Deine Bahn - BearingPoint

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Deine Bahn - BearingPoint
Systemverbund Bahn
Informationstechnologie
Ausgewählte Modelle und Tools
für Qualitätsmanagement
Juliane
Die Bedeutung des Qualitätsmanagements (QM) nimmt über alle
Branchen hinweg kontinuierlich zu. Insbesondere im Bereich der
Informationstechnologie (IT) ist dieser Trend deutlich zu erkennen.
Schulze und
Valon Gashi,
BearingPoint
GmbH, Public
Services, Berlin
Steigende Qualitätsanforderungen sowie der immer größer
IT-Systeme begleiten Unternehmen heute auf Schritt und Tritt.
Sie unterstützen interne und externe Unternehmensprozesse
in vielfältiger Weise, zum Beispiel durch maßgeschneiderte
Softwarelösungen oder IT-Services. Die Anforderungen an die
Prozesse und an die Qualität der IT-Dienstleistungen selbst
sind gestiegen, so dass sich immer mehr Unternehmen mit
QM-Standards und -Tools auseinandersetzen.
werdende Wettbewerbsdruck erhöhen für Unternehmen
die Notwendigkeit, Veränderungstrends zu erkennen und
bewährte Qualitätsmanagementansätze umzusetzen. In
diesem Kontext ist häufig die Rede von ISO, ITIL, EFQM
und Six Sigma. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick
über wichtige Qualitätsmanagement-Modelle und -Tools
in der Informationstechnologie.
Normenfamilie DIN EN ISO 9000
„Organisationen hängen von ihren Kunden ab und sollten
daher gegenwärtige und zukünftige Erfordernisse der Kunden
verstehen, deren Anforderungen erfüllen und danach streben,
deren Erwartungen zu übertreffen.“ (ISO 9000:2000, Kapitel
0.2, S.7)
Die DIN EN ISO 9000:2000 verdeutlicht, welchen Einfluss die
Qualität eines Endproduktes auf den Geschäftserfolg einer
Organisation hat. Als Hersteller oder Dienstleister reicht es
heute nicht mehr aus, sich nur als Preis- oder Qualitätsführer zu
etablieren. Vielmehr erwarten die Kunden auch bei niedrigem
Preis noch höchste Produkt- bzw. Servicequalität. Werden die
Erwartungen der Kunden erfüllt oder gar übertroffen, so sind
Kundenzufriedenheit und damit der Geschäftserfolg entlang der
gesamten Wertschöpfungskette sichergestellt. Um diese Ziele zu
erreichen, hat sich die Implementierung eines QM-Systems und
Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001:2000 für Organisationen
zum gelebten Standard entwickelt.
Die DIN EN ISO 9000 Normenfamilie bietet ein umfassendes
Rahmenwerk, um den Anforderungen der heutigen Zeit gerecht
zu werden. „Alle in dieser internationalen Norm festgelegten
Anforderungen sind allgemeiner Natur und auf alle Organisationen anwendbar, unabhängig von deren Art und Größe
und von der Art der bereitgestellten Produkte.“ (DIN EN ISO
9001:2000;Kapitel 1.2, S.16).
Im Zuge ihrer Überarbeitung zeichnet sich die ISO 9001:2000
nun durch einen prozessorientierten Ansatz aus, der in der
Konsequenz den oben genannten vielseitigen Einsatz ermöglicht.
Dieser Ansatz beschränkt sich heute nicht mehr nur auf den
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Bereich Produktion, sondern bezieht auch unternehmensunterstützende Aufgabenfelder mit ihren Prozessen ein. Ein solcher
Bereich ist die IT, die bei der Generierung von Geschäftserfolg
eine große Rolle spielt, weil sie sämtliche Wertschöpfungsprozesse in einem Unternehmen unterstützt – sei es mit einem
Online-Shop für den Direktvertrieb, bei der Programmierung
von Produktionsmaschinen, beim IT-Einkauf für die standardisierte IT-Büroausstattung oder bei der softwareunterstützten
Durchführung von Logistikprozessen.
allerdings um eine Empfehlung und keine Norm. Dennoch findet
die Lösung auch in eine Vielzahl anderer Modelle für das IT
Service Management Eingang, zum Beispiel in der ISO Norm
20000. Diese internationale Norm wurden auf Basis von ITIL erarbeitet und definiert IT-Service-Management Anforderungen an
IT-Organisationen. Damit wurde erstmals auch IT-Organisationen
die Möglichkeit der Zertifizierung eröffnet. Folglich stehen ITIL
und ISO 20000 nicht im Widerspruch zueinander, sondern
ergänzen sich gegenseitig.
Für ein QM-System, das die Anforderungen der DIN EN ISO
9001:2000 erfüllt, hört die Qualität allerdings an den Unternehmensgrenzen nicht auf, sondern erstreckt sich auch auf dessen
Zulieferer. Abhängig von der Position in der Lieferkette, setzen
sich diese Anforderungen in den vor- und nachgelagerten
Prozessen fort.
ITIL wurde zuletzt 2007 umfassend überarbeitet und liegt nun
in der Version ITIL V3 vor. Prägendes Element ist der ServiceLebenszyklus, der alle Phasen von strategischen Überlegungen
bis hin zum Betrieb enthält, die in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess eingebettet werden. Die fünf Kernelemente
n Service Strategy,
n Service Design,
n Service Transition,
n Service Operation und
n Continual Service Improvement
bilden das Framework von ITIL V3 und beinhalten weitere
Prozesse, die interagieren.
ITIL-Standard
ITIL ist die Abkürzung für IT Infrastructure Library. Es ist eine
speziell auf die IT-Belange entwickelte Lösung, welche ursprünglich von der OGC (Office of Governance Commerce) im Auftrag
der britischen Regierung entwickelt wurde.
Die IT-Infrastructure Library ist eine Sammlung von Büchern, die
Good Practices im IT-Service-Management im Gesamtkontext
des IT-Service-Lebenszyklus zusammenfassen. Damit grenzt
sich ITIL klar von den ISO-Normen ab. Es handelt sich bei ITIL
EFQM-Bewertungsmodell
Wenn man von Bewertungsmodellen in der IT spricht, so tauchen
häufig die Begriffe EFQM (European Foundation for Quality
Management) und CMMI (Capability Maturity Modell-Integrated)
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auf. Beide Bewertungs- und Verbesserungsansätze werden zum
Management von Softwareentwicklungsprozessen eingesetzt.
Urheber des EFQM-Modells ist ein gleichnamiger Zusammenschluss europäischer Organisationen, der seit 1988 die Förderung von Qualität und deren Wahrnehmung als Erfolgsfaktor
verfolgen. Noch heute steht die Non-Profit-Organisation für die
Positionierung europäischer Unternehmen als Benchmark für
nachhaltiges Wachstum auf dem Weltmarkt. Ziel und Aufgabe
des Modells ist es, eine Organisation in dem Vorhaben zu unterstützen, die Leistungsfähigkeit ihrer Prozesse so zu verbessern,
dass hohe Qualität auf allen Ebenen der Unternehmung erreicht
wird. Es liefert Maßstäbe für die organisatorische Selbstbewertung und hat sich als internationale Richtlinie etabliert.
Im Ergebnis der Selbstbewertung können Rückschlüsse auf den
Reifegrad und die Marktfähigkeit der Organisation gezogen,
entsprechende Stärken und Verbesserungspotenziale aufgedeckt und Maßnahmen zur Verbesserung eingeleitet werden.
Organisation heißt in diesem Fall nicht nur die Unternehmung
als Ganzes, sondern auch in Teilen; demnach wird auch das
operative Management als Anwendungsgebiet einbezogen. Für
die Softwareentwicklung eignet sich dieses Modell vor allem
aufgrund des kooperativen, mitwirkenden und lernorientierten
Arbeitsanteils im Erstellungsprozess.
Diese „weichen“, aber erfolgskritischen Elemente finden sich
im EFQM-Modell vor allem in den „Befähiger“-Kriterien wieder.
2009 wurde das EFQM-Modell überprüft und verfeinert und
verzahnt nun die Komponenten Kernmodell, RADAR-Tool und
Grundkonzepte der Excellence mit den neun Hauptkriterien.
Die Komponenten sollen nachfolgend im Einzelnen vorgestellt
werden.
Kernmodell
Das Kernmodell gliedert sich in die Hauptbereiche „Befähiger“
und „Ergebnisse“. Diese Unterteilung könnte man auch als
Die DIN EN ISO 9000 Normenfamilie (Quelle: eigene Darstellung)
Saat und Ernte bezeichnen. Die Befähiger-Kriterien (Enabler)
umfassen Handlungsweisen, Tätigkeiten und Prozesse in
einem Unternehmen, bei denen davon ausgegangen wird,
dass konkrete Verbesserungen an dieser Stelle positive Auswirkungen auf die Ergebnis-Kriterien (Results) haben werden. Die
Bewertung beider Hauptbereiche erfolgt gleichwertig zu jeweils
50 Prozent. Die Bewertungsgrundlage der einzelnen Kriterien
setzen sich aus einer qualitativen und einer quantitativen
Komponente zusammen. Die qualitative Komponente äußert sich
in strategischen Zielen, die vom Management gesetzt wurden.
Mit der quantitativen Komponente wird die Zielerreichung durch
Kennzahlen (Key Performance Indicator) gemessen.
RADAR-Tool
Ergänzt wird das Kernmodell durch den RADAR-Zyklus. Geforderte Ergebnisse müssen in ihrer Herangehensweise geplant,
entwickelt und anschließend umgesetzt werden. In der letzten
Phase wird die Umsetzung evaluiert und verfeinert. Durch den
RADAR-Zyklus wird die Dynamik des Modells unterstützt. Die
alleinige Implementierung des EFQM-Kernmodells reicht in einer
Organisation nicht aus. Der kontinuierliche Verbesserungsprozess ist ein wesentlicher Bestandteil eines guten QM-Systems.
Dieser wird durch den RADAR-Zyklus maßgeblich unterstützt.
Grundkonzepte der Excellence
In der Weiterentwicklung des Modells enthalten die gleichwertigen Grundkonzepte eine Dynamisierung im Titel, wie zum
Beispiel „Kundennutzen generieren“, „prozessorientiert steuern“
oder „fördern von Kreativität & Innovationen“. Dadurch werden
die Grundkonzepte zu Handlungsfeldern, die je nach Erfordernis
des Geschäftes eingesetzt werden können. Durch die Darstellung
der Handlungsfelder als Elektronen, die sich in ihren Laufbahnen
um den Nukleus (das Kernmodell mit dem RADAR-Tool) kreuzen,
wird die Interdependenz der Grundkonzepte verdeutlicht. EFQM
verschmilzt so zu einem gesamtheitlichen System. Um einen
optimierten Einsatz von EFQM zu erreichen, wird es häufig
in Verbindung mit einer Einführung eines QM-Systems nach
Information Technology Infrastructure Library®
(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an ITIL® V3)
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Das EFQM Excellence Modell (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an EFQM Transition Guide 2011)
ISO 9001:2000 implementiert, da sich die beiden Instrumente
ergänzen. Ein weiterer Ansatz für die Prozessverbesserung ist
Six Sigma.
Methode, die dabei häufig Anwendung findet, ist der DMAICZyklus (Define, Measure, Analyze, Improve, Control).
Fazit
Six Sigma (6σ)
Six Sigma ist ein systematisches Vorgehen, zur Verbesserung
der Unternehmensprozesse, Produkte und Dienstleistungen
unter Anwendung statistischer Methoden. Die Bezeichnung
Six Sigma leitet sich aus der mathematischen Berechnung für
die Standardabweichung einer Gaußschen Normalverteilung
ab. Dabei wird aus der Anzahl der Fehler in einem Prozess mit
Hilfe von Tabellen und Statistikprogrammen das Sigma-Niveau
ermittelt. Ziel ist es, bei einer Million Möglichkeiten ein Niveau
von sechs Sigma zu erreichen. Dies wiederum bedeutet eine
statistische Fehlerrate von weniger als vier.
Das Vorgehen von Six Sigma kann auf verschiedene Unternehmensbereiche übertragen werden. Es eignet sich auch für die
Anwendung im IT-Servicebereich oder in der IT-Entwicklung.
Dabei können beispielsweise die IT-Serviceprozesse anhand
von vorher definierten Qualitätskriterien und -werten analysiert
und statistisch ausgewertet werden. Auf Basis der identifizierten
Schwachstellen können Verbesserungsmaßnahmen erarbeitet
und implementiert werden. In der IT-Entwicklung können
beispielsweise auf Basis von Six Sigma Methoden und Anforderungen definiert sowie Kennzahlen entwickelt werden, die zu
einer verbesserten Steuerung der Entwicklung beitragen. Eine
Qualität ist ein Wettbewerbsfaktor. Das zeigt sich immer wieder,
denn zufriedene Kunden greifen nicht nur gerne auf einen
qualitativ hochwertigen Anbieter zurück, sondern empfehlen
ihn statistisch gesehen neun Bekannten weiter. Passiert das
Gegenteil, so ist der entstehende Imageschaden gewaltig.
Durch die verbreitete Nutzung von Social Media und Web 2.0
verstärkt sich der Effekt zusätzlich. Einen verlorenen Kunden zu
ersetzen, ist fünfmal so teuer, wie einen existierenden zu halten.
Deshalb wird man auch in Zukunft den QM-Standards und
-Tools eine zunehmende Schlüsselfunktion in IT-Organisationen
beimessen.
n
Weiterführende Hinweise
Grundlach, C./Jochem, R. (Hrsg.) (2008): Praxishandbuch Six Sigma
– Fehler vermeiden, Prozesse verbessern, Kosten senken. 1. Auflage,
Düsseldorf: Symposion Publishing
Bernhard M. Huber: „Managementsysteme für IT-Serviceorganisationen: Entwicklung und Umsetzung mit EFQM, COBIT, ISO 20000,
ITIL“, dpunkt Verlag; 1., Aufl., 2009
Fehlman, T.: Six Sigma in der IT: www.qm-trends.de/?cmslesen/
q0002030_25330101#Six_Sigma_in_der_IT
Webseite ITIL: www.itil.org/de/vomkennen/itil/ueberblick/index.php
Webseite EFQM: http://www.efqm.org/en/tabid/108/default.aspx
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