Billig um jeden Preis

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Billig um jeden Preis
Infodienst
Discounter-Giganten am Pranger
Billig um jeden Preis
„Aldi informiert: Geiz ist grausam“ – Nein, leider noch nicht. In dem
bekannten Faltblatt sowie in der wöchentlich erscheinenden Anzeige in den
Tageszeitungen werden die KundInnen über die neuesten Schnäppchen
aus dem Albrecht Discount (Aldi) informiert.
Text: Sandra Dusch Silva (CIR)
Aldi informiert
mal wieder über
ein ComputerSchnäppchen.
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Presente Juni 2008
Aldi Nord (Theo Albrecht) und Aldi Süd
(Karl Albrecht), hatten sie eine Lebensmittelkette mit 300 Läden und einem
Umsatz von 90 Millionen D-Mark.
Heute gibt es in Deutschland gut 4.000
Filialen mit einem Umsatz von insgesamt rund 25 Milliarden Euro. Nicht
nur Menschen mit schmalem Geldbeutel gehen auf Schnäppchenjagd. 85 Prozent der BundesbürgerInnen kaufen
zumindest gelegentlich bei Aldi ein und
Besserverdienende sind hier sogar die
größte KundInnengruppe. In 16 Ländern gibt es mittlerweile die Billigtempel. In Österreich ist Aldi Süd bereits
seit 1968 unter dem Namen Hofer mit
mehr als 400 Kaufhallen vertreten.
Nicht die Bohne
Aldi hat, wie alle Discounter, ein begrenztes Warensortiment mit rund 700
Artikel im Angebot. Aldi Nord verkauft
beispielsweise erst seit 2004 loses Obst
und Gemüse. Sehr erfolgreich sind
Nord und Süd im Kaffeegeschäft: Der
gesamte Röstkaffee wird in eigenen
Röstereien hergestellt. Mit 17 Prozent
Umsatzanteil gehört Aldi unter den
Kaffeeröstern und -händlern zu den
großen Drei neben Tchibo und Kraft
Foods (Jacobs-Kaffee).
Tchibo und Kraft sind Mitglied bei
der Common Code for the Coffee Com-
Fotos: CIR-Archiv
S
chnäppchenjägerInnen reihen
sich schon früh am Morgen in
die Schlangen vor den schmucklos standardisierten Aldi-Kauf hallen
ein, um eines der begehrten Billig-Produkte zu ergattern. Keine aufwändige
Ladenausstattung. Keine teure Reklame. Keine kostenintensiven Frischwaren. Das Prinzip Aldi machte aus den
Brüdern Karl und Theo Albrecht die
reichsten Männer
Deutschlands mit
einem Vermögen
von schätzungsweise 30 Milliarden
Euro. Die Wurzeln
des Discounter-Imperiums liegen in
Essen. Dort übernahmen die beiden
Brüder das kleine
L ebensmit telgeschäft der Mutter. Es wurde an allem
gespart, was teuer war oder unnötige
Kosten verursachte. Zudem zogen die
Brüder den damals gesetzlich erlaubten
Rabatt von drei Prozent von vornherein
vom Preis ab. Die dadurch gewonnene
Kostenreduktion wurde an die EndverbraucherInnen in Form niedrigerer
Preise weitergegeben.
Das Billig-Prinzip hatte Erfolg. Bereits 1960, im Jahr der Aufteilung in
Sozialstandards
scheinen Aldi „nicht
die Bohne“ zu
interessieren.Das
Prinzip „Hauptsache
billig“ funktioniert
nicht für würdige
Arbeitsbedingungen.
munity (4C). Ziel der sogenannten
4C-Initiative ist es, gemeinsam mit
Kaffee-Konzernen,
ProduzentInnen,
Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sowohl die Produktqualität als auch die sozialen und
ökologischen Produktionsbedingungen
zu verbessern. Die Idee dabei: Bessere
soziale Bedingungen und höhere Ökostandards auf den Kaffeefarmen auf der
einen Seite, führen zu einer besseren
und gleichbleibenden Rohstoffqualität
für die Röster und Händler auf der anderen. Leitlinien des Vereins sind u.a.
der Schutz der ökologischen Vielfalt,
mehr Effizienz der Lieferkette, besserer Marktzugang für die Kaffeebauern,
kontrollierter Pestizideinsatz, keine
Kinderarbeit sowie Trainings- und Fortbildungskurse für die KaffeeproduzentInnen.
Was sich auf dem Papier ganz gut anhört, muss sich in der Praxis aber erst
noch beweisen. Immerhin unterliegen
heute rund 3,5 Prozent des weltweiten
Kaffeeangebots 4C-Kriterien. Der Anteil
könnte sich drastisch erhöhen, wenn
auch Discounter, die ein Großteil des
Kaffees für den Massenmarkt „mainstream“ verkaufen, Mitglied werden.
Aldi, als größter Anbieter von Discounter-Kaffee, kommt hier eine zentrale
Rolle zu. Um den Konzern zu mehr
sozialer Verantwortung zu bewegen,
startete die CIR vergangenen Herbst die
Aktion „Billiger Kaffee macht arm“. Die
CIR griff die Frage auf, woher die Kaffeebohnen kommen, die in den Filialen
von Aldi Nord für knapp drei Euro das
Pfund angeboten werden. Und forderte
den Konzern auf, endlich Farbe zu bekennen.
Proteste gegen Aldi
Kritische
KonsumentInnen
aus
Deutschland und Österreich beteiligten
sich an der Protestaktion. Tausende
Karten gingen in Essen (Aldi Nord) ein
– doch Aldi hüllte sich in Schweigen.
Im Gegensatz zu Hofer, der zu Aldi Süd
gehört und vom CIR-Partner SüdwindAgentur in Wien unter Druck gesetzt
wurde: Hofer nahm mit Fairtrade Kontakt auf, und heute gibt es in den Filialen “fairen” Kaffee unter der Eigenmarke “Natur aktiv” zu kaufen. Mindestens
ein „Nischenerfolg“ – doch für den
Kaffee im Massenmakt („mainstream“)
fehlt bei Aldi noch eine Lösung.
Presente JUni 2008
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Infodienst
De-facto-Kasernierung
Immer mehr Umsatz machen die Discounter im Non-Food-Bereich. So ist
Aldi größter Verkäufer von Computern
oder auch achtgrößter Textileinzelhändler der Republik. Über eine Milliarde
Euro setzt Aldi jedes Jahr allein mit
Kleidung um. Die Hemden und Hosen
kommen vorwiegend aus China und
Bangladesh. Wie diese beispielsweise
im Osten Chinas, in der chinesischen
Provinz Jiangsu, geschneidert werden,
untersuchte das Südwind-Institut. Das
Ergebnis: Hungerlöhne, weit unter dem
gesetzlichen Mindestlohn von 480 bzw.
690 Yuan (ca. 46 bzw. 66 Euro) – und
dies für einen Akkordmarathon
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von morgens 8 bis abends um 21 Uhr.
Rückt die Deadline für eine Produktion näher, fordert das Management oft
das Durcharbeiten bis in die frühen
Morgenstunden. Bei den extrem langen
Arbeitszeiten spielen betriebsinterne
Schlafräume eine wichtige Rolle, denn
sie garantieren durch De-facto-Kasernierung die Verfügbarkeit der ArbeiterInnen rund um die Uhr.
Die Kampagne für ‚Saubere‘ Kleidung (CCC) stellte Aldi an den Pranger
und informierte über die skandalösen
Arbeitsbedingungen. Es gab Proteste
vor den Filialen und per Post. Aldi
bezog Stellung, beteuerte den Willen menschenwürdig produzieren
lassen zu wollen und trat 2008
der europäischen Business Social
Compliance Initiative (BSCI) bei.
Auch der Konkurrent Lidl ist seit
2006 BSCI-Mitglied, nachdem
sich die Negativschlagzeilen
Sergio
Chávez aus El Salvador ist ein alter Hase im Kampf
um Arbeitsrechte. Er spricht aus seiner
15jährigen Erfahrung mit freiwilligen Verhaltenskodizes internationaler Konzerne:
• Zu welchen Verbesserungen führten
die von der Kampagne für ‚Saubere‘
Kleidung (CCC) durchgesetzen freiwilligen Arbeitstandards in Mittelamerika?
• Welche neuen Wege muss die CCC
gehen, um die Grenzen der Freiwilligkeit zu überwinden?
• Ist eine staatliche Kontrolle die richtige Lösung?
Dieses Jahr widmet sich die CIR auf ihrer
jährlichen Herbsttagung dem Thema
Dies und mehr diskutiert der CIR-Gast gemeinsam mit ExpertInnen und UnternehmensvertreterInnen aus Deutschland.
Anmeldungen und weitere Informationen: im
CIR-Büro (Tel.: 0251-89503) oder unter
Presente Juni 2008
„CSR zwischen Freiwilligkeit
und staatlicher Regulierung“
mit zahlreichen Vorträgen sowie einer
Podiumsdiskussion mit internationalen
Gästen. Auch politisches Theater zum
Mitmachen steht auf dem Programm.
Wann?
Samstag 20. September, ab 14:30 Uhr
Wo?
Franz-Hize-Haus in Münster
www.ci-romero.de
durch eine Kampagne von attac und
ver.di überschlugen.
Veröffentlichung: Gefördert von InWent gGmbH aus Mitteln des BMZ.
Aldis Alibi
Doch die europäische „Business Social
Compliance Initiative – BSCI“ ist für
die beiden Discounter eher eine AlibiShow. Die Mitgliedsunternehmen (neben Aldi und Lidl auch KarstadtQuelle,
C&A, Deichmann, u.a.) verpflichten
sich in einem Verhaltenskodex, grundlegende Standards der Internationalen
Arbeitsorganisation (ILO) entlang ihrer
Produktionskette zu garantieren. Doch
Papier ist geduldig: Eine unabhängige
Kontrolle durch lokale Gewerkschaften
und NGOs fehlt. Wie die meisten seiner
Mitgliedsunternehmen hüllt sich auch
BSCI gern in Schweigen, Transparenz
Fehlanzeige. Ergebnisse von Firmenkontrollen, sogenannte Audits, werden nicht veröffentlicht. Löhne, die die
Grundbedürfnisse befriedigen, werden
nicht einmal gefordert.
Zudem blendet die Initiative die globale Praxis der Beschaffung ihrer Mitglieder aus. Ein großer Fehler, denn
gerade die Einkaufspraktiken der Discounter, der Preisdruck und die kurzen
Lieferfristen, hebeln Arbeits- und Sozialstandards aus. Die Folge: Hungerlöhnen und Akkordmarathon wie bei den
Aldi-Zulieferern in China.
Geiz ist grausam, wenn er auf der
Ausbeutung unzähliger Menschen beruht. Aldi und die anderen BSCI-Unternehmen müssen die Fabriken benennen und die KundInnnen informieren,
wo und unter welchen Bedingungen
die Bananen, der Kaffee, die Kleider
und Computer hergestellt werden. Nur
wenn der Konzern die Einkaufspraktiken offenlegt und so gestaltet, dass
die Einhaltung grundlegender Sozialstandards möglich ist, werden sich die
Arbeitsbedingungen verbessern.
Die Mitgliedschaft in der
BSCI reicht nicht
aus. Eine Mitgliedschaft in der
4C-Initiative wäre
für den Aldi-Kaffee ein wichtiger
Zwischenschritt.
Insgesamt muss
Aldi für menschenwürdige
Löhne
sorgen
und seine Zulieferer im Rahmen bestehender
Multi-Stakeholder-Initiativen unabhängig kontrollieren lassen, also unter Beteiligung von
Gewerkschaften und NGOs.
Keine Lösung?!
Schuften im Akkord
zum Hungerlohn ist
Alltag in den Fabriken, die für Aldi
und Co. fertigen.
Wenn Aldi und Co. zu einer Mitgliedschaft nicht bereit sind, dann müssen
die jeweiligen Regierungen den nächsten Schritt gehen und die multinationalen Unternehmen zu einer globalen
sozialen Rechenschaft und Haftung
verpflichten. Aldi (wie auch Lidl) sind
Schlusslichter in puncto soziale Verantwortung. Dies stellte selbst das Manager-Magazin in seinem „Good Company
Ranking 2007“ fest. In diesem – übrigens methodisch höchst fragwürdigen –
Test nahmen sie von 120 europäischen
Konzernen die Plätze 118 (Aldi) und 119
(Lidl) ein. Bewertet wurden unter anderem der Umgang mit MitarbeiterInnen,
soziales Engagement, Umweltschutz
und Transparenz.
Es ist Zeit dies zu ändern!
machen Sie mit!
Beteiligen Sie sich an den Aktionen!
Bestellen Sie ein Aldi-Protestpaket auf
dem Bestellschein (S. 31) oder unter
www.ci-romero.de/materialien
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