Nächtliche Besucher bei Amahl von Gian

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Nächtliche Besucher bei Amahl von Gian
Nächtliche Besucher bei Amahl von Gian‐Carlo Menotti Mutter: Die Nacht ist dunkel. Oper in einem Akt AMAHL: Aber der Himmel ist hell, lass mich noch ein bisschen draußen! Deutsche Fassung: Eike Winguth‐Tietje, Wulf‐H. Tietje. Mutter: Es ist spät. Rollen: AMAHL: Aber der Mond ist noch gar nicht aufgegangen, lass mich noch ein bisschen draußen! Amahl (ein behinderter Junge, ungefähr 12) Knaben‐Sopran Mutter: Heute gibt’s keinen Mond. Aber wir werden gleich ein weinendes Kind haben, wenn es sich nicht beeilt und auf seine Mutter hört. Seine Mutter Sopran König Kaspar (leicht taub) Tenor AMAHL: Oh, na gut... König Melchior Bariton Mutter: Was in aller Welt hält dich da draußen? König Balthasar Bass AMAHL: Ach Mami, du solltest dir das ansehen! Noch niemals war da so ein Himmel! Feuchte Wolken haben ihn aufpoliert und leichter Wind hat ihn blank gefegt, als ob sie ihn für einen königlichen Ball vorbereiten. Alle Laternen sind angezündet, alle Lampen brennen und der dunkle Boden funkelt wie ein Kristall. Über unserem Dach steht ein Stern so groß wie ein Fenster. Der Stern hat einen Schweif und wandert über den Himmel wie ein brennender Wagen. Der Page Bass Chor der Hirten und Dorfbewohner Tänzer __________________________________________________ Mutter(stöhnt): Ach! Amahl, wann hörst Du auf, mir Lügen zu erzählen? Den ganzen Tag ziehst du mit einem Traum umher. Hier sitzen wir ohne etwas zu essen, nicht einen Scheid Holz, keinen Tropfen Öl in der Kanne und alles, was du tust, ist deine Mutter mit Märchen zu sorgen. Mensch Amahl, hast du denn dein Versprechen vergessen, mich nie, nie mehr zu belügen? Mutter: Amahl, Amahl! Amahl: Oh! Mutter: Schlafenszeit! Amahl: Gleich! AMAHL: Liebste Mami, ich lüge nicht. Bitte, glaub mir doch, bitte, glaub mir. Komm raus, ich zeig es dir. Sieh es dir selbst an, sieh selbst. Mutter: Amahl! Mutter: (Sie fegt seine Hand weg) Hör auf mich zu langweilen! Warum sollte ich dir glauben? Jeden Tag kommst du mit einer neuen Geschichte!! Zuerst war’s ein Leopard mit einem Frauenkopf. Dann war’s ein Baumast, der kreischte und blutete. Dann war’s ein Fisch, so groß wie ein Boot, mit Schnurrbarthaaren wie eine Katze und Flügeln wie eine Fledermaus und Hörnern wie eine Ziege. Und jetzt ist es ein Stern so groß wie ein Fenster ... oder war es eine Kutsche...Als wenn’s nicht genug wäre, der Stern hat einen Schweif und der Schweif brennt! Amahl: Ja gleich! Mutter: Wie lang muss ich rufen bis du hörst? AMAHL: Tut mir Leid, Mami. Mutter: Schnell rein und ab ins Bett. AMAHL: Ach, Mami, lass mich noch ein bisschen draußen! Mutter: Der Wind ist kalt. AMAHL: Aber da ist wirklich ein Stern mit solch einem Schweif. AMAHL: Aber mein Umhang ist warm, lass mich noch ein bisschen draußen! 1
Amahl misst die Luft so weit seine Arme reichen. K+M+BALTHASAR: Neben still versunkenen Seen springt die Antilope. In papiergemalten Oasen weinen betrunkene Zigeuner. Der hungrige Löwe wandert umher, die Kobra schläft. Wie weit, wie weit, mein klarer Stern? Na ja, vielleicht nur... auf ihr Stirnrunzeln hin reduziert er die Länge auf die Hälfte...so lang. Aber er ist da! Dreimaliges Klopfen im festen Rhythmus. Mutter: Amahl! Mutter: Amahl! AMAHL: Ich schwöre, Hand aufs Herz. AMAHL: Ja, Mami? Mutter: umarmt Amahl von hinten. Armer Amahl! Der Hunger vernebelt dir den Sinn. Mein Gott, was soll eine arme Witwe tun, (sie bewegt sich niedergeschlagen zur Feuerstelle) wenn ihre Tassen und Taschen leer sind und alles verkauft ist? Es sei denn wir gehen betteln, wie sollen wir morgen sonst durchkommen? Mein kleiner Sohn, ein Bettler! (Sie sinkt weinend auf einen kleinen Stuhl.) Mutter: Sieh nach, wer an die Tür klopft. Amahl geht zur Tür und öffnet sie einen Spalt. ‐ Dann schließt er sie ganz schnell wieder und rennt zu seiner Mutter AMAHL: Mami...Mami...Mami, komm mit. Ich will sicher sein, dass du auch das siehst, was ich sehe. AMAHL: (A. geht zur ihr und umarmt sie liebevoll, streicht über ihr Haar) Wein nicht, Mami, Liebe, sorg dich nicht um mich. Wenn wir betteln müssen, werde ich ein guter Bettler sein. Ich kenn eingängige Lieder, um Leute zum Tanzen zu bringen. Wir werden von Dorf zu Dorf ziehen, du als Zigeunerin und ich als Clown verkleidet. Mittags werden wir gebratene Gänse und süße Mandeln essen, nachts werden wir bei den Schafen und Sternen schlafen. Ich werde meine Flöten spielen und du wirst singen und rufen. Die Fenster werden sich öffnen und die Leute lehnen sich heraus. Der König wird vorbeireiten und deine laute Stimme hören und uns etwas Gold herüberwerfen, um den Lärm zu unterbinden. Mutter: Was ist jetzt los mit dir? Weswegen der ganze Aufstand? Wer ist es denn? AMAHL: Mami... vor der Tür...da ist ...da ist. ein König mit einer Krone. Mutter: Was soll ich bloß mit diesem Jungen machen? Was soll ich tun, was soll ich tun? Wenn du nicht lernst, die Wahrheit zu sagen, werde ich dich bestrafen müssen. Dreimaliges Klopfen. Sieh nach, wer es ist und was er will. A+Mutter: AMAHL: Mittags werden wir gebratene Gänse und süße Mandeln essen, nachts werden wir bei den Schafen und Sternen schlafen. Gut Nacht. Amahl eilt zur Tür und öffnet sie wieder einen Spalt und starrt. Er schließt sie wiederum und geht zur Mutter zurück Mutter: Mein Träumer, gute Nacht. Du verschwendest das Licht. Küss mich, gute Nacht. Gut Nacht. AMAHL: Mami...Mami...Mami, komm mit. Ich will sicher sein, dass du auch das siehst, was ich sehe Die Stimmen der drei Könige sind aus der Ferne zu hören. Mutter: Was ist jetzt los mit dir? Weswegen der ganze Aufstand? Kaspsar+Melchior+Balthazar: Von weither kommen wir und weit weg müssen wir noch gehen. Wie weit, wie weit, mein klarer Stern? Die Hirten träumen innerhalb der Pferche. Kalt ist der Sand am stillen Meer. AMAHL: Mami ... Ich habe eben nicht die Wahrheit gesagt. Mutter: Braver Junge. Amahl erhebt sich auf die Ellbogen und lauscht mit Erstaunen dem Singen in der Ferne. AMAHL: Da ist kein König draußen. Gefroren ist der Weihrauch in unseren gefrorenen Händen, schwer das Gold. Mutter: Würde ich auch so sagen! Die Figuren verschwinden in einer Kurve der Landstraße. AMAHL: Da sind zwei Könige! Wie weit, wie weit, mein klarer Stern? 2
K+M+BALTHASAR: Herzlichen Dank! Mutter: Was soll ich bloß mit diesem Jungen machen? Was soll ich tun, was soll ich tun? Mutter: (großzügig) Kommen Sie herein, kommen Sie doch herein. Dreimaliges Klopfen Sobald die drei Könige beisammen sind, sitzen sie da wie ein einziger. Der Page rollt den Teppich vor ihnen aus und setzt darauf die Geschenke, die die Könige für das Kind mit sich tragen. Mutter: Schnell zur Tür und sieh, wer es ist; und wage es ja nicht, Märchen zu erzählen. Melchior: Es ist nett hier. Amahl läuft nochmals zur Tür und zurück. Mutter: Ich werden gehen und noch etwas Holz für das Feuer sammeln Ich hab nichts im Haus. AMAHL: Mami, Mami, Mami, komm mit. Wenn ich dir die Wahrheit erzähle, wirst du’s mir nicht glauben. Die Mutter nimmt ihr Tuch von der Ablage und geht zur Tür. Mutter: Mach einen neuen Versuch! AMAHL: Aber du wirst mir nicht glauben. Melchior: Wir können nur einen Augenblick bleiben. Wir dürfen unseren Stern nicht aus den Augen verlieren. Mutter: Ich werde dir glauben, wenn du die Wahrheit erzählst. Mutter: Ihren Stern? AMAHL: Sicherlich, da draußen sind keine zwei Könige. AMAHL: Was habe ich dir gesagt? Mutter: Das ist überraschend. Mutter: Sch! AMAHL: Es sind drei, und einer von ihnen ist schwarz. Melchior: Wir haben noch weit zu gehen. Mutter: He! Was soll ich mit dir bloß machen! Wenn du kräftiger wärest, würde ich dich versohlen. Mutter: Ich bin gleich zurück... und Amahl, sei keine Nervensäge. AMAHL: Ich wusste es. Im Nu ist seine Mutter gegangen, Amahl geht zu Balthasar. Mutter: Ich gehe selbst zur Tür, und dann junger Mann, Gnade dir Gott. AMAHL: Sind Sie ein richtiger König? K+M+BALTHASAR: Guten Abend! Guten Abend! BALTHASAR: Ja AMAHL: (flüsternd) Was hab ich gesagt! AMAHL: Haben Sie königliches Blut? Mutter: (zu Amahl) Schsch! Zu den Königen: Edle Herren! BALTHASAR: Ja. BALTHASAR: Dürfen wir uns in ihrem Haus eine Weile ausruhen und uns am Feuer aufwärmen? AMAHL: Kann ich es sehen? Mutter: Ich bin eine arme Witwe. Eine kalte Feuerstelle und ein Bett aus Stroh ist alles, was ich Ihnen anbieten kann. Dazu lade ich sie herzlich ein. AMAHL: Welchen Vorteil hat es denn, es zu haben? AMAHL: Nein, Mami. BALTHASAR: Es ist wie deines. BALTHASAR: Keinen. KASPAR: Spitzt sein Ohr. Was sagt sie? AMAHL: Wo ist Ihr Zuhause? BALTHASAR: Dass wir eintreten dürfen. BALTHASAR: Ich lebe in einem Palast aus schwarzem Marmor voller schwarzer Panther und weißer Tauben. Und du, mein Junge, was machst du? KASPAR: aufgeregt Oh! Herzlichen Dank, Danke schön, danke! 3
lassen. Eine rote Koralle, um deine Wunden zu heilen. Einen Lapis Lazuli gegen Wechselfieber. Einen Jaspis, um Wasser zu finden. Einen kleinen Topaz, um deine Augen zu lindern. Einen roten Rubin, um dich vor Blitzschlag zu schützen. AMAHL: Ich war ein Hirte, ich hatte eine Herde Schafe. Aber meine Mutter musste sie verkaufen, alle verkaufen. Nun sind keine Schafe mehr da. Ich hatte eine schwarze Ziege, die mir warme, süße Milch gab. Aber sie ist an Altersschwäche gestorben, an Altersschwäche. Nun gibt’s keine Ziege mehr. Aber Mutter sagt, dass wir jetzt betteln gehen, von Tür zu Tür. Ist das nicht toll? Das ist meine Kiste, das ist meine Kiste. Ich reise nie ohne meine Kiste. In der zweiten Schublade bewahre ich alle meine Perlen auf. Oh, wie ich es liebe mit all diesen Perlen zu spielen, alle Arten von Perlen. MUTTER Wie man es betrachtet. Amahl sieht verwundert zu Balthasar hinüber, der ihm anzeigt, dass Kaspar taub ist. Amahl wiederholt die Frage laut. Das ist meine Kiste, das ist meine Kiste. Ich reise nie ohne meine Kiste. In der dritten Schublade... in der dritten Schublade... mein Kleiner... mein Kleiner... In der dritten Schublade bewahre ich die Süßholzwurzel ... Süßholzwurzel auf... schwarze, süße Süßholzwurzel, schwarze, süße Süßholzwurzel. Probier mal! AMAHL: SIND SIE AUCH EIN RICHTIGER KÖNIG? Mutter: Amahl, ich bat dich, keine Nervensäge zu sein! KASPAR: Ja sicher, sicher, sicher, ja, ich bin ein richtiger König...sieht sich fragend nach Balthasar um ... oder etwa nicht? KASPAR: Aber das ist nicht mein Fehler! Er geht zu seiner Mutter und flüstert verstohlen. Sie haben mir Fragen gestellt. BALTHASAR: Ja, Kaspar. KASPAR: Hä? Mutter: Ich möchte, dass du gehst und die anderen Hirten holst. Erzähl ihnen von unserem Besuch und bitte sie irgend‐ etwas mitzubringen, was sie im Haus haben, denn wir haben nichts, was wir ihnen anbieten können. Beeil dich. AMAHL: WAS IST DAS? AMAHL: Ja, Mami. KASPAR: Ein Papagei. Mutter: Oh, diese schönen Dinge und all das Gold! AMAHL: Spricht er? Melchior: Dies sind die Geschenke für das Kind. KASPAR: Wie soll ich das wissen? Deutet auf seine tauben Ohren. Mutter: mit großer Aufregung Das Kind! Welches Kind? AMAHL: Beißt er? Melchior: Wir wissen es nicht. Aber der Stern wird uns zu Ihm führen. KASPAR: Hä? Kaspar zeigt seinen heftig bandagierten Finger. Mutter: Aber vielleicht kenne ich ihn. Wie sieht er aus? AMAHL: BEISST ER? AMAHL: Und was ist das? Weist auf die mit Edelsteinen besetzte Kiste. Melchior: Haben Sie ein Kind gesehen, dass die Farbe von Weizen, die Farbe vom Sonnenaufgang trägt? Seine Augen sind warmherzig, Seine Hände sind die eines Königs, als König wurde Er geboren. Weihrauch, Myrrhe und Gold bringen wir zu ihm und der Morgenstern führt uns dorthin. KASPAR: Das ist meine Kiste, das ist meine Kiste. Ich reise nie ohne meine Kiste. In der ersten Schublade bewahre ich meine magischen Steine auf. Einen Karneol gegen Übel und Neid. Einen Mondstein um dich schlafen zu Mutter: Ja, ich kenne ein Kind, dessen Farbe dem von Weizen gleicht, die Farbe des Sonnenaufgangs. Seine Augen sind warmherzig, seine Hände sind die eines Königs, als König wurde er geboren. Aber keiner bringt ihm AMAHL: Sind Sie auch ein richtiger König? KASPAR: Hä? AMAHL: Was ist das? KASPAR: Ja. 4
Melchior: Wach auf Kaspar! Weihrauch, Myrrhe oder Gold, so krank und arm und hungrig und kalt. Er ist mein Kind, mein Sohn, mein Liebling, mein Eigen. S: Emilia, Emilia, Michael, Bartholomäus, wie geht’s euren Kindern und wie euren Schafen. Dorothea, Dorothea, Peter, Evangeline, gebt mir eure Hand, kommt mit mir. Alle Kinder haben Mumps. Alle Herden schlafen. Wir ziehen mit Amahl und bringen den Königen Geschenke. Benjamin, Benjamin, Lukas, Elisabeth, wie geht’s den Kindern und wie euren Schafen. Caroline, Caroline, Matthias, Veronika, Me+BALTHASAR: Haben Sie ein Kind gesehen mit der Farbe der Erde, der Farbe der Dornen? Seine Augen sind traurig, Seine Hände sind die eines Armen und als Armer wurde Er geboren. Weihrauch, Myrrhe und Gold bringen wir zu Ihm und der Morgenstern führt uns dorthin. Mutter: Ja, ich kenne ein Kind mit der Farbe der Erde, der Farbe der Dornen. Seine Augen sind traurig, seine Hände sind die eines Armen und als Armer wurde er geboren. Aber keiner bringt ihm Weihrauch, Myrrhe oder Gold, so krank und arm und hungrig und kalt. Er ist mein Kind, mein Sohn, mein Liebling, mein Eigen. Zerlumpt und fröhlich nähern sich die Hirten der Hütte, tragen ihre Körbe mit Obst und Gemüse. Gebt mir eure Hand, kommt mit mir. Brr! Wie kalt ist die Nacht! Brr! Wie eisig ist der Wind. Halte mich ganz, ganz, ganz eng umschlungen. Oh, wie warm ist dein Umhang!! Katharina, Katharina, Christoph, Babila, wie geht’s euren Kindern und wie geht’s euren Schafen? Josephine, Josephine, Angela, Jeremias kommt mit mir. Oh, seht! Oh, seht! Melchior: Das Kind, das wir suchen hält die Meere und die Winde in Seiner Hand. K+Me+BALTHASAR: ...hält die Winde in Seiner Hand. Die Hirten drängen sich zusammen im Türrahmen der Hütte, verstummen beim Anblick der Könige und wagen nicht einzutreten. KASPAR: Das Kind, das wir suchen, hat den Mond und die Sterne zu Seinen Füßen. Mutter: Kommt rein, kommt rein! Wovor habt ihr Angst? Mutter: Er hat die Sterne zu seinen Füßen. Mutter: Sei nicht so schüchtern, kleines Dummchen! Sei nicht so verlegen, alberner Junge! Sie werden euch nicht fressen. Zeigt, was ihr Ihnen mitgebracht habt. BALTHASAR: Ihm gegenüber ist der Adler behutsam, der Löwe sanftmütig. Hirten: Na los, na los, na los! Nee, du gehst vor! Oliven und Quitten, Äpfel und Rosinen, Muskatnuss und Myrte, Mispeln und Maronen, das ist alles, was wir Hirten Euch anbieten können. Mutter: Das Kind, das ich kenne, hält mein Herz in seinen Händen. Das Kind, das ich kenne, hat mein Leben zu seinen Füßen. K+Me+BALTHASAR: Der Chor der Engel schwebt über Seinem Dach und singt Ihn in den Schlaf. Er wird durch den Atem gewärmt, Er wird durch seine Mutter genährt, die sowohl Jungfrau als auch Königin ist. K+Me+BALTHASAR: Vielen Dank, danke, sehr freundlich. Vielen Dank, danke, danke nochmals. Hirten: Zitronen und Limonen, Moschus und Granatäpfel, Ziegenkäse und Walnüsse, Feigen und Gurken, das ist alles, was wir Hirten Euch anbieten können. K+Me+BALTHASAR: Weihrauch, Myrrhe und Gold bringen wir zu Ihm und der Morgenstern führt uns dorthin. Mutter: Er ist mein Kind, mein Sohn, mein Liebling, mein Eigen und sein Name ist Amahl. K+Me+BALTHASAR: Vielen Dank, danke, sehr freundlich. Vielen Dank, danke, danke nochmals. Das Rufen der Hirten tönt scharf und klar durch die Luft, beendet die gedämpfte Stille des Zimmers. Hirten: Haselnüsse und Kamille, Mignonetten und Lorbeer, Honigwaben und Zimt, Thymian, Minze und Knoblauch, das ist alles, was wir Hirten Euch anbieten können. Hirten: Schäfer! Schäferinnen! Wer ruft uns, wer ruft uns? Oh! Oh! Mutter: Die Hirten kommen! 5
röstet? Wissen sie das? Wissen sie, wie man den Hof mit Tauben füllt? Wissen sie das? Wissen sie das? Wissen sie, wie man eine mit Klee gefütterte Ziege melkt? Wissen sie das? Wissen sie, wie man einen heißen Wein in kalten Winternächten würzt? Wissen sie das? Wissen sie das? Das ganze Gold! Das ganze Gold! Was könnte ich nicht alles für mein Kind mit diesem Gold tun! Warum soll es zu einem Kind gehen, dass sie nicht einmal kennen? Sie schlafen. Soll ich es wagen? Wenn ich etwas nehme, werden sie es nicht einmal vermissen... K+Me+BALTHASAR: Vielen Dank, danke, sehr freundlich. Vielen Dank, danke, danke nochmals. Hirten: Nehmen Sie, essen Sie, greifen Sie zu. Zum Pagen: Nehmen Sie, essen Sie, greifen Sie zu. Mutter: die jungen Leute heranwinkend Wollt ihr jetzt für Sie tanzen? Hirten: Sei nicht so schüchtern, kleines Dummchen! Sei nicht so verlegen, alberner Junge! Sie werden euch nicht fressen. Langsam zieht sie sich über den Boden, zieht ihren Körper mit den Händen. Ihre Worte werden ein leises Flüstern. BALTHASAR: Vielen Dank, liebe Freunde, für eure Tänze und Eure Gaben. Aber nun müssen wir euch um ‚Gute Nacht’ bitten. Wir müssen ein wenig schlafen, bevor unsere weite Reise weiter geht. Für mein Kind... für mein Kind ...für mein Kind ... für mein Kind ... Als die Mutter das Gold berührt, ist der Page sofort erwacht. Er ergreift ihren Arm, und schreit zu seinen Herren. Die Mutter zieht wie wahnsinnig, um sich zu befreien, zerrt den Pagen in die Mitte des Zimmers. Sie klammert sich noch immer an das Gold und die Juwelen, die sie ergriffen hat. Hirten: Gute Nacht, ihr Könige, gute Nacht und auf Wiedersehen. Der bleiche Stern erzählt uns, dass die Dämmerung in Sicht ist. Page: Dieb! Dieb! Mu+AMAHL: Gute Nacht! Die Könige erwachen verwirrt und erheben sich. KASPAR: Gute Nacht! Melchior: Was ist? Melchior: Gute Nacht! BALTHASAR: Was ist? Balthasar: Gute Nacht! Page: Ich habe sie gesehen, wie sie etwas Gold stiehlt. Sie ist ein Dieb. Lassen Sie sie nicht gehen! Sie hat das Gold gestohlen! Hirten: Gute Nacht, ihr Könige, gute Nacht und auf Wiedersehen. Der Nachtwind erzählt uns, dass der kommende Tag strahlend wird. K+Me+BALTHASAR: Schäm dich! AMAHL: Entschuldigen Sie bitte Sir, unter ihren magische Steinen ist da ... ist da einer, der einen verkrüppelten Jungen heilen könnte? Amahl erwacht, zunächst völlig durcheinander. KASPAR: Hä? K+Me+BALTHASAR: Schäm dich! AMAHL: Ach, schon gut ... gute Nacht. Page: Gib es zurück, oder ich reiß es dir aus den Händen. Hirten: Gute Nacht, gute Nacht. Die Dämmerung ist in Sicht. Die Dämmerung wird strahlend, Gute Nacht, auf Wiedersehen, gute Nacht. K+Me+BALTHASAR: Gib es zurück. Page: Gib es zurück, oder ich reiß es dir aus den Händen. Als er die Mutter in den Händen des Pagen sieht, rappelt er sich mit seiner Krücke auf und wirft sich ungeschickt auf den Pagen, schlägt ihn hysterisch und zieht an seinem Haar mit dem Ziel, den Mann dazu zu zwingen, seine Mutter frei zu lassen. Mutter: Das ganze Gold! Das ganze Gold! Ich frage mich, ob die Reichen wissen, was sie mit ihrem Gold anfangen sollen! Wissen sie, wie ein Kind damit ernährt werden könnte? Wissen die Reichen das? Wissen sie, dass man damit den ganzen Tag ein Haus mit brennenden Scheiten warm halten kann? Wissen Die Reichen das? Wissen sie, wie man Mais auf dem Feuer AMAHL: Wage es ja nicht! Wage es nicht, du Hässlicher, meiner Mutter weh zu tun. Ich zertrümmere dein Gesicht! Ich schlag dir die Zähne aus! Er läuft zum König Kaspar und zerrt an seinem Mantel. 6
Oh, Herr König, lass ihn nicht meiner Mutter weh tun. Meine Mutter ist gut. Sie kann nichts Unrechtes tun. Ich bin der, der lügt, ich bin der, der stiehlt. Wage es ja nicht! Wage es nicht, du Hässlicher, meiner Mutter weh zu tun. Ich breche dir all deine Knochen. Ich schlag dir den Schädel ein. KASPAR: Er kann gehen. Mutter: Er kann gehen, er kann gehen, er kann gehen. K+Me+BALTHASAR: Er kann gehen! Dies ist ein Zeichen des Heiligen Kindes. Wir müssen den neugeborenen König dafür preisen. Wir müssen ihn preisen. Dies ist ein Zeichen von Gott! AMAHL: Wage es ja nicht! Wage es ja nicht! Melchior: Oh, Frau, behaltet das Gold. Das Kind, das wir suchen, braucht unser Gold nicht. Auf Liebe, nur auf Liebe wird er sein Königreich errichten. Seine durchstochene Hand wird kein Zepter halten, sein Kopf wird einen Heiligenschein und keine Krone tragen. Seine Macht wird nicht von eurer Hände Arbeit abhängen. Schneller als der Blitz wird er bald unter uns gehen. Er wird uns neues Leben bringen und unseren Tod empfangen, und die Schlüssel zu seiner Stadt werden den Armen gehören. Nachdem er die Krücke in König Kaspars ausgestreckte Hand gelegt hat, bewegt Amahl sich noch unsicher in die Mitte des Raumes. Immer selbstbewusster beginnt er, zu springen und herumzutollen. AMAHL: Schau, Mutter, ich kann tanzen, ich kann hüpfen, ich kann rennen! K+Me+BALTHASAR: Tatsächlich, er kann tanzen, er kann hüpfen, er kann rennen! Die Mutter und die Könige folgen Amahl atemlos, aus Angst, er könnte hinfallen .Schließlich, als ungeschickt eine Pirouette dreht, stolpert Amahl und fällt zu Boden. Zu den anderen Königen Lasst uns gehen, Freunde. KASPAR: Ah! Die Mutter macht sich von Amahls Umarmung frei, wirft sich vor den Königen auf die Knie und verstreut das Gold, das sie genommen hatte, auf dem Teppich. Inzwischen ist Amahl auf den Beinen und stützt sich auf seine Krücke. Melchior: Ah! BALTHASAR: Ah! Mutter: Mein Liebling, bitte sei jetzt vorsichtig. Du musst aufpassen, dass du dich nicht verletzt. Mutter: Oh, nein… nehmt euer Gold zurück! Auf solch einen König habe ich mein ganzes Leben gewartet. Und wenn ich nicht so arm wäre, würde ich solch einem Kind ein eigenes Geschenk machen. K+Me+BALTHASAR: Oh, gute Frau, du darfst keine Angst haben. Denn er wird von Gottes Sohn geliebt. AMAHL: Aber Mutter, ich will ihm meine Krücke schicken. Wer weiß, vielleicht braucht er eine, und diese hab ich selbst gemacht. Einer nach dem anderen gehen die Könige zu Amahl und legen ihm die Hand auf. Dann geht jeder hinüber, nimmt sein Geschenk für das neugeborene Kind und macht sich bereit für die Abreise. Amahl hebt seine Krücke hoch. Ein Raunen geht durch das Zimmer. Der Junge macht einen Schritt auf die Könige zu, da merkt er, dass er sich ohne die Hilfe der Krücke bewegt hat. Die Mutter versucht ihn aufzuhalten, als er die Krücke hoch hebt. BALTHASAR: Gesegnetes Kind, darf ich dich berühren? Mutter: Aber du kannst das nicht, du kannst das nicht! Melchior: Gesegnetes Kind, darf ich dich berühren? AMAHL: Mutter ich kann gehen, ich kann gehen! KASPAR: Gesegnetes Kind, darf ich dich berühren? BALTHASAR: Er kann gehen. Page: Gesegnetes Kind, darf ich dich berühren? Melchior: Er kann gehen. AMAHL: Nun, ich weiß nicht, ob ich euch erlauben soll, mich zu berühren… Schritt für Schritt bewegt sich Amahl auf die Könige zu. Er hält die Krücke in seiner ausgestreckten Hand. Seine Mutter erhebt sich und dreht sich weg, als hätte sie Angst vor dem Wunder, das sie sieht. Mutter: (leicht tadelnd) Amahl! 7
AMAHL: Ja, versprech ich dir. AMAHL: Oh,… na gut… aber nur einmal. Schau, Mutter, ich kann kämpfen, ich kann arbeiten, ich kann spielen! Oh, Mutter, lass mich mit den Königen gehen. Ich will die Krücke selber zum Kind bringen. Mutter: Erzähl keine Lügen! AMAHL: Nein, versprech ich dir. Me+BALTHASAR: Ja, gute Frau, lassen Sie ihn mit uns kommen. Mu+AMAHL: Ich werd dich sehr vermissen. KASPAR: Wir werden gut auf ihn aufpassen. AMAHL: Fütter meinen Vogel! Melchior: Wir werden gut auf ihn aufpassen. Mutter: Ja, versprech ich dir. K+Me+BALTHASAR: Wir bringen ihn auf dem Rücken eines Kamels zurück. Amahl und seine Mutter sind zusammen mit den anderen. Sie kniet vor ihm. AMAHL: Pass auf die Katze auf! Mutter: Willst du wirklich gehen? Mutter: Ja, versprech ich dir. AMAHL: Ja, Mutter. Mutter+AMAHL: Ich werd dich sehr vermissen. Mutter: Bist du sicher? Hirten: Hirten, auf geht’s. AMAHL: Ich bin sicher. BALTHASAR: Bist du fertig? Mutter: Ja, ich denke du solltest gehen und dem Kind persönlich danken. AMAHL: Ja, bin ich. AMAHL: Bist du sicher? BALTHASAR: Dann lass uns gehen. Mutter: Sieh zu, dass du fertig wirst. Hirten: Kommt, Hirten, kommt nach draußen. KASPAR: Was hat sie gesagt? Hirten: Alle Sterne sind vom Himmel verschwunden. Kommt, Hirten, kommt nach draußen. Alle Sterne sind vom Himmel verschwunden. BALTHASAR: Sie sagte, er kann mitkommen. KASPAR: Oh, schön, wie schön, wie …! Amahl fällt seiner Mutter in die Arme und verabschiedet sich von ihr. Dann muss er sich beeilen, um mit hinter den Königen her zu kommen. BALTHASAR: Kaspar! Hirten: Oh, süße Dämmerung, friedliche Dämmerung. Mutter: Was geschieht mit der Krücke? Amahl geht als Letzter in der Reihe und beginnt, während er geht, seine Flöte zu spielen. ENDE. Du kannst sie mir auf den Rücken binden. Leicht gekürzte Fassung: 23.06.2011
Mutter: Vergiss nicht, deinen Hut aufzusetzen! AMAHL: Ich werde immer meinen Hut aufsetzen. Mutter: Dann, mein Liebling, mach’s gut! AMAHL: Ich werde dich sehr, sehr vermissen. Mutter: wasch deine Ohren! 8