken,
•
ihnen vermitteln, daß sie persönliche Rechte haben (oft wiederholen!).
•
vermitteln: Du bist nicht allein, Du mußt es nicht aushalten, Du hast ein Recht auf
Respekt und Menschenwürde!
•
durch (nach-)fragen helfen, erste kleine Schritte aus der Situation heraus zu tun,
•
bei akuter Gewalt: Erste Hilfe-Maßnahmen (Leben schützen) einleiten,
•
Hilfe zur Selbsthilfe, um die eigenen Kräfte zu finden und schließlich zu nutzen.
Verschweigen bringt mit sich,
daß Gewalt / Grenzüberschreitung verlängert werden kann.
Verschweigen kann auch Mittäterschaft bedeuten!
Projekt
„Beratung und Information von Angehörigen in SuchtSelbsthilfegruppen
LITERATUR-LISTE
Geschichten von Co-Abhängigen / über Co-Abhängigkeit
Dombrowe, Margot
Ab morgen nie wieder
Der verzweifelte Kampfeiner Mutter um ihr drogensüchtiges Kind
Herder Spektrum, Freiburg (1991)
Fuchs, Ursula
Wiebke und Paul
Anrich-Verlag GmbH, Kevelar (1982)
ISBN: 3-920110-74-9
Heeg, Christine
Mein Mann, der Alkoholiker
Eine wahre Geschichte
Verlag Hartmut Becker, Marburg (1996)
ISBN 3-929480-21-2
Johansen, Margret
Du kannst doch nicht einfach gehen (Roman)
Knaur Verlag (Frauen und Literatur)
Neumann, Christina
Ertrunkene Liebe
Geschichte einer Co-Abhängigkeit
Edition Balance
Psychiatrie-Verlag, Bonn (1998)
ISBN 3 88 414217-8
Projekt „Mädchen aus suchtkranken Familien" (Hg.)
Traubensaft aus Weißweinflaschen
Mädchen und Frauen erzählen von Familiengeheimnissen
Hamburg, 1996
zu beziehen über: Deutscher Guttempler-Orden, Adenauerallee 45, 20097 Hamburg
Reichmann, Linda
Wege aus der Drogensucht - Berichte über Menschen, die den Ausstieg
geschafft haben
Brigitte-Buch im Mosaik Verlag, München 1994
Sommer, Christine Maria
Aus Liebe zum Leben
Erinnerungen einer Außenseiterin
zu beziehen über: Sommer-Verlag, Hardtstr. 23, 73061 Ebersbach / Fils
Tikkanen, Märta
Die Liebesgeschichte des Jahrhunderts
Roman in Gedichten
Reinbek bei Hamburg (1988)
680 ISBN: 3499 14701 7
Wissen über Co-Abhängigkeit
Arenz-Greiving, Ingrid
Abhängig vom Alkohol
Wege aus einer Krankheit
Lambertus Verlag, Freiburg 1997
Aßfalg, Reinhold
Die heimliche Unterstützung der Sucht: Co-Abhängigkeit
Neuland, Hamburg (1990)
ISBN 3-87581-094-5
Beattie, Melody
Die Sucht, gebraucht zu werden
Wilhelm Heye Verlag, München (1990)
ISBN 3-453-03760-X
Beattie, Melody
Unabhängig sein
Jenseits der Sucht, gebraucht zu werden
Wilhelm Heye Verlag, München (1990)
ISBN 3-453-04613-7
Coington, Stephanie / Beckett, Liana
Immer wieder glaubst du, es ist Liebe
Wege aus der Beziehungssucht
Kösel, München (1990)
ISBN 3-466-30006-1
DHS (Hg.)
Frau Sucht Gesundheit
„Co-Abhängigkeit" und Beziehungssucht
Hamm ohne Jahr
Doll, Antje
Endlich reden
Frauen von alkoholabhängigen Männern berichten
Galgenberg, Hamburg (1990)
ISBN 3-925387-63-3
Klein, Hans
Sie trinken jetzt nicht mehr, aber...
Beratungsgespräche mit Angehörigen von ehemaligen Alkoholabhängigen
Blaukreuz-Verlag, Wuppertal (1987)
ISBN 3-89175-022-6
Klein, Hans
Beratungssgespräche mit Angehörigen von Alkoholabhängigen
Wie Angehörige sinnvoll helfen können
Blaukreuz-Verlag, Wuppertal (1990)
ISBN 3-89175-083-3
Kolitzus, Helmut
Die Liebe und der Suff ...
Schicksalsgemeinschaft Suchtfamilie
Kösel, München (1997)
ISBN 3-466-30439-3
Lambrou, Ursula
Familienkrankheit Alkoholismus
Im Sog der Abhängigkeit
Reinbek bei Hamburg (1990)
1290-ISBN 3499 18771 X
Lambrou, Ursula
Helfen oder aufgeben
Ein Ratgeber für Angehörige von Alkoholikern
Reinbek bei Hamburg (1996)
1290-ISBN 3499 199556
Lask, Karl
Der Kuß der Selene
Frauen von Alkoholabhängigen machen Mut
Blaukreuz-Verlag, Wuppertal (1988)
ISBN 3-89175-036-6
Mellody, Pia
Verstrickt in die Probleme anderer
Über Entstehung und Auswirkung von Co-Abhängigkeit
Kösel-Verlag, München (1991)
ISBN 3-466-30309-5
Mellody, Pia / Wells Miller, Andrea
Wege aus der Co-Abhängigkeit
Ein Selbsthilfebuch
Kösel-Verlag, München (1992)
ISBN 3-466-30310-9
Norwood, Robin
Wenn Frauen zu sehr lieben
Die heimliche Sucht, gebraucht zu werden
Reinbek bei Hamburg (1987)
ISBN 3 498 04626 8
Norwood, Robin
Briefe von Frauen, die zu sehr lieben
Betroffene machen Hoffnung
Reinbek bei Hamburg (1988)
ISBN 3 498 04632 2
Rennert, Monika
Co-Abhängigkeit
Was Sucht für die Familie bedeutet
Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau (1989)
ISBN 3-7841-0443-6
Schaef, Anne Wilson
Co-Abhängigkeit
Nicht erkannt und falsch behandelt
Verlag Mona Bögner-Kaufmann, Wildberg (1986)
Weikert, Annegret und Wolfgang
Wenn Männer zuviel trinken
Frauen lernen, mit Alkoholproblemen in der Beziehung umzugehen
Goldmann-Verlag, München (1993)
(Erwachsene) Kinder von Suchtkranken
AI-Anon-Familiengruppen Interessengemeinschaft e.V.(Hg.)
Was heißt „betrunken", Mama?
Essen (1979)
zu beziehen über: Zentrales Dienstbüro, Emilienstr. 4, 45128 Essen
AI-Anon-Familiengruppen Interessengemeinschaft e.V.(Hg.)
Alateen - Hoffnung für Kinder von Alkoholikern
Essen (1987)
zu beziehen über: Zentrales Dienstbüro, Emilienstr. 4, 45128 Essen
Appel, Christa (Hg.)
Kinder alkoholabhängiger Eltern
Ergebnisse aus der Suchtforschung
Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau (1994)
Arenz-Greiving, Ingrid
Die vergessenen Kinder
Kinder von Suchtkranken
Hoheneck Verlag Hamm (1998)
ISBN 3-7781-0847-6
Arenz-Greiving, Ingrid /Dilger, Helga (Hg.)
Elternsüchte - Kindernöte
Berichte aus der Praxis
Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau (1994)
Black, Claudia
Mir kann das nicht passieren!
Kinder von Alkoholikern als Kinder, Jugendliche und Erwachsene
Bögner-Kaufmann, Wildberg (1988)
Brakhoff, Jutta
Kinder von Suchtkranken
Situation, Prävention, Beratung und Therapie
Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau (1987)
Klaus, Tom
Wenn Vater zuviel trinkt
Perspektiven für junge Leute und ihre Helfer
Blau-Kreuz-Verlag, Wuppertal (1992)
ISBN 3 89175 0889
Lask, Karl
Wir brechen das Schweigen
Kinder von Alkoholabhängigen wecken Hoffnung
Blaukreuz-Verlag, Wuppertal (1992)
ISBN 3-89175-059-5
Wegschneider, Sharon
Es gibt doch eine Chance.
Hoffnung und Heilung für die Alkoholiker-Familie
Bögner-Kaufmann, Wildberg (1988)
Woititz, Janet G.
Um die Kindheit betrogen
Hoffnung und Heilung für erwachsene Kinder von Suchtkranken
Kösel, München (1990)
ISBN 3-466-30301-X
Woititz, Janet G.
Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit
Wie erwachsene Kinder von Suchtkranken Nähe zulassen können
Kösel, München (1991)
Hilfen zur Leitung von Angehörigen-Gruppen in der Sucht-Selbsthilfe
Agonito, Rosemary
„Nett" war ich lange genug, jetzt setze ich mich durch
Ein Selbstbehauptungstraining für Frauen
EGON Taschenbuchverlag
ISBN 3-612-21285-0
Arenz-Greiving, Ingrid
Selbsthilfegruppen für Suchtkranke und Angehörige
Ein Handbuch für Leiterinnen und Leiter
Lambertus Verlag, Freiburg 1998
Göde, Ernst / Listing Thomas
Gruppen erfolgreich leiten - Empfehlungen für die Zusammenarbeit mit
Erwachsenen
Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1995
Klein, Irene
Gruppenleiten ohne Angst
Ein Handbuch für Gruppenleiter
Pfeiffer Verlag, München 19984
Stand: 02.02.1999