- Fachschaftsrat Publizistik

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- Fachschaftsrat Publizistik
Publizissimus
Ausgabe Sommersemester 2016
Noteninflation am ifp?
Was studentische Leistungen wirklich wert sind
Meinungsfreiheit: Was darf Satire?
Haha: 13 Dinge, die nur IfP-Studierende kennen
Lokaljournalismus: Merkurist und die Macht des Lesers
Kritik: Studis an der Uni überflüssig wie ein Kropf?
Man munkelt, es regne gerade so viel, weil Jörg Haßler seinen Pizza-Teller nie leer esse. +++ Man munkelt deshalb, man könne sich für die
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Bild: Instagram; The Hippie Triathlete
(bestimmte Rechte vorbehalten)
Editorial
Bilder wie dieses fluten unsere
Instagram-Feeds.
Müsli-Jünger und Meinungsfreiheit
von Elisabeth Neuhaus
Liebe Leserinnen und Leser,
in dieser Ausgabe blicken wir über den berühmten Tellerrand. Denn zu Beginn unserer Redaktionsarbeit stand folgende Frage im Raum: Wieso
bekommen Publizisten, im Vergleich zu anderen
Studis, so gute Noten? Sind wir zu schlau oder
bewerten unsere Dozenten einfach nur großzügig? Was ist überhaupt dran an der Einschätzung? Interessant sind hier die Notenverteilungen am gesamten Fachbereich 02. Über sie
habe ich mit Dekan Daschmann gesprochen. Das
ganze Interview ist auf Seite 23 nachzulesen.
Mit dem Institut beschäftigt sich auch ein Pulitzer-Preis-verdächtiges „Listicle“ (für alle Buzzfeed- und Bento-Neueinsteiger: eine journalistische Mischform aus Auflistung und Artikel), das
Tobias Tornow für den Publizissimus zusammengestellt hat. Darin zeigt er Dinge, die garantiert nur kennt, wer am IfP in Mainz studiert! Bei
Nummer acht kamen mir die Tränen…
Und nicht nur dort. Schließlich kann einem beim
täglichen Scrollen durch den Instagram-Feed
schon mal eine leichte Verzweiflung überkommen. Überall nur gestählte Körper und
#healthyfood, während die eigene Bikinifigur
auf sich warten lässt und die Pesto-Nudeln
sehnsüchtig darauf warten, verspeist zu wer-
den. Publizissimus-Autorin Lina Wattad beschäftigt sich in ihrem Artikel auf Seite 19 mit
dem Fitness-Hype auf Instagram – dafür hat
sie für uns den Jüngern der Müslischale nachgespürt.
Eine ganz andere Zielgruppe hat die Zeitschrift
„SmartWoman“. Sie will der aufgeweckten Frau
ab 50 die Welt der Technik näherbringen. Dazu
gibt sie Tipps sowohl zur Bedienung des Smartphones als auch zur richtigen Aussprache neuzeitlicher Zungenbrecher wie „Facebook“. Wir
sind froh, dass Pauline Bieske das Heft gelesen
hat. Dann müssen wir es nicht mehr tun. Haben
aber schon mal ein Weihnachtsgeschenk für
Oma in der Hinterhand.
Nicht nur ein Presseerzeugnis, sondern die gesamte Medienlandschaft nimmt die Organisation Reporter ohne Grenzen immer wieder für
ihr jährliches Pressefreiheitsranking unter die
Lupe. Deutschland ist auf der Rangliste 2016
im Vergleich zum Vorjahr um vier Plätze nach
unten gerutscht. Woran das liegt, beschreibt
Melina Bosbach auf Seite 33. Sie hat bei einem
Sprecher der Organisation nachgehakt.
tire? Wo verlaufen die Grenzen der Meinungsfreiheit? Das haben Lotta Pommerien und Lisa
Winter den Böhmermann-Experten Alexander
Thiele gefragt. Eine andere, etwas beschaulichere Böhmermann-Geschichte haben wir übrigens
auch auf unserer Autorenseite aufgegriffen…
Bevor mein langjähriger Publizissimus-Partner
Johannes Beckert im nächsten Semester auf die
dunkle Seite der Macht wechselt, hat er sich für
diese (seine letzte) Ausgabe mit der anstehenden Bachelor-Reform auseinandergesetzt – und
sich zusammen mit Sarina Metzger die Frage
gestellt, welchen Stellenwert Studierende derzeit noch an der Uni haben. Mir bleibt da nur
noch zu sagen: Möge die Macht mit Dir sein,
Johannes!
Insgesamt erwartet Euch in dieser Ausgabe wie
immer ein bunter Themenmix. Das Gute am Publizissimus ist ja, dass er konjunkturunabhängig ist. Wie viel Hochschul- oder Banknoten tatsächlich wert sind, ist da egal. Der Publizissimus
bleibt stabil! Versprochen.
Und nun viel Spaß beim Lesen!
Interessiert hat uns im vergangenen halben
Jahr natürlich auch der Böhmermann-Skandal
um das Erdogan-Schmähgedicht. Was darf Sa-
Wettervorhersage an seinen Essgewohnheiten ähnlich verlässlich orientieren wie an einem Wetterfrosch. +++ Man munkelt, Gregor Dasch-
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Impressum/Inhalt
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Publizissimus
Ausgabe 02/2016
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3
Editorial
Impressum / Inhalt
Chefredaktion (V.i.S.d.P.):
Elisabeth Neuhaus
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Vor 30 Jahren: Alles Pappnasen!
Layout: Johannes Beckert, Saskia Bender,
Greta Pässler
Logo: Richard Lemke
Titelbild: Elisabeth Neuhaus
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Neu am Institut
Tanjev Schultz
Benno Viererbl
Nora Denner
Johanna Möller
Herausgeber:
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Publi-Party: Impressionen
Fachschaftsrat Publizistik
Auflage: 750
Druck:
Zentraldruckerei (Uni Mainz),
mit freundlicher Unterstützung des
Redaktionsadresse:
Publizissimus-Redaktion
c/o Fachschaftsrat Publizistik
Georg-Forster-Gebäude
Jakob-Welder-Weg 12
55099 Mainz
Kontakt: [email protected]
Autoren:
Duygu Aksoy, Sophia Allenstein, Johannes Beckert,
Selina Beckmann, Saskia Bender, Chantal Berg,
Pauline Bieske, Laura Boia, Melina Bosbach,
Nina Brückner, Viola Granow, Laura Hennemann,
Jessica Hofacker, Elisa Kautzky, Johannes Koch,
Sarina Metzger, Elisabeth Neuhaus, Thanh Dung
Nguyen, Greta Pässler, Lotta Pommerien, Henrik
Rampe, Elena Reinhard, Rebecca Reinhard,
Alexander Schulte, Christin Spira, Tobias Tornow,
Lina Wattad, Lisa Winter
Gastautor: Hans Mathias Kepplinger
Neue Medien
11Peeple
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Das junge Angebot von ARD und ZDF
15Periscope
16Merkurist
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Fitnnes-Hype auf Instagram
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Meinung: Keine falsche Bescheidenheit
Kritik: Studierende an der JGU – Das fünfte Rad
am Wagen?
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Titel: Auf der Noten-Rutsche
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Inside IfP: Alles neu?
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Haha: 13 Dinge, die du nur kennst, wenn du am IfP
in Mainz studierst
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Anzeige: Was machen MitarbeiterInnen des IfP
eigentlich außerhalb ihrer Sprechstunden?
30Meinungsfreiheit: „Fall Böhmermann“
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Pressefreiheit: Reporter ohne Grenzen
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Publi-Kick: "Stiftung Wadentest" holt sich den Cup
37 Gastbeitrag: Jakob-Welder-Weg 20 – ein Nachruf
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Publizissimus-Preis: Goes to...
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Ein # und seine Geschichte: #whomademyclothes
42Szene: Neustadtapotheke
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Publis und ihre Projekte: Campus Views
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Medien in den Medien: Journalismus in Filmen
Journaille
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Perspective Daily
48SmartWoman
49Autorenseite: Schwiegertochter gesucht #verafake
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Kolumne: Voll verpubliziert!
mann äußerte, dass der Frühling die Hormone steigen lasse. +++ Man könnte deshalb munkeln, er sei nach dieser Vorhersage so etwas wie
Vor 30 Jahren
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Alles Pappnasen!
von Laura Boia & Elisabeth Neuhaus
Es ging drunter und drüber am IfP vor 30 Jahren: Man
diskutierte über ein studentisch produziertes Fernsehprogramm, kritisierte die Parteipräferenzen der Professoren – und ärgerte sich über die Bestellaktivitäten
der Bibliothek. Wir haben die Ausgabe aus dem Jahr
1986 durchgeblättert.
Bild: Archiv
Vor „einigen Jahren“ , so schreibt es der Publizissimus
damals auf seiner Titelseite, habe man in der Universitätsleitung den Gedanken durchgespielt, ein
Uni-Fernsehen zu starten. Daraufhin sei ein Gremium mit Vertretern verschiedener Fachbereiche einberufen worden – darunter auch IfP-Größe Hans
Mathias Kepplinger. Weil es der Uni in dieser Zeit
an Geld fehlte, wurde kurzerhand ein TV-Magazin
namens „Campus“ ins Leben gerufen, dass jedoch
mit bereits vorhandenen Geräten produziert wurde.
Zwar war das „Campus“-Magazin also entsprechend kostengünstig, doch die Gremiumsmitglieder bemängelten die Qualität der Sendung. Das
Uni-Fernsehen war damit Geschichte. Könnte man
meinen. Denn Kepplinger wollte sich mit dem rigorosen Abschluss des Projekts nicht zufrieden geben, er haute den „Verein der Freunde und Förderer
des Instituts für Publizistik“ an – und gewann so
ein Budget vin Höhe on 40.000 DM für eine Produktionsausrüstung sowie einen Schnittplatz. Der
Publizissimus feierte Kepplinger damals für seine
Initiative: „Die Chancen, die sich den Studenten
[dadurch] eröffnen, sind doch um ein Vielfaches
besser als vor Jahresfrist.“
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch,
dass sich der „Spiegel“ Ende des Vorjahres einer
besonders pikanten Geschichte angenommen und
in einem Artikel mit der Überschrift „Kokolores
aus der Mainzer Uni“ das Institut für Publizistik
und dessen Wissenschaftler (implizit auch dessen
Studierende) angegriffen hatte. Darin sei thematisiert worden, dass „die jüngsten Forschungsaktivitäten von der (sic!) Professoren Noelle-Neumann
und Kepplinger mit seriöser Sozialwissenschaft
genauso wenig zu tun haben wie mit Journalistenausbildung.
“Der Publizissimus befürchtete, das parteipolitische
Engagement“ Noelle-Neumanns könne auf die Studierenden abfärben – und negative Konsequenzen
für sie haben. Zwar zeugten die Machenschaften
mancher Studierender in der Tat von „geistiger
Verwahrlosung“, jedoch habe der Großteil der
Mainzer Publizisten nichts mit „diesen Pappnasen“
zu tun.
Gleichzeitig kritisierte die Redaktion auch das
Lehrangebot am IfP, das offenbar so gar nicht zu
dem passen wollte, was sich die Studierenden von
ihrer Ausbildung wünschten (nämlich anscheinend:
weniger Empirie). Gefordert wurde zum Beispiel, in
Seminaren und Vorlesungen ein „breiteres“ Spektrum der Publizistikwissenschaft abzubilden. Ganz
wichtig seien berufsrelevante Inhalte. Mit dem bereits erwähnten TV-Equipment sei zwar bereits ein
erster Schritt in die richtige Richtung getan. Doch
der Publizissimus wollte noch mehr Praxis – und
bot Kepplinger deshalb sogar an, ihm „gerne die
notwendige Einführung in den praktischen Journalismus“ zu geben –„exklusiv und diskret“.
Ein Skelett in Münster
Ein Autor berichtete für den Publizissimus aus
Münster über die dortige Medienlandschaft. Dort
gebe es Zeitungen mit sage und schreibe zwei voneinander unabhängigen Mantelredaktionen. Die
gibt es übrigens noch heute. Noch spannender findet der Autor aber die Kleinanzeigen im Münsterer
Anzeigenheftchen „Na dann“. Eine dieser Gesuche
zitiert er: „Suche gebrauchtes, billiges Skelett“. Es
blieb der einzige Knaller. Insgesamt also ein eher
unscheinbares Fleckchen Medienerde.
Mehr Zündstoff lieferte da die Tatsache, dass die
Bibliothek das Abo der bis dato einzigen berufsspezifischen Fachzeitschrift für Public Relations,
dem „pr-magazin“ gekündigt hatte. Und dass,
obwohl laut den Ergebnissen aus einer Befragung
des IfP„ein nicht unerheblicher Teil“ der Studis
nach Abschluss des Studiums in der Öffentlichkeitsarbeit landete. Der Publizissimus spekulierte
damals über leere Kassen des IfP: „Geht das Institut an den 60 DM für’s Jahresabo zugrunde?“
Aus dem heutigen Bibliotheksbestand geht hervor,
dass das Heft etwa vier Jahre später wieder in die
Regale geholt wurde. Zum Glück, immerhin verirren
sich heute noch immer viele Studis in die PR. Apropos: Damals, 1986, war auch PR-Koryphäe Barbara
Baerns, die gemeinhin als Begründerin der Determinationsthese gilt, am Institut für Publizistik unterwegs, sie übernahm eine Vertretungsprofessur.
Auch Baerns gab ihren Senf zu den studentischen
Forderungen nach mehr Praxis im Lehrangebot. Im
Gespräch mit dem Publizissimus stellte sie fest:
„Das Auseinanderdivergieren von Theorie und
Praxis ist etwas, womit niemandem gedient ist.“
Zumindest diese Aussage einer Professorin dürfte
dann wie Musik in den Ohren der Redaktionsmitglieder geklungen haben.
ein Hormon-Wetterfrosch. +++ Man munkelt, Richard Lemke habe Freude daran, Studenten „zusammenzubringen“. +++ Man munkelt, er
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Bild: Henrik Rampe
Neu am Institut
Zwischen NSU-Terror und Mozart
von Henrik Rampe & Sophia Allenstein
Er war in Berlin, Bloomington und Bremen: Entgegen seiner Schwäche für B-Städte, hat es Tanjev
Schultz nun nach Mainz verschlagen. Mit seinem Wechsel von der Redaktion der „Süddeutschen
Zeitung“ (SZ) an die JGU geht der Waffel-Liebhaber auch beruflich neue Wege. Statt Beate
Zschäpe im Gerichtssaal sitzt er jetzt Studierenden im Journalistischen Seminar gegenüber.
Herr Schultz, Ihr Vorname Tanjev klingt ungewöhnlich...
Ja, ich bin schon oft als Frau angeschrieben worden und heiße dann zum Beispiel Tanja Schultz.
Manchmal korrigiere ich das schon gar nicht
mehr, weil mir das zu mühsam ist. Mein Name
ist angeblich einem Spielfilm entnommen, so
sagt es zumindest meine Mutter. Sie selbst
weiß aber schon gar nicht mehr, welcher Film das
war. Die genaue Herkunft wird wohl ein Rätsel
bleiben.
Philosophie, Psychologie, Germanistik,
Kommunikations- und Politikwissenschaften: Wenn Sie sich unter den vielen
Fächern, die Sie studiert haben, das Fach
aussuchen müssten, mit dem Sie sich am
ehesten identifizieren können – welches
wäre das?
Die Schnittmenge aller meiner Interessen spiegelt die Kommunikationswissenschaft am besten
wider. Mein Herz schlägt aber trotzdem weiterhin
auch sehr stark für die Philosophie.
Sie haben vor Ihrer Professur eine begehrte Stelle im Ressort für Innenpolitik
der Süddeutschen Zeitung besetzt. Mussten Sie lange nachdenken, als die Rückmeldung aus Mainz kam?
Vom Bauchgefühl her hatte ich früh die Entscheidung getroffen, dass ich nach Mainz gehe,
aber alles nochmal zu durchdenken, hat länger
gedauert. Die Stelle bei der SZ ist nicht nur
begehrt, sondern auch sehr schön gewesen. Ich bin
nicht geflüchtet, sondern mit Wehmut gegangen.
begründete dies mit den guten Chancen, noch während des Studiums einen Partner fürs Leben zu finden. +++ Man munkle weiter, nach dem
Neu am Institut
Als Experte für rechten Terror bei der
SZ begleiteten Sie den NSU-Prozess Tag
für Tag im Oberlandesgericht München.
Unzählige Male saßen Sie in einem Raum
mit der Angeklagten Beate Zschäpe. Sind
Sie dieser Frau auf irgendeine Weise näher
gekommen?
Das ist schwierig. Man glaubt, sich ein Bild gemacht
zu haben, verfolgt diese Frau wie ein Stalker. Und
trotzdem schafft man es überhaupt nicht, in die
Person hineinzuschauen. Ich kenne ihre Handschrift, Urlaubsfotos und das Haus, in dem sie
vor dem Untertauchen gelebt hat. Freunde fragten teilweise schon spaßhaft „Wie geht’s deiner
Beate?“, wenn ich vom NSU-Prozess zurückkam.
Ein ziemlich absurdes Verhältnis, schließlich haben wir noch nie ein Wort miteinander gewechselt. Unterm Strich ist Zschäpe eine schwierige
Person in einem noch viel schwierigeren Fall.
Viele ihrer Behauptungen erschienen mir wenig
glaubwürdig.
Fällt es Ihnen schwer, journalistische Objektivität zu wahren, wenn sie privat
eine klare Meinung zu den Themen haben,
über die berichtet wird – zum Beispiel im
NSU-Prozess?
Die absolute Objektivität kann und muss man nicht
wahren. In manchen Darstellungsformen kann man
subjektiver werden, da bringe ich meine Meinung
dann auch zum Ausdruck. Trotzdem ist es manchmal schwer, sich vom Thema nicht zu sehr emotional gefangen nehmen zu lassen. Die Arbeit
im NSU-Prozess ist sehr intensiv gewesen, beinhaltete sehr viele Recherchen, Lesen in Akten
und Archivmaterial. Es gibt viele Akteure, die in das
Geschehen verwickelt sind, Verschwörungstheorien, Konfrontationen mit Opfern – das nimmt einen
ziemlich mit.
Wussten Sie von Anfang an, dass Sie in den
Journalismus wollen?
Nein, das war gar nicht so klar, ich hatte die
Absage-Mail für die SZ schon vorformuliert. Und
nach längerem Hin und Her, ob ich das wirklich
mache – ich war ja damals ganz gut auf dem
akademischen Weg unterwegs – wollte ich dann
doch Journalist werden.
Sie haben auch mit dem Investigativ-Ressort zusammengearbeitet, über Geheimdienste und das Datenleck einer Schwei-
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zer Bank recherchiert. Muss Journalismus
manchmal unbequem sein, auch verbunden
mit dem Risiko, sich in den oberen Reihen
unbeliebt zu machen?
Es gehört dazu, dass ein guter Journalist eine
gewisse Courage mitbringt, den Mut, Dinge ans
Licht zu zerren, die viele Menschen lieber im
Verborgenen lassen würden. Aber ich will damit
trotzdem meine Kollegen und mich nicht zu
Helden stilisieren. Klar, auch wir bekommen mal
unbequeme Post, aber die Arbeitsbedingungen
in Deutschland – auch bei solchen Recherchen –
sind immer noch angenehm und sehr viel besser
als in anderen Ländern.
Sie sind oft umgezogen: Würden Sie sagen,
dass Flexibilität und Offenheit ein wichtiger Teil des Journalismus ist?
Ich bin immer gerne unterwegs gewesen. Sich international zu orientieren, rumzufahren, Neues zu
sehen und neue Menschen kennen zu lernen, das
gehört natürlich zur DNA eines Journalisten. Was
aber nicht heißt, dass es nicht auch gut sein kann,
sich über Jahre irgendwo festzubeißen und sich als
Lokaljournalist vor Ort auszukennen. Aber
jemand, der nicht über den Tellerrand hinausblicken kann, ist im Journalismus verkehrt.
Macht Ihnen aus beruflicher Sicht die momentane Lage für Medienschaffende in Polen und der Türkei Sorgen?
Ja, weil man sieht, wie schnell eine weltgeschichtlich heikle Situation entstehen kann, wenn man
sich vorstellt, wie mehrere Länder gleichzeitig
in eine unglückliche Richtung driften. Gerade die
Lage in der Türkei verfolge ich sehr intensiv, da
meine Frau türkischer Herkunft ist. Verrückt ist: Vor
ein paar Jahren habe ich noch gesagt, dass
Erdogan ja einiges Gutes im Land bewirkt, während mir meine Frau immer prophezeite, dass das
Ganze übel enden wird. Das wollte ich nie so
sehen, aber in dem Punkt muss ich ihr wohl Recht
geben. (schmunzelt)
Sind Sie ein Freund der „Simpsons“?
Es gibt ja so richtige Fans, die jede Folge und jedes Zitat kennen. Das bin ich nicht. Die Simpsons
kenne ich natürlich und einige Sequenzen sind auch
wirklich großartige Kunst. Da muss man echt schon
auf einem LSD-Trip sein, um sich sowas auszudenken.
Wir haben deshalb so direkt nachgefragt,
weil Simpsons-Figur Nelson Muntz mal zu
einem Print-Journalisten sagte: „Ha-ha,
your medium is dying!“. Wie viel Wahrheit steckt in der Aussage?
Fakt ist: Die Auflagenzahlen von gedruckten Tageszeitungen gehen seit Jahren unaufhaltsam zurück.
Das ist der eine Aspekt, der das Format Print
betrifft. Aber deswegen sterben ja nicht der
Ansatz und die Zeitungsinhalte. Was den Journalismus insgesamt betrifft, bin ich da eigentlich
überhaupt nicht in Untergangsstimmung. Ich sehe
an der Stelle sogar ziemlich viele neue Chancen.
Der Bedarf an gutem Journalismus ist nach wie vor
riesig.
Auf ihrem Twitter-Account drohten Sie
mal an: „Wenn nochmal irgendwo Wham
‚Last Christmas‘ dudelt, tanze ich dazu
Gangnam Style.“ Wenn nicht Wham, mit
welcher Musik entspannen Sie sich von anstrengenden Arbeitstagen?
Gangster Rap und Hip-Hop sind nicht so meins.
Ansonsten höre ich alles querbeet. Das letzte Album, das ich mir runtergeladen habe, war von der
finnischen Band „The 69 Eyes“. Das ist eine sehr
spezielle Hardrock-Gothic-Kombo. Eigentlich ist
es mir fast schon peinlich, aber ich habe auch
einen gewissen Hang zu sehr pompösem
Bombast-Rock. Ansonsten darf es als Kontrastprogramm dann gerne auch mal Mozart sein.
In Musikfragen können wir nur an Prof.
Quiring verweisen. Als E-Gitarrist und
langjähriges Bandmitglied kann er Ihnen
die musikalische Eingewöhnung am Institut bestimmt erleichtern.
Ohja, wir haben neulich schon über die gute
alte Band „Spliff“ geredet (deutsche Rockband
der Achtziger, Anm. der Redaktion). Da muss ich
ihm auch noch eine CD mitbringen, über die wir
gequatscht hatten.
Als langjähriger Redakteur müsste die
Antwort jetzt ohne langes Überlegen
kommen. Welche Überschrift würden Sie
ihrem Interview geben?
Nein, also die Arbeit müssen Sie sich schon selber
machen! Wo kämen wir denn da hin, wenn der
Interviewte in die Überschrift hineinreden würde?
Studium sänken diese Chancen rapide +++ Man munkelt, Richard Lemke möge es nicht, wenn das Fenster eines Seminarraums offen und
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Neu am Institut
Fischabfall-Folgen und ein
fehlender Bart
von Viola Granow
Seit diesem Sommersemester ist Benno Viererbl wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Unternehmenskommunikation des IfP. Unbekannt ist er am Institut jedoch nicht. Der kulinarisch versierte Wahl-Mainzer und
langjährige Hiwi der Unternehmenskommunikation freut
sich auf neue Aufgaben und Herausforderungen an seinem
neuen, alten ­Arbeitsplatz.
Herr Viererbl, Sie haben Ihren Master
schon in Mainz gemacht und sind jetzt für
den ersten Job hiergeblieben. Wieso?
Ich habe den Master Kommunikationswissenschaft
studiert – was ja erst mal mit Unternehmenskommunikation nicht so viel zu tun hat – und
bin dann über den Kollegen Adrian Meier an
einen Hiwi-Job bei Sabine Einwiller gekommen.
Danach bin ich für verschiedenste Aufgaben am
Lehrstuhl UK geblieben. So habe ich auch Sascha
Himmelreich kennengelernt: Leute haben in meinem Büro Fischabfälle gelagert, deswegen bin
ich zu ihm ins Büro umgezogen und dann einfach
sitzen geblieben. Tatsächlich so lange, bis ich jetzt
wissenschaftlicher Mitarbeiter wurde.
Was ist das Besondere an Ihrer Stelle am
IfP?
Es ist kein klassischer Bürojob und es gibt viel Abwechslung. Mal ist man in einer Lehrveranstaltung,
mal schreibt man an einem Paper. Es gibt unheimlich viele verschiedene Dinge zu tun und ich stehe
jeden Tag neuen Herausforderungen gegenüber.
Eine dieser Herausforderungen ist auf jeden Fall,
all das unter einen Hut zu bringen: Gute Lehre zu
machen und dabei die wissenschaftliche Karriere
nicht zu vernachlässigen. Gerade dann, wenn man
am Anfang seines Promotionsvorhabens steht,
1.000 Sachen zu tun hat und trotzdem Woche für
Woche dafür sorgen will, dass Studierende Spaß
an den Kursen haben und Abschlussarbeiten gut
betreut werden. Da ist gutes Zeitmanagement gefragt.
Und wie ist es so, auf der „anderen Seite“
zu sitzen?
Ein bisschen komisch ist es schon. Die größte Herausforderung ist tatsächlich, nicht mehr alle Leute
zu duzen, sondern zu siezen. Man baut da eine
gewisse Distanz auf. Aber auch daran gewöhne
ich mich. Allerdings sollte diese Distanz nicht zu
groß sein, denn das Verhältnis am Arbeitsbereich
UK – und am ganzen IfP – zwischen Mitarbeitern
und Studierenden ist ja sehr gut.
Haben Sie schon ein Lieblingsforschungsgebiet oder einen Schwerpunkt?
Durch die Hiwi-Stelle habe ich mich viel mit digitaler Kommunikation im Unternehmenskontext
befasst, zum Beispiel mit Krisenkommunikation
und Shitstorms. Im Rahmen meiner Masterarbeit
habe ich Kommunikationsstrategien auf Facebook
untersucht. Damit werde ich mich bestimmt auch
in Zukunft noch beschäftigen – aber ich bin auch
sehr froh, noch auf andere Themen aufspringen zu
können. Ich stehe ja ganz am Anfang der Karriere
und schaue mich noch etwas um.
Welche beruflichen Ziele haben Sie für die
nächsten Jahre?
Die größte Baustelle ist natürlich erstmal die Dissertation. Außerdem stehe ich vor der Aufgabe, die
Nachfolge von Sascha Himmelreich anzutreten,
was den UK-Konzepte-Kurs angeht. Darauf freue
ich mich sehr, bin mir aber auch im Klaren
darüber, dass es eine große Herausforderung ist
– vor allem, weil mir der Bart fehlt. Bis auf diesen
Punkt bin ich da aber sehr zuversichtlich.
Bild: Viola Granow
niert, abstimmt und mit Kräutern und so weiter
abschmeckt, um das perfekte Geschmackserlebnis zu basteln. Das ist etwas völlig anderes als
die Jumbo-Cocktails in diversen System-GastroBetrieben.
Was machen Sie, wenn Sie keine Cocktails
mixen und gerade mal nicht am IfP sind?
Ich versuche, regelmäßig Sport zu machen. Außerdem reise ich sehr gerne, vor allem an
Orte, an die man normalerweise nicht so schnell
kommt, wenn Geld und Zeit es erlauben. Ansonsten habe ich so die üblichen Langweilerhobbies wie Literatur und Musik. Ich sammle und
höre auch Schallplatten. Da spielt der NostalgieFaktor eine Rolle: Die Platte aus der Hülle nehmen, auf dem Teller platzieren und die Nadel
auflegen – das hat schon fast etwas Rituelles.
Ab und zu gehe ich auch mal in eine der gemütlichen Kneipen, von denen es in Mainz mehr als
genügend gibt.
Machen Sie in Ihrer Freizeit auch irgendwas mit Medien?
Ich bin großer Serien-Junkie, wenn es die Zeit erlaubt. Ich betreibe kein Binge-Watching, aber ich
habe bestimmt zehn Serien, bei denen ich versuche, auf dem Stand zu bleiben
Vielen Dank für das Gespräch,
Herr Viererbl.
Man munkelt, Sie hätten ein gewisses kulinarisches Interesse. Welches ist Ihr Spezialgebiet?
Ich koche sehr gerne verschiedenste Sachen.
Daraus hat sich entwickelt, dass ich auch gern
Cocktails mixe. Das ist letztlich genau wie
Kochen, weil man verschiedene Zutaten kombi-
nicht schließbar ist. +++ Man munkelt, auch andere Dozenten hätten so ihre Unstimmigkeiten mit den Räumlichkeiten des GFGs. +++ Man
Neu am Institut
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Methodenliebhaberin am Korb
von Christin Spira
Nora Denner, frischgebackene Uni-Absolventin, ist seit diesem Semester Dozentin im Master-Schwerpunkt Unternehmenskommunikation am IfP. Im Interview spricht sie über
ihre Mensa-Erfahrungen, die Mainzer Kneipenszene und ihren Lieblingssport.
Bild: Nora Denner
Frau Denner, im Rahmen Ihrer wissenschaftlichen Karriere haben Sie an Universitäten in Erfurt, Texas, München und Madrid studiert und gearbeitet. Was hat Sie
nun nach Mainz verschlagen?
Das hat sich mehr oder weniger so ergeben. Ich
konnte mir schon während meines Masterstudiums
gut vorstellen, in der Wissenschaft zu bleiben. Als
sich die Gelegenheit dann ergab, habe ich eigentlich auch nicht lange gezögert. Ich kannte Thomas
Koch ja schon aus meiner Zeit in München und
viele meiner Freunde hat es auch nach Mainz oder
Frankfurt verschlagen. Somit kannte ich die Stadt
und meinen zukünftigen Chef schon und wusste,
auf was ich mich einlasse.
Was gefällt Ihnen am Mainzer IfP besonders gut?
Die Kaffeemaschine von Herrn Koch (lacht). Nein,
im Ernst: Ich bin ja noch nicht so lange da, aber ich
finde, es herrscht eine große Kollegialität und ein
sehr netter Umgang. Ich habe mich sofort wohlgefühlt. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass ich mit dem
Fahrrad zum Institut fahren kann, das war in München oder Madrid nicht möglich. Ein Vergleich mit
anderen Universitäten ist schwierig, Mainz ist ja
meine erste Station nach dem Studium.
Was ist Ihr „Lieblingsforschungsgebiet“ im
Bereich der Kommunikationswissenschaften und warum?
Grundsätzlich mag ich alles gerne, was mit Empirie
beziehungsweise Methoden zu tun hat. Ich finde es
total spannend, wenn man Daten erheben und auswerten kann. Ansonsten finde ich die Persuasionsund generell die Wirkungsforschung spannend.
Was möchten Sie Ihren Studierenden mit
auf den Weg geben?
Ein bisschen Begeisterung für die Wissenschaft.
Aber ich glaube auch, dass bei Einigen ein bisschen untergeht, dass man die Zeit während des
Studiums genießen sollte. Auch durch das Bachelor- und Mastersystem möchten viele so schnell
wie möglich ihr Studium abschließen. Dabei vergessen sie aber, dass es auch andere Dinge gibt
als Hausarbeiten schreiben und Lernen. Das ist
alles super wichtig und spannend, aber man sollte
dabei nicht vergessen, dass es meistens andere
Dinge sind, an die man sich später erinnert und
die einem bei der Jobsuche helfen. Also ruhig mal
ins Ausland gehen, Praktika machen, sich ausprobieren.
Was vermissen Sie aus Ihrer Studienzeit
am meisten?
Die ist ja noch nicht so lange her, deswegen hält
sich das Vermissen in Grenzen. Aber was ich schon
vermisse ist, dass man flexibel ist. Man kann auch
mittags spontan etwas unternehmen. Im Studium
hatte ich immer Zeit, wenn plötzlich alle arbeiten müssen (vor allem man selbst) ist das etwas
schwieriger. Jetzt verschiebt sich das auf die
Abende und die Wochenenden.
Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade am
Institut sind?
Grundsätzlich bin ich ein sehr großer Kaffee-Fan
und probiere daher gerne neue Cafés aus. Ansonsten treibe ich viel Sport (für alle RandsportartLiebhaber: Korbball), verreise gerne und treffe
Freunde.
Haben Sie schon erste Erfahrungen mit der
berühmt berüchtigten Mainzer Kneipenkultur machen können?
Ohja. Ich war, bevor ich hergezogen bin, schon
öfter zu Besuch und konnte daher schon meine
Erfahrungen sammeln. Wir waren damals zum
Beispiel in Onkel Willys Pub, dem Red Cat und auf
dem Heimweg noch am Bahnhof Pommes essen.
Auch die Kneipen und Cafés in der Neustadt mag
ich ganz gerne. Toll finde ich, dass man sich einfach
ein Bier holen und sich an den Rhein setzen kann.
Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch drei
letzte kurze Fragen stellen:
1. Was wollten Sie als Kind immer werden?
Krankenschwester – wie meine Mutter.
2. Wo gibt es Ihrer Meinung nach das beste
Mensa-Essen?
Das Preis-Leistungs-Verhältnis in Erfurt war unschlagbar. Aber vielleicht ist das auch schon so
lange her, dass ich das Essen dort besser mache
als es tatsächlich war.
3.Weißwein oder Rotwein (oder sogar
Bier)?
Weißwein. Zu einem guten Bier sage ich aber auch
nicht nein.
Frau Denner, vielen Dank für das Interview.
munkelt, Erich Lamp halte sogar regelmäßig Veranstaltungen der offenen Tür. +++ Man munkelt aber auch, diese würden nicht so genutzt wie
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Neu am Institut
Ein Gourmet auf Reisen
Seit Anfang des Sommersemesters verstärkt Johanna Möller den
Arbeitsbereich für Medienmanagement am IfP. Ursprünglich
studierte sie Politikwissenschaften in Berlin, promovierte erst
vor Kurzem in Bremen und wird nun ab dem Wintersemester
auch ein Seminar leiten. Im Interview hat sie mit uns über ihre
persönlichen Hotspots in Mainz, ihren dreijährigen Sohn und
das berühmt-berüchtigte Mensa-Essen gesprochen.
Frau Möller, im Rahmen Ihrer wissenschaftlichen Karriere haben Sie bereits an
einigen Universitäten und Orten, wie etwa
in Berlin oder Krakau studiert und gelebt.
Was hat Sie nun nach Mainz gebracht?
Das Projekt, an dem ich arbeite, könnte man wohl
so sagen. Im Rahmen von „The management and
economics of cross-border media communication“,
an dem auch Prof. von Rimscha mitwirkt, hat es
mich nach Mainz gezogen. Er hat mich gefragt, ob
ich mit ihm zusammen arbeiten möchte, ich habe ja
gesagt und so sitze ich nun hier.
In Ihren bisherigen Arbeiten zeichnet sich
deutlich ein Forschungsschwerpunkt in Richtung politische Kommunikation unter den
Bedingungen kultureller Unterschiede ab
– ursprünglich kommen Sie ja auch aus der
Politikwissenschaft. Wie gefällt es Ihnen
nun in der Medienwirtschaft?
Dass ich jetzt im Medienmanagement gelandet bin,
wirkt auf den ersten Blick ungewöhnlich. Auf den
zweiten Blick passt es eigentlich ganz gut. In dem
Forschungsprojekt, in dem ich hauptsächlich arbeite,
untersuchen wir grenzüberschreitende Aktivitäten
von Medienunternehmen. Dazu befragen wir Medienmanager als Eliten, die diesen Prozess mit gestalten. Beides, grenz- und kulturüberschreitende
Kommunikation sowie Eliten und ihre Gestaltungspotenziale sind für mich wichtige Themen, die ich
auch weiter verfolgen möchte. Dass ich hier aus
der Medienmanagement-Perspektive neue Impulse
dazu bekomme und viel Neues lerne ist dabei eine
tolle neue Herausforderung.
Bevor Sie nach Mainz gekommen sind, haben Sie in Bremen promoviert und viel Zeit
in Forschungsprojekte investiert. Was ist in
Mainz anders? Und vermissen Sie etwas?
Bild: Greta Pässler
von Greta Pässler
Tatsächlich bin ich viel umgezogen! Ich bin sehr
gerne viel unterwegs und hatte auch immer Lust,
Neues kennenzulernen. Ein Umzug war da nie ein
Problem. Es kommt immer dieser eine Punkt, an
dem ich wieder etwas frischen Wind brauche. In
Bremen habe ich während meiner Promotion recht
lange gelebt und auch viel gearbeitet, sodass ich
das Gefühl habe, dass mir Mainz und die neue
Umgebung sehr gut tut, um auch mal wieder neue
Perspektiven zu entwickeln. Meine Studienzeit war
zuletzt aber schon gar nicht mehr so studentisch,
wie man sich das vorstellt. Das Studentenleben
vermisse ich also nicht so richtig (lacht).
Familie hat bei mir einen hohen Stellenwert. Gerade
mit meiner Familie verbringe ich natürlich ständig
„freie“ Zeit. Ansonsten koche ich gerne, vor allem
mit Kräutern und am liebsten im Ofen. Marinierte
oder gebackene Rote Bete mit Ziegenkäse oder Tarte mit grünem Spargel zum Beispiel. Außerdem bin
ich unglaublich gerne einfach in der Mainzer Umgebung unterwegs. Wiesbaden und den Taunus haben
wir schon erkundet, dabei haben wir damit aber ja
gerade erst angefangen. Und im Sommer machen
wir hoffentlich wieder eine lange Tour durch die
polnischen Karpaten. Unterwegs sein ist für mich so
eine Art natürlicher Modus.
Haben Sie denn schon einen Lieblingsspot in
Mainz? Eine Lieblingskneipe zum Beispiel?
So richtig viel „Erwachsenenprivatleben“ habe ich
gerade wegen unseres dreijährigen Sohnes gar
nicht. Mit ihm habe ich aber definitiv schon ein
paar Lieblingsplätze gefunden, wie zum Beispiel
den Wasserspielplatz im Volkspark – das ist unser Lieblingsplatz. Meiner ist dann eher das Oberstadt-Café „dicke lilli, gutes kind“ – die haben den
allerbesten Cheesecake mit Himbeeren, wirklich
köstlich! Außerdem bin ich liebend gerne einfach
draußen unterwegs und erkunde die Mainzer
Weinfeste und -berge. Und was auch wirklich gut
tut, ist das Mainzer Institut – meine Arbeitskollegen hier sind so aktiv und so ist hier immer ein
bisschen was los. Zumal ich mich am Bremer Institut sehr gut mit meinen Kollegen verstanden habe.
Dass ich dort ein paar wirklich tolle Kollegen zurückgelassen habe, hat mir das Gehen mit am schwersten gemacht. Da ist es schön zu merken, dass die
Publizisten hier in Mainz auch sehr nett sind.
Kommen wir zu Ihren dunklen Seiten – Haben
Sie auch ein Laster, eine Art Guilty Pleasure?
Gutes Essen gehört definitiv dazu, da kann ich
quasi nicht nein sagen. Genauso wenig bei einem
guten Wein und der ist in Mainz ja bekanntermaßen schnell zu finden. Außerdem verfolge ich regelmäßig die Nachrichten von Bild.de (lacht). Das
ist gewissermaßen eine emotionalere Art des
Nachrichtenlesens und das, was die Bild druckt,
bleibt ja häufig in den Köpfen der Leute. Das ist
so mein kleines Boulevard-Laster. Und ein letztes
Laster wäre wohl noch mein Sambuca-Konsum…
Was machen Sie denn in Ihrer Freizeit,
wenn Sie nicht gerade mit Ihrem Sohn am
Wasserspielplatz plantschen?
Mensa-Essen in Mainz oder in Berlin? Oder
Bremen? Oder gar Krakau?
Oh je (seufzt)! Ich habe gelernt, dass man in Mainz
eigentlich nie vorher aufs Menü schauen darf
wenn man überhaupt etwas essen möchte. Seit ich
das verstanden habe, gehe ich auch immer brav
hier essen. Wenn ich aber mal so richtig viel Zeit
zum Kochen habe, mache ich selbst gerne Burger –
mit Cheddar und gegrillter Paprika… Womit wir
wieder bei den Lastern wären.
Danke für das nette Gespräch, Frau Möller!
man sich das traditionell vorstellt. +++ Man munkelt, seine Lieblingstür fiepse nach ihm. +++ Man munkelt, dieses Verhältnis könne man
Publi-Party
10
Publiparty –
Snap it!
Impressionen
demnach nicht als Unstimmigkeit bezeichnen. +++ Man munkelt, da seien doch schon wieder Hormone im Spiel. +++ Man munkelt, Hormone
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Neue Medien
Bild: forthepeeple.com
Menschen bewerten, muss das wirklich sein?
von Jessica Hofacker & Chantal Berg
In den USA und Kanada hat sie schon für viel Kritik gesorgt. Nun will die App „Peeple“ mit ihrem
Menschen- Bewertungssystem auch nach Deutschland kommen. Doch es gibt da ein Problem. Wir
haben bei einer der beiden Gründerinnen nachgefragt, was sie zu ihrer eigenen App sagt.
Im Oktober letzten Jahres trat die Vorstellung einer neuen App in Nordamerika einen wahren Shitstorm los. Die Rede ist von der Personen-Bewertungs-App Peeple. Die Grundidee der Anwendung,
deren Claim „Character is Destiny“ lautet, ist es,
die Bewertung von Menschen anhand von drei unterschiedlichen Kategorien zu ermöglichen.
Anfangs konnte man Personen innerhalb der
Kategorien „personal“, „professional“ und „romantic“ mit bis zu fünf Sternen bewerten – wie
Produkte oder Restaurants. Ursprünglich sollten
Menschen, auch ohne selbst bei Peeple registriert
zu sein, anonym beurteilt werden können. Die
einzige Voraussetzung war, die Telefonnummer
der betreffenden Person zu kennen. Diese erhielt
dann eine SMS mit dem Hinweis, der App beitreten
zu können. Dieses doch sehr fragwürdige Konzept
traf nach seiner ersten Vorstellung auf sehr viel
Widerstand, weswegen die App-Macherinnen ihre
Idee noch einmal überarbeiteten.
Positive App für positive Menschen
Dabei hatten die Gründerinnen Julia Cordray und
Nicole McCullough eigentlich das Ziel verfolgt, eine
„positive App für positive Menschen“ zu kreieren.
Glaubt man Cordray und McCullough, dann liegt
der größte Vorteil der App darin, sich ein besseres
Bild von seinen Mitmenschen machen zu können.
Sei es vom Babysitter, dem Nachbarn, dem Arbeit-
geber, oder sogar dem nächsten Date – Peeple
soll, so die Gründerinnen, dabei helfen, bessere
Entscheidungen zu treffen. Und auch zur besseren
Selbstdarstellung könne die App beitragen.
Die von Beginn an vorherrschende Skepsis gegenüber der App wurde durch Cordrays unglückliche
Betitelung der App als „Yelp for People“ noch
verstärkt. Daraufhin wurden die Social-MediaPlattformen geradezu überrollt von einer Welle
der Empörung und Kritik. Manche sprachen nur
von einem hohen Mobbing- und Belästigungspotential der App, andere gingen noch weiter und
beschimpften die Gründerinnen direkt. Von noch
recht harmlosen Tweets wie „#peeple is what
happens when two popular mean girls from high
konservierten sich länger, wenn der Sommer auf sich warten lässt. +++ Man munkelt, Gregor Daschmanns Wetterfrosch habe das gemunkelt.
Neue Medien
12
Nutzer ebenso wie negative freischalten, letztere kann er aber innerhalb von 48 Stunden auch
löschen. Weitere neue Features sind das Blocken
und Melden von Usern sowie das Verbergen der
Kategorie „romantic“. Doch trotz allem hat Peeple
sein Mobbingpotential nicht verloren. Zunächst
einmal kann einmal veröffentlichter Inhalt nicht
mehr gelöscht werden, und dann sorgt auch noch
die seit April erhältliche „Truth License“ für weitere Brisanz – auch innerhalb der App. Sie kostet
circa einen Dollar im Monat und ermöglicht dem
Nutzer, der sie besitzt, alle jemals abgegebenen
Bewertungen einer Person zu sehen – egal ob
diese veröffentlicht wurden oder nicht. Laut Gründerin Cordray schöpft die App durch die „Truth
License“ erst jetzt ihr volles Potential aus: „We
are currently honouring the first half of the brand
promise and with the Truth License we can honour
the last half”, schreibt sie auf Nachfrage des Publizissimus.
„The right to be forgotten“
Screenshot: Peeple
school grow up & decide to make a slam book for
the entire world” bis hin zu Morddrohungen an die
Gründerinnen war alles dabei. Die App habe ihr
Ziel, Menschen positiv zu beeinflussen, komplett
verfehlt, urteilten die Social-Media-Nutzer. Die
Ironie hinter diesem Shitstorm ist jedoch gerade,
dass genau die Menschen, die eine „Mobbing-App“
fürchteten, nun die Gründerinnen öffentlich und
ungehemmt attackierten.
per Telefonnummer und Facebook, sondern auch
ein persönliches Passwort erforderlich. Außerdem
wurde die Fünf-Sterne-Bewertung abgeschafft und
durch die Option, die Person in den drei jeweiligen
Kategorien positiv, neutral oder negativ zu bewerten, ersetzt.
Nun sammelt man in der App Empfehlungen, die
am Ende als Zahl direkt neben dem Profilbild angezeigt werden. Positive Bewertungen muss der
Doch gerade dieses Feature könnte der App in
Deutschland Probleme bereiten: Durch die vollständige Ausschaltung der Datenschutzbestimmungen liegt nach deutschem Recht eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor. Laut Experten
überwiegt der Schutz der Persönlichkeitsrechte in
diesem Fall das öffentliche Interesse. Dies sähe
allerdings anders aus, wenn eine wirksame Einwilligung der bewerteten Person vorliegen würde.
Trotz aller Hürden hoffen die Gründerinnen, dass
die App im nächsten Jahr auch in Europa erhältlich ist. Dabei konzentrieren sie sich vor allem auf
das „Recht auf Vergessenwerden“, so Cordray.
Dieses „digitale Radiergummi“ soll dafür sorgen,
dass Informationen über eine Person nicht zeitlich
unbegrenzt online zur Verfügung stehen können.
Wirklich lebensnotwendig ist die App mit Sicherheit nicht. Aber Vorsicht! Denn schon bald könntet
Ihr Eure erste Bewertung auf Peeple finden. Hoffentlich ist es eine positive.
Überarbeitung des Konzepts
Die durchaus berechtigte Kritik an Peeple führte
dazu, dass Cordray und McCullough einige Änderungen an ihrem ursprünglichen Konzept vornahmen. In der neuen Version der App, die seit März
in den USA im App-Store erhältlich ist, finden vor
allem die Rechte der Nutzer größere Beachtung.
Zur Anmeldung ist jetzt nicht nur die Verifizierung
Screenshot: Twitter
+++ Man munkelt, Nick Jackob habe ein sehr großes Interesse an Fachzeitschriften. +++ Man munkelt, er wäre der Erste gewesen, der
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Bild: Jungesangebotvonardundzdf.de (Screenshot)
Neue Medien
Das Junge Angebot von ARD und ZDF:
Alles nur Botox oder wirklich jugendlich?
von Johannes Koch & Sarina Metzger
Am Anfang war Dunkelheit. Doch dann, plötzlich, ein Blog. Das erste Lebenszeichen des Jungen
Angebots von ARD und ZDF. Mit dem Projekt beschreiten die beiden Sender neues Terrain.
Über eine Startup-Laune zweier Elefanten der Medienbranche – und was man sich davon erhoffen kann.
„Das Junge Angebot von ARD und ZDF“ – ein sperriger Name für etwas, von dem die meisten vermutlich noch nicht viel gehört haben.
„Das klingt bisschen so, als müsste man ‚jung’ draufschreiben, damit man merkt, dass es jung ist [...]“
schreibt das Team des jungen Angebots selbst (bisher
abrufbar unter jungesangebotvonardund-zdf.de).
ARD und ZDF wollen also ein junges Angebot
schaffen? Doch was bedeutet „jung“? Wie soll das
Angebot aussehen? Bleibt dieser unkreative Name
bestehen? Viele Fragen, die unsere PublizissimusRedaktion beschäftigt haben. Um ihnen auf den
Grund zu gehen, haben wir Kontakt zum Kopf hinter
der ganzen Sache, Florian Hager, aufgenommen.
In einem Satz beschreibt Hager das Junge Angebot
wie folgt: „ARD und ZDF planen ein neues Medienangebot für Menschen zwischen 14 und 29 Jahren,
das seine Inhalte ausschließlich online verbreiten wird – also kein Radio und kein TV, sondern
‚online-only‘“.
Online-only, schön und gut. Doch wo genau online
sollen die Inhalte ausgespielt werden? Und was
wird den bedeutenden Unterschied zu den unzählbaren anderen Jugendportalen machen (Bento,
Ze.tt und Co.; der Publizissimus berichtete in der
letzten Ausgabe)?
Laut Hager wird das Junge Angebot eine eigene
Internetpräsenz haben, aber größtenteils darauf
setzen, seine Formate über Drittplattformen
sowie einer interaktiven App, mit der sich jeder
zur Nutzung von Fachzeitschriften ein Buch publiziert hätte. +++ Man munkelt, die Munkler seien keine Schnapsidee von Corinna Oschatz
Neue Medien
Nutzer direkt ins Programm einbringen kann, zu
verbreiten. Damit sind YouTube, Facebook und
Co. gemeint. Werden also ARD und ZDF zukünftig
YouTube-Stars?
In gewisser Weise ist das wohl gar nicht so weit
hergeholt. Für einige Formate werden sogar bekannte YouTuber ans öffentlich-rechtliche Bord
geholt. Zwei Welten, die da aufeinanderprallen.
Solche Kollaborationen resultieren nach Angaben
des Jungen Angebots aus der Orientierung an
14
zwingend auffallen, Priorität sei es stattdessen,
den Konsumenten zu informieren und zu unterhalten.
Bedenkt man, dass besonders der jüngere Teil der
Zielgruppe in Gefilden wie YouTube unterwegs ist,
wirkt die Werbefreiheit durchaus überzeugend.
Jugendliche werden in ihrem Verhalten und der Bildung ihres Charakters schließlich stärker von Werbung oder Produktplatzierungen beeinflusst als
Dreißigjährige. Fraglich bleibt bisher allerdings, ob
Man kann gespannt sein, was das Junge Angebot
schlussendlich mit sich bringen wird. Klar ist, dass
es, wie jedes Startup, seine Zeit brauchen wird,
um sich in unserer Medienlandschaft zu etablieren (oder eben nicht). Denn wie das Team selbst
in seinem Blog sagt, ist ein Startup „eine menschliche Unternehmung, die unter extrem unsicheren
Bedingungen neue Produkte oder Dienstleistungen
auf einen Markt bringt“.
Hagers eigene Erfahrungen, die er einige Jahre
bei der Entwicklung von Arte Creative sammeln
konnte, erscheinen in dieser Sache von Vorteil. Man
kann spüren, dass er viel daran setzen wird, ein
modernes Angebot mit seinem Team auf die Beine
zu stellen.
Bild: wikimedia.org
Wir wünschen dabei viel Erfolg und sind gespannt
auf ein interessantes Produkt, das uns hoffentlich
anspricht – schließlich sind auch wir Teil der Zielgruppe.
Am Anfang war das Testbild: Dann kam der Blog, das erste Lebenszeichen des Jungen Angebots von
ARD und ZDF.
Nutzungsgewohnheiten der Zielgruppe. Deswegen
also die Ausspielung auf Drittplattformen und die
Zusammenarbeit mit erfahrenen YouTubern oder
anderen „Web-Bekanntheiten“.
es dem Team gelingen wird, diese junge Zielgruppe
tatsächlich anzusprechen, oder ob es weiterhin
wirkt, als wollte ein Team Erwachsener ihr eigenes
Ich vor zehn Jahren ansprechen.
Nun stellt sich die Frage, ob das alles nicht nach einem aufgewärmten, zusammengeworfenen Resteessen klingt. Ist es wirklich nötig, dieses Angebot
auf die Beine zu stellen? Insbesondere, wenn man
bedenkt, dass dessen Mittel ab 2017 jährlich 45
Millionen Euro betragen werden. Denn auch das
Junge Angebot wird von der teils umstrittenen
Rundfunkgebühr gespeist. Positiv daran: Die Formate werden werbeunabhängig, und nicht nur auf
die schnellen Klicks ausgerichtet sein. Somit ist es
auch möglich, Themen aufzubereiten, die andere
Formate nicht bearbeiten können.
Auch wir selbst werden in die Zielgruppe verschiedener Formate fallen. Für uns Mainzer Publizisten
erscheint das Junge Angebot, welches sich selbst
als eine Art Startup versteht, aber auch aus einem
anderen Gesichtspunkt interessant. Denn der SWR
hat den Hut auf beim Jungen Angebot von ARD und
ZDF. Momentan in einem der Bonifatiustürme am
Mainzer Hauptbahnhof stationiert, sind wir also
ganz nah dran, am Geschehen und Entstehen eines neuen Projekts. Wer sich für die Mitarbeit in
einem ständig wachsenden Team (momentan etwa
20 Leute) interessiert, hat es nicht weit zu einem
Vorstellungsgespräch.
Diese Andersartigkeit solle dem Nutzer aber nicht
gewesen. +++ Man munkelt, das Gerücht halte sich dennoch hartnäckig. +++ Man munkelt deswegen, wessen Schnapsidee es dann gewesen
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Neue Medien
Auf der Suche nach der Sensation
von Nina Brückner
Bild: periscope.tv
Livestreams werden immer beliebter. Dabei werden Apps wie Periscope verwendet, um wichtige
Momente mit Leuten auf der ganzen Welt zu teilen.
Doch wie weit gehen wir, um sensationelle Aufnahmen zu bekommen?
Der Mann rennt, er atmet schwer. Es sind laut gerufene Befehle zu hören. „Man weiß nicht, was hier
los ist. Ich verfolge einfach die Menge. Ich stehe
direkt hinter den Polizisten mit gezogener Waffe.“
Er führt uns die Straße entlang, immer den Polizisten hinterher. Er wirkt nervös. Das Kamerabild
wackelt stark, viel zu erkennen gibt es nicht. „Ich
weiß nicht, ob das gefährlich ist“, bringt er hervor.
Trotzdem läuft er schutzlos mitten auf der Straße.
Er hält die Kamera weiter auf die Polizisten, hat
scheinbar keine Angst. Sollte jemand auf die
Polizisten zielen, wäre er im direkten Schussfeld.
rufen wird, weil sie sich als falsch erwiesen hat.
Soll so der neue Journalismus aussehen?
Jeder will der Erste sein
Der Medienkritiker Stefan Niggemeier spricht
auf seinem Blog von einem „Mittendrin-statt-nurdabei-Sein, (...) einem obszönen Nervenkitzel“.
Die Medien versuchen ständig dramatisches Bildmaterial aufzutreiben. Egal ob Bilder der Opfer
oder Privatvideos der Täter – alles ist von
Nutzen. Wir wollen nicht nur lesen was passiert,
wir wollen es gezeigt bekommen. Dass dabei
häufig ethische Grenzen überschritten werden,
spielt für viele keine Rolle. Das Videomaterial der
Pariser Anschläge war dementsprechend heiß
begehrt: Für Videos, auf denen Polizisten und
Schüsse zu sehen sind, bekamen Amateurfilmer
bis zu 500 Euro, für die Aufnahmen einer Überwachungskamera sollen 50.000 Euro verlangt worden
sein.
Was klingt wie aus einem Actionfilm, ist im
November letzten Jahres tatsächlich passiert.
Philipp Weber, Reporter beim „Stern“, filmte einen
Einsatz der französischen Polizei und streamte ihn
live über die App Periscope. Es ist knapp eine
Woche nach den Terroranschlägen von Paris. Er
befindet sich in Saint-Denis, einem Vorort von Paris, wo Polizisten gerade eine Straße räumen. Sie
sind auf der Suche nach Mitwirkenden an den
Anschlägen von Paris. Doch das weiß der Reporter, wie er offen zugibt, zu diesem Zeitpunkt noch
nicht. Weder der Reporter selbst noch der Zuschauer erfährt, was in dem Video überhaupt zu sehen
ist. Trotzdem will er der Erste sein, der die Aufnahmen veröffentlicht. Und mit dieser Ansicht steht er
nicht alleine da – mittlerweile gibt es zahlreiche
Live-Ticker und Livestreams, die die Nutzer sofort
informieren. Problematisch dabei ist, dass sich
diese Meldungen häufig nur auf eine (unseriöse)
Quelle beziehen. So kann es auch schon mal vorkommen, dass eine Eilmeldung wieder zurückge-
Bild: stern.de
Mit gezogener Waffe räumt ein Polizist die Straßen
von Saint-Denis.
Die Macht der bewegten Bilder
Philipp Weber ist nicht der Einzige, der die Polizisten
verfolgt. Man sieht weitere Menschen mit ihren
Smartphones das Geschehen filmen – alle wollen
der Welt zeigen, was gerade passiert. Doch damit
geben sie den Terroristen genau die Aufmerksamkeit, die sie erreichen wollen. Denn was
bringt ein Terroranschlag, von dem niemand
erfährt? Durch Livestream-Apps wie Periscope
wird das noch verstärkt. Es ist so leicht, das
Smartphone zu zücken und einen Livestream
zu erstellen. Hauptsache, möglichst viele Leute
sehen das Video. Vor allem dramatische Videos
erhalten besonders viel Aufmerksamkeit und
werden im Internet tausendfach geteilt.
Es wird immer nach der großen Sensation gesucht,
nach etwas Schockierendem. Doch gerade darin
besteht eine große Gefahr: Terroristen wissen
natürlich, wie schnell sich Neuigkeiten über
das Internet verbreiten und haben sich das
schon zunutze gemacht. Vielleicht werden sie
die Macht der bewegten Bilder schon bald noch
gezielter einsetzen. Es wird ihnen vermutlich
nicht reichen, dass Bilder und Videos von dem
Zustand nach der Katastrophe veröffentlicht
werden. Sie können noch einen Schritt weiter
gehen – vielleicht streamen sie demnächst
auch Terroranschläge?
Infobox: Periscope
Periscope wurde von Kayvon Beykpour und
Joe Bernstein gegründet und gehört seit März
2015 zum Kurznachrichtendienst Twitter. Die
Nutzer können kostenlose Livestreams erstellen und diese auf Wunsch speichern. Außerdem gibt es die Möglichkeit, andere Videos zu
kommentieren und zu liken. Die App kann mit
Twitter vernetzt werden und einen Tweet absetzen, wenn man einen Livestream sendet.
sein könnte. +++ Man munkelt, Schnaps habe es auf Publipartys schon immer genügend gegeben. +++ Man munkelt, das habe auch die
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Bild: facebook.de/merkurist.mainz
Neue Medien
Nur noch "Tiere, Tod und Titten"?
von Elisabeth Neuhaus
Verspätungen am Hauptbahnhof, die neue Szene-Kneipe in der Neustadt, Ärger über Schnaken
am Rheinufer: Das Mainzer Online-Magazin „Merkurist“ berichtet nur über Themen, die Leser
interessieren. Sagen die Macher. Doch was kommt dabei raus, wenn Journalisten die Selektionsarbeit aus der Hand geben?
Gonsenheim ist nicht gerade bekannt dafür, der
Geburtsort innovativer Geschäftsideen zu sein. An
der beschaulichen Hauptstraße gibt es einen kleinen Lebensmittelladen, ein paar Boutiquen, Versicherungsfilialen. Außerdem hat der Verlag der Allgemeinen Zeitung seinen Sitz in Gonsenheim. Das
war’s dann auch – könnte man meinen.
Tatsächlich aber wird im „Gründerzentrum“ an der
Ochsenwiese, nicht weit vom Ortskern, an etwas
Großem gearbeitet. 28 Leute wollen den Lokaljournalismus von hier aus in die Zukunft befördern.
Das Konzept der Nachrichtenseite „Merkurist“:
Die Leser werden in Themenfindung und Recherche
miteingebunden, mit ein paar Klicks entscheiden
sie mit darüber, worüber die Merkurist-Journalisten schreiben – und wie viel Geld sie bekommen.
Der Leser ist König. Oder sollte es zumindest sein.
Denn noch ist dieses Bild eine Idealvorstellung,
wie Merkurist-Mitgründer Manuel Conrad im Interview einräumt. Mit dem Publizissimus hat er
außerdem über die Friss-oder-Stirb-Mentalität
im Journalismus gesprochen und erklärt, welche
Technologie hinter seinem Online-Magazin steht.
Einigen Fragen hat sich Entwickler Matthias Kohl
gestellt.
Manuel, Du bist studierter Betriebswirt,
Dein Mitgründer Meik Schwind ist Informatiker. Wie kommt man da in den Lokaljournalismus?
Durch meine Eltern, beide ZDF-Journalisten, war
ich schon immer journalistisch geprägt. Was Sprache angeht, waren sie zum Beispiel sehr streng.
Aber ich bin kein begabter Schreiber, Zahlen waren
eher mein Ding, da bin ich in der BWL gelandet.
Geschäftsideen hatte ich schon immer viele. Auf
das Medienthema wurde ich dann durch die Pleite
der Financial Times Deutschland aufmerksam. Da
habe ich erkannt, dass viele Medien nicht wissen,
wie sie online Geld verdienen sollen – und von
da an jede freie Minute in ein funktionstüchtiges
Online-Journalismus-Konzept gesteckt.
Was haben Deine Eltern zu dieser Neuausrichtung gesagt?
Ich habe ihnen an Weihnachten von meiner Idee
erzählt. Und sie fanden es nicht wirklich toll: „So
ein Unsinn, wie soll das funktionieren?“ Die Diskussion führe ich übrigens heute noch. An meiner
Idee habe ich trotzdem festgehalten, in den sechs
Monaten danach Business-Pläne geschrieben und
Meik dazu geholt, der die Idee sofort spannend
fand.
diesjährige Publiparty bewiesen. +++ Man munkelt weiter, Publi-Pablo habe dort einen extragroßen Kurzen bekommen. +++ Man munkelt,
17
Neue Medien
„In Gonsenheim ist ein Sack Reis umgefallen“. Das
landet dann bei unseren Journalisten auf dem
Bildschirm und sie entscheiden, ob sie es übernehmen. Dazu muss ich sagen, dass wir nicht alles
durchwinken. Ein Thema muss lokal sein, frei von
Diskriminierung und Unsinn. Außerdem wird es
nur freigegeben, wenn es keine Werbung ist. Der
Sack Reis in Gonsenheim ist lokal, er ist umgefallen, es ist also etwas passiert. Und wenn es die
Leser interessiert, dann finden wir heraus, ob es
ein Sack mit Basmati- oder Langkorn-Reis war, der
da umgefallen ist. Das Beispiel ist natürlich überspitzt, verdeutlicht aber gut, wie wir hier ticken.
Bild: Merkurist.de/mainz (Screenshot)
Blick auf die Startseite von Merkurist Mainz.
Was genau verstehst Du also unter Social
Journalism?
Im klassischen Journalismus gibt es einen TopDown-Prozess, an dessen Ende der Leser ein Thema vor die Füße geworfen bekommt. Wir drehen
den Prozess auf den Kopf und beziehen den Leser
mit ein. Indem er Themen anregen kann, steht er
am Anfang eines Artikels. Er sitzt sozusagen mit
am Tisch unserer Redaktionskonferenz, kann Meinungen und Bilder zuliefern und Fragen stellen, die
der Journalist bei der Recherche berücksichtigen
kann.
Mit anderen Worten: Der Leser kann den
Stein ins Rollen bringen. Aber: Ist das
wirklich so? Tragen Eure Journalisten gar
nicht zur Themenfindung bei?
Doch. Wir sitzen nicht da, drehen Däumchen und
warten, bis der Leser etwas bringt. Das würden
wir uns wünschen, soweit ist es aber noch nicht.
Auch unsere Autoren stellen Themen ein. Wir
schauen dann, wie die Leute auf einen Vorschlag
reagieren. Wenn etwas nicht ankommt, setzen wir
keinen Journalisten darauf an. Generell sollte ein
Journalist meiner Meinung nach nicht für seine Leser entscheiden, was wichtig ist. Die GatekeeperFunktion empfinde ich an dieser Stelle als nicht so
relevant, wie sie häufig von klassischen Journalisten propagiert wird. Aus meiner Sicht beruht die
Existenz einer Gatekeeper-Funktion historisch auf
der Tatsache, dass es in Zeitungen einen begrenzten Raum gab und selektiert werden musste. Im
Internet gibt es dieses Problem nicht mehr.
Wenn der Journalist weiterhin als Autorität im Redaktionsprozess auftreten soll,
muss er dann aber nicht an irgendeiner
Stelle auch Gatekeeper sein?
Das ist er bei uns auch, aber an anderen Stellen.
Ein Beispiel: Ein Leser stellt folgendes Thema ein:
Was genau weiß Euer Algorithmus über
mich?
Wir haben eine Tracking-Technologie entwickelt,
mit der wir genau wissen, was der Leser bei uns
sieht und liest. Heißt: Wenn du auf unserer Seite
bist, weiß ich exakt, wie lange ein Artikel in deinem Sichtfeld ist. Das nutzen wir, um die Artikel-
Bild: Merkurist.de (Screenshot)
Es gab zu diesem Zeitpunkt ja schon längst
Plattformen, die den Leser in den Redaktionsprozess holen wollten. Würdest Du
sagen, dass das, was Ihr heute macht, Bürgerjournalismus ist?
Auf den Begriff reagiere ich allergisch. Denn
Bürgerjournalismus funktioniert meiner Meinung
nach nicht. Ich nenne unser Konzept lieber „Social Journalism“. Eine Interaktion findet hier zwar
statt, trotzdem bleibt der Journalist eine Autorität.
Und das ist der Unterschied zum Bürgerjournalismus. Bei uns kann der Leser eben nicht alles alleine entscheiden.
Da kommt es ja sicher auch mal vor, dass
Themen, die in der Allgemeinen Zeitung
(AZ) prominent platziert sind, etwa aus der
Politik, gar nicht bei Euch vorkommen…
Viele glauben, dass es nur noch Tiere, Tod und Titten gibt, wenn der Leser entscheidet. Ja, vielleicht
haben wir weniger Politik oder Kultur als eine
AZ, aber auch das findet bei uns statt. Das Schöne ist: Wir müssen nicht immer nur das machen,
was die Meisten interessiert. Mit unserer Technik
können wir sehr gut personalisieren. Wenn wir
zum Beispiel wissen, dass sich jemand für Kultur
interessiert, dann spielen wir der Person vor allem Kultur-Artikel aus. Jeder kann bei uns eine
andere Nachrichtenseite angezeigt bekommen,
ihre Zusammensetzung ist dynamisch. Da sitzt
kein Redakteur, der die Artikel in eine bestimmte
Reihenfolge bringt.
In den sogenannten „Snips“ (deutsch: „Schnipsel“) entscheiden die Leser, zu welchen Themen sie gerne
Artikel lesen würden.
auf der Publiparty im Qkaff sei es heiß her gegangen. +++ Man munkelt, es sei deswegen schweißtreibend gewesen. +++Man munkelt,
Neue Medien
Relevanz zu bestimmen. Wir schauen uns zum Beispiel an, wie vielen Leuten ein Artikel angezeigt
wurde. Wenn ein Text von 50 Leuten gesehen und
von 50 Leuten geklickt wurde, ein zweiter 100.000
Leuten angezeigt aber nur 50.000 Mal geklickt
wurde, ist die View-Klick-Rate des ersten Textes
besser. Dann erkennt unser Algorithmus, dass das
ein heißes Thema ist und schickt den Artikel auf
der Seite automatisch nach oben.
Auf Eurer Seite prangt neben jedem Artikel
und jedem „Snip“ (deutsch: „Themenschnipsel“), den Ihr Euren Lesern vorschlagt, der
O-ha-Wert. Was genau hat es damit auf
sich?
Matthias: Die bereits erwähnte View-Klick-Rate
spielt beim O-ha-Wert eine Rolle, genauso wie die
Anordnung in unseren Top-News. Der O-ha-Faktor
ist zum Beispiel höher, wenn ein Thema nach einem
Tag eine gute Klickrate hat, als wenn er dieselbe
Rate nach drei Tagen erreicht. Damit stellen wir
sicher, dass akut relevante Themen schneller 100
Prozent erreichen. Wir wollen möglichst schnell
heiße Themen identifizieren. Der O-ha-Wert hilft
uns dabei – und zeigt auch an, wann ein Thema
heiß genug ist, um darüber zu schreiben.
Ab welchem „Schwellenwert“ berichtet Ihr denn
über ein Thema?
Letztendlich hat unsere Redaktion Freiräume zu
entscheiden, wann Sie mit der Recherche zu einem
Thema oder der Suche nach einem geeigneten Autor
Bild: Merkurist.de
Welche Parameter fließen da noch mit ein?
Entwickler Matthias Kohl: Wenn die Leser
dem zugestimmt haben, sind für die Personalisierung auch GPS-Daten relevant. Generell gilt: Klick
ist bei uns nicht gleich Klick. Wir betrachten jedes
Mal, wenn etwas gelesen wird, wie erfolgreich die
Interaktion war und messen zum Beispiel, wie viel
Prozent eines Artikels gelesen wurden. Danach gewichten wir die Klicks. So ein Klick ist wertvoller,
wenn er bei einem Artikel erzielt wurde, den sich
der Leser bis zu Ende durchgelesen hat.
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Merkurist-Mitgründer Manuel Conrad: „Meine Eltern fanden die Idee nicht wirklich toll.“
Ich habe gelesen, dass auch die Bezahlung Eurer Autoren teilweise variabel ist. Hängt das
auch mit den Lese-Erkenntnissen aus dieser
Technologie zusammen?
Manuel: Ja, wenn unsere freien Autoren Artikel
schreiben, die von vielen Leuten zu Ende gelesen
werden, bekommen sie dafür auch mehr Geld. Zu
der pauschalen Vergütung kommt also noch ein erfolgsabhängiges Plus.
suchen wir, auch auf Basis des O-ha-Werts, zu prognostizieren, wie erfolgreich wir mit einem Artikel
sein können. Das ist wie in der Produktionsplanung, wo du ein Auto produzierst, weil du es später
verkaufen willst. So ähnlich machen wir es mit unseren Snips: Einen bestimmten Erfolgswert brauchen wir, um unseren Autor bezahlen zu können,
einen entsprechend höheren, um selbst Gewinn
zu machen. Bislang können wir grob hochrechnen,
ob es sich lohnt, einen Journalisten auf ein Thema anzusetzen. Ziel ist es, mit unserer Technik
irgendwann so weit zu sein, dass ein Snip gar nicht
mehr nötig ist. Dann würden wir den Algorithmus
nur noch mit einem Stichwort füttern und er würde
sagen, ob ein Artikel dazu erfolgreich sein wird.
Das klingt ziemlich futuristisch – und nach
großen Plänen. Aber mal weg von der Zukunft: Ihr seid im Sommer 2015 gestartet.
Was würdest Du sagen, habt Ihr seitdem
erreicht?
Wir sind hier in Mainz innerhalb eines Jahres zum
zweitwichtigsten Medium aufgestiegen. Wir werden immer relevanter für die Menschen, was auch
dazu führt, dass wir häufiger kritisiert werden.
Nicht jedem passt es, wie wir berichten und warum
wir über manche Themen berichten.
Für den Journalisten ist das aber ja eigentlich ein gutes Zeichen...
Genau. Wir haben aber auch noch viel vor uns. Wir
sind beispielsweise noch nicht profitabel. Leser zu
gewinnen und zu begeistern ist die eine Sache, das
gelingt uns schon ziemlich gut. Die andere Sache
ist es, zahlende Kunden zu gewinnen. Das ist der
schwierigere Teil der Gleichung und das braucht
eben auch ein bisschen Zeit. So ein neuartiges
Modell musst du den Leuten erstmal erkläre, sie
umarmen dich nicht auf Anhieb. Da müssen wir
also noch viel Vertrauen aufbauen.
Manuel, vielen Dank für das Gespräch.
anfängt. Bei Blaulicht-Meldungen kann das schon
sehr schnell gehen, auch wenn ein Thema noch lange
nicht bei 100 Prozent ist. Verbindliche Regel ist aber
für unsere Redaktion: Wenn ein Thema bei 100%,
dann müssen wir es journalistisch aufarbeiten.
Und dann?
Auf Basis des Leserverhaltens wissen wir, wie gut
ein Themenvorschlag funktioniert. Von da an ver-
Corinna Oschatz bekomme auf der Publiparty schon mal einen Extra-Cocktail gemischt. +++ Man munkelt, Christina Köhler gefalle das gar
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Neue Medien
Die hohe Kunst der
Müslimatie
von Lina Wattad
Bilder: Blog graceful heart (links); Blog Kaminzimmer (rechts)
Links: How to Instagram. Rechts: How not to Instagram.
Kunstvoll angerichtete Müslischalen, Beerensmoothies, entschlackende Tees und „Feel-Good-Rezepte“ füllen zunehmend die Instagram-Newsfeeds – zusammen mit Work-Out-Fotos und „GymSelfies“. Ein gesundes Leben zu führen liegt zweifelsohne im Trend.
Eine Schüssel ist mit leuchtend rosa-violetter
Farbe ausgefüllt: einem Mix aus Blaubeeren
und Himbeeren mit einem Schuss weißem Naturjoghurt. Säureausgleich, aber vor allem Farbausgleich scheinen hier wichtig zu sein. In der
Mitte, ordentlich aufgeschüttet, eine feine Linie
aus Chia-Samen und Super-Food-Glückseligkeit.
Daneben grob geraspelte, milchig-weiße Kokosnussscheiben. Gewollte Unordnung prägt die Mitte der Müslischale. Rechts von der getrockneten
Südfrucht liegen drei halbe Kiwi-Scheiben. Leuchtend grün mit schwarzen Kernen. Ein schöner Kontrast zum rosa-violetten Hintergrund. Stichwort:
Komplementärfarben. Noch ein wenig Mandelmilch hinzu. Schon hat das Müslikunstwerk alles,
was das Instagram-Herz begehrt. Nun muss nur
noch der garantiert entschlackende Detox-Tee
neben der Schale drapiert werden und die Spiegelreflexkamera in Vogelperspektive über dem Frühstück schweben, schon kann abgedrückt werden.
Fertig ist der Schnappschuss der morgendlich
gesunden Mahlzeit. Und der Schritt in Richtung
Instagram-Fitnessmodel ist getan.
Die Jagd nach virtuellem Applaus
Mit jedem Scroll durch den aktuellen Newsfeed
scheint Instagram gesünder, fitter, veganer zu
werden. „Food-Inspiration“, „Healthy Lifestyle“
und Fitnessblogs stellen einen Großteil der Accounts und der verwendeten Hashtags bei Instagram dar. „Healthies“ anstelle von „Selfies“ lautet
die Devise, um es mit den Worten der Modezeitschrift „Vogue“ auszudrücken. Aber auch Selfies
kommen keineswegs zu kurz. Work-Out-Videos,
Spiegel-Selfies im Fitnessstudio und persönliche
Anleitungen für das perfekte Auspowern zieren
neben Müslischalen und Salaten die Bildoberfläche von Instagram. Virtuellen Applaus gibt es in
Form von Likes – und virtuellen Applaus regnet
es bei vor Fitness und Gesundheit strotzenden
Bildern besonders häufig. Nicht umsonst folgen
dem deutschen Instagram- und Fitnessmodel
Pamela Reif über zwei Millionen Fans. Nur vier
Deutsche zählen mehr Fans bei Instagram. Fitness
und ein vermeintlich gesunder Lebensstil lassen
sich gut verkaufen. Doch woher rührt dieses
Phänomen?
„Fit und Fitnessmodel kann jeder“
Der Fitnesstrend bei Instagram macht es uns
leicht, den Wunsch, sich stets bestmöglich darzustellen, bis zu einem gewissen Grad zu erfüllen.
Ein Müsli schön herrichten, den Salat mit besonders leuchtenden Farben schmücken und die
Muskeln für ein Foto anspannen – das sind Herausforderungen, die machbar erscheinen. Das führt
dazu, dass mehr und mehr Instagram-Nutzer auf
den Fitnesszug aufsteigen und Fitnessbloggern
folgen – wahrscheinlich in der Hoffnung, es
ihnen gleichtun zu können.
Chia-Samen finden neue Käufer und werden schön
angerichtet, um nach dem Workout ihren Platz auf
der eigenen Instagramseite zu finden. Sportartikel
werden angeschafft und Make-up aufgetragen.
Alles für das nächste Shooting, Verzeihung, die
nächste Sporteinheit und Mahlzeit. Der Fitnesswahn nimmt seinen Lauf.
Gefahren und Risiken
All das ist keineswegs verwerflich. Ein gesunder Lebensstil ist lobens- und wünschenswert.
Schwierig wird es jedoch, wenn Fitness zur Obsession
wird und die Grenzen zwischen Motivation und
Obsession verschwimmen. Insbesondere junge
Mädchen lassen sich stark von den vermeintlich perfekten Körpern der Fitnessbloggerinnen
sowie dem allgegenwärtigen „Healthy Lifestyle“
beeinflussen und unter Druck setzen. Dabei
vergessen sie häufig, dass ihre Fitnessidole und
Lifestyle-Götter ebenfalls nur Menschen sind und
dem Wunsch folgen, sich bestmöglich zu darstellen zu wollen.
Die morgendliche Müslikunst ist also häufig keine
Selbstverständlichkeit, kein lässiger Schnappschuss, wie so häufig suggeriert. Tatsächlich
steckt hinter dem vermeintlich beiläufig geknipsten Foto viel Arbeit. Es ist eine bewusst zusammengestellte Komposition. Und sollte damit nicht
zum Nonplusultra werden. Liebe InstagramNutzer, gönnt Euch morgens ruhig mal wieder ein
Nutellabrot. Gerne auch ohne Beweisfoto.
nicht. +++ Man munkelt weiterhin, dass sie sich darüber beim Personal beschwert habe. +++ Man munkelt, Thomas Koch hege eine deutli-
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Bild: © poorlydrawlines.com
Meinung
Keine falsche Bescheidenheit
von Greta Pässler
In Zeiten von Facebook, Instagram und Co. betreibt
(fast) jeder User PR in eigener Sache. Aber wen
interessiert’s eigentlich?
#bescheidenheit. Ein Hashtag, wie er so vermutlich
nie existieren würde. Warum? Weil er einen Widerspruch in sich darstellt. „Zurückhaltung“, „Unaufdringlichkeit“ und „Bedürfnislosigkeit“ sind Begriffe,
die sich in der Ergebnisliste der Duden-Suche für „Bescheidenheit“ aneinanderreihen – und die allesamt
eine tugendhafte Verhaltensweise umschreiben: die
Neigung, sich im Hintergrund zu halten.
„Im Berufsleben gilt Bescheidenheit heute schnell
als Ausweis eines Mangels an Engagement, Selbstbewusstsein und Durchsetzungsfähigkeit“, weiß der
renommierte Buchautor und Journalist Alexander
Schimmelbusch, der zum Thema selbst schon ein Plädoyer für die Reihe „Die neuen Tugenden“ schrieb.
gekauft hat? Bilder des letzten Urlaubs teilt man
gerne, diese schaut man sich schließlich auch auf
den Timelines (oder gar privat!) von Freunden und
Freundesfreunden gerne an – schöne Bilder sprechen für die schöne Zeit, die jemand verbracht hat,
so viel leuchtet ein! Fraglich dennoch, ob hunderte
von Freunden es tatsächlich auch so interessant finden, was man allabendlich isst. Oder wie langweilig
einem beim Friseur, in der Uni, im Fitnessstudio, in
der Bahn – im eigenen alltäglichen und realen Leben
war. Um das auszuhalten, erfordert es schon einiges
an allgemeiner Empathie!
Das Leben auf der Schokoladenseite
Die Antworten auf diese Fragwürdigkeiten liegen
geradezu auf der Hand. Der Zurückhaltung im Wege
steht jedoch die unterschwellige Botschaft, die die
strukturelle Ähnlichkeit von Twitter, Facebook und
Co. mit Boulevardmedien nicht jedem, aber doch so
manchem User suggeriert: Dein Alltag fesselt die
Menschen. Ein Quäntchen zeitgemäße Bescheidenheit beim fortwährenden Verfassen von PR in eigener
Sache könnte für den gemeinen Selbstdarsteller/die
gemeine Selbstdarstellerin bereits darin bestehen,
sich an simplen journalistischen Kriterien zu orientieren. Allem voran am Erscheinungsrhythmus: Fünf
Posts oder Tweeds am Tag – da muss man schon ein
ausgesprochen aufregendes Leben führen.
Sachlichkeit und Objektivität rücken, wie in der PR für
eine Sache, gleichwohl auch in der Darstellung seiner
selbst gerne schon einmal in den Hintergrund. Alexander Schimmelbusch erklärt diesen Effekt wie folgt:
„Was es der Bescheidenheit […] schwer macht, ist
der Selbstverlust, der mit umfassender Selbstdarstellung einhergeht.“ Das pausenlose Tippen, Posten
und Kommentieren im Zuge der eigenen Öffentlichkeitsarbeit kann dazu führen, dass deren Autor sich
selbst irgendwann nur noch von außen betrachtet
In der Kommunikation ist diese Sache mit der Bescheidenheit vor allem zu einer Frage des Stils geworden: Die Facebook-Chronik, der eigene Feed auf
Instagram und auch das Twitter-Profil ergeben ein
persönliches Portfolio, das jeder über sich selbst verfasst und verbreitet, um über Details seines Alltags
zu berichten – Öffentlichkeitsarbeit für die eigene
Person. Dass Bescheidenheit in den sozialen Netzwerken also eher selten anzutreffen ist, wundert
kaum. Denn wenn man sich schon in die mediale
Öffentlichkeit begibt, so will man sich doch von einer
möglichst vorteilhaften Seite zeigen.
Das Mit wem, Wann und Wo man war, welches Kleid
und welche neuen Schuhe man dabei getragen hat
– all solche Informationen erinnern stark an die Berichterstattung über den Alltag Prominenter, folgen
den Mustern klassischer Boulevardmedien. Sachliche
Selbsteinschätzung und Neutralität sind da zu viel
verlangt.
Dabei drängen sich doch die Fragen auf: Ist es
essenziell, zu verbildlichen, welche Schuhe man sich
Dein Alltag fesselt die Menschen
und sich die eigene Identität aus einer verzerrten
Wirklichkeit zusammenbastelt.
Dem Smartphone sei Dank
Einen wesentlichen Beitrag hierzu liefert auch die
sich zuverlässig eingeschlichene Gewohnheit, alle
Zwischenphasen im Alltag, wie etwa Wartezeiten
oder Zugfahrten, die früher zum Nachdenken da
waren, nun – dem Smartphone sei Dank – ebenfalls
dem Kommentieren, Liken und Shoppen zu widmen.
„Bloß keine Selbstreflexion“, schreit die innere Angst
vor Langeweile. Folge des fehlenden Abstands zum
eigenen PR-Material kann dann sein, dass alle Bescheidenheit in diesem Kontext zum Teil einer Inszenierung wird – zur falschen Bescheidenheit.
Darüber hinaus geht die Selbstdarstellung nur dann
noch, wenn sie den gnadenlosen Wettbewerb um
Aufmerksamkeit mit vermeintlicher Bescheidenheit
zu bestreiten versucht – und diese somit im Grunde
der Lächerlichkeit preisgibt. „Humblebragging“ (zu
Deutsch: „Bescheidenheitsprahlen“) ist der treffende
Begriff, der sich mittlerweile aus dem Englischen etabliert hat und die wohl subtilste Form der Angeberei
beschreibt: Andere wissen lassen, wie herrlich schön
das eigene Leben ist, indem man jeden Beweis dessen maßlos untergräbt – und so viel Understatement
muss dann schon mal mit dem zugehörigen Hashtag
#humblebrag gekennzeichnet werden. Nicht, dass
noch jemand auf den Gedanken kommt, es handle
sich beim alltäglichen Posten tatsächlich um Prahlerei.
Etwas Gutes lässt sich diesem Bescheidenheits-Hashtag ja abgewinnen: Über alle #humblebrag-Blogger,
-Poster und -Prahler lässt sich wenigstens sagen,
dass sie um ihre falsche Bescheidenheit wissen. Sicherlich ein Anfang vornehmer Zurückhaltung .
che Abneigung gegen Merci-Schokolade. +++ Man munkelt, dies liege daran, dass er Merci-Schokolade schon zu häufig packungsweise einem
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Kritik
Studierende an der JGU - Das fünfte Rad am Wagen?
von Johannes Beckert & Sarina Metzger
Studierende gehören zu einer Universität, wie eine verschleimte Nase zu einem Schnupfen. Ohne
sie würde es irgendwie nicht richtig laufen. Was so offensichtlich klingt, wurde an der Uni Mainz
in den vergangenen Monaten immer wieder in Zweifel gezogen. Die kurzzeitige Schließung des
Bücherturms und der ersatzlose Wegfall des Wohnheims Inter I sind nur zwei Beispiele dafür.
Welchen Stellenwert haben Studierende also tatsächlich an einer Universität? Der Publizissimus
geht auf die Suche nach Antworten.
Nach der kurzzeitigen Schließung prangt nun ein
einfaches Baugerüst am Bücherturm der Zentralbibliothek. Es soll im Notfall als Feuertreppe dienen.
als drei Personen auf einmal zugänglich sein darf,
dann muss ich handeln“. Dass dadurch schlechte
Presse entsteht, ist für den Präsidenten dabei
zweitrangig, zumal die Schließung unmittelbar
vor dem Festakt zum 70-jährigen Bestehen der
Universität stattfand. „Das war die Presse, die wir
eigentlich nicht wollten, aber es hilft nichts.“
Als Leiter der Universität hat Krausch zwar in allen
Gebäuden der Universität Hausrecht, dennoch ist
er in den meisten Bauten nur Mieter der Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB). Die
landeseigene Immobiliengesellschaft ist für Neubauten und Sanierungen vieler öffentlicher Einrichtungen verantwortlich. Die Universität müsse
folglich für die Gelder werben und stehe dabei in
Konkurrenz zur Sanierung von anderen wichtigen
Einrichtungen wie Polizeistationen oder Krankenhäusern, wie Krausch hervorhebt.
The Party is over!
Anders sieht die Sache beim Wohnheim Inter I aus
(der Publizissimus berichtete, Ausgabe 02/2015).
Hier wird auf das Studierendenwerk als verantwort-
liche Instanz verwiesen. Die Entscheidungen über
bauliche Maßnahmen liegen hier also nicht in der
Macht der Universitätsverwaltung. Der Präsident
bedauert den Wegfall des Inter I zwar dahingehend, dass es dadurch weniger studentisches Wohnen auf dem Campus gebe. Er betont jedoch auch,
dass bereits vor der Schließung Ersatzwohnheime
am Kisselberg und am Binger Schlag fertiggestellt
wurden. Diese seien zwar teurer, was am höheren
Wohnstandard liege. Dies wäre allerdings auch bei
einer Sanierung des Inter I als Wohnheim der Fall
gewesen.
Verantwortlich ist das Studierendenwerk nicht nur
für das studentische Wohnen, sondern auch für das
Studihaus neben der Zentralmensa. Eine böse Überraschung erlebten hier in diesem Frühjahr vor allem
Bild: Sarina Metzger
Am 11. Februar 2016 macht sich Empörung breit
unter den Studierenden der Uni Mainz. Hintergrund
ist eine Mitteilung der Universitätsbibliothek, die
sich gezwungen sah, „den Bücherturm (Freihandbereich, Lehrbuchsammlung) auf Anweisung der
Hochschulleitung unverzüglich zu sperren“. Mitten
in der Hausarbeiten- und Klausurenphase. Der
Grund: mangelnder Brandschutz. Der Flughafen
Berlin-Brandenburg lässt grüßen. Die Nachricht
verbreitet sich schnell über alle Kanäle, auch die
Allgemeine Zeitung berichtet. Nach wenigen Tagen
ist das Gebäude wieder zugänglich, jedoch für maximal drei Personen gleichzeitig. Kurz darauf wird
ein klapprig anmutendes Gerüst angebracht, das
offensichtlich alle brandschutzrechtlichen Bedenken ausräumt, der Bücherturm ist wieder vollumfänglich nutzbar.
Das Gebäude der Zentralbibliothek ist marode, ein
Zustand, der sicher nicht erst seit der kurzfristigen
Schließung des Bücherturms bekannt ist. Das lässt
zumindest ein Image-Video der Universität aus
dem Jahr 2012 vermuten, das in einer Animation
geplante Bauvorhaben bis 2020 zeigt. Darin ist
auch von einem Neubau der Zentralbibliothek die
Rede, dort wo heute noch die leerstehenden Reste
der Alten Chemie stehen. Baubeginn? Fehlanzeige!
Der Notwendigkeit eines Neubaus ist sich auch
Universitätspräsident Prof. Dr. Georg Krausch
bewusst: „Die Zentralbibliothek ist kein Sanierungsfall.“ Allein schon aus logistischen Gründen
sei eine Sanierung ausgeschlossen, wolle man
vermeiden, dass eine ganze Bachelor-Kohorte ihre
Bücher etwa in einer Lagerhalle weit außerhalb
abholen müsse, so Krausch. Die vorübergehende
Schließung des Bücherturms rechtfertigt er mit der
Sicherheit aller, die sich auf dem Campus aufhalten: „Wenn mir mitgeteilt wird, dass der Bücherturm nach Aussage der Feuerwehr für nicht mehr
Bild: Johannes Beckert
Der Fall Zentralbibliothek
Ehemaliges Wohnheim Inter I: Studentisches Wohnen ist hier nicht mehr erwünscht.
Fachschaften und Hochschulgruppen (darunter auch
der Fachschaftsrat Publizistik), die diese Einrichtung
bisher für Uni-Partys nutzten. Statt Buchungsanfragen wie üblich zu bestätigen, verwies das
Studierendenwerk auf die Stilllegung des Saals.
„Hier bestehen einige Baumängel, woraus resultiert,
dass der Saal saniert und renoviert werden
müsste“, wie es in einer E-Mail heißt. Gleichzeitig
Zug verspeist hätte. +++ Man munkelt, ihm sei davon sehr oft sehr schlecht geworden. +++ Man munkelt, er lasse die Studierenden, die
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Bild: Johannes Beckert
wurde dabei auf die immensen Kosten verwiesen,
die damit verbunden seien und völlig offen gehalten
„ob oder wann der Saal wieder vermietbar ist“.
Bis auf Weiteres geschlossen: Wo bis zum vergangenen Semester die Publi-Party stattfand ist nun
aus Sicherheitsgründen der Zutritt verboten. Ein
offizieller Hinweis darauf findet sich am Eingang
nicht.
Dass sich das Studihaus in keinem einwandfreien
Zustand befindet, dürfte jedem aufgefallen sein,
der dort in den vergangenen Semestern eine Party
besucht hat (Man munkelt, die Frauen mancher Dozenten hätten sich dabei unfreiwillig in der Toilette
eingeschlossen). Ein frühzeitiger Hinweis auf anstehende Sanierungsarbeiten, geschweige denn
eine offizielle Mitteilung über die Stilllegung des
Saals von Seiten des Studierendenwerks blieben
jedoch aus. Selbst Präsident Krausch zeigt sich bezüglich der Schließung überrascht. All das verwundert schon sehr, bedenkt man, dass der Verwaltungsrat als entscheidende Instanz des Studierendenwerks
etwa zur Hälfte aus Studierenden besteht.
Offenbar fehlt an dieser Stelle dennoch das Bewusstsein für die zentrale Bedeutung dieser
Einrichtung. Alternativen für Uni-Partys auf dem
Campus gibt es nur bedingt. Die Kapazitäten des
QKaff sind begrenzt. Universitätsgebäude sind in
der Regel gar nicht, in Einzelfällen (zum Beispiel
die Muschel) nur beschränkt und unter hohen
Auflagen für solche Zwecke nutzbar. Eine Anfrage
des Publizissimus zur Stellungnahme blieb vom
Studierendenwerk bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.
Verwendung des Uni-Logos – darf ich oder
darf ich nicht?
In den vergangenen Semestern mehrten sich in Universitätsverwaltung hinter die Studierenden.
Gruppenarbeiten die Diskussionen über die Verwen- Nichtsdestotrotz liegt das ein oder andere noch
dung des Uni-Logos auf Deckblättern von Seminar- im Argen. Angefangen von einem scheinbaren
und Abschlussarbeiten oder in Präsentationen: Darf Kommunikationsproblem zwischen dem Verwalman es nun verwenden oder ist es doch verboten? tungsapparat und den Studierenden. Gerade bei
Die Ursache für diese Verwirrung ist eine vom Sachverhalten, die das studentische Leben unUniversitätspräsidenten erlassene Richtlinie zur mittelbar betreffen ist es unerlässlich, Zustände
Verwendung des Universitätslogos vom September nicht nur zu kommunizieren, sondern auch über
2015. Laut einer entsprechenden Mitteilung sei die die Hintergründe aufzuklären und gegebenenfalls
Nutzung „lediglich Mitarbeiterinnen und Mitarbei- Notwendigkeiten zu verdeutlichen. Insbesondere
tern in ihrer Funktion als Teil der JGU gestattet“. das Studierendenwerk ist hierbei in seinen VorgeDaraus lassen sich zwei eklatante Folgen ablei- hensweisen zu kritisieren und zu hinterfragen. Ein
ten. Erstens scheint die Verwendung des Logos für
Studierende vollständig ausgeschlossen zu werden,
sowohl in der Kommunikation nach außen als auch
intern für die Ausgestaltung von Präsentationen und
Hausarbeiten. Zweitens vermittelt diese Formulierung den Eindruck, als seien Studierende in ihrer
Funktion gar nicht erst als Teil der Universität zu
betrachten. Präsident Krausch weist solche Vorwürfe jedoch zurück. Durch ein Versehen sei eine
nicht endgültige Version der Richtlinie veröffentlicht worden. Der Universität sei es sehr wichtig,
die Corporate Identity zu fördern. Deshalb dürften Universitätspräsident Prof. Dr. Georg Krausch:
auch Studierende im Rahmen ihrer Funktion an der Auch Studenten in ihrer Funktion an der UniversiUniversität, beispielsweise bei Abschlussarbeiten tät sind zur Verwendung des Uni-Logos berechtigt.
oder Präsentationen von Forschungsarbeiten das
Logo verwenden. Nachdem die Richtlinie schon Gremium, das zu einem großen Teil aus Studierenkurz nach ihrer Veröffentlichung für Unmut gesorgt den besteht, sollte auch in deren Sinne handeln.
hatte, sei sie aktuell in Überarbeitung. Hört man Zumindest sollte es den Willen besitzen, darüber
sich am IfP um, hat dies allerdings noch nicht die aufzuklären, wie vorherrschende Zustände entRunde gemacht.
standen sind und sich in Zukunft weiterentwickeln.
Denn auch wenn die Lehre an Universitäten groß
Das fünfte Rad am Wagen?
geschrieben wird, sollten sie nicht als reine Ausbildungsstätten betrachtet werden, die im Akkord
Aus einer optimistischen Perspektive lässt sich junge Leute mit einem Abschluss ausstatten und
abschließend feststellen, dass wir als Studierende auf den Arbeitsmarkt werfen. Universitäten sind
der JGU in gewissem Maße Jammern auf hohem auch eine Stätte der Begegnung, der Gemeinschaft,
Niveau betreiben, wenn wir uns über suboptimale der Interaktion und Integration. All das zu verwirkZustände in den angesprochenen Bereichen be- lichen erfordert ein Zugehörigkeitsgefühl aller, die
schweren. Zumal den über 30.000 Studierenden Teil der Universität sind. Dazu gehören Verwaltung
zahlreiche hochschulpolitische und aktivistische und Lehrkörper. Dazu gehören aber auch und in
Möglichkeiten offenstehen, für ihr Recht und ganz besonderem Maße wir Studierende.
Wohlergehen einzutreten. „Davon würden wir uns
eigentlich mehr wünschen“, findet auch der Universitätspräsident. Vermeintliche Missstände sind
zudem offensichtlich nicht immer das, was sie zu
sein scheinen. Gerade wenn es um den Neubau
und die Sanierung von Gebäuden auf dem Campus
geht, sind die Zuständigkeiten und Interessenslagen komplex. Ein Schuldiger kann nicht so leicht
ausgemacht werden und im Zweifel stellt sich die
Bild: © Thomas Hartmann, JGU
Kritik
seine Abneigung gegen Merci-Schokolade nicht teilten, durch die PR-Klausur rasseln. +++ Man munkelt, in Benno Viererbls Büro rieche es jetzt
23
Auf der Noten-Rutsche
von Elisabeth Neuhaus
Bild: Creative Commons (bestimmte Rechte vorbehalten:
l-i-n-k)
Titel
„Publizisten bekommen ihre guten Noten hinterhergeworfen.“ Ist das nur ein böser Spruch oder
steckt mehr dahinter? Ich habe mir die Notenübersichten des Fachbereichs 02 angesehen – und
festgestellt, dass die Publizistik-Studis gar nicht mal die besten Noten haben. Eine Spurensuche
im Bewertungsdschungel.
Ich stehe im Prüfungsamt des FB 02, als ich eine
seltsame Entdeckung mache. Gerade bin ich dabei,
die Unterlagen für meine Master-Bewerbung zusammenzustellen. Meinen Bachelor habe ich noch
nicht in der Tasche, ich muss also eine vorläufige
Notenübersicht einreichen. Die habe ich nun in der
Hand – und schaue auf eine Tabelle im unteren
Teil des Deckblattes. Erste Zeile: Publizistik, mein
Hauptfach. 12,95 Prozent. So viele Prüfungsleistungen werden hier mit einer 1,0 bewertet. In American Studies, meinem Beifach, sind es nur vier Prozent. Ich spreche mit Kommilitonen darüber: „Naja,
ihr Publizisten habt halt einen hohen NC. In Eurem Fach gibt es nur Streber.“ Ist das wirklich so?
Ein Jahr später stolpere ich auf der Webseite der
Uni über eine Notenübersicht aller Fächer. „ECTSEinstufungstabellen“ heißen die Grafiken, die
zeigen, wie viel Prozent der Prüfungsleistungen
in den einzelnen Studiengängen mit welcher Note
bewertet wurden. Betrachtet wird dabei der Zeitraum seit dem Wintersemester 2009/10, wobei die
Bewertungen der Abschlussprüfungen nicht in die
Statistik einfließen.
Noten-Ranking: Wer ist auf Platz eins?
Meine Entdeckung im Prüfungsamt und mein subjektiver Eindruck („Wie, du hast nur eine 1,7 in
der Hausarbeit? Woran lag’s?“) lassen mich davon
ausgehen, dass die Publizisten zumindest in der
ersten Noten-Liga unseres Fachbereichs mitspielen, wenn nicht gar Spitzenreiter in Sachen Notengebung sind. Meine Einschätzung ist aber nur halbrichtig: Tatsächlich gleichen die Notenverteilungen
in Politikwissenschaft und Soziologie eher einer
Normalverteilung. In beiden Fächern werden die
meisten Prüfungsleistungen mit einer soliden 2,3
bewertet. Doch: In Psychologie und Erziehungswissenschaft ist die 1,0 die mit Abstand am häufigsten
vergebene Note. Hier bekommen fast ein Viertel
aller Prüfungsleistungen eine 1,0, wobei die Erziehungswissenschaftler knapp über den Psychologen liegen. Am IfP ist die 1,3 der häufigste Wert.
Der Graph im ETCS-Diagramm gleicht dabei jeweils
einer Rutsche: Links ist er am höchsten, hier stehen die mit „sehr gut“ bewerteten Leistungen. Je
schlechter die Note, desto seltener wurde eine Prüfung damit bewertet, rechts geht es also steil nach
unten. Zwar ist diese Entwicklung in der Publizistik
nicht ganz so eindeutig, doch der Trend ist da.
„Kein Geheimnis, dass Hausarbeiten bessere Noten bringen“
Ich spreche mit einer Mitarbeiterin des Referats
Studien- und Prüfungswesen über das Thema. Sie
sagt mir, es sei „kein Geheimnis“, dass Studierende in Fächern, in denen viele Hausarbeiten
geschrieben würden, grundsätzlich bessere Noten kriegen als Studierende, die viele Klausuren
schreiben müssen. Wer sich schon die Mühe mache
und eine Hausarbeit schreibe, tue das nicht mit
dem Vorsatz, gerade so zu bestehen, das bestätigt auch Fachbereichsdekan Gregor Daschmann
im Gespräch mit dem Publizissimus. Die Referatsmitarbeiterin sagt mir auch, es sei bekannt, dass
es in Fächern mit einem hohen NC bessere Noten
gäbe, und sich in Fächern mit niedrigem oder
keinem NC die schlechten Noten häuften.
Wendet man diese Argumentation nun auf die
beschriebenen Fächer unseres Fachbereichs an,
ergibt das zumindest für Publizistik und Psychologie Sinn. Wer eines dieser Fächer studieren
möchte, muss traditionell einen guten bis sehr
guten Abi-Schnitt haben (wobei in letzter Zeit
mehr Studierende in Publizistik angenommen
werden). In der Erziehungswissenschaft sieht das
anders aus: Zumindest in Mainz ist das Fach zwar
nicht zulassungsfrei, aber auch nicht besonders
„hoch“ beschränkt – und doch steht hier auf über
75 Prozent der Prüfungsleistungen die Note 2,0
und besser. Ein geradezu berauschender Wert.
In der Publizistik sind es etwas über 65 Prozent.
Andere Fächer, andere Sitten
Warum ist das so? Ich will auch bei den Pädagogen
nachhaken – und spreche dazu mit Professorin
Dr. Heide von Felden. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte ist „Lebenslanges Lernen“. In unserem
Gespräch räumt sie ein, dass sie sich das mit den
weniger nach Fisch. +++ Man munkelt, ihm gefalle das ganz gut so. +++ Man munkelt, das könne an dem Duft eines ausreichenden Vorra-
Titel
24
ist das Thema „Notengebung“ aber bereits Gesprächsstoff am IfP. Denn einige wissenschaftliche
Mitarbeiter bedienen sich bei der Bewertung von
Studien- und Prüfungsleistungen nur eines kleinen Teils des Notenspektrums, während andere
Dozenten dieses voll ausschöpfen – und auch mal
strengere Noten vergeben. Dieser Eindruck besteht scheinbar nicht nur bei vielen Studierenden,
sondern zum Teil auch bei den Dozenten selbst.
„Das Wissen, das wir vermitteln wollen,
lässt sich nicht mit Klausuren abprüfen“
Meine Fragen sind damit noch nicht endgültig beantwortet. Über sie spreche ich mit Prof. Dr. Gregor
Daschmann, Dekan des Fachbereichs 02. Ich will
wissen, ob Prüfungen überhaupt noch als Qualitätskontrollen innerhalb unseres Studiums zu
verstehen sind, wenn die meisten Studierenden
sowieso gute Noten bekommen; was die Gründe
für die teilweise deutlichen Unterschiede in der
FB-02-Notengebung sind – und, natürlich, wie es
um uns Publizisten steht.
Herr Daschmann, in meiner Bachelorarbeit
hatte ich eine 1,3. Im Publizistikstudium
ist das laut Einstufungstabelle die am häufigsten vergebene Note . Muss ich mir nun
Sorgen um meine Karriere machen? Ist mein
Abschluss dadurch weniger wert?
Nein, überhaupt nicht. Die Notenstruktur, die Sie
da mitgeteilt bekommen, ist nur ein empirisches
Faktum, keine normative Größe.
guten Noten in ihrem Fach auch nicht so recht
erklären kann. Die unterschiedlichen Notenstrukturen begründet sie mit verschiedenen Fachkulturen: „Wie Studierende mir sagen, wird in der Soziologie viel strenger beurteilt, die Studierenden
bekommen da überwiegend schlechtere Noten.“
Außerdem sieht sie ein gutes Betreuungsverhältnis in der Erziehungswissenschaft als ausschlaggebend für die dortige Notenstruktur: „Durch das
enge Betreuungsverhältnis ist es höchst unwahrscheinlich, dass dann trotzdem noch jemand eine
4,0 bekommt.“ Doch es sei auch nicht so, dass die
Lehrenden in der Erziehungswissenschaft nicht
das gesamte Notenspektrum ausschöpfen würden.
Überhaupt, so von Felden, sei davon auszugehen,
dass andere Universitäten viel großzügiger bewerten. Das merke man in Mainz daran, dass nur
wenige der eigenen Bachelor-Studierenden für
die zulassungsbeschränkten Master-Studiengänge
des Instituts zugelassen würden. Häufig kämen
Bachelor-Absolventen aus Frankfurt oder Trier rein.
Ein Indiz dafür, dass in der Mainzer Erziehungswissenschaft eben nicht so gut bewertet wird wie an
anderen Hochschulen? Für Trier lässt sich das nicht
so einfach nachprüfen. Von der dortigen Pressestelle heißt es, entsprechende Daten stünden
noch nicht zur Verfügung, das System befinde
sich derzeit im Aufbau. Von der Frankfurter Uni
gab es bis heute (Stand: 5. Juli 2016) keine Antwort.
Ob die Notenstruktur in der Publizistik über die
einzelnen Institute hinweg vergleichbar ist, lässt
sich ebenso schwer überprüfen. So liegen etwa
der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und
Kommunikationswissenschaft (DGPuK) nach eigenen Angaben keine derartigen Daten vor.
Internen Informationen des Publizissimus zufolge
In Englisch, meinem damaligen Beifach,
sind Einser für Prüfungsleistungen laut
Einstufungstabelle aber deutlich seltener…
Der Vergleich zwischen einzelnen Fächern ist zwar
empirisch interessant, wichtiger für Sie ist aber
der Vergleich innerhalb eines Fachs über verschiedene Universitäten hinweg. Denn in unterschiedlichen Fächern gibt es zum Teil völlig unterschiedliche Kulturen, mit Noten umzugehen. Das hängt
auch mit den Fächerzugängen zusammen. Das gravierendste Beispiel im Unterschied zu uns ist wahrscheinlich Jura: Hier wird zu Beginn breit zugelassen, danach hart ausgesiebt. In unserem Fach ist es
genau andersherum: Kommunikationswissenschaft
ist fast überall extrem hart zulassungsbeschränkt.
Heißt: Nur wenige bekommen einen Studienplatz,
und die, die ihn bekommen, wissen ihn zu schätzen
und hängen sich entsprechend rein.
tes an Merci-Schokolade in seiner obersten Schreibtischschublade liegen. +++ Man munkelt, Thomas Koch wisse das noch nicht. +++ Man
25
Titel
Sie haben gesagt, dass Noten eigentlich nur
innerhalb eines Fachs vergleichbar sind: Wie
sieht es in Publizistik aus?
Innerhalb des Fachs bewegt sich die Notengebung
auf einem gemeinsamen Level. Das muss auch so
sein, denn wenn die Messlatte künstlich höhergelegt
wird, dann verbauen Sie Ihrem wissenschaftlichen
Nachwuchs die Chancen. Es geht dabei um Doktorandenstellen – aber auch um Master-Zulassungen:
Wenn wegen eines harten Bewertungsanspruches
keiner ihrer eigenen Bachelor-Studierenden einen
Master-Platz bekommt, schießen sie sich damit
selbst ins Knie.
Nun ist der Numerus Clausus (NC) in Publizistik im Laufe der letzten Semester vom
Einser- in den Zweier-Bereich gerutscht.
Führt das dazu, dass die Studierenden ihren
Platz weniger schätzen – und sich dadurch
vielleicht weniger „reinhängen“?
Da fehlen die Vergleichsmöglichkeiten. Ich glaube,
es wäre völlig falsch, so etwas aufgrund von alltäglichen Beobachtungen zu konstatieren. Das müsste
man erheben. Der relativ hohe NC ist ja Mitte der
Siebzigerjahre eingezogen, hielt lange an, und lockert jetzt gerade langsam auf. Das liegt vor allem
an der wachsenden Institutsgröße.
Klar ist: Der NC misst Dimensionen, die einem bestimmten Schülertypus entgegenkommen: Fleiß,
Leistungs- und Kooperationsbereitschaft. Wenn
Schüler rebellieren, unbequem sind und sich permanent mit den Lehrern anlegen, schlägt sich das
auch in den Noten nieder. Wir wissen, dass uns da
teilweise interessante Persönlichkeiten durch die
Lappen gehen. Aber ob uns der traditionell hohe NC
nun schadet oder genutzt hat, kann ich nicht sicher
sagen. Ich würde nie so weit gehen und sagen, dass
wir über unseren NC die falschen Leute kriegen.
Im Gegenteil: Wir sind schon immer sehr glücklich
mit unseren Studierenden gewesen. Aber ich wür-
Bild: Gregor Daschmann
Das Notenniveau der IfP-Studierenden
hängt also auch direkt mit den Vorleistungen aus der Schule zusammen?
Ja, der Standard ist hier überdurchschnittlich hoch.
Die Grundgesamtheit, die benotet wird, ist eben
kein Querschnitt durch die Studentenpopulation. Wir
haben es am IfP mit Studierenden zu tun, die besonders engagiert sind, weil sie ein Fach studieren
konnten, dass sie auch studieren wollten. Deswegen
ist es nicht überraschend, dass die Leute hier im
Schnitt sehr gute Leistungen abliefern.
Eigentlich hätte ich dieses Fach nie studieren dürfen“: Gregor Daschmann zu Studentenzeiten beim Publi
Kick (hintere Reihe, Mitte). Außerdem auf dem Bild: Hans Mathias Kepplinger (3. von rechts unten) und
Hans-Bernd Brosius (ganz rechts, kniend).
de gleichzeitig auch die Behauptung zurückweisen,
dass Studierende, die ein schlechteres Abitur haben,
deswegen schlechter seien.
Interessant finde ich die Unterschiede in der
Notengebung der Fächer am FB02. Die Graphen in Soziologie und Politikwissenschaft
sind zum Beispiel eher normalverteilt.
Sollte die Notenstruktur innerhalb der Sozialwissenschaften nicht zumindest ähnlich
sein?
Nein, in Publizistik werden sehr viele Hausarbeiten
geschrieben. Bei uns gibt es im Bachelor mittlerweile nur noch die Statistik-Klausur . Das Wissen,
das wir vermitteln wollen, lässt sich mit Klausuren
nicht wirklich abprüfen. Andere Fächer sehen das
anders – auch, weil sie den harten NC nicht haben. Bei uns ist der Flaschenhals vor dem Studium,
deshalb versuchen wir, möglichst viele, die dieses
Studium beginnen, erfolgreich zum Examen zu führen. Wo vorne kein Flaschenhals ist, folgt die Qualitätskontrolle während des Studiums. Grundsätzlich
kann man sagen, dass in Fächern mit geringerer
Abbruchquote weniger ausgesiebt wird. Sie können
sich sicher sein, dass auch in anderen Fächern gilt:
Für vergleichbare Fächer werden in verschiedenen
Städten vergleichbare Noten vergeben. Da haben
die Kollegen einen Blick drauf.
schaftlichen Notengebung drin. Mit Blick auf die Notenstruktur in den Bildungswissenschaften kann ich
nur sagen, dass man dem Institut nicht vorwerfen
kann, zu schnell und fahrlässig gute Noten zu vergeben. Im pädagogischen Teil der Lehramtsausbildung
gibt es nämlich deutlich härtere Noten. Das muss
man also in der Gesamtheit sehen.
Wie zufrieden waren Sie während des Studiums eigentlich mit Ihren Noten?
Während des Grundstudiums dachte ich: Das probierst du erstmal. Da habe ich mir alles angeschaut
und brav meine Scheine gemacht. Ich war allerdings
nur ein durchschnittlicher Studierender. Im Hauptstudium hat es mich dann gepackt, plötzlich habe ich
nur noch Einsen gemacht. Wahrscheinlich, weil ich
mir endlich die Rosinen unter den Seminaren heraussuchen konnte.
Aber ich muss mich ja outen: Damals wurde die Wartezeit mit der Abiturnote verrechnet und Leute mit
einem Wohnsitz in Mainz wurden bevorzugt zugelassen. Weil ich 18 Monate Zivildienst abgelegt hatte
und sowieso aus Mainz kam, hat das meinen Schnitt
um insgesamt 0,7 verbessert. In der ersten Vorlesungswoche bin ich dann mit einem errechneten NC
von 2,0 nachgerückt. Eigentlich hätte ich dieses Fach
also nie studieren dürfen.
Bei Psychologie und Publizistik, Soziologie
und Politikwissenschaft verstehe ich diese
Logik. Im 1,0-Vergabe-Ranking des FB02
sind die Erziehungswissenschaftler allerdings auf Platz eins – und das, obwohl hier
vor dem Studium kein „Flaschenhals“ angesetzt wird…
Ich bin nicht in den Tiefen der erziehungswissen-
munkelt, Nick Jackob sähe einen statistischen Rhythmus in dem 0:0 der Deutschen gegen die Polen bei der diesjährigen EM. +++ Man munkelt
Inside IfP
26
Bild: Johannes Beckert
Alles neu?
von Johannes Beckert
Sich doppelnde Inhalte, mangelnde Flexibilität bei Praktika, unlogischer Studienverlauf: Die Liste
studentischer Kritik am aktuellen Bachelorstudiengang Publizistik ist lang und inhaltlich nicht
unerheblich. Für Studienanfänger ab dem Wintersemester 2016/17 wird sich diese Mängelliste
verkürzen: Dann startet am IfP der reformierte BA Publizistik. Der Publizissimus klärt über die
Hintergründe und die konkreten Veränderungen auf, auch für aktuelle Studierende.
„Qualitätssiegel“ für Studiengänge
Noch nie gab es an deutschen Universitäten so
viele Studierende und Studieninteressierte wie
heute. Zugegeben, nicht jedes Fach ist so nachgefragt wie etwa Publizistik in Mainz. Aber dort, wo
die Nachfrage hoch ist, steigt auch die Erwartung
an einen qualitativ hochwertigen Studiengang. Um
das zu gewährleisten, gibt es für Studiengänge an
deutschen Universitäten eine Art Qualitätssiegel.
Dieses Siegel wird durch einen Akkreditierungsund anschließend regelmäßig stattfinden-den
Reakkreditierungsprozess vergeben. In der Regel
übernehmen diese Prüfungen externe Akkreditierungsagenturen. Die Uni Mainz hat dagegen mit
dem Zentrum für Qualitätssicherung (ZQ) die Möglichkeit, Akkreditierungsverfahren intern durchzuführen.
Der (Re-)Akkreditierungsprozess bedeutet einen
enormen bürokratischen Aufwand, bietet aber
gleichzeitig Chancen für die Institute. Indem sie
ihre Studiengänge einem ausführlichen Qualitätsmonitoring unterziehen, können Fehler und Mängel erkannt und im Zuge der Reakkreditierung
reformiert werden. So wie nun am IfP mit dem BA
Publizistik geschehen.
Reform ja - aber nicht ohne studentische
Mitsprache
Dass so eine Reform nicht ohne die Hilfe der Studierenden erfolgreich umsetzbar ist, weiß auch
Ilka Jakobs: „Viele Aspekte hätten wir ohne das
Feedback der Studierenden so gar nicht auf dem
Schirm gehabt“. Als Leiterin des Studienbüros
Publizistik ist sie maßgeblich für die Umsetzung
des neuen BA verantwortlich. „Wir haben zum Beispiel die Anregung aufgenommen, das Praktikum
und die Zusatzqualifikationen zu überarbeiten,
das Curriculum auf sich wiederholende Inhalte
zu überprüfen und werden in Zukunft versuchen,
Vorlesungen und Seminare inhaltlich besser aufeinander abzustimmen.“ Das macht sich auch im
neuen Studienplan bemerkbar. So wurden Veranstaltungen mit inhaltlichen Dopplungen gestrichen
und durch neue Kurse ersetzt.
Einen Wermutstropfen müssen Studienanfänger
ab dem Wintersemester allerdings hinnehmen. Im
reformierten BA Publizistik wird es in den meisten
Vorlesungen wieder Prüfungen geben. Ilka Jakobs
verteidigt diesen Schritt: „Wir haben uns dazu
entschieden, weil wir über längere Zeit hinweg
beobachtet haben, dass den Studierenden mehr
und mehr wichtiges Basiswissen fehlt, auf denen
alle anderen Veranstaltungen aufbauen“. Mit unbenoteten Studienleistungen soll diesem Zustand
entgegengewirkt werden. Gleichzeitig würde dadurch sichergestellt, dass sich der Lernaufwand in
Grenzen halte und mit dem Besuch der Vorlesungen eigentlich schon abgedeckt sei.
Sinnvoller Aufbau, mehr Klausuren
Was „alte Hasen“ beachten müssen
Die ersten beiden Semester widmen sich von nun
an den fachlichen und methodischen Grundlagen der Publizistik. Damit werde laut Jakobs für
Beginner sowohl im Winter als auch im Sommer
ein sinnvoller Einstieg ermöglicht. Zudem wird
sichergestellt, dass jeder mit Statistik und SPSS
vertraut ist, bevor ab dem dritten Semester in den
Seminaren auch empirisch gearbeitet wird. Die
Metho-denkurse Befragung, Inhaltsanalyse und
Experiment, bisher eigenständig angeboten, sind
in Zukunft an thematische Schwerpunkte geknüpft.
Diese neu geschaffenen Hauptseminare umfassen
vier Semesterwochenstunden und ermöglichen die
Anwendung der Methoden in einem für sie typischen Forschungsfeld.
Für die derzeitigen Studierenden im Bachelor Publizistik bleibt jedoch alles beim Alten. Lediglich
Fachwechsler (zum Beispiel vom Bei- ins Kernfach
Publizistik) müssen auch komplett in den neuen
Studiengang wechseln. Wer Kurse nachholen muss
oder geschoben hat, dem rät Jakobs, nicht in Panik
zu verfallen: „Es wird für jeden die Möglichkeit geben, Ersatz-Kurse zu belegen, um das Stu-dium in
Regelstudienzeit abzuschließen“.
Auf dem Papier verspricht die Reform zahlreiche
Verbesserungen, die dem Studiengang Publizistik
zu neuer Qualität verhelfen sollen. Ob die Änderungen bei den Studierenden greifen, werden die
nächsten Semester zeigen.
auch, er munkle, das 2. Spiel bei einer EM oder WM sei immer unentschieden oder verloren ausgegangen. +++ Man munkelt, Oli Quiring habe
27
Haha
Dinge, die du nur kennst, wenn
du am IfP studierst
von Tobias Tornow
Bild: Tobias Tornow
Listicles werden immer gut geklickt: Bei Nummer 9 musste ich meinen
Journalistenausweis zurückgeben.
Es ist längst kein Geheimnis mehr: Wer am Institut
für Publizistik in Mainz studiert, gehört zur kommunikationswissenschaftlichen Elite des Landes.
Nun ja, oder hält sich zumindest dafür. Was aber
macht das Studieren, Arbeiten und Leben am IfP
wirklich aus? Die #Haha-Redaktion des Publizissimus informiert: Diese Dinge kennst du nur, wenn
du am IfP in Mainz studierst!
Dieses Gefühl, wenn du
bei einer Hausarbeit nur
eine 1,3 bekommst
Ein Hund im Büro? EIN
HUND IM BÜROOOO?
Hallo!!!
Wenn du doch mal außerhalb der
Sprechstunde von Frau Dunkel etwas
Wichtiges brauchst, aber psssssst, nicht
den anderen Studierenden sagen!
Die „Garderobe“ an
der Publiparty
Diese wichtige
Bekanntmachung
die EM nicht gerade mit Enthusiasmus verfolgt. +++ Man munkelt, er habe damit rückblickend richtig gelegen. +++ Man munkelt, das letzte
Haha
28
Dieses Gefühl, mit deinen
Dozenten fünf Stunden auf
einem Boot gefangen zu sein
Dieser Tag im Jahr, an dem
es umsonst Glühwein und
Waffeln gibt
Dieser Moment, in dem
dir deine Profs Shots
verkaufen
Und dieser verdammt gute und
frisch gemixte
Cocktail aufff
drer Pulisartyhasdufihsdfkbvwürg
Dieser Moment,
wenn du bei 35
Grad einen Platz in
der GFG-Bib suchst
Dieser Moment, wenn dich
dein Dozent mit Blutgrätsche
vom Platz fegt
Achja, und vor allem:
dieses Hemd!
Und dieser Moment, wenn deine
Dozenten einfach besser gekleidet
sind als du!
Publizissimus-Bilderrätsel habe Frauen ausgeschlossen. +++ Man munkelt, Birgit Stark wünsche sich als Ausgleich dafür ein Handtaschen-
29
Anzeige
Was machen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eigentlich
außerhalb ihrer Sprechstunden?
„Entschuldigen Sie bitte die Störung. Ich habe da mal eine kleine Frage. Ich weiß, Sie haben
keine Sprechstunde. Ich weiß auch gar nicht, ob ich hier richtig bin. Darf ich Sie trotzdem etwas
fragen? Vielleicht können Sie mir ja helfen?“
So oder ähnlich fangen oft höfliche Störungen an, die natürlich von den fragenden Studierenden
nicht böse gemeint sind, sondern tief aus einer unergründlichen, seelischen Wissensfinsternis
heraufgespült wurden und nun an der Oberfläche brodeln und keinen Aufschub mehr dulden.
Ja sicher, der Lehrkörper und all seine MitarbeiterInnen an sich, sind ausschließlich für die
Studierenden da.
Aber jeder, der später einmal im richtigen Arbeitsleben stehen wird, wird rückwirkend verstehen, wie wichtig ein Anteil an ungestörter Arbeitszeit für das eigene Berufsleben und damit für
die Erfüllung der Arbeitsaufgaben sein kann und aus diesem Grund auf seine, eben diese, nur
ungern verzichtet.
Ein Beispiel aus dem Sekretariat:
Die Erstellung eines Stundenplanes für das
nächste Semester ist eine knifflige Sache, bei
der verschiedene Kriterien unter einen Hut
gebracht werden müssen. So soll der Plan studierbar sein, das heißt vor allem, Lehrveranstaltungen eines Semesters sollten sich nicht
überschneiden, auch nicht in Beifächern. Studierende, die montags, 8 Uhr, eine Lehrveranstaltung besuchen, sollten nicht freitags, 16 Uhr,
ebenfalls eine haben... Dabei müssen die Dozenten, die wöchentlich für eine Lehrveranstaltung
anreisen, ebenfalls entsprechend nach ihren und unseren Bedürfnissen im Plan untergebracht
werden.
Ich habe also die Kooperationsvereinbarungen auf dem Tisch, die Soll-Stundenplanliste und
die Pläne von den Wochentagen des folgenden Semesters ebenfalls. Die Mails mit den Zeitoptionen einiger Dozenten sind offen, dazu das Raumprogramm und die Liste der zugewiesenen
Hörsäle. Das Telefon klingelt, der Lehrbeauftragte X, der technisch eher weniger versiert ist,
teilt mit, dass der Termin T morgen ausfallen muss. Das sollte sofort kommuniziert werden.
Dazu muss das Jogustine-Programm in das laufende Semester gewechselt werden, die Veranstaltung geöffnet, die Teilnehmer markiert… Es klopft an der Tür und ein Studierender stellt
die oben beschriebene, nicht beliebte Frage. Gestört hat er schon, also bekommt er, was er wissen will. Das Telefon klingelt, jemand möchte wissen, ob der Beamer morgen frei ist; Tür geht
auf, Toner im Drucker ist leer; jemand möchte Gläser ausleihen; braucht einen Stempel und da
die Tür schon mal offen steht, nutzen nun auch die schüchternen Studenten, die auf dem Gang
umherschleichen, die Gelegenheit noch ein, zwei Frägelchen zu stellen.
Und jetzt Ihr, aufmerksame Leser: Was habe ich vergessen?
Klaro, meist fällt es mir noch rechtzeitig wieder ein, ich stehe eine halbe Stunde früher auf, rase
ins Büro und hoffe, dass alle Studierenden on und damit auch noch rechtzeitig informiert sind.
Ach ja, da war ja noch der Plan für das kommende Semester. Na vielleicht habe ich heute, nach
der Sprechstunde, mehr Glück.
Jetzt Kinders, wisst Ihr, warum wir, die wir nur für Euch da sind, (wie zum Beispiel auch die
Mitarbeiter in den Prüfungsämtern) uns so sehr nach ein wenig störungsfreier Arbeitszeit sehnen und manchmal etwas unwirsch auf der Einhaltung der Sprechzeiten herumreiten.
Danke für Eure Rücksichtnahme
Alle Servicedienstleistenden
Bilderrätsel in dieser Ausgabe. +++ Man munkelt weiter, dieses werde es leider nicht geben. +++ Man munkelt, es formiere sich derzeit
Meinungsfreiheit
30
„Das Verhalten der Bundesregierung ist das
eigentlich Skandalöse!“
Von Lotta Pommerien
und Lisa Winter
Vom „Ziegenficker“ Erdogan, einer strauchelnden
Kanzlerin und dem „Fall Böhmermann“
Bild: Lotta Pommerien, Lisa Winter
In den Alltag der Nachrichtenberichterstattung über Flüchtlingskrise, rechten Rand und krebserregenden Schinken wurde eine Bombe geworfen: In der Neo-Magazin-Royale-Folge vom
31. März brachte Jan Böhmermann wieder einen seiner berüchtigten Schenkelklopfer. Doch
diesmal sorgte er nicht nur für lautes Gelächter, sondern auch für lautes Geschrei: In seiner
„Schmähkritik“ beleidigte er den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als Ziegenficker
und Pädophilen, der nach Knoblauch stinkt.
„Falls Sie auf der Fernbedienung eingeschlafen
sind und jetzt hier aufwachen. Sie befinden sich
beim Neo Magazin Royale, der kleinen Spartensendung von ZDF Neo.“ 1
Was folgte kam einer Sommerloch-Tragödie nahe.
Diskussionen über Meinungsfreiheit, Zensur und
den deutschen Beziehungen zur Türkei wurden laut.
Zwei Wochen lang kannten die sozialen Netzwerke
kein anderes Thema, doch wie so oft blieben nach
dem großen Aufschrei noch einige Fragen offen.
Genau diesen sind wir in zwei Interviews mit Prof.
Dr. Gregor Daschmann, dem Dekan des Fachbereiches 02 und Prof. Dr. Alexander Thiele, Blogger
und Privatdozent für Europarecht und öffentliches
Recht an der Freien Universität Berlin, auf den
Grund gegangen. Thiele wurde durch seinen Verfassungsblog.de-Artikel zum international gefragten Experten im Fall Böhmermann. 2
Achtung: Nur noch kurz bis zum Ende der
Meinungsfreiheit!
Herr Prof. Dr. Thiele, wo verlaufen die
Schranken der Satire beziehungsweise der
Meinungsfreiheit?
Normativ ist das vergleichsweise einfach. Das
Grundgesetz ist da ziemlich eindeutig und kennt
abgesehen von der Menschenwürde kein einziges
Recht, das grenzenlos oder schrankenlos gewährleistet wäre. In einer Gemeinschaft bedarf jedes
Freiheitsrecht einer Grenze und die Grenze der
Meinungs- und der Kunstfreiheit liegt letztlich im
Bereich des Persönlichkeitsrechts Dritter. Umstrit-
1 Jan Böhmermann
2 Die Interviews wurden separat geführt und nur für diesen Artikel zusammengestellt.
eine Publi-Band. +++ Man munkelt, diese Band probe ab und an im Besprechungsraum des IfP. +++ Man munkelt weiter, es werde auf eine
31
Meinungsfreiheit
Was denken Sie dazu, Herr Prof. Dr. Daschmann: Wie weit darf Satire gehen?
Sie müssen zwischen legitim und legal unterscheiden. Es gehört in der Geschichte der Satire dazu,
über die Grenze des Gesetzes hinauszugehen.
Nehmen Sie zum Beispiel den Simplicissimus in der
Kaiserzeit, der permanent gegen Gesetze verstieß
und den Herrschenden nur deswegen so wehtat.
Der Satiriker, der sich in dieser Tradition sieht,
muss ab und zu gegen geltendes Recht verstoßen
und die ganz bösen Nadelstiche setzen. Aber er
muss dann auch mit den Konsequenzen leben. Wenn
eine böse politische Satire besonders wirksam sein
will, dann muss sie gegen Gesetze verstoßen. Und
Bild: Lisa Winter, Lotta Pommerien
dann kann man sagen, das ist moralisch legitim. Das
ist aber auf keinen Fall mehr legal.
Das Gedicht: eine absurde Anhäufung von
Schimpfwörtern
Herr Daschmann, stellt das Gedicht von
Herrn Böhmermann Ihrer Meinung nach nun
eine Grenzüberschreitung dar oder nicht?
Da muss man drei Dinge zusammentragen: Das erste ist die völlig absurde Anhäufung von Schimpfwörtern. So absurd, dass man das nicht mehr
ernsthaft als eine Äußerung von Meinung betrachten kann. Und das ist der zweite Punkt: Es ist ja
nicht Herrn Böhmermanns Meinung, dass Erdogan
ein Ziegenficker ist, sondern es ist bewusst eine
Überspitzung. Und wenn man dann noch den Disclaimer „Achtung, Schmähkritik“ betrachtet, kriegt
das alles als eine Gesamtpackung den Anstrich,
dass es eigentlich eine Parodie von Schmähkritik
ist. Und damit wäre es eine Form von Satire und
Bild: Lisa Winter, Lotta Pommerien
ten ist nur die Frage, wo genau dieser Bereich beginnt, wo also eine zulässige Meinungsäußerung
umschlägt in eine unzulässige, weil persönlichkeitsverletzende Meinungsäußerung.
damit durch die Kunstfreiheit gedeckt.
Thiele: Das Gedicht für sich genommen ist für mich
eindeutig unzulässig. Aber das Gedicht ist eben
eingebettet und das macht es juristisch interessant.
Streng genommen ist dieses Gedicht einfach nur
Beiwerk für das eigentliche, im Hintergrund stehende Erzieherische. Das führt erstmal dazu, dass man
das Gedicht nicht alleine begutachten darf. Und für
mich führt dieser Kontext zu dem Ergebnis, dass das
gesamte Verhalten von Herrn Böhmermann von der
Meinungsfreiheit abgedeckt ist.
„Das ist zwar Schmähkritik, aber ich mache das jetzt“
Herr Thiele, wenn ich nun ein Flüchtlingsheim anzünden möchte, um zu zeigen, wie
unmoralisch das ist, ist das dann weiterhin
eine Straftat oder zu vergleichen mit Herrn
Böhmermanns Vorgehen?
Nein. Die Antwort ist eindeutig. Herr Böhmermann
hat aber nicht einfach nur einen „Disclaimer“
vorangestellt. Er steht in einem Gesamtzusammenhang. Damit wollte er Erdogan zeigen, was
Meinungsfreiheit bedeutet. Was aber nicht geht
Bild: Lisa Winter, Lotta Pommerien
ist, einen Disclaimer voranzuschicken und einfach
irgendeiner beliebigen Person zu sagen: „Dich
schlage ich jetzt, um dir zu zeigen, was eine Körperverletzung ist.“
Das ZDF wurde der Zensur beschuldigt, weil
es den Beitrag schnell aus der Mediathek
nahm. Ist das Zensur, Herr Daschmann?
Nein, denn grundsätzlich wird eine Intendantenentscheidung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen
nie als Zensur angesehen. Der Intendant ist der
Garant und Vertreter der Rundfunkfreiheit. Er
ist eingesetzt, um diesen Binnenpluralismus in
seiner Institution umzusetzen. Damit er das tun
kann, hat er die letzte Entscheidung über jeden
Beitrag. Das heißt, wenn Sie nun als Journalist
beim ZDF arbeiten und einen Beitrag gemacht
haben, den der Intendant ablehnt, ist das keine
Zensur, sondern das Recht des Intendanten. Der
Grund, warum das ZDF diesen Beitrag so schnell
entfernt hat, ist der berechtigte Anlass zu dem
Verdacht, dass mit diesem Gedicht die Rechte eines Dritten verletzt wurden.
„Erdogan weiß nicht, was Meinungsfreiheit bedeutet“
Nun steht aber Herr Böhmermann selbst
vor Gericht und nicht das ZDF, warum ist
das so, Herr Daschmann?
Die Frage ist: Verklagt man das ZDF als Institution für diese Äußerung oder verklagt man Herrn
Böhmermann? Juristisch dürfte das gar nicht so
einfach sein, aber ich würde sagen, in dem Fall
Premiere bei der nächsten Publi-Party gehofft. +++ Man munkelt, der FSRP plane etwas ähnliches. +++ Man munkelt, die Triangel sei schon
Meinungsfreiheit
32
ist es so, weil Herr Böhmermann sich persönlich
hingesetzt und gesagt hat „Das ist zwar Schmähkritik, aber ich mache das jetzt.“ Er wollte das als
eine persönliche Äußerung seinerseits verstanden
wissen.
Stolperfalle Paragraph 103
Herr Thiele, wie kann man es denn bewerten, dass Angela Merkel der Anzeige gegen
Herrn Böhmermann stattgegeben hat?
Das Verhalten der Bundesregierung ist das eigentlich Skandalöse! Der Paragraph 104a sieht
vor, dass sich die Bundesregierung dazu verhalten
muss, indem sie die Strafverfolgung ermächtigt
oder eben nicht. In die Bredouille gebracht hat
sich die Bundesregierung von ganz alleine. Die
Kanzlerin hat den großen Fehler gemacht, und das
hat sie mittlerweile ja auch eingeräumt, frühzeitig zu sagen, dass sie das Gedicht für „bewusst
verletzend“ hält. Und diese inhaltliche Bewertung
war verfehlt. Hätte sie stattdessen einfach sofort
gesagt: „Jawohl, Herr Erdogan, wenn Sie meinen,
dass das richtig ist, dann machen wir das“, dann
wäre überhaupt nichts hochgekocht.
Bild: Lisa Winter, Lotta Pommerien
eben nicht nur den 103er betrifft, das ist ja gerade das Absurde an der ganzen Debatte, sondern
eben auch Paragraph 104, in dem es etwa um
die „Beleidigung“ von Symbolen geht, also von
Fahnen und Flaggen. Der soll ja weiter bestehen.
Mit der seltsamen Konsequenz, dass sie Herrn
Erdogan in Deutschland anspucken dürften, ohne
damit eine Straftat zu begehen. Nur die Fahne,
die neben ihm weht, dürften sie nicht anspucken.
Dann können Sie gemäß Paragraph 104 mit bis
zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Das ergibt
überhaupt keinen Sinn.
Frech, Frecher, Böhmermann?
Bild: Lisa Winter, Lotta Pommerien
Und wie steht es um den Paragraph 103,
Herr Thiele? Ist dieser noch zeitgemäß oder
sollte man ihn abschaffen?
Die Debatte darüber ist vergleichsweise fehlgeleitet. Denn es geht beim Paragraph 103 nicht
darum, dass man die Ehre von Herrn Erdogan
besonders schützt. Es geht um den Schutz der diplomatischen Interessen. Wenn diese diplomatischen Interessen durch persönlichkeitsverletzende Äußerungen im Inland gestört werden, dann
hat das in der Vergangenheit schon zu Kriegen
geführt. Jedenfalls sollte die Debatte nicht so aus
dem Stehgreif erfolgen. Wir bräuchten eigentlich
eine vernünftige langwierige Debatte, die dann
Jetzt kann man sich bei dieser ganzen Debatte noch eine Frage stellen: Cui Bono?
Herr Daschmann, wem nutzt das Ganze?
Sie müssen zwei Unterstellungen unterscheiden:
Hat Herr Böhmermann das bewusst getan oder
nicht? Und war sein Handeln darauf ausgerichtet,
die Sendung zu puschen? Bewusst hat er meiner
Ansicht nach extrem provoziert. Es gab diesen
Erdogan-Song von Extra 3, und es war das ganz
bewusste Ziel von Böhmermann, da noch einen
draufzusetzen. Ich glaube, dabei ging es weniger
um die Quote als um den Ruhm, der Frechste und
Härteste zu sein. Ich glaube, er hat überhaupt nicht
geahnt, was da passiert – und den Paragraph 103
nicht gekannt.
der in solchen Formaten mit Kandidaten anrichten.
Das ist ein guter investigativer Journalismus. Bezeichnend für diesen Journalismus ist nur, dass er
nun nicht mehr in einem streng investigativen Format stattfindet, sondern bei Böhmermann. Dadurch
wird es mehr zu einer Gaudi, zum Schenkelklopfer.
Es geht gar nicht darum, ernsthaft etwas aufzudecken und einen Skandal zu machen. Stattdessen ist
der Skandal selbst eine Gaudi für uns. Wenn alles
zur Unterhaltung verkommt, werden wir zu einer
Gesellschaft, die nicht mehr über Dinge diskutiert,
die es wirklich wert wären. Viel skandalöser als
das Böhmermann-Gedicht ist doch, dass Sendungen wie „Schwiegertochter gesucht“ seit Jahren
bei uns im Fernsehen laufen.
Herr Daschmann wie bewerten Sie Jan
Böhmermanns Comeback #verafake?
Ich finde es sehr gut, dass man entlarvt, was Sen-
besetzt. +++ Man munkelt, Gregor Daschmann beantworte Mails nur, wenn „Publizissimus“in der Betreffzeile stehe. +++ Man munkelt,
33
Pressefreiheit
Zeichnung: Jonas Stahlhacke
Ist das Pressefreiheit oder kann das weg?
von Melina Bosbach
Die Presse in Deutschland ist frei, aber wie frei ist sie wirklich? Im April veröffentlichte die
Organisation „Reporter ohne Grenzen“ die Rangliste zur internationalen Pressefreiheit für 2016.
Deutschland ist vier Plätze nach unten gerutscht. Woran liegt das? Die Pressefreiheit in anderen
Ländern wird oft und gerne kritisiert. Aktuell stehen Polen und die Türkei ganz oben auf der medialen Liste des bedrohten Journalismus. Der mahnende Zeigefinger sollte aber auch auf das eigene
Land gerichtet sein. Dabei geht es nicht darum, von Problemen im Umgang mit Journalisten im
Ausland abzulenken, sondern für mindestens bedenkliche Entwicklungen im eigenen Land zu
sensibilisieren.
Rangliste dient als Orientierung
Die jährliche Rangliste von Reporter ohne Grenzen
untersucht anhand von sieben Kategorien die Situation der Presse- und Informationsfreiheit in 180
Ländern. Zu den Kategorien zählen zum Beispiel
die Medienvielfalt oder das journalistische Ar-
beitsumfeld. Es geht um die Rahmenbedingungen
unter denen Journalisten, Blogger und Medienschaffende ihre Arbeit machen und inwieweit der
Staat einen unabhängigen Journalismus zulässt.
Zudem berücksichtigt die Analyse gewalttätige
Übergriffe auf Journalisten. Experten weltweit,
Journalisten, Wissenschaftler und Menschenrechts-
aktivisten werden zu diesen Kategorien befragt.
Die jeweilige Punktzahl von 0 (optimal) bis 100
(schlecht) entscheidet über die endgültige Platzierung auf der Rangliste.
Dirk Glock, derzeit Dozent für Medienrecht am Institut für Publizistik, weist darauf hin, dass diese
Art der Einordnung immer mit Blick auf die ge-
Publi-Party als Betreff funktioniere auch. +++ Man munkelt, zu Recht. +++ Man munkelt, das Dozententeam des Publi-Kick sei der Sieger
Pressefreiheit
34
wählten Untersuchungskriterien zu sehen ist. Die
Ergebnisse sind nach Angaben von Reporter ohne
Grenzen nicht vollständig repräsentativ. Die Rangliste entspreche nicht eindeutigen wissenschaftlichen Kriterien.
Das sollte aber nicht davon ablenken, dass die Ergebnisse häufig herangezogen werden, um Länder
tendenziell in ihrer Pressefreiheit einzuordnen
und dadurch den öffentlichen Diskurs anzustoßen.
Nahaufnahme Deutschland
Bild: Dietmar Gust
So viel zur Theorie. Wie sieht es nun in der Praxis
aus? Im letzten Jahr belegte Deutschland Platz
zwölf auf der Rangliste der Pressefreiheit. Im
aktuell berücksichtigten Zeitraum vom 1. Januar
2015 bis zum 31. Dezember 2015 ist Deutschland
auf Platz 16 gelandet. Christoph Dreyer, Pressereferent von Reporter ohne Grenzen, beschreibt
gegenüber dem Publizissimus eine Hauptursache
für den Rangverlust Deutschlands: „Die Gewalt
gegen Journalisten hat im Vergleich zum Vorjahr
stark zugenommen.“
Als Beispiele nennt er zahlreiche tätliche Angriffe
auf Journalisten bei Demonstrationen von Pegida
oder anderen rechten Gruppierungen. Es käme
auch vermehrt zu Drohungen und Beleidigungen
gegen Journalisten im Internet.
Christoph Dreyer ist seit Januar 2013 Pressereferent bei Reporter ohne Grenzen. Er hat an der
Freien Universität Berlin Islamwissenschaft, Politologie und Volkswirtschaftslehre studiert.
Dreyer verweist auch auf den umstrittenen Umgang mit Whistleblowern in Deutschland. Sie seien
wichtige Informanten für den investigativen Journalismus. Es gäbe aber bislang kein ausformuliertes Gesetz, das Whistleblower im Falle der Informationenweitergabe an Journalisten oder Blogger
ausreichend schütze.
Beispielhaft dafür steht der Fall um den Verdacht
auf Landesverrat gegen die Blogger von Netzpolitik.org im Sommer 2015. Die Blogger Markus
Beckedahl und Andre Meister hatten interne Dokumente des Verfassungsschutzes veröffentlicht, um
auf eine geplante Arbeitsgruppe zur Überwachung
des Internets aufmerksam zu machen. Sie sollte
sich mit der Verfolgung von Extremisten in sozialen Netzwerken beschäftigen. Dieses Ereignis hat
die Frage aufgeworfen, welche Informationen der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht und welche als
Staatsgeheimnisse eingestuft werden sollten, weil
ihre Veröffentlichung die Sicherheit Deutschlands
gefährden könnte. Während die Ermittlungen wegen Landesverrats gegen die Blogger eingestellt
wurden, ermittelte die Bundesanwaltschaft weiter
wegen Verrats von Dienstgeheimnissen, was sich
direkt gegen die Informanten der beiden Blogger
richtete.
Whistleblower besser schützen
zu weniger Vielfalt in der Berichterstattung. Diese
Konzentration äußere sich zum Beispiel darin, dass
eine Vielzahl von Zeitungsausgaben von immer
weniger Verlagen herausgebracht werden würde.
Letztlich kontrollieren eine Hand voll Verlage mehr
als die Hälfte aller täglich verkauften Zeitungen.
Das schließt nicht aus, dass es auch inhaltlich zu
Einseitigkeit kommt.
Mut zu mehr Wahrheit
Wie frei ist die Presse in Deutschland wirklich?
Sicher ist, dass bestimmte freiheitliche Elemente
des Grundgesetzes unerschütterlich sind. Sie gewährleisten eine unabhängige Berichterstattung
in Deutschland, etwa durch die Verankerung des
Zensur-Verbots. Es gibt jedoch Entwicklungen,
die die Pressefreiheit zumindest beschneiden
könnten. Eine Frage sollte nachklingen: Wohin
entwickelt sich der kritische Journalismus, wenn
ein wesentlicher Bestandteil, nämlich die Informanten, in ihrer Rolle eingeschränkt werden und
eine zunehmende Machtkonzentration auf dem
Zeitungsmarkt herrscht? Mut zur Wahrheit wird
oft gepredigt. Die Frage ist, wo der Mut zu mehr
Wahrheit bleibt, wenn es Informationen gibt, die
öffentlich relevant sind, aber dennoch unter Verschluss bleiben. Sicher ist: Dem Journalismus wird
dadurch ein Riegel vorgeschoben.
Daran anknüpfend sei es sinnvoll, so Dreyer, ein
Whistleblower-Schutzgesetz zu formulieren, das
Informanten vor Strafverfolgung schütze. Es sei
nicht dienlich, bestehende Gesetze, die den Umgang mit brisanten Daten betreffen, weiter zu
verschärfen, meint Dreyer. Stichwort: Vorratsdatenspeicherung, die in einer Neuauflage im Oktober 2015 verabschiedet worden ist. Umstritten ist
darin der neu geregelte Straftatbestand der Beschaffung oder Weitergabe von nicht-öffentlichen
Daten. Straffrei bleiben nur jene Journalisten, die
„berufsmäßig“ nicht-öffentliche Daten weitergeben. Letztlich könnten Whistleblower bei der
Weitergabe von nicht-öffentlichen Informationen
strafrechtlich verfolgt werden. Dirk Glock macht
hier darauf aufmerksam, dass zwischen tiefgehender Recherche eines „hauptberuflichen“ Journalisten und der häufig unzureichenden Recherche
eines Bloggers oder Informanten klar differenziert
werden müsse. Reporter ohne Grenzen führt als
Erklärung für den Rangverlust Deutschlands einen
weiteren Punkt an. Die seit Langem vorherrschende Konzentration auf dem Zeitungsmarkt führe
der Herzen. +++ Man munkelt, die Dozenten hätten keine schlechte Leistung abgeliefert. +++ Man munkelt weiter, das liege wahrscheinlich
35
Publ-Kick
Der Beginn einer neuen Ära?
„Stiftung Wadentest“ holt
sich den Cup
von Alexander Schulte
Den Publi-Kick 2016 entschieden die Bachelor-Studierenden wie schon im Vorjahr für
sich – und ließen mit ihrem Sieg das Dozenten-Team „Random Sample“ alt aussehen.
Gejubelt wurde trotzdem auf beiden Seiten.
Ein Sieger, zwei Trophäen
Stephan Thalmann muss hinter sich greifen. Doch
der Schlussmann des Bachelor-Teams „Stiftung
Wadentest“ holt nicht etwa einen Ball aus dem
Tornetz, sondern nimmt den Siegerpokal des diesjährigen Publi-Kicks in die Hand und reckt ihn in
die Höhe. Zusammen mit seinen Teamkameraden
posiert er siegestrunken auf der Tartanbahn des
Unistadions in Mainz für die Fotografen. Im Hintergrund: die selbsternannten Sieger der Herzen.
Außenstehende und Nicht-Publizisten könnten die
Kicker vom „Random Sample“ für die eigentlichen
Gewinner des diesjährigen Publi-Kicks halten.
Denn sie haben ebenfalls einen Pokal dabei, in
den sie fleißig ein Bier nach dem anderen gießen.
Selbst ein Radler hat sich verbotenerweise unter
die Biere geschlichen. Das schmecke man auch,
merkt ein Teammitglied an. Der glänzende Pokal, größer übrigens als die Trophäe der „Stiftung
Wadentest“, entstammt dem letzten Sieg der Dozenten. 2013 konnten die Lehrenden durch einen
verwandelten Strafstoß von Gregor Daschmann
den Gesamtsieg erringen und den vorerst letzten
Triumph beim Publi-Kick feiern.
„Irische“ Fans im Mainzer Uni-Stadion
Die Stimmung im Uni-Stadion an diesem Mittwochabend im Juni steht der Stimmung der irischen
Fans bei der EM in nichts nach. Von den hohen
Temperaturen und der tiefstehenden Sonne lassen
sich die Spieler nicht beirren und so ertönt beinahe
pünktlich um 19.04 Uhr der Anpfiff zum alljährli-
chen Fußballfest der Mainzer Publizisten. Vor (fast)
vollbesetzten Rängen bestreiten die VorjahresChampions das Eröffnungsspiel des ruhmreichen
Publi-Kicks gegen die Dozenten-Mannschaft, die
mit sieben Professoren auf dem Platz steht. Dieser
taktische Kniff von Trainer Markus Schäfer, wohl
zur Einschüchterung gedacht, stellt sich jedoch
schon nach wenigen Augenblicken als suboptimal
heraus. Die Nummer zehn netzt bereits nach etwa
einer Minute für die Rot-Schwarzen ein. David Rau,
Fußballbegeisterten als „Raunaldinho“ bekannt,
ist es auch, der das zweite Tor mit einem schönen
Pass auf Thomas „Cantonarstens“ Carstens einleitet. Mit dem 3:0 setzt Vincent „Ronny“ Reinke den
Schlussstrich unter eine Partie, die bis zum Schluss
recht offen geführt wurde, trotz des eindeutigen Ergebnisses. In den nächsten beiden Spielen
drehen die eingespielten Fußballer der „Stiftung
Wadentest“ auf und fegen das überraschend angetretene Team der Journalisten mit 5:0 und die
bunt durchgemischten „GFG Zeugen Yeboahs“ mit
4:0 vom Platz. Diese überzeugende Leistung katapultiert die Bachelor-Studierenden auf den ersten
Platz des imaginären Siegertreppchens, das sie
sich mit den „GFG Zeugen Yeboahs“ (2. Platz) und
den Journalisten (3. Platz) teilen. Vierter Sieger
wird das „Random Sample“.
Keine religiösen Fanatiker: „GFG Zeugen
Yeboahs“ mit ansprechender Leistung
Die „Sieger der Herzen“ haben eine beeindruckende Fan-Schar zur Unterstützung mitgebracht, die
während des Spiels ihre Stimmbänder anstrengten
Bild: Alexander Schulte
oder ein Pläuschchen mit den zahlreichen Auswechselspielern hielten. Kurzfristig ins Turnier
gerückt war das Team der Journalisten, dem man
die fehlende Spielpraxis ein wenig anmerkte, das
aber durchaus auch starke spielerische Momente
hatte. Vor allem die Nummer neun wirbelte im
Sturm und stellte nicht nur die Dozenten vor erhebliche Herausforderungen. Die neu formierten
„GFG Zeugen Yeboahs“ setzten sich aus Bachelorsowie Masterstudierenden zusammen und freuten
sich vor allem über einen prominenten Neuzugang:
Cheikh Ahmadou Bamba Diaw, kurz Bamba, zog die
Fäden im Mittelfeld und zeigte sich auch im Angriff
treffsicher. Ein talentierter Fußballer, der ablösefrei von Fontana Finthen kam.
Natürlich waren auch die Organisatoren vom Fachschaftsrat Publizistik mit dabei und verkauften
kühle Getränke sowie Bratwürste und Grillkäse.
Passend zum Anpfiff der letzten EM-Gruppenspiele
endete die letzte Partie des Publi-Kicks kurz vor
21 Uhr. Nach der Siegerehrung schauten manche
der verbliebenen Zuschauer und Spieler gemeinsam zu, wie Irland die Italiener und Belgien die
Schweden jeweils 0:1 besiegte. Auch Stephan Thalmann ist unter ihnen, doch er wirkt trotz des klaren Sieges fast enttäuscht. „Beim nächsten Mal“,
murmelt er leise, „bekomme ich hoffentlich etwas
mehr Schüsse auf den Kasten. Heute hatte ich ja
kaum eine echte Chance, mich auszuzeichnen.“
Sollte er 2017 erneut eine weiße Weste behalten,
stehen die Chancen der „Stiftung Wadentest“ auf
den dritten Triumph in Folge äußerst gut.
an den vielen eingekauften Spielern. +++ Man munkelt, diese Spieler wollten ein Alumni-Team für den nächsten Kick aufstellen. +++ Man
Publi-Kick
36
Prominente Ersatzbank: Hans-Peter Briegel und Hansi Müller an der Seitenlinie .
Kick it like Beckham: Der Libero der „GFG Zeugen Yeboahs“ haut den Ball
in die Maschen.
Die Fachschaft sorgte für das leibliche Wohl und gute Stimmung.
Am Boden: Torwart und Verteidiger mussten sich geschlagen geben.
So sehen Sieger aus: schalalalala
Da ist das Ding: Die Dozenten feiern sich und ihre Leistung.
Bilder: Alexander Schulte (facebook.com/AlexanderSchultePhotography)
munkelt, die Dozenten hätten dann gar keine Chance mehr. +++ Man munkelt, der FSRP könne mehr Bier verkaufen, wenn es ein Alumni-Team
37
Gastbeitrag
Bild: Jürgen Hofmann
Jakob-Welder-Weg 20:
Ein Nachruf
Ein Gastbeitrag von Hans Mathias Kepplinger
Neben dem Philosophicum klafft eine Baugrube. Das Gebäude mit der Hausnummer 20, JakobWelder-Weg, ist dem Erdboden gleich gemacht worden. Nur die wenigsten wissen, dass hier einige Zeit lang auch das Institut für Publizistik residierte. Das Haus erlebte Lochkarten vernichtende Monster-Computer – und überstand sogar einen Bombenanschlag. Für den Publizissimus hat
Hans Mathias Kepplinger seine Erinnerungen aufgeschrieben.
Das Institut für Publizistik bestand aus der Präsenzbibliothek im ersten Obergeschoss, dem
Sekretariat und der Teeküche im Parterre, dem
Zeitungsarchiv und dem IBM-Raum im Keller sowie zahlreichen Nebenräumen, in denen
die Mitarbeiter an der Zukunft der Kommunikationswissenschaft bastelten. Im Sekretariat residierte Fräulein Dudel hinter einem langen
Tresen und ließ jeden auflaufen, der sie Frau
Dudel nannte. Es war die erste Stufe des Gender Mainstreaming. In der winzigen Teeküche
trafen sich gegen zehn Uhr alle, die keine wichtigen Probleme hatten. Manchmal auch die. Die
Bibliothek war ein Traum. Nachsichtig bewacht
von Frau Schiffler konnte jeder lesen, was er
fand, die Bücher gegen einen Stellvertreter aus-
tauschen und mitnehmen. Im Zeitungsarchiv lagerte die von Walter J. Schütz initiierte Publizistische
Stichprobe. Sie ermöglichte Inhaltsanalysen der
aktuellen Berichterstattung, repräsentativ für
die verkaufte Auflage. Den ständig wachsenden
Schatz mussten wir aus Platzmangel mehrfach
amputieren und am Ende notgedrungen beerdigen.
gäbe. +++ Man munkelt, die seien am stärksten in der dritten Halbzeit. +++ Man munkelt, vielleicht sogar noch besser als die Dozenten.
Gastbeitrag
Heller Wahnsinn. Im IBM-Keller stand eine
Fachzählmaschine aus zweiter Hand. Gut einsfünfzig breit, eins-zwanzig hoch und vierzig tief.
An der Seite wurden Lochkarten eingelegt und
nach dem Start blitzartig in Fächer sortiert oder
von der Maschine zerrissen. An der Wand dahinter
hing ein quadratisches Sortierbrett. Dort wurden
die Lochkarten nach und vor jedem Sortiergang
abgelegt. Außerdem gab es ein Stanzgerät. Damit
konnte man Ersatz für zerrissene Karten herstellen. Mühselig. Eine Lochkarte hatte 80 Spalten
mit 12 Zeilen. Jede Spalte durfte nur ein Loch
haben, zum Beispiel für die Information, dass
eine Meldung eine von zwölfverschiedenen Informationen enthielt. Wer differenziertere Inhalte speichern wollte, musste dafür mindestens
zwei Spalten opfern. Da war man schnell am Ende.
Wer doch mehr wollte, musste mehrere Lochkarten hintereinander verwenden. Dadurch wurde
der Stapel, weil für jeden Fall die gleiche Kartenzahl stehen musste, doppelt so dick, die
Wartezeit beim Sortieren doppelt so lang und
das Risiko von Kartenrissen doppelt so groß.
Da lernte man die Konzentration auf das Wesentliche.
Irgendwann weigerte sich IBM, die Fachzählmaschine zu warten. Wir haben die Maschine
und die Spezialschränke mit tausenden Lochkarten
solange es ging weiter genutzt und beim Umzug
in den SB II dem Sperrmüll überlassen. Damit
waren die Daten aus vermutlich weit über 100
zum Teil wegweisenden Untersuchungen verloren. Ein barbarischer Akt. Aber damals gab es
die ersten Computer und wir waren begeistert.
Deshalb bekam das IfP als erstes sozialwissenschaftliches Institut einen halsbrecherisch
finanzierten Computer-Pool. Damit ging etwas
Wichtiges verloren. Jede Zählung mit der IBMMaschine dauerte, und sie dauerte umso länger,
je mehr Fälle und Karten man hatte. Handys,
Computerspiele und Internet gab es nicht. Es
gab nur die Alternative: Langeweile oder Nachdenken. Also überlegte man, warum ein Fach
so voll wurde: hatte das einen nicht trivialen
Grund? Welchen? Wie konnte man das erklären?
Wenn man eine Idee hatte, nahm man den
inzwischen im Sortierbrett liegenden Stapel und
ließ ihn nach einem neuen Suchkriterium noch
einmal laufen, um zu sehen, ob die Vermutung
richtig oder falsch war. Weil auch das dauerte,
hat man es nicht für jede Vermutung gemacht,
38
sondern nur für die besonders wichtigen und
lernte nebenbei, das Wichtige vom Unwichtigen
zu unterscheiden. Und weil man die Ergebnisse
jeden Laufs im Sortierbrett vor Augen hatte,
lernte man auch noch, in Verteilungen zu denken.
Das war keine schlechte Schule.
mich holen. Also bin ich hin. Um das Institut waren Tiefstrahler aufgebaut, ein halbes
Dutzend Polizeiwagen blockierten die Straßen
und unzählige Menschen in Polizeiuniformen liefen
herum. Es war wie Kino, nur alles in echt. Die Türen
zu meinem Zimmer waren aus den Angeln geris-
Bild: Nikolaus Jackob
Wo früher das IfP ansässig war, klafft heute eine tiefe Baugrube: der ehemalige Standort des Hauses
Jakob-Welder-Weg 20 neben dem Philosophicum
Aber natürlich waren die Räume nicht so wichtig
wie der Geist des Hauses. Wolfgang Donsbach
hatte in einem Möbellager der Uni den achteckigen
Tisch des früheren Senatsaals entdeckt und für
uns reklamiert. Der sollte, weil er nicht durch
die Türen passte, durch die breite Fenstertür zu
einem Minibalkon in das Dachgeschoss des Instituts. Die Uni-Arbeiter weigerten sich. Das Risiko
war ihnen zu groß. Also haben wir mit etwa fünf
Mann, darunter Wolfgang Donsbach, Hans-Bernd
Brosius und Joachim Friedrich Staab, den von
unten mit einem Seil steuerbaren Riesentisch
mit zwei Zugseilen langsam hochgezogen und
mit den Füßen nach oben vorsichtig über das
Balkongeländer gewuchtet. Jetzt hatten wir für
Projekt- und Dienstbesprechungen eine würdige
Grundlage.
sen, mein alter Eichenschreibtisch lag in Trümmern
auf dem Boden, auf meinen zwei Wände füllenden
Ordnern mit Projektunterlagen klebte eine brennbare Flüssigkeit, die nicht gebrannt hatte. Und
Andy Warhols blau-grüne Blume, ein Mitbringsel
aus Berkeley, das jetzt im Gang des IfP hängt, hatte nur einige kleine Löcher. Wenige Tage später
veröffentlichte die taz Auszüge aus einem Bekennerbrief. Darin wurden das Institut für Publizistik als „Kaderschmiede für Mediengestalter“
enttarnt, in dem die “angehenden Journalisten
das Handwerk imperialistischer Demagogie“ lernen. Es hat nichts genutzt. Drei Jahre später
brach die DDR unter dem Ansturm kapitalistisch verseuchter Horden zusammen, denen
Bananen lieber waren als der Sozialismus. Wir
hatten einen guten Job gemacht.
Es gab noch mehr Abenteuer. In der Nacht vom 16.
auf den 17. Oktober 1986 rief mich gegen 1.45
Uhr ein Mann an, der sich als Polizist ausgab.
Er behauptete, auf mein Büro sei ein Bombenanschlag verübt worden und ich müsse sofort
kommen. Ich habe ihm gesagt, er könne mich
kreuzweise und aufgelegt. Sekunden später rief
er wieder an. Er war wirklich Polizist und sagte,
entweder käme ich freiwillig, oder sie würden
+++ Man munkelt, Stefan Geiß und Christian Schemer seien auch nur Menschen. +++ Man munkelt weiter, deswegen könne man mit ihnen
39
Publizissimus-Preis
„Unheimlich ist, dass man
die Studierenden auch auf
der Straße wiedererkennt“
von Laura Hennemann & Selina Beckmann
Bild: Laura Hennemann und Selina Beckmann
Christine Hueß ist seit zwei Jahren Mitarbeiterin des Studienbüros. Sie hat immer ein offenes Ohr
für alle Belange der Studierenden und beantwortet Mails in kürzester Zeit. Bei schwierigen Fragen
und komplizierten Anliegen kann man sicher sein, dass sie für eine Antwort genau nachhakt und
recherchiert. Für dieses große Engagement möchten wir uns mit dem Publizissimus-Preis bei ihr
bedanken.
Frau Hueß, herzlichen Glückwunsch! Dieses Semester sind Sie die Gewinnerin des
Publizissimus-Preises. Was bedeutet diese
Auszeichnung für Sie?
Es ist tatsächlich eine große Ehre, weil ich gar nicht
damit gerechnet habe. Ich bin erst seit zwei Jahren
am Institut für Publizistik und für mich ist das, was
ich hier mache, Alltag. Es ist mein normaler Job
und eigentlich nichts, wofür ich eine Auszeichnung
bräuchte. Daher freue ich mich umso mehr, dass
meine Arbeit offensichtlich von den Studierenden
gewürdigt wird.
Im Namen der Redaktion übergeben wir
Ihnen diesen Preis, um Ihr großes Engagement im Studienbüro zu honorieren. Diese
Tätigkeit ist mit einem sehr hohen Arbeitsaufwand verbunden. Wie viel Zeit bleibt da
noch für Ihre Forschungsschwerpunkte?
Relativ wenig, muss ich gestehen. Denn ich bin ja
nicht nur Mitarbeiterin im Studienbüro, sondern
gebe auch Lehrveranstaltungen und engagiere
mich für die Alumni-Arbeit am IfP. Bei der Vielfalt
dieser Tätigkeiten, zu denen auch etliche Sonderprojekte im Rahmen von Reformprozessen, Berufungskommissionen oder Öffentlichkeitsarbeit
gehören, kommt die eigene Forschung natürlich
immer zu kurz. Trotzdem oder gerade deswegen
betreue ich gerne Abschlussarbeiten zu Themen,
die mich schon zu Studienzeiten und in meiner
späteren Berufstätigkeit beschäftigt haben. Dazu
zählen vor allem historische und politische Fragestellungen, Gender Studies, Public Relations oder
Markenkommunikation. Wenn ich Examenskandidaten für diese Forschungsschwerpunkte begeistern und sie auf ihrem Weg zum Abschluss begleiten kann, habe ich das Gefühl, zumindest passiv in
der Forschung aktiv zu sein.
Vermissen Sie die Arbeit in der Forschung?
Ich komme ursprünglich ja gar nicht aus der Forschung. Ich habe an einer Fachhochschule eine
eher journalistisch-praktische Ausbildung absolviert und bin deshalb nicht gerade das, was
man sich unter einem klassischen Vertreter der
Publizistikwissenschaft vorstellt. Trotzdem habe
ich hier in Mainz den Master „Unternehmenskommunikation“ studiert und hatte schon immer
Spaß am wissenschaftlichen Arbeiten. Genauso
viel Freude bereitet mir aber auch mein Job im
Studienbüro – vielleicht, weil mich vieles daran
an meine Tätigkeit in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit erinnert. Bei meinem Antrittsinterview
im Publizissimus habe ich daher auch gesagt,
dass das Studienbüro so etwas ist wie meine kleine Pressestelle. Und so sehe ich das auch heute
noch. Die Studierenden sind fast wie Medienvertreter, die ich so schnell und so gut wie möglich
betreuen möchte. Dennoch würde ich mir – um im
Bild zu bleiben – manchmal mehr „investigativen
Journalismus“ von unseren Studis wünschen. Viele
Fragen, die mich erreichen, lassen sich nämlich mit
ein bisschen Recherche etwa auf der StudienbüroHomepage selbst beantworten.
Bleiben wir bei Ihrer Vergangenheit. Wie
Sie schon sagten, waren Sie selbst von
2009 bis 2012 Studentin am IfP, haben hier
den Master Unternehmenskommunikation
gemacht. Welche Erinnerungen haben Sie
an Ihre Studienzeit hier?
Mit dieser Zeit verbinde ich viele spannende Erinnerungen, weil wir damals der erste Jahrgang
Unternehmenskommunikation waren. Das Bachelor-/Master-System war relativ neu und auch der
Studiengang selbst steckte noch in den Kinderschuhen. Keiner wusste so genau, worauf man
sich da eigentlich einlässt. Rückblickend kann ich
sagen, dass es vor allem eine arbeitsreiche Zeit
war. Der aktuelle Master ist deutlich schlanker
als das Studienprogramm von 2009. Heute bin ich
sehr stolz darauf, zu sehen, wie sich „mein“ Studiengang weiterentwickelt hat und beobachte mit
Freude, wie „erwachsen“ der Master geworden ist.
über alles reden. +++ Man munkelt, Marcus Maurer sage die simplen Sachen lieber selbst. +++ Man munkelt, er mache das, um seine Stu-
Publizissimus-Preis
Denn ich weiß: Die „Kinderkrankheiten“ haben wir
durchlebt.
Nach einem kurzen Abstecher ins PRGeschäft haben Sie 2014 angefangen, als
wissenschaftliche Mitarbeiterin am IfP zu
arbeiten. Haben Sie die Uni etwa vermisst?
Ich bin mir gar nicht sicher, ob man als junger Berufseinsteiger die Universität überhaupt vermissen kann. Eigentlich ist man zunächst einfach nur
froh, dass es vorbei ist. Bei mir hat es anderthalb
Jahre gedauert, bis ich mich an die Universität zurückgesehnt habe – wahrscheinlich kam die Sehnsucht nach dem IfP aber auch schon viel früher. Ich
kann mich erinnern, dass mein täglicher Arbeitsweg zur PR-Agentur in Frankfurt immer auch von
wehmütigen Blicken in Richtung Campus begleitet
war. So lag es für mich nahe, als ich mich beruflich
umorientieren wollte, mal wieder am IfP anzuklopfen. Ich hatte Glück: Nikolaus Jackob wollte in
Elternzeit gehen und bot mir seine Vertretung an.
Das Ganze war eigentlich für acht Monate geplant.
Jetzt bin ich schon mehr als zwei Jahre hier und
habe damit genauso wenig gerechnet wie mit dem
Publizissimus-Preis.
Ihre Studienzeit liegt noch nicht lange zurück. Trotzdem hat sich am Institut seitdem einiges verändert. So wurden erst die
Masterstudiengänge, jetzt auch der Bachelorstudiengang reformiert. Was sind Ihrer
Meinung nach die wichtigsten Entwicklungen?
Ich glaube, dass heute stärker auf die Studierbarkeit geachtet wird. Das betrifft natürlich Umfang
und Prüfungslast, aber auch den strukturellen
Aufbau der Studiengänge und die Integration
von Pflichtpraktika. Im Zuge der Bachelor-Reform
sind dazu vor allem inhaltliche Doppelungen
verschwunden und der Studiengang wurde entschlackt. Gleichzeitig muss so ein Studiengang
aber immer auch auf seine Aktualität hin überprüft werden. Ein Beispiel hierfür ist das Modul
„Medienkonvergenz/Online-Kommunikation“. Als
der Bachelor-Studiengang 2008 gestartet ist, hat
in der Lehre dieses Thema noch niemand auf dem
Schirm gehabt und jetzt sind die Sozialen Medien
aus dem Modulplan nicht mehr wegzudenken.
Gerade zu Beginn eines neuen Semesters
wenden sich besonders viele Studierende
an Sie und das Studienbüro. Wie schafft
40
man es da, den Überblick nicht zu verlieren?
Manchmal weiß ich gar nicht so genau, wie wir
beim turbulenten Semesterstart den Überblick behalten. Ich glaube, es hat viel mit Arbeitsroutine
zu tun und damit, dass wir ein gut strukturiertes
Team sind. Der Rest ist Organisationstalent. Trotzdem ist die E-Mail-Flut in den ersten Semesterwochen immer wieder erschreckend. Über 450 Mails
erreichen uns allein in den Anmeldephasen.
Eine ganze Menge Arbeit…
Viel unheimlicher aber ist, dass man die Studierenden aus Sprechstunden oder Seminaren auch auf
der Straße wiedererkennt. Ich hätte nicht gedacht,
dass das tatsächlich so eintritt, aber man kann im
Grunde genommen nicht mehr ins Schwimmbad,
nicht mehr in den Supermarkt, nicht mehr vor die
Tür gehen, ohne ein vertrautes Gesicht zu sehen.
Das ist schön, weil die Studierenden selten die
Flucht ergreifen, sondern in der Regel freundlich
grüßen. Ich kann die Namen aber nicht immer
zuordnen. Wenn dann beispielsweise jemand im
Studienbüro vor mir steht und sich mit den Worten
vorstellt, er oder sie habe mir letzte Woche eine
E-Mail geschrieben, dann muss ich passen. Schließlich bekomme ich allein von den Studierenden bis
zu 30 E-Mails am Tag. Dennoch sind wir immer bemüht, das Individuum hinter der Mail beziehungsweise der Matrikelnummer zu sehen und uns auch
an einzelne Schicksale oder Geschichten zu erinnern. Was dabei sehr hilft ist, wenn Studierende
vor einem sitzen, in denen man sich selbst wiederfindet. Die meisten, die „irgendwas mit Medien“
studieren, kommen aus ähnlichen Beweggründen
zu uns. Da sind viele, die sagen: „Ich kann gut schreiben, ich kann gut organisieren, ich bin kreativ.“
Und dann hebe ich innerlich selbst die Hand und
sage – manchmal auch laut: „Ja, genau aus den
Gründen hab ich’s auch studiert.“ Aber aus meinen
– nicht immer nur guten – Erfahrungen in und mit
der Kommunikationsbranche sage ich dann auch
häufig: „Es gibt aber auch andere Berufsfelder
oder Studiengänge, in denen diese Kompetenzen
gefragt sind und in denen es weniger oberflächlich und stressig zugeht.“ Das sind die Dinge, von
denen ich profitiere. Davon, dass ich nicht nur am
IfP studiert, sondern auch die Welt draußen kennengelernt habe. So sehe ich vieles ein bisschen
kritischer, wenn nicht sogar realistischer, als wenn
ich direkt nach dem Studium an der Universität geblieben wäre.
Das IfP und seine Studierenden begleiten
Sie also auch bis in Ihr Privatleben. Können
Sie dann überhaupt mal abschalten oder
sind Sie immer erreichbar?
Es passiert eigentlich relativ selten, dass mich
jemand auf dem Weg zur Arbeit anspricht und irgendetwas zum Studium wissen will. Meist bleibt
es bei einem kurzen Hallo und einem mehr oder
weniger verschämten Lächeln – auf beiden Seiten. Es ist ein bisschen so, als würde man einen
Kommilitonen auf der Straße oder an der Supermarktkasse treffen. Ich verstecke dann auch nicht
meine Einkäufe. Es darf ruhig jeder sehen, dass
ich ein Fan von Süßigkeiten und ein echter Schokoholic bin… Bis in den Feierabend verfolgt fühle
ich mich also nicht – weder von den Studierenden,
noch von den Gedanken an die Arbeit. Trotzdem
passiert es durchaus häufiger, dass ich abends
nochmal ins Postfach gucke. Das hat aber weniger
mit den Erfordernissen im Studienbüro zu tun, sondern vor allem damit, dass das in meinen früheren
Jobs so erwartet wurde. Also schaue ich rein und
wenn ich dann vielleicht noch helfen kann, mache
ich das gerne.
Vielen Dank für das Gespräch.
Anmerkung der Redaktion: Nachdem dieses Interview geführt wurde, gab Christine
Hueß bekannt, das IfP zum Ende des Sommersemesters zu verlassen. Wir wünschen
Ihr alles Gute.
Infobox: Publizissimus-Preis
Der Publizissimus-Preis wird einmal pro
Ausgabe an Mitarbeiter des Instituts für
­Publizistik verliehen, die sich in besonderem
Maße um Forschung, Lehre oder der Unterstützung der Studierenden verdient gemacht
haben. Die Redaktion möchte damit Expertise,
Hilfsbereitschaft, Engagement, Freund­lichkeit
und andere lobenswerte Eigenschaften der
Preisträger hervorheben und sie in ihrem
Handeln bestätigen.
Zu den bisherigen Preisträgern zählen unter
anderem Hans Mathias Kepplinger und Jürgen
Wilke, Bernd-Peter Arnold, Philipp Weichselbaum, Ilka Jakobs und Sascha Himmelreich.
Die Preisträger werden jedes Semester im
Kreise der Redaktion bestimmt.
dierenden nicht zu Selbstverständlichkeiten zwingen zu müssen. +++ Man munkelt, Christine Meltzer und Pablo Jost kochen zusammen Zucchi-
41
Ein # und seine Geschichte
Der nachhaltige Hashtag
von Saskia Bender
Inmitten des rasanten Modezyklus, geprägt von Schnäppchenpreisen und einem immensen Angebot, gerät der Aspekt der Nachhaltigkeit immer wieder in den Hintergrund.
Die Initiative „The Fashion Revolution“ möchte mit dem
Hashtag #whomademyclothes das Bewusstsein der Verbraucher steigern und tritt für mehr Nachhaltigkeit in der
Modebranche ein.
Nach Angaben von Statista und Fashion United
gaben die Deutschen im vergangenen Jahr fast
62,5 Milliarden Euro für Bekleidung aus. Trotz der
sinkenden Textilpreise steigen die Ausgaben für
Kleidung, ein Phänomen, das sich in vielen Industrieländern der westlichen Welt beobachten lässt.
Unsere Gesellschaft folgt überwiegend dem Trend
der Fast-Fashion, also Mode, die innerhalb kürzester Zeit vom Laufsteg in die Läden kommt, saisonal von Verbrauchern getragen und anschließend
weggeworfen wird. So verbraucht ein Europäer
laut dem Textilexperten Andreas Engelhardt durchschnittlich 20 Kilogramm Textilien im Jahr.
2.500 wurden verletzt. Seitdem gilt der 24. April
als Fashion Revolution Day. Seit diesem Jahr gilt
die Woche des 18. bis zum 24. April als Fashion
Revolution Week. Mit dem Hashtag #whomademyclothes können sich Verbraucher direkt an Unternehmen wenden, um herauszufinden, woher ihre
Kleidungsstücke stammen.
Woher kommen die Mengen an Kleidung,
die wir tragen?
Dokumentationen wie „The True Cost“ (USA, 2015)
zeigen, dass die Auswirkungen auf Umwelt, Klima
und Arbeitsbedingungen der Fabrikarbeiter in der
Modeindustrie immer fataler und ausbeuterischer
werden. Verantwortlich für einen Großteil der negativen Folgen sind die zur günstigen Herstellung
verwendeten Chemikalien: „Je mehr Kleidung
hergestellt wird, desto größer wird auch die Belastung für die Umwelt“, heißt es dazu von einer Textilexpertin von Greenpeace. Denn die Chemikalien
belasten nicht nur die Umwelt und Gesundheit der
Arbeiter, sondern dringen auch ins Grundwasser
ein und können Fabrikbrände auslösen.
The Fashion Revolution
Ein solcher Fabrikbrand war der Auslöser für die
Gründung von Fashion United. Als am 24. April 2013 das Rana Plaza in Dhaka, Bangladesch,
einstürzte, kamen 1.134 Menschen ums Leben,
Bild: TheFashionRevolution.org (Screenshot)
Bild: TheFashionRevolution.org (Screenshot)
Faire Mode hat ihren Preis
In einem Q&A berichtet Gründerin Carry Somers,
dass der Hashtag #whomademyclothes 2016 bereits 63 Millionen Menschen. Mode-Printmedien
wie Vogue, Grazia und Marie Claire, aber auch
nicht-spezifische Fernsehsender wie CNN, Fox
News und die BBC berichteten über die Bewegung
und die Fashion Revolution Week. Zusätzlich vorangetrieben wird die Bewegung vor allem von Prominenten, YouTubern und Bloggern.
Der Trend zu mehr Nachhaltigkeit in der Mode
lässt sich auch am Aufkommen vieler nachhaltiger
Modelabels erkennen. Doch dort sind es momentan noch die Preise, die nach Angaben des World
Wildlife Fund (WWF) viele Konsumenten am Kauf
hindern. Es bleibt also zu hoffen, dass auch die
erschwinglicheren Marken in Zukunft mehr Nachhaltigkeit wagen.
2015 nahmen bereits über 10.000 Menschen aus
über 70 Ländern an der Aktion teil, um zu zeigen,
dass ihnen die vielen unbekannten Gesichter hinter der Produktion nicht egal sind und deren Arbeitsverhältnisse verbessert werden sollen.
Ziel der Fashion-Revolution-Bewegung ist es,
die Menschen im Laufe der nächsten fünf Jahre
dazu zu bringen, darüber nachzudenken, was sie
tragen. Marken sollen mehr Transparenz zeigen,
indem sie Lieferketten nachvollziehbarer machen
und den Arbeitern Zeichen der Dankbarkeit setzen. Mit Werbeplakaten, Aktionen und Events soll
die Botschaft der Fashion Revolution in die Welt
getragen und verbreitet werden.
Bild: twitter.com/fash_rev (Screenshot)
nispaghetti. +++ Man munkelt, Nick Jackob wäre schon bei einem Raubüberfall anwesend gewesen. +++ Man munkelt, er habe sich dabei in
Szene
42
Ein „Mexikaner“ als Medizin?
In der „Neustadt Apotheke“
keine Seltenheit
von Elisa Kautzky
Bild: Elisa Kautzky
Studis haben ja bekanntlich nie viel Geld zur Verfügung. Und freuen sich über jeden Rabatt, den sie
bekommen. Da trifft es sich gut, dass es in einigen
Apotheken in Mainz Studenten-Rabatt auf nichtverschreibungspflichtige Medikamente gibt.
Eine Apotheke in der Neustadt bietet seit Kurzem
Medikamente der besonderen Art an. Zehn Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt, liegt die
„Neustadt Apotheke“. Die nostalgischen Apothekenmöbel erwecken den Anschein einer echten
Apotheke. Doch beim Blick auf die Speisekarte, der
„Packungsbeilage“, wird schnell klar, dass es sich
hier eigentlich um eine Mischung aus Café und Bar
handelt. Und die sorgt in erster Linie für das leibliche Wohl der Menschen, weshalb ihre Speisekarte
in die Kategorien „mit und ohne Nebenwirkungen“
eingeteilt ist.
Und auch wenn kein Notdienst angeboten wird, hat
die Neustadt Apotheke von zehn Uhr morgens bis
ein Uhr nachts geöffnet – da kann keine andere
Pharma-Bude mithalten. Ein Rezept ist ebenfalls
nicht von Nöten, höchstens ein Personalausweis,
falls man doch etwas „mit Nebenwirkungen“ bestellt.
Wie passen Gastronomie und Pharmazie zusammen? Zwei BWL-Studenten haben es herausgefunden. Die Neustadt Apotheke bietet
nämlich keine herkömmliche Medizin, sondern kümmert sich lieber um zwei spezielle
Organe: den Magen und die Leber.
hatten die beiden schon den Plan gefasst, einmal
ein Lokal zu eröffnen.
Wo? Das war für sie sehr schnell klar, da die
Mainzer Neustadt schon damals ein beliebter Studententreff war. Als die „Goldmarie“ ihren Platz
abgab, schlugen sie sofort zu und übernahmen
die alten Apothekenmöbel einer Vormieterin. Nun
sitzen sie am Frauenlobplatz und können drinnen
50, draußen 60 Menschen mit Essen und Trinken
versorgen.
Bild: Elisa Kautzky
„Wer nichts wird, wird Wirt, wer gar nichts
wird, wird Betriebswirt“
Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage: Speise- und Getränkekarte in der
Neustadt-Apotheke
Marc (30) und Walery (29) sind die Inhaber des
Lokals, das es seit Dezember letzten Jahres gibt.
Beide Eigentümer haben sich an der Mainzer Universität kennengelernt. Eigentlich wollte Apotheken-Wirt Walery als Kind immer Bäcker, und Marc
ein Fußballstar werden. Jetzt sind beide selbstständig – und spielen immer noch Fußball. Fast
sechs Jahre vor Eröffnung der Neustadt Apotheke
Spezialität des Hauses ist der „Knüppel“, ein
selbst gebackener Brotteig, den man schon für
knapp unter fünf Euro bekommt. Der Teig wird
zu einer Kugel geformt, halbiert und ausgehöhlt.
Anschließend wird er mit verschiedenen Zutaten
gefüllt.
Ihr Tipp an andere Studis, die selbstständig werden wollen: „Bloß keine Angst haben“, sagen die
beiden. Außerdem hätten beide neben dem Studium reichlich Erfahrung in der Gastronomie, was
auch sehr hilfreich gewesen sei. Ob wir auf eine
zweite Filiale hoffen können? „Noch ist nichts geplant, da reicht uns dieses Lokal, aber ihr werdet
definitiv noch von uns hören“, so die Antwort. Da
sind wir mal gespannt.
Mehr als nur Dekoration
Das Apothekenmotto ziehen die Gastronomen
konsequent durch: Die Lampen bestehen aus alten
Apotheken-Fläschchen, die Möbel sind farblich und
thematisch angepasst. Nichts wurde dem Zufall
überlassen. Nicht mal die Werbung.
Bei ihnen dürfe nur Werbung in Form von Bierdeckeln ausgelegt werden, die sei viel „ästhetischer“, so Walery. „Bierdeckel fallen viel mehr
auf als herkömmliche Flyer. Den Tipp könnten wir
eigentlich der Fachschaft geben: Macht Bierdeckel
für eure Publi-Partys!“
Konkretere Inspiration gibt es im Inneren des Lokals, auf der großen „Apotheken Specials“-Tafel.
Dort gibt es nach dem desinfizierenden Bierchen
noch Ausgehtipps für das seelische Wohl. Meistens
von bekannten Clubs der Stadt. Falls man dann immer noch nicht satt, zufrieden oder gesundet sein
sollte, verschreiben die beiden Lokalbesitzer einen
„Mexikaner“ für 1,50 Euro. Selbst gemixt wird er
in Apothekenflaschen serviert. Spätestens nach
einem anschließenden London Buck dürften dann
alle Sorgen und Schmerzen vergessen sein.
Jedenfalls für diese eine Nacht. Ansonsten gibt es
ja noch andere Apotheken in Mainz, die am nächsten Morgen Abhilfe bei körperlichen Schmerzen
schaffen können.
der Toilette seines Zahnarztes versteckt. +++ Man munkelt weiter, er sei erst wieder herausgekommen, nachdem ihm sein Zahnarzt mehrfach
43
Publi-Projekte
Campus Views: Ansichten eines Studis
von Thanh Dung Nguyen & Alexander Schulte
Wer sind wir?
Dung: Hi, ich heiße Dung – das wird „Sung“ ausgesprochen. Ich studiere Publizistik und Soziologie
und bin im 4. Semester.
Alex: Und ich bin Alex, 23, studiere Publizistik und
American Studies im 3. Semester.
Was machen wir?
Alex: Ich bin gelernter Fotograf und habe schon
2013 ein Fotoprojekt realisiert, bei dem ich fremde
Menschen auf der Straße angesprochen und sie darum gebeten habe, ein Portrait von ihnen machen
zu dürfen. Dung hat mich dann auf die Idee gebracht, über das reine Portraitfoto hinauszugehen.
Dung: Ich habe irgendwann auf einer Busfahrt
mit Alex Smalltalk gehalten und erfahren, dass er
Fotograf ist. Damals hatte ich erst kürzlich von Humans of New York gehört, dem ein oder anderen
sagt das vielleicht etwas. Das ist ein Typ namens
Brandon Stanton, der in New York wildfremde
Leute anspricht, sie fotografiert und aus ihnen
ein paar Geheimnisse herauskitzelt, die dann auf
Facebook landen. Das fand ich ganz cool und faszinierend zugleich, also habe ich Alex gefragt, ob er
nicht Lust auf so etwas Ähnliches hätte.
Was ist Campus Views?
Dung: Campus Views ist unser kleines Fotoprojekt, das wir letzten Winter schon gestartet haben,
dem wir aber aufgrund der Witterungsverhältnisse und anderer Probleme nicht wirklich nachgehen
konnten. Wir sprechen fremde Menschen an, stellen ihnen eine Frage, die sie spontan beantworten
sollen, und knipsen am Ende noch ein, zwei Fotos.
Alex: Wir achten darauf, dass wir gezielt auf Studenten zugehen, die sich auf dem Mainzer Campus
befinden. Dabei haben wir zwei Arten von Interviews: Entweder stellen wir vielen Personen die
eine, gleiche Frage oder einer bestimmten Person
viele verschiedene Fragen.
Woher kommt die Motivation für die Idee?
Alex: Der Facebook-Auftritt von Humans of New
York ist eine große Inspiration und mich persönlich
fasziniert auch das Projekt der Münchner Fotografin Laura Zalenga, 100 Strangers. Durch ihre Fotoserie habe ich vor 3 Jahren den Anstoß bekommen,
mich selbst einmal in den Strom der Menschen zu
stellen, sie zu beobachten und sogar Menschen anzusprechen, die mir interessant erschienen.
Dung: Ich finde, dass man an der Mainzer Universität ständig auf interessante Menschen trifft,
die einem irgendwie im Gedächtnis bleiben, auch
wenn man sie nur ganz kurz wahrnimmt. Vielleicht
empfand man sie in dem Moment als attraktiv,
sympathisch, auch unsympathisch oder einfach
interessant. Im Normalfall wissen wir dann gar
nichts von diesen Menschen. Und darin liegt eigentlich das Besondere: Jeder hat seinen Charakter und seine Story. Ich finde dieses Ungewisse
und die Vielfalt unglaublich spannend und daraus
ist dann unser Projekt entstanden.
Wie gut klappt das Projekt bisher?
Dung: Im letzten Winter haben wir uns zum ersten Mal nach draußen getraut, nachdem wir uns
ein anfängliches Konzept ausgedacht hatten. Das
Wetter war nicht so super, also haben wir erst einmal nur versucht, fremde Menschen ohne Grund
anzusprechen. Das hat mich ganz schön viel Überwindung gekostet, auch wenn ich eigentlich ein
offener Mensch bin.
Alex: Das war eine wichtige Erfahrung für uns.
So konnten wir erste Rückmeldungen von den
angesprochenen Studenten sammeln, bestimmte
Fragen testen und den Kampf mit unserer Nervosität aufnehmen. Ich habe zwar schon über 50
Menschen für mein früheres Fotoprojekt auf ähnliche Art und Weise fotografiert, allerdings war das
Campusgelände auch für mich ein Neuanfang.
Dung: Auch wenn wir anfangs etwas Bammel hatten, klappte es dann im Frühsommer nach ein paar
Startschwierigkeiten ganz gut. Einige sagten uns
ab, weil sie gerade nicht konnten oder keine Lust
hatten. Wir haben das dann einfach abgenickt und
weitergemacht. Andere wiederum waren an der
Idee interessiert, wollten aber nicht unbedingt am
Projekt teilnehmen. Am Ende trafen wir aber doch
auf eine Hand voll Studierender, die Lust auf das
Projekt hatten. Wenn wir mal Freunde getroffen
haben, haben wir häufig das Interesse geweckt
und bekamen ein positives Feedback. Wir sind also
auf dem richtigen Weg, glaube ich.
Alex: Von der Herangehensweise vermutlich nicht
viel. Auf einen Menschen zugehen, mit ihm ins Gespräch kommen und ein paar Fotos schießen. Der
Gründer von Humans of New York war allerdings
schon in Pakistan, dem Kongo oder Vietnam unterwegs, um dort seiner Leidenschaft nachzuge-hen.
Wer weiß, vielleicht finden Dung und ich uns eines
Tages im Ausland wieder und bereisen fremde Länder, um die Menschen dort besser zu verstehen.
Dung: Mich wundert es immer wieder, wie Brandon die Menschen dazu bringt, so viel Intimes über
sich preiszugeben und einem Millionenpublikum
auf Facebook zugänglich zu machen.
Alex: „Sein Bekanntheitsgrad öffnet ihm da sicher
viele Türen. Außerdem glaube ich, dass viele Menschen in den USA deutlich weniger Hemmungen
haben, über heikle Themen zu plaudern als beispielsweise in Westeuropa. Das Posten auf Facebook wird in Deutschland auch kritischer gesehen
als in den USA. Dort findet man, überspitzt gesagt,
jedes halbwegs bedeutende Lebensereignis in einer eigenen Fotogalerie bei Facebook wieder.“
Dung: „Bei der Auswahl unserer Fragen achten
wir darauf, dass wir solche auswählen, die nicht zu
persönlich oder zu unangenehm zu beantworten
sind – sonst würde ja niemand mitmachen. Was
aber unsere größeren Interviews angeht, versuchen wir, uns mit jeder Frage ein wenig mehr zu
trauen.
Alex: Wie das fast bei allem ist, werden auch wir
mit jedem neuen Interview beziehungsweise Foto
routinierter und zielsicherer zu Werke gehen und
uns Stück für Stück mehr trauen.
Wie kann man euch erreichen?
Alex: Wir haben aktuell einen Weblog auf Tumblr, denken aber darüber nach, uns zusätzlich eine
Facebook-Seite zuzulegen.
Dung: Eine Überlegung ist es, dass man uns
Fragen zusenden könnte, die wir dann einer wildfremden Person stellen. Wir können natürlich nicht
dafür garantieren, dass auf die Frage geantwortet
wird. Aber das wäre grundsätzlich so eine Idee.
Was unterscheidet Campus Views von Humans of New York?
www.campusviews.tumblr.com
an der Tür versicherte, er sei es und nicht der Bewaffnete. +++ Man könnte munkeln, was Nick Jackob auf der Toilette seines Zaharztes
Publi-Projekte
44
Frage:
„Wovor hattest Du als Kind Angst?“
Antwort:
„Vor fremden Menschen. Und wenn meine Mama weg war. Natürlich
auch Angst im Dunkeln.“
Anna, Komparatistik/Ethnologie
Frage:
„Wovor hattest Du als Kind Angst?“
Antwort:
„Spinnen. Die sehen einfach ekelhaft aus. Vor Kakerlaken habe ich auch Angst,
die kenne ich aus meiner Heimat, den Philippinen. Dort gibt es Exemplare, die
sind so groß wie Ratten. Mittlerweile hält sich die Angst vor Spinnen in Grenzen,
aber vor Kakerlaken fürchte ich mich definitiv heute noch.“
Chris, Politikwissenschaften/Geschichte
Frage:
„Wovor hattest Du als Kind Angst?“
Antwort:
„Feuer. Dass es brennt zu Hause. Und dieses Gemeinschaftsding: dass
man akzeptiert wird. Ein wenig Angst vor Isolation.“
Paul, Sportwissenschaften
Frage:
„Wovor hattest Du als Kind Angst?“
Antwort:
„Vor dem Sterben, glaube ich. Wenn man als Kind hört, dass jemand gestorben oder krank ist und man nichts mehr für ihn tun kann. Als Kind
denkt man, man könnte ewig leben.“
Graciana, American Studies/British Studies
Frage:
„Wer ist deine Lieblings-Trickfilmfigur?“
Antwort:
„Robin Hood aus der Disney-Verfilmung. Das ist DER Film meiner Kindheit, ich
habe immer noch einen Ohrwurm davon. Ich bin komplett damit aufgewachsen
und das ganze kindliche Mittelalter-Gedöns steckt da drin. Ich mag den Charme
und den romantischen Blick, den der Film auf die damalige Zeit richtet.“
Johannes, Kulturanthropologie/Geschichte
gemacht habe. +++ Man könnte aber auch munkeln, er gehe überhaupt nicht zum Zahnarzt.+++Man munkelt, das liege daran, dass er nicht
45
Medien in den Medien
vs
Bilder: links: Die Lügen der Sieger (Film); rechts: YouTube/User_KinoCheck
Filme schauen für den guten Zweck: Die Filme „Die Lügen der Sieger“ (links) und „Spotlight“
„Dahin gehen, wo es wehtut“
von Saskia Bender & Greta Pässler
Die umstrittene Glaubwürdigkeit des Journalismus, angekratzt von Schlagwörtern wie Lügenpresse
und Manipulation, wird auch in den Medien selbst immer wieder aufgegriffen. Zwei Spielfilme
der letzten beiden Jahre stellen sich diesen Vorwürfen und bebildern in lebhaften Enthüllungsstorys den investigativen Journalismus, der nun womöglich dringender denn je gebraucht wird.
Politik, Medien, Lobbyismus, Wirtschaft und Gesellschaft bilden ein undurchsichtiges Dickicht, das
es dem Normal-Bürger oft schier unmöglich macht,
die Machenschaften der Mächtigen zu durchblicken.
Das mag dem erfolgreichen Gelingen derer nichts
abtun, doch: Versuchen Journalisten, das abgekoppelte Treiben in den gläsernen Büros aufzudecken,
wird es unangenehm. Das hat zur Folge, dass die
Die Lügen der Sieger
Genre: Polit-Thriller
Erscheinungsjahr: 2014
Besucherzahlen: Land: Deutschland, Frankreich
Regie: Christoph Hochhäusler
Hauptdarsteller: Florian David Fitz,
Lilith Stangenberg, Horst Kotterba
Presse in den Augen vieler immer mehr in Verruf
gerät. In „Die Lügen der Sieger“ (D, 2014) und
„Spotlight“ (USA, 2015) ruhen die Journalisten
nicht, ehe sie die Wahrheit ans Licht gebracht haben.
„They found something bigger“ – Die
Lügen der Sieger
Fabian Groys (Florian David Fitz) ist ein krasser
Typ. Er fährt einen Porsche-Oldtimer und verschleudert beim Glücksspiel schon mal ein Monatsgehalt. Im renommierten Nachrichtenhaus in
der deutschen Hauptstadt recherchiert er an einem
brisanten Fall: Die Bundeswehr scheint ihre Zahlen
zu schönen und vertuscht, dass viele Veteranen als
psychische Wracks aus Afghanistan wiederkehren. Als Fabians wichtigster Informant abspringt,
droht diese Story zu platzen. Als sei das noch nicht
Bild: YouTube/kinofilme (Screenshot)
Lilith Stangenberg und Florian David Fitz im PolitThriller „Die Lügen der Sieger“
genug, bekommt er außerdem die Betreuung der
neuen Praktikantin Nadja (Lilith Stangenberg) aufgedrückt. Zu ihrer Beschäftigung lässt er sie eine
vermeintlich banale Story über den Sprung eines
Mannes in ein Löwengehege recherchieren – ursprünglich Titelstory eines Boulevardblattes. Sie
einmal die Arztserie „Grey's Anatomy“ schauen könne.+++ Man munkelt, das rühre daher, dass er ein Hypochonder sei. +++ Man munkelt,
Medien in den Medien
stößt dabei aber bald auf Verbindungen zu einem
dubiosen Giftmüll-Skandal, der auch dem PorscheFahrer nach handfestem Zündstoff vorkommt: Hat
die Bundeswehr die Recyclingfirma benutzt, ihr unauffällig ihre Invaliden unterzuschieben?
Journalist wie auch Praktikantin verstricken sich
bei ihren akribischen Recherchen in einem Netz
aus Lügen und Manipulation, und manch hohem
Tier in der Chemieindustrie passen die beiden
Schnüffler überhaupt nicht. Doch woher soll man
wissen, wem man noch trauen kann, während man
lächelnd belogen, für eigene Zwecke eingespannt
und sogar zum Ziel anonymer Drohungen wird?
„Die Lügen der Sieger“ ist ein Polit-Thriller über
Lobbyisten und Strippenzieher, die tief verborgen im Gestrüpp des Berliner Medien-Dschungels
agieren. Eine Geschichte, die sich so auch real
zugetragen haben könnte. Das Verhalten von Politikern und „Skandalmanagern“ stellt, wenn auch
leicht überzeichnet, dar, was vielleicht tatsächlich
der Realität in den Hinterzimmern der Mächtigen
entspricht.
„Geschichte wird gemacht aus den Lügen
der Sieger“
Für den Journalisten und seine Praktikantin bleiben die Lobbyisten unsichtbare Gegner, ihre Machenschaften auch für den Zuschauer lange Zeit
Bild: YouTube/kinofilme (Screenshot)
„Schneller ist besser“: Allzu häufig ist das die
rangführende Devise moderner Journalisten
verwirrende Fragmente aus Gesprächsfetzen und
sprunghaften Beobachtungen. Auf unkonventionelle Art und Weise spiegelt sich das verworrene
System durch die ebenso irritierende, wie für die
nötige Undurchschaubarkeit sorgende Kameraführung in der Bildsprache wider. „Warum ich diesen
Film machen wollte? Aus Sehnsucht nach Filmen,
die es nicht gibt“, wird Regisseur Christoph Hochhäusler von Spiegel Online zitiert. Seine Vision:
Ernsthafte Genre-Filme, Thriller, die nach bestimm-
ten Regeln funktionieren und zugleich intelligent
und reflektiert über die Welt erzählen, in der wir
leben.
Einen Helden? Gibt es in „Die Lügen der Sieger“
nicht. Der Idealismus und das Menschliche, die
Florian David Fitz zu einem überragenden Enthüllungsjournalisten machen würden, fehlen an manchen Stellen. Letztlich geht es in dem Film darum,
wer die Spielregeln besser beherrscht und die Gegenspieler nahtlos im Auge behält.
Spotlight
Genre: Drama
Erscheinungsjahr: 2015
Besucherzahlen: D: 338.242
Land: USA
Regie: Tom McCarthy
Hauptdarsteller: Liev Schreiber, Michael
Keaton, Mark Ruffalo, Rachel McAdams, Brian
d’Arcy James
„Manche Geschichten sind größer als Tatsachen“
Um Fädenzieher und Journalisten geht es auch im
US-amerikanischen Spielfilm „Spotlight“. Das Loblied auf den Qualitätsjournalismus beleuchtet die
Presse als vierte Gewalt samt all ihren Tugenden
der alten Schule. Das auf einer wahren Geschichte
beruhende Drama legt die Enthüllung des Missbrauchsskandals der katholischen Kirche dar und
unterstreicht die Bedeutung der Presse und ihrer
Kontrollfunktion.
Als Marty Baron (Liev Schreiber) 2001 die Position
des Chefredakteurs beim Boston Globe übernimmt,
beauftragt er das Team Spotlight, bestehend aus
vier Journalisten, den Fall eines katholischen
Priesters und dessen mehrfachen Missbrauchs an
Kindern genauer unter die Lupe zu nehmen. Als
Außenseiter aus Florida, mischt Baron den tristen
Redaktionsalltag unter Neonleuchten auf. Eine
Zeitung funktioniert seiner Auffassung nach dann
am besten, wenn sie allein und unabhängig vom
manipulativen Rest arbeitet.
Im Laufe der investigativen Langzeitrecherche
stößt das Team auf immer weitere Hinweise, dass
es sich bei dem Verbrechen um keinen Einzelfall
handelt und der Skandal bis in das System der Kirche vordringt. Allesamt katholisch erzogen, agieren die Journalisten Michael Rezendes (Mark Ruffalo), Sascha Pfeiffer (Rachel McAdams) und Matt
Carol (Brian d’Arcy) mit Teamleiter Walter „Robby“
46
Robinson (Michael Keaton) als Mitglieder einer
Gesellschaft, deren Fundament von der Recherche
maßgeblich erschüttert wird.
„Get it first, but first get it right”
Angespornt von persönlicher Betroffenheit und
vom Berufsethos, wühlt sich Team Spotlight durch
Schriftdokumente, Versetzungslisten und zuvor
uneinsehbare Gerichtsunterlagen, um an Informationen zu gelangen. Geduldig pilgern sie von
Haus zu Haus um Betroffene ausfindig zu machen.
Gespräche mit Opfern und Anwalt Mitchell Garabedian (Stanley Tucci) unterstreichen das von Kirche
und Gesellschaft totgeschwiegene Ausmaß der
Verbrechen.
In einem Zwiespalt zwischen Glaube und Heimat,
Vertrauen und Macht inszeniert Tom McCarthy
seine Journalisten geschickt als die Helden der
Geschichte.
Bild: YouTube/User_KinoCheck (Screenshot)
Investigative Langzeitrecherche: Team Spotlight
In einem Ausblick am Ende des Films wird deutlich,
dass auch in der Realität die Errungenschaften der
Journalisten nicht nur die weitere Recherche in
Boston, sondern auch die Hinterfragung der katholischen Kirche weltweit beeinflussten.
Bis heute wird weltweit an der Aufklärung weiterer
Fälle gearbeitet. Die Liste betroffener Gemeinden
wird immer länger. Das Team des Boston Globe
erhielt 2003 den Pulitzer-Preis für die Enthüllung
des Skandals. Eine verdiente Auszeichnung, wenn
man sich Pulitzers Worte ins Gedächtnis ruft: „Die
Presse mag ausschweifend sein. Aber sie ist das
moralischste Werkzeug der Welt von heute. Durch
die Furcht vor der Presse werden mehr Verbrechen,
Korruption und Unmoral verhindert als durch das
Gesetz.“
die Kindernachrichten „logo!“ habe er hingegen schon als Sechsjähriger als unter seinem Niveau empfunden. +++ Man munkelt weiter, sein
47
Journaille
Neue Perspektiven für die
Zukunft des Journalismus
von Duygu Aksoy
Kann es einen Journalismus geben, der über Probleme und negative
Ereignisse nicht nur berichtet, sondern gleichzeitig konstruktive
Lösungsvorschläge anbietet? Kann es nicht? Denkste! Mit diesem
Leitgedanken wirbt jedenfalls das neue Online-Medium ,,Perspective Daily“. Ein Mitarbeiter der Plattform hat uns die wichtigsten
Fragen zum neuen Angebot beantwortet.
Das Konzept ist jung und innovativ – so
wie die Gründer selbst.
Maren Urner und Han Langeslag, zwei Neurowissenschaftler aus Münster, haben sich lange intensiv mit der Frage beschäftigt, wie die Gesellschaft
an ihre Informationen gelangt und wieso gerade
wichtige Themen wie etwa der Klimawandel selten auf Seite eins landen. Beide haben bereits
journalistische Erfahrungen gemacht und sind der
Meinung, dass es dem bestehenden Journalismus
an Perspektiven fehle. Daher machen sie sich stark
für einen Journalismus, der nicht nur Probleme
wälzt, sondern versucht, konstruktiv an diese heranzugehen und Lösungen dafür anzubieten.
Wie das gelingen soll? Es soll nicht ausschließlich
positiv berichtet, sondern zukunftsorientiert auf
negative Ereignisse eingegangen werden. Allgemeines Ziel ist es, die Menschen zum Nachdenken
und eigenständigen Handeln anzuregen, um somit
einen höheren gesellschaftlichen Austausch zwischen ihnen zu ermöglichen. Sie gründeten daher
im Frühjahr 2015 das Online-Magazin Perspective
Daily.
Positiver Journalismus vs. Konstruktiver
Journalismus
Im Gegensatz zum „positiven Journalismus“, quasi
einem Gute-Laune-Journalismus, will man bei Perspective Daily also in klassischer journalistischer
Tradition Themen mit hoher gesellschaftlicher Re-
levanz ansprechen. Dabei jedoch, und das ist eben
das ,,Neue“, Zusammenhänge und Hintergründe
so beleuchten, dass eine höhere Handlungsbereitschaft in der Gesellschaft erzeugt wird.
Es sei bewiesen, so die beiden Gründer, dass das
Interesse, sich über gewisse Themen weiter zu informieren und sogar anderen Menschen davon zu
erzählen, besser über positive als über negative
Reize geweckt wird. Im Klartext heißt das: Wer Anreize bekommt, Dinge verändern zu können, denkt
positiver und wird entsprechend aktiver. Die Frage,
die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist nur:
,,Wie kann es nach einer negativen Nachricht, einem negativen Ereignis weitergehen?“
Welche Themen werden angesprochen?
Die Auswahl der Themen auf Perspective Daily
ist bunt gemischt und geht verschiedenen Fragestellungen, zum Beispiel nach dem erfolgreichen
Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen oder
den Bestrebungen nach einer gesunden und glücklichen Zukunft auf den Grund.
Die Ideen für die Texte stammen von den Autoren und Gastautoren und werden laut Aussagen
von Bernhard Eickenberg, einem Mitarbeiter der
Plattform, in den Redaktionssitzungen näher besprochen und ausgearbeitet. Dabei werden auch
explizite Themenvorschläge von Mitgliedern aufgenommen.
Mitglieder? Tatsächlich können fertige Berichte
Bild: PerspectiveDaily (Screenshot)
nur von zahlenden „Mitgliedern“ von Perspective
Daily aufgerufen werden. Diese können die Texte
jedoch mit Freunden teilen – dann können auch
Nicht-Mitglieder sie lesen. Weitere Funktionen bleiben Nicht-Mitgliedern allerdings verwehrt.
Finanziert wird das Ganze über eine mittlerweile abgeschlossene Crowdfunding-Kampagne. Das
Ziel der Gründer, mindestens 12.000 Menschen für
ihre Sache zu gewinnen, die bereit sind, einen Jahresbeitrag von 42 Euro für die Nutzung der Plattform zu zahlen, wurde schnell erreicht.
Nach Angaben von Eickenberg sind es mittlerweile
bereits über 14.000 zahlende Mitglieder.
Der Beitrag ist seit dem Start der Plattform Mitte
Juni auf 60 Euro angestiegen.
Gibt es auch prominente Unterstützung?
Nora Tschirner, die im Zusammenhang mit Perspective Daily oft erwähnt wird, ließ sich für die Idee
der Plattform begeistern und wirkte intensiv bei
der Unterstützung der Kampagne mit – etwa in
Werbevideos.
Wer in Zukunft also gerne (journalistische) Anregungen für Lösungen gesellschaftlicher und individueller Probleme erhalten möchte, für den könnte
Perspective Daily eine gute Alternative zu den
gängigen Mainstream-Medien sein.
Vater hätte ihm immer aus der „Zeit“ vorlesen müssen. +++ Man munkelt, über Nick Jackob würde viel gemunkelt. +++ Man munkelt, er
Journaille
48
Die Bravo für Fortgeschrittene
von Pauline Bieske
In der Zeitschrift „SmartWoman“, dem „Praxisheft für alle
Frauen, die mitten im Leben stehen“ dreht sich alles um Technik. Sollte man jedenfalls meinen. Denn damit wirbt der Verlag.
Doch das Magazin erweckt eher den Eindruck, eine weitere
Frauenzeitschrift à la Bild der Frau oder Brigitte zu sein: Das
Cover verspricht Tipps für den gesunden Schlaf und einen fitten Start in den Sommer.
Was ist überhaupt ein Notebook? Wie funktioniert
dieses Smartphone? Was ist WhatsApp? Und wie
mache ich eigentlich meine Tastatur richtig sauber? Diese und noch mehr Fragen versucht das
neue Magazin SmartWoman aus dem Hause Weka
Media Publishing für die Frau ab 50 zu klären. Ist
so etwas wirklich nötig? Als Digital Native kaum
vorstellbar.
„Welcher Smartphone-Typ bin ich?“
In der Rubrik Trends werden Produkte rund um
Technik und Lifestyle vorgestellt – vom im Internet
selbst gestalteten Parfum bis zur Kaffeemaschine
mit Smartphone-Anbindung. Beim Lesen kommt an
vielen Stellen das Gefühl auf, statt eines Technikmagazins für 50- bis 65-Jährige die Bravo in der
erinnert doch stark an Tests im Bravo-Format wie
„Welcher Youtuber bist du?“ oder „Welcher Junge
passt zu mir?“.
In der Kategorie „Leben und Genuss“ werden die
besten Apps zum Abnehmen vorgestellt. Dabei
darf natürlich das Fitnessarmband nicht fehlen.
Dieses gibt es für ein „glänzendes Feeling“ mit
Swarovski-Kristallen bestückt, muss schließlich auch
zum Operngang passen. Neben dem Anpreisen
des Beauty-Gels zur Straffung des Bindegewebes,
hat SmartWoman auch gleich die Anleitungen zu
passenden Fitness-Übungen wie Twist-Crunches
parat. Natürlich gut bebildert mit Frauen, die frischer aussehen als die frischesten Publizistikstudentinnen.
Aber selbstverständlich bietet das „Technikmagazin“ auch wirklich Themen für die Frau ab 50.
Da wäre zum Beispiel ein Artikel zu Deutschlands
größter Rentnermesse „Die 66“. Auch dabei:
eine Erklärung zum Anpassen der Kontraste und
Schriftgrößen bei Firefox oder das Advertorial zum smarten Hörgerät, das die
Geräusche vom iPhone empfängt.
„Schlieren und Krümel ade“
Bild: SmartWoman
„Welcher Smartphone-Typ bin ich?“: Für alle Unentschlossenen: der sichere Weg zum Mobiltelefon
Hand zu haben. Denn SmartWoman stellt nicht nur
das „coole“ Smartphone, sondern auch die „angesagten“ YouTube-Hits vor. Zu den Kaufberatungen
für Notebook und Smartphone gibt es selbstverständlich auch den passenden Psychotest:
„Welcher Smartphone-Typ bin ich?“. Huch?! Das
Zwischen all den Lifestyle-Themen lässt
sich tatsächlich auch Nützliches finden.
Unter anderem Stromspartipps, ein Lexikon mit
Fachbegriffen und zugehöriger Lautschrift rund
um den Computer sowie Erklärungen zum Einrichten des neuen Notebooks oder Smartphones.
Dabei wird alles bilderreich erklärt. Vom Einlegen
der Sim-Karte und der Einrichtung des Smartphones
bei iOS oder Android bis hin zum richtigen Aufklappen des Notebooks und den wichtigsten Programmen für den PC. WhatsApp, Instagram und Co.
dürfen ebenfalls nicht fehlen. Wie könnte Frau sich
denn sonst zum „After-Work Drink“ verabreden
oder die Freundinnen mit Urlaubsfotos neidisch
machen? Das war aber noch nicht alles. Denn die
pflichtbewusste (Haus-) Frau braucht unbedingt
Tipps, wie „Schlieren und Krümel“ auf Smartphone und Notebook besiegt werden. Da gäbe es zum
Beispiel den USB-Staubsauger für die Tastatur
oder den Smartphone-Stift mit Reinigungsspray
und Wischfläche.
Bild: SmartWoman
Für alle mit Englischproblemen: SmartWoman
bietet auch ein Lexikon mit Lautschrift (über die
Aussprache des Wortes „Facebook“ wundern wir
uns doch sehr, Anm. d. Red.).
Kurz gesagt, wenn Ihr mal wieder keine Lust
habt, Eurer Mutter oder Oma die Funktionalitäten
eines Smartphones näherzubringen, kauft ihr die
SmartWoman. Aber vielleicht solltet Ihr dann doch
lieber die Seite rausreißen, auf der Instagram
erklärt wird. Nur so zur Sicherheit. Nicht, dass Ihr
Euch später noch für Eure halbnackten Fitnessoder Zigarette-und-Kaffee-Frühstücks-Fotos rechtfertigen müsst. Vermutlich solltet Ihr dann doch
alle Seiten, bis auf die mit den Erklärungen der
wichtigsten Geräte, rausreißen. Bevor Eure liebe
Verwandtschaft demnächst in den Fitnesswahn
verfällt und euch Schlafanalysegeräte zum Geburtstag schenkt.
laufe Oli Quiriung damit langsam den Rang ab. +++Man munkelt, dieser habe sich aus dem Munkler-Geschäft zurückgezogen. +++Man
49
Die Autoren
#verafake
Mit dem #verafake sorgte Moderator Jan Böhmermann im Mai 2016 für mediales Aufsehen. Er hatte erfolgreich zwei Schhauspieler in das RTL-Reality-Format „Schwiegertochter
gesucht“ eingeschleust und damit aufgedeckt, wie hinter den Kulissen wirklich gearbeitet
wird. Was Böhmi kann, können wir schon lange! In bester Günther-Wallraff-Manier zeigen
unsere Autoren, wie sie sich bei RTL einschmuggeln würden.
Duygu Aksoy - die verspielte Vielreisende
schreibt in dieser Ausgabe das erste Mal
für den Publizissimus und studiert nebenbei Publizistik und Politikwissenschaften
im ersten Semester. Mit Freunden aus über
20 Nationen bezeichnet sich die Studentin
selbst gerne als Kosmopolitin. Für ihren
Auftakt hat sich die humorvolle Hessin mit
dem neuen Online-Medium ,,Perspective Daily“
befasst und ist ganz gespannt darauf, auch
für weitere Ausgaben des Publizissimus
die Feder schwingen zu dürfen.
Sophia Allenstein hat in dieser Ausgabe das erste Mal an einem Publizissimus-Artikel mitgetüfftelt und dafür
dem journalistischen Neuzugang am
IfP, Tanjev Schultz, eifrig Löcher in den
Bauch gefragt. Ob sie undercover auch so
engagiert wäre? Fragwürdig, denn ihre
schauspielerischen Fähigkeiten reichen
über ein Pokerface von streitbarer Qualität
nicht hinaus.
In diesem Semester zum letzten Mal beim
Publizissimus dabei ist Johannes Beckert.
Nach nunmehr fünf Jahren Schreiben, Idee
und Ausgestaltung sowie Layout wechselt
er im Wintersemester auf die andere
Seite. Bemunkelt statt gemunkelt lautet
dann wohl die Devise. In dieser Ausgabe
berichtet er über die Bachelor-Reform und
zusammen mit Sarina über Missstände
auf dem Campus. Sich bei „Schwiegertochter gesucht“ einzuschleichen wäre für den
juvenilen Johannes ein Klacks: ungepflegter Bartwuchs, eine Woche nicht waschen;
zack, feddich - Assi-TV!
Selina Beckmann ist dieses Semester
zum ersten Mal beim Publizissimus
dabei und hat gem einsam mit Laura den
Publizissimus-Preis an Frau Hueß vergeben. Sie studiert im 2. Semester PoWi und
Publizistik und wenn sie nicht gerade in
der Uni ist, singt sie gerne oder amüsiert sich über „Qualitätsfernsehen“
bei RTL. Um sich bei „Schwiegertochter
gesucht“ einzuschleichen, würde sie sich
als die feinfühlige, fantasievolle Fanny
verkleiden, deren Lieblingstiere Flamingos
(wie auf der Bluse) sind.
Mit einem „Herz für Tiere“ verbringt
Saskia Bender ihre träumerischen Tage
am liebsten auf ihrer märchenhaften
Meerschweinranch #verafake. Neben
ihrer Liebe für Tiere und alles was flauschig ist, ist die Publizistik- und Filmstudentin „verrückt nach Meer“, Tierdokus
und Mate. Flauschig wird es auch auf ihrer
Suche nach dem Ursprung von #whomademyclothes. Zusammen mit Greta nimmt
sie – ganz investigativ –die Filme
SPOTLIGHT und DIE LÜGEN DER SIEGER
genauer unter die Lupe.
Die charismatische Chantal Berg ist
zum ersten Mal beim Publizissimus
dabei. Sie studiert im dritten Semester
Publizistik und Wirtschaftswissenschaften und kommt ursprünglich aus dem
kuscheligen Ketsch, das beim mitgenommenen Mannheim liegt. In ihrer Freizeit macht sie gerne Sport, vor allem
Leichtathletik und trägt außerdem
gerne Leoparden Mäntel.
munkelt, ein wildes Pikachu sei auf den Fluren des IfP gesichtet worden. +++ Man munkelt, Pablo Jost sei auf der Publiparty von einer Stu-
Die Autoren
50
Pauline Bieske, die absolute Anfängerin, studiert Publizistik und WiWi im
ersten Semester. In ihrem Debütartikel
für den Publizissimus hat sich die Hessin
mit Frauen und Technik beschäftigt und
die neue Zeitschrift smartWoman unter
die Lupe genommen. Übrigens muss sie
noch nicht mal in die Zoohandlung, um
sich Schildkröten anzusehen, sie besitzt
nämlich selbst welche.
Melina Bosbach studiert nun im fünften Semester Publizistik und PoWi. Leider
fühlt sie sich momentan nicht ganz so
heimisch an der Uni, weil sie mitten im
Praktikum steckt. Trotzdem ließ sie es sich
nicht nehmen, wieder die Schreibfeder
zu zücken für den wunderbaren Publizissimus, der sich im Vergleich zu anderen
Medienformaten die Ehrlichkeit bewahrt
hat. #verafake.
Die einsame Entensammlerin Nina Brückner studiert Publizistik und Kunstgeschichte im zweiten Semester. Sie ist ein echter
Neuling beim Publizissimus. In dieser
Ausgabe widmet sie sichder LivestreamApp Periscope und geht dabei vor allem auf
Kritikpunkte ein. Ihr großer Traum ist es,
eines Tages die Texte der Off-Sprecherin
bei „Bauer sucht Frau“ zu schreiben.
Seit Jahren in der Publizissimus-Redaktion,
versucht sich die vergnügte Viola Granow
in diesem Semester mit einem anschmiegsamen Accessoire bei „Schwiegertochter
gesucht“ einzuschleusen: Die schläfrige
Schildkröte Schildi. Wenn die verschmitzte
Viola sich nicht gerade um ihre zauberhafte
Zukunft im quicklebendigen Qualitätsfernsehen sorgt, interviewt sie gerne dynamische
Dozenten für den putzigen Publizissimus: In
dieser Ausgabe spricht sie mit dem besonnenen Benno Vierebl vom Arbeitsbereich UK.
Laura Hennemann schreibt zum ersten Mal für den Publizissimus. Sie studiert Publizistik und Politikwissenschaft
im 2. Semester. Zusammen mit Selina
hatte sie die Ehre, Frau Hueß den begehrten Publizissimus-Preis zu überreichen.
Bei „Schwiegertochter gesucht“ wäre sie
die liebenswürdige Leseratte Laura, die
lustige Literatur liest und gerne lacht.
Die pfiffige Publizistikstudentin Jessica
Hofacker studiert neben Publizistik,
American Studies im 3. Semester. Sie
stammt aus dem rauen Ruhrgebiet und hat
Mainz als ihre neue Heimat ins Herz geschlossen. Die freundliche Festivalfreundin ist das erste Mal beim Publizissimus
mit dabei. Ihre Freizeit verbringt sie am
liebsten mit reisen um Kulturen und Komfort kontrastreicher Länder zu entdecken.
Die eloquente Elisa Kautzky studiert im
2. Semester Publizistik und schreibt jetzt
zum zweiten Mal für den preisverdächtigen Publizissimus. Die freiheitsliebende
Frankreichfanatikerin ist extra für das
stressige Studium in die nennenswerte
Neustadt gezogen und hat dort die eifrigen
Ex-Studenten und Inhaber der „Neustadt
Apotheke“ interviewt.
Die reptilienliebende Räubertochter Sarina Metzger ist ein großer Fan von
Schildkröten, Echsen, Ikea-Schlangen und
Co., fast wie ihr großes Vorbild Robin, der
es ja bereits zu Schwiegertochter gesucht
geschafft hat. Bis es für Sarina soweit ist,
und ihr durch die Sendung das große Geld
winkt, bleibt sie weiterhin ihrem Lieblingsmagazin, dem Publizissimus, treu. Dieses
Jahr durfte sie für ihre Artikel ein wenig
rumnörgeln und sich mit dem jungen Angebot von ARD und ZDF beschäftigen.
dentin für einen Kommilitonen gehalten worden.+++ Man munkelt, weil er sein Bier nicht trinken wollte.+++ Man munkelt, hä?+++ Man
51
Die Autoren
Die eifrige Eisenbahn-Entdeckerin Elisabeth
(uff!) Neuhaus ist am liebsten auf wenig befahrenen und eingleisigen Zugstrecken in der
Peripherie unterwegs. Egal ob Diesel- oder
Elektrolok: Von den nützlichen Nahverkehrsmitteln kann sie einfach nicht genug kriegen.
Im heimeligen Rheinland-Pfalz hat die passionierte Publizissimus-Chefredakteurin, die
inzwischen schon zum achten Mal dabei ist,
bereits einige Bahn-Trassen abgeklappert, darunter die Hunsrückbahn zwischen Boppard
und Emmelshausen.
Wer sind die Mainzer Studis und was macht
sie aus? Dieser Frage ist PublizissimusNeuling Thanh Dung Nguyen („Sung“) in
dieser Ausgabe nachgegangen. Zusammen
mit Alexander hat er im Zuge ihres Projekts Campus Views Mainzer Studenten ganz
spontan angesprochen, fotografiert und
interviewt. Und wenn der selbstironische
Dung nicht gerade Publizitik und Soziologie
im vierten Semester studiert, verwandelt er
sich an freien Wochenenden in den Häuptling
eines Indianerstamms. #verafake
Auch in diesem Jahr wieder mit von der Partie,
versucht sich Greta Pässler nun als ferkelliebende Filmkritikerin in den Publizissimus zu
schmuggeln (#ferkelfake). Zusammen mit Publizissimus-Frischling Saskia nimmt sie für die Rubrik
„Medien in den Medien“ den investigativen Journalismus wie Hollywood ihn eben so kennt unter
die Lupe. Schrecklich schweinisch findet sie falsche
Bescheidenheit, die ihr zunehmend in den sozialen
Medien begegnet. Aus Gründen der Authentiziät
hat sie sich deshalb für ihre zweite Runde beim
Publizissimus extra einen Bart wachsen lassen.
Die lebenslustige lässig lakonische Lotta
Pommerien studiert nun im zweiten Semester Publizistik und Politik und freut sich
auch dieses Mal für den Publizissimus sch
reiben zu können. In Ihrem lapidaren Lottaleben legt sie viel Wert auf kleine Dinge.
Henrik Rampe, der hartgesottene Hobbylandwirt, ist zum zweiten Mal beim
Publizissimus dabei. In dieser Ausgabe
traf er sich mit Prof. Tanjev Schultz zum
Interview. Ohne auf die Bremse zu steigen,
pflügte und fragte er sich durch den Fragenacker und erntete unerwartete Antworten.
Auch in diesem Semester galt es für
Elena Reinhard, die letzte Seite des
beliebten Blattes der Mainzer Publis mit
viel Witz und Humor zu illustrieren. Mit
allerliebstem Augenaufschlag und haarsträubendem Haarschmuck berichtet die
Viertsemestlerin dabei von allerlei Anekdoten aus dem Leben eines Publis, der
doch auch gerne mal Fachidiot sein möchte. Im echten Leben schaut Elena gerne
billige RTL-Formate oder probiert sich am
Zöpfe flechten.
Du möchtest mit Rebecca Reinhard,
dem werkenden Wunderweib, gemeinsam
im siebten Himmel schweben? Dann lies
ihre Kolumne auf der letzten Seite. Dafür
hat sie sich nämlich mit Fachwissen über
Publis, Kugelschreibern und Kiesbergen
eingedeckt. Denn Rebecca mag Steine. Davon hat sie nämlich ganz viele zu Hause.
Und manchmal fährt sie auch zur Kiesgrube, um sich die echten Steine anzuschauen. #truestory. #verafake.
Alexander Schulte studiert im dritten
Semester Publizistik und American Studies. Der facettenreiche Fotograf aus dem
malerischen Mannheim hat für diese Ausgabe des prestigeträchtigen Publizissimus
zusammen mit Dung die Offenheit einiger
Studenten schamlos ausgenutzt und sie
fotografiert und interviewt. Außerdem war
er beim alljährlichen Publi-Kick zugegen,
um über die konkurrenzfähigen Kicker
der Johannes Gutenberg-Universität zu
berichten.
munkelt, für die die geheimnisvolle Anzeige der „Studierendendienstleisten“ in dieser Ausgabe warte der Publizissimus noch immer auf seine
Die Autoren
52
Christin Spira studiert im fünften
Semester Publizistik und Politikwissenschaft und ist zum vierten Mal beim Publizissimus dabei. In dieser Ausgabe hat
sie das Antrittsinterview mit Nora Denner
geführt und posiert mit Hütehund Sammy
für „Schwiegertochter gesucht“ #verafake - denn wer der kuschelige Schwiegersohn werden möchte, muss zuerst an
Sammy vorbei.
Der shabby Shetlandpony-Liebhaber Tobi Tornow ist nun schon länger mit dem pummeligen
Publizissimus verbandelt. Als hurtiger #HahaRedakteur der zotteligen Zeitschrift schreibt er für
die angehende Ausgabe ein sehr spaßiges Stück.
Privat verbringt der korrekte Kommunikationswissenschaftler seine Zeit gerne mit Bügeln, Brettspielen oder Brachialhumor. Ein besonderes Herz
hat der masterstudierende Mainzer für kuschelige
Kleintiere: Moppelige Meerschweinchen, hässliche
Hamster, rasante Ratten oder märchenhafte Mäuse haben es dem tierlieben Tobi angetan.
Wie es sich für eine echte Medienstudierende
gehört, hat Lina Wattad für ihr viertes Publizissimus-Autorenbild Snapchat in Anspruch
genommen. Frei nach dem Motto Angriff ist
die beste Verkupplung hat sie mit Jan Böhmermann persönlich Gesichter getauscht. Für
die diesjährige Ausgabe hat sich Lina mit dem
bereits fest liierten Pärchen Instagram und
Fitness beschäftigt. In ihrer Freizeit schaut
sie gerne Erdmännchen beim plötzlichen
Einschlafen zu und versucht Harry Potter als
Pflichtlektüre zu etablieren.
Lisa Winter – die pflanzenpassionierte
Publizistikperle- schreibt zum zweiten
Mal für den Publizissimus und hat sich
für diese Ausgabe noch einmal intensiv
mit dem Fall Jan Böhmermann auseinandergesetzt. Neben Paragraphen- und
Gedichtsanalysen schlägt das Herz der
21-jährigen für Grünzeug jeder Art.
Bezahlung.+++ Man munkelt, Thomas Koch habe bei der Terminfestlegung der PR-Klausur fahrlässigerweise das Veröffentlichungsdatum von
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Voll Verpubliziert!
Sprechen Sie Fachidiotisch?
von Elena Reinhard & Rebecca Reinhard
Auch dieses Mal fühlen unsere Kolumnistinnen Elena und Rebecca den Alltagsgeschichten der Publis auf den Zahn. In dieser Ausgabe ergründen Sie, warum es verdammt nochmal höchste Zeit ist,
dass wir Publis uns als Fachidioten fühlen.
„Diese scheiß GEZ-Gebühren! Die braucht kein Mensch! Das ist doch pure Abzocke.“ Ganz
ehrlich, ich bin ja wirklich ein ausgeglichener Mensch. Aber wenn mir jemand so kommt… Ich
nehme all meinen Mut zusammen und beginne wieder, meinen inzwischen einstudierten ProRundfunkgebühren-Monolog herunter zu spulen: „Wer zur Hölle soll denn heute noch Qualitätsjournalismus bezahlen? Fernsehen, das nicht darauf abzielt, die Menschheit zu verdummen, ist sowieso schon knapp. Es geht sozusagen um Leben und Tod. Wir als Publis klammern
uns gerade noch so an den letzten Halm Qualität, der im deutschen Fernsehen zu finden ist.
Bitte, bitte lasst uns nicht untergehen und investiert in unser Überleben!“
Ich werde ziemlich schräg angeschaut nach diesem melodramatischen Monolog. Sorry Leute, wenn es um Journalismus geht, bin ich etwas empfindlich. Wenigstens habe ich etwas aus
meinem Studium mitgenommen, endlich habe ich eine Meinung! Und überhaupt – mich beschleicht das Gefühl, dass Publi-Studium ergreift mehr und mehr Besitz von mir.
Ich fange zum Beispiel an, stundenlang Zeit auf Facebook zu verbringen. Aus empirischen
Gründen natürlich. Die Erforschung von Nutzerkommentaren hat schließlich schon den einen
oder anderen Doktortitel bei uns im Institut erbracht.
Dann habe ich mich erst letzte Woche wieder dabei ertappt, wie ich eingehend das Impressum
der FAZ studierte. Schließlich interessiert mich, wer dort als Chef vom Dienst von Bürotür zu
Bürotür rennen und noch in letzter Minute Aufgaben verteilen darf.
Denn über Abläufe in Redaktionen wissen wir bestens Bescheid – zumindest in der Theorie.
Vom offenkundig sakrosankten Gatekeeper bis zum in Sphären eingebetteten (stimmt ja – Weischenbergs Zwiebelmodell!) Schreiberling haben wir wohl jeden Player im Mediensystem kennengelernt. Mit Verlaub: So kann man doch durchaus behaupten, dass die Hallen des GeorgForster-Gebäudes wahre Fachidioten produzieren.
Denn ganz ehrlich: Beim obligatorischen „ich habe irgendwo gelesen…“ fallen uns unverzüglich die Kollegen Hovland und Weiss ein und scheinen uns wohlwissend zu beteuern, dass der
Sleeper-Effekt tatsächlich existiert. Denn wie wir gelernt haben, verbannen unsere Gehirnzellen
zuallererst die Quelle eines Textes aus unseren Köpfen.
Auch letzte Woche, als ich mit einer Freundin (Medizinstudentin) Nachrichten schaute, löste
die Frage, warum zur Hölle immer nur von negativen Nachrichten berichtet würde, beinahe
Euphorie bei mir aus: „Das ist ganz einfach. Dies liegt an den zwölf sogenannten Nachrichtenfaktoren, die im Rahmen der 1965 vorgestellten Theorie von Galtung und Ruge vorgestellt
wurden. Dabei handelt es sich…“ – sofort werde ich unterbrochen. Mal wieder. Beleidigt halte
ich den Mund. Kann es etwa sein, dass unser Metier nicht genug wertgeschätzt wird?
Trotzdem ist es einfach ein herrliches Gefühl, endlich, endlich mal klugscheißen zu dürfen.
Wir Sozialwissenschaftler werden ja normalerweise höchstens höflich belächelt. Aber hey: Wir
haben’s drauf! Sind wir Publis nicht eigentlich jene klugen Köpfe, die von oben auf die Medienwelt herunterblicken und einfach alles verstehen? Zumindest glauben wir, wir hätten alles
durchblickt. Wie es in der Praxis aussieht, ist uns allen zwar noch nicht ganz klar, aber sei’s
drum. Liebe Medizinstudenten, bitte, bitte lasst uns doch auch mal schlau sein.
Pokémon GO ignoriert.+++ Man munkelt, dies könnte sich drastisch im Notenspiegel niederschlagen.+++Man munkelt, nach dem Weggang
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Mit freundlicher Unterstützung des
von Sascha Himmelreich sei das IfP nun nahezu rauchfrei.+++ Man munkelt, die Riverboat Shuffle habe das Gegenteil bewiesen. +++