Verführerische Bestseller-Romane - Advent

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Verführerische Bestseller-Romane - Advent
Verführerische Bestseller-Romane
DIE ROMANSERIE „LEFT BEHIND“
Das Thema Endzeit übt auf viele Christen eine besondere Faszination aus. Eine
Faszination, die allerdings krankhafte Züge annimmt, sobald die Ereignisse um das Ende
den wiederkommenden Herrn Jesus Christus aus dem Mittelpunkt der biblischen Prophetie
verdrängen. Dieser Gefahr sind Millionen von Lesern ausgesetzt oder bereits erlegen, die
eine zwölfbändige Romanreihe zum Bestseller „christlicher“ Literatur gemacht haben: Mehr
als 60 Millionen sind von der „Left Behind“-Romanreihe der US-Amerikaner Tim LaHaye und
Jerry B. Jenkins – einschließlich der Teens-Version dieser Romane – bisher verkauft
worden. Der darauf bauende Film „Left Behind“ sorgte für ausverkaufte Kinos. Der zwölfte
und letzte Band der (Erwachsenen-)Reihe mit dem Titel „The Glorious Appearing“ (Die
herrliche Erscheinung) ist vor wenigen Wochen in den USA erschienen, 2005 soll in den
USA ein Spiel auf den Markt kommen, das sich an die Buchreihe „Left Behind“ anlehnt.
Unterdessen hat Gibsons Jesus-Film in den USA auch das Interesse an dramatischen BibelRomanen angefacht, so dass der Verlag Tyndale House vorsorglich Nachauflagen des
zwölften Bandes in Druck gegeben hat.
„Left Behind“ bedeutet „zurückgelassen“ (der deutsche Titel der vom Verlag Gerth
Medien vertriebenen Romanserie lautet „Finale“) und spielt auf das Ereignis, das den
Ausgangspunkt der Romanhandlung bildet: „In einem einzigen Augenblick verschwinden auf
der Welt Millionen Menschen. Plötzlich führerlos gewordene Fahrzeuge geraten außer
Kontrolle. Menschen brechen verzweifelt zusammen, als sie hilflos mit ansehen müssen, wie
ihre Angehörigen vor ihren Augen verschwinden. Manche sehen in diesen Furcht
erregenden Geschehnissen das Werk von Außerirdischen. Andere suchen nach einer
rationalen Erklärung. Nur wenige beginnen, die Wahrheit zu ahnen …“ – die so genannte
„geheime Entrückung“ der Gläubigen!
Die Abfolge der wichtigsten Endzeitereignisse lautet nach der „dispensationalistischen“
Auslegung biblischer Prophetie: 1. die Entrückung der Gemeinde, 2. die Trübsalszeit
(Herrschaft des Antichristen), 3. die sichtbare Wiederkunft Christi und 4. das Tausendjährige
messianische Friedensreich.
WAS NACH DER „GEHEIMEN ENTRÜCKUNG“ ALLES PASSIERT
Diese Romanserie beschreibt u. a.:
• Kriege, Hungersnöte, Plagen und Naturkatastrophen bedrängen jene, die auf der Erde
zurückbleiben mussten und von denen nur jeder Vierte dieses dunkle Zeitalter überlebt (Bd.
2, „Die Heimsuchung“).
• Der Dritte Weltkrieg stürzt die Erde in einen Strudel von Tod und Chaos, der
charismatische Weltregent Nicolai Carpathia erscheint in dieser Situation als der ersehnte
Retter, doch die Mitglieder der „Tribulation Force“ kennen sein wahres Gesicht (Bd. 3,
„Nicolai“).
• Auf der ganzen Welt kommen während eines schrecklichen Erdbebens Millionen von
Menschen ums Leben. Während die Mitglieder der „Tribulation Force“ noch auf der Suche
nach Überlebenden sind, kommt der schreckliche Verdacht auf, dass einer aus ihren Reihen
ein Verräter ist. Wird es ihnen gelingen, die Wahrheit herauszufinden? Und was hat es mit
dem Zeichen auf sich, das die Christen plötzlich auf ihrer Stirn entdecken? (Bd. 4, „Die
Ernte“).
• Schauplatz Jerusalem: Zehntausende von Menschen haben sich dort eingefunden, um
den Lehren von Tsion Ben-Judah zuzuhören. Eine Gelegenheit, die sich der Antichrist und
seine Anhänger nicht entgehen lassen wollen. Sie planen, ihren Gegnern einen
entscheidenden Schlag zu versetzen. Unterdessen bricht großes Unheil über die Welt
herein, und die Menschheit wird mit einer Plage konfrontiert, die alles übersteigt, was bislang
geschehen ist (Bd. 5, „Apollyion“).
• Überall auf der Welt werden die Christen von den Truppen der „Weltgemeinschaft“
verfolgt. Auch die Mitglieder der „Tribulation Force“ sind zu Flüchtlingen geworden. Da tritt
plötzlich ein unsichtbarer Gegner auf den Plan, dem die Menschheit hilflos ausgeliefert ist:
Eine Armee von 200 Millionen dämonischen Reitern überzieht die Erde und bringt Tod und
Verderben mit sich (Bd. 6, „Die Verschwörung“).
• Der Tod Nicolai Carpathias stürzt die Welt in tiefe Verzweiflung. Eine erbarmungslose
Jagd nach dem Attentäter beginnt, den man unter den Mitgliedern der „Tribulation Force“
vermutet. Die Ereignisse überschlagen sich und die Erde wird zum Schauplatz einer riesigen
Schlacht zwischen den Mächten der Finsternis und des Lichts. Plötzlich erleben die
Mitglieder der „Tribulation Force“ die Erfüllung einer weiteren Prophezeiung: die Rückkehr
Carpathias! Aber ist der Auferstandene wirklich Nicolai Carpathia? (Bd. 7, „Die Rückkehr“).
• Mit fester Hand regiert der Antichrist in Gestalt des auferstandenen Nicolai Carpathia
die Welt. Eine erbarmungslose Verfolgung der Christen beginnt. Erstes Ziel des Terrors ist
Griechenland, wo sich die Gläubigen von einer heimtückischen Todesmaschine bedroht
sehen. Sie sind gezwungen, das Loyalitätszeichen der „Weltgemeinschaft“ anzunehmen –
oder zu sterben. Auch die Christen in Nicolais Palast planen ihre Flucht, um der Verfolgung
zu entgehen. Mit fester Hand regiert der Antichrist in Gestalt des auferstandenen Nicolai
Carpathia die Welt. Eine erbarmungslose Verfolgung der Christen beginnt (Bd. 8, „Das
Zeichen“).
• Nicolai Carpathia zeigt sein wahres Gesicht. Er gibt nicht länger vor, ein pazifistischer
Weltregent zu sein, sondern beauftragt eine Behörde mit der Sicherung der Loyalität aller
Menschen, die nicht bereit sind, sein Zeichen unverzüglich anzunehmen. Schließlich tut er
das Unaussprechliche: Er entweiht den Jerusalemer Tempel, indem er dort Blut vergießt. Die
jüdischen Christen fliehen nach Petra, um dort vor Carpathia in Sicherheit zu sein. Doch der
Antichrist spielt jetzt alle seine Karten aus (Bd. 9, „Die Entweihung“).
• Nicolai Carpathia ist es gelungen, Christen und Juden in der Felsenstadt Petra in die
Enge zu treiben. Mit dem Rücken zur Wand sehen sie sich den Streitkräften des
Weltregenten gegenüber, der sie durch den Einsatz von Waffengewalt ein für allemal
vernichten will. Unterdessen starten Chloe, Mac McCullum und Hannah Palemoon eine
Rettungsaktion. Ein Mitglied der „Tribulation Force“ soll aus der Gewalt seiner griechischen
Entführer befreit werden, die bereits mehrere Anhänger Ben-Judas ermordet haben. Auf der
ganzen Welt befinden sich die Gegner des Antichristen auf der Flucht. Armageddon, die
entscheidende Schlacht zwischen Gut und Böse, rückt immer näher (Bd. 10, „Die
Felsenstadt“).
• Harmagedon – die entscheidende Schlacht zwischen den Mächten der Finsternis und
des Lichts – steht kurz bevor. Der Antichrist vereint die Truppen der ganzen Welt in Israel,
sodass sich die Gläubigen in Petra einer Armee gegenübersehen, gegen die sie nichts
werden ausrichten können. Wer wird angesichts der Gefahren seinem Glauben treu bleiben?
Sollten sich die Gläubigen wirklich in die Sicherheit von Petra zurückziehen, während in
Jerusalem noch Millionen von Juden ausharren und auf ihren Messias warten? (Bd. 11,
„Harmagedon“).
GEFÄHRLICH? WARUM?
Ist das nicht wunderbar, wenn sich Millionen von Nicht-Christen dank dieser Bestseller
mit der Endzeit befassen? Leserzuschriften zufolge sollen Tausende von Lesern durch die
Lektüre der Bücher Christen geworden sein! Auch wenn ich diese Bekehrungen nicht in
Frage stelle – ich halte diese Romane aus mehreren Gründen für höchst gefährlich:
1. Endzeitprophetie in Science-Fiction-Form vermitteln zu wollen, öffnet nicht nur der
Spekulation Tür und Tor, sondern widerspricht dem Zweck biblischer Prophetie selbst. Diese
verfolgt nicht die Absicht, die Neugierde zu befriedigen, detailreich die Zukunft
„heranzuzoomen“, sondern Meilensteine zu liefern, die zur Standortbestimmung und bestätigung dienen sollen, „wenn dieses anfängt zu geschehen“ (Lk 21,28-31). Gerade die
Bücher Daniel und Offenbarung zeigen, wie behutsam und frei von ausschmückendem
Beiwerk die Propheten das zu beschrieben versuchen, was Gott ihnen in Vision oder Traum
gezeigt hat. Und gerade für die Endzeit (und für die Beschäftigung damit) gilt der Rat,
„nüchtern“ zu sein (1 Pt 4,7; 6,8).
2. Wenn wir das berücksichtigen, was Jesus Christus selbst predigte und seine Jünger
gelehrt und niedergeschrieben haben, dann sprechen zwei Argumente eindeutig gegen die
Lehre der „geheimen Entrückung“, die dieser Romanserie zur Grundlage dient:
• Der Abschluss der Geschichte der Menschheit wird durch die Wiederkunft Jesu Christi
eingeleitet. Dieses Ereignis wird für alle sichtbar und hörbar sein. Außerdem kommt er nicht
allein, sondern in Begleitung seiner Engel: „Wenn aber der Menschensohn wiederkommt,
wird er sofort für alle sichtbar sein, wie ein Blitz, der von Ost nach West am Himmel aufzuckt
… Die Menschen auf der ganzen Erde werden vor Entsetzen jammern und heulen. Sie
werden sehen, wie der Menschensohn in göttlicher Macht und Herrlichkeit in den Wolken
des Himmels kommt.“ (Mt 24,27-31)
• Die Wiederkunft Jesu wird auch deswegen kein geheimnisvolles, nur für Eingeweihte
erkennbares Geschehen sein, weil sie die Auferstehung der Menschen auslöst, die im
Vertrauen zu Gott gestorben sind: „Wir werden nicht alle sterben, aber Gott wird uns alle
völlig umwandeln. Das wird ganz plötzlich geschehen, von einem Augenblick zum andern,
wenn die Posaune ankündigt, dass Jesus Christus als Herrscher der Welt wiederkommt. Ihr
Schall wird überall zu hören sein. Dann werden die Toten zum ewigen Leben auferweckt,
und auch wir Lebenden werden einen neuen Leib bekommen.“ (1 Kor 15,51.52; vgl. auch 1
Th 4,14-17)
Die Lehre der „geheimen Entrückung“ ist nicht nur biblisch falsch, sondern auch
gefährlich, denn sie impliziert die Möglichkeit (und sie wird in den Romanen sehr ausführlich
beschrieben), dass Menschen sich nach der Entrückung der Gläubigen bekehren können.
3. Bibelkundige dürfen sich nicht vom Gebrauch biblischer Sachverhalte oder Begriffe
„verblenden“ lassen (Übrigen, trübselige Zeit, Harmagedon), weil es nicht darauf ankommt,
biblisches Vokabular zu verwenden, sondern – gerade bei prophetischen Themen – dieses
unter Berücksichtigung hermeneutischer (die Bibelauslegung bezogene) Regeln zu deuten
und zu verwenden. Gerade diese Mischung macht die Romane umso gefährlicher: Wären
sie reine science fiction, wäre das weniger tragisch bzw. durchschaubarer, als dieses
Vermischen und Hinzufügen, durch das viele Leser getäuscht werden, die sich in der Bibel
nicht oder nur oberflächlich auskennen.
4. Dass diese Romane zu Bestsellern geworden sind, macht die Sache nicht einfacher:
Können so viele Millionen Menschen irren? – diese Frage wird manchen Leser verunsichern.
Hinzu kommt die Tatsache, dass gerade Tim LaHaye aufgrund seiner empfehlenswerten
Bücher zu Ehe- und Erziehungsfragen bei vielen Lesern mit einem beachtlichen
Vertrauensvorschuss rechnen kann.
5. Weil diese Romane kurzweiliger zu lesen sind, als die Bibel selbst, können sie das
Buch der Bücher, die alleinige Grundlage für Glauben und Lehre, nach und nach
verdrängen, langweilig erscheinen lassen. Darüber hinaus – und das gehört aus meiner
Sicht zu den wichtigsten Argumenten gegen diese Literatur – verleitet eine
Überbeschäftigung mit Endzeitfragen zu einem introvertierten Frömmigkeitsstil, bei dem das
Studieren und Forschen um des Wissens willen im Vordergrund steht. Außerdem verführt sie
zu nutzlosen Insider-Diskussionen und – was am schlimmsten ist – lenkt die Christen von
der Erfüllung des Missionsauftrags ab, der darin besteht, den wiederkommenden Herrn in
seiner Liebe (Erlöser) und Gerechtigkeit (Richter) zu verkündigen.
WORAUF ES ANKOMMT!
Ich sehne mich nicht danach, alles genau zu verstehen und zu deuten, was in der
Offenbarung steht. Genau so wenig bereitet mir das richtige Einsortieren der Ereignisse vor
der Wiederkunft Jesu in einen „Endzeitfahrplan“ Kopfzerbrechen. Was bei mir höchste
Priorität hat, ist, demjenigen jeden Tag einen Schritt näher zu kommen, dem meine
Sehnsucht gilt: meinem Heiland und Freund Jesus Christus. Denn, wenn er ankommt, wird
er mich nicht zuerst einen Fragebogen im Fach „Eschatologie“ (Lehre der letzten Dinge)
ausfüllen lassen, sondern nur eine einzige Frage stellen: Kennen wir uns? (Vgl. Mt 25,12.)
Jesus Christus wird nicht jene in sein Reich willkommen heißen, die viel wussten,
sondern jene, die – ob sie viel oder wenig wussten – seinem Vorbild im selbstlosen Dienen
gefolgt sind (Mt 25,40). Sie mögen sich darüber gewundert haben, dass manche Ereignisse
der letzten Tage auf Erden anders oder zu einem anderen Zeitpunkt eingetreten sind, als sie
das vermutet hatten. Aber über Jesus selbst werden sie sich nicht wundern, sondern ihn
sofort als den erkennen, dem sie vertraut und auf den sie gehofft haben. Darum werden sie
voller Begeisterung rufen können: „Herzlich willkommen, Jesus!“ Oder mit biblischen Worten:
„Das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. Das ist der HERR, auf den wir
hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.“ (Jes 25,9)
Elí Diez
Leiter des Advent-Verlags in Lüneburg und Chefredakteur des „AdventEcho“, ist verheiratet
und hat zwei erwachsene Söhne.
(Das ist die ungekürzte Fassung des Beitrags, der im „AdventEcho“ Mai 2004 erschienen ist.)