Wild Thing

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Wild Thing
Kapitel 1 - Jäger und Gejagte
Joleen betrat die Spielbank durch den kleinen
Eingang für die Angestellten. Schnell ging sie durch den
kahlen Korridor zu den Umkleideräumen, wo sie ihre
Jeans und das Sweatshirt gegen eine schwarze Hose,
eine weiße Bluse und ein kurzes Jackett tauschte.
Geschickt nahm sie ihre langen, roten Haare zu einem
Pferdeschwanz zusammen, damit sie ihr nicht ständig
ins Gesicht, oder noch schlimmer den Gästen in die
Getränke, fielen.
Ein Blick in den Spiegel bestätigte ihr, dass sie den
Ansprüchen der Wiesbadener Spielbank durchaus
entsprach. Etwas worauf sie größten Wert legen
musste, immerhin hatte sie es zum Supervisor geschafft.
Mit einem Lächeln auf den Lippen ging sie zu ihrem
Arbeitsplatz, auch hier benutzte sie dabei die Wege
hinter den Kulissen.
Ruhig sah sie sich in dem großen Spielraum mit
seinen Black-Jack- und Roulett-Tischen um, damit sie
die Anzahl der Gäste abschätzen konnte. Es war
erstaunlich voll für einen Donnerstagabend, aber das
war ihr nur Recht, es gab nichts Schlimmeres, als sich
durch den Abend zu langweilen.
Ihre Kollegen grüßte sie mit einem freundlichen
Nicken, ehe sie die Bestände kurz checkte und sich
erkundigte, ob alles glatt gelaufen sei. Eine Routine, die
sie vor gut fünf Jahren entwickelt hatte und die sich
bewährte. Auf keinen Fall wollte sie den Chef
rauskehren, so etwas passte überhaupt nicht zu ihr.
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Ihre Freundin Sandra grinste ihr vom Black-JackTisch aus zu, an dem sie ihren Dienst an diesem Abend
absolvierte. Joleen wusste genau, dass Sanny sich mehr
als alles andere wünschte, endlich an den Roulette-Tisch
versetzt zu werden. Dazu benötigte man allerdings ein
hervorragendes Gedächtnis, was sie leider nicht besaß.
Eine Bestellung lenkte sie von ihren Gedanken ab,
der Arbeitstag hatte begonnen, auch wenn es bereits
spät war und sie bis in den frühen Morgen aushalten
musste.
Die Tische summten vor Geschäftigkeit, ebenso
zahlreich erhielt sie die Getränkebestellungen. Joleen
schenkte jedem Gast ein Lächeln, nur für ausführliche
Gespräche
hatte
sie
einfach
keine
Zeit.
Erfahrungsgemäß änderte sich das nach Mitternacht,
dann kamen die Verlierer, um sich auszuweinen, falls sie
sich einen Drink noch leisten konnten.
Eine hübsche Blondine ließ sich mit ihrer Begleitung
an einem der kleinen Tische nieder, Joleen sah, wie sie
einen Sex-on-the-Beach bestellte, und holte sich
lächelnd den Shaker.
Wie sooft las sie die Bestellung von den Lippen, was
ihr einen Zeitvorteil brachte, ein Grund, warum sie die
Chefin war, zumindest was die Bar anging. Auch wenn
sie Glückspiele nicht unbedingt guthieß, arbeitete sie
wesentlich lieber in der Spielbank als in einer normalen
Bar.
Hier schlug sie sich nicht mit betrunkenen oder
aufdringlichen Gästen herum, außerdem gab es so
manchen Mann, bei dem sich ein zweiter Blick lohnte.
In der Pause setzte sie sich in den Aufenthaltsraum
für die Angestellten und ließ den Kopf kreisen, um ihre
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Nackenmuskeln zu dehnen. Eine Tasse Tee stand vor
ihr und sie war froh, dass sie im Moment mit
niemandem reden musste.
Doch dieser Augenblick verging wieder mal zu
schnell, die Tür sprang auf und ihre Freundin kam mit
einem breiten Grinsen herein.
„Na, geschafft?“, erkundigte sie sich.
Joleen nickte leicht.
„Die Bar brummt und heute sind ungewöhnlich
viele Cocktail-Bestellungen dabei, jedenfalls für einen
Donnerstag“, antwortete sie.
„Besser so, als den ganzen Abend rumzustehen“,
hielt Sanny dagegen.
Die Freundinnen schwiegen eine Weile, auch wenn
Jo sah, dass Sandra dringend mit ihr reden wollte. Als
Black-Jack-Dealer gab es kaum Gelegenheit für
Smalltalk, die Leute kamen um zu spielen und nicht um
unterhalten zu werden.
„Schieß los, ehe du platzt“, forderte Joleen sie auf.
Ein Aufblitzen glitt über Sannys Gesicht und sie
holte tief Luft.
„Ich habe den besten Mann der Welt getroffen“,
stieß sie hervor.
Diesen Satz hörte Jo jetzt seit fast vier Jahren jeden
Monat einmal. Es war immer das Gleiche, erst war es
der Volltreffer, nach einer Woche wurde er langweilig
und anschließend kam das erwartete Ende.
Sie schaffte es gerade noch, ein Stöhnen zu
unterdrücken und die Augen nicht zu verdrehen. Aber
ihre Bereitschaft sich in der Pause erneut anzuhören,
wie toll der neue Kerl war, sank rapide.
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„Du wirst ihn am Samstag kennen lernen. Er spielt
leidenschaftlich gerne Black Jack“, teilte Sanny ihr
freudig mit.
Jo nickte leicht, dann sah sie ihre Freundin
eindringlich an.
„Tu uns allen einen Gefallen und lass es dieses Mal
langsam angehen“, bat sie leise.
Etwas verletzt zuckte Sandra zusammen, ehe sie sich
zu einem Lächeln zwang.
„Er bringt seinen Freund mit und ich schwöre dir,
der ist genau deine Kragenweite. Ein gutaussehender,
älterer Mann mit exzellenten Manieren“, warf sie ein,
auch um vom Thema abzulenken.
Jetzt seufzte Jo doch genervt auf und schüttelte den
Kopf.
„Lass es gut sein. Ich bin ganz zufrieden als Single,
Sex wird definitiv überschätzt“, blockte sie hart ab.
„Jo bitte, du wirst in knappen sechs Monaten dreißig
und das letzte Desaster mit einem Partner ist schon
zwei Jahre her“, erinnerte Sanny sie direkt.
„Danke für die Info, aber ich weiß verdammt gut,
wann ich geboren bin. Immerhin war ich dabei“, zischte
Joleen.
Sie hasste es, wenn die Leute ihr vorschrieben, wie
sie zu leben hatte. Ihr gefiel es ein Single zu sein,
zumindest die meiste Zeit.
An ihre letzte Beziehung wollte sie lieber nicht
denken, es war in einer Katastrophe geendet. Von ihrer
Seite handelte es sich um echte, ehrliche Gefühle, doch
dummerweise konnte man das nicht von ihrem Partner
sagen.
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Sie hatte ihn ohne ein Wort verlassen, als sie ihn im
Bett mit einer fremden Frau erwischte. An dieser
Enttäuschung knabberte sie immer noch, nur gestand
sie es sich nicht ein.
„Tut mir leid. Er war ein Idiot, deshalb ist er es auch
nicht wert, dass du dich so zurückziehst“, murmelte
Sandra.
Es war ein ständiges Thema zwischen den
Freundinnen und Jo seufzte tief auf, wieso weigerte
Sanny sich zu akzeptieren, dass sie eben keinen Partner
wollte?
„Bitte es geht nicht um ihn, aber ich vermeide so
einfach, dass ich noch mal verletzt werde. Es reicht und
du weißt, er war nicht der Einzige, dem ich mein
Misstrauen zu verdanken habe“, antwortete sie müde,
dabei sah sie vorsichtig auf die Uhr.
„Schon klar. Kommst du morgen früh zum
Zumba?“, wechselte Sandra endlich das Thema.
Schnell nickte Jo.
„Natürlich, obwohl es wohl eher am Nachmittag
stattfindet“, bemerkte sie mit einem Grinsen.
Der Zumba-Kurs machte ihr richtig viel Spaß und
half ihr sich fit zu halten, was man ihr auch ansah.
Mit einem Meter siebzig war sie nicht gerade klein
und ihre schlanke, durchtrainierte Figur rundete das
Bild ab. Nein, an ihrem Erscheinungsbild lag es gewiss
nicht, dass sie keinen Partner hatte. Dummerweise traf
sie immer nur die Idioten, die notorischen Fremdgänger
und die Paschas.
Die Pause war zu Ende und die beiden Frauen
gingen zurück an ihre Arbeitsplätze, wobei Joleen
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überlegte, was für einen Mann sich Sandra dieses Mal
geangelt hatte.
Um Punkt vier Uhr schloss die Spielbank und die
Security bat die letzten Gäste zu gehen, was Jo
aufatmen ließ. Der Arbeitstag war lang gewesen und sie
war extrem müde. Schnell zog sie sich um und fuhr
nach Hause, wo sie ins Bett fiel.
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Logan trommelte ungeduldig mit den Fingern auf
die Lehne seines Sitzes, dabei sah er sich in dem
Innenraum des Flugzeugs um. Mit ihm flog seine
Einheit, eine Gruppe von vier kampferprobten
Söldnern, auf die er sich absolut verlassen konnte.
Sie saßen zusammen in der Maschine, die ihnen für
jeden Einsatz zur Verfügung stand. Diese Männer
waren alle Gestaltwandler und die Vorteile auf diese
Weise zu fliegen verdankten sie nicht etwa den
Menschen, sondern ihrer eigenen Regierung.
Missmutig verzog er das Gesicht, die Normalen
wussten nicht mal, dass es magische Wesen auf der
Erde gab. Außerdem wollte er sich nicht mal ausmalen,
was mit seinesgleichen passierte, wenn diese Info in die
falschen Hände geriet.
Um das zu verhindern, flogen sie ständig quer durch
die ganze Welt, denn irgendjemand schoss immer über
das Ziel hinaus. Im Moment machte ihnen ein Dämon
zu schaffen, der sie schon seit vier Monaten auf Trab
hielt. Dabei ging es nicht mal um die Menschen, die der
Kerl auf dem Gewissen hatte, sondern darum, dass er
seine Morde nicht vertuschte.
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Meistens entführte er junge Frauen, die er oft auch
zwang, für ihn als Prostituierte zu arbeiten, sobald er
seinen Bann auf sie legte. Außerdem hatte er zwei
Werwölfe in seinen Dienst gezwungen, die sich immer
dann verwandeln mussten, wenn eines der Opfer sich
wehrte. Eine perfekte Methode die Gefangenen so
einzuschüchtern, dass sie gehorchten.
Da er seine Leichen im normal Fall liegen ließ und
nur den Wohnort wechselte, gab es viel zu viele
Gerüchte und die Behörden der Menschen waren
aufmerksam
geworden.
Es
wurden
bereits
Nachforschungen angestellt, was eine große Gefahr
bedeutete. Bisher konnten sie Schlimmeres verhindern,
aber sie durften kein Risiko eingehen und mussten
diesem Mistkerl das Handwerk legen.
„Hey Logan, nervös?“, fragte sein Kumpel David,
der auch der Anführer der Truppe war.
„Nicht wirklich, es geht mir nur auf die Nerven,
ständig zu spät zu kommen. Ich hoffe, dass unsere
Spione dieses Mal schnell genug waren“, antwortete
Logan mürrisch.
„Sie tun was sie können und das letzte Mal in
Spanien ist er uns nur ganz knapp durch die Lappen
gegangen“, erinnerte David ihn.
Vor gut einer Woche stürmten sie eine noble Finca
in der Nähe von Alicante, doch sie fanden nur die
Überreste einer Frau, grausam verstümmelt. Allerdings
deutete alles daraufhin, dass sie ihn nur um ein paar
Stunden verpasst hatten.
„Er lacht sich bestimmt tot über unsere
Bemühungen“, knurrte Logan, dann lehnte er sich
zurück und schloss die Augen.
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Die Maschine landete pünktlich um zehn Uhr in
Berlin, wo schon ein schwarzer Van bereitstand.
Schnell packten die Männer ihre Rucksäcke und
verließen diszipliniert das Flugzeug. Den Zoll brachten
sie auch ohne Vorfälle hinter sich, zumal sie ihre
Kampfuniformen in den Taschen hatten und jetzt
unauffällige Jeans und Shirts trugen.
Waffen brauchten sie nicht, da jeder im Nahkampf
geschult war und zusätzlich die Fähigkeiten seines
inneren Tiers nutzte. Außerdem half es nichts, gegen
einen Dämon eine Handfeuerwaffe einzusetzen, es sei
denn, man nahm einen Flammenwerfer und so ein
Gerät zog zu viel Aufmerksamkeit auf sich.
Ihre Aufgabe bestand darin, den Bastard von
Dämon einzufangen und ihn in ihr Hauptquartier nach
Irland zu bringen. Dort konnte man ihn eliminieren,
falls es nötig war, oder man schickte ihn in seine
Dimension zurück.
Zusammen mit seiner Einheit bezog Logan eine
Wohnung am Rande von Berlin, hier würden sie ihre
Einsätze planen und auch leben, jedenfalls solange sie
ihren Auftrag nicht beendet hatten.
„Pack eure Sachen weg, ich besorge uns was zu
essen und wir sehen uns in einer halben Stunde zur
Lagebesprechung“, rief David, als sie die Wohnungstür
schlossen.
Jeder war angespannt und kannte nur ein Ziel, diesen
Drecksack endlich zu fangen.
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~~°~~
Joleen wachte schon am späten Vormittag auf und
streckte sich. Müde rieb sie sich über die Augen, in der
letzten Zeit schlief sie nicht mehr so gut und war viel
zu früh munter. Vielleicht brauchte sie wirklich eine
Pause, aber die Aussicht den Urlaub hier in ihrem
Appartement zu verbringen, war nicht gerade
verlockend.
Einen Moment überlegte sie, ob sie einen
Pauschalurlaub irgendwo im sonnigen Süden buchen
sollte, doch alleine fand sie es nicht sonderlich spaßig.
Schnell schob sie die Überlegungen zur Seite, schlug die
Decke zurück und stand auf.
In der Küche stellte sie den Wasserkessel auf und
mischte sich ein Müsli zusammen. Ihre Gedanken
schweiften zu dem Gespräch mit Sanny, unwillkürlich
runzelte sie die Stirn. War es vielleicht klug auf den Rat
ihrer Freundin zu hören und sich nach einem Freund
umzusehen?
Einerseits wünschte sie sich einen Mann, an den sie
sich anlehnen konnte, aber andererseits hatte sie die
Nase voll davon, verletzt zu werden.
Mit ihrem Tee und dem Frühstück setzte sie sich an
den Küchentisch und ließ ihren Träumen freien Lauf.
Irgendwie war sie unruhig und wusste nicht warum.
Außerdem machte sie sich Sorgen um Sandra.
Sanny kam alle paar Wochen mit einem neuen
Liebhaber an und genauso schnell trennte sie sich aus
fadenscheinigen Gründen. Irgendwann würde sie an
den Falschen geraten und das wollte Joleen nicht
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mitbekommen. Sie nahm sich fest vor, nach dem
Zumba-Training mit ihr zu sprechen.
Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie noch massig
Freizeit hatte, deshalb beschloss sie, die Sonne auf
ihrem Balkon ein wenig zu genießen.
Mit einem spannenden Roman setzte sie sich raus,
einen Moment drehte sie den Kopf den wärmenden
Strahlen entgegen und schloss die Augen. Es war
Anfang Mai und das Frühjahr meinte es verdammt gut
mit ihnen, was ihr gerade Recht kam. Joleen hasste
Kälte in jeder Form.
Schnell vertiefte sie sich in das Buch, dabei vergaß
sie völlig die Zeit. Ihr Smartphone riss sie aus der
Geschichte und sie brauchte einen Augenblick, ehe sie
zurück in die Realität fand.
„Parker“, meldete sie sich ein wenig atemlos, da sie
in den Flur gerannt war, wo das Gerät lag.
„Hi Süße, ich muss dir unbedingt was sagen“,
ertönte Sannys Stimme.
Abwartend horchte Joleen, da sie diese Euphorie
bereits kannte, bestimmt hatte ihre Freundin die
elegantesten Stiefel der Welt gefunden oder die Jeans,
die sie ihr ganzes Leben lang gesucht hatte. Ein Grinsen
schlich sich auf ihr Gesicht, sie durchschaute Sandra
einfach zu schnell.
„Sie kommen heute schon“, rief sie aufgeregt.
„Wer kommt? Und wohin?“, hakte Jo leise nach.
Sie hatte überhaupt keine Ahnung, wovon Sanny
sprach, daher wartete sie geduldig, bis sie eine Antwort
bekam.
„Na Jörg, mein neuer Freund und sein Kumpel
Matthias. Ich hab dir doch gestern von ihnen erzählt.
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Sie besuchen uns später in der Spielbank. Bitte Süße tu
mir einen Gefallen und mach was aus dir. Ich wette,
Matthias ist genau dein Typ“, klärte sie Joleen auf.
Ein leises Seufzen entkam ihr, aber sie hatte sich
schnell wieder unter Kontrolle. Sie würde an diesem
Abend ihre Bar-Uniform tragen und nichts anderes
kam infrage. Natürlich legte sie etwas Make-up auf,
dezent, genauso wie ihr Arbeitgeber es schätzte, nicht
mehr und nicht weniger.
„Hör schon auf. Du bietest mir den Mann an, wie
saures Bier“, murmelte Jo und seufzte erneut auf.
„Ich möchte doch nur, dass wir endlich mal zu viert
ausgehen können. Außerdem will ich, dass du glücklich
bist und nicht so alleine“, verteidigte Sanny sich.
„Ich weiß, Liebes, aber ich bin alt genug, dass ich
selbst entscheiden kann, ob ich Single bleibe oder eben
nicht“, hielt Jo dagegen.
„Sieh ihn dir einfach mal an, dann wirst du sehen,
dass er genau der Richtige für dich ist“, bat Sandra jetzt
wieder.
„Wenn er in die Spielbank kommt und etwas trinkt,
werde ich ihn auf jeden Fall bemerken“, erinnerte
Joleen sie lachend.
Die Freundinnen verabschiedeten sich, da sie beide
vorher essen wollten, ehe sie sich zum Zumba
wiedersahen.
Nachdenklich legte Jo das Buch weg. Es war nicht
das erste Mal, dass Sanny ihr einen Mann aufschwatzte,
aber dieses Mal war sie wirklich penetrant. Merkte man
ihr so sehr an, dass sie alleine war?
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Immer noch mit diesen Gedanken beschäftigt holte
sie sich einen Salat aus dem Kühlschrank und wärmte
sich die Reste vom Vortag auf, Chicken Tikka.
Nachdem sie gegessen hatte, räumte sie die
Wohnung auf, dann zog sie ihre Sportsachen an und
machte sich auf den Weg ins Sportstudio.
Vor der Tür traf sie Sandra, die sie herzlich umarmte
und vor Glück strahlte. Vielleicht hatte sie dieses Mal ja
wirklich den passenden Mann gefunden?
Der Trainer ließ ihnen keine Zeit zum Reden und so
schoben sie ihr Gespräch auf später. An dem
Nachmittag waren sie mit zehn Frauen, die der neuen
Choreografie folgten.
Joleen war nicht ganz bei der Sache und kam ein paar
Mal aus dem Takt oder verpatzte eine Schrittfolge,
trotzdem kam sie mächtig ins Schwitzen. Ihr
Zumbatrainer Tjark grinste sie nur an, sie kannten sich
schon aus der Schule und er wusste genau, dass
irgendwas sie beschäftigte.
Jo lächelte zurück, schob die wirren Gedanken von
sich und bewegte sich einen Tick schneller, um nicht
wieder den Wechsel zu verpatzen.
Nach einer guten Stunde beendete Tjark das
Workout, außer Atem gingen die Frauen zu ihren
Taschen, um etwas zu trinken.
„Kommst du mal?“, bat der Trainer Jo jetzt.
Lächelnd nickte sie ihm zu und schlenderte die paar
Schritte zu ihm, fragend sah sie ihn an.
„Alles in Ordnung mit dir? Du scheinst heute
meilenweit weg zu sein“, erkundigte er sich besorgt.
Schnell schüttelte sie den Kopf und legte eine Hand
auf seinen Arm.
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„Keine Sorge, ich bin nur ein wenig müde. Die
Nachtschichten sind nicht gerade ein Zuckerschlecken
und im Moment ist wirklich viel los“, beruhigte sie ihn.
„Wenn was ist, du hast meine Telefonnummer“, bot
Tjark freundlich an.
„Danke, ich werde mich melden, falls ich Hilfe
brauche oder reden möchte“, damit küsste sie ihn auf
die Wange.
Sanny wartete schon am Ausgang auf sie und hakte
sich bei der Freundin unter, als sie zum Parkplatz liefen.
„Sandra, ich muss mal mit dir sprechen“, begann Jo,
als sie an den Autos angekommen waren.
Fragend sah die andere Frau sie an.
„Ich mache mir Sorgen. Du kommst jede dritte
Woche mit einem neuen Mann an, irgendwann triffst du
auf den Falschen und dann?“, wollte Joleen wissen.
„Willst du damit sagen, dass ich eine Schlampe
bin?“, zischte Sandra, dabei schossen ihre Augen Blitze.
Jo zuckte innerlich zusammen, sie hatte völlig
verdrängt, wie empfindlich ihre Freundin war, wenn es
um ihre Person ging. Umgekehrt hatte sie diese
Bedenken natürlich nicht, sie posaunte ihre Meinung
immer gerade heraus.
„So war das nicht gemeint. Ich habe einfach nur
Angst um dich“, versuchte Jo sie zu besänftigen.
„Musst du nicht, Jörg ist ganz bestimmt der Richtige.
Ich bin mir absolut sicher, weil ich noch nie so einen
Mann getroffen hab“, blockte sie ab und ihr Gesicht
strahlte.
Seufzend umarmte Joleen die Freundin, dann stieg
sie ins Auto. Es brachte nichts einen Streit vom Zaun
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zu brechen, Sandra sah ihre Fehler nie ein und vielleicht
hatte sie dieses Mal ja wirklich Glück.
Zuhause angekommen duschte Jo gründlich und
machte sich für die Arbeit fertig. Im Moment schien ihr
Leben nur aus dem Job zu bestehen, die Tage rannen
ihr einfach durch die Finger. Aber das war auch gut so,
denn sonst hätte sie sich ernsthaft Sorgen machen
müssen.
Pünktlich stand sie hinter ihrer Bar, die Haare zu
einem Pferdeschwanz zusammengebunden, ein Lächeln
auf den Lippen und trotzdem strahlte sie genug
Autorität aus, um ihre Untergebenen auf Trab zu
halten.
Sandra wartete an ihrem Black-Jack-Tisch auf
Kunden und warf dem Roulette einen sehnsüchtigen
Blick zu, dann drehte sie sich um und grinste Jo zu.
Etwas lag in der Luft, Jo spürte es deutlich, aber sie
konnte den Finger nicht drauflegen, was es war. Die
ersten Stunden vergingen schnell, zumal bei dem
schönen Wetter viele Leute nach ihrem Spaziergang
beschlossen dem Kasino noch einen Besuch
abzustatten.
Joleen sah gerade auf die Eingangstür, als diese sich
öffnete und zwei Herren in dunklen Anzügen
hereinkamen. Das Strahlen auf Sandras Gesicht verriet
ihr, dass es sich um ihren Freund und dessen Kumpel
handeln musste.
Die Männer gingen zuerst zu Sandra, um sie zu
begrüßen, was Jo die Gelegenheit gab sie zu
beobachten.
Von der Stange waren die Kleider jedenfalls nicht,
ebenso wenig wie die zwei Typen. Die Kerle waren
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mindestens einen Meter neunzig groß und schlank,
auch auf die Entfernung sah man, dass sie kein Gramm
Fett zu viel besaßen.
Einer der beiden beugte sich zu ihrer Freundin
rüber, um ihr einen Kuss zu geben. Na, wenn das Mal
keinen Ärger mit der Geschäftsleitung gab, so etwas
mochten die Chefs überhaupt nicht.
Allerdings wusste Jo jetzt, dass der jüngere mit den
halblangen, blonden Locken Jörg war. Ihr Blick
schweifte automatisch zu dem anderen Mann. Sie
schätzte ihn auf Mitte fünfzig, seine ehemals schwarzen
Haare waren von grauen Strähnen durchzogen, was ihn
sehr attraktiv machte, zumindest für sie.
Als ob er ihr Interesse gefühlt hätte, sah der Typ auf
und ihre Blicke trafen sich. Seine eiskalten blauen
Pupillen verengten sich, als er ihr zugrinste und Jo
musste an sich halten, um sich nicht zu schütteln.
Langsam kamen die beiden Männer auf die Bar zu,
dabei vermittelten sie den Eindruck, als ob sie sich auf
der Jagd befänden. Ihre Bewegungen waren
geschmeidig, ihre Augen richteten sich auf sie und
hielten sie auf eine ungute Art gefangen.
„Guten Abend, Sie müssen Joleen sein“, begrüßte
Jörg sie höflich und hielt ihr eine Hand hin.
„Und Sie sind der neue Freund meiner Freundin“,
antwortete sie, als sie seine Hand ergriff.
Wieder musste sie einen Schauder unterdrücken,
irgendwas passte hier nicht, in ihrem Kopf läuteten alle
Alarmglocken.
„Ja, ich bin Jörg und das ist Matthias“, stelle er den
anderen Mann vor.
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Joleen reichte ihm höflich die Hand, die dieser nahm
und einen zarten Kuss drauf drückte.
„Ich bin erfreut, eine so bezaubernde Dame
kennenzulernen“, sagte er mit einem Glitzern in den
Augen zu ihr.
„Vielen Dank für das Kompliment. Was darf es
denn zu trinken sein?“, erkundigte sie sich, auch um das
Zusammentreffen
auf
neutralen
Boden
zurückzuführen.
„Ich hätte gerne Gintonic“, bestellte Jörg, während
Matthias sie immer noch so eindringlich ansah.
Mit ihrem professionellsten Lächeln bereitete Jo den
Drink zu und stellte ihn vor den Mann, dann blickte sie
wieder zu seinem Freund rüber.
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich Margherita oder
Manhattan bevorzuge. Ich denke, ich überlasse ihnen
die Auswahl“, bemerkte Matthias mit einem
charmanten Grinsen.
Zu gerne würde Jo die Augen verdrehen, woher
sollte sie denn wissen, worauf er Lust hatte? Schnell
lächelte sie ihn an, ehe sie einen Manhatten mixte, den
sie ihm hinstellte.
„Perfekt, Sie verstehen ihr Handwerk“, lobte er nach
dem ersten Schluck.
„Danke schön“, mehr brachte sie nicht heraus, zu
sehr lenkte sein Blick sie ab.
Joleen konnte nicht sagen, was sie störte, aber
irgendwas stimmte mit diesem gutaussehenden Mann
nicht. Obwohl er charmant war und sich zurückhielt,
war sie nicht in der Lage sich zu überwinden, mit ihm
zu flirten.
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Einen kurzen Augenblick streifte sie der Gedanke,
dass Sandra vielleicht doch Recht hatte und sie sich zu
sehr zurückzog. Dann stellten sich ihr wieder die
Nackenhaare auf, als Matthias ihr ein Kompliment
zuflüsterte.
„Ihr Lächeln ist bezaubernd“, murmelte er und
beugte sich ein Stückchen zu ihr.
In diesem Moment trat ein anderer Gast an die
Theke und sie entschuldigte sich schnell, dabei atmete
sie erleichtert aus. Die Zeit schien stillzustehen und Jo
fluchte unterdrückt, es gab keine Möglichkeit den
beiden unheimlichen Kerlen auszuweichen, zumal sie
anscheinend nicht in Betracht zogen, an die Spieltische
zu gehen.
„Sagen Sie, möchten Sie nicht ein wenig spielen?
Dazu geht man doch in eine Spielbank oder? Sandras
Tisch ist gerade frei“, bemerkte Joleen in dem
verzweifelten Versuch diese Gäste loszuwerden.
Jörg zwinkerte ihr zu und ging tatsächlich zu Sanny
rüber, nur Matthias blieb vor ihr sitzen.
„Du machst einen nervösen Eindruck, stimmt etwas
nicht?“, wollte er höflich wissen.
Jo rang sich ein Lächeln ab und schüttelte schnell
den Kopf.
„Nein, alles in Ordnung, ich kann mir nur nicht
vorstellen, dass Sie nur herkommen, um mir bei der
Arbeit zuzusehen“, gab sie offen zu.
Matthias lachte leise und richtete seine kalten Augen
wieder auf sie, die Botschaft verstand sie zu gut,
allerdings würde sie sich auf diesen Kerl bestimmt nicht
einlassen.
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~~°~~
Logan saß mit seinen Leuten in dem Raum, der
vorher wohl mal ein Wohnzimmer darstellte. Jetzt glich
das Zimmer eher einer Kommandozentrale, was ja auch
hinkam.
Ihre Regierung hatte dafür gesorgt, dass sie jedes
technische Gerät vorfanden, das sie brauchten, somit
stand jetzt außer einem Drucker, einem Scanner und
einem Faxgerät, auch ein Computer dort.
In den letzten Stunden hatten sie die Informationen
zusammengefasst, die ihnen die Hauptstelle faxte.
Außerdem waren sie die Bezirke durchgegangen, in
denen dieser Bastard von Dämon stecken konnte.
Er musste eine ruhige Ecke gefunden haben, die
einsam genug lag, um keine neugierigen Nachbarn
anzulocken. Es gab in dieser Gegend kaum eine
Möglichkeit, aber alles deutete daraufhin, dass er in
Berlin steckte. Keiner wollte sich auch nur vorstellen,
dass sie sich irrten.
„Wir sollten auf jeden Fall diese verlassenen
Heilstätten durchsuchen“, meinte Patrick und zeigte auf
die Karte.
„Du meinst Beelitz? Ich weiß nicht, da ist mir zu viel
Trubel“, entgegnete David.
„Egal, Hauptsache wir tun überhaupt etwas anderes
als hier rumzusitzen“, knurrte Logan, ihm ging es
einfach nicht schnell genug.
„Dann schnappt euch den Van und schaut euch dort
um“, befahl ihr Anführer mit einem Kopfschütteln,
aber er könnte besser arbeiten, wenn sein Freund
beschäftigt war.
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Im Moment benahm sein Kumpel sich, als ob er auf
Kohlen sitzen müsste, allerdings fühlte sich die gesamte
Einheit angespannt. Ihre Vorgesetzten erwarteten
Ergebnisse, während dieser Dämon seine Spielchen
trieb, außerdem wurde die Gefahr, dass die falschen
Leute zuviel erfuhren, von Tag zu Tag größer.
Erleichtert sprang Logan auf und ging mit Patrick
zum Van, alles war besser, als herumzusitzen. Schnell
öffnete er den Wagen, setzte sich auf den Fahrersitz,
ehe sein Begleiter etwas dazu sagen konnte. Heute
wollte er auf keinen Fall jemand anderen fahren lassen,
er brauchte diese Beschäftigung jetzt einfach.
Zusammen fuhren sie zu den heruntergekommenen
Heilstätten, die an diesem schönen, sonnigen Tag gar
nicht so verlassen waren. David hatte Recht behalten,
hier würde der Dreckskerl niemanden verstecken
können. Immer wieder trafen sie auf Spaziergänger,
welche die Verbotsschilder fröhlich missachteten.
Einige Fotografen trieben sich ebenso auf dem
Gelände herum und in einem Gebäude summte es vor
Geschäftigkeit, dort bereiteten ein paar junge Künstler
offensichtlich eine Ausstellung vor.
„Davids Vermutung stimmte“, bemerkte Patrick
überflüssigerweise.
Logan knurrte nur, es wäre ja auch zu einfach
gewesen, aber sie durften nichts dem Zufall überlassen.
„Meinst du, die wissen, was für Schattengestalten
sich in diesem alten Gemäuer aufhalten?“, fragte Logan
nach einem Moment, in dem sie an den verfallenen
Klinikgebäuden entlang liefen.
Spöttisch lachte sein Partner auf.
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„Die Menschen sind blind, weil sie zu viel Angst
haben. Schau doch mal dort in den ehemaligen
Operationssaal“, erwiderte er und spuckte aus.
Ein Blick durch ein schmutziges Fenster zeigte ihm,
was Patrick meinte, in dem Raum wimmelte es von
Seelen, die den Weg in die nächste Welt nicht fanden.
Außerdem sah er einen Schattendämon, dem es
offensichtlich Spaß machte jeden zu verjagen, der sich
in die Nähe wagte.
Der Saal spiegelte deutlich wider, welche
Hoffnungen und auch Schicksale sich hier abgespielt
hatten. Der Putz blätterte von den Wänden, eine der
OP-Lampen lag zerbrochen auf dem Fußboden und
eine alte Liege rottete vor sich hin.
„Wie dumm muss man sein, um zu verdrängen, dass
hier der beste Platz für Geister und Schattenwesen ist?“,
murmelte Patrick.
„Sei nicht so hart mit den Menschen. Sie wissen es
nicht besser, einige spüren es wohl, aber keiner gibt es
gerne offen zu. Stattdessen versuchen sie lieber solche
Gefühle, mit Logik zu erklären. Irgendwann werden sie
aufwachen und erkennen, dass mehr Wesen existieren,
als ihnen bewusst ist“, wies Logan ihn zurecht.
Verwundert schüttelte sein Kumpel den Kopf,
während sie sich auf den Rückweg zum Van machten.
„Du verteidigst diese Bestien, obwohl sie deine
Eltern erschossen haben?“, erkundigte er sich
fassungslos.
Logan blieb stehen und sah Patrick fest in die
Augen.
„Die, die meine Familie auf dem Gewissen haben,
leben nicht mehr und die anderen sind unschuldig
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daran. Es gibt bei den Menschen genauso gute und
schlechte, wie bei uns“, erinnerte er den jüngeren Mann
eindringlich.
Wesentlich langsamer fuhren sie zu ihrem
Hauptquartier, wo der Rest der Truppe immer noch
über der Karte brütete.
Es half alles nichts, sie mussten auf weitere
Informationen ihrer Zentrale warten, was hieß, dass sie
die Zeit totschlagen würden.
„Ich gehe laufen“, murmelte Logan und drehte sich
zur Tür, durch die er eben erst hereingekommen war.
„Moment bitte“, hielt David ihn zurück.
Fragend sah er den Freund an, blieb allerdings wie
gewünscht stehen.
„Keine Verwandlungen, egal wie schön das
Waldstück ist oder wie leer gefegt es aussieht, klar?“,
befahl sein Vorgesetzter.
Unwillig verdrehte Logan die Augen, als ob er so
dumm wäre, in der Großstadt seine Gestalt zu wandeln.
„Hältst du mich für doof ? Selbst ich weiß, dass ein
Jaguar hier sofort auffällt“, entgegnete er bissig.
David schüttelte nur leicht den Kopf, er kannte
seinen Freund zu gut und wusste, dass dieser sich gerne
verwandelt hätte, allein um diese Unruhe mit einem
schnellen Lauf zu beseitigen.
Logan nickte den anderen noch einmal zu, dann war
er verschwunden. Wenn er schon nicht als Raubkatze
durch die Gegend rennen durfte, würde er eben joggen,
obwohl es ein schlechter Ersatz war.
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Joleen schaffte es sich zu verabschieden, damit sie
einen Moment ausruhen konnte, und atmete auf, die
eindringlichen Blicke des Mannes gingen ihr an die
Nerven. Natürlich ließ Sandra sich nicht sehen, sie
verbrachte die Pause mit ihrem Freund, was Jo ihr nicht
übel nahm.
Viel zu schnell musste sie ihren Platz hinter der
Theke wieder einnehmen und bemerkte, dass Matthias
immer noch dort saß. Mit einem gezwungenen Lächeln
trat sie zu ihm.
„Was darf ich bringen, einen weiteren Manhatten?“,
fragte sie freundlich.
„Nein, danke. Ich möchte die Möglichkeit nutzen,
Sie besser kennenzulernen“, antwortete er.
Erneut läuteten die Alarmglocken in Joleens Kopf,
doch ein Blick in sein Gesicht sagte ihr, dass sie die
Absage absolut diplomatisch formulieren sollte.
„Das ist uns leider untersagt. Wir dürfen uns nicht
mit den Gästen treffen“, schob sie hektisch vor, dabei
lächelte sie bedauernd.
Mit vielem hätte sie gerechnet, aber nicht damit, dass
er laut auflachte, sodass sich die Leute in dem Raum
nach ihnen umsahen.
„Das ist kein Problem, ich kenne den Inhaber sehr
gut“, raunte er ihr zu, sein Verhalten zeigte ihr, dass er
sie durchschaute.
Schnell ging Jo um das Eis und die Dekofrüchte
aufzufüllen, was eigentlich nicht zu ihren Aufgaben
gehörte. Im Moment war ihr alles recht, was sie von
diesem unheimlichen Mann befreite.
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Sie atmete auf, als er sich endlich verabschiedete und
die Spielbank verließ, dabei konnte sie nicht mal sagen,
warum sie sich in seiner Gegenwart so unwohl fühlte.
Irgendetwas in seiner Aura ließ ihre Nackenhaare
aufstellen und ihre innere Abwehr anspringen.
Natürlich war sein Benehmen tadellos, trotzdem
verursachten seine kalten, stechenden Augen ihr
Unbehagen.
Schnell schüttelte sie diese Gefühle ab und
kümmerte sich um die nächsten Drinks, da ihre Schicht
noch nicht zu Ende war. Sanny kam zu ihr an die
Theke, als der Besucherstrom abebbte, und strahlte sie
an.
„Na? Hab ich dir zu viel versprochen?“, fragte sie
mit einem breiten Grinsen.
Jo verzog ein wenig das Gesicht, egal was sie jetzt
sagte, es würde falsch sein. Kurz überlegte sie, doch
seufzend entschied sie sich für die Wahrheit.
„Er sieht gut aus, da hast du Recht, aber er hat die
Ausstrahlung eines Eisbergs“, stieß sie hervor.
Ihre Freundin lachte auf, ehe sie den Kopf
schüttelte.
„Lern ihn einfach kennen, dann wirst du sehen, dass
er ein ganz lieber Kerl ist, der dich auf Händen tragen
wird“, versprach sie, ehe sie wieder an ihren
Arbeitsplatz zurückging.
Joleen schloss kurz die Augen, sie wollte diesen
Typen nicht kennenlernen, er verursachte ihr
Unbehagen und sie bekam eine Gänsehaut, wenn sie an
ihn dachte.
Endlich ging diese Schicht auch zu Ende, dieses Mal
trafen Jo und Sanny sich im Umkleideraum. Müde
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streckte die Barkeeperin sich und rieb sich über das
Gesicht.
„Du solltest dringend mal Urlaub machen“, riet
Sandra ihr.
„Vielleicht hast du Recht, aber jetzt will ich einfach
nur nach Hause. Wir sehen uns morgen im FitnessStudio“, damit drückte sie die Freundin an sich und war
im nächsten Moment verschwunden.
Mit einem bösartigen Blick und starren Augen sah
Sanny ihr nach, gut, dass Jo sich nicht noch einmal
umdrehte.
Joleen fuhr auf dem kürzesten Weg zu ihrem
Appartement, trotzdem hatte sie das Gefühl, das ihr
jemand folgte. Natürlich war es ausgemachter Blödsinn,
denn mitten in der Nacht müsste sie zumindest die
Scheinwerfer sehen.
Schnell stürmte sie in ihre Wohnung und warf die
Tür hinter sich zu, dann brach sie in hysterisches
Lachen aus.
Der Abend unter den Argusaugen dieses seltsamen
Mannes war wohl doch zu viel für ihre Nerven
gewesen. Noch nie hatte sie sich so beobachtet gefühlt.
Langsam beruhigte sie sich, atmete tief durch und
schenkte sich einen doppelten Whisky ein. Jetzt
brauchte sie etwas, damit sie schlafen konnte und nicht
die ganze Nacht über diese Begegnung nachdachte.
Dabei hoffte sie, dass er nicht morgen wieder auf der
Matte stand, sie wollte jedenfalls keinen näheren
Kontakt.
Der harte Alkohol besänftigte ihre Gedanken, sodass
sie kurz darauf ins Bett ging.
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