Profil_Nr 9_2014

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Profil_Nr 9_2014
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WIRTSCHAFT
Weibsbilder
In den Chefetagen der heimischen Großunternehmen findet
man Frauen nur mit der Lupe. Veränderung: nicht in Sicht.
VON CHRlSTINA HIPTMAVR
L
auren Conrad fiel bisher nichl
durch frauen kämpferische Haltung auf. Blond. süß und aus
•Den Unternehmen
ist es nicht gelungen. ein
entsprechendes Umfeld für
Frauen zu schaffen."
Birgit Wagner.
ÖBB Personenverkehr
wohlhabender Familie, ein perfek-
tes Highschool-Prinzesschen, das nach der
Schule wohl den Quartcrback heiraten
wird, den sie schon als Cheerlcadcrin gedatet hai. So beschrieb sie zumindest die
Klatschillustriene ~Bunte·.
Als Protagonistin der MTV-Realityse-
rie .laguna Beach", die das HighschoolAbschlussjahr junger, schöner Menschen
zwischen Surfen, Shopping und kleineren Beziehungsdramen hegleilcle, hai es
die mittlerweile 28-Jährige in den USA zur
Berühmtheit gebracht. Eine zweite Paris
Hilton. die aber im Gegensatz zu ihrer Kollegin nie auf das Höschen vergessen würde.ln Anbetracht ihres .Braven-MädchenImages· sollte sie wohl kürzlich in einer
Radioshow mit anzüglichen Fragen aus
der Fassung gebracht werden.•Was ist deine Lieblingsposition?", hieß es da. Comad
überlegte für ihren schlagfertigen Konter
nur kurz.•CEO·, flötete sie dann.
Im Österreich des Jahres 2014 wäre das
ein frommer Wunsch. Das Karriereziel
Vorstandsvorsitzende ist für Frauen nicht
32 profil9' 24. Februar 2014
vorgesehen. Unter den 200 umsatzstärksten Unternehmen des Landes findet sich
nur eine einzige: Monika Kircher-Kohl
vom Halbleiterhersteller Infineon, die
Ende März aus dem Konzern ausscheiden
wird. Mit Sabine Herlitschka ist aber bereits für die Nachfolge gesorgt.
Frauennamen kommen einem allenfalls noch bei den Ausstellungshäusem
in den Sinn. die fast schon mehrheitlich
(Technisches und Kunsthistorisches Museum oder Nationalbibliothek) in weiblicher Hand sind.
Ganz an der Spitze wird die Luft dünn.
Je höher die Berufsposition ist, desto ausgeprägter kommt die Vorherrschaft der
Männer zur Geltung. Besonders hierzulande. Aktuelle Studien und Erhebungen
zum Thema .Frauen in Führungspositionen· zeigen samt und sonders: Österreich
hinkt im internationalen Vergleich weit
nach. Trotz mancher Anstrengungen von
Seiten der Politik steht Frauen auf dem
Weg nach oben viel im Weg.
.Spaziergang war es auch bei mir keiner", meint Bellina Glal2-Kremsner. Als
Vorständin der Casinos Austria und der
Österreich ischen Lotterien ist sie eine der
wenigen Österreicherinnen, die es bis ins
Topmanagement geschafft haben.
Eine Ende vergangener Woche veröffentlichte Studie der Arbeiterkammer
(AK), der .Frauen.Management.Report.
2014", legt die nackten lahlen auf den
Tisch. Lediglich 34 von insgesamt 606 Positionen in den Geschäftsführungen der
200 umsatzstärksten Unternehmen Österreichs sind mit Frauen besetzt. Das ist ein
Anteil von mageren 5,6 Prozenl. Wie im
Jahr zuvor. In den vergangenen zehn Jahren hat er sich nur um 2,7 Prozentpunkte erhöht.
Traditionell höher ist der Anteil der
Frauen in den Aufsichtsraten. Aktuell liegt
er bei 13.9 Prozent. Damit werden 250 von
1796 Aufsichtsratsmandaten von Frauen
ausgeübt. Im Vergleich zum VoIjahreine
Steigerung von 0,5 Prozentpunkten.
Die in Ungarn aufgewachsene Diplomatemochter Glatz-Krernsner ortet vor allem im hierzulande vorherrschenden
Frauenbild die Gründe dafür. dass ihr auf
oberster Ebene der heimischen Großunternehmen kaum Geschlechlsgenossin-
8ettina (jlatz-Kremsner,
Österreichische Lotterien,
Casinos Austria
.JÖssas, was sagt da dein
Mann dazu?·
\
/
\
nen gegenüberstehen.•In Ungarn war es
immer selbstverständlich, dass alle Frauen gearbeilet haben. Die kulturellen Unterschiede haben sich besonders deutlich
gezeigt. als ich in den Vorstand berufen
wurde·, sagt die Managerin. Die Reaktionen diesseilS undjenseilS der Grenze hälten unterschiedlicher nicht sein können.
Während die ungarischen Freunde nach
ihren Zielen für das Unternehmen gefragt
hällen, meinten die östeneichischen: .JÖssas, was sagt da dein Mann dazu?"
Reaktionen, die Birgit Noggler nur all·
zu gut kennt: .Man wird immer noch als
Exot betrachtet: 2008 übernahm sie den
Finanzbereich der Immofinanz AG. In ci·
ner Phase, als das Unternehmen von einem Anleger- und dem Buwogskandal gebeutelt wurde und sich in seiner schwersten Krise befand. Seit 2011 ist sie
vorstandsmitglied. Noch heute bekomme
sie manchmal. wenn sie bei geschäftlichen Verhandlungen im Namen des Unternehmens EntsCheidungen trifft, .vorwiegend von älteren Herren" zu hören:
.Da muss ich noch mit Ihrem Kollegen reden: Ein Umstand, der sie mehr amüsiert,
denn ärgert.
Noggler gehört einer raren Spezies an.
In der AK-Studie schneiden die an der
Abgeschlagen
Frauen in den höchsten
EntsdKoidungsgremien dt'f gr66ten
börsenl'lOtit'rten Untt'mt'hmen
Europas.
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Großbritann.
18
Tschechien
18
Litauen
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Bulgarien
15
Spanien_14
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Italien_n
Österreieh_u'
Ungarn_u
Irland_11,
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Luxemburg_1o
Ruffiänien_,
Zypem_,
EstIand_.
PMugaI.,
Griechenland. ,
Malta_)
. EU..ß: 17%
Wiener Börse notierten Unternehmen
noch deutlich schlechter als die Top 200
ab. Bedingt durch den Wechsel von Ulrike Baumganner-Gabiuer vom verbund
zum Netzbetrtiber Austrian Power Grid,
ist hier der Frauenanteil auf Vorstandsebene sogar rUckläufig. Nur noch 3,1 Prozent aller Posten sind weiblich besetzt. In
absoluten Zahlen: Unter 195 Vorständen
finden sich nur sechs Frauen.
Kaum Bewegung auch bei den AufsichlSrätinnen: Nur knapp zwölf Prozent,
also 69 von 577 Mandalen, sind in weiblicher Hand. 2013 waren es 11,5 Prozent.
Ein beschämendes Ergebnis. Schließlich sollen die Unternehmen gemäß Corporate Governance Kodex - der freiwilligen SelbslVerpflichtung zu guter Unternehmensführung - bei der Zusammensetzung
des AufsichtsralS 8Aspekte der Diversität
im Hinblick auf die Vertretung heider Geschlechter ... angemessen berücksichtigen·. Die Definition. was als ..angemessen"
zu verstehen ist, unterbleibt.
Zudem müssen börsennotiene Umernehmen laut Kodex seit2010 in ihren Berichlen offenlegen, .welche Maßnahmen
zur Förderung von Frauen in AufsichlSrat, Vorstand und in leitenden Stellungen
gesetzt werden". Bloß: Jedes neume Un-'"
24. Februar 2014. profil 9 33
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WllTSCHAFT
Barbara Potisk-Eibensteiner, RHI
Blrgit Noggler,lmmofinanz
"Man wird immer noch
als Exot betrachtet."
"Bis in die mittlere Managementebene sind Frauen gut
vertreten. Mit den Kindern
kommt der Karriereknick:'
1-\----"
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ternehmen ignorien diese Bestimmung
gänzlicb. Jedes flinfte kommt zwar der Be·
richtspflicht nach. schreibt aber lapidar.
dass es weder konkrete Maßnahmen noch
Ziele zur Förderung von Frauen setzt.
Eine Missachtung der Standards bleibt
sanktionslos.
_Unter den börsennotierten befinden
sich sehr viele Unternehmen aus klassisch männerdominienen Branchen.
Wenn man aber die Gesamtheit aller österreichischen Unternehmen betrachtet,
liegen wir gar nicht so schlechr--, wendet
Elisabeth zehemer. Bundesgcschäftsführerin von _Frau in der Winschaft" der
WKO ein. Der Ameil der handeIsrechtlichen und der gewerberechtlichen Geschäftsführerinnen betrage immerhin jeweils rund 15 Prozent.
Was aber zu einem Gutteil darauf zurückzuführen ist, dass sich die überwiegende Mehrheit dieser Unternehmen in
Familienbesitz befindet. Das erleicluert
Frauen - konkret: Töchtern, Gattinnen den Zugang zu FÜhrungspositionen erheblich.
5P-Frauenminislerin Gabriele Heinisch-Hosek drängt seit Langem darauf,
Frauenquoten festzuschreiben. Doch die
öVP blockte ab, man dürfe die Hand34 prolil9' 24. Februar 2014
lungsfreiheil der Winschaft nicht beschränken.lm März 2011 kam man zu einem Kompromiss: eine Quote für die Aufsichtsräte Slaatsnaher Unternehmen. In
Summe betrifft das 55 Unternehmen wie etwa ÖBB, Asfinag, die Oesterreichisehe Nationalbank oder die Bundesimmobiliengesellschaft -, an denen der Bund
mindestens SO Prozelll hält. Bereits im
vergangenen Jahr war die Quote mit einem Frauenanteil von 33 Prozent in den
Aufsichtsrälen übererfüllt. Das 35-Prozent-Ziel bis 2018 dürfte also zu schaffen
sein.• Öffentliche Unternehmen nehmen
eine Vorreiterrolle ein·, lobt AK-StudienautOrin Christi na Wiesel.
Doch obwohl alle Ressons per Beschluss
angehal!en sind, die vorgegebenen Quoten fristgeft'(ht umzusetzen, fuhr VP-landwinschaftsminister Andrä Rupp-rcrhter der
Fraue:nministerin erst kürzlich in die Parade. Als eine seiner ersten Amtshandlungen installierte er bei der Neubestellung
des Aufsichtsrates der Bundesforste scillen
Kabinettschef sowie den Präsidenten der
Salzburger Landwirtschaftskammer. Damit bleiben die Bundesforste auch weiterhin rein männliches Revier.
Im Frauenministerium ist man .not
amused".
Zwar können AufsichISräte nicht ins
operative Geschäft eines Unternehmens
eingreifen, aber sie bestellen das Vorstandspersonal. Je mehr Frauen in die
Aufsichlratsgrcmien einziehen. desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese
auch mehr Frauen in die Führungsebene
der Konzernzelllraien berufen. So weit die
Hoffnung von Heinisch·Hosek, die mit ihrer Forderung nach einer Quote auch für
die viel wichtigere Vorstandsebene einst
abgeblitzt war.
Bislang erfüllt sie sich nicht. Während
sich seit Einführung dieses InStruments
der Anteil der Frauen in Aufsichtsräten
verdoppelt hat, erhöhte sich jener der
weiblichen Vorstände und GeschäftsfUhrerinnen um nur vier Prozentpunkle. Exakt 13 Frauen sitzen derzeit an den Hebeln der slaatsnahen Unternehmen.
.Eine Quote bringt nichts·, meint indes
WKO-Fra u Zehelner.•Privatu nternehmen
muss es unbenommen sein, sich die besten Köpfe aussuchen zu können." Zudem
würden von der Quote nur sehr wenige
Frauen profitieren. auf die jeweils mehrere Mandate entfielen. Ein Argument. das
bei Männern erstaunlicherweise nur selten Anwendung findet. So sitzt etwa Veit
Sorger, ehemaliger Chef der Industriellen-
.Wenn man die Gesamtheit aller österreichischen Unternehmen
betrachtet, liegen wir gar nicht so schlecht.·
Ellsabeth Zehetner, WKO
,
\
vereinigung, in neun Aufsichtsräten; ExPorr-Vorstand Horst Pöchhacker in sechs
und Ex-Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner in fünf. Um nur einige zu nennen.
Ober den Sinn von Frauenquoten in
den Führungsclagen wird seit Jahrzehn-
.Ich bin eine explizite
Verfechterin der Quote.
Denn sobald der Druck
nachlässt, geht der Frauenanteil zurück."
Kathrin zechner.
ORF-femsehdireldorin
ten debattien. Sie sind die wirksamste,
aber ruf viele auch eine bedrohlich anmutende Speerspitze im Kampf gegen die Benachteiligung von Frauen im Berufsleben.
Auch unter jenen Frauen, die sich bereits
an der Spitze befinden, ist die Haltung
höchst heterogen.•Quotenfrau· will sich
keine nennen lassen. KalhTin Zechner jedoch OUlet sich als .explizite Vetfechterin":
•Denn sobald der Druck nachlässt. geht
auch der Frauenanleil zurück: Sie selbst
habe die .gläserne De!:ke" nie gespürt,
aber oft genug beobachtet, wie sich andere daran die Köpfe gestoßen haben. "Im
Zweifel wird immer noch pro Mann entschieden", so die ORF-Femsehdirektorin.
Die längste Tradition haben Quoten in
der Politik. Fast alle Gruppierungen verordneten sich ein Mindesunaß an Frauen.
Quer durch Europa erreichen Regierungen und Parlamente Frauenanteile. von
denen die Wirtschaft nur träumen kann.
Spricht man mit Personalberatern.
wird schnell klar: Am Mangel qualifizier-
Männerrunde
Geschlechterverteilung In den
Geschäftsführungen der börsen·
notierten Unternehmen Österreichs.
ler Frauen hat es bisher nicht gelegen.
dass sie nicht zum Zug kamen. Mehr als
die Hälfte aller Universitätsabsolventen
sind weiblich. Frauen studieren schneller
und bekommen die besseren Noten. _Bis
in die mittlere Managementebene sind sie
auch sehr gut vertreten". sagt Barbara Potisk-Eibensteiner, Vorständin beim Feuerfest·Hersteller RH!. Doch das erste Kind
bedeute für die meisten immer noch einen Karriereknick, erklärt die Mutter einer neunjährigen Tochter. Ohne familiäre Unterstützung wäre ihre eigene Berufslaufbahn möglicherweise auch anders
verlaufen.
Die rigideste Quotenregelung bleibt
zahnlos, wenn Frauen deshalb auf die
Karriere verzichten, weil die Öffnungszeiten von Kindergänen nicht zur Realität
des Arbeitsalltages passen.
ÖBB-Personenverkehrs-Chefin Birgit
Wagner sieht auch die Unternehmen geforden: .Wer ein kleines Kind hat, kann
nicht bis acht oder neun Uhr abends arbeiten." Eine Veränderung in der Meeting·
Kultur, TelearbeitsplälZe und Telefonkonferenzen etwa.•Bisher iSI es den österreichischen Unternehmen nicht gelungen.
ein solches Umfeld zu schaffen", so wagner.
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24. februar 2014' profll9 3S