Starte - Aktiv in jedem Alter

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Starte - Aktiv in jedem Alter
Mobilität und Mobilitätsstörungen von Heimbewohnern
Dritter Bericht des Ulmer Modellvorhabens
„Verminderung
von sturzbedingten
Verletzungen bei
Alten- und Pflegeheimbewohnern“
Bearbeitet von
Clemens Becker, Ulrich Lindemann, Elisabeth Kapfer,
Barbara Eichner, Marion Hausner und Thorsten Nikolaus
GLIEDERUNG
Einleitung und Rückblick auf das erste und zweite Projektjahr.................................................... 2
Danksagung ............................................................................................................................... 3
Ergebnisse Sturz- und Frakturprävention.................................................................................... 5
Risikofaktoren für Stürze von Heimbewohnern ......................................................................... 12
Publikationen und Vorträge....................................................................................................... 20
Trainingsprogramme / Umsetzbarkeit und Nachhaltigkeit ......................................................... 21
Umsetzbarkeit........................................................................................................................... 26
Stellungnahmen........................................................................................................................ 30
Schlusswort .............................................................................................................................. 65
Literaturempfehlungen.............................................................................................................. 67
Anlagen
-
Vortragsfolien und -kurzfassungen des Symposium
-
Artikel zum Thema Hüftprotektoren
-
Mustervortrag Sturzverhütung
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
1
Einleitung und Rückblick auf das erste und zweite Projektjahr
Der
vorliegende Abschlussbericht
des Modells ergänzt den ersten und zweiten
Jahresbericht. Er zeigt den Erfolg des Modells und wirft neue Fragen auf.
Neben der Vorstellung der Ergebnisse zur Sturz- und Frakturprävention liegt der
Schwerpunkt dieses Berichtes bei der Darstellung der Nachhaltigkeit und der Umsetzbarkeit
im lokalen, regionalen und nationalen Kontext. Auch wenn das Projekt erfolgreich
abgeschlossen wurde, liegt die Aufgabe der Wissensvermittlung und -verbreitung noch in der
Zukunft.
Erfreulich ist es, dass in den letzten zwei Jahren das Thema Sturzprävention als wichtig
erkannt wurde und Initiativen zur Verhütung von Stürzen im Heimbereich entstanden sind.
Diese sich in Vernetzung mit dem Ulmer Modell entwickelt, zum anderen handelt es sich
aber auch um unabhängige Initiativen, die erkennen lassen, dass die Bedeutung des
Themas bei den betroffenen Institutionen vielerorts erkannt wurde.
Einen weiteren Beitrag, den wir glauben leisten zu können, ist die Beantwortung der Frage,
wie Heimbewohner als sturzgefährdet erkannt werden können. Vor dem Hintergrund knapper
Personalressourcen
erscheint
es
wichtig,
der
Frage
nachzugehen,
bei
welchen
Heimbewohnern das Thema Bewegungssicherheit und Sturz vorrangig ist und bei welchen
Bewohnern das Thema nur nachrangig von Bedeutung ist.
Auch wenn das Ulmer Modell derzeit zu den europaweit erfolgreichsten Programmen zur
Sturzprävention bei Heimbewohnern gehört, lassen sich unseres Erachtens zukünftig noch
weitergehende Erfolge erreichen.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
2
Danksagung
Wir möchten uns an dieser Stelle bei den Personen und Institutionen bedanken, ohne die
das Modellvorhaben und dessen Erfolg nicht möglich gewesen wäre. Zuerst gilt dies den
Heimbewohnern mit ihrem Humor, ihren Geschichten und ihrer Bereitschaft sich zu
beteiligen. Häufig haben Freunde und Angehörige der Bewohner uns unterstützt.
Ohne die Initiative und Unterstützung der Mitarbeiter der Pflegeeinrichtungen, der
Zivildienstleistenden und Mitarbeiter im freiwilligen sozialen Jahr wäre das Modell zum
Scheitern verurteilt gewesen. Sie sind die eigentlichen Motoren des Programmes. Genauso
gilt dies für die Therapeuten, die im Projekt beschäftigt waren und jetzt in den Heimen das
Programm
weiterführen.
Die
Tatsache,
dass
im
ganzen
Modellzeitraum
keine
Trainingsstunde durch Krankheit der Therapeuten ausfiel, spricht für sich.
Der Arbeitskreis der Heimträger unter Beteiligung des Seniorenrates hat das Modell mit
geplant und fachlich begleitet. Wir möchten uns bei Herrn Kiesinger, Herrn Schäffer, Frau
Hailer, Frau Badem, Frau Schumann, Herrn Schöttner, Herrn Antritter und ihren
Pflegedienstleitern für die Unterstützung bedanken. Durch sie war es möglich, dass das
Programm in allen und nicht nur in ausgewählten Heimen durchgeführt werden konnte. Die
Türen der Heime waren für uns stets geöffnet. Es war ein gemeinsamer und stets
dynamischer Lernprozess.
Des weiteren möchten wir uns bei dem Projektbeirat unter Teilnahme der Kreisärzteschaft,
der Mitarbeiter des Geriatrischen Zentrums und der Leistungsträger bedanken. Vor allem der
Leiter der AOK Ulm, Herr Dir. Müller hat das Projekt unterstützend begleitet. Besonderer
Dank gilt der Stadt Ulm, vertreten durch Herrn Bürgermeister Dr. Hartung und vor allem
Herrn Pleichinger, der uns als Koordinator der ambulanten und stationären Altenarbeit durch
manches flachere Fahrwasser gelotst hat. Die Stadt Ulm hat das Modell auch finanziell
unterstützt.
Die Otto-Kässbohrer-Stiftung hat einen wichtigen finanziellen Beitrag zur Umsetzung des
Projektes geleistet. Durch die personelle und finanzielle Unterstützung der Universitätsklinik
Ulm und der Bethesda Geriatrischen Klinik konnte der erforderliche Eigenbeitrag eingebracht
werden.
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3
Die Modellbegleitung durch das Bundesministerium für Gesundheit, vertreten durch Frau
Jasse und Herrn Feckler aus dem Referat „Modelle zur Verbesserung der Versorgung
Pflegebedürftiger“ sowie dem Sozialministerium Baden-Württemberg vertreten durch Herrn
Schmolz aus dem Referat „Stationäre Pflegeeinrichtungen“ war konstruktiv, engagiert und
trotzdem kritisch. Frau Schweizer vom ISO-Institut, Saarbrücken hat das Projekt kompetent
sozialwissenschaftlich begleitet.
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Ergebnisse Sturz- und Frakturprävention
Bei Veränderungen der Sturzinzidenz sollten mindestens drei Ebenen betrachtet werden.
Zum einen sollte die Zahl der Stürze betrachtet werden, daneben sollte die Zahl der
gestürzten Personen (Stürzer) verglichen werden. Sinnvoll ist außerdem die Beurteilung der
Sturzhäufigkeiten von Personen, die immer wieder stürzen (multiple Stürzer). In diese
Gruppe werden Personen eingeteilt, die im Beobachtungszeitraum mehr als zweimal
gefallen sind. In einem nachfolgenden Abschnitt werden dann die Häufigkeiten der Frakturen
dargestellt.
Zahl der Stürze
Im Vergleich beider Gruppen war ein deutlicher Unterschied zwischen beiden Gruppen
festzustellen. Die Zahl der Stürze lag um 40 % niedriger in den Einrichtungen, die im ersten
Jahr begonnen haben. Insgesamt wurden 1526 Stürze festgehalten. Davon ereigneten sich
546 in der ersten (Interventions-) Gruppe und 980 in der Wartegruppe.
Aufschlussreich ist auch die zeitliche Betrachtungsweise möglicher Effekte über die vier
Quartale des ersten Jahres. In der nachfolgenden Tabelle ist dies festgehalten.
Tabelle 1: Zahl der Stürze im zeitlichen Verlauf
Zeitraum (Quartal)
Interventionsgruppe (%*)
Wartegruppe (%*)
I
133 (8,72)
220 (14,42)
II
171 (11,21)
243 (15,92)
III
139 (9,11)
246 (16,12)
IV
103 (6,75)
271 (17,76)
Summe
546 (35,78)
980 (64,22)
975 Personen, Prozentangaben für Anteil der Stürze an Gesamtzahl in beiden Gruppen
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5
Graphik 1:
0,80
0,69
0,70
0,64
0,59
0,60
Zahl der Stürze/ Bewohner
0,63
0,50
0,44
Intervention
0,40
0,35
Wartegruppe
0,35
0,30
0,26
0,20
0,10
0,00
Quartal I
Quartal II
Quartal III
Quartal IV
Quartal im 1. Jahr
N = 975, *adjustiert für die Zahl der Aufenthaltstage
Da in beiden Gruppen, die Bewohnertage nahezu identisch waren (Differenz 1%) sind die
Werte auch als Maß der Sturzhäufigkeit im kumulierten Bewohneraufenthalt zu sehen (siehe
Graphik). Weiterhin ist auffällig, dass das Ergebnis im vierten Quartal am eindrucksvollsten
ist. Vermutlich kommt hier ein Lerneffekt zum Tragen. Je länger die Intervention anhielt, um
so ausgeprägter ist der Effekt. Da sich Unterschiede bereits im ersten Quartal zeigen, spricht
dies unseres Erachtens für die Bedeutung der pflegerischen Beobachtung und Beratung als
Sturzpräventionsinstrument.
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Nach Eintritt der Warteeinrichtungen in das Programm hat sich ein vergleichbarer Effekt
eingestellt.
Insgesamt hat die Zahl der Stürze vom ersten Jahr zum zweiten Jahr von 1526 auf 1059
abgenommen. Die folgende Abbildung vergleicht die Häufigkeit der Stürze im ersten und
zweiten Jahr in den Heimen (Wartegruppe), die im zweiten Jahr mit dem Programm
begonnen haben.
Graphik 2:
Stürze der Bewohner in der Wartegruppe
1. Jahr
2. Jahr
1200
1. Jahr
1000
980
800
2. Jahr
633
600
400
200
0
Stürze
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Zahl der gestürzten Personen („Stürzer“)
Der Vergleich der Stürzer in beiden Gruppen zeigte im ersten Jahr ebenfalls einen Erfolg. In
der Interventionsgruppe wurden bei 188 Personen Stürze registriert. In den Wartegruppen
waren 247 Personen betroffen. Dies ist ein Unterschied von 24 %. Die Zahl der Personen mit
einem oder zwei Stürzen war nahezu identisch (82 vs. 88 mit einem Sturz; 42 vs. 44 mit zwei
Stürzen). Als Schlussfolgerung hieraus liegt die Vermutung nahe, dass die Zahl der Stürze
vor allem bei Personen mit drei und mehr Stürzen vermindert wird. Andererseits scheint es
schwieriger zu sein, bereits den ersten Sturz einer Person zu verhindern.
Dies bestätigt auch die nachfolgende Abbildung als Kaplan-Meier Kurve, die das Zeitintervall
bis zum Auftreten des ersten Sturzes darstellt.
Stürze
Abbildung 1: Kaplan-Meier Kurve (Vergleich des sturzfreien Intervalls)
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Zahl der multiplen Stürzer
In der Interventionsgruppe wurden im ersten Jahr 64 Personen mit wiederholten Stürzen
beobachtet, waren es in den Wartegruppen 115. Dieser Unterschied von 44 % zeigt, dass
vor allem Personen, die immer wieder stürzen am Anfang von einem entsprechenden
Programm profitieren. Die Ergebnisse des zweiten Jahres waren diesbezüglich identisch.
Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass das vorgestellte Modell derzeit das weltweit
erfolgreichste Projekt zur Sturzprävention bei Heimbewohnern ist. Mittlerweile wurde ein
weitere Untersuchung aus Umea in Nordschweden vorgestellt, die bei Bewohnern von
betreuten Wohneinrichtungen mit ähnlichen Maßnahmen vergleichbare Erfolge erzielt hat.
Tabelle 2: Ergebnisse des ersten Projektjahres zur Sturzreduktion
N (%*) - I
N (%) - W
Δ (%)
Relatives Risiko
95 % KI
980
- 45 %
0.4 – 0.6
Stürze
546
Gestürzte Personen
185 (36.5*)
247 (52.8* )
- 26 %
0.6 – 0.8
63 (12.4*)
115 (24.6*)
- 46 %
0.4 – 0.7
Multiple Stürze
Δ Differenz zur Wartegruppe, Rel. Risk. Relatives Risiko, KI Konfidenzintervall
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Häufigkeit von Frakturen
Zur Erinnerung sei darauf verwiesen, dass neben der Zahl der Stürze die Verminderung der
Knochenbrüche das primär angestrebte Ziel des Modellvorhabens war. Dabei wurde
zwischen Brüchen der Hüfte – Synonym proximaler Femurfraktur (PFF) und Frakturen
anderer Lokalisation unterschieden. Der Grund hierfür war die Erwartung, dass
Hüftprotektoren im Bereich des Oberschenkels und Beckens wirken können, andere
Frakturen aber nicht verhindern können. Die anderen angebotenen Komponenten (Training,
Beratung, Umgebungsgestaltung) könnten möglicherweise aber auch Einfluss auf die
Häufigkeit Frakturen anderer Lokalisation nehmen.
Häufigkeit andere Frakturen (Non-PFF)
In der Interventionsgruppe wurden im ersten Jahr 14 Non-PFF Frakturen beobachtet. In den
Wartegruppen waren 18 Personen betroffen. Mit Zweitfrakturen wurden in beiden Gruppen
insgesamt 36 Frakturen registriert. Im zweiten Jahr wurden in beiden Gruppen 22 Frakturen
dokumentiert.
Häufigkeit von Hüftfrakturen (PFF)
In der Interventionsgruppe wurden im ersten Jahr 17 Hüftfrakturen - davon 2 Personen mit
zweiter Fraktur an anderer Stelle - beobachtet. In den Wartegruppen waren 15 Personen
davon 5 Personen mit zweiter Fraktur an anderer Stelle - betroffen. Im zweiten Jahr erlitten
in beiden Gruppen zusammen 22 Bewohner eine PFF. Die nachfolgende Tabelle zeigt den
Verlauf in den Heimen der Wartegruppe.
Graphik 3:
Hüftfrakturen und andere Frakturen der Wartegruppe
1. Jahr
2. Jahr
25
1. Jahr
20
20
1. Jahr
15
15
2. Jahr
11
10
2. Jahr
6
5
0
Hüftfrakturen
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andere Frakturen
10
Zusammenfassung
Die Teilergebnisse, die im zweiten Jahresbericht dargestellt wurden, haben sich am Ende
der Projektlaufzeit bestätigt. Dabei ist es zu einem deutlichen Rückgang der Sturzzahlen,
auch in der Gruppe der Heime gekommen, die im ersten Jahr als Warte- und
Kontrolleinrichtungen fungiert haben. Die Zahl der Frakturen ist sowohl im Bereich der
hüftnahen Oberschenkelbrüche als auch im Bereich anderer Frakturen zurückgegangen.
Damit bestätigt sich unsere Hypothese, dass Modelle zur Sturz- und Frakturprävention
möglich sind, der Erfolg sich aber nicht über Nacht einstellt. Vielmehr ist es so, dass man
über Wochen und Monate gemeinsam an dem Ziel arbeiten muss, sowohl Stürze zu
verhindern als auch schwere sturzbedingte Verletzungen deutlich zu reduzieren.
Bedenkt man, dass das Ausgangsniveau in den drei Jahren vor Beginn des Modells, bei
über 50 hüftgelenksnahen Oberschenkelfrakturen/1000 Bewohnerjahre lag, ist das Absinken
der Zahl im dritten Projektjahr auf 23 Frakturen erheblich. Dies ist ein Rückgang von mehr
als 40 % gegenüber den Zahlen, die wir 1995 bis 1997 registriert hatten.
Auf Grund der Zahlen vor Projektbeginn hatten wir in 1600 Bewohnerjahren mit 4000-5000
Stürzen ohne Interventionserfolg gerechnet. Insgesamt kam es in beiden Projektjahren zu
2.586 Stürzen.
Auf Grund der Frakturzahlen der vordokumentierten Jahre 1995-97 hatten wir eine
Frakturhäufigkeit von 80 PFF und 80 Frakturen anderer Lokalisation gerechnet. Tatsächlich
ereigneten sich 54 PFF und 58 Frakturen anderer Lokalisation. Damit wurde eine Inzidenz
erreicht, die andernorts unseres Wissens nur im ambulanten Bereich unterschritten werden.
In den sechs Monaten von Oktober 2000 bis März 2001 wurden bislang 10
Oberschenkelhalsfrakturen berichtet, was im Sinne einer erfolgreichen Nachhaltigkeit
interpretiert werden kann.
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Risikofaktoren für Stürze von Heimbewohnern
Vorbemerkung
Risikomerkmale lassen sich als stetige Merkmale oder kategorielle Eigenschaften erfassen.
Ein Beispiel für ein stetiges Merkmal wäre das Alter, die Gehgeschwindigkeit (Metern pro
Sekunde) oder die Gehstrecke, die ein Bewohner in zwei Minuten zurücklegen kann.
Kategorielle Merkmale sind zum Beispiel das Geschlecht, aber auch die Fähigkeit zu Gehen,
z.B. unterteilt in den Kategorien selbständige Gehfähigkeit, Gehfähigkeit mit Hilfe einer
Begleitperson oder der Unfähigkeit zu Gehen. Bei den kategoriellen Merkmalen ist zu prüfen,
ob diese im möglichst wenige Items zusammengefasst werden können. Damit werden
Erfassungsbögen einfacher gestaltet. Im Extremfall wären dies Ja/Nein-Antworten
(dichotome Merkmale). Beim Differenzieren in mehrere Merkmalskategorien (polytome
Merkmale) ist ein genaueres Bild der Zustandserfassung möglich. Andererseits besteht das
Risiko, dass die Zuordnungen von verschiedenen Pflegemitarbeitern nicht mehr sicher
getroffen werden können (Interraterreliabilität). Auch die Tagesverfassung kann die
Beurteilung
und
Zuordnung
erschweren.
Weiterhin
ist
zu
beachten,
dass
Merkmalsausprägungen in ihrem Beeinträchtigungsgrad nicht immer eine stetige Zunahme
des Risikos beinhalten. So könnte es sein, dass noch relativ rüstige Bewohner große
Strecken zu Fuß zurücklegen und dadurch ihr Risiko erhöhen zu stürzen. Andererseits
könnte es sein, dass Bewohner mit zunehmenden Einschränkungen weniger laufen und
dadurch ihr Risiko vermindern. Denkbar sind auch eine Zunahme des Risikos mit einer
gewissen Beeinträchtigung und dann wiederum eine Abnahme des Risikos mit stärkster
Beeinträchtigung.
Schwierig ist auch die Beantwortung der Frage, ob es sich bei den Merkmalen um ursächlich
mit dem Sturzrisiko verbundenen Merkmalen handelt oder ob es sich um lediglich um
Indikatoren, die ein Risiko anzeigen, aber nicht ursächlich mit dem Sturzereignis verbunden
sind. Als Beispiel hierfür sei das Alter genannt, was ein Hinweis auf mögliche Gebrechen ist,
aber nicht an sich ein Risiko darstellt. Im übrigen wurde in dem vorliegenden Modell auch
keinerlei Zusammenhang zwischen dem kalendarischen Alter und dem Sturzrisiko
beobachtet.
Ist das Thema Sturzgefährdung und Mobilität also für alle Heimbewohner gleich wichtig? Im
Falle einer positiven Antwort könnte auf eine Risikoabschätzung verzichtet werden, da allen
Bewohner ein entsprechendes Programm angeboten werden sollte. Wenn aber die Antwort
verneint wird, stellen sich folgende Fragen: Wie können Bewohnergruppen beschrieben
werden, bei denen das Thema nicht die gleiche herausragende Bedeutung hat? Wie können
Bewohner erkannt werden, bei denen die Sturzgefährdung möglicherweise unterschätzt
wird?
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In der Diskussion sollte auch berücksichtigt werden, dass Pflegemitarbeiter über ein
begrenztes Zeitkontingent verfügen. Die Identifikation von Risikofaktoren, die nicht
veränderbar sind, werden häufig von den Pflegemitarbeitern, als wenig hilfreich oder sogar
als Schikane erlebt, wenn lediglich ein Risiko beschrieben wird ohne das daraus
Konsequenzen
erfolgen.
Offenbar
gibt
es
aber
eine
umfangreiche
Gruppe
der
Heimbewohner, die als gangsicher eingestuft werden, aber dennoch stürzen. Vor diesem
Hintergrund sollte ein Verfahren zur Risikoschätzung kurz und präzise sein. Es sollte vor
allem die Faktoren erfassen, die pflegerisch, therapeutisch oder hausärztlich veränderbar
sind.
Modellbeschreibung
Die Analyse der Risikofaktoren lässt uns zur folgenden Schlussfolgerung kommen. Es lassen
sich mehrere Gruppen bei den Heimbewohnern unterscheiden. Deren Risikoprofile sollten
getrennt betrachtet werden.
Niedriges Sturzrisiko durch Immobilität (Gruppe I)
Es handelt sich um Personen, die ohne die Hilfe einer zweiten Person nicht in der Lage sind
zu stehen. Deren Anteil liegt bei etwa ¼ der Heimbewohner. Das Sturzrisiko dieser
Bewohner ist niedrig, etwa 12 % der Stürze ereigneten sich in dieser Gruppe. Es wurde nur
eine einzige Fraktur beobachtet. Die gesonderte Betrachtung dieser Gruppe ist auch daher
von Bedeutung, weil die von uns vorgeschlagenen Interventionsmaßnahmen kaum zum
Tragen kommen. In der Regel können diese Personen nicht an Trainingsprogramm, die ja
zum Teil im Stand durchgeführt werden, teilnehmen. Das Tragen von Hüftprotektoren kommt
nur selten in Frage, da sie sich nahezu ausschließlich im Rollstuhl aufhalten bzw. nachts im
Liegen. Aus unserer Sicht handelt es sich bei den Stürzen meistens um „organisatorische“
Stürze. Beispielsweise fallen Patienten von der Toilette, Patienten rollen aus dem Bett oder
stürzen aus einem ungesicherten Rollstuhl. Hier sind insbesondere Veränderungen des
Arbeitsablaufes und Hilfsmittel nötig. Die Risikofaktoren hierfür sind vorrangig administrative
und personelle Defizite einschließlich unzureichender personeller Ausstattung und weniger
die individuellen Risikofaktoren der Betroffenen selbst. Für diese Bewohner halten wir eine
weitere Risikosturzabklärung nicht für erforderlich.
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Hohes Risiko – vorausgegangener Sturz (Gruppe II)
Bei der zweiten Gruppe handelt es sich um Personen, die von den Pflegemitarbeitern
unmittelbar auch ohne weiteres Sturzrisikoassessment als sturzgefährdet betrachtet werden.
Merkmale dieser Bewohner sind ein Sturz innerhalb des letzten Halbjahrs, vor allem
innerhalb des letzten Monats.
Hier würde eine bürokratisch verordnete weiterführende Einschätzung des Sturzrisikos eine
Zeitvergeudung bedeuten. Von den Personen, die unmittelbar von den Pflegemitarbeitern als
sturzgefährdet erkannt werden, sollte in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt eine Kontrolle
der Behandlungsplanung erfolgen. Die als wirksam bekannten Maßnahmen sollten ohne
Verzögerung zum Einsatz kommen. Die sturzauslösenden Umgebungsfaktoren unmittelbar
beseitigt werden. Da die Sturzgefährdung unmittelbar weiter besteht, sollte den Bewohnern
geraten werden, einen Hüftprotektor zu tragen, da dieser sofort wirkt.
Daran anschließend sollten andere Maßnahmen angeboten werden, die mittelfristig wirken.
Insbesondere zählt hierzu ein Trainingsprogramm. Der Hausarzt sollte bei gehfähigen
Bewohnern
und
fehlenden
Kontraindikationen
Vitamin
D
und
Calcium
als
Nahrungsergänzung verordnen.
Sollten Psychopharmaka eingesetzt werden, muss eine kritische Überprüfung der Dosis,
Wirksubstanz
und
Verordnungsdauer
vorgenommen
werden.
Der
Einsatz
von
bewegungseinschränkenden Maßnahmen sollte falls unumgänglich nur zeitlich befristet und
unter strenger Pflegeplanung durchgeführt werden.
Weiterhin sollte bei den Betroffenen eine Überprüfung der Sehfähigkeit erfolgen, die aber
auch unabhängig vom Sturzrisiko mindestens jährlich angebracht wäre.
Insgesamt handelt es sich dabei nach Abzug der Gruppe I um ein weiteres Viertel der
Heimbewohner, für die wir ein generelles Sturzrisikoassessment für unnötig erachten. Der
unmittelbare Beginn der Sturzprävention ist vorrangig.
Sturzrisikoassessment
Ein strukturiertes Assessment ist für die verbleibenden 50 % der Heimbewohner sinnvoll.
Hierbei handelt es sich um Bewohner, die oft von den Heimmitarbeitern als gangsicher oder
zumindest relativ gangsicher erlebt werden. Andererseits ereignen sich in dieser Gruppe
mehr als 50 % der Stürze und auch mehr als 50 % der sturzbedingten Verletzungen. Hier
sehen wir die größte Bedeutung, da offenbar die Fremdeinschätzung durch die
Pflegemitarbeiter nicht ausreicht, die Sturzgefährdung der Personen zu erkennen und
möglicherweise veränderbare Sturzrisikofaktoren nicht oder zu spät erkannt werden.
Entsprechend ist die Bereitschaft zur Durchführung von Präventionsmaßnahmen gering.
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Unklares Risiko (Gruppe III a und b)
Im Folgenden wird aufgrund der von uns erhobenen Daten ein Vorschlag unterbreitet, wie für
diese Gruppe ein Sturzrisikoassessment ausgestaltet werden kann. Das Ziel ist dabei, dass
innerhalb von 10 bis 15 Minuten alle wesentlichen Faktoren erfasst werden, um diese dann
mit den Bewohnern respektive dem Hausarzt des Bewohners weiter zu besprechen.
Sturzrisiko – univariate Risikoindikatoren
Unter Odds Ratio versteht man die Erhöhung des Risikos eines Bewohners einen Sturz im
nächsten Jahr zu erleiden. Ein Odds Ration von 2,0 bedeutet ein Verdoppelung des Risikos.
Ein Odds Ration von 1,0 bedeutet kein erhöhtes Risiko. Zahlen unter 1,0 bedeuten einen
protektiven Effekt bzw. ein vermindertes Risiko.
Im einzelnen wurden folgende Effekte gemessen.
Vorausgegangene Stürze, Balance, Schwindel und Sehfähigkeit
Merkmal
Odds Ratio
Sturz in den letzten 30 Tagen vor Erhebung
18,2
Sturz in den letzten 31-180 Tagen vor Erhebung
3,8
Gleichgewicht im Stehen: standfähig vs standunfähig
1,7
Unsichere Gangart: nach Einschätzung der Pflege
2,3
Schwindel / Benommenheit:
1,7
Sehen: (Sehfähigkeit bei guter Beleuchtung falls nötig mit Brille gut vs. 1,6
beeinträchtigtes Sehen bis blind)
Kognition, Verhaltensauffälligkeiten, Fixierung und Neuroleptika
Merkmal
Odds Ratio
Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnis: (Erinnerung nach 5
Minuten möglich) regelrecht vs Problem /oder nicht beurteilbar
1,9
Einschränkung des Langzeitgedächtnis: (Erinnerungen länger zurückliegend) regelrecht vs Problem/ oder nicht beurteilbar
Verhaltensauffälligkeiten: (Aggressivität, unangemessenes Verhalten
1,5
Umherirren: (zielloses Herumgehen, ohne Rücksicht auf Bedürfnisse
oder Sicherheit)
2,2
Motorische Unruhe: (Händeringen, Herumlaufen, Nesteln)
2,2
Neuroleptika:
1,9
Fixierung: (Gurte)
1,6
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1,7
15
Alltagsbewältigung und Kontinenz
Merkmal
Odds Ratio
Transfer: teilabhängig vs vollständig abhängig
zwischen Einrichtungsgegenständen (zu Bett, Stuhl usw.)
5,7
Transfer: teilabhängig vs unabhängig
zwischen Einrichtungsgegenständen (zu Bett, Stuhl usw.)
2,2
Fortbewegung auf dem eigenen Stockwerk: teilabhängig vs
vollständig abhängig
5,3
Fortbewegung auf dem eigenen Stockwerk: teilabhängig vs
Unabhängig
3,0
Bewegung im Bett: teilabhängig vs vollständig abhängig
(Hinlegen, Aufsitzen, Drehen, Lageveränderungen)
3,1
Fortbewegung im Korridor des Wohnbereichs: teilabhängig
vs
vollständig abhängig
3,9
Fortbewegung im Korridor des Wohnbereichs: teilabhängig
vs
Unabhängig
2,5
Persönliche Hygiene: teilabhängig vs unabhängig
(Fähigkeit sich zu pflegen, kämmen, waschen usw.)
2,0
Benutzung der Toilette: teilabhängig vs vollständig abhängig
3,4
Urin - Kontinenz: (inkontinent vs kontinent)
2,3
Multivariate Analyse
Nachfolgende Faktoren zeigten in einer multivariaten Betrachtungsweise ein erhöhtes
Sturzrisiko. Dabei wurde untersucht, ob ein einzelnes Merkmal unabhängig mit einer
erhöhten Sturzhäufigkeit verbunden war.
- häufige Inkontinenz
- eingeschränkte Sehfähigkeit
- Einschränkungen im Kurzzeitgedächtnis
Lagen alle drei Risikofaktoren vor. War die Wahrscheinlichkeit eines Sturzes im nächsten
Jahr über 90%.
Faktoren ohne Hinweis für eine Erhöhung des Sturzrisikos
Die folgenden Faktoren haben keinen eindeutigen Hinweis auf ein erhöhtes Sturzrisiko
gezeigt. Bei einigen Faktoren, die in der Vergangenheit häufiger mit einer erhöhten
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Sturzhäufigkeit in Verbindung gebracht wurden, konnten wir keine erhöhte Sturzgefährdung
ermitteln. Möglicherweise wäre dies anders, wenn wir eine noch größere Gruppe hätten
begleiten können.
- Antidepressiva und Depression
- Nutzung von Gehhilfen
- Schlafmittel oder angstreduzierende Mittel
- Anzahl der Medikamente
- kürzlich zurückliegende Krankenhausaufenthalte
- Diagnose zurückliegende Frakturen
- Diagnose Parkinson-Krankheit
- Diagnose Schlaganfall
- Pflegestufe
- Anzahl der Erkrankungen
- Alter
- Geschlecht
- Nutzung eines Rollstuhls
- Schmerzen
- Bettgitter (im Unterschied zu Gurten)
Bemerkungen
Ein Beispiel dafür, dass die Sturzgefährdung nicht immer mit eingeschränkten körperlichen
Fähigkeiten linear zunimmt ist die Alltagsbewältigung beim Aufstehen aus dem Stuhl oder
Bett. Personen die unabhängig waren oder allenfalls gelegentliche Aufsicht benötigten hatten
ein relativ niedriges Risiko zu stürzen. Ein bis zu 10fach höheres Risiko hatten aber die
Personen, die mit Hilfe einer Person, sei es auch geringer Hilfe, diesen Transfer noch
ausführen konnten. Personen die wiederum noch eingeschränkter waren und komplett auf
die Hilfe einer Person angewiesen waren oder die diese Tätigkeiten gar nicht mehr
ausführen konnten, hatten wiederum ein geringeres Risiko.
Ein ähnliches gelagertes Beispiel ist die Sehfähigkeit. Personen mit normalem Sehvermögen
oder nur geringen Seheinschränkungen hatten ein niedrigeres Risiko zu stürzen. Personen
mit noch erhaltener Sehfähigkeit aber deutlichen Einschränkungen hatten ein deutlich
erhöhtes Risiko. Personen die vollständig blind waren, hatten wiederum ein niedrigeres
Risiko. Dies ist möglicherweise dadurch erklärbar, dass sich blinde Menschen vorsichtiger in
ihrer Umgebung bewegen. Möglicherweise bewegen sie sich aber auch weniger und
reduzieren dadurch ihr Sturzrisiko.
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Veränderbare Risikofaktoren
Defizite der Muskelkraft und Balance als Indikatoren für erhebliche Sturzgefährdung sind
durch Trainingsmaßnahmen wirksam zu verändern.
Antipsychotika, insbesondere Neuroleptika, sind Medikamente, die entweder in ihrer Dosis
oder in der Substanzklasse anders verordnet werden können. Hierzu wurde bereits im
zweiten Jahresbericht ausführlich Stellung genommen.
Zum Sehen wurde bereits im ersten Jahresbericht darauf verwiesen, dass ein
augenärztliches Screening zu Erkennung von Defiziten nicht routinemäßig erfolgt. Zu prüfen
wäre, ob durch ein mobiles Team behandelbare Glaukom- und Katarakterkrankungen auch
bei Heimbewohnern erkannt werden.
Bei inkontinenten Patienten wird der Harndrang oft als imperativ erlebt. Im Sinne einer
Hierarchisierung wird dann die gesamte Aufmerksamkeit des Bewohners auf das möglichst
schnelle
Erreichen
der
Toilette
gelenkt.
Dabei
werden
Umgebungsgefährdungen
vernachlässigt und es kommt zu Rutsch- oder Stolperunfällen. Wahrscheinlich ist dies auch
ein Grund, dass vor allem nächtliche Toilettengänge mit unzureichender Beleuchtung zu
einer erheblichen Sturzgefährdung führen. Das Inkontinenz kein unabänderbares Schicksal
ist, wurde in verschiedenen Untersuchungen belegt.
Die Bedeutung der Inkontinenz wurde auch in einer kürzlich durchgeführten Untersuchung in
den USA belegt (Brown et al. Urinary Incontinence: Does it increase risk for falls and
fractures? J Am Geriatr Soc 48: 721-725, 2000).
Die exorbitante Erhöhung von Stürzen nach vorausgegangenen Stürzen im letzten Monat ist
leicht verständlich. Dies bedingt auch, dass nach jedem Sturz alle veränderbaren
Risikofaktoren erneut analysiert werden sollten, um einen zweiten Sturz zu verhindern. Wir
denken, dass das Projekt gezeigt hat, wie erfolgreich man bei diesen Personen mit
Mehrfachstürzen intervenieren kann.
Methodisch ist zu betonen, dass es sinnvoll ist, an anderer Stelle das Risikomodell zu
überprüfen.
Wir
denken,
mit
dem
vorgeschlagenen
mehrgliedrigen
Modell
eine
alltagspraktikable Vorschlagsliste erarbeitet zu haben.
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Das
folgende
Diagramm
fasst
die
wesentliche
Schritte
der
Sturzabklärung
bei
Heimbewohnern zusammen.
Algorithmus zur Sturzabklärung
Gesamtkollektiv
stehfähig
standfähig
standunfähig
„organisatorische Stürze“
Sturz im letzten
1/2 Jahr
Intervention
gestürzt
Assessment
- Kontinenz
- Sehfähigkeit
- Kognition
Intervention
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
nicht gestürzt
hohes Risiko
niedriges Risiko
Intervention
Beobachtung
19
Publikationen und Vorträge
Am 9. November 2000 wurde das zweite Symposium des Modellvorhabens durchgeführt.
Teilgenommen haben 50 eingeladene Gäste. Besonders haben wir uns über das Interesse
der Leitung des Bundesministeriums für Gesundheit vertreten durch Staatssekretär Herrn E.
Jordan gefreut.
Das Ziel des Symposiums war es, abschließend die Ergebnisse zur Sturz- und
Frakturprävention zu präsentieren. Zum zweiten ging es um die Umsetzbarkeit und die
Nachhaltigkeit des Modells. Aktiv haben sich an dieser Diskussion Vertreter des
Landesministeriums für Soziales, der Heimträger, der Krankenkassen, der Pflegekassen,
des Medizinischen Dienstes, der Parteien, der Robert-Bosch Stiftung, verschiedener
Konsultingfirmen und der Heimaufsicht beteiligt.
Wir dürfen auf die in der Anlage beigefügten Vortragsfolien, die Stellungnahmen der
Teilnehmer und auf die Kurzfassungen der Referenten verweisen, die nicht direkt am Ulmer
Modell beteiligt waren. Weiterhin haben wir die Teilnehmer um schriftliche Stellungnahmen
gebeten. Soweit wir diese erhalten haben, sind diese im Abschnitt Stellungnahmen
beigefügt.
Die Jahresberichte des Projektes können über die Website des Kuratoriums Deutsche
Altershilfe abgerufen werden. Hier wurden bislang mehr als 1000 Berichte eingefordert.
In Zusammenarbeit mit dem SWR wurde ein weites Video zum Modellvorhaben erstellt.
In Zusammenarbeit dem AOK Bundesverband wurde eine Broschüre zur Sturzprävention
gestaltet (Erscheinungsdatum Sommer 2001).
In der Versichertenzeitung der Betriebskrankenkassen Deutschlands wurde ein Beitrag zum
Modellvorhaben veröffentlicht (April 2001).
Vorträge zum Modell erfolgten auf verschiedenen Fachtagungen. Seit dem letzten
Jahresbericht wurden 15 Workshops mit mehr als 300 Teilnehmern durchgeführt.
Weitere Workshops erfolgten in der Schweiz und in Österreich, um dort bestehende
Sturzpräventionsinitiativen zu unterstützen (Bundesland Vorarlberg und Regionen Zürich,
Basel, Winterthur).
Erfreulich ist es, dass die Europäische Kommission auf Anraten der Expertenkommission
(External Advisory Group - EAG) im Rahmen des Lebensqualitätsprogrammes eine Initiative
gestartet hat, das Thema Stürze und Mobilität vorrangig zu behandeln und zu fördern. Zum
Thema „Falls and postural control in the elderly“ wurde eine Expertenarbeitsgruppe gebildet.
Aus Deutschland wurde hierfür die Ulmer Arbeitsgruppe gebeten mitzuarbeiten und ihre
Erfahrungen aus dem Modell beizusteuern.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
20
Trainingsprogramme / Umsetzung und Nachhaltigkeit
Die Durchführung eines kombinierten Trainingsprogramms in der Gruppe, mit den
Elementen Krafttraining und Gleichgewichtstraining, hat sich im Modellvorhaben als
machbar, sicher und effektiv erwiesen.
Therapeuten
Die Trainingsgruppen wurden von einem Therapeuten und einem Helfer in einer
Gruppengröße von sechs bis acht Teilnehmern durchgeführt. Diese Konstellation hat sich
gerade mit Beginn der Trainingsgruppen bewährt. Es gibt den Therapeuten mehr Sicherheit
in einer Gruppe mit vielen „Neueinsteigern“. Im Verlauf des Modellvorhabens hat sich
gezeigt, daß die Trainingsgruppen auch von einem Therapeuten alleine geleitet werden
können, solange die Gruppe nicht zu groß ist und solange in die Gruppe nicht zu viele stark
pflegebedürftige Heimbewohner integriert werden.
Beim Holen und Bringen der körperlich schwächeren Teilnehmer benötigt ein einzelner
Therapeut die Hilfe der Pflegekräfte. Diese werden im Gegenzug während der Dauer des
Trainings entlastet.
Die
meisten
im
Modellvorhaben
eingesetzten
Therapeuten
waren
Sport-
und
Gymnastiklehrer. Diese Berufsgruppe eignet sich auf Grund ihrer schulischen Ausbildung
besonders gut für diese Tätigkeit. Auch andere medizinische Hilfsberufe (Physiotherapeuten,
Masseure/medizinische Bademeister) konnten als Therapeuten erfolgreich eingesetzt
werden. Alle Therapeuten benötigen aber zusätzlich zu ihrer Berufsausbildung eine
Fortbildung in Trainingslehre und Trainingstherapie, die speziell auf ältere Menschen
ausgerichtet ist.
Personalplanung
In einer Einrichtung mit 100-130 Heimbewohnern kann eine Gymnastiklehrerin mit einer
halben Personalstelle (Arbeitgeberaufwand 28 Jahre, unverheiratet: 30.706 DM/Jahr) den
Bedarf
an
Trainingsgruppen
abdecken.
Dabei
können
pro
Tag
maximal
vier
Trainingsstunden geplant werden. Das Zeitfenster dafür ist üblicherweise von 9:00 bis 11:30
Uhr und von 14:00 bis 16:30 Uhr und überschneidet sich dann in der Regel nicht mit den
Essen- und Ruhezeiten der Heimbewohner.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
21
Raumbedarf
Als Trainingsräume eignen sich die Aufenthaltsräume auf den Pflegestationen. Das Training
kann so von allen Bewohnern beobachtet werden, was bei vielen älteren Menschen die
Kontaktaufnahme und den Einstieg ins Training erleichtert. Auf diese Weise ist ein
stationsgebundenes Training möglich. Die Trainingsgeräte (freie Gewichte und Kleingeräte
für das Gleichgewichtstraining) lassen sich in einem Rollcontainer mühelos transportieren.
Weiterhin werden nur Stühle benötigt.
Geräte
Der Einsatz von freien Gewichten (Kurzhanteln, Gewichtsmanschetten) im Krafttraining hat
sich in den Alten- und Pflegeheimen bewährt. Die Geräte sind in ihrer Intensität individuell
gut dosierbar, sind transportabel und kostengünstig. Beim Training in der Gruppe können
auch kognitiv eingeschränkte Heimbewohner in die Trainingsgruppen integriert werden.
Durch Imitation der Übungen kann auch dieser Personenkreis vom Training profitieren.
Im Gleichgewichtstraining kann mit Kleingeräten (Matten, Gymnastikseilen, Softbällen,
Luftballons, Reifen, Bohnensäckchen, Schwungtuch usw.) kostengünstig und effektiv
gearbeitet werden. Der Schwierigkeitsgrad kann durch Variation der Übungen auch im
Gruppentraining individuell eingestellt werden.
Training mit Kraftmaschinen
Sollen im Training Kraftmaschinen eingesetzt werden, findet das Training in einem zentralen
Raum statt. Die Teilnehmer werden in der Regel aus dem Anteil der Altenheimbewohner
rekrutiert, die so mobil sind, dass sie den Raum ohne fremde Hilfe aufsuchen können.
Kraftmaschinen können nur ortsgebunden und im Stationsbetrieb in das Krafttraining
aufgenommen werden. Die individuelle Dosierbarkeit ist auch bei Kraftmaschinen gut. Um
die
komplexen
Bewegungsabläufe
an
den
Maschinen
auszuführen,
müssen
die
Trainierenden kognitiv in der Lage sein, verbale Instruktion umzusetzen. Die Teilnahme am
Training mit Kraftmaschinen ist für diese Teilnehmer sehr motivierend.
Es ist gut möglich ein Training mit Kraftmaschinen und mit freien Gewichten zu kombinieren.
Einrichtungen, die in ihren Räumen eine Tagespflege integriert haben, können diese, oft
physisch und kognitiv leistungsfähigeren älteren Menschen, in Trainingsgruppen mit
Kraftmaschinen aufnehmen.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
22
Materialkosten
Grundausstattung mit freien Gewichten (zwei Trainingsgruppen mit je sieben Personen):
14 Paar Gewichtsmanschetten (0-5Kg)
1.400,-DM
6 Paar Hanteln (1Kg)
60,-DM
4 Paar Hanteln (1,5Kg)
50,-DM
3 Paar Hanteln (2Kg)
50,-DM
2 Paar Hanteln (3Kg)
40,-DM
1 Paar Hanteln (4Kg)
25,-DM
3 Matten
360,-DM
8 Reifen
120,-DM
8 Bohnensäckchen
40,-DM
8 Gymnastikseile
45,-DM
8 Softbälle
80,-DM
1 Schwungtuch
130,-DM
__________
2.400,-DM
Wenn Kraftmaschinen eingesetzt werden sollen, sind Geräte zu bevorzugen, an denen
größere Muskelgruppen trainiert werden (z.B. Beinpresse, Schulterpresse, Seilzug). Bei
diesen Geräten sind pro Maschine ca. 10.000,- DM zu rechnen (Seilzug ca. 3.500,- DM).
Sicherheit
Vor Aufnahme des Trainings muß für jeden Teilnehmer das hausärztliche Einverständnis
eingeholt werden.
Obwohl in vergleichbaren Trainingssituationen noch nie von unerwünschten Ereignissen
berichtet wurde, wird empfohlen, dass jederzeit Hilfe in Rufweite erreichbar ist. Im Training
muß auf eine ruhige Atmung und auf korrekte Übungsausführung geachtet werden.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
23
Nachhaltigkeit
Der Erfolg des gesamten Modellvorhabens, aber auch die Rückmeldungen der einzelnen
Trainingsteilnehmer haben dazu beigetragen, dass in allen Heimen, die am Modellvorhaben
teilgenommen haben, die Trainingsprogramme, auch nach dem Ende des Modellvorhabens,
weitergeführt werden.
•
In drei Einrichtungen werden die Trainer, die zuvor über das Modellvorhaben finanziert
wurden, nachfolgend von der Einrichtung direkt finanziert.
•
Zwei
Heime
vergaben
die
Durchführung
der
Trainingsprogramme
an
Physiotherapiepraxen, die räumlich an das jeweilige Haus gebunden sind. Die
Therapeuten, die letztlich die Trainingsgruppen leiten, wurden von uns ausgebildet und
begleitet.
•
Das Trainingsprogramm wird in einer Einrichtung von einer Therapeutin geleitet, die in
dem Haus schon länger Gruppen mit anderen Inhalten leitet. Auch diese Therapeutin
wurden von uns ausgebildet und begleitet.
•
Lediglich ein Heim ist nicht bereit, die Fortführung der Trainingsprogramme zu
finanzieren. Allerdings können die Bewohner des Hauses bei Selbstfinanzierung
weiterhin am Trainingsprogramm teilnehmen, da eine Therapeutin des Modellvorhabens
in diesem Haus das Trainingsprogramm in Eigenregie anbietet. Das Heim stellt hier den
Raum zur Verfügung.
Im Falle der Einstellung der Therapeuten und der Übernahme des Trainingsprogramms
durch eine hauseigene Kraft können nun auch Heimbewohner für die Trainingsgruppen
gewonnen werden, die zuvor von „externen“ Therapeuten nicht erreicht wurden, da nun ein
intensiverer Kontakt zwischen Bewohner und „Mitarbeiter“ besteht.
Es muß einschränkend erwähnt werden, dass aufgrund der finanziellen Möglichkeiten das
Programm in einigen Einrichtungen nicht in vollem Umfang fortgeführt werden konnte.
Mehrere Einrichtungen nutzen nun die Möglichkeit, in ihren Trainingsgruppen jetzt externe
Senioren aus der örtlichen Umgebung zu integrieren. Auf diese Weise kann eine Öffnung der
Pflegeeinrichtung für die Bürger der Stadt vollzogen werden,
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
24
Hüftprotektoren
Bis zum Modellende wurde die Versorgung der Heime durch Hüftprotektoren durch das
Modell gewährleistet. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung war noch unklar in welcher Form
die Leistungsträger hier zukünftig verfahren werden.
Unsere abschließenden Erfahrungen wurden mittlerweile in einem gemeinsamen Artikel mit
der Universität Hamburg veröffentlicht (siehe Anlage). Entscheidend für die weitere
Verbreitung von Hüftprotektoren ist die Frage der Finanzierbarkeit bzw. Erstattungsfähigkeit.
Gegenwärtig wird in der Schweiz flächendeckend für sämtliche Pflegeeinrichtungen die
Einführung der Hüftprotektoren im Rahmen eines Sturzpräventionsprogrammes vorbereitet
(Bundesanstalt für Unfallverhütung, Schweiz). Der Projektleiter (Dr. Clemens Becker)
beteiligt sich als Berater an dieser Maßnahme, um im Umkehrschluss auch aus den
Erfahrungen der schweizer Initiative zu lernen. Weiter kann hinzugefügt werden, dass durch
eine große finnische Untersuchung, die in der bekanntesten medizinischen Fachzeitung im
November 2000 veröffentlicht wurde, nochmals eindrücklich die Wirksamkeit von
Hüftprotektoren bewiesen wurde. Dort kam es zu einer mehr als 50 %igen Reduktion der
Oberschenkelhalsfrakturen. Zur Verhütung einer Hüftfraktur war es in Finnland nötig 41
Heimbewohner mit Hüftprotektoren zu versorgen (Kannus et al. Prevention of hip fracture in
elderly people with use of a hip protector. N Engl J Med 343 (21): 1506-1513, 2000).
Einzelne gesetzliche Krankenkassen haben mittlerweile der Vergütung der Hüftprotektoren
auch regional übernommen. Eine flächendeckende Zusage hierzu existiert jedoch noch
nicht. Dies ist fachlich nicht nachvollziehbar. Als Vergleich sei darauf verwiesen, dass vielen
Personen Medikamente, zum Beispiel zur Vorbeugung eines zweiten Schlaganfalles,
problemlos verordnet werden, ein mechanischer Schutz der Hüfte mit einer höheren
Wirksamkeit als Medikamente, aber einem ähnlichen Wirkansatz, nicht erstattet wird.
Darüber
hinaus
gehören
Hüftprotektoren
zu
den
wirksamsten
Methoden,
freiheitsbeschränkende Maßnahmen zu verhindern. Die häufigste Begründung für
freiheitsbeschränkende Maßnahmen ist Verhütung einer Hüftfraktur, die ja durch den
Protektor mit einer über 90 %igen Sicherheit verhindert werden kann.
In einer australischen Untersuchung wurde eindrücklich belegt, dass durch das Tragen der
Hüftprotektoren die Angst zu stürzen reduziert wurde und damit auch die Selbständigkeit der
tragenden Personen erhöht werden konnte (Cameron et al. Hip protectors improve falls selfefficacy. Age Ageing 29: 57-62, 2000).
Entsprechende Kostenberechnungen wurden bereits im zweiten Jahresbericht dargelegt.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
25
Umsetzbarkeit
Krankenversicherung
Aus unserer Sicht sind die Krankenversicherer der ökonomische „Hauptnutznießer“ des
Modells.
Durch
die
Verhütung
von
sturzbedingten
Unfällen
und
insbesondere
Krankenhauseinweisungen nach sturzbedingten Verletzungen kommt es in diesem Bereich
zu erheblichen Kosteneinsparungen.
Andererseits ist zu betonen, dass auf
der
Ausgabenseite nach der gegenwärtigen Sachlage die Hauptlast bei den Heimträgern
respektive den Pflegekassen und Trägern der freien Wohlfahrtspflege bzw. den Bewohnern
liegen würde. Hier muss nach einem gerechten finanziellen Ausgleich gesucht werden. Aus
unserer Sicht ist die Finanzierung der Hüftprotektoren als Hilfsmittel für Hochrisikopatienten,
und hierzu gehören Heimbewohner, überfällig.
Es ist zu betonen, dass durchaus eine Diskussionsbereitschaft und ein fachliches Interesse
sowohl bei den regionalen als auch bei den landesweiten und bundesweiten Kranken- und
Pflegekassen angetroffen wurde. Offenbar besteht aber eine große Zurückhaltung, was die
Umschichtung
von
Gewinnen
und
Verlusten
zwischen
den
einzelnen
Finanzierungsbereichen anbelangt. Leider ist es bislang nicht gelungen, ein Gespräch aller
Entscheidungsträger zustande zubringen.
Pflegekassen
Aus Sicht der Pflegekassen sind potentielle Einsparungen durch eine Verbesserung des
körperlichen Zustandes der Heimbewohner respektive der Verhütung einer Verschlechterung
des ADL-Zustandes der Heimbewohner zu erwarten. Da dies nicht das Hauptziel der
Untersuchung war und nur ausschnittsweise untersucht wurde, kann nur festgehalten
werden, dass bei den untersuchten Patienten die erwünschten und erhofften Effekte
eingetreten sind. Allerdings war dies nur ein Ausschnitt der Gesamtgruppe, so kann keine
endgültige Aussage zur Frage gemacht werden kann, ob durch Trainingsprogramme im
Hinblick auf die Einstufungsgruppen im Rahmen der Pflegeversicherung ein finanzieller
Erfolg erreicht wurde. Dies ist eher unwahrscheinlich, da die Überprüfungspraxis des MDK
häufig nicht sehr zeitnah erfolgt und die Rückstufung aus einer höheren Pflegegruppe derzeit
die Ausnahme darstellt, auch wenn sich der Funktionszustand des Heimbewohners
verbessert hat.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
26
Heimträger, Mitarbeiter und Hausärzte
Aus unserer Sicht werden sowohl kleinere Heimbetreiber als auch große Trägerverbände
zukünftig Leitlinien zur Sturzprävention bei Heimbewohnern entwickeln müssen. Es muss
klar definiert werden, in welcher Form pflegerisch und organisatorisch Maßnahmen zur
Sturzprävention angeboten werden („Pflegestandards“). Aufgrund der auch durch unser
Modell verfügbaren Datenlage, müssen Stürze im Heimbereich als teilweise verhinderbar
erkannt werden. In der Liste der vorrangigsten Themen (Stichwort: Demenz, Inkontinenz,
Dekubitus, bewegungseinschränkende Maßnahmen etc.) ist auch die Mobilität und
Sturzprävention als eine der zehn wichtigsten Aufgaben zu nennen. Neben der
institutionellen Qualitätssicherung oder des Qualitätsmanagements müssen individuelle
Maßnahmen benannt werden, die aus Sicht der Pflege als vorrangig zur Sturzverhütung
erkannt wurden (siehe auch Abschnitt Risikofaktoren).
Selbstverständlich ist ein Teil dieser Maßnahmen vorrangig Aufgabe des betreuenden Hausoder
Facharztes
(Beispiel:
Psychopharmakaverordnung,
Vitamin
D
und
Calcium,
Überweisung zur Kontrolle der Sehfähigkeit etc.).
Dennoch sind bei den meisten Arbeitsabläufen die Pflegemitarbeiter die entscheidenden
Personen, die zum Erfolg beitragen können. Dies den Mitarbeitern zu vermitteln ist Aufgabe
der Heimbetreiber und -leiter.
Andererseits sollte betont werden, dass die Heimträger bei Programmen zum Erhalt der
Mobilität auch eine Chance im Wettbewerb sehen können. Dies ist im Beitrag von Herrn
Rißmann (Anlage Symposium) weiter ausgeführt.
Bewohner
Zum Ende des Projektes wurden die Teilnehmer der Trainingsgruppen befragt, ob sie bereit
wären, einen Eigenbetrag am Trainingsprogramm zu tragen. Hierbei muss berücksichtigt
werden, dass in zahlreichen Fällen insbesondere Frauen, die in der Zeit um den 1. Weltkrieg
geboren wurden, nur über sehr geringe Renteneinkünfte verfügen. Insgesamt fand sich
jedoch bei den Bewohnern, die nicht Sozialhilfeempfänger waren, die Bereitschaft, einen
Eigenbeitrag in der Größenordnung von 2 bis 4 DM pro Stunde beizusteuern. Dies kann bei
der zukünftigen Planung berücksichtigt werden.
Medizinischer Dienst und Heimaufsicht
Beide Institutionen können durch externe Qualitätssicherung dazu beitragen, dass
Sturzprävention in den Einrichtungen ernst genommen wird. Dies betrifft zum einen die
Überprüfung, ob entsprechende Pflegestandards vorliegen. Zum anderen sollte die
Sturzdokumentation der Pflegeeinrichtungen im Rahmen der Prüfungen kontrolliert werden.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
27
Bei Einrichtungen, die beispielsweise Sturzzahlen von 20 % oder weniger nachweisen ist
davon auszugehen, dass die Sturzdokumentation unvollständig oder unglaubwürdig ist.
Eine erhöhte Frakturrate kann ebenfalls unter Berücksichtigung des Konfidenzintervalls ein
Qualitätsindikator sein.
Ein weiterer möglicher zukünftiger Qualitätsindikator ist die Frage, wie viele der bei
Aufnahme gehfähigen Heimbewohner nach einem Jahr noch in der Lage sind zu gehen. Hier
wäre es allerdings nötig, weitere Untersuchungen an anderer Stelle durchzuführen, um dies
als Qualitätsindikator zu spezifizieren.
Berufsgenossenschaften
Unmittelbare Interessenüberschneidungen ergeben sich im Bereich des Arbeitsschutzes. Es
ist darauf hinzuweisen, dass das Aufheben von gestürzten Pflegeheimbewohnern,
insbesondere nachts, zu den am stärksten rückenbelastenden Arbeiten gehört. Leider
wurden im Rahmen des Ulmer Modells keine Daten zu Arbeitsausfallszeiten erhoben. Es ist
jedoch vorstellbar, dass durch Unfallvermeidung, insbesondere Sturzverhütung, Ausfallzeiten
durch Krankheit der Pflegemitarbeiter reduziert werden können. Rückenbeschwerden
gehören
zu
den
häufigsten
körperlichen
Ursachen
der
Berufsunfähigkeit
von
Pflegemitarbeitern.
Es
ist
darauf
hinzuweisen,
dass
die
BG
Wohlfahrtspflege
im
Rahmen
ihrer
Unfallverhütungsvorschriften fachlich überholte Vorschriften vorhält. Hierzu gehört der Rat
Heimbewohner mit Bettgittern am Aufstehen zu hindern (§ 30). Das Anbringen von
Bettgittern bei aufstehfähigen Heimbewohnern ohne deren Zustimmung erhöht jedoch das
Verletzungsrisiko.
Der Arbeitssicherheitsbeauftragte respektive die Fachkraft für Arbeitssicherheit der
jeweiligen Pflegeeinrichtung ist unseres Erachtens verantwortlich, dass Sturzverhütung als
wichtige Aufgabe der Einrichtung gesehen wird, um damit die Gesundheit der Mitarbeiter zu
unterstützen.
Ein entsprechendes Vorgespräch mit
der Berufsgenossenschaft hat
mittlerweile stattgefunden.
Gesetzgebung
Im SGB VII werden Unfälle in allen Institutionen, mit Ausnahme der Heime, derzeit
Arbeitsunfällen rechtlich gleichgesetzt. Dies gilt z.B. für Unfälle in Schulen, Kindergärten und
anderen öffentlichen Plätzen sowie in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen.
Durch eine Gleichstellung der Heimunfälle könnte erreicht werden, dass systematische
Unfallverhütung auch unter Einschluss der Partner der gesetzlichen Haftpflicht- und
Unfallversicherungen gefördert und überwacht werden könnte.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
28
Haftpflicht- und Unfallversicherungen
Es ist zu prüfen, in welchem Umfang Unfälle, insbesondere Unfälle mit Verletzungsfolgen,
auf organisatorische bzw. systemische Defizite zurückzuführen sind.
Nach den im Ulmer Projekt erhobenen Daten ist davon auszugehen, dass der Anteil
vermeidbarer Unfälle zwischen 20 bis 40 % liegt. Es ist zu prüfen, ob über eine Bonus- und
Malusregelung Heimträger, adjustiert für die jeweilige Fallgruppe, indirekt über eine
Erhöhung bzw. Verminderung der Versicherungsprämien an den Unfallfolgekosten beteiligt
werden sollten. Wichtig ist es hierbei zu betonen, dass es um eine aufkommensneutrale
Regelung gehen sollte. Dies bedeutet, dass der entsprechende Betrag von den
Krankenkassen in das System der Pflegeversicherung in die Vergütungsmöglichkeiten der
Pflegeeinrichtungen aufgenommen werden müsste. Danach könnte ein Anreiz geschaffen
werden,
entsprechend
Unfallpräventionskonzepte
zu
erarbeiten,
um
niedrigere
Versicherungsprämien zu erreichen.
Umgebungsveränderungen
Mögliche Umgebungsveränderungen wurden bereits im zweiten Jahresbericht ausführlich
dargestellt. An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass es sich dabei um ein zeitlich
mehrstufiges Verfahren handelt. Bei Heimbewohnern, die beispielsweise nicht in der Lage
sind, ohne die Hilfe ihrer Arme von einem Stuhl aufzustehen, bedeutet eine Toilette ohne
entsprechende Handgriffe eine Falle bzw. ein erhebliches Sturzrisiko. Da Handgriffe mit
einem geringen materiellen Aufwand angebracht werden können, kann hier nicht auf die
Durchführung mittelfristig geplanter Umbaumaßnahmen gewartet werden. Ähnliches gilt für
inadäquate Beleuchtung oder falsch eingestellte Betthöhen.
Andererseits
sind
viele
bauliche
Maßnahmen
nur
im
Rahmen
größerer
Renovierungsarbeiten oder Neuplanungen umzusetzen. Es ist erfreulich, dass in den drei
Jahren bei der Planung der Renovierung bzw. der Neubaumaßnahmen in Ulm, viele
Anregungen aufgenommen und zum Teil mustergültig umgesetzt wurden.
Weitere Ergänzungen, die derzeit von uns geprüft werden, sind eine Verbesserung der
Schuhform, die Wirksamkeit von Bettalarmsystemen und der Einsatz rutschhemmender
Socken in der Nachtzeit. Endgültige Empfehlungen hierzu können noch nicht abgegeben
werden.
Im Rahmen des Modells und in begleitenden kleineren Projekten werden deren Wirksamkeit
derzeit überprüft.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
29
Angefragte Stellungnahmen
•
Stadt Ulm
•
Sozialministerium Baden-Württemberg
•
ISO – Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft e.V.
•
Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen e.V.
•
Samariterstiftung
•
Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg
•
MÜNCHENSTIFT AH St. Martin
•
Hessisches Amt für Versorgung und Soziales
•
MDK Baden-Württemberg
•
Kreisärzteschaft Ulm
•
AOK Baden-Württemberg
•
Deutsches Zentrum für Alternsforschung
•
Universität Hamburg, Fachwissenschaft Gesundheit
•
Kuratorium Deutsche Altershilfe
•
Altenzentrum Clarissenhof, Ulm
•
ELISABETHENHAUS, Ulm
•
Pro Seniore Residenz Friedrichsau, Ulm
•
ELISA Seniorenstift, Ulm
•
Evangelische Heimstiftung – Dreifaltigkeitshof, Ulm
•
Rölke Pharma Spezialprodukte
•
Krankenhaus Neuperlach, Zentrum für Akutgeriatrie und Frührehabilitation
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
30
STADT ULM
Bürgermeisteramt
Dr. Hartung
89070 Ulm
Gertrud S. eine Bewohnerin eines Ulmer Alten- und Pflegeheims, musste auf Grund vieler
Stürze und Brüche lange Zeiten im Rollstuhl verbringen. Sie bedankt sich bei dem
Geriatrischen Zentrum für die liebevolle Betreuung in der Modellphase und kann seit 1 ½
Jahren wieder mit ihrem „Rolly“ an der Donau spazieren gehen.
Prävention setzt das Nachdenken über die Gründe von Hilfe- und Pflegebedürftigkeit voraus
und wird konkret in den Bemühungen, diesen Gründen entgegenzuwirken. Bei Alten- und
Pflegeheimbewohnern schienen bisher Prävention und Rehabilitation kaum möglich zu sein.
Aus Sicht der Stadt Ulm stellen sich einige der vielen positiven Erkenntnisse des
Modellvorhabens wie folgt dar:
•
Die RAI-Erhebung ergab wichtige Informationen zur Bewohnerstruktur der Alten- und
Pflegeheime, die der weiteren Altenhilfeplanung und Qualitätsverbesserung dienen.
•
Die Trainingsgruppen bildeten den Rahmen, in dem die Teilnehmer menschliche Nähe
erfahren konnten. Die Kommunikation der Heimbewohner hat sich verbessert.
•
Unruhige demente Bewohner „profitieren deutlich von dem Trainingsangebot in der
Gruppe“.
•
Dem Geriatrischen Zentrum ist es gelungen, das Pflegepersonal für die Sturzgefahr der
Bewohner zu sensibilisieren, die Zahl der Stürze und Oberschenkelhalsfrakturen
erheblich
(etwa 40 %) zu reduzieren, die Mobilität der Bewohner somit länger zu erhalten,
freiheitseinschränkende Maßnahmen weitgehend zu vermindern und insbesondere die
Lebensqualität der Bewohner/-innen zu verbessern.
Durch kontinuierliche Bearbeitung des Modellvorhabens im Arbeitskreis Heimträger und
durch finanzielle Unterstützung von insgesamt 100 000 DM, konnte die Stadt Ulm einen
Beitrag für das Modellvorhaben leisten, an dem alle Ulmer Alten- und Pflegeheime
teilnahmen. Erfreulich ist die Nachhaltigkeit des Modells, da ebenfalls alle Heime das
Trainingsprogramm in verschiedener Ausprägung fortführen.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
31
Ein nächster wichtiger Schritt ist u. E., die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die im
Alten- und Pflegeheimbereich gewonnenen Einsichten mit den notwendigen Modifikationen
auch auf den häuslichen Bereich übertragen werden können.
Da anzunehmen ist, dass die Folgen eines Sturzes im häuslichen Bereich oft noch
gravierender sind als im Heim (längerer Zustand der Hilflosigkeit bis zur Entdeckung mit
allen sich daraus ergebenden körperlichen und psychischen Folgen), dürfte der
Sturzprävention hier ein noch höherer Stellenwert als in Einrichtungen zugemessen werden.
Dass damit – heuristisch sinnvoll – in Alten- und Pflegeheimen ein Anfang gemacht worden
ist, ist zu begrüßen; der schwierigere (weil differenziertere und kaum reglementierte)
häusliche Bereich muss jedoch folgen – vor allem dann, wenn der Wunsch nach möglichst
langem Verbleib in der gewohnten Umgebung und nach möglichst großer Unabhängigkeit
nicht nur ein Wunsch bleiben soll.
Wir danken Herrn Prof. Dr. Nikolaus, Herrn Dr. Becker und all den am Modell beteiligten
Mitarbeiter/-innen sehr herzlich für Ihr ausgeprägtes Engagement. Europaweit konnten u. E.
die effektivsten Maßnahmen entwickelt werden, die dem drohenden Mobilitätsverlust des
alten Menschen vorbeugen.
Unser herzlicher Dank gilt ebenso dem Bundesgesundheitsministerium, dem Sozialministerium Baden-Württemberg und der Otto-Kässbohrer-Stiftung für die Förderung des Modellvorhabens.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
32
Sozialministeriums Baden-Württemberg
Ulrich Schmolz
Oberregierungsrat
Referat Pflege und Altenhilfe
Schellingstr. 15
70174 Stuttgart
Die Diskussion in der Pflege dreht sich seit Jahren zentral um die Frage nach der Qualität
der Pflege und deren Sicherung. In diesem Zusammenhang wird in erster Linie an die
unmittelbaren pflegerischen und betreuerischen Handlungen gedacht, was zunächst auch
wichtig ist. Im Kontext mit den pflegerischen Maßnahmen, der Qualität in der sie erbracht
werden und deren Qualitätssicherung, darf auch das Thema Lebensqualität nicht zu kurz
kommen. Die Frage der Lebensqualität spielt deshalb sowohl bei der Entwicklung baulicher
wie auch pflegerischer Konzepte eine zunehmende Rolle. Diese Entwicklung entspringt der
Erkenntnis, dass eine technisch betrachtet gute pflegerische Betreuung allein noch keine
Lebensqualität vermitteln muss. Deshalb kommt allen Projekten, die speziell die
Verbesserung der Lebensqualität der Heimbewohner im Auge haben, besondere Bedeutung
zu. Als ein solches Projekt hat sich das des Geriatrischen Zentrums erwiesen.
Die großen Herausforderungen in der Pflege stellen heute die Versorgung der zunehmenden
Zahl demenziell erkrankter Menschen dar, das immer noch weitgehend tabuisierte Thema
der Inkontinenz und die Vermeidung der Folgen sturzbedingter Verletzungen. Diesen
Problemen wirksam zu begegnen ist nicht nur notwendig, sondern auch möglich. Wenn
Unfälle in Heimen zu mehr als 90 % Folge von Stürzen sind und sich 30 bis 40 % aller
Oberschenkelhalsbrüche im Jahr in Alten- und Pflegeheimen ereignen, zeigt dies bereits die
zahlenmäßige Relevanz des Ulmer Projekts, das die Vermeidung von sturzbedingten
Verletzungen zum Ziel hatte.
Die primäre Folge von Stürzen alter Menschen ist häufig Pflegebedürftigkeit bzw. deren
Anwachsen. Die daraus resultierenden finanziellen Folgen allein rechtfertigen alle
Anstrengungen diese Konsequenzen zu vermeiden. Daneben ist aber nicht weniger wichtig,
dass Stürze sehr häufig eine Einschränkung der Mobilität zur Folge haben. Der Erhalt der
Mobilität gehört aber zu den Grundvoraussetzungen für eine positiv empfundene
Lebensqualität. Das Projekt des Geriatrischen Zentrums Ulm hat sowohl einen Beitrag zur
Vermeidung bzw. Verringerung von Pflegebedürftigkeit, als auch einen wichtigen Beitrag
zum Erhalt der Lebensqualität von Pflegeheimbewohnern geleistet. Es hat die Möglichkeiten
aufgezeigt, mit vergleichsweise geringem (finanziellen) Aufwand beide Ziele zu erreichen.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
33
Wer darüber hinaus einmal die Gelegenheit hatte, an einer "Trainingseinheit" der
Heimbewohner teilnehmen zu können, konnte eine Lebensfreude verspüren, wie sie
Außenstehende in Pflegeheimen kaum vermuten würden.
Auch wer die reine Kosten-Nutzen-Analyse für die Bewertung der Erkenntnisse des
Modellvorhabens vorzieht, muss zum Schluss kommen, dass sich alle Anstrengungen
lohnen, die in Ulm erprobten Ansätze in der Fläche umzusetzen. Natürlich wird die Frage
(der Verteilung) der Finanzierung breiten Raum einnehmen. Hier wird ebenfalls im Sinne
einer Kosten-Nutzen-Analyse zuerst an die gesetzliche Krankenversicherung zu denken
sein, die nicht unerheblich von dem schon im Projekt erzielten Rückgang der
Behandlungszahlen profitiert. Von ihr kann deshalb zuerst ein Beitrag im Sinne präventiver
Vermeidung sturzbedingter Verletzungen erwartet werden. Profitieren werden letztlich aber
auch die Heime und die Bewohner selbst. Beiden muss und wird dies ein eigener
(finanzieller) Beitrag wert sein.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
34
ISO - Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft e.V.
Carola Schweizer
Trillerweg 68
66117 Saarbrücken
Das Modellprojekt "Sturzprävention in Ulmer Pflegeheimen" spielt im Modellprogramm des
Bundesgesundheitsministeriums
eine
besondere
Rolle.
Als
vor
10
Jahren
das
Modellprogramm startete, wurden im Themenbereich "Rehabilitation" vor allem Modelle
gefördert, die die Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten, Heilmittelerbringern
und ambulanten Pflegediensten verbesserten. Sie leisteten einen wichtigen Beitrag zur
Stärkung der rehabilitativen Orientierung im Versorgungssystem. Es sind natürlich auch
Modelle gefördert worden, die eine integrierte Komplexleistung angeboten haben, wie
beispielsweise die Mobile Rehabilitation.
Mit der Förderung Ihres Modells ist ein "neuer" Weg beschnitten worden. Es geht nicht mehr
allein
um
die
Optimierung
der
Versorgungsinfrastruktur
oder
den
"klassischen"
Rehabilitationsansatz. Sie haben vielmehr ein therapeutisches Angebot entwickelt, das
gezielt
ein
bestimmtes
Gesundheitsrisiko
älterer
Menschen
im
Blick
hat.
Das
Trainingsprogramm und die Verwendung der Sturzhosen ist in anderen Modellen auf großes
Interesse gestoßen. Einige Einrichtungen haben die "Sturzprävention" bereits übernommen;
andere planen die Realisierung.
Ihr Vorhaben, die "Sturzprävention" nicht nur in Pflegeheimen, sondern auch im ambulanten
Bereich anzubieten, hat den Vorteil, dass mehr ältere Menschen davon profitieren werden.
Das Angebot wird auch dazu beitragen, den Verbleib in der eigenen Wohnung mittel-/
längerfristig zu sichern. Ein weiterer Vorteil ist, dass nicht nur die Fachkräfte in den
Pflegeheimen,
sondern
auch
die
Pflegekräfte
der
ambulanten
Dienste
und
die
niedergelassenen Ärzte für die "Sturzprävention" sensibilisiert werden. In der Frage, auf
welcher leistungsrechtlichen Basis die Sturzprävention finanziert werden kann, sind Sie
versierter als wir. Ihr klarer methodischer Ansatz hinsichtlich der Kosten-Nutzen-Relation
wird Ihnen die Diskussion mit den potentiellen Leistungsträgern sicherlich erleichtern. Wir
wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
35
MDS
Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen e.V.
Dr. med. Lürken
Fachgebietsleiter Pflege 1. MDS
Lützowstr. 53
45141 Essen
Stürze ohne Fremdeinwirkung sind eines der größten Probleme im geriatrischen Bereich.
Nicht nur die unmittelbaren Sturzfolgen wie Prellungen und Frakturen beeinträchtigen die
Betroffenen, sondern vor allem die dadurch bedingte lmmobilisation und gesteigerte
Mobilitätsangst
erzeugen
ihrerseits
lang
andauernde,
wenn
nicht
lebenslange
Einschränkungen der Selbständigkeit. Außerdem erhöht jeder Sturz die erneute Sturzgefahr
aufgrund
der
durch
das
erste
Ereignis
entstehenden
motorischen
Bewegungseinschränkungen bzw. der entstandenen Gangunsicherheiten. Die Angst, ein
weiteres Mal zu stürzen, tut ein übriges.
Unter diesen Voraussetzungen ist die Bedeutung der Sturzprävention u. E. sehr hoch
anzusetzen. Es ist wichtig und notwendig, durch Projekte wie das Ihre, Möglichkeiten der
Sturzprävention und somit eine prophylaktische Verhinderung von Mobiltätseinschränkungen
zu erforschen. Nur wenn die Wirkung solcher Maßnahmen wissenschaftlich einwandfrei
belegt ist, wird eine Verbreitung und Umsetzung in Zukunft möglich sein. Dabei ist
besonderes zu begrüßen, dass Ihr Projekt an den Notwendigkeiten für die Betroffenen
ansetzt und nicht die Diskussion über Leistungspflichten des einen oder anderen
Leistungsträgers in den Vordergrund stellt.
Prävention und Prophylaxe heißen vor allen Dingen Information der Betroffenen bzw. der sie
Betreuenden. Wenn Ihr Modell wissenschaftlich belegt, dass Sturzprotektoren einen
effizienten Beitrag zur Sturzprävention von Mobilitätseinschränkungen leisten können, halten
wir es deshalb für notwendig, dies nicht nur über die einschlägigen Fachmedien, sondern
auch über die Medien zu verbreiten, die die Betroffenen und ihre Angehörigen als Zielgruppe
haben.
Nur wenn Kassenmitarbeiter, Klinikärzte, Hausärzte, Pflegeheimleitungen, Pflegepersonal,
Angehörige und Betroffene gleichermaßen über die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit solcher
Maßnahmen informiert sind, wird bei den Beteiligten die notwendige Compliance erreicht
werden können. Wie wichtig und wie schwierig gleichzeitig das Erreichen einer solchen
Compliance ist zeigt nicht nur Ihre Untersuchung, sondern eine Vielzahl anderer die sich mit
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
36
Schutzsystemen beschäftigen. Ein nicht angelegter Sicherheitsgurt ist eben kein wirksames
Rückhaltesystem.
Wir begrüßen deshalb ausdrücklich Initiativen wie die Ihre und warten gespannt auf den von
Ihnen angekündigten Abschlussbericht.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
37
SAMARITERSTIFTUNG
Vorstand
Dr. Eberhard Goll
Schlossweg 1
72622 Nürtingen
Neben den Schwerpunkten demenzielle Erkrankungen, dem Problem der Mangel-ernährung,
der Vermeidung von Exsikkose ist die Vermeidung von Mobilitäts-einschränkungen und die
Sturzprävention ein wichtiger Fokus in unserer Alltagsarbeit. Wie Ihre Studie in
eindrucksvoller Weise aufzeigt, sind Stürze nicht nur ein Kostenfaktor für die Kostenträger,
sondern sie gehen in den meisten Fällen mit einem dauerhaften Verlust von Mobilität für den
einzelnen Menschen, der davon betroffen ist, einher.
Der Verlust von Mobilität bedeutet:
•
einen höheren Betreuungsbedarf des Einzelnen
•
den Verlust von eigenen Fähigkeiten
•
die Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten seines Lebens, eben weniger
Lebensqualität.
Um dem entgegen zu wirken und im Zeichen immer knapperer Ressourcen sehen wir die
Sturzprävention, neben den anderen genannten Punkten, als wichtig an. Wir nehmen mit
einer unserer Einrichtungen an der Dreiländerstudie der Europäischen Gemeinschaft teil.
Zur Verbreitung und Umsetzung Ihrer Erkenntnisse aus der Studie bedarf es aus unserer
Sicht:
•
Der Aufklärung der Kostenträger bundesweit.
•
Rahmenvereinbarungen mit den Kostenträgern über die Verordnungsfähigkeit von
Mobilitätstraining auf KG-Rezept
•
Höhere Bereitschaft der Kostenträger zur Übernahme der Kosten von Hüftprotektoren.
•
Schulungskonzept mit dem Ziel der Sensibilisierung von Mitarbeitern in
Altenhilfeeinrichtungen.
•
Prüfung des Umsetzungspotentiales der Studie für den ambulanten Bereich.
Ich wünsche weiterhin viel Erfolg für Ihr Projekt.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
38
Wohlfahrtswerk
für Baden-Württemberg
Barbara Steiner
Abteilungsleiterin Entwicklung, Qualifizierung, Öffentlichkeitsarbeit
Falkertstr. 29
70176 Stuttgart
Bedeutung des Ulmer Modells zur Sturzprävention in Alten- und Pflegeeinrichtungen und
Ansätze zur Verbreitung und Umsetzung
Das Wohlfahrtswerk Baden-Württemberg als Träger der Altenhilfe bietet an 17 Standorten
Dienstleistungen im Betreuten Wohnen, ambulanten, teilstationären und stationären Bereich
für mehr als 1700 Senioren. In 12 Pflegeheimen werden insgesamt t 1100 Bewohner betreut
und versorgt.
1.
Bedeutung der Sturzprävention und Verhinderung von Mobilitätseinschränkungen
Die Mobilität stellt für die Bewohner ein bedeutsames Element der Lebensqualität dar,
Mobilitätseinschränkungen haben neben funktionellen auch psychische und soziale
Auswirkungen, Stürze stellen darüber hinaus häufig folgenschwere und sehr kritische
Lebensereignisse dar.
Erhöhte Hilfe- und Pflegebedürftigkeit ist sehr oft die Folge. Der
Sturzprävention
Verhinderung
und
von
Mobilitätseinschränkungen
kommt
daher
grundsätzlich hohe Bedeutung zu.
Das Wohlfahrtswerk hat in seiner BASIS-Studie 1997 (Bewohner-Assessment und
Indikatorenanalyse
in
der
Stationären
mehrdimensionalen
Assessment
den
Altenhilfe)
Hilfebedarf
in
und
einem
die
umfassenden
Leistungen
von
und
857
Pflegeheimbewohnern abgeklärt und dabei auch die Mobilität bzw. das Sturzrisiko
untersucht.
Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung dieses Themas. Die Studie wies eine häufige
(24%) bzw. gelegentliche (30%) Sturzgefahr beim Gehen bei mehr als der Hälfte der
Bewohner und häufige (13%) bzw. gelegentliche (24%) Sturzgefahr beim Sitzen bei mehr als
einem Drittel der Bewohner nach. 72% benötigen Hilfsmittel zur Fortbewegung, 23% sind
bettlägrig/können sich ohne Hilfe nicht im Bett aufrichten und 42% können sich ohne Hilfe
keine 50 m fortbewegen. Hilfebedürftigkeit im Pflegeheim resultiert demnach in hohem Maße
aus den Einschränkungen der Mobilität.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
39
2. Ansätze zur Verbreitung und Umsetzung
Für die Verbreitung bzw. Umsetzung der aus dem Ulmer Modell gewonnenen Erkenntnisse
sind aus unserer Sicht unterschiedliche Ansätze wichtig, um einen angemessenen Erfolg zu
gewährleisten:
•
das fachliche Wissen und das Problembewusstsein zum Thema Mobilität und
Mobilitätsstörungen muss gefördert werden
•
die Erkenntnisse aus dem Projekt sind durch geeignete PR - Maßnahmen der fachlichen
und allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich zu machen
•
eine entsprechende Berücksichtigung dieses Themas in der Ausbildung von Altenpflege
und Krankenpflegekräften ist wichtig, um die grundlegenden fachlichen Voraussetzungen
zu schaffen. Die Information der Schulen über das Projekt, Mitwirkung bei der
Entwicklung einer entsprechenden Unterrichtseinheit, Integration in die bestehenden
Lehrpläne und inhaltliche Aufarbeitung in ansprechenden Unterrichtsunterlagen würde
eine schnellere Umsetzung unterstützen
•
die Mitarbeiter in den Einrichtungen werden am besten durch Fort- und
Weiterbildungsmaßnahmen erreicht. Erfolgversprechend sind hier insbesondere
diejenigen, die vor Ort und an den Bedürfnissen der Einrichtungen ausgerichtet
angeboten werden
•
nicht nur die Pflegekräfte, sondern auch Ehrenamtliche und Angehörige sollten in
Informationsveranstaltungen und Fortbildungsmaßnahmen einbezogen werden, da diese
sehr häufig Transfers bzw. „Bewegungstraining“ in Form von Spaziergängen durchführen
Es müssen die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, die die Übertragung der
Erkenntnisse aus dem Modell in die Praxis ohne großen Aufwand ermöglicht. Den
Einrichtungen müssen pragmatische Ansätze und Hilfestellungen an die Hand gegeben
werden, so beispielsweise:
•
einfach anwendbare Assessmentverfahren, die die Einschätzung des Sturzrisikos einer
Person ermöglichen und/oder Auskunft über das Maß der Hilfebedarfs bzw. der
Ressourcen geben
•
sie bilden die Grundlagen für gezielte und individuelle Maßnahmen
•
sie sind unserer Erfahrung nach geeignet, das Problembewusstsein bei den Mitarbeitern
zu fördern. Das Problembewusstsein muss durch begleitende Maßnahmen in Akzeptanz
überführt werden, was beispielsweise durch entsprechende Fort- und
Weiterbildungsmaßnahmen, wie oben genannt, erfolgen kann
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
40
•
aus den Assessments lassen sich die notwendigen Leistungen erschließen, seien es
Trainingsmaßnahmen, Beratung und verhaltensbeeinflussende Maßnahmen, Hilfsmittel
wie Protektoren, Umgebungsgestaltung u.a.
•
mit Hilfe von Assessments lassen sich auch Erfolge messen, was sich positiv auf die
Motivation auswirkt
•
sie wirken darüber hinaus unterstützend in der Diskussion mit Angehörigen und Ärzten
•
die Bewegungsprogramme, die von qualifizierten Mitarbeitern der Einrichtungen erbracht
werden können, sollten ausgearbeitet und erprobt sein. Programme, bei denen die
Zielgruppe, Methoden, Hilfsmittel und -geräte, Auswahl der Übungen u.a. praxisnah
veranschaulicht werden und besser noch, in die gegebenenfalls durch qualifizierte
Trainer bzw. Anleiter eingeführt wird, haben bessere Chancen umgesetzt zu werden
•
für den Einsatz von Sturzhosen ist die notwendige Akzeptanz sowohl bei den
Mitarbeitern als auch bei den Angehörigen zu schaffen. Eine gute Einführung in die
Anwendung des Produkts ist notwendig, da es in der Regel noch nicht bekannt ist. Als
positiv hat sich erwiesen, die Sturzhosen zunächst bei einem kleinem Personenkreis
anzuwenden, bei dem ein hohes Sturzrisiko vorhanden ist. Auch hier hat sich der Erfolg –
Stürze ohne Verletzungen – motivierend auf Einführung und Anwendung weiterer
Sturzhosen ausgewirkt.
Insgesamt bleibt zu bemerken, dass zur Umsetzung in den Einrichtungen ein fachlich hohes
Niveau nötig ist, das angemessen zu honorieren ist.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
41
MÜNCHENSTIFT AH St. Martin
Horst Huppert
Projektbetreuung Sturzprophylaxe
Ich bin jetzt seit fast 2 Jahren als Trainer der Sturzprophylaxe im Altenheim St.
Martin/MÜNCHENSTIFT unterwegs und seit kurzem als Projektbetreuer für 2 andere Häuser
der MÜNCHENSTIFT tätig.
Wir haben das „Ulmer Modell“ zu Beginn des Projektes mit Herrn Rißmann, zuerst auf das
Pflegeheim St. Martin übertragen.
Zur Besonderheit im Pflegeheim lässt sich sagen, dass der Altbestand an Heimbewohnern
nur schwer motivierbar war und ist. Die Gruppen in St. Martin bestehen jetzt hauptsächlich
aus Heimbewohnern, die seit Beginn ihres Einzuges ins Haus an den Gruppen teilnehmen.
Das Modell Grundtraining/Erhaltungstraining ist hier im Pflegeheim nicht sinnvoll, weil die
Teilnehmer neben dem Training oft keine zusätzlichen Bewegungsaktivitäten (Gehen,
Bewegen) aufweisen. Eine zweite wöchentliche Trainingseinheit ist deshalb ständig
erforderlich.
Für viele Teilnehmer an den Gruppen ist das Training ein willkommener Anlass ihre
Alltagssituation zu durchbrechen.
Mobilität und Motivation gehen hier eine enge Verbindung ein, die den Heimbewohnern
wieder mehr Perspektive bietet.
Was fehlt ist ein weiterführender Rahmen, der den persönlichen Mobilitätsbedürfnissen und
-ansätzen Raum gibt.
Die Absicht bei den im Umbau befindlichen Häusern der MÜNCHENSTIFT, in mittlerer
Zukunft, Wohngruppen zu bilden, beschreibt diesen Raum.
Seit Jan./Feb.2001 gibt es das Training der Sturzprophylaxe auf im Altenheim Hl. Geist und
Haus an der Effnerstraße. Dort gab es bereits jeweils eine Gymnastikgruppe, die jetzt mit
dem Training der Sturzprophylaxe weitermachen.
Die bisherige Resonanz aus diesen Häusern von Heimleitung/Trainerinnen/Bewohnern/
Angehörigen ist gut bis sehr gut.
Im Altenheim Hl. Geist ist als nächster Schritt geplant (etwa ab Mai), eine Trainingsgruppe
für externe Teilnehmer anzubieten. Nach dem Modell Grund- und Aufbaukurs, finanziert
durch Selbstzahler und AOK Mitglieder.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
42
Zu 1. Bedeutung des Mobilitäts-/Kraft-/Gleichgewichts- und Koordinationstraining im
Zusammenhang mit der Verwendung von Sturzprotektoren.
Hier kann ich nur die bereits bekannten benennen:
•
Die Verletzungsgefahr und Folgen vermindern.
•
Die Lebensqualität zu erhalten, verbessern, unterstützen.
•
Mögliche höhere Kosten, die aus Sturzverletzungen und Mobilitätseinschränkungen
entstehen würden und für viele Heimbewohner ohne Training/Protektoren zutreffen, in
Gegenüberstellung zu den niedrigeren Kosten eines Trainings für den Teilnehmer.
Zu 2.
Die Hauptproblematik zur Verbreitung und Umsetzung ist wohl in der derzeitigen schlechten
Finanzierungslage zu suchen.
Hier sollte es noch mehr Öffentlichkeit geben. Diskussionen mit Entscheidungsträgern der
Krankenkassen und Politikern, nicht zu vergessen die ältere Generation selbst.
Von der AOK Bayern gibt es ein Angebot für ein Grundtraining 85% der Kosten, von
insgesamt 240,-- DM, für Ihre Mitglieder zu übernehmen.
Dieses Angebot ist praktisch noch nie ausprobiert worden. Die Diskussion mit der
Krankenkasse ist noch nicht abgeschlossen. Es müsste aus meiner Sicht noch
nachgebessert werden in Bezug auf das Verständnis, Fehlzeiten und Eigenbeteiligung. Das
Angebot gilt für AOK–Heimbewohner und externe AOK-Versicherte, die ein Grundtraining
besuchen wollen.
Dies soll, wie vorher bereits beschrieben im Altenheim Hl. Geist durchgeführt werden.
Wenn sich dieses Modell bewährt, lässt es sich auf andere Häuser/Einrichtungen
übertragen, im Raum München und auch anderswo.
Es wäre eine Prävention vor der Prophylaxe. So dass alte Menschen gar nicht in die
Situation kommen würden, sturzgefährdet zu werden.
Sinnvoll wäre hier eine Vernetzung mit anderen Gesundheitsanbietern, um das Bedürfnisbild
abzurunden.
Soweit meine knapp gehaltenen Ausführungen, die Sie gerne verwenden können.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
43
Hessisches Amt für Versorgung und Soziales
Dagmar Jost-Hinkel
- Pflegefachkraft Bartningstr. 53
64289 Darmstadt
Zu Frage 1
Das Thema Sturzprävention und die Verhinderung von Mobilitätseinschränkungen hat
aufgrund der hier vorliegenden Erfahrungswerte im Bereich der vollstationären Altenarbeit
eine hohe Bedeutung. Nach unserem bisherigen Erkenntnisstand bestehen in einem großen
Teil der
im
hiesigen Zuständigkeitsbereich liegenden Heimeinrichtungen in nicht
unerheblichem Umfang Unsicherheiten, wie dem hier bestehenden Gesamtproblem
Rechnung getragen werden kann. Aus dieser Situation werden immer wieder Feststellungen
im Zusammenhang mit "Fixierungen/freiheitseinschränkenden Maßnahmen" getroffen bzw.
oder einer Negierung des bestehenden Problems mit der Folge häufiger Stürze. Gezielte
Beschäftigungs- oder Betreuungsangebote für sturzgefährdete Menschen, um dieser
Sturzneigung präventiv entgegen zu wirken, werden selten angetroffen. Die Vermutung, dass
hier die bekannt gewordenen Stürze nur die Spitze eines Eisberges darstellen, sind mit
Sicherheit nicht abwegig, so dass das offene Angehen dieses Problems für unsere eigene
Arbeit eine große Bedeutung bzw. einen hohen Stellenwert besitzt.
Zu Frage 2
Von hier sind bereits Maßnahmen eingeleitet worden mit einer bestehenden Einrichtung in
enger Kooperation das Ulmer Modell zum einen umzusetzen und in der Praxis auch zu
begleiten. Weiterhin besteht die Absicht, die hierbei gewonnenen Erkenntnisse und
Erfahrungswerte zum einen zu dokumentieren und über bereits bestehende Arbeitskreise
multiplikatorisch den übrigen im hiesigen Amtsbereich gelegenen Heimeinrichtungen näher
zu bringen. Darüber hinaus besteht die Absicht über den uns grundsätzlich obliegenden
Beratungsauftrag die Heimeinrichtungen für einen offenen bewohnerorientierten Umgang mit
der hier bestehenden Problematik und den Lösungsansätzen über das Ulmer Modell zu
sensibilisieren.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
44
MDK Baden-Württemberg
Dr. Gerd Haller
Ärztlicher Referent
MDK Baden-Württemberg
Ahornweg 2
77933 Lahr/Schw.
Eine Abnahme der Alltagskompetenz in Funktion der Mobilität bildet bekanntermaßen beim
älteren Menschen die Hauptursache für das Auftreten von Hilfe/Pflegebedürftigkeit mit der
daraus resultierenden Notwendigkeit der Inanspruchnahme von familiärer und/oder
professioneller Hilfe.
Bisher stand nach Auftreten von akuten Krankheitsbildern (Hirngefäßerkrankungen,
Frakturerkrankungen) die Wiedererlangung bereits verlorengegangener Fähigkeitsstörungen
oder/und die Entwicklung von Kompensationsstrategien im Zentrum geriatrischen Tuns.
Trotz der
vielfältigen Bemühungen der rehabilitativen Geriatrie wird die frühere
Lebensqualität und das frühere Fähigkeitsprofil häufig nicht mehr erreicht. Oft kann
Pflegebedürftigkeit vermindert, aber nicht behoben werden.
Diese Ausgangssituation ist für den älteren Menschen nicht zufriedenstellend und mehr als
bisher muss an präventiven Therapieprogrammen gearbeitet werden, deren Zielsetzung die
Vermeidung oder zumindest das Hinauszögern von Organschädigungen und den daraus
resultierenden Folgen, die mehrdimensional nach dem ICIDH-Konzept zu betrachten sind,
ist.
Vor diesem Hintergrund sind wissenschaftliche Studien, die sich mit präventiven
Therapiekonzepten beschäftigen, für die Weiterentwicklung der medizinisch-pflegerischen
Versorgung des älteren Menschen notwendig und bilden die Plattform für ein differenziertes
Behandlungsangebot.
Dennoch darf bei allem Enthusiasmus über Therapieprogramme, die der präventiven
Geriatrie zuordenbar sind, nicht vergessen werden, dass vor genereller Empfehlung solcher
Therapiemaßnahmen, die früher oder später die Forderung nach einer Kostenerstattung zu
Lasten der GKV nach sich ziehen, eine umfassende wissenschaftliche Absicherung mit
Nachweis einer klinischen Relevanz der Studienergebnisse notwendig ist.
Aus MDK-Sicht ist ein wichtiger Aussageparameter über die klinische Relevanz von
Sturzpräventionsprogrammen die Frakturabsenkrate in der Interventionsgruppe, was auch in
der Ulmer Studie als primärer Studienendpunkt gewählt wurde.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
45
Während im 1. Jahresbericht keine statistische Signifikanz für die Frakturabsenkrate
berichtet wurde, stellte sich diese wohl im 2. Modelljahr ein. Eine entsprechende
Datentransparenz über diese Aussage war dem 2. Jahresbericht, in dem bewusst auf eine
biometrische Darstellung der Studienergebnisse verzichtet wird, nicht zu entnehmen. Ein
besonderes
Interesse
gilt
den
Einflussgrößen,
die
diese
Entwicklung
bei
den
Studienergebnissen bedingen und ihre Bedeutung für das Studiendesign muss diskutiert
werden.
Ohne Vorliegen der angekündigten wissenschaftlichen Publikationen ist aus MDK-Sicht eine
Bewertung
der
Studie
und
denen
sich
daraus
ergebenden
klinisch-praktischen
Konsequenzen nicht möglich.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
46
Dr. med. Norbert Fischer
Vorsitzender der Kreisärzteschaft Ulm
Arzt für Allgemeinmedizin und Betriebsmedizin
Elisabethenstr. 8
89077 Ulm
Die in den vergangenen 2 Jahren durchgeführte Studie des Geriatrischen Zentrums Ulm/AlbDonau zur Sturzprävention in Alten-und Pflegeheimen stieß bei der niedergelassenen
Ärzteschaft auf großes Interesse und wurde mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgt. Die
Studie griff mit der Wahl ihrer Thematik ein Problem auf, das in hohem Maß die Arbeit der
Bewohner in Alten- und Pflegeheimen betreuenden ÄrztInnen berührt; Ihr Angebot der
Einbindung und Mitwirkung der KollegInnen bei der Auswahl und Betreuung geeigneter
PätientInnen für die Studie sowie die Möglichkeit eines ständigen Dialogs über Fortschritte
oder auch Probleme während des Ablaufs der Studie wurden sehr positiv aufgenommen.
In 2-jähriger Forschungsarbeit wurden Fakten ermittelt, die sehr wohl Einfluss haben werden
auf die künftige Betreuung sturzgefährdeter alter Menschen in Heimen, aber auch im
häuslichen Bereich. Neben der Tatsache, dass der Einsatz von Hüftprotektoren die
mechanische Folge von Stürzen mit möglicher Fraktur im Oberschenkelbereich signifikant
reduziert, sind die im Rahmen der Studie gewonnenen, Erkenntnisse über den Einfluss von
Medikamenten, Umgebungsfaktoren wie Bodenbeschaffenheit, Schuhwerk und Beleuchtung
für die Sturzhäufigkeit sowie der hohe Stellenwert einer osteoporosevorbeugenden
Behandlung
und
physikalischer
Therapiemaßnahmen
von
unmittelbarer
und
richtungweisender Bedeutung für unsere tägliche Arbeit.
Es bedeutet für uns angesichts der hohen Inzidenz von Sturzverletzungen hochbetagter
Menschen eine gerne angenommene Verpflichtung, zusammen mit den betreuenden
Angehörigen, Sozialstationen und dem Pflegepersonal in Alten- und Pflegeheimen an der
Umsetzung dieser Erkenntnisse zu arbeiten, um so einen effektiven Beitrag zur Reduktion
der Zahl der Frakturen und damit auch zu einer deutlichen Verringerung der Kosten zu
leisten.
Es muss an dieser Stelle die Bitte ausgesprochen werden, dass der Einsatz von
Hüftprotektoren sowie begleitender physikalischer Therapiemaßnahmen zur Verbesserung
von Kraft, Balance und Gangsicherheit bei alten Menschen durch ausreichende finanzielle
Mittel der Versicherungsträger auch für die Zukunft sichergestellt wird.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
47
An den Schluss möchten wir niedergelassenen ArztInnen die Anregung stellen, die Mitarbeit
aller an dem Projekt beteiligten Gruppen in einem Qualitätszirkel anzuregen, um die
gewonnenen Erkenntnisse in verbindliche praktikable und alltagstaugliche Standards und
Richtlinien umzusetzen, um so unserer gemeinsamen Verantwortung für das Wohl der uns
anvertrauten alten Menschen noch besser gerecht werden zu können.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
48
AOK Baden-Württemberg
Servicestelle Ersatzforderungen
- Horst Marburger -
zu 1:
Stürze in Alten- und Pflegeeinrichtungen führen in aller Regel zu Leistungsansprüchen
gegen die Krankenkassen. Insbesondere entstehen Krankenhauskosten, Kosten ärztlicher
Behandlung, Kosten von Hilfsmitteln usw. Die Krankenkassen prüfen in solchen Fällen die
Möglichkeit, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Ansprüche könne aber nur dann
geltend gemacht werden, wenn eine Haftung besteht.
Im Zusammenhang mit Stürzen in Alten- und Pflegeeinrichtungen, kann sich eine Haftung
z.B. stützen auf:
-
schadhafte Treppe
-
Fehler des Pflegepersonals, weil beispielsweise der Sturz wegen fehlender Hilfestellung
eintrat.
Besonders im zweiten Fall spielt dabei die Frage des Grades der Behinderung bzw. das
Ausmaß der Hilflosigkeit eine große Rolle.
Bedenksam sind dabei allerdings auch sog. Teilungsabkommen, die von den Krankenkassen
mit vielen Haftpflichtversicherungen abgeschlossen worden sind. Hier muss ein Verschulden
der Gegenseite (also der Einrichtung) nicht nachgewiesen werden. Allerdings muss
zumindest eine Ordnungswidrigkeit der betreffenden Sache (z.B. Treppe) möglich sein.
Die neuere Rechtsprechung hat unter Hinweis auf die vertraglichen Pflichten die
Anwendbarkeit von Teilungsabkommen in solchen Fällen erleichtert.
Ist ein Teilungsabkommen nicht anwendbar, muss die Haftung nachgewiesen werden.
Gelingt dies nicht, so bleibt die Versichertengemeinschaft mit den Ausgaben belastet.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
49
Zu 2:
Eine Prävention könnte in mehrfacher Hinsicht geleistet werden:
-
Bessere Instandhaltung der betreffenden Liegenschaften -damit verbunden:
-
stärkere Oberprüfung und Kontrollen durch die Aufsichtsbehörde
-
bessere Anweisungen durch Pflegepersonal
-
evtl.
auch
Schulung
des
Pflegepersonals
aber
auch
der
Heiminsassen.
Selbstverständlich wäre auch eine Prävention durch entsprechende Schutzkleidung
möglich. Hier wäre zunächst die Akzeptanz der Heimbewohner zu überprüfen bzw. zu
testen.
Natürlich müsste die Schutzkleidung selbst getestet werden und sich auch in einem
Erprobungsmodellverfahren bewähren. Danach müsste die Frage der Kostentragung geklärt
werden. Der Heimbewohner wird dazu nicht imstande sein. Anders ist dies aber im Bezug
auf das Heim bzw. auf den Träger der Einrichtung.
M.E. müssten die Kosten der Schutzbekleidung von den Einrichtungsträgern verlangt
werden. Diese haben schließlich das meiste Interesse am Vermeiden derartiger Kosten.
Außerdem ist davon auszugehen, dass Maßnahmen dieser Art zur Betreuungspflicht der
Einrichtungen gegenüber den Heimbewohnern gehören.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
50
Deutsches Zentrum für Alternsforschung
an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Bergheimer Straße 20
Prof. Dr. Hans-Werner Wahl
Leiter der Abteilung für Soziale und Ökologische Gerontologie
69115 Heidelberg
Bedeutung des Themas Sturzprävention und Verhinderung von Mobilitätseinschränkungen
Mobilität (innerhäuslich und außerhäuslich) ist für ältere Menschen ein sehr hohes Gut.
Unsere Studien haben diese häufig getroffene Aussage auch empirisch untermauern
können. So verbinden Ältere mit (außerhäuslicher) Mobilität das Gefühl der Unabhängigkeit,
der eigenen Leistungsfähigkeit und der Partizipation an der Gesellschaft, um nur einige der
wesentlichsten Aspekte zu nennen.
Aus diesem Grunde sind aus unserer Sicht
Anstrengungen zur Stützung und Förderung der Mobilität von Älteren ein überaus
bedeutsamer Beitrag der gerontologischen und geriatrischen Interventionsforschung zu
einem "guten" Altern. Es sind bei solchen Interventionsbemühungen (die ja auch starken
präventiven Charakter besitzen) sehr vielfältige Ebenen (bis zur Seniorenfreundlichkeit der
öffentlichen Verkehrsmittel) angesprochen, jedoch ist die Sturzprävention mit Sicherheit eine
der grundlegendsten und elementarsten Formen der Unterstützung.
Eine Förderung der Sturzprävention mit einem Kraft- und Gleichgewichtstraining in
institutionellen Umwelten, wie prototypisch im Ulmer Sturzpräventionsprojekt demonstriert,
ist in mehrfacher Hinsicht ein wertvoller Beitrag zur Gerontologie insgesamt. Zum ersten
räumt er auf mit Vorurteilen der passiven Heimbewohner, die angeblich zu nichts mehr zu
"bewegen" sind. Zum zweiten zeigt er, dass eine nicht selten mit dem Jugendlichkeitswahn
unserer Gesellschaft verknüpfte Trainingsform, eben Krafttraining, auch von älteren
Menschen angenommen wird und bereits in recht kurzer Zeit (ein bei jeder Intervention bei
Älteren wesentlicher Aspekt) sehr positive Effekte zeigt. Zum dritten ist eine ganz wichtige
Botschaft, dass auch dementiell erkrankte Ältere von einer solchen Intervention profitieren
können. Zum vierten schließlich fördert ein solches Training wohl auch ganz allgemein das
Aktivitätsspektrum von Heimbewohnerinnen und -bewohnern innerhalb und außerhalb der
Institution und stärkt damit auch ihre "Selbstwirksamkeit".
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
51
Vorschläge zur Verbreitung und Umsetzung
Es liegt für mich nahe, insbesondere neue Medien (wie das Intemet und Bildtelefon) zur
Verbreitung von solchen Trainings einzusetzen. Die damit gegebene Möglichkeit, größere
Gruppen von Älteren (die technische Ausstattung einmal vorausgesetzt) gleichzeitig zu
erreichen, sollte beispielsweise auch für Krankenkassen attraktiv sein. Interessant fände ich
ferner
die
Kombination
des
Kraft-
und
Gleichgewichtstrainings
mit
anderen
Trainingskomponenten (prototypisch kognitiv orientiertes Training).
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
52
Universität Hamburg, Fachwissenschaft Gesundheit
Arbeitsgruppe Prof. Dr. med. Ingrid Mühlhauser
- Gabriele Meyer Martin-Luther-King-Platz 6
20146 Hamburg
Stürze stellen ein bedeutendes Gesundheitsproblem für alte Menschen dar. Insbesondere
Bewohner von Einrichtungen der stationären Altenhilfe sind aufgrund ihrer Altersstruktur und
ihrer Multimorbidität exponiert für rezidivierende Stürze und daraus resultierenden
Verletzungen (1,2). Durch die Zunahme der Lebenserwartung von kranken und
gebrechlichen alten Menschen werden Stürze und Sturzfolgen weiter an epidemiologischer
und ökonomischer Bedeutung gewinnen (3,4), so daß die effektive Implementierung von
sturz- und frakturpräventiven Strategien ein wichtiges Anliegen öffentlichen Interesses sein
muß.
Die multifaktorielle Bedingtheit von Stürzen fordert konzeptionell Interventionen heraus, die
auf vielfältige Risikofaktoren zielen. Ein Cochrane-Review von Gillespie et al. (1) belegt die
Wirksamkeit von multifaktoriellen auf Risikofaktoren gerichteten Interventionen in der
Sturzprävention.
In der Ulmer Studie werden 5 auf die Reduktion von Stürzen und sturz-bedingten Frakturen
zielende Komponenten in die Versorgungsabläufe von Alten- und Pflegeheimen integriert.
Die Intervention ist effektiv in bezug auf die Reduktion des sekundären Endpunktes Sturz.
Es ist anzunehmen, daß sich die Intervention auf das Wohlbefinden der Studienteilnehmer
auswirkt,
d.h.
die
gesundheitsbezogene
Lebensqualität
insbesondere der
in das
Gruppentraining involvierten Studienteilnehmer günstig beeinflußt wird, die Angst zu stürzen
reduziert wird sowie die individuelle soziale Partizipation und die Bereitschaft zur Mobilität
begünstigt wird.
Es deutet sich der Trend an, daß der Unterschied zwischen den Studiengruppen die
Sturzfrequenz betreffend bei zunehmender Beobachtungszeit größer wird.
Ein Unterschied zwischen den Studiengruppen den primären Endpunkt der Studie
betreffend, d.h. sturzbedingte Hüftfrakturen und andere Frakturen, konnte im ersten Jahr
nicht nachgewiesen werden. Wahrscheinlich ist die Stichprobe zu klein bzw. die Ereignisrate
der sturzbedingten Frakturen ist zu gering.
Die Studie hat gezeigt, wie schwierig es ist, eine komplexe Intervention in Alten- und
Pflegeeinrichtungen zu implementieren. Es ist zu überlegen, ob die multifaktorielle
Intervention in allen Aspekten in die Versorgungsabläufe der stationären Altenhilfe dauerhaft
integriert werden soll oder ob vielleicht die Implementierung einzelner Aspekte sinnvoll ist.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
53
Kuratorium Deutsche Altershilfe
Wilhelmine – Lübke – Stiftung
Abteilung Sozialwirtschaft
Dr. Willi Rückert
An der Pauluskirche 3
50677 Köln
Ich lasse keine Gelegenheit aus, für die Umsetzung der Erkenntnisse Ihres SturzprophylaxeProjektes und die Anwendung in der Praxis zu werben.
So z.B. bei der Qualitätssicherungstagung der Friedrich-Ebert-Stiftung1 oder zuletzt in einem
Fachgespräch mit der Zeitschrift Heim und Pflege, das in der Mai-Ausgabe veröffentlicht
wird. In diesem Gespräch bin ich nach der Ausgestaltung der präventiven Maßnahmen
gefragt worden, die ich bei der Präsentation unserer Modellrechungsergebnisse zur
möglichen Entwicklung des künftigen Pflegebedarfs von den Planungsverantwortlichen in
Bund und Ländern gefordert habe, damit der Pflegebedarf gar nicht erst so stark anwächst
wie bei unverändert hohen Prävalenzraten zu befürchten.2
Aus KDA-Sicht dient Ihr Konzept der Sturzprophylaxe jedoch nicht nur gesundheits- und
"pflegeökonomischen" Zielen, indem es die Auftretenswahrscheinlichkeit, z. B. von
Oberschenkelhalsbrüchen und damit auch die, mit der Behandlung verbundenen Kosten
vermeidet - als mindestens ebenso wichtig erachten wir den Zugewinn an Lebensqualität, die
die Teilnehmer dadurch erfahren, dass ihr Selbstwertgefühl gesteigert und ihr Aktionsradius
im wahrsten Sinne des Wortes erweitert wird, ganz zu schweigen von der "Spaßkomponente
beim Krafttraining", die doch stark motivierend wirkt. Was ich besonders wichtig finde ist,
dass nach Ihrem Konzept nicht nur durch Kurieren an den Symptomen die Situation der
Menschen mit Pflegebedarf verbessert wird, sondern präventiv wichtige Entstehensursachen
von Pflegebedürftigkeit bekämpft werden.
1
Vgl. meinen Beitrag "Qualitätssicherung im stationären Bereich aus der Sicht des Kuratoriums Deutsche
Altershilfe. In: Qualitätssicherung in der Pflege. Gesprächskreis Arbeit und Soziales Nr. 92. Hrsg. v.
Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung, Dez. 1999, S. 39-46, insbes. S. 40.
2
Vgl. neue KDA-Modellrechnung zur Pflege-Entwicklung. Prävention, Rehabilitation und Tagespflege
sollten ausgebaut werden. Sonst werden Jahr für Jahr über 10.000 zusätzliche Heimplätze benötigt.
In: pro Alter, Heft 1, März 2001, S. 37-39.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
54
Besonders freue ich mich, dass nicht nur das KDA die Bedeutung Ihres Konzeptes erkennt,
sondern es auch zunehmend Interesse in der Praxis findet wie die hohe Zahl der
Interessenten zeigt, die Ihre Berichte von unserer Webseite im Internet (www.kda.de)
herunterladen, in die wir im Rahmen des Modellprojektes des Bundesgesundheitsministeriums Ihre Berichte eingestellt haben.
Freilich ist es noch ein weiter Weg, bis Ihr "Programm" nicht nur in allen 8000 Heimen in
Deutschland bekannt und angewandt wird, sondern auch den zu Hause, von Sturzgefahren
bedrohten Menschen, nahegebracht werden kann. Ich fürchte, Sie werden sich noch eine
Zeit lang weiter so engagiert für die Verbreitung und Weiterentwicklung Ihres Konzeptes
einsetzen müssen. Dabei wollen wir Sie soweit als möglich unterstützen.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
55
ALTENZENTRUM CLARISSENHOF
Michael Schäffer - Heimleiter
Kornelia Menden-Gräter - Pflegedienstleiterin
Clarissenstr. 11
89077 Ulm
Zusammenfassung
Im Oktober 1999 startete im Altenzentrum das "Projekt. Aus Sicht der Bewohnerinnen und
Bewohner war eine große Erwartung zu verzeichnen. Alle waren theoretisch informiert, was
in der Praxis umgesetzt werden sollte, war noch nicht richtig zu greifen.
Das Ziel des Vorhabens: Der Erhalt und die Verbesserung der Bewegungsfähigkeit. Durch
die Beweglichkeit war mit Verbesserungen zu rechnen, außerdem sollten Stürze und damit
verbundene Verletzungen verhindert - reduziert werden. Von Anfang an waren viele
Bewohnerinnen und Bewohner daran interessiert an den Trainingseinheiten teilzunehmen.
Im Programm wurden Übungen für das Gleichgewicht und für die Kraft angeboten. Der
zeitliche Umfang (60 Min.) war für die Teilnehmer am Anfang schwierig umzusetzen. Nach
mehreren Trainingstagen war dies kein Problem mehr. Die Trainingszeiten integrierten sich
in den Tagesablauf ein.
Zu dem Projekt gab es noch den Einsatz der Sturzhosen (Hüftprotektoren). Es waren viele
Bewohnerinnen und Bewohner und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter skeptisch, ob diese
getragen werden. Es gelang bei einigen Teilnehmerinnen. Im Laufe der Zeit hatten sich die
Gruppen gebildet, die Teilnahme war gesichert. Nach der Bewohnerauswahl entwickelte sich
eine Warteliste. Der Bedarf und das Interesse der Bewohnerinnen und Bewohner war groß.
Eine andere Zufriedenheit stellte sich im Laufe der Zeit ein. Durch diese gezielte
Mobilitätsverbesserung, sind viele Bewohnerinnen und Bewohner im Alltag wieder viel
aktiver und ausgeglichener.
Es wurden wieder mehr Spaziergänge unternommen, die Selbständigkeit wurde gefördert.
Aus Sicht der Angehörigen war von Anfang an ein großes Interesse am Vorhaben. Große
Unterstützung gab es von Seiten der Hausärzte. Die Rückmeldungen waren positiv. Eine
Verbesserung des allgemeinen Zustandes der Bewohnerinnen und Bewohner war sichtbar.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
56
Ebenfalls war zu erkennen, das die Sturzhäufigkeit innerhalb des Altenzentrums
abgenommen hatte.
Sicht des Pflegepersonals: Hier war am Anfang eine gewisse Unsicherheit vorhanden. Was
bringt das Ganze? Kommt zusätzliche Arbeit auf uns zu? Diese Situation wurde durch die
Projektleitung und dem gesamten Team des geriatrischen Zentrums, und dem Leitungsteam
des Altenzentrums begleitet und unterstützt. Die Erfolge der regelmäßigen Teilnahme an den
Trainingseinheiten wurden bald sichtbar. Viele Verrichtungen des Alltages konnten die
Bewohnerinnen und Bewohner selbständig umsetzen. Die eigene Motivation wurde gestärkt.
Aus Sicht des Altenzentrums waren wir von Beginn des Projektes an daran interessiert, dass
das Vorhaben als Bestandteil der Versorgung den Bewohnerinnen und Bewohnern
angeboten wird. Ebenso war der Vorstand des Trägers regelmäßig am Verlauf und dem
Ergebnis interessiert.
Hervorzuheben ist die gute Organisation der Geriatrischen Klinik.
Hier war die Durchführung der Trainingseinheiten stets gegeben. Die verantwortlichen
Therapeuten unterstützten das Pflegepersonal durch Ihre fachliche Kompetenz. Es wurde
professionelle Arbeit geleistet.
Das
gesamte
Projekt
hat
eine
hohe
Bedeutung
als
Bestandteil
innerhalb
der
Versorgungsstruktur erlangt. Die Sturzprävention ist aus fachlicher Sicht ein Bereich der die
eigene Mobilisation fördert, den allgemeinen Zustand verbessert, die sozialen Kontakte
fördert, und ein Beitrag zur gemeinsamen Aktivität unter den Bewohnerinnen und Bewohnern
bietet.
Aufgrund dieses Projekt haben wir eine der Therapeutinnen als Mitarbeiterin gewinnen
können, die dieses Angebot weiterführt. Dies soll ein regelmäßiges Angebot sein, damit eine
kontinuierliche
Förderung
der
Mobilität
gewährleistet
werden
kann.
Damit
die
Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefördert wird, muss dieses Angebot in
den täglichen Ablauf integriert werden. Die Auszubildenden in der Altenpflege sollten dieses
Angebot im Bereich des Faches Aktivierung integrieren, und die Möglichkeit der Umsetzung
im praktischen Einsatz erfahren.
Im Namen des Altenzentrums und aller beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchten
wir uns für das Projekt, und die Unterstützung der Geriatrischen Klinik bedanken.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
57
ELISABETHENHAUS
H. Müller
Heimleitung
Michelsbergstr. 12-14
89075 Ulm
Zu Frage 1, welche Bedeutung hat das Thema Sturzprävention und die Verhinderung von
Mobilitätseinschränkung aus Ihrer Sicht?
Durch das Kraft- und Gleichgewichtstraining und die Anwendung von Schutzhosen für das
Hüftgelenk hat sich die Zahl der Hüftfrakturen während des Modellvorhabens von Oktober
1999 bis September 2000 um etwa 50 % im Vergleich des Vorjahreszeitraums reduziert.
Allein durch die Zahlen lässt sich die Bedeutung der Sturzprävention für unsere
Heimbewohner eindrucksvoll belegen. Der Erhalt der Bewegungsfähigkeit erhöht die
Lebensqualität und reduziert das Anwachsen der Pflegebedürftigkeit unserer Heimbewohner.
In der Praxis hat sich allerdings gezeigt, dass einige unserer Heimbewohner aus den
verschiedensten Gründen das Tragen der Sturzhosen ablehnen und nicht alle Bewohner für
das Krafttraining geeignet sind. Entscheidend ist, dass unser Pflegepersonal die Bewohner
motiviert und zur Teilnahme am Trainingsprogramm und zum Tragen der Hüftprotektoren
überzeugt.
Zu Frage 2, welche Vorschläge zur Verbreitung und Umsetzung können aus Ihrer Sicht
gegeben werden?
Nach Beendigung des Modellprojektes im Herbst 2000 in unserer Einrichtung hat das
Krafttraining unserer Krankengymnastin Frau Schwan in ihrer Praxis in unserem Haus in
reduziertem
Umfang
weitergeführt.
Nachdem
das
Modellvorhaben
durch
Trainingsmaßnahmen und Hüftprotektoren die Zahl der Oberschenkelhalsfrakturen deutlich
gesenkt worden sind, sind wir auf die Unterstützung der Kranken- und Pflegeversicherung
angewiesen um das Projekt in vollem Umfang weiterführen zu können.
Allein in Deutschland kommt es pro Jahr zu 80.000 Oberschenkelbrüchen alter Menschen
und bei einer Fallpauschale für die Operation einer Fraktur von DM 14.000,00 kommen
enorme Kosten pro Jahr auf die Krankenkassen zu. Vor diesem Hintergrund wäre es
wünschenswert, wenn die Krankenkassen über Rezepte die Gruppengymnastik finanzieren
würden und die Hüftprotektoren im Hilfsmittelkatalog aufgenommen werden, um auch in
Zukunft Mobilitätseinschränkungen unserer Heimbewohner zu vermeiden.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
58
Pro Seniore Residenz Friedrichsau
Thorsten Antritter
Residenzleitung
Eberhardtstr. 85-93
89073 Ulm
Zu Frage 1:
Während des Modellverlaufes der Studie zeigte sich, dass dieses Projekt bei den
Teilnehmern gut ankam. In einem Balance- und Krafttraining für hochbetagte Menschen 2 x
in der Woche ist die Resonanz von Seiten der Teilnehmer und auch des Personals sehr
positiv. Ebenso ist eine positive Motivation und eine Verbesserung der Mobilität der
Bewohner festzustellen.
Die Bedeutung und Erleichterung für die Pflege lässt die Notwendigkeit der gezielten
Bewegung und Tagesstrukturierung als hilfreich erscheinen.
Das Training und das Tragen einer Sturzhose ist eine wirksame Methode zur Verhütung von
Oberschenkelhalsfrakturen.
Das Training bietet auch eine Erweiterung des Aktivierungsangebotes sowie eine Steigerung
des Selbstwertgefühls.
Zu Frage 2:
Das Angebot eines Informationsabends über diese Studie in einer Einrichtung zu halten, wo
das Modell bereits gerade läuft.
Die Informationen können im Vortrag von Fachkräften gegeben werden. In anschließenden
Gesprächen mit den Teilnehmern und deren Angehörigen können Erfahrungen ausgetauscht
werden.
Um die Studie für andere Pflegeeinrichtungen empfehlen zu können, wäre es sicher gut,
ihnen einen Einblick durch einen Besuch oder Teilnahme an einem Training zu ermöglichen.
Fazit:
Die Fortsetzung des Sturztrainings ist ein Gewinn und eine Bereicherung für unser Haus.
Da die Sturzhosen ein Teil der Sturzstudie sind, ergibt sich auch die Schwierigkeit der
Anschaffung der Sturzhosen, da die Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen wollen.
Für die Sturzhosen gibt es noch keine Nummern im Hilfskatalog zur Prävention.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
59
ELISA Seniorenstift Ulm
Ulrike Römer
Leitende Ergotherapeutin
Friedenstr. 39
89073 Ulm
Momentan trainieren 12 Bewohner in 2 Gruppen aus dem Stiftsbereich unseres Hauses und
2 Personen, die von außerhalb dazu kommen. Die erste Gruppe trainiert schon seit 2½
Jahren regelmäßig miteinander und die zweite Gruppe sein 1½ Jahren.
Über diesen langen Zeitraum könnte klar ein Statuserhalt aller, bei einer Teilnehmerin sogar
eine deutliche Verbesserung ihrer motorischen Fähigkeiten erreicht werden.
Dies bedeutet eine größere Selbständigkeit im alltäglichen Bereich und führt zu einer
Verminderung der Sturzgefahr und der Pflegebedürftikgeit. Sehr positiv wirken sich diese
Erfolge auch auf die Motivation der Teilnehmer aus.
Vorschläge zur Verbreitung und Umsetzung
• Den Teilnehmern sollte vor Beginn des Trainings die Möglichkeit gegeben werden,
zwischen mehreren Terminen auszuwählen.
•
Die Erfahrung hat gezeigt, dass 2 Bewohner die Gruppe verlassen haben oder nicht zum
Training gehen, da ein Unkostenbeitrag geleistet werden soll und sie prinzipiell davon
ausgehen, dass die Einrichtung die Kosten zu tragen habe und die Motivation allgemein
meist geringer wird durch einen Kostenbeitrag.
Bei kostenloser Teilnahme konnte man jedoch eine höhere Fluktuation bei den
Gruppenteilnehmern feststellen. Zahlende Teilnehmer sind engagierter und länger dabei.
•
Zusätzlich zu den öffentlichen Aushängen könnte jeder Bewohner eine persönliche
Einladung zu einen Schnupperkurs erhalten.
•
Wichtig sind unserer Meinung nach auch regelmäßige Informationsveranstaltungen über
Mobilität und Stürze im Alter, da oftmals die Meinung besteht, dass es keinen Sinn habe
sich im Alter noch sportlich zu betätigen. Angehörige sollten auch entsprechend
informiert werden, da sie diese irrtümliche Meinung teilweise bestätigen.
•
Bei neu angefangenen Gruppen sollte das Training zweimal wöchentlich stattfinden. So
kann ein schnellerer Trainingseffekt erreicht werden und individueller auf die Teilnehmer
eingegangen werden.
Bei fortgeschrittenen Kursteilnehmern reicht einmal pro Woche.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
60
Evangelische Heimstiftung – Dreifaltigkeitshof Ulm
S. Hafner
Pflegedienstleitung
Neue Str. 116
89073 Ulm
Zu 1.
Rückblickend vom Beginn 1998 bis heute hat sich das Ulmer Modell zur Sturzprävention für
unsere Heimbewohner sehr positiv ausgewirkt. Die Beobachtung in der Betreuung des
Einzelnen zeigte im Zusammenhang mit den Trainingsprogramm, dass die Stärkung der
Muskulatur,
das
Tragen
der
Hüftprotektoren,
die
Mobilitätsstörungen
und
die
Gangunsicherheit verringert wurden.
Es ist sichtbar, dass Lebensqualität, Zufriedenheit, Wohlbefinden und Beweglichkeit dem
Erfolg der Sturzprävention zu verdanken sind.
Die Problematik, den Heimbewohner aufgrund eines Krankheitsbildes zu überzeugen solche
Protektoren zu tragen, ist weiterhin sehr schwierig. Es stehen dem immer noch die
vielfältigsten Faktoren entgegen: Tragen auf, starke Harn- und Stuhlinkontinenz, fehlender
Eingriff bei Männern, das alleinige An- und Ausziehen bei Unsicherheiten beim Stehen oder
fehlende Kraft in den Armen.
Aus der Beobachtung über fast drei Jahre heraus sollte dies ein Muss zur Prophylaxe sein,
Oberschenkelhalsfrakturen zu verringern und die Mobilität zu erhalten oder zu verbessern.
Wir haben die Gymnastik 1 x pro Woche fortgesetzt. Jeder Bewohner bekommt bei Bedarf
unsere Hilfe und Information, die Anprobe der Protektoren und Eingliederung in die
Gymnastikgruppe.
Behandelnde Ärzte brauchen noch sehr viel Information, aber immerhin hat ein Arzt bei
einem Neuzugang gleich ein Rezept mitgebracht.
Ergänzend ist dieses Programm ein Bestandteil unserer pflegerischen Qualität. Auch das
Angebot der Schuhe schafft eine komplette Versorgung zum Wohne des Bewohners.
Zu 2.
Vorschläge und Informationen sollten in den Institutionen vor Ort stattfinden und dies speziell
bewohnerbezogen.
Ganz herzlichen Dank für die Betreuung durch Ihr Team und den positiven Verlauf während
des Projektes.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
61
Rölke Pharma Spezialprodukte
Thomas Rölke und Andrea Warnke
Friedrich-Ebert-Damm 112
22047 Hamburg
Sturzprävention, und damit auch Frakturprävention, ist nicht nur ein wichtiges Thema der
Geriatrie, sondern stellt für die gesamte Bevölkerung, ob als Betroffener oder aber
Angehöriger einen wichtigen Aspekt der Gesundheit dar.
Sturzprävention bedeutet:
•
Verhindern von Frakturen
•
Beweglichkeit und Mobilität erhalten
•
Angst nehmen und Lebensqualität erhöhen
•
Soziale Partizipation durch bessere Beweglichkeit
•
Selbstbewusstsein stärken
•
Verhindern bzw. mindern von Folgekosten
•
Muss mulitfaktoriell und multiprofessionell durchgeführt werden
•
Ist immer noch ein Tabuthema
•
Ist ein Tabuthema, da Sturz oft mit Gebrechlichkeit und Abhängigkeit gleichgesetzt wird
•
Sturz- und Frakturprävention dient der Vermeidung von Abhängigkeit und der Erhöhung
bzw. dem Erhalt von Selbständigkeit
•
Weiterer Forschungsbedarf besteht insbesondere in der Art der Vermittlung von
Informationen sowie der Akzeptanzerhöhung von verschiedenen Zielgruppen, so z.B.
Betroffene, Patienten, Angehörige, Ärzte, Pflegekräfte, Physio- und Ergotherapeuten,
Sporttherapeuten sowie der Allgemeinbevölkerung
•
Sturz- und frakturpräventive Maßnahmen stellen eine bedeutende Möglichkeit dar mobilitätseinschränkende Maßnahmen, so z.B. Bettgitter, zu verhindern bzw. in geringerem
Maße einzusetzen
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
62
Die Verbreitung und Umsetzung des Ulmer Modells ist u.a. denkbar durch:
•
Multiplikatoren-Schulungen, - so z.B. Pflegekräfte, Sporttherapeuten, Ärzte etc. - die in
einem nächsten Schritt Fortbildungen in Institutionen anbieten
•
Module schaffen aus dem multifaktoriellen Ansatz und diese wahlweise als Gesamtpaket
oder einzeln verbreiten (Krafttraining, Wohnraumbegehung, architektonische Beratung
und Einrichtung, Hüftprotektor-Schulung zur Akzeptanzsteigerung)
•
Beratungstelefon für
a) Fachpersonal (Pflegekräfte, Therapeuten und Ärzte)
b) Angehörige und Betroffene
•
Buch in Modulform
•
Internet
•
Fachfilm / Video (Laien oder Fachpersonal) für die wichtigsten Grundlageninformationen
(z.B. für den Einsatz in Pflegeheimen)
•
Schaffen von Leitlinien für das Thema Sturz- und Frakturprävention
•
Patenschaften zwischen Städten bzw. Altenheimen schaffen, d.h. eine Art Netzwerk
aufbauen in dem Neueinsteiger von Einrichtungen profitieren, die bereits Erfahrungen mit
dem Thema haben
• "Fernseh-Serie“ zum Thema
• Krankenkasse und Versicherungen als Anbieter gewinnen.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
63
Krankenhaus München Neuperlach
Zentrum für Akutgeriatrie und Frührehabilitation
Dr. W. Wüst
Oberarzt
Oskar-Maria-Graf-Ring 51
81737 München
Im Rahmen der akutgeriatrischen Tätigkeit unserer Abteilung spielen Stürze als
Aufnahmegrund wie auch als Problem während der stationären Diagnostik und Behandlung
eine bedeutende Rolle. Erfolgreiche Sturzprävention in- und außerhalb der Klinik bedeutet
daher:
•
Verhinderung von Sturzfolgen, insbesondere hüftnahen Frakturen
•
Verhinderung des lmmobilitätssyndroms aufgrund von Schmerzen, OP oder PostfallSyndrome
•
Erhalt von sozialer Kompetenz und bisherigem Wohnumfeld
•
Reduktion stationärer Krankenhausaufenthalte älterer Patienten
•
Effektive Kostendämpfung (Verminderte Inanspruchnahme von Akut-KH / OP, stationärer
Rehabilitation, Pflegeheimen)
•
Förderung präventiver Strukturen / Denkweisen in der Geriatrie (und darüber hinaus)
Ihr Modellvorhaben verdient deshalb sicherlich weite Verbreitung in Pflegeheimen, aber auch
Kliniken mit geriatrischen Abteilungen sowie im ambulanten Bereich.
Möglichkeiten zur Umsetzung in den genannten Bereichen wären z.B. :
•
Information von Pflegeheim-Leitungen, Klinik- und Hausärzten über den Stellenwert und
die Möglichkeiten einer Sturzprävention, idealerweise in Kooperation mit Geriatern
•
lnitiierung von Pilotprojekten außerhalb der Modellstrukturen ( z.B. Beratung und
Zusammenarbeit von geriatrischen Abteilungen andernorts mit benachbarten
Pflegeheimen)
•
Etablierung einer erweiterten Sturzrisiko-Beurteilung auf Basis der Projektergebnisse
innerhalb des Geriatrischen Assessments
•
Kooperation mit Hilfsmittel- und Medizinbedarfs-Firmen
•
Kontaktaufnahme zu Krankengymnastik-Praxen
•
Schulung von Physiotherapeuten und Altenheim-Pflegekräften
•
Verhandlungen mit Kostenträgern über die Verordnungsfähigkeit von Hüftprotektoren
Nicht zuletzt wegen der Relevanz der Thematik verfolgen wir das Modellprojekt Ihrer Klinik
mit Interesse und wünschen für Ihre weitere Projektarbeit viel Erfolg.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
64
Schlusswort
Bei Antragstellung haben wir formuliert, dass es möglich ist, kosteneffektiv Stürze und
sturzbedingte Verletzungen bei Heimbewohnern zu verhindern und gleichzeitig einen Beitrag
zur Verbesserung der Mobilität von zahlreichen Heimbewohnern zu leisten. Als Fazit des
Modells lässt sich unseres Erachtens die anfänglich gestellte Hypothese bestätigen.
Neben der Machbarkeit und Effektivität bestätigt das Modell die Bedeutung des Problems.
Mobilitätseinschränkungen und Stürze gehören sicherlich zu den zehn wichtigsten
Problemen mit denen Heimbewohner täglich konfrontiert sind.
Nach
unserer
Einschätzung
Gesundheitsproblemen
Inkontinenz,
Verminderung
von
ähnliche
Heimbewohnern
Verhaltensstörungen,
von
könnten
durchgeführt
Vermeidung
Dekubitalgeschwüren
Modelle
und
auch
werden.
zu
Hierzu
freiheitsbeschränkender
Pflege
von
schwer
anderen
gehören
Maßnahmen,
beeinträchtigten
Schlaganfallpatienten.
Im Unterschied zu den genannten Problemen sind erfreulicherweise im Bereich der Demenz
in
den
letzten
drei
Jahren
zahlreiche
Initiativen
ergriffen
worden,
um
die
Versorgungssituation zu verbessern. Wir denken, dass Demenz aber nicht allein die
Lebenssituation und Gesundheitsprobleme der Heimbewohner beschreibt, sondern dass
auch andere Problembereiche erfolgreich verändert werden sollten. Die Verbreitung des
Wissens und die Umsetzung der Erkenntnisse sind die eigentlichen Herausforderungen der
nächsten Monate und Jahre. Ein erster Schritt wäre es, Mobilitätseinschränkungen, Stürze
und sturzbedingte Verletzungen als Indikatoren der Pflegequalität ausdrücklich zu benennen.
Für Heimbewohner sollte der Erhalt der Mobilität im Rahmen ihrer gesundheitlichen
Möglichkeiten ein garantierter Anspruch sein.
Die ökonomischen Gewinner des Modells sind die Krankenkassen. Es bleibt zu fragen, wie
Kosten so umverteilt werden können, dass Veränderungen im Heimbereich zukünftig
gefördert werden.
Uns ermutigt die Tatsache, dass alle Einrichtungen aktiv an den Inhalten des Modells auch
nach Projektende weiterarbeiten.
Eine wichtige Frage ist auch, wie die Erkenntnisse für in stationärer Einrichtung lebende
Pflegebedürftige in den ambulanten Bereich übertragen werden können. Hier stellen sich
neue Fragen, insbesondere seitens der Zugangs- und Leistungserbringer.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
65
Das Maß der Hoffnung ist nicht die Überzeugung,
dass etwas gut ausgeht,
sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat
– ohne Rücksicht darauf wie es ausgeht.
(Vaclav Havel 1987)
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
66
Literaturempfehlungen
1. Brown et al. Urinary Incontinence: Does it increase risk for falls and fractures? J Am
Geriatr Soc 48: 721-725, 2000.
2. Cameron et al. Hip protectors improve falls self-efficacy. Age Ageing 29: 57-62, 2000
3. Kannus et al. Prevention of hip fracture in elderly people with use of a hip protector. N
Engl J Med 343 (21): 1506-1513, 2000.
3.JB-mh1.doc – Stand 26.06.01
67
Anlagen
-
Vortragsfolien und -kurzfassungen Symposiums
-
Artikel zum Thema Hüftprotektoren
-
Vortrag für Pflegedienstleiter / Altenpflegeschule
2. Symposium zum Modellvorhaben
Programm, Donnerstag 09.November 2000
13.00 – 13.15 Uhr
Begrüßung
G. Hartung
S. Roesch
13.15 – 13.30 Uhr
Entwicklung des Modellvorhabens
Th. Nikolaus
13.30– 14.20 Uhr
Ergebnisse des Modellvorhabens
C. Becker
14.20 – 14.40 Uhr
Hüftprotektorprojekt Hamburg
G. Meyer, A. Warnke
14.40– 15.00 Uhr
Implementierung des Programmes am Beispiel
der kommunalen Pflegeeinrichtungen München
U. Rissmann
15.00 – 15.30 Uhr
Training und Gebrechlichkeit eine Übersicht
K. Hauer
15.30 – 16.30 Uhr
Zukünftige überregionale Umsetzung des Modells
Stellungnahme und Diskussion
3.JB-mh1-Anlagen.doc – Stand 26.06.01
Gabriele Meyer, Andrea Warnke, Prof. Dr. med. Ingrid Mühlhauser
Universität Hamburg, IGTW, Fachwissenschaft Gesundheit
„Prävention von hüftgelenksnahen Frakturen durch externen Hüftschutz“
Einleitung
In mehreren internationalen Studien konnte gezeigt werden, dass der externe Hüftschutz
wirksam die Rate der Hüftfrakturen reduziert. Die Compliance, den Hüftprotektor zu tragen,
ist jedoch gering.
Ziel der aktuellen Studie ist die Evaluation und Implementierung eines strukturierten
Interventionsprogrammes zur Verbesserung der Compliance zum Tragen des externen
Hüftschutzes im Hinblick auf die Prävention von hüftgelenksnahen Frakturen in Alten- und
Pflegeheimen.
Methoden
In die prospektive randomisiert-kontrollierte Studie mit 18-monatiger Beobachtungszeit
wurden 42 Hamburger Alten- und Pflegeheime rekrutiert. Aus diesen 42 Einrichtungen
nehmen 942 Bewohner teil (Einschlusskriterien: 70 Jahre und älter, nicht bettlägerig und
gehfähig, seit 3 Monaten im Heim lebend).
Die Intervention bestand in der strukturierten Einführung des Hüftschutzes: Pflegende der
teilnehmenden Heime wurden mittels eines Schulungsprogrammes über den Hüftschutz
informiert. Die Pflegekräfte informierten ihrerseits die Bewohner und motivierten diese, den
Hüftschutz zu tragen. Pro Bewohner wurden 3 Hüftprotektoren zur Verfügung gestellt sowie
Informationsmaterialien für Angehörige und Ärzte. Das Schulungsprogramm thematisiert die
persönliche Relevanz einer Hüftfraktur (Risiko, Folgen) und Aspekte der Tragecompliance
des Hüftprotekors (Ästhetik, Komfort, Handhabung, Wirksamkeit). Die Heime der
Kontrollgruppe wurden über den Hüftschutz im Rahmen eines ca. 10-minütigen Gespräches
informiert. Pro Heim wurden 2 Probeexemplare zur Verfügung gestellt.
Primärer Ergebnisparameter der Studie ist die Anzahl der Hüftfrakturen. Andere Frakturen
und Sturzereignisse werden dokumentiert sowie die Compliance, den Protektor bei den
einzelnen Sturzereignisse zu tragen und die Gründe für die Noncompliance. Des weiteren
werden ökonomische Daten erhoben (Kosten der Schulung und Bereitstellung der
Hüftprotektoren versus Kosten durch eine Hüftfraktur). Ein weiteres Ziel der Studie war die
Erhebung
subjektiver
gesundheitsbezogener
Lebensqualität
mit
besonderer
Berücksichtigung der Sturzangst und daraus resultierender Konsequenzen. Bei 218
Bewohnern der
ersten 10 rekrutierten Heime erfolgte die Erhebung subjektiver
3.JB-mh1-Anlagen.doc – Stand 26.06.01
1
Lebensqualität im Zeitraum 3/1999 – 6/1999. Die Studie wird im Juni 2001 abgeschlossen
sein. Eine erste Interimanalyse der Sturzereignisse und der Compliance, den Hüftschutz zu
tragen ist nach 6 Monaten Studiendauer erfolgt.
Ergebnisse
Die Studiengruppen sind vergleichbar hinsichtlich der demographischen Charakteristika und
der Hüftfraktur- und Sturzanamnese.
Tabelle 1 - Charakteristika der Studienpopulation bei Studienbeginn
Interventionsgruppe
(n = 459)
Kontrollgruppe
(n = 483)
87 ± 6
405 (88)
117 (26)
86 ± 7
408 (85)
106 (22)
76%
57%
71%
54%
Alter (Jahre), MW ± SD
Frauen, n (%)
Hüftfraktur, n (%)
gestürzt / letzte 12 Monate
mindestens einmal
mehrmals
Studie innerhalb von 6 Monaten beendet: In den ersten 6 Monaten Studienlaufzeit haben in
der Interventionsgruppe 60 und in der Kontrollgruppe 88 Bewohner die Studie beendet (ca.
90 % verstorben). In dieser Gruppe ist der Anteil der Personen, die mindestens ein
Sturzereignis hatten, vergleichbar (32% Interventionsgruppe versus 31% Kontrollgruppe); in
der Interventionsgruppe waren 41 Sturzereignisse, in denen in 80% der Fälle das Tragen
des Hüftschutzes dokumentiert wurde, zu verzeichnen, in der Kontrollgruppe ereigneten sich
87 Sturzereignisse, in denen in 18% der Fälle das Tragen des Hüftschutzes dokumentiert
wurde.
6 Monate Beobachtungszeit: In Tabelle 2 sind die Ergebnisse der Personen mit 6-monatiger
Beobachtungszeit zusammengefasst:
Tabelle 2
Stürzer (%-Anteil an der Studiengruppe)
Sturzereignisse
- davon mit Hüftschutz
3.JB-mh1-Anlagen.doc – Stand 26.06.01
Interventionsgruppe
(n=399)
Kontrollgruppe
(n=395)
149 (37%)
443
67%
176 (45%)
618
12%
2
Insgesamt ereigneten sich 77% der Stürze sich am Tage. In der Interventionsgruppe wurden
die 58% der 146 nicht durch Hüftschutz geschützten Stürze mit Ablehnung des Hüftschutzes
durch die Bewohner begründet.
Schlussfolgerung
Durch das Interventionsprogramm (Schulung und Bereitstellung von Protektoren) wird die
Compliance zum Tragen des Hüftschutzes effektiv erhöht. Die Implementierung des
externen Hüftschutzes in die Versorgungsabläufe der stationären Altenhilfe sollte mit einer
strukturierten Information der Pflegekräfte einhergehen.
3.JB-mh1-Anlagen.doc – Stand 26.06.01
3
Ulrich Rißmann, Münchenstift
Implementierung des Programms am Beispiel einer kommunalen
Pflegeeinrichtung
Inhalt
❚
❚
❚
❚
Ablauf des Projektes
Wirtschaftliche Situation
Chancen / Risiken
Resümee
Ablauf des Projektes in München
Der Anstoß zum Befassen mit dem Thema Sturzprophylaxe kam von der gerontologischen
Geschäftsführung der MÜNCHENSTIFT. Nach der Bestimmung der Projektverantwortung
erfolgte die Kontaktaufnahme mit dem Modellvorhaben in Ulm.
Nach der Erstellung eines Projektplanes und eines provisorischen Finanzplanes wurde das
Projekt durch die Geschäftssführung auf den Weg gebracht.
Wichtigste Punkte zum Gelingen
Der Auswahl des richtigen Standortes kam aus mehreren Gründen hohe Bedeutung bei.
Zum Einen steht und fällt solch ein Projekt mit der Unterstützung durch alle Mitarbeiter,
insbesondere auch der Führungskräfte, zum anderen sind die räumlichen (geringe
Investitionskosten) und die organisationalen Voraussetzungen (Anbindung des Heimes an
eine Arztpraxis) wichtige Faktoren.
Der erste Schritt im Projekthaus war die Motivation der Führungskräfte und mit diesen
zusammen die Motivation aller Mitarbeiter. Dies gelang durch Ausnutzung der vorhandenen
Kommunikationswege, insbesondere durch die Stationsleitungskonferenz.
Vor Beginn des Projektes musste ebenso die Einbeziehung des ärztlichen Bereiches
gesichert sein. In diesem Falle wurde dies durch das Vorhandensein einer geriatrischen
Praxis im Haus, die ca. 90 % der Bewohner versorgt, erleichtert.
Anpassungen
Die Anpassungen des „Ulmer“ Projekts an die Bedingungen in München bezogen sich vor
allem auf die Bereiche: Mitarbeiter, Auswertungen und die zeitliche Reihenfolge der
Maßnahmen.
3.JB-mh1-Anlagen.doc – Stand 26.06.01
1
Mitarbeiter: Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit wurde das Training so gestaltet, dass es mit
einer Fachkraft und einer Hilfskraft, in der Regel ein Zivildienstleistender, durchgeführt
werden konnte. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes bei der Zusammenstellung der
Gruppen hat sich dieser Weg als Praktikabel erwiesen.
Auswertungen: Da kein wissenschaftlicher Anspruch bestand, dienten die Auswertungen der
Evaluation des Projektes, der Bildung von Entscheidungsgrundlagen für weitere Schritte und
der Argumentation gegenüber den Kostenträgern. Um diese Ziele in einem vernünftigen
Zeitraum zu erreichen, war die Reduktion auf einfach zu erhebende Kriterien nötig. Dies
waren vor allem quantitative Daten, insbesondere die verwendeten und bewältigten
Trainingsgewichte und die Teilnahmehäufigkeit, sowie Daten zur Zufriedenheit der
Trainingsteilnehmer und der betreuenden Pflegemitarbeiter.
Zeitliche Reihenfolge der Maßnahmen: Aufgrund der Finanzierungsmodalitäten konnte der
Einsatz von Hüftprotektoren erst später erfolgen. Dies ergab eine größere Zeitersparnis im
Projektablauf.
Ablauf
Das Projekt konnte wie Vorgesehen lanciert werden. Nach einem Vorlauf von ca. 9 Monaten
starteten im Juni 1999 die ersten zwei Trainingsgruppen. Nach zwei Monaten konnten die
nächsten beiden Gruppen starten, sodass im ersten Jahr rund 30 Bewohner erreicht werden
konnten. Neben dem Training erfolgte permanent die Suche nach Mitarbeitern (Hilfskraft)
und Geldgebern.
Ergebnisse
Bei den Trainingsteilnehmern konnten erhebliche quantitative (Gewichte) und qualitative
(Ausführung der Übungen) Leistungssteigerungen festgestellt werden.
Des weiteren wurde durch die Pflegemitarbeiter eine Steigerung der Aufmerksamkeit und
des Selbstbewusstseins bei den Bewohnern festgestellt.
Die Teilnahmehäufigkeit lag bei gut 80 %
Die Teilnehmer repräsentieren die Bewohnerschaft des ganzen Hauses. Sie gehörten in
folgende Pflegestufen:
28 % Stufe 1
52 % Stufe 2
20 % Stufe 3
Das Durchschnittsalter der Teilnehmer liegt bei 86 Jahre (zw. 72 und 101 Jahre)
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2
Finanzen
Das Projekt wurde im ersten Jahr vom Träger vorfinanziert. Die Ausgaben belaufen sich auf
ca. 70.000,00 DM pro Jahr, wobei mehr als die Hälfte Personalkosten darstellen. Es hat sich
gezeigt,
dass
sowohl
im
Personalsektor
als
auch
im
Materialbereich
Optimierungsmöglichkeiten liegen.
Bereits im ersten Jahr konnten über eine gute Öffentlichkeitsarbeit Spender gewonnen
werden, die erhebliche Summen zur Kostendeckung beitrugen. Weitere Einnahmen sind
durch die Implementierung von externen Gruppen möglich. Die AOK München hat sich bereit
erklärt, die Kosten der Teilnehmer, die durch sie versichert sind, zu übernehmen.
Entwicklungen
Das bestehende Programm konnte in vielerlei Hinsicht weiterentwickelt werden. Hierbei ist
besonders zu erwähnen:
Unterstützung des Einzugs: Mittels einer möglichst frühzeitigen Beteiligung an den
Trainingsgruppen ist die körperliche Leistungsfähigkeit und damit auch die Lebensqualität
der Bewohner zu steigern. Dies bedingt eine enge Involvierung in den Prozess des
Heimeinzugs.
Externe Gruppen: Das Programm ist für zu Hause lebende ältere Menschen aus vielerlei
Gründen attraktiv. Neben dem Präventionsaspekt ist vor allem die Möglichkeit, in einer
Gruppe von relativ gleichaltrigen Menschen Sport zu betreiben, interessant. Für den Träger
ergibt sich dadurch neben einem Deckungsbeitrag für das Gesamtprogramm der Vorteil
einer Verwurzelung im jeweiligen Gebiet und damit ein Wettbewerbsvorteil.
Tagespflege: Ähnliche Aspekte wie im vorherigen Punkt ergeben sich durch eine Integration
des Trainingsprogramms in eine externe Tagespflege.
Umgebungsgestaltung:
Da es gut
möglich ist, während der warmen Jahreszeit
Trainingseinheiten im Freien abzuhalten, bietet es sich an, durch einfache und preiswerte
Umgestaltungen des Freigeländes dies zu nutzen. Der Vorteil liegt hier unter anderem dabei,
das Training im Haus bekannt zu machen. Die Erfahrung mit solchen Einheiten zeigt, dass
viele Bewohner – und auch Angehörige – sehr interessiert sind und selbst mitmachen wollen.
Jobenrichment: Es ist möglich, Pflegefachkräfte so fortzubilden, dass sie das Training leiten
können. Bedingung ist, dass es eine Möglichkeit des fachlichen Austausches mit einem
Physiotherapeuten (o.ä.) gibt. Dies gibt zum einen die Möglichkeit, Stellen für Pflegende
attraktiver zu gestalten, zum anderen ist der Transfer des im Training erarbeiteten auf die
Station einfacher möglich.
3.JB-mh1-Anlagen.doc – Stand 26.06.01
3
Chancen
All die im vorherigen Abschnitt genannten Möglichkeiten führen für den Träger zu einem
konkreten Wettbewerbsvorteil.
Die größten Vorteile gegenüber Mitbewerbern sind in folgenden Punkten begründet:
❙
❙
❙
❙
Angebotserweiterung
Kontakte, Know-how
Public Relations
Mitarbeitergewinnung
Risiken
Die Risiken eines solchen Projektes liegen im finanziellen Bereich. Eine Finanzierung über
die Krankenkasse, über externe Teilnehmer (mit 15 % Eigenbeteiligung) sowie über Spender
erscheint realistisch, jedoch sollte die Bereitschaft vorhanden sein, am Anfang in Vorleistung
zu treten.
Resümee
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass dies Programm in jeder Hinsicht ein großer
Erfolg ist und die sich für den Träger bietenden Chancen die Risiken deutlich überwiegen.
Hervorzuheben ist die immense Öffentlichkeitswirkung solcher Programme mit der Folge,
dass die Beteiligung für mögliche Geldgeber erleichtert wird. Unter anderem ist deshalb
mittelfristig ein finanziell ausgeglichenes Ergebnis realistisch.
Ein weiterer großer Vorteil dieses Projektes stellt die Möglichkeit dar, das Programm in viele
Richtungen weiterzuentwickeln und somit den jeweils vorgegebenen strukturellen und
organisationellen Bedingungen optimal anpassen zu können.
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Dr. Klaus Hauer
Bethanien Krankenhaus/Geriatrisches Zentrum an der Universität Heidelberg
„Training zur Sturzprävention“ – eine Übersicht über die bislang
durchgeführten Untersuchungen
Die Übersicht basiert auf mehreren Artikeln, u.a. dem Cochrane Review sowie einer
Übersichtsarbeit von Gardener in der Zeitung British Journal of Sports Medicine.
Methoden
Von 1992 bis 2001 wurden dreizehn randomisierte Trainingsstudien mit dem Ziel eine
Sturzreduktion zu erreichen durchgeführt. Zehn dieser Untersuchungen hatten Training als
einzigen Inhalt. Drei weitere Untersuchungen hatten Training als einen Bestandteil neben
anderen Interventionsbausteinen.
Untersuchte Bevölkerungsgruppen
Alle Untersuchungen berücksichtigten ausschließlich Personen über 60 Jahre. Die meisten
Untersuchungen wurden bei älteren Menschen durchgeführt, die noch in ihrer eigenen
Häuslichkeit lebten. Nur in einer Studie wurde eine Pflegeheimpopulation untersucht.
Zahlreiche Untersuchungen hatten als Voraussetzung, dass die Teilnehmer im letzten Jahr
einen Sturz erlitten hatten. Weitere Voraussetzungen waren meist Einschränkungen der
Kraft und Balance. Ein Teil der Untersuchungen schloss auch ältere Personen mit kognitiven
Einschränkungen ein. Der größere Teil der Untersuchungen beschränkte sich auf ältere
Menschen ohne wesentliche kognitive Einschränkungen.
Trainingsziele
Diese wurden unterschiedlich definiert, bei einigen Untersuchungen stand die Untersuchung
der Kraft im Vordergrund, andere Untersuchungen schlossen ein Training der Balance sowie
funktionelle Übungen mit ein.
Umgebung
Die Untersuchungen wurden teilweise bei den Teilnehmern in ihrer eigenen Wohnung
durchgeführt.
Dabei
wurde
das
Training
anfänglich
supervidiert.
Andere
Untersuchungsprogramme führten das Training in Gruppen durch. Häufig waren die Trainer
Physiotherapeuten, teilweise auch angelernte Pflegemitarbeiter. Einerseits handelte es sich
3.JB-mh1-Anlagen.doc – Stand 26.06.01
1
um standardisierte Programme. Andere Untersuchungen benutzten individuell angepasste
Trainingsprogramme.
Trainingsmethoden
Zur Verbesserung der Körperkraft wurde meist ein progressives Krafttraining eingesetzt.
Hierbei wurden entweder Maschinen oder Gewichtsmanschetten benutzt. In einzelnen
Untersuchungen wurde auch das Körpergewicht als einziger Trainingsstimulus (z.B.
Trainieren auf Treppenstufen) eingesetzt. Teilweise waren die Trainingsmethoden
unzureichend beschrieben oder es handelte sich um ein eindimensionales Programm. Einige
der Untersuchungen kombinierten Balance- und Krafttraining. Die Berücksichtigung von
psychomotorischen Fähigkeiten, sozialen Interaktionen und emotionalen Aspekten wurde bei
den meisten Untersuchungen unzureichend berücksichtigt.
Ergebnisse
Es gelang in sieben der dreizehn Untersuchungen die Zahl der Stürze deutlich zu
reduzieren. Stürze waren bei diesen Untersuchungen teilweise unterschiedlich definiert, z.B.
als Zeit bis zum ersten Sturz, Zahl der Stürze, Zahl der Stürzer, wiederholte Stürze, Stürze
mit Verletzungen oder Stürze mit Frakturen. Bei den berücksichtigten Studien gab es keine
Untersuchung, die alle diese Verletzungsfolgen signifikant reduzierte. Bei Studien, die
ausschließlich Training benutzen, gab es keine Untersuchung, die einen signifikanten Effekt
auf Stürze und Verletzungsfolgen aufwies.
Nebenwirkungen
Die Trainingsprogramme wiesen keine gravierenden Nebenwirkungen auf. Dies betraf alle
Teilnehmer der unterschiedlichen Untersuchungen.
Die Teilnahmehäufigkeit wurde als durchschnittlich bis teilweise sehr hoch in den
unterschiedlichen Gruppen beschrieben.
Motorische Fähigkeiten
Nicht alle Untersuchungen haben dies in ausreichender Tiefe beschrieben. Beispielsweise
wurden Verbesserungen der Funktion und Kraft nicht immer dokumentiert. Es war auffällig,
dass in einigen Untersuchungen zwar positive Effekte bei der Sturzreduktion zu beobachten
waren, andererseits keine oder nur mäßige Effekte im Rahmen der physischen
Leistungsfähigkeit beobachtet wurden.
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Negative Ergebnisse
Möglicherweise
sind
diese
durch
inadäquate
Trainingsintensität,
unzureichende
Trainingsmethoden, eindimensionale Ausrichtung der Trainingsinhalte, eine niedrige
Bereitschaft am Programm teilzunehmen oder zu kurze Dauer, begründbar.
Gesundheitsökonomische Überlegungen
Lediglich drei Untersuchungen haben dies berücksichtigt. Dabei wurde berichtet, dass der
weitaus größte Teil der Gesundheitskosten durch gravierende Verletzungen verursacht wird.
Es wurde darauf hingewiesen, dass bei sehr gebrechlichen Älteren auch die Verhinderung
von Pflegebedürftigkeit nach einem Sturz erhebliche Auswirkungen auf die ökonomische
Situation aufweisen kann.
Es wurde darauf hingewiesen, dass die Auswahl der Teilnehmer erhebliche Auswirkungen
auf das Ergebnis hatte. Vor allem kognitiv eingeschränkte und gebrechliche Personen mit
einer hohen Anzahl von Stürzen und möglicherweise gravierender Sturzfolgen sollten
getrennt von relativ rüstigen älteren Senioren betrachtet und behandelt werden.
Schlussfolgerungen
Angepasstes körperliches Training kann die Sturzhäufigkeit bei Älteren, die noch allein zu
Hause leben, reduzieren. Kürzlich haben einige Studien darauf hingewiesen, dass dies auch
für
Gebrechliche,
Multimorbide
Trainingsinterventionen
weisen
oder
bei
Personen
korrekter
nach
einer
Durchführung
Sturzverletzung
keine
gilt.
gravierenden
Nebenwirkungen auf. Dies gilt auch für Personen in Alten- und Pflegeheimen. Ziele und
Methoden sollten dabei sorgfältig beschrieben werden. Das Training sollte intensiv,
regelmäßig und nachhaltig, progressiv und mehrdimensional gestaltet werden. Ein optimales
Trainingsprogramm sollte neben Kraftelementen auch Balance und funktionelle Aspekte
berücksichtigen. Es ist wichtig auch die Auswirkungen auf gesundheitsökonomische
Parameter zu beachten.
Die Auswahl der Teilnehmer an solchen Programmen kann erhebliche Auswirkungen auf die
Kosten der Behandlung aber auch die eingesparten Gesundheitskosten haben. Es ist
anzustreben, bei solchen Untersuchungen die sogenannten „harten“ Endpunkte zu
berücksichtigen. Hierzu gehören Institutionalisierung und gravierende Verletzungen wie
Frakturen. Hierzu sind auch in Deutschland weitere Untersuchung mit verschiedenen
Zielgruppen sinnvoll.
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Selbstverständlich sollten auch „weiche“ Endpunkte wie der emotionale Status und die
Lebensqualität berücksichtigt werden. Dies wurde leider in der Vergangenheit noch zu wenig
berücksichtigt. Trainingsinterventionen können und sollten mit anderen Maßnahmen
verbunden werden. Hierzu gehören:
•
kognitives Training oder Verhaltenstraining
•
Verminderte Einnahme von psychotropen Medikamenten
•
Umgebungsanpassungen
•
Nahrungsergänzung
•
Medikamente zur Behandlung einer Osteoporose
dies gilt es zukünftig zu untersuchen.
Literatur:
Gillespie et al. Interventions for preventing falls in the elderly. Cochrane Library, Issue 4,
2000.
Gardener et al. Exercise in preventing falls and fall related injuries in older people: a review
of randomised controlled trials. Br J Sports Med; 34: 7-17.
Robertson MC, Devlin N, Gardener MM, Campell AJ. Effectiveness and economic evaluation
of a nurse delivered home exercise programme to prevent falls. 1: Randomised controlled
trial. BMJ 2001; 322; 697.
Robertson MC, Devlin N, McGee R, Campell AJ. Effectiveness and economic evaluation of a
nurse delivered home exercise programme to prevent falls. 2: Controlled trial in multiple
centres. BMJ 2001; 322; 701.
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Mustervortrag zum Thema Sturzprävention
für Pflegedienstleitungen und Lehrkräfte
in der Alten- und Krankenpflege
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Verhinderung
von
Stürzen
Sturzhäufigkeit
• Jeder zweite Heimbewohner stürzt einmal im Jahr
• Gehfähige Heimbewohner erleiden durchschnittlich
vier Stürze im Jahr
Sturzorte
• 60 % der Stürze ereignen sich im Bewohnerzimmer
• 30 % der Stürze ereignen sich im Gang und in
Gemeinschaftsräumen
• 10 % der Stürze ereignen sich in Toiletten und
Bädern
Sturzfolgen
• 10 bis 20 % der Stürze bedürfen der weiteren Abklärung
• bis zu 5 % der Stürze führen zu Knochenbrüchen
• mehr als 90 % der Knochenbrüche sind Folge von Stürzen
• Hüftfrakturen und Schädelverletzungen sind die schwersten
Komplikationen
Hüftfrakturen
• mehr als 100.000 Krankenhauseinweisungen (1996) in
Deutschland
• 80 % der Betroffenen sind Frauen
• jede dritte Frau wird eine Hüftfraktur erleiden, wenn sie 90
Jahre alt wird
• bis zu 40 % der Bewohner versterben im ersten Jahr
• weniger als die Hälfte erreicht die vorherige Gehfähigkeit
Bruchmechanismen
Entscheidend, ob ein Knochen nach einem Sturz bricht ist:
• die Größe der Krafteinwirkung
• der Ort der Krafteinwirkung
• die Knochenstärke
• Schutzreflexe
Möglichkeiten der Prävention
• Hüftprotektoren
• schockabsorbierte Fußböden
Hüftprotektoren
Hüftschutzhosen können 90 % der Hüftfrakturen verhindern
Wirkmechanismus
Verminderung der Krafteinwirkung auf den Oberschenkel beim
Aufprall
Akzeptanz
Bei angemessener Beratung werden 50 bis 60 % der dafür
geeigneten Heimbewohner einen Hüftprotektor akzeptieren
Risikofaktoren für Stürze
• hohes Lebensalter
• weibliches Geschlecht
• vorausgegangene Stürze
• Untergewicht
• Hilfs- und Pflegebedürftigkeit
Erkrankungen, die mit hohem Sturzrisiko
verbunden sind
• Demenz
• Morbus Parkinson
• gehfähige Schlaganfallpatienten
Personenbezogene (intrinsische) Sturzursachen
• Gangstörungen
• Störungen der Balance im Stehen
• Psychopharmaka
• Seheinschränkungen
Umgebungsbedingte (extrinsische) Sturzursachen
• unzureichende Handläufe an Treppen
• fehlende Haltegriffe im Nasszellenbereich
• lose Teppiche
• unzureichende Beleuchtung
• versperrte oder zu enge Gehwege
Sturzprävention
• Training
• Anpassung der Umgebung
Sturzverhütung – Training
• Training kann die Kraft und Balance verbessern
• Training verbessert die Ausdauerfähigkeit
• Training vermindert einen erhöhten Blutdruck
• Training verbessert das Selbstvertrauen
• Training erhöht die Unabhängigkeit
Sturzverhütung
• Umgebungsveränderungen
• Entfernung von Stolperfallen
• Handläufe auf beiden Seiten der Treppe
• Haltegriffe im Nasszellenbereich anbringen
• Beleuchtung verbessern
Sturzverhütung
• Balanceübungen
• Gruppenprogramme vermindern die Sturzangst
• Gruppenprogramme können bis zu 50 % der Stürze
verhindern
Sturzverhütung
• grauem Star
• grünen Star
• Maculaveränderungen
Seheinschränkungen und Sehstörungen sind häufig.
Mindestens einmal pro Jahr Kontrolle.
Sturzverhütung
• Aufklärung über die Möglichkeiten
• Verhalten anpassen
• Umgebung anpassen
Medikamente und Sturzgefährdung
• Anpassung der Psychopharmaka
• Vermeidung langwirksamer Beruhigungsmittel
• befristete Verordnung von Neuroleptika
• sorgfältige Verordnung von Antidepressiva
Die Häufigkeit von Stürzen in Alten- und
Pflegeheimen
Wieviel Stürze werden etwa bei 100 Bewohnern
im Jahr beobachtet ?
Wieviel Personen sind hiervon betroffen ?
• Es werden etwa ein bis vier Stürze pro
Bewohner im Jahr beobachtet.
• Etwa jeder zweite Bewohner ist hiervon
betroffen.
Die schwersten Folgen eines Sturzes
Was sind die häufigsten Verletzungen, die
durch Stürze hervorgerufen werden ?
• Hüftfrakturen
• andere Knochenbrüche (Oberarm, Becken,
Unterarm)
• Risswunden und Prellungen
• Krankenhauseinweisungen
• Verschlechterung der Selbständigkeit
• Verlust des Selbstvertrauens
Gründe die zu einer Sturzgefährdung
führen
Was sind häufige Gründe, die eine
Sturzgefährdung hervorrufen oder
verschlechtern ?
• Medikamente (Psychopharmaka)
• neurologische Erkrankungen wie
Schlaganfall, Parkinson
• Sehstörungen
• Muskelschwäche
• unsicherer Stand und Gang
• Umgebungsgefährdungen
WAS SIND DIE ZIELE DER INITIATIVE ?
• Alles zu unternehmen, um Stürze zu verhindern.
• Diejenigen zu erkennen, die besonders gefährdet sind,
und dennoch eine möglichst große Unabhängigkeit und
Mobilität bei diesen Personen gewährleisten.
• Verletzungen zu verhüten, auch wenn Bewohner stürzen.
Wichtige Voraussetzungen für die Initiative
• Erkennen, dass jeder einen Beitrag leisten kann.
• Individuelle Einschätzung aller Bewohner im Hinblick auf
ihr Sturzrisiko.
• Pflegeplanung, die auf dieser individuellen Einschätzung
beruht.
• Die Unterstützung von Aktivität und Mobilität.
• Einen Ansatz finden, der die Bewohner, deren
Angehörigen, die Mitarbeiter und Hausärzte beteiligt.
• Sorgfältige Dokumentation der Stürze.
• Überprüfung der Einrichtung auf Gefahrenquellen.
WIE ERKENNT MAN DIE STURZGEFAHR ?
• unangemessene Kleidung, loses Schuhwerk
• die Person ist verwirrt
• die Person ist ängstlich
• die Person hat einen schwankenden Gang
• die Person benutzt eine Gehhilfe
Was sind die häufigsten Gefahrenquellen ?
• lose Kabel auf dem Boden
• feuchte oder glatte Fußböden
• schlechtes, glänzendes oder
ungleichmäßiges Licht
• zu hohe Betten und Stühle
• Rollstühle ohne Bremsen
• Toiletten ohne ausreichende Handgriffe
• Duschen mit unzureichenden Handgriffen
Artikel zum Thema Hüftprotektoren