Ferienkurs Experimentalphysik 1

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Ferienkurs Experimentalphysik 1
Ferienkurs Experimentalphysik 1
Vorlesung 2
Systeme von Massepunkten, Stöÿe und Starre Körper
Ann-Kathrin Straub, Christoph Raab, Markus Perner
22.03.2010
Inhaltsverzeichnis
1
2
Mechanik von mehreren Punktmassen
1
1.1
Allgemeines
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.2
Impulserhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1.3
Drehimpulserhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
Stöÿe
2.1
3
2
Elastische Stöÿe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2.1.1
Zentraler, elastischer Stoÿ
3
2.1.2
Nichtzentraler, elastischer Stoÿ
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
2.2
Inelastische Stöÿe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
2.3
Stöÿe im Schwerpunktsystem
6
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Starre Körper
7
3.1
Eigenschaften starrer Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
3.2
Trägheitsmomente
9
3.3
Satz von Steiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
3.4
Dynamik starrer Körper
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
3.5
Rollbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 Mechanik von mehreren Punktmassen
1.1 Allgemeines
m
Wie bekannt, hat ein Massepunkt der Masse
und Geschwindigkeit
~v
einen Impuls
p~ = m~v
Ein Mehrteilchensystem besteht nun aus den Massen
schwindigkeiten
~vi
und damit den Impulsen
M=
p~i .
X
mi
an den Orten
~ri
mit den Ge-
Die Gesamtmasse des Systems ist
mi
(1)
i
Der
Schwerpunkt
des Systems ist
X
~ = 1
R
r~i mi
M i
1
(2)
Der
Schwerpunktsimpuls
des Systems ist
P~ =
X
~˙
p~i = M R
(3)
i
1.2 Impulserhaltung
Wirkt keine Kraft auf diese Punktmasse, so ist dieser Impuls erhalten. Ein System von
Massepunkten
m1 ,m2 ,...
hat nun den Gesamtimpuls
P~ =
X
mi~vi
i
Dieser ist erhalten, sofern keine äuÿeren Kräfte auf das System wirken. Kräfte, welche
die Punktmassen untereinander ausüben, ändern den Gesamtimpuls nicht. Kurze Ar-
m1 eine Kraft F~12 auf eine Masse m2
~21 = −F~12 auf m2 . Die Änderung des
Kraft F
gumentation für zwei Massen: Übt eine Masse
aus, wirkt nach Newton 3 die umgekehrte
Gesamtimpulses ist also
˙
P~ = p~˙1 + p~˙2 = F~12 − F~12 = 0
1.3 Drehimpulserhaltung
Bezüglich einem Ursprung hat eine Masse einen
Drehimpuls
~ = ~r × p~
L
Für die Änderung des Drehimpulses ist ein
Drehmoment
(4)
verantwortlich:
~˙ = ~r˙ × p~ + ~r × p~˙ = ~r × F~
L
(5)
Analog zu oben gilt: Wirkt kein äuÿeres Drehmoment auf ein System von Punktmassen,
so bleibt ihr Drehimpuls erhalten. Zentralkräfte, also Kräfte zwischen Körpern, die in
Richtung ihres Verbindungsvektors zeigen (z.B. Schwerkraft, Coulomb-Kraft), erhalten
den Drehimpuls von beiden Körpern für Drehung um den jeweils anderen.
2 Stöÿe
Elastische Stöÿe sind Vorgänge, bei denen nur momentartig Kräfte zwischen Punktmassen wirken. Dadurch kann Impuls und Energie zwischen diesen übertragen werden. Hier
2
betrachten wir freie Teilchen, das heiÿt sie üben
sich nicht berühren,
noch
weder
aufeinander Kräfte aus, wenn sie
wirken äuÿere Kräfte auf sie.
2.1 Elastische Stöÿe
Bei einem elastischen Stoÿ gilt auÿer der Impuls- auch die Energieerhaltung, also die
Erhaltung der Summe der kinetischen Energien. Die kinetische Energie eines Teilchens
der Masse m und Geschwindigkeit v ist
m 2 m p2
p2
v =
=
2
2 m2
2m
X mi
Eges =
vi2
2
i
Ekin =
(6)
(7)
2.1.1 Zentraler, elastischer Stoÿ
Bei einem zentralen Stoÿ ndet die gesamte Bewegung in einer Dimension statt. Sowohl
vor als auch nach dem Stoÿ genügen also Skalare, um Geschwindigkeiten und Impulse
zu beschreiben.
Impulse vor dem Stoÿ:
p1 , p2
Impulse nach dem Stoÿ:
p01 ,p02
Impulserhaltung:
P = P0
p1 + p2 = p01 + p02
p1 − p01 = p02 − p2
Energieerhaltung:
Eges
m1 2 m2 2
v +
v
2 1
2 2
p21
p2
+ 2
2m1 2m2
0
p21 − p21
m1
0
(p1 + p 1)(p1 − p02 )
m1
0
= Eges
m1 2 0 m2 2 0
=
v +
v
2 1
2 2
0
0
p21
p22
=
+
2m1 2m2
0
p22 − p22
=
m2
0
(p2 − p2 )(p2 + p02 )
=
m2
Mit der Gleichung, die wir aus der Impulserhaltung bekommen haben, kann man auf
3
jeder Seite einen Term wegkürzen und erhält
m2 (p1 + p0 1) = m1 (p2 + p02 )
Setzen wir hierin wieder die Impulserhaltung ein, zum Beispiel umgeformt nach
p02 = p1 + p2 − p01
erhalten wir nach etwas Umformen eine Gleichung für den Impuls des ersten Teilchens
nach dem Stoÿ
p01 = m1 v10
(m1 − m2 )p1 + 2m1 p2
(m1 − m2 )v1 + 2m2 v2
= m1
m1 + m2
m1 + m2
(8)
(9)
Für das zweite Teilchen vertauscht man einfach die Indizes:
p02 = m2 v20
(m2 − m1 )p2 + 2m2 p1
(m2 − m1 )v2 + 2m1 v1
= m2
m1 + m2
m1 + m2
(10)
(11)
Interessante Spezial- und Grenzfälle:
•
Bei einem Stoÿ zwischen zwei Teilchen gleicher Geschwindigkeit ändert keines seinen Impuls.
•
Mit einiger Rechnung kann man auch zeigen, dass ein Stoÿ Galilei-invariant ist:
Ob ich im bewegten System den Stoÿ beobachte oder die Teilchen im entgegengesetzt bewegten System stoÿen, macht keinen Unterschied. Dies steht im Einklang
mit dem obigen Punkt, da sich dort ein Inertialsystem nden lässt, in dem beide
Teilchen ruhen.
•
Für Teilchen gleicher Masse
m1 = m2 = m
gilt
p01 = p2
und
p02 = p1 ,
die Impulse
vertauschen sich also gerade. Dies kann man sehr schön bei einer Stoÿpendelkette
beobachten.
•
Ruht eines der Teilchen anfangs, v2 = 0 und hat dieses zusätzlich eine Masse
0
0
ergibt sich v2 → 0 und v1 ← −v1 ; das schwere Teilchen ist also unbeweglich, und das mit ihm kollidierende wird durch einen elastischen Stoÿ einfach
m2 → ∞,
nur reektiert. Eine gute Annäherung bietet zum Beispiel das Tischtennisspiel, bei
dem ein luftgefüllter Plastikball mit einem Tisch stöÿt, der auf der Erde steht.
4
Die übertragene Energie aus der Dierenz zwischen wahlweise den kinetischen Energien
von Teilchen 1 oder von Teilchen 2; nachdem wir Energieerhaltung vorrausgesetzt haben,
müssten sich die beiden Energieunterschiede genau aufheben.
2.1.2 Nichtzentraler, elastischer Stoÿ
Nun müssen die Impulse vor- und nach dem Stoÿ nicht mehr unbedingt in die gleiche
Richtung zeigen, und die Impulse nach dem Stoÿ dürfen voneinander linear unabhängig
sein. Da jedoch durch die Impulserhaltung die Impulse vor dem Stoÿ linear abhängig von
denen nach dem Stoÿ sind, kann die gesamte Bewegung noch in einer Ebene beschrieben
werden. Der Einfachheit halber betrachten wir hier den Stoÿ in einem System, in welchem
die Masse
m2
anfangs ruht. Die Impulserhaltung ist nun eine Gleichung für Vektoren:
p~1 = p~01 + p~02
(12)
Die Energieerhaltung ergibt:
E = E0
p21
p01 2
p02 2
=
+
2m1
2m1 2m2
p01 2
p0 2
(p~01 + p~02 )2
=
+ 2
2m1
2m1 2m2
2
2
p02
p01 2
p02 2
p01
p~01 · p~02
+2
+
=
+
2m1
4m1 m2 2m1
2m1 2m2
Für gleiche Massen, gilt also
m1 = m2 = m,
lässt sich dies umformen zu
p~01 · p~02 = 0
(13)
Die Impulse und damit auch die Geschwindigkeiten sind in diesem Fall nach dem Stoÿ
also senkrecht zueinander.
2.2 Inelastische Stöÿe
Bei einem inelastischen Stoÿ gilt weiterhin Impuls-, jedoch nicht mehr Energieerhaltung.
Allgemein lässt sich hier nichts mehr lösen, da für die zwei unbekannten Impulse nach
dem Stoÿ nur mehr eine Gleichung zur Verfügung steht. Ein nützlicher Spezialfall ist
jedoch der
Massen
m1
vollkommen inelastische Stoÿ
. Hierbei bewegen sich die ursprünglichen
und
m2
nach dem Stoÿ als eine Masse
m1 + m2
mit einem Impuls fort, als
ob sie zusammengeklebt wären. Demonstrieren lässt sich ein derartoger Vorgang zum
5
Beispiel mit etwas Plasteline und zwei Schlitten oder einem schläfrigen LKW-Fahrer
~0 erhält man direkt aus der
und ungünstigem Wildwechsel. Die Endgeschwindigkeit v
Impulserhaltung:
p~1 + p~2 = (m1 + m2 )v~0
~ p~2
p1 +
v~0 =
m1 + m2
(14)
(15)
Bei diesem Stoÿ geht Energie verloren, zum Beispiel in Verformungsarbeit. Das war kling
naheliegend, macht aber nicht alle inelastischen Stöÿe aus; dies kann man zeigen, indem
man die Plasteline in der Demonstration durch empndlichen Sprengsto ersetzt, was
einen sogenannten reaktiven Stoÿ erzeugt.
2.3 Stöÿe im Schwerpunktsystem
Das Inertialsystem, in dem man einen Stoÿ beobachtet, ist frei wählbar und verändert die
Physik des Stoÿes nicht. Sind wir vorher von einem nicht näher bestimmten Laborsystem
ausgegangen, können wir nun ein System wählen, in dem der Schwerpunkt der Ursprung
ist; es bewegt sich also mit dem System mit. Die Summe aller Impulse ist auch in diesem
System gleich dem Schwerpunktsimpuls
~˙ .
P~ = M R
Da dieser jedoch nach Denition
unbewegt ist, gilt im Schwerpunktsystem
P~ =
X
p~i S ≡ 0
i
Umformuliert ergibt das
p~1S = −p~2S
(16)
Vom allgemeinen Fall des konstanten Schwerpunktsimpulses haben wir uns also eine
Betrachtungsweise gewählt, bei der dieser gerade verschwindet. Im Laborsystem ist der
Ort eines Teilchens gegeben durch
~ + (~
~ =R
~ + r~iS
r~i = R
ri − R)
Die Geschwindigkeiten im Laborsystem und Schwerpunktssystem sind
v~1 = v~1S + v~S
m1 v~1 + m2 v~2
+ v~1S
v~1 =
m1 + m2
m2 (v~1 − v~2 )
m2 v~12 − v~2
v~1S =
=:
m1 + m2
m1 + m2
6
(17)
Die selbe Rechnung kann man natürlich auch für die Geschwindigkeit des zweiten Teilchens anstellen; die Indizes werden sich hierbei umkehren. Die Impulse der Teilchen im
Schwerpunktssystem sind danach
Dabei haben wir die
m1 m2
v~12 =: µv~12
m1 + m2
m2 m1
= m2 v~2S =
v~21 =: −µv~12
m1 + m2
p~1S = m1 v~1S =
(18)
p~2S
(19)
reduzierte Masse
µ=
m1 m2
m1 + m2
(20)
deniert. Die kinetische Energie des Systems im Laborsystem ist gegeben durch
m1 2 m2 2
v +
v
2 1
2 2
M 2 m1 2
m2 2
=
vS +
v1S +
v
2
2
2 2S
M 2 µ 2
=
v + v
2 S 2 12
E =
(21)
(22)
(23)
Ein elastischer Stoÿ im Schwerpunktsystem läuft nun wie folgt ab:
1. Zwei Teilchen mit entgegengesetzten, also betraglich gleichen, Impulsen laufen aufeinander zu;
2. sie stoÿen...
3. ...und laufen mit entgegengesetzten, also auch wieder betraglich gleichen, Impulsen
wieder auseinander. Wie auch im Laborsystem ist für nichtzentrale Stöÿe ein Winkel zwischen dem ursprünglichen und den letztendlichen Impuls des einen Teilchens
eine freie Variable. Bei zentralen Stöÿen, also Stöÿen in einer Dimension kehrt sich
einfach das Vorzeichen von beiden Impulsen um.
3 Starre Körper
3.1 Eigenschaften starrer Körper
Ein starrer Körper ist nun der Spezialfall eines Mehrteilchensystems, in dem die Teilchen
alle ihre Abstände zueinander beibewaren. Da man in Problemen mit starren Körpern
7
häug Gegenstände wie Kreisel und Rollen betrachtetist es praktisch, wenn man sich
einen starren Körper als Grenzfall von vielen Punktmassen
m
mit einer Raumdichte
n
für m->0 und n->inf vorstellt. Die Angabe von Massen mi
und Orten r
~i wird dann ersetzt durch die Angabe einer Dichteverteilung ρ(~r) = dm
.
dV
Andersherum kann man das Bild einer Dichteverteilung auch verwenden, um ein System
innerhalb eines Volumens
V
aus diskreten Punktmassen zu beschreiben; die zugehörige Dichte ist dann
ρ(~r) =
X
ρi (~r) =
X
i
Dabei bezeichnet
mi δ(~r − r~i )
(24)
i
δ(~r − r~i die sogenannte
ten
Delta-Distribution
, die durch die Eigenschaf-
ˆ
dV
ˆ
δ(~r − r~i ) = 1
R3
dV
δ(~r − r~i )f (~r) = f (~
ri )
R3
deniert ist. Mit dieser kann man alle für allgemeine kontinuierliche Masseverteilungen
denierten Probleme auch mit Punktmassen rechnen.
Eine Masseverteilung besitzt
•
eine Masse:
ˆ
dV
M=
ρ(~r)
(25)
V
•
einen
Schwerpunkt :
~ = 1
R
M
ˆ
dV
ρ(~r)~r
(26)
V
•
und einen Trägheitstensor I, bzw. drei Hauptträgheitsmomente
I1 ,I2 ,I3 . Dieser wird
später diskutiert werden, wenn sein Zweck deutlich geworden ist.
Jede Bewegung eines starren Körpers lässt sich zerlegen in eine
punktes
und eine
Drehung um den Schwerpunkt
xierten Ortsvektor
Bewegung des Schwer-
, dass heiÿt für jeden im Körper
r~i
gilt:
~˙ + ω × (~
~
r~˙i = R
ri − R)
8
(27)
ω
~ ein Vektor, der in die Richtung der Drehachse zeigt und den Betrag der Winkelgeschwindigkeit ω besitzt. Dabei muss die Orentierung nach der Rechte-Hand-Regel
Dabei ist
beachtet werden: Zeigt der Daumen der rechten Hand in die Richtung des Vektors, erfolgt die Drehung im Sinn in dem sich die Finger der rechten Hand krümmen.
Ein starrer Körper kann also verschoben und gedreht werden, aber nicht gedehnt, gestaucht, gebogen, verdreht oder gespalten. Durch die Wahl von
~
R
und
ω
~
hat er also
3+3=6 Freiheitsgrade der Bewegung.
Der
Drehimpuls
eines Körpers ist
ˆ
ˆ
~ =
L
Für einen
starren
dV
~r × p~ =
dV
ρ(~r) × ~r˙
V
V
kann man diesen nun aufteilen in den
Bahndrehimpuls
des Schwer-
punktes und den der Drehimpuls bezüglich des Schwerpunktes, also den Drehimpuls der
Bewegung des Körpers mit dem Schwerpunkt im Ursprung:
~ × v~s + L
~
L~ges = M R
(28)
3.2 Trägheitsmomente
Der Schwerpunktsdrehimpuls hängt mit der Winkelgeschwindigkeit linear zusammen:
~ =I ·ω
L
~
Ein linearer Zusammenhang zwischen Vektoren bedeutet, dass
I
eine Matrix (ein Ten-
sor zweiter Stufe) ist, der sogenannte Trägheitstensor. Für allgemeine Drehachsen zeigt
der Drehimpuls nicht in die Richtung dieser. Dies heiÿt jedoch nicht, dass erst 3*3=9
Werte die Trägheit bestimmen! Für jeden Körper lassen sich nämlich drei sogenannte Hauptträgheitsachsen angeben, so dass eine Drehung in dieser Richtung tatsächlich
einen parallen Drehimpuls hervorruft. Anders ausgedrückt ist der Trägheitstensor in
der Basis dieser Achsen diagonal. Meistens werden diese sehr leicht zu nden sein; eine
zylindersymmetrische Massenverteilung hat zum Beispiel bereits die z-Achse als Hauptträgheitsachse. Deniert ist der
Trägheitstensor
in Schwerpunktskoordinaten wie folgt:
ˆ
Iij =
dV
ρ(~r)(δij r2 − xi xj )
V
Weil man den Körper aber zum Beispiel in seiner Drehachse xieren kann oder die
Hauptachsen gefunden hat, ist die folgende Formel hilfreicher (und anschaulicher), mit
der man das Trägheitsmoment der Drehung um eine bestimmte Achse erhält:
9
ˆ
I=
dV
ρ(~r)r2
(29)
V
Dabei ist r der Abstand zur Achse. Man sieht, dass sich es sich als Spezialfall der Integralform ergibt, wenn zum Beispiel der Drehimpuls
ω
~
~ und der Winkelgeschwindigkeitsvektor
L
in z-Richtung zeigen:
~ · e~z
L := L
= e~z · (I · ω
~)
Ixx
= ( 0 0 1 ) · Iyx
Izx
Ixy Ix z
Iyy Iyz
Izy Izz
0
· 0
ω
= Izz ω
ˆ
= ω dV ρ(~r)(x2 + y 2 )
V
Die
kinetische Energie eines rotierenden Körpers
mit fester Achse ist
I
Ekin = ω 2
2
(30)
Für allgemeine Rotationsachsen ist dies
Ekin
1
= ( ωx
2
ωy ωz
)·
Ixx Ixy Ix z
Iyx Iyy Iyz
Izx Izy Izz
Hat man drei Hauptträgheitsachsen a,b,c gefunden und
ωx
· ωωy
z
ω in die neue Basis umgewandelt,
ergibt sich
Iaa 0 0 ωa 1
( ωa ωb ωc ) · 0 Ibb 0 · ωωcb
0 0 Icc
2
1
1
1
=
Iaa ωa2 + Ibb ωb2 + Icc ωc2
2
2
2
Ekin =
3.3 Satz von Steiner
Geht die Achse nicht durch den Schwerpunkt, sondern hat von ihr die Entfernung d, so
I 0 aus dem Trägheitsmoment I für eine parallele Achse
erhält man das Trägheitsmoment
durch den Schwerpunkt und der Gesamtmasse
10
M
nach dem
Satz von Steiner
durch
I 0 = I + M d2
(31)
Kennt man das Trägheitsmoment eines Körpers für die Rotation um eine Achse in bestimmtem Abstand zum Schwerpunkt, kann man durch doppeltes Anwenden des Satzes
von Steiner die Trägheitsmomente für jede dazu parallele Achse bestimmen!
3.4 Dynamik starrer Körper
Damit sich ein Körper aber überhaupt bewegt, müssen allgemein Kräfte wirken. Sind
davon mehrere vorhanden, konnte man sie für eine Punktmasse einfach addieren. Bei einem starren, ausgedehnten Körper macht sich jedoch bemerkbar, dass der Angrispunkt
wichtig ist. Deshalb gelten folgende Regeln zur Kombination von zwei Kräften:
•
Der Angrispunkt einer Kraft darf in Richtung der Kraft verschoben werden. Die
Menge der so äquivalenten Angrispunkte heiÿt Wirklinie. Man verschiebt die Angrispunkte der zwei Kräfte also zum Schnittpunkt ihrer Wirklinien. Ist dieser
nicht vorhanden, (in 2D müssen sie dazu parallel sein, in 3D ist das viel leichter
möglich), kann man die Kräfte nicht kombinieren, sondern nur später ihre Wirkungen auf den Körper.
•
In einem gemeinsamen Angrispunkt addieren sich die Kräfte dann wie bekannt.
•
Eine weitere Verschiebung der Wirklinie kann zum Schluss noch hilfreich sein;
vielleicht hat die Konstruktion vorher ja den Angrispunkt auÿerhalb des Körpervolumens gebracht.
Wie wirkt eine
•
F~
im Angrispunkt
~r
relativ zum Schwerpunkt auf den Körper?
Zuerst kann sie allein als Kraft auf den Schwerpunkt verstanden werden und ruft
nach Newton 2 eine Beschleunigung
•
Zweitens erzeugt sie auch ein
~¨ = F~
MR
Drehmoment
hervor.
~ = ~r × F~
D
Verschiebt man den Angrispunkt und damit den Verbindungsvektor
(32)
~r
in seiner
eigenen Linie, ändert sich das Kreuzprodukt nicht!
•
Das Drehmoment erzeugt wiederrum eine
Änderung des Drehimpulses
~˙ = D
~ =I ·ω
L
~˙
(33)
hervorruft. Diese Gleichung kann als Gegenstück zu Newton 2 für die Drehbewegung aufgefasst werden, wobei der Impuls durch den Drehimpuls, die Kraft durch
ein Drehmoment, die Geschwindigkeit durch eine Winkelgeschwindigkeit und die
Masse durch den Trägheitstensor/das Trägheitsmoment ersetzt wurde.
11
3.5 Rollbewegungen
Ein häuges Problem ist die Beschreibung eines starren, zylindersymmetrischen Körpers, der unter Einuss einer äuÿeren Kraft auf einer Unterlage rollt. Dabei liegt er
in der konstanten Entfernung
r
(seinem Radius) auf der Oberäche auf, sein Schwer-
punkt bewegt sich mit der Geschwindigkeit
der Winkelgeschwindigkeit
ω
V
parallel zur Oberäche. Er dreht sich mit
um seine Symmetrieachse, die parallel zur Oberäche und
senkrecht zur Rollrichtung liegt. Rollen, ohne zu rutschen, wird beschrieben durch die
Rollbedingung
V = ωr
(34)
Kurze Rechtfertigung dieser: Vollführt der Körper in der Zeit
T
eine ganze Umdrehung,
bewegt sich der Schwerpunkt um den Umfang des Rollkreises weiter: T V = 2πR =
= T ωR.
T R 2π
T
Der rollende Körper ist ein Spezialfall eines Rotators mit bewegtem Schwerpunkt und
xierter Drehachse; allerdings ist hierbei nur die Kraft auf den Schwerpunkt des Körpers
von Interesse, das Drehmoment ergibt sich automatisch aus der Rollbedingung. Physikalisch ist es die Reibung zwischen Körper und Oberäche, die mit dem
ezienten µ
Reibungsko-
und der Normalkraft senkrecht zur Fläche auf den Auagepunkt (zum
Beispiel durch das Gewicht des Körpers) eine
Schwellkraft
FR = µFN
bestimmt; solange die Kraft, mit der der Auagepunkt normalerweise über die Oberäche gezogen werden würde diese nicht überschreitet, rollt der Körper. Vorsicht: Dies
ist zu unterscheiden von der
Rollreibung
, welche für die Abbremsung eines rollenden
Körpers verantwortlich ist. Ist keine Reibung mit der Oberäche nicht zwingend gegeben
und Rutschen nicht allgemein verboten, müssen Drehbewegung und Schwerpunktsbewegung getrennt betrachtet werden!
Die
kinetische Energie eines rollenden Körpers
kann mit der Rollbedingung und
der besprochenen Aufteilung nur von der Schwerpunktsgeschwindigkeit angegeben werden:
E = ESP + Erot =
M 2 I 2
v + ω =
2
2
12
I
r2
+ M 2 I + M r2 2
v =
ω
2
2
(35)