Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen

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Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
KE-81-09-550-DE-C
Falls Sie an den Veröffentlichungen der Generaldirektion Beschäftigung,
Soziales und Chancengleichheit interessiert sind,
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ESmail ist der elektronische Informationsbrief
der Generaldirektion Beschäftigung,
Soziales und Chancengleichheit.
Internationale Sichtweisen
zu positiven Maßnahmen
Eine vergleichende Analyse in der Europäischen Union,
in Kanada, in den USA und in Südafrika
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Europäische Kommission
Diese Veröffentlichung wird im Rahmen des Gemeinschaftsprogramms für Beschäftigung und
soziale Solidarität (2007-2013) unterstützt, das von der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und
Chancengleichheit der Europäischen Kommission verwaltet wird.
Dieses Programm wurde eingerichtet, um die Verwirklichung der Ziele der Europäischen Union in den
Bereichen Beschäftigung und Soziales – wie in der Sozialpolitischen Agenda ausgeführt – finanziell zu
unterstützen und somit zum Erreichen der Vorgaben der Strategie von Lissabon in diesen Bereichen
beizutragen.
Das auf sieben Jahre angelegte Programm richtet sich an alle maßgeblichen Akteure in der EU-27,
den EFTA-/EWR-Ländern und den Beitritts- und Kandidatenländern, die einen Beitrag zur Gestaltung
geeigneter und effektiver Rechtsvorschriften und Strategien im Bereich Beschäftigung und Soziales
leisten können.
Mit Progress wird das Ziel verfolgt, den EU-Beitrag zur Unterstützung der Mitgliedstaaten in ihrem
Engagement und ihren Bemühungen um mehr und bessere Arbeitsplätze und größeren Zusammenhalt
in der Gesellschaft auszubauen. Zu diesem Zweck trägt das Programm Progress dazu bei,
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Analysen und Empfehlungen in den Politikbereichen des Programms Progress bereitzustellen;
die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts und der Strategien der Gemeinschaft in den
Politikbereichen des Programms Progress zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten;
den Austausch von Strategien, das wechselseitige Lernen und die gegenseitige
Unterstützung zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Ziele und Prioritäten der
Union zu fördern und
die Auffassungen der beteiligten Akteure und der Gesellschaft insgesamt zu kanalisieren.
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Internationale Sichtweisen
zu positiven Maßnahmen
Eine vergleichende Analyse in der Europäischen Union, in Kanada, in den USA und in Südafrika
Europäische Kommission
Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit
Referat G4
Manuskript abgeschlossen im Januar 2009
Der Inhalt der vorliegenden Veröffentlichung spiegelt nicht unbedingt die Position oder die Meinung der Europäischen Kommission wider.
Das Konsortium, das diesen Bericht erstellt hat, besteht aus dem Centre for Inclusion and Diversity der University of Bradford, dem European
Roma Rights Centre und dem Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM).
Das Forschungskonsortium
University of Bradford
Projekt- und Forschungsleiter, Professor Uduak Archibong
Leitender Forschungsmitarbeiter, Dr. Jite Eferakorho
Projektteam und Experten, Dr. Karl Atkin (University of York), Professor Carol Baxter (NHS Employers), Dr. Aliya Darr (NHS Employers/University of Bradford) und Professor Mark Johnson (De Montfort University)
Rechtsteam, Professor Mark Bell (University of Leicester) und Professor Lisa Waddington (University of Maastricht)
Statistiker, Andy Scally (University of Bradford)
European Roma Rights Centre Tara Bedard, Tatjana Peric und Savelina Velislavova Russinova
Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte Katrin Wladasch
Experten für Länder außerhalb Europas
Kanada: Professor Pat Bradshaw (York University)
Südafrika: Professor Oluyinka Adejumo (Kwa-Zulu Natal University)
USA: Professor Phyllis Sharps (Johns Hopkins University)
Danksagungen
Die Mitglieder des Konsortiums möchten sich bei allen betreffenden Organisationen, Regierungsstellen, Unternehmen, nichtstaatlichen Stellen und Einzelpersonen bedanken, die an der Erhebung, den Konsensworkshops, den Sachverständigengruppen, Interviews und Telefonkonferenzen teilgenommen haben. Das Konsortium bedankt sich außerdem für das Engagement und die großzügige Unterstützung, die es von
den Mitgliedern des Steering Committees, Management Boards und insbesondere der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit erhalten hat. Trotz der oben genannten Beiträge sind allein die Mitglieder des Konsortiums für alle Fehler oder Irrtümer, die sich
aus diesem Bericht ergeben, verantwortlich.
© Fotos: University of Bradford
Für die Benutzung oder den Nachdruck von Fotos, die nicht dem Copyright der Europäischen Gemeinschaften unterstellt sind, muss eine
Genehmigung direkt bei dem/den Inhaber(n) des Copyrights eingeholt werden.
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(*) Einige Mobilfunkanbieter gewähren keinen Zugang zu 00
800-Nummern oder berechnen eine Gebühr.
Zahlreiche weitere Informationen zur Europäischen Union sind verfügbar über Internet, Server Europa (http://europa.eu).
© Europäische Gemeinschaften, 2009
Nachdruck mit Quellenangabe gestattet.
Bibliografische Daten und eine Inhaltsangabe befinden sich am Ende der Veröffentlichung.
Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2009
ISBN 978-92-79-11155-6
doi: 10.2767/13522
Printed in Luxembourg
Gedruckt auf chlorfrei Gebleichtem PaPier
Inhalt
Inhalt
Continuing the Diversity Journey
Zusammenfassung ......................................................................................................................................................5
1
Einleitung und methodischer Ansatz ............................................................................................................ 11
2
Beschreibung des Kontextes ........................................................................................................................... 19
3
Untersuchung von positiven Maßnahmen aus rechtlicher Perspektive ................................................. 25
4
Wahrnehmung der positiven Maßnahmen der Europäischen Union ...................................................... 39
5
Wahrnehmung von positiven Maßnahmen in Kanada, Südafrika und den USA .................................. 53
6
Positive Maßnahmen in Bezug auf verschiedene Dimensionen der Gleichstellung, Organisationen
und Sektoren ...................................................................................................................................................... 61
7
Schlussfolgerungen und Empfehlungen ...................................................................................................... 71
Literaturverzeichnis .................................................................................................................................................. 80
4
Zusammenfassung
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
Es herrscht eine weitgehend einstimmige Meinung darüber, dass die Problematik der Diskriminierung am
Arbeitsplatz und bei Dienstleistungen
nicht von allein verschwindet. Die Regierungen spielen bei der Förderung
des Einsatzes positiver Maßnahmen
zur Überwindung diskriminierender Praktiken eine entscheidende
Rolle. Auf EU-Ebene gibt es bereits
eine bedeutende Reihe gesetzlicher
Vorschriften, welche die Grundlage
für Aktivitäten zur Vermeidung und
Verhinderung von Diskriminierung
gelegt haben. Bei der Definition der
Parameter für positive Maßnahmen
und ihrer Umsetzung wurden bisher
jedoch trotz umfassender EU-Gesetze,
die den Einsatz positiver Maßnahmen
unterstützen, nur mäßige Fortschritte
erzielt.
Diese Studie wurde durchgeführt,
um die Europäische Kommission dabei zu unterstützen, einen Rahmen
für ein besseres Verständnis dafür
zu entwickeln, welche Rolle positive Maßnahmen in der Praxis bei der
Vermeidung oder Beseitigung von
Diskriminierungen spielen können.
Die Europäische Kommission wollte
zudem Aufschluss darüber gewinnen,
welche Art von positiven Maßnahmen
bereits in der EU (und in den EFTA-/
EWR-Ländern) durchgeführt werden.
Darüber hinaus sollten Angaben über
die möglichen Kosten und Vorteile
der positiven Maßnahmen gemacht
werden. Im Rahmen dieser Erhebung
sollte auch ein Vergleich zwischen der
EU, Kanada, den USA und Südafrika
in Bezug auf rechtliche Rahmenbedingungen, Strategien und die praktische
Umsetzung positiver Maßnahmen erstellt werden.
Bei der Erhebung wurde ein gemischter Methodenansatz mit drei verschiedenen Phasen der Datenerfassung
verwendet, wobei die erste Phase in
Literaturrecherche und Entwicklung
einer Begriffsdefinition von „positiven
Maßnahmen“ bestand. In der zweiten
6
Phase wurde in 27 EU-Mitgliedstaaten, zwei EFTA-/EWR-Ländern sowie
in Kanada, den USA und Südafrika
eine Online-Umfrage über den Einsatz positiver Maßnahmen durchgeführt. Die Abschlussphase bestand
in einer vergleichenden Tiefenstudie
der praktischen Umsetzung positiver
Maßnahmen in elf Ländern. Sie stützte sich dabei auf Datenmaterial, das
aus Konsensworkshops, Interviews,
rechtlichen Rahmenbedingungen und
Organisationsrichtlinien in jedem dieser Länder stammte.
Definition und Verständnis
positiver Maßnahmen
Die Studie ergab, dass für die Beschreibung der positiven Maßnahmen in
den untersuchten Ländern uneinheitliche und inkonsistente Terminologien
verwendet werden. Während die europäischen Länder dazu tendierten, von
„positiven Maßnahmen“ zu sprechen,
war der Begriff „affirmative Maßnahmen“ in den außereuropäischen Ländern weitaus üblicher. Im Vergleich
zur Zielvorgabe gab es eine sehr eingeschränkte Verwendung von Quoten,
und ihre starke Assoziation mit einer
Vorzugsbehandlung bewirkte eine
eher negative Reaktion unter den Teilnehmern der Studie. Insgesamt wurde
der Eindruck gewonnen, dass Art und
Zweck positiver Maßnahmen eindeutiger definiert werden müssen. Dies
würde wiederum zu einer positiveren
Einstellung hinsichtlich der Nützlichkeit und Anwendung dieser Maßnahmen führen.
Zu diesem Zweck wurde von der Studie ausgehend eine Definition entwickelt, die positive Maßnahmen folgendermaßen beschreibt: „Positive
Maßnahmen sind angemessene Aktivitäten, die implementiert werden,
um in der Praxis eine vollständige und
effektive Chancengleichheit für alle
Mitglieder von Gruppen zu gewährleisten, die sozial oder wirtschaftlich
benachteiligt sind oder anderweitig
die Folgen vergangener oder gegenwärtiger Diskriminierung oder Benachteiligung zu erleiden haben.“
Über diese Definition hinaus besteht
für die Europäische Kommission eine
große Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit gesamteuropäischen
speziellen Interessenverbänden, wie
unter anderem mit der organisierten
Zivilgesellschaft, problemorientierten
Lobbygruppen und Gewerkschaften,
damit ein gemeinsames Verständnis
entwickelt und kommuniziert werden
kann, das die Basis für einen gemeinschaftlichen EU-Ansatz bei positiven
Maßnahmen legt. Um ein gemeinsames Verständnis dafür zu fördern,
welche Bedeutung den positiven Maßnahmen innerhalb der Europäischen
Union zukommt, sollte die Europäische Kommission den Dialog mit der
organisierten Zivilgesellschaft und den
Sozialpartnern ausbauen. Auf einem
solchen Dialog basierend sollten Leitprinzipien zur Bedeutung der positiven Maßnahmen auf EU-Ebene entwickelt werden. Dies könnte in Form
eines unverbindlichen Rechtsaktes
erarbeitet werden, wie Empfehlungen
der Kommission oder eine Resolution
des Rates. Ein alternativer Mechanismus könnte z. B. eine Gemeinsame
Erklärung der Sozialpartner sein.
Kontext von
Gleichstellung und Vielfalt
Generell wurden positive Maßnahmen
von Organisationen innerhalb des
Rahmens von schriftlichen Gleichstellungsrichtlinien, Leitbildern und
Jahresberichten eingeleitet. Während
eine beträchtliche Anzahl von Organisationen über schriftliche Richtlinien zu Gleichstellung und Vielfalt verfügten, waren größere Organisationen
nicht so erfolgreich, wenn es darum
ging, entsprechende Zielvorgaben
für Beschäftigung und Dienstleistungen zu erstellen. Das Monitoring der
Chancengleichheit wurde dabei als
entscheidender Faktor für die Ent-
1. Introduction: New Business Zusammenfassung
Horizons in Europe
wicklung positiver Maßnahmen erachtet, wobei die Gleichstellung von
Männern und Frauen die am stärksten
überwachte und die Gleichstellung ungeachtet der sexuellen Ausrichtung die
am wenigsten überwachte Dimension
darstellte. In Anbetracht der zentralen
Bedeutung, die dem Monitoring bei
der Förderung nachhaltiger positiver
Maßnahmen zukommt, müssen Organisationen in den wichtigsten Sektoren
aufgeschlüsselte Daten über alle Bereiche der Diskriminierung erfassen. Da
zurzeit aufgeschlüsselte Daten in den
wichtigsten Branchensektoren fehlen,
bedeutet dies, dass effektive positive
Programme nicht umfassend entwickelt und umgesetzt werden können.
Dieses Problem könnte man lösen,
indem positive Maßnahmen als integraler Bestandteil eines übergreifenden
Auftrags der Organisation, der Personalplanung und der Entwicklung von
Dienstleistungen mit aufgenommen
würden – dies in enger Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden. Gleichzeitig müssen positive Maßnahmen als
Teil eines umfassenderen normativen
Wandels durchgängig berücksichtigt
und von Institutionen mit entsprechendem Mentoring und Training
begleitet werden. Dazu könnten ein
Bildungs– und Trainingsprogramm
sowie Seminare und Veranstaltungen
gehören, um den Kenntnisstand zum
Thema, die praktische Umsetzung positiver Maßnahmen, ihren Nutzen und
ihre Rolle innerhalb von „Diversity“Strategien zu verbessern.
Einflussfaktoren bei
positiven Maßnahmen
Die Studie identifizierte die bestehenden Rechtsvorschriften als Haupteinflussfaktor für positive Maßnahmen.
Andere wesentliche Einflussfaktoren
sind Altruismus, moralische/ethische
Gesichtspunkte, wirtschaftliche Gründe, demografischer Wandel, soziale
Verantwortung der Unternehmen,
Unternehmenspolitik und Bemühungen von Basisorganisationen. In
einigen Fällen, in denen Organisationen Programme einrichteten, um
politische und finanzielle Gewinne zu
erzielen, und sie ein nur geringes Eigeninteresse am eigentlichen Ziel positiver Maßnahme zeigten, wurden diese
Maßnahmen durch negative Faktoren
vorangetrieben. Wenn man bedenkt,
dass das Erreichen der Ziele einer Organisation in Bezug auf Gleichstellung
und Vielfalt aufgrund des mangelnden
Verständnisses der Gründe für positive
Maßnahmen erschwert werden kann
(und die Notwendigkeit besteht, weiterhin überzeugende Argumente für
die Wirkung positiver Maßnahmen zu
liefern und die Wirkung zu messen),
erweist sich möglicherweise die Untersuchung ökonomischer Vorteile positiver Maßnahmen als nutzbringend.
Die Untersuchung sollte zum einen die
Rolle positiver Maßnahmen im Rahmen des Talentmanagements berücksichtigen und zum anderen die Rolle,
die Bereichsleiter und Linienmanager
bei der Umsetzung positiver Maßnahmen spielen. Außerdem könnte ein
Augenmerk auf das Image von Organisationen bei potenziellen Kunden
oder Nutzern gerichtet werden – und
im Fall von Wohltätigkeitsorganisationen und öffentlichen Körperschaften
auf das Image derer, die Gelder oder
Spenden für diese Organisationen bereitstellen.
Unterstützung für
positive Maßnahmen
Die Akzeptanz und Unterstützung
breiter Bevölkerungsschichten ist für
den Erfolg positiver Förderprogramme unabdingbar. Aus der vorliegenden Studie ergaben sich divergierende
Ergebnisse in Bezug auf die Unterstützung positiver Maßnahmen. Dabei
wurden Initiativen dann als erfolgreich
identifiziert, wenn die Zielgruppen bei
der Gestaltung, Planung, Umsetzung
und Evaluierung umfassend beteiligt
waren. Manche öffentlichen Körperschaften bemühten sich sogar darum,
die politischen Grenzen zu erweitern,
um eine wesentlich breitere Anwendung positiver Maßnahmen zu erreichen. Während das starke individuelle
Engagement und die Unterstützung
seitens der Unternehmensführung als
wichtige Faktoren identifiziert wurden,
zeigte sich, dass Einzelpersonen relativ
geringe Unterstützung von Linienmanagern erhielten. Diese Faktoren waren mit einer Reihe von Hindernissen
verbunden (auf die nachfolgend eingegangen wird), die einer erfolgreichen
Umsetzung positiver Maßnahmen
entgegenstanden. Angesichts dieser
Schwierigkeiten benötigt die Europäische Kommission Netzwerke zu
bewährten Verfahren für die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der
Bewältigung von Rechtsunsicherheiten, und um parallel eine Übertragung
und Anwendung des EU-Ansatzes in
Bezug auf positive Maßnahmen sicherzustellen. Die Netzwerke sollten
auf nationalen und sektorübergreifenden Ebenen eingerichtet werden, um
einen Austausch von Ideen, Ansätzen
und Aktivitäten zu ermöglichen und
Organisationen darin zu bestärken,
Absichten in Aktionen umzusetzen.
Den EU-Institutionen und Mitgliedstaaten wird, soweit erforderlich, die
Einführung von Rechtsvorschriften
zur Umsetzung positiver Maßnahmen empfohlen, um eine vollständige
Chancengleichheit in der Praxis zu erreichen.
Hindernisse für
positive Maßnahmen
Als häufigste Hindernisse für positive
Maßnahmen wurden insbesondere in
den europäischen Ländern begrenzte
Human- und Finanzressourcen angeführt. Teilnehmer der Studie sahen
außerdem mangelndes Bewusstsein
für die Vorteile positiver Maßnahmen
bei den Beschäftigten und in breiteren Gesellschaftsschichten sowie die
Rolle der Medien bei der Problematisierung dieser Maßnahmen und der
allenfalls symbolischen Darstellung
von Ergebnissen als Hindernisse für
7
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
die Akzeptanz positiver Maßnahmen. Um dieses Problem anzugehen,
sollten die Regierungen die Allgemeinheit durch „Social Marketing“
über positive Maßnahmen aufklären,
um offenbar weit verbreitete Missverständnisse auszuräumen und eine
Verknüpfung verschiedener Interessengruppen zu erleichtern, die bereits
an solchen Maßnahmen beteiligt sind.
Auch breit gefächerte Kampagnen zur
Bewusstseinsbildung, sowohl was den
Bedarf an positiven Maßnahmen für
benachteiligte Gruppen anbetrifft als
auch hinsichtlich der Vorteile solcher
Maßnahmen für breite Gesellschaftsschichten, werden eine höhere Akzeptanz und eine positive Einstellung zu
den Maßnahmen fördern.
Ergebnisse und Wirkungen
Ein von der Studie identifiziertes großes Problem in Bezug auf die Effektivität positiver Maßnahmen ist das
fehlende systematische Monitoring bezüglich Leistungen und Ergebnissen.
Die Organisationen bemühten sich
sehr um die Erarbeitung einer aussagekräftigen Beweisführung und tendierten dazu, sich bei der Bewertung
der Wirkungen positiver Maßnahmen
eher auf „weiche“ Indikatoren zu verlassen. Während positive Maßnahmen
insgesamt als effektiv angesehen werden, was die Schärfung des Bewusstseins für Gleichstellungsprobleme in
Organisationen betrifft, so waren die
tatsächlichen Wirkungen positiver
Maßnahmen auf Minderheiten, die
Verbesserung des Images und der
Reputation einer Organisation sowie
ihr potenzieller Beitrag zum Organisationsserfolg noch nicht ausreichend
bekannt. Initiativen zu positiven
Maßnahmen waren weitgehend zeitlich beschränkt und wurden nicht als
langfristige Maßnahmen angesehen.
Im Allgemeinen waren den Angaben
zufolge ethnische Minderheiten und
Frauen diejenigen Gruppen, die am
meisten von den Initiativen profitierten, während homosexuell, bisexuell
8
und transsexuell orientierte Menschen
die am wenigsten begünstigten Gruppen ausmachten.
In Anbetracht der Tatsache, dass den
Organisationen in Bezug auf Initiativen im Rahmen positiver Maßnahmen Evaluierungstools fehlten,
ist es dringend notwendig, Tools zu
entwickeln, um die Organisationen
bei der Ermittlung von Basisdaten
zu unterstützen, damit positive Maßnahmen umgesetzt werden können
und um aussagekräftige Strategien
für die Evaluierung der Wirksamkeit
von Maßnahmen zu erarbeiten. Zur
Evaluierung des Bedarfs an positiven
Maßnahmen und ihrer Wirksamkeit
ist eine Datenerhebung erforderlich.
Trotz Einhaltung der Datenschutzgesetzgebung sollten die Mitgliedstaaten
sicherstellen, dass Organisationen sich
in den Bereichen an Datenerfassungen
beteiligen, wo sie zur Erleichterung
und Analyse positiver Maßnahmen
dienen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass
die Zukunft für positive Maßnahmen
gut aussieht und viele Organisationen
künftig die Einführung von Initiativen oder Programmen im Rahmen
positiver Maßnahmen planen. Daher
sollten Untersuchungen durchgeführt
werden, um die aktuelle Situation der
„Benachteiligung“ im Hinblick auf die
verschiedenen Felder, in denen positive Maßnahmen angewendet werden können, wie z. B. Beschäftigung,
Bildung, Wohnverhältnisse, Gesundheitsversorgung etc., bezüglich dieser
unterschiedlichen Dimensionen zu
erfassen. Darüber hinaus gibt es so
wenig Evaluierung von bewährten
Verfahren bei positiven Maßnahmen,
dass die Erarbeitung eines Modells für
die Beurteilung Vorteile brächte.
Positive Maßnahmen
in der Praxis
Beispiele für die Umsetzung positiver
Maßnahmen in Organisationen bestätigen die Unsicherheit über die Festlegung eines Umfangs von Maßnahmen
und zeigen eine Überschneidung mit
anderen flankierenden Maßnahmen,
wie das Monitoring von Gleichstellung und Vielfalt sowie die Bewertung
der Wirkungen der Maßnahmen.
Die unter das Schlagwort „positive
Maßnahmen“ fallenden Aktivitäten
sind erstaunlich breit gefächert. Viele
Länder konzentrieren sich auf spezifische Gruppen, vielleicht zulasten
anderer Gruppierungen. Dies spiegelt
möglicherweise den besonderen Kontext oder die „Politik“ des jeweiligen
Landes wider. Mitgliedstaaten sollten
nationale Rechtsvorschriften überprüfen, wenn diese die Chancen für öffentliche, private Organisationen oder
freie Initiativen beschränken, positive
Maßnahmen zu ergreifen. Tatsächlich
liegt bei den positiven Maßnahmen
der Schwerpunkt eher auf Aus- und
Weiterbildung sowie auf der Verbesserung von Beschäftigungschancen als
auf Dienstleistungen. Die Einführung
positiver Maßnahmen in Organisationen kann einige negative Konsequenzen oder auch eine Gegenbewegung
bewirken, wie z. B. negative Klischees,
Stigmatisierung, fehlende Aufsicht,
unehrliches Verhalten und Amtsmissbrauch. Es ist bemerkenswert, dass die
qualitativen Daten aus den Konsensworkshops und Befragungen keine
Beispiele für Maßnahmen in Bezug
auf Religion oder Glaubenszugehörigkeit erbrachten.
Diese Studie ergab ethische, politische, soziale, strukturelle, strategische
und betriebliche Fragestellungen für
alle Interessengruppen, einschließlich
Führungskräften und Personalbeauftragten, die größere Gleichheit und
Diversität in Organisationen ermöglichen möchten. Positive Maßnahmen
werden weithin als politischer Streitpunkt wahrgenommen und erfordern
eine umsichtige Verfahrensweise und
eine sorgfältige Einführung oder Erneuerung innerhalb von Organisationen. Positive Maßnahmen erfolgen in
einem komplexen Kontext – ihre Entwicklung erfordert zunehmend eine
Zusammenfassung
starke Belegbasis erfolgreicher Praxis,
um aufzuzeigen, dass sie auch zukünftig einen effektiven Weg hin zum
Fortschritt in pluralistischen Kulturen
darstellen und dass ihre Vorteile die
Probleme aufwiegen, die gelegentlich
entstehen können. Bei der Einführung
und Überarbeitung von Antidiskriminierungsgesetzen in der EU sollte sichergestellt werden, dass öffentliche,
private und freiwillige Organisationen,
die sich an positiven Maßnahmen beteiligen wollen, auch das Recht haben,
dies zu tun.
9
1
Einleitung und
methodischer Ansatz
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
1 Einleitung und methodischer Ansatz
In diesem Kapitel werden Kontext und Ziele der Studie bestimmt und das Konzept der Studie sowie die Entwicklung und Anwendung der Datenerfassungsmethoden auf die verschiedenen Phasen der Studie erörtert. Wir geben einen Überblick über die Verfahren für
die Literaturrecherche und die Erarbeitung einer Arbeitsdefinition positiver Maßnahmen.
Dieses Kapitel erläutert das Verfahren für die Erarbeitung einer Online-Befragung und gibt
einen Überblick über die in der Tiefenstudie und bei der Verbreitung der Studie verwendeten
unterschiedlichen Methoden.
1.1 Überblick über die Studie
In den letzten Jahren hat es in der Europäischen Kommission eine erhebliche Ausweitung der Rechtsvorschriften im Bereich der Gleichbehandlung
gegeben. Im Jahr 2000 wurden zwei
Richtlinien verabschiedet, die die
Diskriminierung aufgrund von Rasse und ethnischer Herkunft (1), sexueller Ausrichtung, Religion oder
Glaubenszugehörigkeit, Behinderung
und Alter untersagten ( 2). Daraufhin folgten Änderungen an der lange
bestehenden Richtlinie 76/207/EWG
zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die Richtlinie im
Jahr 2004 (3) zur Verwirklichung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung
von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit
Gütern und Dienstleistungen und
kürzlich die Annahme einer Neufassung der Richtlinie zur Gleichstellung
der Geschlechter (4). Als Konsequenz
dieser Fülle an Rechtsvorschriften ist
die Europäische Gemeinschaft nun die
treibende Kraft bei der Formulierung
und inhaltlichen Definition nationaler
Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsgesetze in allen 27 Mitgliedstaaten. Außerdem wurde vom European
(1) Richtlinie 2000/43/EG des Rates.
(2) Richtlinie 2000/78/EG des Rates.
(3) Richtlinie 2004/113/EG des Rates.
(4) Richtlinie 2006/54/EG des Rates.
12
Network of Independent Experts on
Fundamental Rights (5) (Europäisches
Netzwerk unabhängiger Experten zu
Grundrechtsfragen) besonders viel
Arbeit in positive Maßnahmen für
Roma im Bereich Aus- und Weiterbildung investiert.
Trotz der Ausweitung des EU-Rechts
und der erheblichen Aufstockung an
Personal und Materialien müssen die
Rechtsvorschriften auf nationaler Ebene immer noch in erster Linie durch
Aktionen einzelner Diskriminierungsopfer durchgesetzt werden, die sich
entschließen, gegen diskriminierendes Verhalten gerichtlich vorzugehen.
Diese Mechanismen zur Durchsetzung
waren bereits in den ersten Richtlinien zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die Mitte der 1970er
Jahre erlassen wurden, gegeben, und
sie wurden im Laufe der Jahre immer
wieder kritisiert (Blom et al., 1995).
Dies ist darauf zurückzuführen, dass
Opfer eine Reihe von Hindernissen
überwinden müssen, wenn sie gegen
Diskriminierung klagen. Die finanziellen und emotionalen Belastungen sind
dabei besonders hoch (Bell, 2005).
Positive Maßnahmen, einschließlich
positiver Pflichten zur Förderung der
(5) Europäisches Netzwerk unabhängiger Experten zu Grundrechtsfragen (2005), Thematic
Comment No 3, The Protection of Minorities in
the European Union, unter http://ec.europa.
eu/, Evetts justice_home/cfr_cdf/doc/thematic_comments_2005_en.pdf.
Gleichstellung beispielsweise durch
Vertragserfüllungsprogramme, sind
ein Mittel zur Überwindung der
Grenzen, die einem individuellen
Durchsetzungsmodell inhärent sind,
das auf Rechtsstreiten basiert. Es gibt
jedoch einen Mangel an empirischer
Literatur über den Einsatz positiver
Maßnahmen in Europa, obwohl diese
Maßnahmen als Methode zur europaweiten Realisierung der Chancengleichheit empfohlen werden.
Dieser Bericht ist das Ergebnis einer
Studie, die durchgeführt wurde, um
der Europäischen Kommission ein
besseres Verständnis für die Rolle zu
vermitteln, die positive Maßnahmen
in der Praxis bei der Vermeidung
oder Beseitigung von Diskriminierungen spielen können. Die Studie
baut dabei auf der Kenntnis des bestehenden gesetzlichen Rahmens
auf, der in anderen Studien (De Vos,
2007) ausgeführt wurde. Sie soll die
Europäische Kommission dabei unterstützen, Aufschluss darüber zu
gewinnen, welche Art von praktischen positiven Maßnahmen bereits
in der EU (und in den EFTA-/EWRLändern) durchgeführt werden. Darüber hinaus sollten Angaben über
die möglichen Kosten und Vorteile
der positiven Maßnahmen gemacht
werden. Im Rahmen dieser Erhebung
wurde auch ein Vergleich zwischen
der EU, Kanada, den USA und Südafrika in Bezug auf die rechtlichen
Rahmenbedingungen, Strategien und
1 Einleitung und methodischer Ansatz
praktische Umsetzung positiver Maßnahmen erstellt.
Mit dem über 15 Monate andauernden Projekt wurde das „Centre for Inclusion and Diversity“ der University
of Bradford in Kooperation mit dem
„European Roma Rights Centre“ und
dem „Ludwig Boltzmann Institut für
Menschenrechte“ (BIM) beauftragt.
Das Untersuchungsteam hatte im Verlauf der Studie vier Aufgabenstellungen zu bewältigen:
1. Erarbeitung einer Arbeitsdefinition positiver Maßnahmen;
2. Durchführung einer OnlineBefragung in 27 europäischen
Mitgliedstaaten und in den
EFTA/EWR-Ländern;
3. Durchführung einer eingehenden
Fallstudie in acht EU-Ländern
sowie in Kanada, den USA und
Südafrika und
4. Verbreitung der Untersuchungsergebnisse über ein Seminar und
über Veröffentlichungen.
Außer diesem Bericht liegt zur Studie
wichtiges Material vor, das wertvolle
Zusatzinformationen und einen Einblick in sämtliche Aspekte der Studie
vermittelt. Dazu gehören:
• ein Synthesebericht mit einer vergleichenden Analyse sämtlicher
Aspekte der Studie im ersten Band
der Pamecus (Positive Maßnahmen
in der EU, Kanada, den USA und
Südafrika);
• ein Bericht über die Umfrage, der
die Antworten der Online-Umfrage
zuordnet und zusammenfasst mit
einer vergleichenden Analyse der
Untergruppe im zweiten Band der
Pamecus;
• Berichte von elf Ländern zur Situation hinsichtlich positiver Maß-
nahmen, einschließlich Beispielen
in Frankreich, Irland, den Niederlanden, Österreich, Slowakei,
Schweden, Ungarn, dem Vereinigten Königreich, Kanada, Südafrika
und USA im dritten Band der Pamecus.
1.2 Definition
positiver Maßnahmen
Ergebnisse früherer Studien (z. B. Archibong et al., 2006b) ergaben Unsicherheiten und unterschiedliche
Interpretationen positiver Maßnahmen. Organisationen ist zwar unter
bestimmten Umständen per Gesetz
die Möglichkeit gegeben, positive
Maßnahmen zu ergreifen, es gibt
jedoch keine gesetzliche Definition
dieses Konzepts. Somit ist ein klares
Verständnis positiver Maßnahmen
erforderlich, da die gegenwärtigen
Unsicherheiten in dieser Hinsicht die
Ausgestaltung von Maßnahmen eher
behindert. Zu diesem Zweck wurde
im Zusammenhang mit der Studie
eine Definition entwickelt, die positive Maßnahmen folgendermaßen beschreibt: „Positive Maßnahmen sind
angemessene Aktivitäten, die implementiert werden, um eine vollständige und effektive Chancengleichheit
für alle Mitglieder von Gruppen zu
gewährleisten, die sozial oder wirtschaftlich benachteiligt sind oder
anderweitig die Folgen vergangener
oder gegenwärtiger Diskriminierung
oder Benachteiligung zu erleiden
haben.“ Eine vollständige Definition
positiver Maßnahmen, wie sie in der
Studie verwendet wurde, erfolgt in
Kapitel 3.
Positive Maßnahmen sollten im Projektzusammenhang als Überbegriff
betrachtet werden, der alle Arten von
Aktivitäten, Initiativen, Strategien
und Eingriffen bezeichnet, mit denen
ein oder mehrere Ziele erreicht werden sollen, auf die positive Maßnahmen hinsichtlich Beschäftigung und
Dienstleistungen abzielen.
1.3 Aufgabenstellungen
und Ziele der Studie
An der Studie beteiligten sich Einzelpersonen, die für die Ausgestaltung
und Implementierung positiver Maßnahmen verantwortlich sind, wie z. B.
Personalbeauftragte, Beauftragte für
Chancengleichheit und Vielfalt, Cohesion and Service Development Manager, Mitglieder der Geschäftsleitung
und andere leitende Angestellte, die
für die Gleichstellung zuständig sind.
Spezifische Ziele sind dabei:
• Untersuchung des historischen,
sozialen und politischen Kontextes, innerhalb dessen gesetzliche
Rahmenbedingungen für positive
Maßnahmen sowohl für Beschäftigung als auch für Dienstleistungen
erarbeitet wurden.
• Bewertung der Wahrnehmungen,
des Verständnisses und der Gründe für die Entwicklung und Implementierung von Strategien für
positive Maßnahmen, wobei es um
die Gleichbehandlung in Bezug auf
Alter, Behinderung, Rasse, Religion,
Glaubenszugehörigkeit und sexuelle Ausrichtung ging. Geschlechtsspezifische Aspekte, die sich mit
anderen Bereichen überschneiden,
wurden ebenfalls berücksichtigt.
• Identifizierung von Typ und Umfang positiver Maßnahmen, ihrer
Verbreitung im privaten, öffentlichen und dritten Sektor und des
Zeitraums, in dem sie durchgeführt
wurden oder werden.
• Untersuchung der Ergebnisse und
Wirkung positiver Maßnahmen in
den teilnehmenden Organisationen.
• Erfassen der Ansichten der Organisationen zu den tatsächlichen
oder subjektiv wahrgenommenen
Vorteilen, einschließlich des relativen Erfolgs und der wichtigsten
Hindernisse und Einschränkungen
13
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
bei der Umsetzung positiver Maßnahmen (Schwerpunkt auf bewährte Verfahren) und der daraus gezogenen Lehren.
• Untersuchung der subjektiv wahrgenommenen Effektivität der
durchgeführten Maßnahmen und
wie sie verbessert werden könnte.
• Identifizierung der Kernaussagen
und bewährten Verfahren, um diese Informationen an die Politik und
die Praktiker weiterzugeben.
1.4 Aufbau dieses Berichts
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit
dem Hintergrund der Studie, ihren
formalen Aufgabenstellungen und
Zielen und stellt auf die Methodik und
das Konzept der Studie ab. Kapitel 2
stellt die Literatur vor, Kapitel 3 untersucht positive Maßnahmen aus der
rechtlichen Perspektive und legt eine
Arbeitsdefinition positiver Maßnahmen vor, die für die aktuelle Studie
verwendet wird, Kapitel 4 diskutiert
die Wahrnehmung positiver Maßnahmen in der Europäischen Union
und in den EFTA-Ländern, Kapitel 5
untersucht, wie positive Maßnahmen
in Kanada, Südafrika und den USA
wahrgenommen werden, Kapitel 6
analysiert die Wahrnehmung positiver
Maßnahmen durch die Teilnehmer an
der Umfrage aller Länder, wobei der
besondere Schwerpunkt auf den Unterschieden bei den Dimensionen der
Gleichbehandlung, den Sektoren und
Organisationsarten gelegt wird. Kapitel 7 stellt die Schlussfolgerungen und
Empfehlungen vor, einschließlich eines Vergleichs positiver Maßnahmen
zwischen europäischen und außereuropäischen Ländern.
1.5 Methodischer Ansatz
1.5.1 Konzept
Das gemischte Konzept beinhaltete
sowohl qualitative als auch quantita-
14
tive Methoden, um der Aufgabenstellungen der Studie gerecht zu werden,
mit einem Grundprinzip, das die Ausarbeitung, Erweiterung, Darstellung
und Klärung der Ergebnisse einer
Methode mit den Ergebnissen der anderen Methode beinhaltet (Adamson
et al., 2004). Die Kombination beider
Methoden ermöglichte uns, ein umfassenderes Bild der Situation in den
verschiedenen Ländern zu gewinnen,
und ergab somit eine höhere Validität
der Untersuchungsergebnisse (Tashakkori und Teddlie, 1998).
Die Studie durchlief drei Phasen: Zunächst wurde die Literatur gesichtet
und eine Arbeitsdefinition positiver
Maßnahmen erarbeitet, daraufhin
folgte eine Online-Umfrage in 27 Mitgliedstaaten, zwei EFTA/EWG-Ländern und drei Nicht-EU-Ländern, die
an der Studie teilnahmen, und schließlich wurde eine vergleichende Tiefenstudie durchgeführt. Vor Beginn der
Untersuchung hatten wir zwei Treffen
zur Metaplanung mit einigen Mitgliedern der Lenkungsgruppe und dem
Beauftragten der Europäischen Kommission, um über Kontext und Fokus
der Studie, Datenquellen und Formen
der Datenerhebung zu sprechen. Dabei ging es auch um Strategien für die
Einbindung verschiedener Interessengruppen. Eine ausführliche Darstellung des bei der Studie verwendeten
methodischen Ansatzes findet sich im
Synthesebericht im ersten Band der
Pamecus.
Vor Beginn der Feldarbeit erhielt
das Forschungsteam der Universität
Bradford eine entsprechende Genehmigung, um sicherzustellen, dass die
Studie die Anforderungen des Code
of Research Ethics (forschungsethische Prinzipien) der University of
Bradford und des Data Protection Act
(Datenschutzgesetz) erfüllt. Unseren
Partnern an der York University in
Kanada, der Johns Hopkins University in den USA und der University of
KwaZulu-Natal in Südafrika wurden
ebenfalls die entsprechenden Genehmigungen erteilt.
1.5.2 Literaturanalyse
und Erarbeitung einer
Arbeitsdefinition von
positiven Maßnahmen
Es liegen bereits eine Reihe von Informationen über positive Maßnahmen in
Berichten und Untersuchungen vor, wie
z. B. die Studie von Dhami et al. (2006),
Archibong et al. (2006b) und Baxter et
al. (2008). Vor Beginn der Feldarbeit
wurde eine eingehende Literaturrecherche durchgeführt, um den Kontext
positiver Maßnahmen zu erforschen,
die zurzeit in nichteuropäischen und
in EU-Ländern implementiert werden.
Es wurden ausgiebig elektronische und
bibliothekarische Ressourcen sowie
andere Einrichtungen genutzt, und wir
führten eine umfassende Recherche
allgemeinerer Literatur zur Untersuchung, Praxis und theoretischen Diskussion positiver Maßnahmen durch.
Die sich aus der Literaturrecherche
ergebenden Informationen brachten
die Erkenntnis, dass eine Definition
des Konzepts positiver Maßnahmen
entwickelt werden müsste. Aufgrund
der Informationen wurden außerdem
Themen und Dimensionen eruiert, die
in die anderen Phasen der Studie einzubringen waren.
In dieser Phase ging es dem Untersuchungsteam darum, einen umfassenden Überblick über die Literatur zu
gewinnen und auf bereits durchgeführten Studien aufzubauen, um eine
eindeutigere Vorstellung von positiven
Maßnahmen zu erhalten. Die Arbeitsdefinition wurde einer zügigen Prüfung durch die Mitglieder des Konsortiums, des Lenkungsausschusses,
des Beauftragten der Europäischen
Kommission und eines Sachverständigenrates unterzogen, der aus Personalbeauftragten, Beauftragten für
Chancengleichheit und Vielfalt und
Rechtsexperten bestand. Die Arbeitsdefinitionen und Antworten auf die
1 Einleitung und methodischer Ansatz
Definition werden in Kapitel 3 vorgestellt.
1.5.3 Online-Umfrage
Die Online-Umfrage wurde zwischen
dem 15. Mai und dem 24. Oktober
2008 durchgeführt. An der Untersuchung nahmen 27 EU-Mitgliedstaaten, zwei EFTA-Länder (Island und
Norwegen) und drei nichteuropäische
Länder (Kanada, Südafrika und die
USA) teil. Wir setzten unterschiedliche Strategien zur Datenerfassung aus
mehreren Kundenkreisen von Organisationen im öffentlichen, im privaten
und im Dienstleistungssektor ein. Im
Mai 2008 wurde ein Online-Fragebogen gestartet (6). Für die Teilnehmer
der Umfrage bestand die Möglichkeit,
den Fragebogen in Englisch, Französisch oder Deutsch auszufüllen, und
er wurde später in fünf weitere Sprachen (Slowakisch, Ungarisch, Bulgarisch, Polnisch und Italienisch) für die
Verwendung in der Studie übersetzt.
Der Fragebogen ist in zehn Abschnitte
gegliedert und besteht aus 35 Fragen,
die Informationen über die Implementierung von Richtlinien zur Gleichbehandlung und Vielfalt abdecken. In
der Umfrage wurden die Organisationen auch zu potenziellen Hindernissen für positive Maßnahmen und zu
ihren künftigen Plänen zur Durchführung positiver Maßnahmen befragt.
Insgesamt füllten 632 Befragte den
Fragebogen aus. Die Mehrheit stammte aus Italien (12,2 %), gefolgt vom
Vereinigten Königreich (9,2 %), Österreich (7,3 %), Belgien (6,5 %), Kanada
(5,5 %) und Deutschland (5,2 %). Andere Länder waren mit einer Rücklaufquote von weniger als 5 % vertreten (7). Generell stammten 40 % der
Befragten aus den acht europäischen
(6) Eine Kopie des Fragebogens wird in Band
1 der Pamecus unter dem Synthesebericht bereitgestellt.
(7) Eine vollständige Aufschlüsselung der Befragten wird in Band 2 der Pamecus im Untersuchungsbericht bereitgestellt.
Ländern und 11 % aus den an der Detailstudie teilnehmenden Nicht-EULändern. Gleichstellungsbeauftragte
(23 %) repräsentierten den größten
Pool an Befragten, gefolgt von Geschäftsführern, die mit 20 % vertreten
waren. Fast die Hälfte aller Befragten
war seit fünf Jahren in ihrer Position,
über 30 % zwischen einem und fünf
Jahren und 12 % weniger als ein Jahr.
Bezüglich der Sektorverteilung in der
gesamten Stichprobe stammte die
große Mehrheit aus dem öffentlichen
Sektor (39 %), gefolgt vom dritten Sektor (37 %) und dem privaten Sektor
(19 %). In Nordamerika und Südafrika
machte der private Sektor mit 43 % einen höheren Anteil aus. Während die
Mehrheit der Befragten des öffentlichen Sektors von Colleges/Universitäten (24 %) kam, stammten die meisten
des dritten Sektors aus dem Bildungsbereich (20 %), und die Befragten des
privaten Sektors gehörten vorwiegend
dem Bereich Arbeits- und Dienstleistungen für Unternehmen an (29 %).
Die Befragten stammten aus unterschiedlich großen Organisationen, wobei die Mehrheit (40 %) öffentlichen/
privaten Organisationen mit über
1 000 Mitarbeitern angehörte. Über
50 % derjenigen, die aus VoluntaryInitiativen/NRO stammten, verfügten
über einen bis zehn bezahlte(n) und
unbezahlte(n) Mitarbeiter. Ein Viertel
der Befragten gehörte Organisationen
an, die eine Niederlassung/Tochtergesellschaft oder eine Kundenzentrale in
anderen europäischen Ländern außerhalb ihres eigenen Landes hatten, wohingegen eine von fünf Organisationen
über eine Niederlassung/Tochtergesellschaft oder eine Kundenzentrale in
anderen Ländern außerhalb Europas
verfügte.
1.5.4 Vergleichende Studie zu
positiven Maßnahmen
Es wurde eine vergleichende Fallstudie zur Untersuchung der gesetzlichen
Rahmenbedingungen und zur prakti-
schen Anwendung positiver Maßnahmen in ausgewählten nichteuropäischen Ländern und in EU-Ländern
(einschließlich EFTA/EWR-Ländern)
durchgeführt. Der Fallstudienansatz
bot eine hinreichend gründliche Untersuchung jedes Landes im Kontext
des realen Lebens, wobei mehrfache
Quellen zur Beweisführung verwendet wurden. Die Ergebnisse der vergleichenden Studie werden in den Kapiteln 3, 4, 5 und 6 vorgestellt.
Die nichteuropäischen Länder, die für
die Durchführung einer eingehenden
vergleichenden Fallstudie ausgewählt
wurden, sind Südafrika, Kanada und
die USA. Diese Länder wurden wegen
ihrer Geschichte und Glaubwürdigkeit
bezüglich der Antidiskriminierungsgesetze und gezielten Maßnahmen
ausgewählt, die sie praktizieren. In
Kanada und den USA sind die Maßnahmen bereits gut etabliert, aber in
Südafrika gibt es solche Maßnahmen
und den gesetzlichen Rahmen erst seit
einigen Jahren.
Die an der Fallstudie beteiligten europäischen Länder sind das Vereinigte
Königreich, Österreich, die Niederlande, Irland, Ungarn, die Slowakei
und Schweden. Diese Länder wurden generell aufgrund der geografischen Bedeutung ausgewählt, da sie
unterschiedliche Regionen in Europa
abdecken, sowie aufgrund des Umfangs positiver Maßnahmen und der
Erfahrung der Länder mit ihnen in
den verschiedenen Dimensionen der
Gleichstellung (z. B. Dhami et al.,
2006). In Verhandlung mit der Kommission wurden Änderungen bei den
ursprünglichen EU-Ländern vorgenommen, um möglichst viele Beispiele positiver Maßnahmen (in allen
Dimensionen) und Erfahrungen bezüglich der Effektivität und Replizierbarkeit der Maßnahmen zu erfassen.
Darüber hinaus hielten wir es auch für
notwendig, mit Ländern zusammenzuarbeiten, die von Mitgliedern des
Projektteams repräsentiert wurden,
15
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
um den Zugang zu den teilnehmenden Organisationen zu erleichtern.
Diese Vergleichsstudie erbrachte wertvolle Erkenntnisse über den Bedarf an
positiven Maßnahmen, ihren Einsatz
und ihre Wirkung. Dieser Aspekt der
Studie zielte insbesondere darauf ab,
den historischen, sozialen und politischen Kontext positiver Maßnahmen
aufzuzeigen, ihre Implementierung zu
untersuchen, Methoden der Messung
ihrer Wirkungen zu identifizieren, die
Ansichten der Organisationen über
die damit verbundenen Vorteile, Probleme und Erfolge zu untersuchen
und Anregungen zur Überwindung
der Schwierigkeiten für eine erfolgreiche Implementierung positiver Maßnahmen aufzugreifen. Neben einer
eingehenden Sichtung der einschlägigen Literatur zum Kontext und zur
Anwendung positiver Maßnahmen
in den ausgewählten EU- und NichtEU-Ländern wurden die Daten zur
vergleichenden Fallstudie mittels partizipativer Methoden erhoben. Außerdem wurden ein Konsensworkshop,
Befragungen und die Analyse des gesetzlichen Rahmens und schriftlicher
Richtlinien der teilnehmenden Organisationen durchgeführt. Die Feldarbeit zur Detailstudie erfolgte zwischen
dem 10. Juli und dem 24. September 2008.
Konsensworkshops
und Befragungen
Es wurde eine KonsensworkshopMethode eingesetzt, bei der die Erkenntnisse, Interpretationen und Erfahrungen aller Interessenvertreter
hinsichtlich bestmöglicher Ergebnisse
im Kontext positiver Maßnahmen in
jedem Land zusammengetragen wurden (Spencer, 1989; Stanfield, 2002).
Um einen tieferen Einblick in die
Wahrnehmungen und Erfahrungen
von positiven Maßnahmen zu gewinnen, führten wir in neun von elf Ländern, die an der Fallstudie beteiligt
waren, Konsensworkshops durch.
16
Als Schwerpunkt der Datenerhebung
während dieser Phase wurden in jedem Land, abgesehen von Frankreich
und Schweden, halbtägige Konsensworkshops durchgeführt. In jedem
Workshop wurden zwei Diskussionsgruppen mit Vertretern aller Interessengruppen, einschließlich Arbeitgebern aus dem privaten, öffentlichen
und dritten Sektor, sowie Kampagnen/Initiativen, die benachteiligte
Gruppen repräsentieren, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften
gebildet. Jeder Workshop begann
mit einer Plenarveranstaltung, in der
ein Hauptvortrag gehalten und ein
Überblick über die Forschungsstudie gegeben wurden. Darauf folgten
von den Wissenschaftlern begleitete
Gruppendiskussionen, an die sich
eine erneute, zusammenfassende
Plenarveranstaltung anschloss. Insgesamt 272 Teilnehmer beteiligten
sich an Diskussionen in 18 heterogen
besetzten Kleingruppen. Die Gruppen erhielten zur Strukturierung der
einleitenden Diskussionen eine Reihe
von Fragen, aber es stand ihnen auch
frei, andere sachbezogene Themen zu
diskutieren.
Die von den Workshops erarbeiteten
Themen wurden weitergehend validiert, indem gezielte persönliche oder
telefonische Interviews mit einzelnen
Teilnehmern des Konsensworkshops,
die dazu bereit waren, ihre Ansichten
detaillierter zu diskutieren, oder mit
Personen, denen die Teilnahme nicht
möglich war, die jedoch einen Beitrag
hierzu leisten wollten, durchgeführt
wurden. Weitere spezifische Felder,
hauptsächlich kontextspezifische Fragen, wurden erörtert. Zwischen Juli
und September 2008 wurden insgesamt 141 ausführliche Interviews geführt. Mit Zustimmung der Befragten
wurden die meisten Interviews auf
Band aufgezeichnet; sie dauerten ca.
30 bis 60 Minuten. Die Interviews wurden teilstandardisiert in vertiefender
Form mit zentralen Akteuren geführt,
wobei ein Interviewformular verwen-
det wurde, um ein geleitetes Gespräch
zu führen (Fielding, 1993: 144).
Die Fragen für die Workshops und
die Interviews waren so gestaltet, dass
das Verständnis und die Bindung an
positive Maßnahmen untersucht und
Beispiele guter Praxis identifiziert
werden konnten, um die Verantwortungsträger innerhalb des Prozesses
der Gestaltung und Implementierung
solcher Initiativen zu bestimmen sowie den Umfang, in welchem sich positive Maßnahmen auf den gesamten
Beschäftigungszyklus und die Ziele
der positiver Maßnahmen bezogen
– das heißt, warum die Maßnahmen
eingerichtet wurden, wer verantwortlich war, wie sie gestaltet waren und
welche Gedanken in die Gestaltung
einflossen und wer über die Initiative
beraten wurde. Die Workshops und
Interviews wurden durchgeführt, um
zu überprüfen, ob die Erfahrungen
mit positiven Maßnahmen den Erwartungen an die Initiativen entsprachen.
Dokumentenanalyse – Richtlinien und rechtlicher Rahmen
In Ergänzung zum Konsensworkshop
beinhaltete diese Phase eine Detailanalyse von Organisationsrichtlinien
bzw. rechtlichen Rahmenbedingungen, die den positiven Maßnahmen
in jedem der elf Länder zugrunde
lagen. Die Dokumentenanalyse hat
eine lange Tradition in den Sozialwissenschaften und kann eine wertvolle
Datenquelle sein (Prior, 2003). Das
Hinzuziehen von Dokumenten kann
eine relativ ökonomische und sinnvolle Methode der Datensammlung sein.
Sie kann entweder in qualitativer oder
quantitativer Form erfolgen. Die Wissenschaftler erstellten ausgehend von
den Aufgaben und Zielen des Projekts
eine erste Liste aller benötigten Dokumente. Die Befragten wurden gebeten, die relevanten Dokumente zur
Verfügung zu stellen. Die Dokumentenanalyse bot einen Überblick darüber, in welcher Weise die gesetzlichen
1. Introduction:
1 Einleitung
New Business
und methodischer
Horizons in Europe
Ansatz
Rahmenbedingungen, Richtlinien und
Verfahrensweisen die verschiedenen
positiven Maßnahmen in den beteiligten Ländern unterstützten. Die rechtliche Analyse wurde mithilfe einer
Vorlage durchgeführt und basierte auf
vier zentralen Fragen, die in Kapitel 3
vorgestellt werden.
Sachverständige
Der Ansatz, Sachverständige einzubeziehen, wurde in zwei Phasen des Projektes umgesetzt. Er wurde zum ersten
Mal bei der Entwicklung der Arbeitsdefinition von positiven Maßnahmen
eingesetzt und anschließend in einer
Telekonferenz, die zur Überprüfbarkeit
durchgeführt wurde (8). Daran beteiligt waren drei Mitglieder des Untersuchungsteams und drei Mitglieder der
Sachverständigengruppe, die aus dem
Bildungs-, dem Gesundheits- und dem
Personalentwicklungsbereich stammten. Die Überprüfbarkeit war für die
Einschätzung der Validität der USDaten des Konsensworkshops erforderlich, da die Teilnehmer aus einem
weniger divergenten Pool stammten.
Sämtliche Mitglieder der Sachverständigengruppe wurden aufgrund ihrer
umfangreichen wissenschaftlichen
und praktischen Erfahrung mit den
Thematiken der Studie ausgewählt. Zu
Beginn erhielten die Mitglieder der
Sachverständigengruppe einen Überblick zu den zentralen Themen, insbesondere zu den Kernaussagen, die
im Rahmen des Konsensworkshops in
den USA erarbeitet wurden. Sie wurden anschließend dazu aufgefordert,
weitere Perspektiven zu ihrem Verständnis, zu den Einflussfaktoren, zur
Effektivität und zur Wirkung positiver (affirmativer) Maßnahmen in den
USA vorzustellen.
1.6 Datenanalyse
Die Untersuchungsdaten wurden
mit dem Statistikprogramm „Statistical Package for the Social Sciences“
(SPSS) analysiert, wobei eine Kombination aus deskriptiver und schließender Statistik angewendet wurde.
Aufgrund der Schwierigkeiten, die
sich bei der Stichprobenplanung ergaben, und dem daraus folgenden
Einsatz des Schneeballverfahrens zur
Verbesserung der Rücklaufquote ist
die Stichprobe nicht völlig repräsentativ für die Grundgesamtheit aller
Organisationen in den teilnehmenden Ländern und kann daher nicht
wie eine Zufallsauswahl behandelt
werden. Gleichwohl hielten wir es
für nützlich, Kreuztabellierungen
der Antworten mit organisatorischen
Merkmalen durchzuführen und einen p-Wert von 0,05 einzusetzen, um
einen Hinweis auf die Merkmale zu
geben, die augenscheinlich einen Zusammenhang mit einer Antwort aufwiesen, die deutlich über oder unter
dem Durchschnitt aller Antworten in
den einzelnen Bereichen des Fragebogens lag. Der Chi-Quadrat-Test und
der Fisher’s Exact Test wurden je nach
Erfordernis angewendet.
Um Transparenz und einen systematischen Ansatz zu erhalten, verwendeten wir für die qualitative Datenanalyse einen Framework-Ansatz
(Silverman, 2001) in Bezug auf Konsensworkshops, Interviews, Analyse
der Richtlinien und Expertendaten.
Ein thematisches Framework war ein
Querbezug zu Aufgabenstellungen
und Zielen des Projekts und zu den
Hauptdiskussionspunkten, die sich
aus der Literaturrecherche ergaben.
Unter Verwendung einer kontextbasierten Inhaltsanalyse wurde eine Dokumentenanalyse (Prior, 2003) durchgeführt.
(8) Überprüfbarkeit bezieht sich auf den Grad,
zu dem die Ergebnisse von anderen bestätigt
oder bekräftigt werden konnten.
17
2
Beschreibung des Kontextes
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
2 Beschreibung des Kontextes
In diesem Kapitel geben wir einen Überblick über die Verfahren für die Literaturrecherche
und die Entwicklung einer Arbeitsdefinition von positiven Maßnahmen. Das dritte Kapitel
beschäftigt sich mit der Sichtung der EG-Gesetzgebung und von Richtlinien, einschließlich
einer Analyse des rechtlichen Rahmens in den an der Studie teilnehmenden Ländern. In diesem Kapitel wird jedoch die Untersuchung vorgestellt, die auf die Wirkungen der Gesetzgebungen auf positive Maßnahmen abzielt. Wir untersuchten die verschiedenen Meinungen
und den Umfang positiver Maßnahmen und die damit verbundenen theoretischen Diskussionen. In dem Kapitel werden auch die wichtigsten Entwicklungen von Richtlinien und
Implikationen für die Implementierung positiver Maßnahmen in einigen der an der Studie
beteiligten Länder beleuchtet. Die Literaturrecherche half dabei, hinreichende Einblicke in
die Untersuchung empirischer Daten zu gewinnen, die bei der Untersuchung und der Tiefenstudie erhoben wurden. Hinsichtlich der länderspezifischen Literatur über Richtlinien und
Verfahrensweisen für positive Maßnahmen (und die rechtliche Analyse) wurden wir von
den Konsortiumspartnern bei der Sichtung sachbezogener Veröffentlichungen unterstützt,
wenn Sprachbarrieren auftraten.
2.1 Konzeptualisierung
positiver Maßnahmen
Das Verständnis des Begriffs „positive
Maßnahmen“ und die darauf bezogene Terminologie variiert zwischen den
einzelnen Ländern, Sektoren und Dimensionen der Gleichstellung erheblich. Diese Situation wird noch durch
die Tatsache verschärft, dass Begriffe
wie „positive Maßnahmen“, „positive
Diskriminierung“, „affirmative Maßnahmen“ und „korrektive Maßnahmen“ in unzähligen Kontexten synonym verwendet werden (Adam, 1997;
Archibong et al., 2006a). Alternative
Bezeichnungen für positive Maßnahmen sind unter anderem „konstruktive Maßnahmen“, „strukturelle Initiativen“. Groschi und Doherty (1999)
erwähnen „Diversifizierungsstrategien“, „Gender Mainstreaming-Projekte“
und McCrudden (2007) „ausgleichende Maßnahmen“. Diese Begriffe können zwar als auf die Thematik bezogen
und als Grenzfälle betrachtet werden,
jedoch postulieren Archibong et al.
(2006a), dass die Begriffe von den
20
„positiven Maßnahmen“ abgegrenzt
werden sollten. Genauer wird auf einige dieser Konzepte in Kapitel 3 bei
Erläuterung der rechtlichen Hintergründe der Definition eingegangen.
Als noch weitergehende Bedeutung
begreifen Iles und Hayers (1997) den
allumfassenden „Diversity-Kompetenz-Ansatz“, um eine effektive internationale Teamarbeit zu beschreiben,
wohingegen Miller & Rowney (1999)
„Diversity Management“ bevorzugen.
Diversity Management ist ein aufkommendes Paradigma unter Fachleuten für Personalentwicklung, das
die Maximierung des Potenzials unterschiedlicher Mitarbeiter definiert,
um das Leitbild der Organisation zu
erfüllen (Dhami et al., 2006; Thomas
und Ely, 2002). Dhami et al. (2006)
definieren Diversity Management als
einen Prozess, der darauf abzielt, eine
positive Arbeitsumgebung zu schaffen
und aufrechtzuerhalten, in der die Unterschiede der einzelnen Mitarbeiter
so geschätzt werden, dass alle ihr Potenzial nutzen und einen maximalen
Beitrag zu den strategischen Zielen der
Organisation leisten können (S. 22).
Während positive Maßnahmen auf
einer gesetzlichen Grundlage aufbauen, basiert Diversity Management auf
einer Managementtechnik, die positive Maßnahmen ergänzt. Ergänzende
Maßnahmen können den Erfolg und
die Nachhaltigkeit fördern und im Gegenzug die Wirkung positiver Maßnahmen maximieren (Welsh et al., 1994).
Nach Auffassung von Archibong et
al. (2007) beinhalten positive Maßnahmen drei bedeutende Begriffsdimensionen: Die gesetzgebende, die
exekutive oder praktische sowie die
politische Dimension, die Kommunikation oder Debatten über das Umfeld
beinhaltet. Sie geben Positionen vor,
während die gesetzgebenden Organe
das legislative Konzept erörtern. Manager wenden das Konzept schließlich
durch Diversity-Maßnahmen am Arbeitsplatz an – aber insgesamt sind positive Maßnahmen in einen größeren
politischen Kontext eingebettet. Diese
Faktoren können auf die Art von posi-
2 Beschreibung des Kontextes
tiven Maßnahmen und Initiativen wirken und Fehlinterpretationen positiver
Maßnahmen zur Folge haben. Dies
führt hingegen möglicherweise dazu,
dass positive Maßnahmen überhaupt
nicht oder nur eingeschränkt durchgeführt werden (Chater und Chater,
1992; Johns, 2005; Archibong et al.,
2007).
werden könnten“ (Burrows und Robinson, 2007, S. 26), nämlich zielgerichtete umfassende Richtlinien, beratende Maßnahmen und bevorzugte
Behandlung.
McCrudden (1986) unterscheidet
„fünf Typen (9) positiver Maßnahmen,
„… nicht in dem Sinn, was rechtlich
zulässig ist, sondern darin, wie der
Begriff im üblichen Sprachgebrauch
verwendet wird“ (S. 223). Die Arbeit
von Burrows und Robinson (2007)
„untersucht einige der Möglichkeiten,
positive Maßnahmen in Bezug auf
den sexistischen Kontext der Gesetzgebung in der EU und Großbritannien begrifflich zu erfassen“ (S. 24).
Die Autoren führen an, dass das EURecht progressiver sei und demzufolge
Anregungen für eine mögliche Rechtsreform im Vereinigten Königreich bieten würde. Die Autoren äußern auch
ihre Frustration über den langsamen
Fortgang von Rechtsreformen und
fordern Großbritannien auf, seine
Gesetzgebung der Europäischen Gemeinschaft im Hinblick auf die Chancengleichheit von Frauen am Arbeitsplatz anzugleichen. Ihr Artikel bietet
eine eingehendere Analyse positiver
Maßnahmen und stützt sich auf einschlägige Literatur bei der Darlegung
der zugrundeliegenden Prinzipien
(z. B. in Bezug auf die Gleichstellung),
die für künftige Änderungen der Gesetzeslage ein potenzielles Hindernis darstellen. Sich auf McCruddens
Analyse berufend, stellen die Autoren
drei Typen positiver Maßnahmen vor,
„die im Kontext einer Überarbeitung
der Arbeitsgesetzgebung eingesetzt
In diesem Abschnitt werden die auf
positive Maßnahmen bezogenen Untersuchungsergebnisse in der Literatur
aus den verschiedenen Sektoren zusammengefasst. Die Literatur umfasst
wenige Untersuchungen über positive
Maßnahmen in den verschiedenen
Sektoren (Shields und Price, 2001;
Carter, 2000; Sheffield et al., 1999; Bagilhole, 1999; Iganski et al., 2001); die
meisten stammten aus dem privaten
und öffentlichen Sektor. Generell bestand ein Mangel an Untersuchungen
in Bezug auf positive Maßnahmen im
dritten Sektor.
(9) McCruddens Typisierung positiver Maßnahmen: 1. Vollständige Beseitigung von Diskriminierungen; 2. augenscheinlich neutrale,
aber gezielte, umfassende Richtlinien; 3. Beratungsprogramme; 4. Vorzugsbehandlung am
Arbeitsplatz und 5. Neudefinition von „Leistung“.
2.2 Untersuchung positiver
Maßnahmen in den
verschiedenen Sektoren
Die Kategorien der öffentlichen und
privaten Sektoren sind nicht eindeutig
definiert, und es ist daher schwierig,
Organisationen des öffentlichen und
des privaten Sektors klar voneinander abzugrenzen. Die meisten Untersuchungen bezogen sich auf positive
Maßnahmen im öffentlichen Sektor
in Bezug auf Gesundheit und Bildung.
Eine Studie untersuchte mehrere
Initiativen im Rahmen positiver Maßnahmen bei Großunternehmen des
UK National Health Service (NHS)
(Staatlicher Gesundheitsdienst), die
von Erfahrungen am Arbeitsplatz
und Mentorenprogrammen bis hin zu
Ausbildungsprogrammen reichten, die
der Förderung der Chancengleichheit
und Vielfalt am Arbeitsplatz dienen
sollten (Baxter et al., 2008), jedoch
landesweit nicht sorgfältig koordiniert
wurden (Arbeitgeber des NHS, 2005).
Eine andere Studie untersuchte positive Maßnahmen in Gesundheits- und
Bildungseinrichtungen (Archibong et
al., 2006b) und deutet darauf hin, dass
es verschiedene Auslegungen oder
Unklarheiten hinsichtlich der Gleichstellungspraktiken und der Richtlinien für positive Maßnahmen gab.
Im Allgemeinen waren die meisten
Teilnehmer der Studie der Meinung,
dass es mehr positive Aktivitäten in
NHS- und Bildungseinrichtungen gab,
die auf die Gleichstellung von Frauen,
Farbigen und ethnischen Minderheiten als auf Menschen mit Behinderungen abzielten.
Murphys (1993) Untersuchung eines
dreijährigen Projekts im Rahmen positiver Maßnahmen in Nordirland ergab eine Programmerweiterung, eine
hohe Erfolgsquote bei Frauen, die
eine Arbeitsstelle suchten, und Vorteile für die gesamte Gemeinde. Das
Projekt war zu einem Auslöser für
regionale, nationale und europaweite
Verbindungen geworden. Es gab eine
ganze Reihe weiterer Organisationen,
die sich am Angebot positiver Aktionsprogramme beteiligten, wie z. B.
die Museums Association (größter
britischer Museumsverband). Diese Programme wurden regelmäßig
überwacht und evaluiert und gelten
als erfolgreich (Museums Association, 2008). Darüber hinaus bestehen
einige Projekte, die nicht als positive Maßnahmen bezeichnet werden.
Dazu gehören Initiativen wie Cultural
Understanding in Leadership and Management Project – CULM (Projekt
zum Kulturverständnis in Führung
und Management) (Archibong und
Burford, 2007). Im Rahmen dieser Initiative entstanden eine vertrauensvolle
und sichere Umgebung für die Beantwortung unangenehmer Fragen und
eine offene und lockere Atmosphäre
zur Meinungsäußerung.
Mathur-Helm (2005) fand heraus, dass
trotz einiger affirmativer Maßnahmen
und Initiativen zur Förderung der
Chancengleichheit Frauen in Südafrika
ständig mit Hindernissen bei Beförderungen konfrontiert waren, weil eine
Vorherrschaft patriarchaler Strukturen
in den Organisationen besteht, die ih-
21
Internationale Sichtweisen
International
zu positiven
perspectives
Maßnahmen
on positive action measures
nen das Vordringen in die Führungsspitze erschwert. Außerdem konnten
sie nicht von staatlichen Richtlinien
und Gesetzen profitieren, um ihre
Karrieren voranzubringen (S. 58). In
der Untersuchung von Mathur-Helm
werden Statistiken angeführt, nach
denen Frauen in Top-Führungspositionen bedeutend unterrepräsentiert
waren. Lediglich 3 % waren Mitglieder
von Aufsichtsräten und nur 1,9 % von
ihnen in der Geschäftsleitung.
Die qualitative Studie von Parker et al.
(1998) ergab, dass die Implementierung von Richtlinien zur Gleichstellung von Mann und Frau im Bankwesen zu reellen Aufstiegsmöglichkeiten
für Frauen in das Management führte,
während das Telekommunikationsunternehmen British Telecommunications (BT) von Liff (1999) wegen
seiner progressiven Ansätze bezüglich
positiver Maßnahmen gelobt wurde,
zu denen z. B. gezielte Einstellungsaktivitäten, Aus- und Weiterbildungen für Mitarbeiter, die ethnischen
Minderheiten angehören, die Förderung von Teilzeitarbeitsplätzen und
die Kinderbetreuung zählten. Zu den
Beispielen positiver Initiativen, die
im dritten Sektor angesiedelt sind, gehört ein von der britischen Regierung
finanziertes Programm unter der Bezeichnung „Positive Action Training
in Housing (PATH)“ (Karriere im
sozialen Wohnungsbau), das Angehörigen ethnischer Minderheiten in einem Unternehmen des sozialen Wohnungsbaus eine Anstellung vermittelt
und ihnen die Teilnahme an einem
Berufsausbildungsprogramm ermöglicht (Echiejile, 1994; Bowes und Sim,
2008; PATH, 2008).
2.3 Messung der Wirkung/
des Erfolgs positiver
Maßnahmen
Die Untersuchung ergab keine klare
Liste von Erfolgskriterien, die „erfolgreiche“ Maßnahmen auszeichnen.
Der Erfolg ist jedoch in hohem Maße
22
davon abhängig, welche Ziele für eine
Initiative definiert werden. Folglich
gibt es nur wenig evaluative Literatur
zum Thema positiver Maßnahmen.
Möglichkeiten zur Messung des Erfolgs und zur Bewertung ergriffener
Maßnahmen finden sich in der Literatur entweder – und dies gilt in den
meisten Fällen – gar nicht, oder sie
sind unvollständig (Band und Parker,
2002) und stattdessen wird ausweichend erörtert, was „Erfolg“ bedeutet.
Immerhin fanden sich Erwähnungen
ermutigender Ergebnisse positiver
Maßnahmen im Gesundheits- und
Bildungssektor (Payne und Huffman,
2005). Es ist zwingend notwendig,
dass direkt oder indirekt von solchen
Maßnahmen betroffene Personen eine
klare Vorstellung von deren Zweck
haben und dass der Nutzen und Wert
von Initiativen, deren Einführung mit
großem finanziellem Aufwand verbunden ist, klar nachgewiesen werden
kann.
Dhami et al. (2006) kommen mit ihrer Einordnung der Effektivitätsmessung affirmativer Maßnahmen in den
USA als schwieriges Unterfangen zum
selben Schluss wie wir. Sie führen an,
dass die meisten Untersuchungen
zum Thema sich auf die wirtschaftliche Leistung ethnischer Minderheitengruppen konzentrieren. Während
einige Studien aber die allgemeinen
Ergebnisse betrachten, setzen andere den Schwerpunkt auf die Teilhabe
der betrachteten Gruppen an der Arbeitnehmerschaft, und wieder andere
konzentrieren sich auf das erzielte
Einkommen. All diese Faktoren beeinflussen die Bewertungen. Während
Stephanopolous und Edley (1995) bei
ihrer Untersuchung der Effizienz affirmativer Maßnahmen in den USA
zum Schluss kommen, dass insgesamt unklar sei, in welchem Maße
die affirmativen Maßnahmen zu einer
stärkeren Repräsentierung von Minderheiten in qualifizierten Positionen
geführt hatten, bewerteten sie die untersuchten Programme doch als effek-
tiv, wenngleich vermutlich eine fairere
Umsetzung möglich wäre. In anderen
Studien beobachten Holzer und Neumark (2000) klare Hinweise auf eine
bessere medizinische Versorgung von
Minderheiten und Geringverdienern
durch affirmative Maßnahmen in der
Medizinerausbildung. Holzer and Ihlanfeldt (1998) vertreten die These,
dass Kunden es in der Regel genießen,
von Mitarbeitern gleicher Ethnie bedient zu werden, und implizieren, dass
Kunden aus Minderheiten aufgrund
affirmativer Maßnahmen glücklicher
(und weiße Kunden weniger glücklich) sein könnten.
Die Bewertung der Effektivität von
Gesetzesrecht und politischen Instrumenten auf dem Gebiet affirmativer
Maßnahmen in den Niederlanden
wird wegen der daraus erwachsenden
zusätzlichen Belastung für die Arbeitgeber weithin als „bürokratische
Monströsität“ (Glastra et al., 1998) bezeichnet. Ungeachtet der rechtlichen
Konsequenzen (strafrechtliche Folgen)
halten sich die meisten Unternehmen
nicht vollständig an die gesetzlichen
Vorschriften, weil die Arbeitgeber die
Realität der Beschäftigung(slosigkeit)
von Minderheiten „eher als Problem
der Angebots- als der Nachfrageseite“
betrachten (Dhami et al., 2006, S. 44).
Als Alternative zu den unterschiedlichen Formen der Bindung an gesetzliche Vorschriften schlug die Regierung
eine Reihe freiwilliger Maßnahmen
vor, zu denen auch „Diversitätsverträge“, die Einrichtung eines Zentrums
für Management und Diversität und
erweiterte freiwillige „Abkommen“
zählen. Hinsichtlich dieser Entwicklungen in den Niederlanden bestätigten Workshop-Teilnehmer, dass der
Terminus der „enjoying currency“
sich auf das Diversitätsmanagement
bezieht, während in der Literatur zur
Beschreibung ähnlicher Aktivitäten in
den Niederlanden die Begriffe affirmative Maßnahme (affirmative action:
z. B. Dhami et al., 2006; Vries und Pettigrew, 1994) und positive Maßnahme
2 Beschreibung des Kontextes
(positive action: z. B. Bacchi, 2004)
verwendet werden.
In aktuellen Studien wurde der nordirische Fair Employment Act (Gesetz
zur fairen Beschäftigung) empirisch
untersucht und die Muster der Abkommen über affirmative Maßnahmen zwischen der Fair Employment
Commission und nordirischen Arbeitgebern in den Jahren von 1990 bis
2000 analysiert (Heaton und Teague,
1997; Osborne und Shuttleworth
2004; McCrudden et al., 2004). Heaton und Teague führen an, dass in
einem friedlichen Klima besser mit
der Spannung zwischen einem positiven institutionellen Rahmen für affirmative Maßnahmen und negativen
religiösen Grundverhältnissen umgegangen werden kann. In jüngerer
Vergangenheit untersuchten Osborne
und Shuttleworth (2004) die Effekte
der Gesetzgebung „eine Generation
später“ und hoben den Erfolg der affirmativen Maßnahmen bei der Sicherung des Wandels und insbesondere
hinsichtlich einer erheblichen Verbesserung des Beschäftigungsprofils katholischer Arbeitnehmer hervor, die
heute auch in gehobenen Positionen
gut vertreten sind.
Berichte bewerten Initiativen häufig
dann als „erfolgreich“, wenn sich eine
vermehrte Einstellung Angehöriger
von Minderheitengruppen feststellen
lässt. Tatsächlich konzentriert sich ein
großer Teil der Literatur zum Thema
positive Maßnahmen im Beschäftigungsbereich vorrangig auf den Aspekt der Einstellung (Secker, 2001;
Refugee Council, 2006; Ward, 2006).
Sicherlich ist diese Konzentration auf
die Umsetzung von Zielen nicht ganz
abwegig. Dainty et al. (1999) beobachten beispielsweise, dass Frauen anders
als Männern nur selten von Freunden,
Familie oder Rollenmodellen gleichen
Geschlechts dazu geraten wird, im
Baugewerbe tätig zu werden. Deshalb
war es wichtig, ihre Repräsentation zu
stärken; und diese Studie ergab, dass
Frauen in der Branche in der Regel
durch Werbekampagnen oder Literatur angezogen worden waren, die explizit darauf abzielten, Frauen für diesen Sektor zu interessieren. Doch das
Erreichen von Zielen oder die Steigerung von Zahlen sind nicht zwingend
mit einem „Erfolg“ gleichzusetzen.
Forschungen im Bereich positiver
Maßnahmen in der Luftfahrt ergaben
zwar, dass positive Maßnahmen zu einer stärkeren Vertretung von Frauen
in der Branche geführt hatten, zugleich
waren es aber auch weibliche Beschäftigte, die die Branche in weitaus größerer Zahl wieder verließen. Obwohl also
Frauen durch positive Maßnahmen
gewonnen wurden, kann dieser Umstand alleine noch nicht automatisch
als Erfolg gewertet werden, weil viele
von ihnen mit der Arbeit in einer von
Männern dominierten Organisation
einhergehende Schwierigkeiten erlebten (Davey und Davidson, 2000).
In einer kanadischen Studie vertritt
Agocs (2002) die Meinung, dass formalisierte Gleichberechtigungsprogramme im Beruf (eine alternative
Umschreibung positiver Maßnahmen)
mit verpflichtenden Zielsetzungen
und einer strengen Durchsetzung
durch die Behörden wichtige Erfolgsfaktoren sind. Die Studie gibt Organisationen den Rat, „verpflichtende
Gleichbehandlungsgrundsätze für
Unternehmen freiwilligen vorzuziehen …“ (Agocs, 2002:22). Obwohl
der Autor feststellt, dass Kanada über
eine im Vergleich zu anderen Ländern
fortschrittliche und in Anwendung
sowie Geltungsbereich umfassende
Gesetzgebung verfügt, besteht doch
eine Kluft zwischen den Versprechen
der Regelungen und den begrenzten Folgen, die sich aus mangelhafter
Unterstützung ihrer Um- und Durchsetzung durch politische Führer und
Unternehmer sowie fehlendes Engagement und fehlende Ressourcen erklärt.
Thomas und Jain (2004) versuchten,
aus den in Kanada gemachten Erfahrungen potenzielle Lehren für Süd-
afrika abzuleiten, und kamen zu dem
Schluss, dass „Gleichberechtigung in
Beschäftigung und Beruf sowohl aus
einer Makro- wie aus einer Mikroperspektive betrachtet werden muss …
und die wirkliche Herausforderung
darin besteht, über die Einhaltung
von Regelungen hinauszugehen sowie
sicherzustellen, dass sich die oberste
Führungsebene der der Gesetzgebung
zugrundeliegenden Weltanschauung
verpflichtet fühlt und sich für eine holistische Entwicklung der Mitarbeiter
und einer Organisationskultur ohne
jegliche historische Diskriminierung
einsetzt“ (S. 51).
Andere Studien berichten von einer
Verbesserung der inneren Einstellung
und Weltanschauung der beteiligten
Personen durch positive Maßnahmen
(Brew und Garavan, 1995; Band und
Parker, 2002). Die Bewertung eines
Mentorenprogramms für Studenten
aus ethnischen Minderheiten in den
ersten Studienjahren durch Band und
Parker (2002) führte die Zufriedenheit der Betreuten und die Erfüllung
ihrer Erwartungen insbesondere bezüglich ihrer Karriereentwicklung,
ihres Selbstvertrauens und ihrer studentischen Fähigkeiten als Erfolge an.
Außerdem wurden zur Bewertung des
Erfolgs der Maßnahme auch Begeisterung und Engagement der Mentoren
sowie deren Zufriedenheit mit dem
für die Studenten erzielten Nutzen herangezogen. Unterschiedliche Initiativen berichten, dass Teilnehmer die Initiative genossen (Brew und Garavan,
1995) und werteten dies als „Erfolg“.
Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass
Selbsteinschätzungen nicht immer
verlässlich und ein stichhaltiges Mittel
zur Erfolgsmessung sind (David und
Sutton 2004).
Alle besprochenen Erfolgsfaktoren
wurden mit einer Veränderung der
Individuen selbst in Verbindung gebracht. Zugleich wurde aber auch
festgestellt, dass Individuen nicht in
einem Vakuum handeln, sondern im
23
International
perspectives
on positive action measures
Internationale Sichtweisen
zu positiven
Maßnahmen
breiteren Kontext einer Organisation, in dem Faktoren wie die Wahrnehmung von Fairness, Bedrohung
und Nützlichkeit den Erfolg positiver
Maßnahmen individuell oder kollektiv beeinflussen können (Kottke und
Agars, 2005). Sich auf eine Fallstudie
beziehend erklärt Anderson (2004),
dass Fortbildung auf diesem Gebiet
die Wahrnehmung sensibilisieren und
Verständnis für Organisationsstrukturen wecken kann, betont aber auch,
dass solche Initiativen nur begrenzten Einfluss haben werden, sofern sie
nicht im Rahmen eines umfassenderen
Maßnahmenpakets zur Herbeiführung
von Veränderungen auf organisationeller Ebene verwirklicht werden. Im
Rahmen dieser Literaturrecherche fanden wir jedoch keine Studie, in der der
Effekt positiver Maßnahmen auf eine
Kultur auf der Grundlage von Beweisen und Messungen evaluiert wurde.
Auch für eine Erforschung des längerfristigen Erfolgs positiver Maßnahmen
fanden wir kaum Belege. Typischerweise beschäftigt sich die Bewertung
von Maßnahmen mit ihren unmittel-
baren bis mittelfristigen Effekten. Eine
Studie von Payne und Huffman (2005)
jedoch macht Mut: Sie ergab, dass die
Betreuung von Offizieren der amerikanischen Armee durch Mentoren
sich positiv auf deren emotionales Engagement und negativ auf ihr Fluktuationsverhalten auswirkte. Außerdem
bietet sie auch langfristige Erkenntnisse dazu, dass das emotionale Engagement teilweise den Zusammenhang
zwischen der Betreuung und dem tatsächlichen Fluktuationsverhalten zehn
Jahre später beeinflusste.
2.4 Überblick
Während politische Initiativen im Bereich positiver Maßnahmen typischerweise alle Sektoren betreffen, lässt sich insbesondere im stärker auf öffentliche Gelder angewiesenen öffentlichen Sektor eine allgemeine Tendenz erkennen, die
Gesetzgebung aus diesem Gebiet eins zu eins umzusetzen. Außerdem sind in die positiven Maßnahmen integrierte Mechanismen, z. B. zur Bewertung ihrer Wirkung, für Organisationen im öffentlichen Sektor ein wichtiger Anreiz zu deren
Umsetzung. Im Gegensatz dazu werden Organisationen aus dem Privatsektor, die bei der Umsetzung positiver Maßnahmen weniger stark überwacht werden, von wirtschaftlichen Zwängen angetrieben. Die Dokumentation im Bereich von
Organisationen aus dem Dritten Sektor macht deutlich, dass hier die Umsetzung weiter geht als in den Organisationen
des öffentlichen Sektors. Im Dritten Sektor engagieren sich weit mehr Akteure im Bereich positiver Maßnahmen für
die Visionen und Mission ihrer Organisation als in den finanziell (privater Sektor) oder durch Kontrollen (öffentlicher
Sektor) motivierten Bereichen. Der allgemeine Mangel an Forschungsergebnissen zu den Auswirkungen positiver Maßnahmen im Dritten Sektor muss jedoch als Einschränkung für diese Literaturrecherche betrachtet werden.
Diese kurze Bestandsaufnahme der Literatur zum Thema positive Maßnahmen ergibt ethische, politische, soziale,
strukturelle, strategische und betriebliche Ansatzpunkte für Führungskräfte und Personalbeauftragte, die größere
Gleichheit und Diversität in Organisationen ermöglichen möchten. Positive Maßnahmen werden überwiegend als
politisch schwieriges Thema wahrgenommen und erfordern vorsichtiges Handeln und eine sorgfältige Einführung oder
Erneuerung innerhalb von Organisationen. Sie werden in einem komplexen Kontext ergriffen – ihre Entwicklung erfordert zunehmend eine starke Belegbasis erfolgreicher Beispiele aus der Praxis, um aufzuzeigen, dass sie auch in Zukunft
einen effektiven Weg hin zum Fortschritt in pluralistischen Kulturen darstellen und dass ihre Vorteile die Probleme
aufwiegen, die gelegentlich entstehen können.
24
3
Untersuchung von positiven
Maßnahmen aus rechtlicher
Perspektive
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
3 Untersuchung von positiven Maßnahmen
aus rechtlicher Perspektive
Angesichts der Wichtigkeit des gesetzlichen Rahmens soll die Thematik positiver Maßnahmen in
diesem Kapitel aus rechtlicher Perspektive betrachtet werden. Im ersten Teil des Kapitels werden
positive Maßnahmen aus der Perspektive des EG-Rechts untersucht und die relevanten gesetzlichen Bestimmungen sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erörtert. Eine
umfassende Beschäftigung mit dem EG-Recht in diesem Bereich bildet auch die Grundlage für die
Arbeitsdefinition des Begriffes der positiven Maßnahme, die zum Gebrauch in dieser Studie entwickelt wurde. Arbeitsdefinition und Anmerkungen dazu finden Sie im zweiten Teil dieses Kapitels.
Außerdem wird über die Reaktion der Befragten auf die Arbeitsdefinition berichtet. Nicht zuletzt
bietet dieses Kapitel außerdem einen vergleichenden Überblick über die Gesetze, die in den elf in
Fallstudien betrachteten Ländern die Anwendung positiver Maßnahmen regulieren.
3.1 Europäisches
Gemeinschaftsrecht (10)
In Anbetracht der Tatsache, dass
alle positiven Maßnahmen in einem
rechtlichen Rahmen angenommen
und umgesetzt werden müssen, ist es
notwendig, den gesetzlich festgelegten
Rahmen und die geltenden Beschränkungen für positive Maßnahmen zu
kennen. In der Europäischen Union
definieren eine Reihe von Richtlinien
des Rates und der EG-Vertrag selbst
sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auf diesem Gebiet die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung positiver
Maßnahmen. Im Grunde geben diese
Instrumente den Mitgliedstaaten die
Möglichkeit, innerhalb eines bestimmten Rahmens positive Maßnahmen
zuzulassen. In allen Mitgliedstaaten
und auch in den nichteuropäischen
Staaten, mit denen sich die PamecusStudie beschäftigt, werden die Grenzen der positiven Maßnahmen durch
verschiedenste Rechtsinstrumente definiert, zu denen die nationalen Verfassungen und das Fallrecht zählen.
(10) Teile dieses Abschnitts basieren auf einem
Auszug aus L. Waddington und M. Bell (2001),
„More Equal than Others: Distinguishing
European Union Equality Directives“, 2001,
Common Market Law Review 38, S. 587-611.
26
Mitgliedstaaten der EU können keine
positiven Maßnahmen vorsehen, die
die vom Gemeinschaftsrecht festgelegten Grenzen überschreiten; es besteht
aber auch keine Verpflichtung, positive Maßnahmen im maximalen im Gemeinschaftsrecht festgelegten Umfang
zu gestatten. So können national weitere, im EG-Recht nicht vorgesehene
Grenzen gezogen werden.
Viele Jahre lang befasste sich das europäische Gemeinschaftsrecht lediglich
im Bereich der Geschlechtergleichheit
mit der Nichtdiskriminierung und
folglich auch mit positiven Maßnahmen. Die Situation änderte sich im
Jahr 1999 mit der Aufnahme des Artikels 13 in den EG-Vertrag, der der
Gemeinschaft die Kompetenzen zusprach, Diskriminierungen aufgrund
des Geschlechts (11), der Rasse, der
ethnischen Herkunft, der Religion
oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen
und dem die Richtlinien zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der
(11) Wie bereits erwähnt, räumten frühere
Versionen des EG-Vertrags einen gewissen
Spielraum für den Beschluss von Gesetzen zur
Gleichstellung der Geschlechter ein.
Rasse (12) und zur Gleichbehandlung
im Bereich der Beschäftigung (13) folgten. Um einen umfassenden Einblick
in den durch das Gemeinschaftsrecht
gegebenen Rahmen für positive Maßnahmen zu erhalten, ist es dennoch
wichtig, zunächst die entsprechenden
Bestimmungen der Gleichstellungsrichtlinien der 1970er und 1980er
Jahre (14) und die damit zusammenhängende Rechtsprechung näher zu
beleuchten. Derzeit gibt es in diesem
Gebiet noch keine weitere Rechtsprechung des EuGH bezüglich anderer
Bestimmungen des Artikels 13 EGVertrag.
Die ursprüngliche Gleichstellungsrichtlinie zum Thema Diskriminierung
(12) Richtlinie 2000/43/EG zur Anwendung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, ABI. L 180 vom 19.7.2000, S. 22.
(13) Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung
und Beruf, ABI. L 303 vom 2.12.2000, S. 16.
(14) Insbesondere Richtlinie 76/207/EWG zur
Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur
Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg
sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen,
ABI. L 39 vom 14.2. 1976, S. 40 (im Folgenden:
ursprüngliche Gleichstellungsrichtlinie).
International perspectives on positive
3 Untersuchung
action measures
von positiven
1. Introduction:
Maßnahmen
New Business
aus rechtlicher
HorizonsPerspektive
in Europe
im Beruf sah in Artikel 2 Absatz 4 eine
Ausnahme vom Diskriminierungsverbot für positive Maßnahmen vor:
„Diese Richtlinie steht nicht den Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen,
insbesondere durch Beseitigung der
tatsächlich bestehenden Ungleichheiten, die die Chancen der Frauen …
beeinträchtigen, entgegen.“ Bereits in
dieser frühen Bestimmung wird ein
wesentliches Element des gemeinschaftlichen Ansatzes zu positiven
Maßnahmen deutlich: Es gibt keine
Verpflichtung für Mitgliedstaaten oder
andere Akteure, positive Maßnahmen
zu genehmigen oder durchzuführen.
Stattdessen hat De Vos (2007) zufolge:
„die Gemeinschaft mit ihren Bestimmungen über positive Maßnahmen
den Mitgliedstaaten eine politische
Option geschaffen, die sie innerhalb
allgemeiner [durch das Gemeinschaftsrecht definierter, MB/LW] Grenzen im
Grunde nach eigenem Gutdünken nutzen können“ (De Vos, 2007, S. 38).
Der Europäische Gerichtshof (im
Folgenden: EuGH; Gericht) hatte
verschiedene Gelegenheiten, die Bedeutung des Artikels 2 Absatz 4 der
Richtlinie zu hinterfragen (15). In seiner strittigsten Entscheidung in der
Rechtssache Kalanke betonte das Gericht, dass „Artikel 2 Absatz 4 als Ausnahme von einem in der Richtlinie
verankerten individuellen Recht eng
auszulegen ist“ (16).
Im Jahr 1999 wurde mit dem Vertrag
von Amsterdam eine neue Bestimmung zum Thema positive Maßnahmen in den EG-Vertrag aufgenom-
men. Artikel 141 Absatz 4 besagt: „Im
Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von
Männern und Frauen im Arbeitsleben
hindert der Grundsatz der Gleichbehandlung die Mitgliedstaaten nicht
daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw.
zum Ausgleich von Benachteiligungen
in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten
oder zu beschließen“. Obgleich diese
Formulierung positiver ist als die des
Artikels 4 Absatz 4 der vorstehend
erwähnten Richtlinie, lässt die Interpretation des Artikels 141 Absatz 4
EG-Vertrag durch den EuGH doch
darauf schließen, dass der Spielraum
für positive Maßnahmen nicht erheblich erweitert wurde (17).
Seit dem Urteil in der Rechtssache
Kalanke hat der EuGH immer wieder
betont, dass er keine positiven Maßnahmen anerkennt, die durch automatische Mechanismen auf der Auswahl­
stufe „gleiche Resultate“ erbringen.
Gleichzeitig ist festzustellen, dass das
Gericht durchaus bereit ist, vor dem
Punkt der Auswahl der Arbeitnehmer
eine große Bandbreite positiver Maßnahmen und auch strikte Quoten
zuzulassen. So war das Gericht beispielsweise in der Rechtssache Badeck
bereit, Maßnahmen zu akzeptieren,
mit denen eine strikte Quote zur Reservierung von mindestens 50 % der
Ausbildungsplätze für Frauen eingeführt wurde und die darüber hinaus
festlegte, dass mindestens 50 % der zu
Vorstellungsgesprächen eingeladenen
Bewerber Frauen sein sollten (18). Außerdem hat der EuGH positive Maßnahmen zum Zeitpunkt der Auswahl
nicht prinzipiell abgelehnt, fordert
aber, dass diese flexibel sind und eine
objektive und individuelle Bewertung
aller Kandidaten ermöglichen (19).
Zudem hat sich der EuGH auch mit
positiven Maßnahmen im Bereich der
Arbeitsbedingungen befasst. In der
Rechtssache Lommers, in der es um
eine Bestimmung ging, die weiblichen
Mitarbeitern Zugang zu Einrichtungen zur Kinderbetreuung einräumte und männlichen Angestellten den
Zugang zu solchen Einrichtungen nur
im „Notfall“ zugestand, entschied der
EuGH, dass „es nicht Arbeitsplätze
sind, die für Frauen reserviert werden, sondern der Genuss bestimmter
Arbeitsbedingungen, die deren Karrieremöglichkeiten und -fortschritt
begünstigen …“ (20). Der EuGH bewertete diese Maßnahmen als „Teil des begrenzten Konzepts zur Verwirklichung
der Chancengleichheit“ (21), wie es in
Artikel 2 Absatz 4 vorgesehen ist.
Inzwischen wurde die ursprüngliche
Gleichstellungsrichtlinie durch die
„neugefasste“ Richtlinie (22) ersetzt,
die alle älteren Richtlinien zur Gleichstellung der Geschlechter im Beruf zusammenfasst. Artikel 2 Absatz 4 wurde
gestrichen, stattdessen dient nun Artikel 141 Absatz 4 EG-Vertrag als Grundlage aller positiven Maßnahmen zur
Gleichstellung der Geschlechter (23).
Sich auf neuere Instrumente besinnend, besagt Artikel 5 der Richtlinie
zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied
der Rasse oder der ethnischen Herkunft: „Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert die Mitgliedstaaten nicht
daran, zur Gewährleistung der vollen
Gleichstellung in der Praxis spezifische Maßnahmen, mit denen Benachteiligungen aufgrund der Rasse oder
ethnischen Herkunft verhindert oder
ausgeglichen werden, beizubehalten
(15) Siehe Rechtssache C-450/93, Kalanke/Freie
Hansestadt Bremen [1995] Slg. I-3069; Rechtssache C-409/97, Marschall/Land NordrheinWestfalen, [1997] Slg. I-6363; Rechtssache
C-158/97, Badeck/Hessischer Ministerpräsident, [2000] Slg. I-1875; Rechtssache C-407/98,
Abrahamsson und Anderson/Fogelqvist,
[2000] Slg. I-5539; Rechtssache C-476/99, Lommers/Ministerie van Landbouw, Natuurbeheer
en Visserij, [2002] Slg. I-2891.
(18) Badeck, Randnrn. 55 und 63.
(22) Richtlinie 2006/54/EG zur Verwirklichung
des Grundsatzes der Chancengleichheit und
Gleichbehandlung von Männern und Frauen
in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung), ABI. L 204 vom 26.7.2006, S. 23.
(16) Kalanke, ebd., S. 3078.
(19) Marschall, Randnr. 35.
(23) Siehe Artikel 3 der „Neufassung“.
(17) Abrahamsson und Anderson/Fogelqvist.
(20) Lommers, Randnr. 38.
(21) Ebd.
27
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
oder zu beschließen“. Während dieser Text streng dem des Artikels 141
Absatz 4 EG-Vertrag folgt, entfällt
das positive Element dieses Artikels,
nämlich die Möglichkeit der Vergabe
„spezifischer Vorteile, mit denen dem
unterrepräsentierten Geschlecht das
Ergreifen einer beruflichen Aktivität
erleichtert wird“. Auf den ersten Blick
scheint Artikel 5 der Richtlinie zur
Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der
Rasse oder der ethnischen Herkunft
enger gefasst zu sein als Artikel 141
Absatz 4 EG-Vertrag. Ähnlich behebt
Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie zur
Gleichbehandlung im Bereich der
Beschäftigung lediglich die Dimension des Einsatzes „positiver Maßnahmen zur Kompensation von Fehlern
der Vergangenheit“ des Artikels 141
Absatz 4 EG-Vertrag (24). Dennoch
lässt sich daraus nicht ableiten, dass
der Raum für positive Maßnahmen
durch die beiden Richtlinien aus dem
Jahr 2000 stärker eingeschränkt ist als
der in Gleichstellungsfragen durch
die Bestimmungen des Artikel 141
Absatz 4 EG-Vertrag definierte. Zunächst liegt angesichts der Rechtssache Abrahamsson kein Hinweis darauf
vor, dass diese Unterschiede in der
Formulierung einen weiteren Rahmen
für positive Maßnahmen zum Vorteil
des weiblichen Geschlechts als für andere Diskriminierungsopfer gemäß
Artikel 13 EG-Vertrag abstecken. In
diesem Fall entschied sich der EuGH
dagegen, einen Neubeginn im Bereich geschlechtsspezifischer positiver
Maßnahmen im Gemeinschaftsrecht
zu machen, und verwob Artikel 141
Absatz 4 EG mit den Prinzipien der
bisherigen Rechtsprechung. Außerdem sind die Situationen, die vergan(24) „Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Gewährleistung der völligen Gleichstellung im
Berufsleben spezifische Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, mit denen Benachteiligungen wegen eines in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgrunds verhindert oder
ausgeglichen werden.“
28
gene und gegenwärtige Geschichte der
Benachteiligung und Diskriminierung
sowie die Natur der erlebten Grenzen
der acht in Artikel 13 EG-Vertrag
aufgenommenen Diskriminierungsgründe oder Personengruppen nicht
dieselben, und dieser Faktor könnte
die Entscheidung beeinflussen, welche Arten positiver Maßnahmen mit
dem europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Der Formulierung der Richtlinie folgend ließe sich
argumentieren, dass, wo eine Gruppe
eine besonders schwere Form der Benachteiligung erlebt, radikalere und
weitergehende Formen der positiven
Maßnahmen erlaubt werden sollten
als dort, wo die Benachteiligung weniger stark ausgeprägt ist. Das würde
darauf hindeuten, dass die „Einheitslösung“ ( 25), die der EuGH in den
1990er Jahren auf Gleichstellungsfälle
anwandte, im Kontext der Richtlinien
zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse und zur Gleichbehandlung im Bereich der Beschäftigung nicht angemessen wäre.
Aus Ermangelung von Entscheidungen des Gerichtshofs zu den neuen
Bestimmungen auf europäischer Ebene bleibt eine Reihe positiver Maßnahmen, deren Vereinbarkeit mit dem
europäischen Gemeinschaftsrecht
noch zu überprüfen ist. Während der
EuGH beispielsweise in der Rechtssache Badeck bereit war, Fortbildungsprogramme zuzulassen, in denen
50 % der Plätze für Frauen reserviert
waren, ist unklar, wie der Gerichtshof
auf Fortbildungsprogramme reagieren
würde, die ausdrücklich Personen bestimmter ethnischer Herkunft vorbehalten sind (26).
Ein weiteres Problem dürfte die Vereinbarkeit von Beschäftigungsquoten
mit der Richtlinie zur Gleichbehandlung im Bereich der Beschäftigung
darstellen. Eine bedeutende Anzahl
von Mitgliedstaaten der Europäischen
Union sehen die eine oder andere
Form von (obligatorischen) Quoten
vor (27), und in Ländern wie Frankreich
und Deutschland sind Quoten zentraler Bestandteil der Politik im Bereich
der Beschäftigung Behinderter. Solche
Modelle würden die in der Rechtssache Kalanke etablierte Überprüfung
natürlich nicht bestehen, obwohl, wie
bereits weiter oben festgestellt, das
Gericht den unterschiedlichen sozialen Kontext der verschiedenen Diskriminierungsfälle unter Umständen als
Rechtfertigung für eine Veränderung
des für positive Maßnahmen gesteckten Rahmens bedenken könnte. Darüber hinaus sieht Artikel 7 Absatz 2
der Richtlinie zur Gleichbehandlung
im Bereich der Beschäftigung zusätzlichen Schutz für positive Maßnahmen
zugunsten behinderter Arbeitnehmer
vor: „Im Falle von Menschen mit Behinderung widerspricht der Gleichbehandlungsgrundsatz weder dem Recht
der Mitgliedstaaten, Bestimmungen
zum Schutz der Gesundheit und der
Sicherheit am Arbeitsplatz beizubehalten oder zu erlassen, noch steht
er Maßnahmen entgegen, mit denen
Bestimmungen oder Vorkehrungen
eingeführt oder beibehalten werden
sollen, die einer Eingliederung von
Menschen mit Behinderung in die
Arbeitswelt dienen oder diese Eingliederung fördern.“ Letzteres Element
dieser Bestimmung scheint auf Vorschlägen der niederländischen Delegation (28) zu basieren, die den Wunsch
(25) Diese Bezeichnung bezieht sich auf Urteile,
die darauf abzielen zu definieren, welche Art
positiver Maßnahmen immer, für alle Mitgliedstaaten und unter allen Umständen verboten sind.
(27) Weitere Informationen finden sich bei Lisa
Waddington, „Reassessing the Employment of
People with Disabilities in Europe: From Quotas to Anti-discrimination Laws“, Comparative
Labor Law Review 18 (1996), S. 62-101.
(26) Dies ist beispielsweise in den Artikeln 37
und 38 des British Race Relations Act von 1976
(britisches Gesetz zur Beziehung der Rassen)
vorgesehen.
(28) Rat der Europäischen Union (2000) Beratungsergebnisse der Arbeitsgruppe Sozialfragen vom 14. und 28. März 2000, 6941/00,
Brüssel, 31. März 2000, S. 5-6.
3 Untersuchung von positiven
1. Introduction:
Maßnahmen
New Business
aus rechtlicher
HorizonsPerspektive
in Europe
zeigte, bereits bestehende Elemente
niederländischer Gesetzgebung zu
schützen, die eine Vorzugsbehandlung
Behinderter vorsehen, um deren Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt
zu unterstützen (29). Weniger klar ist,
wie sich der Bezug auf Bestimmungen
zu Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz mit positiven Maßnahmen
für Behinderte vereinbaren lässt. Die
logischste Erklärung ist die, dass diese
Bestimmung den Mitgliedstaaten die
Möglichkeit einräumt, ihre Regelungen
für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz an die besonderen Bedürfnisse behinderter Arbeitnehmer anzupassen. Dies unterstreicht bestimmte
bereits in Richtlinien zu Gesundheit
und Sicherheit am Arbeitsplatz festgelegte Unternehmerverpflichtungen (30).
Nichtsdestotrotz besteht aber auch das
Risiko, dass übermäßig protektionistische Maßnahmen, die vordergründig dazu dienen, die Gesundheit und
Sicherheit behinderter Arbeitnehmer
am Arbeitsplatz zu garantieren, in der
Realität dazu führen, dass Behinderte
ausgeschlossen und eben nicht gleich
behandelt werden (31).
3.2 Arbeitsdefinition
positiver Maßnahmen
Zum Gebrauch in der vorliegenden
Studie wurde aus dem Gemeinschafts(29) Insbesondere Artikel 7 des Wet op de
(re)integratie arbeidsgehandicaten. Siehe Lisa
Waddington, „Tweede-generatie richtlijnen
Gelijke Behandeling: de nieuwe Richtlijn inzake gelijke behandeling ongeacht ras of etnische afstamming en de Kaderrichtlijn gelijke
behandeling in arbeid en beroep“, Sociaal
Recht 12 (2000), S. 357-362.
(30) Siehe z. B. Richtlinie 89/391/EWG über die
Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit,
ABI. L 183 vom 29.6.1989, S. 1, Artikel 15.
(31) Eine Betrachtung dieses Problems aus britischer Perspektive bieten Jackie Davies und
William Davies, „Reconciling Risk and the
Employment of Disabled Persons in a Reformed Welfare State“, Industrial Law Journal
29 (2000), S. 347-377.
recht eine Arbeitsdefinition des Begriffes „positive Maßnahme“ entwickelt.
So werden positive Maßnahmen in
dieser Studie als verhältnismäßige
Maßnahmen angesehen, die mit dem
Zweck ergriffen werden, in der Praxis eine vollständige und wirksame
Gleichstellung für Angehörige von
Gruppen zu erzielen, die sozial oder
wirtschaftlich benachteiligt sind oder
auf andere Art und Weise die Konsequenzen vergangener oder gegenwärtiger Diskriminierung oder Benachteiligung erfahren. Zu diesem Zweck
sind positive Maßnahmen darauf ausgelegt, eines oder mehrere der folgenden Ziele zu erreichen:
• Verhinderung oder Ausgleich von
Benachteiligungen und Diskriminierung, gleichgültig, ob diese in
der Vergangenheit auftraten oder
nach wie vor erlebt werden;
• Förderung substanzieller Gleichbehandlung durch Beachtung der
speziellen Situation der Angehörigen benachteiligter Gruppen und
Durchbrechen des Benachteiligungskreislaufs, der mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten
Gruppe einhergeht;
• Bekämpfung von Unterrepräsentation und Förderung von Diversität
bei der Partizipation aller Gruppen
am sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben.
• Positive Maßnahmen erreichen
diese Ziele, indem sie darauf einwirken, wie soziale Güter wie Beschäftigung, Bildung, Unterkunft
oder medizinische Behandlung
vergeben werden.
Zu den positiven Maßnahmen zählt
eine große Vielzahl von Maßnahmen;
automatische und nicht an Bedingungen gebundene Vorzugsbehandlungen für Frauen (oder Männer) bei der
Auswahl von Arbeitnehmern (z. B.
Quoten) werden im europäischen Gemeinschaftsrecht jedoch nicht zu den
positiven Maßnahmen gezählt. Im
Sinne des Gemeinschaftsrechts hat das
Konzept der positiven Maßnahmen
aber hinsichtlich Behinderter eine weitergehende Bedeutung und umfasst
hier auch Maßnahmen, die darauf abzielen, Bedingungen oder Einrichtungen zu schaffen oder beizubehalten, die
die Integration behinderter Menschen
in die Arbeitswelt sichern oder fördern.
Dies beinhaltet die Vorzugsbehandlung
Behinderter, z. B. durch Quoten.
3.3 Kommentar zur
Definition positiver
Maßnahmen
Wie aus vorstehender Definition klar
hervorgeht, können positive Maßnahmen auf viele unterschiedliche
Gruppen abzielen, miteinander in Zusammenhang stehende und dennoch
unterschiedliche Ziele verfolgen und
viele verschiedene Lebensbereiche beeinflussen. Außerdem können positive Maßnahmen landesweit gelten und
durch das Gesetz oder die Regierung
eingeführt, durch die Bemühungen
eines Einzelnen am Arbeitsplatz umgesetzt werden oder eine Mischform
dieser beiden Extreme sein. Positive
Maßnahmen können sich also erheblich voneinander unterscheiden.
Um weiteren Einblick in die verschiedenen Mittel zu gewähren, die als positive Maßnahmen bezeichnet werden
können, sollen in diesem Kommentar
unterschiedliche Aspekte der für diese Studie entwickelten Definition der
„positiven Maßnahme“ erörtert und
ausgearbeitet werden.
3.3.1 Terminologie – positive
Maßnahme, positive
Diskriminierung, affirmative
Maßnahme
Obwohl für diese Studie der Begriff
„positive Maßnahme“ gewählt wurde, besteht in der wissenschaftlichen
29
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
Literatur doch wenig Einigkeit darüber, was dieser beinhaltet. Diese Unklarheit wird durch die Verwendung
anderer ähnlicher Begriffe wie „affirmative Maßnahme“, „positive Diskriminierung“ oder auch „Gegendiskriminierung“ noch verschärft.
Affirmative Maßnahme ist ein Begriff,
der in Europa eher selten verwendet
wird, in den USA jedoch vorherrscht.
In diesem Kontext wird er mit einer
großen Vielzahl von Maßnahmen in
Verbindung gebracht, zu denen auch
ausgeprägte Formen der Vorzugsbehandlung für benachteiligte Gruppen
zählen, z. B. Quoten für ethnische
Minderheiten. Die europäische Situation ist in zweifacher Hinsicht einzigartig. Zunächst werden, mit Ausnahme der Gleichstellung Behinderter
und in geringerem Maße auch der
Geschlechter, generell weniger ausgeprägte Formen der Vorzugsbehandlung eingesetzt. Zum anderen hat der
EuGH in seiner Rechtsprechung zur
Gleichstellung der Geschlechter herausgearbeitet, dass Maßnahmen, die
dem unterrepräsentierten Geschlecht
(typischerweise Frauen) auf dem Gebiet der Arbeitnehmerauswahl absolute und bedingungslose Priorität
einräumen, eine gesetzeswidrige Diskriminierung des anderen Geschlechts
darstellen (32). Folglich ist es hilfreich,
die für unterschiedliche Maßnahmen,
mit denen benachteiligten Gruppen
geholfen werden soll, gebrauchte Terminologie zu unterscheiden.
Die positive Maßnahme ist generell so definiert, dass der Begriff alle
Maßnahmen beinhaltet, die sozial
oder wirtschaftlich benachteiligten
Gruppen zugutekommen sollen, ohne
aber eine bedingungslose Bevorzugung bei der Zuteilung sozialer Güter
ausschließlich auf der Grundlage der
Merkmale eines Individuums zu beinhalten. Im Gegensatz hierzu steht die
(32) Siehe z. B. Randnr. 27, Rechtssache
C-319/03 Briheche Slg. 2004, I-8807.
30
positive Diskriminierung für Maßnahmen, die darüber hinaus gehen, wenn
also beispielsweise die Angehörigen
ethnischer Minderheiten mit geringeren Aufnahmeanforderungen an
der Universität eingeschrieben werden als andere Studenten. Im Kontext
der Gleichstellung der Geschlechter im Arbeitsmarkt reflektiert diese
Unterscheidung zwischen positiven
Maßnahmen und positiver Diskriminierung die Grenze des durch das
Gemeinschaftsrecht Erlaubten; positive Maßnahmen sind legal, während positive Diskriminierung gesetzeswidrig ist. Obgleich in der Regel
davon ausgegangen wird, dass der
EuGH auch auf andere Formen der
Diskriminierung ähnliche Prinzipien anwenden wird (33), ist dies in der
Praxis noch nicht erwiesen. Auch die
eindeutige Unterscheidung zwischen
positiven Maßnahmen und positiver
Diskriminierung bleibt schwierig. Im
Falle Behinderter wird in der Richtlinie zur Gleichbehandlung im Bereich
der Beschäftigung der Begriff „positive Aktion“ verwendet, und es werden
so Maßnahmen ermöglicht, die anderenfalls in die Kategorie der positiven
Diskriminierung fallen würden (34).
3.3.2 Nutznießer
positiver Maßnahmen
Wie aus vorstehender Definition klar
ersichtlich, dienen positive Maßnahmen der Verbesserung der Position
sozial oder wirtschaftlich benachteiligter Gruppen sowie von Gruppen,
die die Konsequenzen vergangener
oder gegenwärtiger Diskriminierung
oder Benachteiligung erfahren. Weil es
Gruppen aber von Natur aus zueigen
ist, aus mehreren Individuen zu bestehen, sind auch die Nutznießer positiver Maßnahmen Individuen, nämlich
(33) Kommission, „Zur Anwendung der Richtlinie 2000/43/EG vom 29.Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft“, KOM(2006) 643, S. 7.
(34) Artikel 7 Absatz 2, Richtlinie 2000/78/EG.
die Mitglieder der Zielgruppe. Durch
das Abzielen auf und die Bevorteilung
(einer genügend großen Anzahl) von
Mitgliedern der fraglichen Gruppe
sollen positive Maßnahmen dafür
sorgen, dass die Benachteiligung der
Gruppe als solche beendet wird.
Nicht alle Gruppen sind (potenzielles)
Ziel positiver Maßnahmen – stattdessen wenden sich solche Maßnahmen
an sozial oder wirtschaftlich benachteiligte Gruppen sowie Gruppen, die
die Konsequenzen vergangener oder
gegenwärtiger Diskriminierung oder
Benachteiligung erfahren. Weil die
Intensität der sozialen und wirtschaftlichen Benachteiligung ebenso wie die
Geschichte der Diskriminierung gelegentlich vom Stand der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes oder
eines Wirtschaftssektors und von der
kulturellen Wahrnehmung beeinflusst
wird, ist es wichtig, echte Benachteiligung zu erkennen und zu identifizieren, bevor mit der Ausarbeitung eines
Modells für positive Maßnahmen begonnen werden kann.
Die in diesem Bericht angeführten
Beispiele zeigen außerdem, dass positive Maßnahmen auf viele unterschiedliche Gruppen abzielen können.
Im Gegensatz dazu beschäftigt sich
das europäische Gemeinschaftsrecht
lediglich mit der Nichtdiskriminierung und damit positiven Maßnahmen bezüglich sechs genannter Kategorien, nämlich Gruppen, die sich
durch ihr Geschlecht, ihre Rasse oder
ethnische Herkunft, ihre Religion
oder Weltanschauung, eine Behinderung, ihr Alter oder ihre sexuelle
Ausrichtung abheben. Dies impliziert,
dass jedes Maßnahmenpaket, das auf
nationaler oder Organisationsebene auf solche Gruppen abzielt, dem
Nichtdiskriminierungsgesetz der Gemeinschaft entsprechen muss. Auf die
Grenzen, die das Gemeinschaftsrecht
für positive Maßnahmen aufgrund
von Geschlecht oder Behinderungen
vorsieht, wurde in der Definition und
3 Untersuchung von positiven
1. Introduction:
Maßnahmen
New Business
aus rechtlicher
Horizons
Perspektive
in Europe
vorstehend bereits kurz eingegangen;
sie ergeben sich aus der EG-Gesetzgebung und der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs (35). Das
Gemeinschaftsrecht zieht jedoch keine direkten Grenzen für positive Maßnahmen zugunsten von Gruppen, die
nicht in diese Kategorien fallen, wie
beispielsweise Vorbestrafte oder Asylbewerber. Dennoch kann die nationale
Gesetzgebung die Möglichkeiten zur
Durchführung positiver Maßnahmen
für bestimmte Gruppen beschränken
und diesbezüglich sogar enger gefasst
werden als das europäische Gemeinschaftsrecht.
3.3.3 Für die Umsetzung
positiver Maßnahmen
zuständige Stellen
Die Entscheidung, ob und in welchen
Grenzen positive Maßnahmen zugelassen werden, kommt (im Rahmen
der EG-Gesetzgebung) den einzelnen
Staaten zu. Sobald positive Maßnahmen aber vom Staat grundsätzlich
zugelassen werden, kann eine große
Vielzahl von Akteuren die unterschiedlichsten Maßnahmen und Programme umsetzen. Der Staat selbst
kann per Gesetz positive Maßnahmen
wie beispielsweise die Einführung
einer (verpflichtenden) Beschäftigungsquote zugunsten von Personen
mit Behinderungen einführen oder
in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber
(35) Insbesondere Artikel 2 Absatz 4 der Richtlinie 76/207/EWG zur Verwirklichung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur
Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum
beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die
Arbeitsbedingungen, ABI. L 39 vom 14.2.1976,
S. 40, und die entsprechende Rechtsprechung
(einen guten Überblick über die Rechtsprechung bietet M. H. S. Gijzen, „Selected Issues
in Equal Treatment Law: A multi-layered comparison of European, English and Dutch law”,
Dissertation, Intersentia, 2006, S. 227-234 (Titel des Abschnitts: From Kalanke to Briheche);
und Artikel 7 der Richtlinie 2000/78/EG zur
Festlegung eines allgemeinen Rahmens für
die Verwirklichung der Gleichbehandlung
in Beschäftigung und Beruf, ABI. L 303 vom
2.12.2000, S. 16.
und Dienstleister sowie bei der Vergabe von Stipendien positive Maßnahmen umsetzen. Solche Initiativen
können im Rahmen ihrer Befugnisse
von der Regierung, aber auch von
den Behörden föderaler Einheiten
oder lokaler Stellen ergriffen werden.
Private Arbeitgeber und Dienstleister
können ebenso wie Arbeitgeber und
Dienstleister im öffentlichen Sektor,
z. B. Universitäten und Krankenhäuser, oder auch Organisationen aus dem
Sektor der Freiwilligenorganisationen
positive Maßnahmen ergreifen. Solche
Maßnahmen können von großen oder
kleinen Organisationen umgesetzt
werden und ihren gesamten Betrieb
oder lediglich einen bestimmten Teil
ihres Tätigkeitsgebiets betreffen.
3.3.4 Positive Maßnahmen müssen
verhältnismäßig sein
Positive Maßnahmen verschaffen Mitgliedern benachteiligter Gruppen besseren Zugang zu bestimmten sozialen
Gütern und erfüllen spezielle Ziele.
Doch positive Maßnahmen können
auch negative Auswirkungen auf Individuen haben, die nicht zur Zielgruppe
gehören – wenn nämlich für diese der
Zugang zu sozialen Gütern schwieriger wird, als er es anderenfalls gewesen wäre. Dies erklärt sich durch den
Umstand, dass soziale Güter wie freie
Arbeitsplätze oder Unterkünfte nur
in begrenztem Maße verfügbar sind;
ein Vergabeschema, das eine Gruppe
bevorteilt, muss deshalb zwangsweise
die Chancen anderer Gruppen minimieren. Nichtsdestotrotz sind positive
Maßnahmen notwendig und angemessen, wenn unter anderem die vorherige Vergabemethode die Mitglieder
bestimmter Gruppen unverhältnismäßig bevorteilte und die positive Maßnahme dazu dient, diese Ungleichbehandlung zu korrigieren.
Positive Maßnahmen können jedoch
nur so lange gerechtfertigt werden,
wie die Zielgruppe sozial oder wirtschaftlich benachteiligt ist oder die
Konsequenzen vergangener oder gegenwärtiger Diskriminierung oder
Benachteiligung erfährt und die positive Maßnahme dazu dient, diese
Benachteiligung auszuräumen oder
zu minimieren. Im Wesentlichen bedeutet dies, dass die Verhältnismäßigkeit der positiven Maßnahmen für
das verfolgte Ziel gegeben sein muss.
Wenn beispielsweise eine Gruppe eine
besonders schwere Benachteiligung,
Ausgrenzung und Diskriminierung
erfährt, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, dass radikalere positive Maßnahmen gerechtfertigt sein
werden als im Falle einer Gruppe, die
weniger stark benachteiligt ist. Außerdem setzt das Verhältnismäßigkeitsprinzip voraus, dass positive Maßnahmen, sowie sie ihr Ziel erreicht haben
und die soziale oder wirtschaftliche
Benachteiligung der Gruppe oder
die Konsequenzen vergangener oder
gegenwärtiger Diskriminierung oder
Benachteiligung entfallen, beendet
werden. Daraus lässt sich jedoch nicht
ableiten, dass alle positiven Maßnahmen von Natur aus lediglich temporär sind. Einige Formen der Ausgrenzung und Benachteiligung sind
so tief verwurzelt, dass sie nur durch
langfristige positive Maßahmen korrigiert werden können; und wo eine
Gruppencharakteristik wahrscheinlich zu einer permanenten Reduktion
der (Berufs- und Bildungs-)Chancen
führen wird, wie das bei bestimmten
Arten (geistiger) Behinderung der
Fall ist, können permanente positive
Maßnahmen verhältnismäßig und berechtigt sein.
3.3.5 Positive Maßnahmen und
Datenerhebung
Häufig sind positive Maßnahmen
eng mit der Erhebung von Daten verknüpft, wenngleich es sich auch um
zwei separate Bereiche handelt. Unter
Datenerhebung wird das Sammeln
von Informationen zur Situation benachteiligter Gruppen verstanden.
Dieses kann in unterschiedlichster
31
Internationale
Sichtweisenon
zu positive
positivenaction
Maßnahmen
International perspectives
measures
Form geschehen (36). Einerseits kann
eine quantitative Datenerhebung die
Auflösung von Statistiken nach Geschlecht oder Alter oder alternativ
auch die Auswertung des Anteils der
einer ethnischen Minderheit zuzuordnenden Bewerber um einen Arbeitsplatz beinhalten. Andererseits können zur qualitativen Datenerhebung
beispielsweise Umfragen bei Lesben
und Schwulen durchgeführt werden,
um Einblicke in ihre Erfahrungen mit
dem Gesundheitswesen zu erhalten.
Die Sammlung von Daten allein erfüllt
keines der Ziele positiver Maßnahmen, die in der für dieses Projekt entwickelten Definition genannt werden.
Die Erstellung von Statistiken stellt
keine Kompensation für Benachteiligungen oder frühere Diskriminierung
dar und bekämpft keine Unterrepräsentation.
Hauptzweck der Datenerfassung ist es
vielmehr, herauszufinden, welche Ungleichheiten es derzeit gibt. Diese Daten bilden dann den Kontext, in dem
positive Maßnahmen ergriffen werden
können. Ergibt die Datenerhebung
beispielsweise, dass nur wenige junge
schwarze Jurastudenten an den Universitäten eingeschrieben sind, wäre es
angemessen, positive Maßnahmen zu
entwickeln, um dem entgegenzuwirken – z. B. spezielle Programme, mit
denen diese Gruppe für das Studium
begeistert werden soll.
(36) Eine Reihe von Beispielen bietet T. Makkonen, Europäisches Handbuch zu Gleich­
stellungsdaten (Luxemburg: Amt für amtliche
Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2006); Europäische Kommission,
Vergleichende Studie über die Sammlung von
Daten mit dem Ziel der Bemessung des Ausma­
ßes und der Auswirkung von Diskriminierung
in den Vereinigten Staaten, Kanada, Australi­
en, Großbritannien und den Niederlanden (Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2004).
32
3.3.6 Positive Maßnahmen und
Mainstreaming
Mainstreaming ist ein Ansatz, der
durch die Mobilisierung aller Bereiche von Gesetz und Politik Gleichheit
erreichen möchte (37). Statt lediglich
auf spezielle Maßnahmen wie Antidiskriminierungsgesetze zu vertrauen,
geht das Mainstreaming davon aus,
dass bei jeder Handlung für Gleichberechtigung gesorgt werden muss.
In der Praxis bedeutet dies, dass es die
Gleichberechtigung bei der Formulierung, der Umsetzung und Bewertung von Bestimmungen zu beachten
gilt. Man könnte beispielsweise davon
ausgehen, dass der Gleichheitsproblematik in der Verkehrspolitik eine eher
untergeordnete Bedeutung zukommt.
Im Gegensatz dazu fordert das Mainstreaming, dass die Verkehrspolitik
zur Förderung der Gleichberechtigung eingesetzt wird. Dies könnte beinhalten, dass sichergestellt wird, dass
öffentliche Verkehrsmittel auch für
behinderte Personen zugänglich sind,
oder dass die Transportinfrastruktur
in Stadtgebieten mit einem hohen
Minderheitenanteil genauso gut ist
wie in anderen Teilen der Stadt.
Obwohl sich argumentieren lässt, dass
Mainstreaming und positive Maßnahmen miteinander verwandt sind, ist es
doch unzweifelhaft näherliegend, die
beiden als völlig unterschiedliche Dinge zu betrachten. Während positive
Maßnahmen auf zielgerichteten Mitteln basieren, die unter anderem versuchen, spezifische Benachteiligungen
zu kompensieren, ist der Anspruch des
Mainstreaming weiter gefasst. Die Natur seiner Methoden ist eher prozedural: die Integration der Förderung der
Gleichheit in Entscheidungsprozesse
und Diensterbringung. Mainstreaming
zielt darauf ab, die geistige Haltung der
politischen Entscheidungsträger so zu
(37) Centre for Strategy and Evaluation Services, Antidiskriminierungs­Mainstreaming
– Instrumente, Fallstudien und der Weg in die
Zukunft (Brüssel: Kommission, 2007).
verändern, dass Gleichheit zum zentralen Anliegen wird. Wirkt dieser Ansatz effektiv, liegt die Vermutung nahe,
dass er politische Entscheidungsträger
dazu motiviert, positive Maßnahmen
zu ergreifen. Mainstreaming könnte
beispielsweise bedeuten, dass ein Museum im Bestreben, seine Besucherzahlen zu erhöhen auch bedenkt, ob
bestimmte Gruppen – beispielsweise
muslimische Frauen – derzeit unterrepräsentiert sind. Sobald diese Thematik auf die Tagesordnung gefunden
hat, könnte das Museum in einem
nächsten Schritt positive Maßnahmen
planen: z. B. ein Programm, mit dem
bestimmte Zielgruppen angesprochen
werden sollen.
3.3.7 Unterscheidung
positiver Maßnahmen von
angemessenen Vorkehrungen
Auf den ersten Blick kann die Pflicht
zum Ergreifen angemessener Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung (38) wie eine spezielle Form
der positiven Maßnahme wirken,
schließlich bietet sie Individuen aus
der Gruppe der Menschen mit Behinderung „Vorteile“. Dieser Eindruck ist
jedoch irreführend, und die Verpflichtung, angemessene Vorkehrungen zu
treffen, lässt sich besser als spezielle
Form einer Nichtdiskriminierungsbestimmung charakterisieren, die mit
den bestehenden Formen direkter
und indirekter Diskriminierung zusammenhängt, jedoch nicht damit zu
verwechseln ist (39).
Die Verpflichtung zum Treffen angemessener Vorkehrungen erwartet von
Arbeitnehmern und anderen Anbietern sozialer Güter, Behinderungen
nicht zu ignorieren, wie das bei den
meisten Elementen der Nichtdiskrimi(38) Wie in Artikel 5 der Richtlinie 2000/78/EG
vorgesehen.
(39) Siehe Artikel 2 der Richtlinien 2000/78/EG
und 2000/43/EG für eine rechtliche Definition
der Konzepte direkter und indirekter Diskriminierung.
3 Untersuchung von positiven Maßnahmen aus rechtlicher Perspektive
nierungsgesetzgebung der Fall ist (40),
sondern fordert vielmehr speziell dazu
auf, Behinderungen zu bedenken. Die
Verpflichtung zum Treffen angemessener Vorkehrungen verbietet es beispielsweise einem Arbeitgeber, einem
Menschen mit Behinderung eine Anstellungsmöglichkeit zu verwehren,
weil er das geschützte Merkmal nicht
berücksichtigt, sofern eine solche Berücksichtigung – durch eine Änderung der Aufgabe oder der physischen
Umgebung des Arbeitsplatzes – dem
Bewerber gestatten würde, die Arbeit
auszuführen.
Das Konzept der „angemessenen Vorkehrungen“ basiert aus dieser Perspektive auf einem Modell der Diskriminierung durch „Andersartigkeit“. Dieses
Modell berücksichtigt, dass Individuen,
die über das relevante Charakteristikum verfügen, sich in einem relevanten
Merkmal von Individuen entscheiden,
auf die dies nicht zutrifft, und dass eine
Gleichbehandlung zu Diskriminierung
führen kann. Es erfordert beispielsweise, dass Arbeitgeber manche Personen
– Personen mit Behinderung, die qualifiziert wären, wenn der Arbeitgeber die
Aufgabe so ändern würde, dass sie sie
(40) Die konventionelle Gesetzgebung gegen
Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf einschließlich der seit langem bestehenden EG-Richtlinien zur Gleichstellung der
Geschlechter und der Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (2000/43/EG) basieren auf der
Voraussetzung, dass sich Arbeitgeber durch
bestimmte Merkmale wie Geschlecht oder
Rasse nicht beeinflussen lassen sollen. Diese
Merkmale werden im Allgemeinen als unbedeutend und für die Einstellungsentscheidung
nicht relevant angesehen. So verfolgt die Nichtdiskriminierungsgesetzgebung in der Regel
einen symmetrischen Ansatz, in dem sowohl
die dominante Gruppe (z. B. Männer, die
ethnische Mehrheit) wie auch die benachteiligte Gruppe (z. B. Frauen, die ethnische Minderheit) durch das Diskriminierungsverbot
geschützt werden. Dies lässt sich als „Gleichheitsmodell“ der Diskriminierung bezeichnen.
Diesem Modell zufolge liegt immer dann eine
Diskriminierung vor, wenn Individuen, die
im Grunde gleich sind, aus gesetzeswidrigen
Gründen unterschiedlich behandelt werden.
ausführen könnten – anders behandeln
als andere. Dies ist ein asymmetrischer
Ansatz und erfordert die Einbindung
einer Definition oder Klassifikation
der betroffenen Gruppe in die Gesetzgebung.
Die Verpflichtung, angemessene Vorkehrungen zu treffen, lässt sich auch
in prozeduraler Hinsicht von positiven Maßnahmen unterscheiden. Im
Gegensatz zu den meisten Formen
positiver Maßnahmen zugunsten Angehöriger sozial oder wirtschaftlich
benachteiligter Gruppen haben angemessene Vorkehrungen einen individualisierten Charakter (41). Deshalb
sind statistische Daten, denen zufolge
eine bestimmte Gruppe der Beschäftigten, z. B. Frauen oder ethnische
Minderheiten, in der Organisation
eines bestimmten Arbeitsgebers zahlenmäßig unterrepräsentiert sind, für
Entscheidungen auf dem Gebiet der
angemessenen Vorkehrungen weitgehend irrelevant. Im Gegensatz zur
einmaligen Entscheidung, einer Frau
oder einem Angehörigen einer ethnischen Minderheit Zugang zu einem
Arbeitsplatz oder einer Ausbildung zu
verschaffen, können solche Vorkehrungen auch regelmäßige und fortlaufende Ausgaben wie die Bereitstellung persönlicher Hilfe beinhalten. So
treten im Kontext der Verpflichtung
zum Treffen „angemessener Vorkehrungen“ auch nicht die mit klassischen
positiven Maßnahmen immer wieder
einhergehenden Probleme der unzureichenden oder übermäßigen Eingliederung auf. Nicht zuletzt wird die
Verpflichtung zum Treffen angemessener Vorkehrungen in der Regel wie im
Falle der Richtlinie für Gleichberechtigung in der Beschäftigung durch das
(41) Eine Ausnahme stellt in diesem Kontext
das Konzept des Treffens verhältnismäßiger
Vorkehrungen im Vorfeld dar, das im Vereinigten Königreich im Bereich des Zugangs
zu Gütern und Dienstleistungen zum Einsatz
kommt und auf die Gruppe der Menschen mit
Behinderungen als Ganzes abzielt. Diese Ausnahme wird hier nicht weiter erörtert.
Gesetz auferlegt, während Arbeitgebern und Anbietern sozialer Güter die
Entscheidung für positive Maßnahmen
in der Regel freigestellt ist.
3.3.8 Abgrenzung positiver
Maßnahmen von allgemeinen
politischen Mitteln zur
Förderung der sozialen
Eingliederung
Ein letzter zu betrachtender Punkt ist
die schwierige Bestimmung der Grenze zwischen positiven Maßnahmen
und allgemeinen politischen Mitteln
zur Förderung der sozialen Eingliederung. Manche Initiativen lassen sich
problemlos als positive Maßnahmen
kategorisieren; man denke nur an das
zu Beginn dieses Kommentars zitierte
Praktikantenprogramm des Krankenhauses in Leeds, zu dem nur Schwarze
oder Angehörige ethnischer Minderheiten zugelassen wurden. Am anderen Ende des Spektrums gibt es Maßnahmen, die benachteiligten Gruppen
zwar im weitesten Sinne entgegenkommen, die aber eher traditionelle
Elemente des sozialstaatlichen Systems
als positive Maßnahmen sind. Die Bereitstellung staatlicher Renten für ältere Menschen ist hier ein gutes Beispiel.
Die Rente zielt auf die soziale Realität
ab, dass ältere Menschen sich langsam
aus dem Arbeitsmarkt zurückziehen
und ein alternatives Einkommen benötigen. Obwohl in diesem Kontext
von einem ausgleichenden System gesprochen werden kann, werden Renten
in der Regel doch eher als grundlegender sozialer Anspruch betrachtet, der
sich aus dem Beitrag zur Gesellschaft
(finanziell oder anderweitig) nährt,
den Individuen während früherer Lebensabschnitte erbringen. Außerdem
sind Renten keine zeitlich begrenzte
Maßnahme zur Bekämpfung einer Benachteiligung, sondern ein unbegrenztes Merkmal des Sozialstaats. Nicht
zuletzt sind staatliche Renten häufig
nicht darauf ausgerichtet, Benachteiligungen auszugleichen; tatsächlich ist
es so, dass diejenigen, die während des
33
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
Berufslebens mehr in das Rentensystem eingezahlt haben, möglicherweise
auch eine höhere Rente erhalten als
wirtschaftlich schlechter gestellte. Ein
anderes Beispiel wäre das Angebot
kostenloser Bildung für junge Menschen, die insofern eine Bevorzugung
darstellt, als dieses Angebot für ältere Menschen nicht besteht. Dennoch
wäre es eigenartig, das Bildungssystem
als altersbedingte Form einer positiven
Maßnahme betrachten zu wollen.
Zwischen diesen beiden Extremen gibt
es im Grenzgebiet zwischen Sozialpolitik und positiven Maßnahmen angesiedelte Maßnahmen. Ist beispielsweise die finanzielle Unterstützung von
Behinderten oder Alleinerziehenden
durch den Staat, durch die Letztere
zur Aufnahme einer geringfügigen
Beschäftigung animiert werden sollen,
eine Form der positiven Maßnahme
(die darauf angelegt ist, Benachteiligungen auszugleichen) oder Element des
Sozialstaates? Angesichts der Vielzahl
solcher Maßnahmen ist eine lückenlose Aufzählung unmöglich. Dennoch
ist den positiven Maßnahmen näherkommenden Maßnahmen Folgendes
gemein: Erstens richten sie sich an eine
eindeutig definierte soziale Gruppe.
Zweitens zielen sie darauf ab, Benachteiligungen in einem bestimmten Bereich wie beispielsweise dem Zugang zu
Ausbildung oder Arbeit auszugleichen.
Und drittens wird die Notwendigkeit
positiver Maßnahmen regelmäßig hinterfragt. Wie bereits an anderer Stelle
betont, bedeutet dies nicht, dass positive Maßnahmen zeitlich begrenzt sein
müssen, es kann aber auch nicht automatisch von einer unbegrenzten Laufzeit ausgegangen werden.
3.3.9 Reaktionen auf
die Arbeitsdefinition
positiver Maßnahmen
Die für die vorliegende Studie entwickelte Definition wurde von unzähligen Experten auf dem Gebiet der Diversität sowie dem Publikum einer im
34
Juni 2008 an der Wirtschaftsuniversität Izmir in der Türkei stattfindenden
internationalen Konferenz zum Thema
„Geschlecht und positive Maßnahmen“
positiv aufgenommen. Die Ergebnisse
der Umfrage – 81 % der Befragten gaben an, dass die Definition weit genug
gefasst sei, um die Maßnahmen der
eigenen Organisation abzudecken –
bestätigten diesen Eindruck. Die Resonanz der Geschäftsführer (87 %) und
im Sektor der Freiwilligenorganisationen/NRO (86 %) fiel am positivsten
aus. Keine andere über das Land oder
ein anderes Merkmal definierte Gruppe lag mit ihrer Antwort signifikant
unterhalb des Gesamtniveaus.
lage auf dem Gebiet positiver Maßnahmen in den für die Fallstudien
ausgewählten Ländern innerhalb (42)
und außerhalb der EU (43). Die Analyse der Rechtslage in Ungarn und der
Slowakei beschränkte sich in Übereinstimmung mit den Zielsetzungen der
Gesamtstudie auf die Bestimmungen
im Bereich positiver Maßnahmen zugunsten der Roma. Die nachfolgenden
Informationen basieren auf den Antworten nationaler Experten zu einem
rechtlichen Fragebogen. Detailliertere
Informationen zu den jeweils geltenden rechtlichen Bestimmungen finden
sich in den Berichten zu den Fallstudien der einzelnen Länder (44).
Auf die Frage, ob die Definition problemlos in der eigenen Organisation
angewendet werden könne, antworteten 66 % mit Ja. Hier lag die höchste
Zustimmungsquote mit 77 % im Sektor der Freiwilligenorganisationen/
NRO, bei den Organisationen aus dem
Gebiet der Aus- und Weiterbildung
lag die Zustimmungsquote sogar bei
86 %. Im Gegensatz dazu antworteten
mit nur 48 % deutlich weniger Teilnehmer aus dem öffentlichen Sektor,
dass die Definition sich problemlos
in ihren Organisationen anwenden
lasse, hier lag die niedrigste Zustimmungsrate mit 45 % in der Unterkategorie der höheren Bildungsinstitute.
Ein erstaunliches Ergebnis angesichts
der Tatsache, dass Organisationen aus
dem öffentlichen Sektor eher durch
gesetzliche Anforderungen geleitet
werden und man deshalb davon ausgehen sollte, dass ihnen die Definition
der positiven Maßnahmen dieser Studie näherliegen sollte.
Gibt es gesetzlich
vorgesehene Maßnahmen?
3.4 Die rechtlichen
Rahmenbedingungen
in europäischen und
nichteuropäischen
Ländern
Dieser Abschnitt des Berichts bietet
einen Überblick über die Gesetzes-
Durch diese Frage sollen Informationen zu Situationen erfasst werden,
in denen positive Maßnahmen direkt
durch das Gesetz eingeführt und nicht
Organisationen gesetzlich dazu aufgefordert oder verpflichtet werden, eigene positive Maßnahmen umzusetzen.
Es ist nicht weiter verwunderlich, dass
von verhältnismäßig wenigen gesetzlich verankerten positiven Maßnahmen berichtet wurde. Am eindeutigsten in diese Kategorie fielen positive
Maßnahmen für Behinderte und die
Einführung von Behindertenquoten
auf dem Arbeitsmarkt. Solche Quoten
gibt es in Frankreich und Österreich.
In Frankreich müssen Behörden und
Arbeitgeber aus dem Privatsektor mit
mehr als 20 Vollzeitmitarbeitern sicherstellen, dass 6 % der Belegschaft
aus Behinderten bestehen (45). In Österreich müssen alle Arbeitgeber mit
mehr als 25 Angestellten sicherstellen,
(42) Frankreich, Irland, die Niederlande, Österreich, Schweden, die Slowakei, Ungarn, Vereinigtes Königreich.
(43) Kanada, Südafrika, USA.
(44) Erhältlich auf der Pamecus-Website: http://
www.brad.ac.uk/acad/health/research/cid/pamecus.php.
(45) Artikel L5212-2 Arbeitsgesetzbuch.
3 Untersuchung von positiven Maßnahmen aus rechtlicher Perspektive
dass auf 25 nichtbehinderte Arbeitnehmer ein Behinderter kommt (46).
Beide Gesetze sehen jedoch alternativ zur Einhaltung dieser Quoten die
Möglichkeit einer Ausgleichszahlung
durch den Arbeitgeber vor. In Irland
sind öffentliche Einrichtungen durch
den Disability Act 2005 (Gesetz zur
Verbesserung der Situation Behinderter) dazu verpflichtet, sicherzustellen,
dass Behinderte 3 % ihrer Belegschaft
ausmachen, „sofern kein guter Grund
dagegen spricht“ (47).
Ein weiteres Beispiel für gesetzlich
verankerte positive Maßnahmen jenseits der Gleichstellung Behinderter
findet sich in Nordirland. Um die
historische Unterrepräsentation katholischer Glaubensangehöriger in
der Polizei zu bekämpfen, wurde im
Police (Northern Ireland) Act 2000
(Nordirisches Polizeigesetz) eine
Quotenregelung eingeführt, der das
Prinzip zugrunde liegt, dass für jeden
eingestellten Nichtkatholiken auch ein
Katholik einzustellen ist.
Gibt es gesetzliche
Verpflichtungen für
Organisationen des
öffentlichen oder privaten
Sektors, positive Maßnahmen
zu ergreifen?
In den betrachteten EU-Mitgliedstaaten gab es die unterschiedlichsten
Vorgehensweisen bezüglich einer Ver­
pflichtung zu positiven Maßnahmen.
Für Irland, die Niederlande und die
Slowakei wurde von keinerlei generellen gesetzlichen Verpflichtungen
berichtet. Im Gegensatz dazu hatten
einige andere Länder Gesetze verabschiedet, die Organisationen dazu
verpflichten, Schritte zur Förderung
der Gleichberechtigung einzuleiten. In
Schweden werden Arbeitgeber durch
unterschiedliche Gesetze dazu verpflichtet, „zielgerichtete Maßnahmen“
zu ergreifen, um die Gleichstellung der
Geschlechter und ethnische Diversität
zu fördern (48). Ähnliche Verpflichtungen bestehen für Universitäten; diese
sind jedoch noch weiter gefasst und
beziehen sich auch auf die Religion, sexuelle Orientierung und Menschen mit
Behinderung (49). Universitäten sind
außerdem verpflichtet, Jahrespläne zu
erstellen, in denen die zur Förderung
gleicher Rechte für alle Studenten nötigen Maßnahmen untersucht werden.
Eine ähnliche Verpflichtung zur Erarbeitung von Jahresplänen besteht für
Behörden aus dem Bildungssektor, die
Schulen, Vorschulen und Betreuungseinrichtungen für Schulkinder betreiben (50). Dieser auf Organisationsplänen basierende Ansatz wird auch im
Vereinigten Königreich verfolgt. Hier
haben Behörden die gesetzliche Pflicht,
die Gleichberechtigung von Menschen
unterschiedlicher Rasse, unterschiedlichen Geschlechts oder mit einer Behinderung zu fördern (51). Das bedeutet, dass viele Behörden unter anderem
„Gleichstellungsprogramme“ erstellen
müssen, die über die jeweiligen Maßnahmen zur Förderung der Gleichbehandlung Auskunft geben. In Ungarn
ist die Gesetzgebung weniger detailliert, doch müssen öffentliche Einrichtungen und Organisationen mit mehr
als 50 Arbeitnehmern einen Chancengleichheitsplan erarbeiten (52).
(48) Gesetz zur Chancengleichheit 1991; Gesetz
zu Maßnahmen gegen die ethnische Diskriminierung im Arbeitsleben 1999.
(49) Gesetz über die Gleichbehandlung von
Studenten an Universitäten 2002.
(50) Gesetz zum Verbot der diskriminierenden
oder anders herabsetzenden Behandlung von
Kindern und Schülern 2006.
(46) Behinderteneinstellungsgesetz BGBl. Nr.
22/1970, zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt Nr. 82/2005.
(51) In Nordirland besteht diese Verpflichtung
hinsichtlich einer längeren Liste von Diskriminierungsgründen einschließlich Religion,
Alter, sexueller Orientierung und Personen
mit Angehörigen (Artikel 75 Northern Ireland
Act 1998: Nordirlandgesetz).
(47) Artikel 47(4).
(52) Artikel 63 Absatz 4, Gleichstellungsgesetz.
Die vorstehend diskutierten Beispiele
definieren weitgefasste Ziele für die
jeweiligen Organisationen, in einigen
Fällen kommen aber auch enger gefasste Maßnahmen zum Einsatz. So
sind Arbeitgeber mit mehr als zehn
Angestellten in Nordirland verpflichtet, die religiöse Zusammensetzung
ihrer Belegschaft zu beachten. Ist keine „faire Teilnahme“ der katholischen
und protestantischen Gemeinschaft
gegeben, besteht eine gesetzliche
Pflicht, „affirmative Maßnahmen“ zu
ergreifen (53). In Frankreich müssen
Arbeitgeber bei der Entscheidung über
die Kündigung von Arbeitnehmern
deren Alter und gegebenenfalls vorhandene Behinderungen beachten (54).
Unternehmen mit über 50 Beschäftigten müssen zusätzliche Anforderungen erfüllen, bevor über fünfzigjährigen Beschäftigten gekündigt werden
kann. Behinderte Arbeitnehmer sind
außerdem nicht der normalen Konkurrenz im Bewerbungsverfahren im
öffentlichen Dienst ausgesetzt, und es
gibt besondere Schutzmechanismen
für Behinderte, denen eine Kündigung
droht.
In Kanada, Südafrika und den USA
scheint es mehr gesetzliche Regelungen zu geben, durch die Organisationen zum Ergreifen positiver Maßnahmen verpflichtet werden (55). In
Kanada zielt der Federal Employment
Equity Act von 1995 (Bundesgesetz
zur Gleichstellung im Berufsleben)
darauf ab, die in der Vergangenheit
erfolgte Diskriminierung von Frauen,
Behinderten, Aborigines und Angehörigen sichtbarer Minderheiten auszugleichen. Das Gesetz gilt für Bun(53) Artikel 55 Absatz 2, Fair Employment and
Treatment (Northern Ireland) Order 1998
[Anweisung zur fairen Beschäftigung und Behandlung (Nordirland)] , SI 3162 (NI 21).
(54) Artikel L1233-5 Arbeitsgesetzbuch.
(55) „Positive Maßnahme“ (positive action) ist
nicht der in diesen Staaten verwendete Begriff,
wird hier aber gebraucht, um die terminologische Einheitlichkeit des Berichts zu gewährleisten.
35
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
desbehörden und durch den Bund
regulierte Arbeitgeber mit mehr als
100 Beschäftigten. Solche Organisationen müssen Pläne zur Gleichstellung
im Berufsleben erstellen. Zusätzlich
müssen Organisationen, die mit der
Bundesregierung Verträge über mehr
als 200 000 CAD (etwa 132 000 EUR)
abschließen, und solche, die über 100
Mitarbeiter beschäftigen, sich schriftlich dazu verpflichten, sich im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen für Gleichberechtigung im
Berufsleben einzusetzen. In Kanada
gibt es darüber hinaus auch in der Gesetzgebung der Provinzen bedeutende
Beispiele für Verpflichtungen zu positiven Maßnahmen. Sie werden hier
aus Platzgründen nicht angeführt, genauere Informationen zu diesem Thema finden sich jedoch im Bericht zur
kanadischen Fallstudie.
Ein ähnliches Muster der gesetzlich
verankerten Verpflichtung für Unternehmen, die für die Vereinigten
Staaten tätig werden, findet sich in
den USA. Im Jahr 1961 führte die
Executive Order 10925 (Erlass des
Präsidenten) eine Verpflichtung für
Auftragnehmer des Bundes ein, „affirmative Maßnahmen zu ergreifen,
um sicherzustellen, dass Bewerber
und Angestellte bei der Bewerbung
und im Arbeitsleben ohne Ansehen der Rasse, des Glaubens, ihrer
Hautfarbe oder nationalen Herkunft
behandelt werden“. Executive Order
11246 aus dem Jahr 1964 verpflichtet Auftragnehmer dazu, schriftliche
Programme für affirmative Maßnahmen zu entwickeln, sofern sie
mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigt
und Verträge mit einem Volumen
von mehr als 50 000 USD (etwa
38 750 EUR) abgewickelt werden sollen (Hepple et al., 2000). Artikel 202
Absatz 1 besagt: „Der Auftragnehmer
ergreift affirmative Maßnahmen, um
sicherzustellen, dass Bewerber und
Angestellte bei der Bewerbung und
im Arbeitsleben ohne Ansehen der
Rasse, ihrer Hautfarbe, Religion oder
36
nationalen Herkunft behandelt werden“ (56).
In Südafrika sind Behörden und Arbeitgeber mit mehr als 50 Beschäftigten an den Employment Equity Act
von 1998 (Gesetz zur Gleichstellung
im Arbeitsleben) gebunden. Es begründet eine rechtliche Verpflichtung
für Arbeitgeber, sicherzustellen, dass
ihre Belegschaft die südafrikanische
Bevölkerung insbesondere hinsichtlich der ethnischen Herkunft, des
Geschlechts oder von Behinderungen repräsentiert. Bestimmte Organisationen sind dazu verpflichtet, der
Gleichstellungskommission jährlich
oder halbjährlich Berichte über die
Zusammensetzung ihrer Belegschaft
zukommen zu lassen. Außerdem
müssen sie die zur Förderung der
Gleichberechtigung im Arbeitsleben
ergriffenen Maßnahmen mit ihrer Belegschaft abstimmen. Artikel 15 Absatz 1 bezieht sich auf das Ziel einer
gleichmäßigen Repräsentation in allen
Berufsgruppen und Organisationsebenen. Der nationale Experte berichtet,
dass diesem Artikel häufig durch die
Einführung von Quoten entsprochen
wird, obgleich diese im Gesetz nicht
explizit vorgesehen sind. Außerdem
sieht der Broad Based Black Economic
Empowerment Act von 2003 (Gesetz
für die wirtschaftliche Ermächtigung
der schwarzen Bevölkerung auf breiter Basis) die Einführung von Quoten
in speziellen Bereichen durch Transformation Charters und Verfahrensregeln vor.
Welche Formen der positiven
Maßnahmen sind gesetzlich
gestattet, jedoch nicht
vorgesehen?
Die Vorgehensweise der EU-Mitgliedstaaten hinsichtlich der Gestat(56) Der gesamte Text der Executive Order
11246 (Erlass des Präsidenten) kann unter
http://w w w.dol.gov/esa/ofccp/regs/statutes/eo11246.htm eingesehen werden. Stand:
28. November 2008.
tung positiver Maßnahmen ist sehr
unterschiedlich. In Österreich und
Irland wurden Texte in die nationale
Gesetzgebung aufgenommen, deren
Ansatz dem der EU-Richtlinien sehr
nahe kommt. In Irland gab es zusätzliche Bestimmungen zu positiven
Maßnahmen in Bereichen, die nicht
mit der Arbeitswelt in Verbindung
stehen. Artikel 14 der Equal Status
Acts (Gleichstellungsgesetze) der Jahre 2000-2004 gestattet „bevorzugte
Behandlung oder das Ergreifen positiver Maßnahmen in gutem Glauben,
dass diese – (i) Chancengleichheit für
Personen fördern, die anderen Personen gegenüber benachteiligt sind ...“.
Eine vergleichbare Ausnahmeregelung
zur Ermöglichung positiver Maßnahmen auch außerhalb der Arbeitswelt
findet sich auch im British Race Relations Act von 1976 (britisches Gesetz
zur Beziehung der Rassen). Artikel 35
dieses Gesetzes sieht Maßnahmen zugunsten bestimmter rassischer Gruppen vor, um „die besonderen Bedürfnisse von Menschen dieser Gruppe
bezüglich deren Ausbildung, Weiterbildung oder Wohlergehen …“ zu befriedigen.
Was die Diskriminierungsgründe angeht, bezüglich deren positive Maßnahmen genehmigt werden, herrscht
eine gewisse Divergenz in der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten. Im
Bereich der Beschäftigung gibt es in
Österreich, Irland und im Vereinigten
Königreich Bestimmungen, die bezüglich aller Diskriminierungsgründe
positive Maßnahmen vorsehen. Hinsichtlich der Gesetzgebung zur Diskriminierung Behinderter im Vereinigten Köngreich ist dies implizit; der
Disability Discrimination Act aus dem
Jahr 1995 (Gesetz zur Diskriminierung Behinderter) verbietet lediglich
die Diskriminierung von Menschen
mit Behinderung. Folglich können
positive Maßnahmen für Menschen
mit Behinderung nicht als Diskriminierung gegen Nichtbehinderte angefochten werden. Vom selben rechtli-
3 Untersuchung von positiven Maßnahmen aus rechtlicher Perspektive
chen Ansatz wird auch aus Schweden
berichtet.
In mehreren Staaten wurde eine Tendenz zur Erlaubnis positiver Maßnahmen in Beziehung zu sozioökonomischem Nachteil festgestellt, die
Diskriminierungsgrundlage stand
dabei weniger im Vordergrund. In
den Niederlanden sind positive Maßnahmen gesetzlich lediglich bezüglich
Geschlecht, Rasse und Behinderung
explizit gestattet (57). In Frankreich
gibt es keine allgemeinen gesetzlichen
Bestimmungen zu positiven Maßnahmen mit einer Erwähnung von Diskriminierungsgründen, obwohl von
einer großen Vielzahl von Maßnahmen zur Bekämpfung sozioökonomischen Nachteils berichtet wird. Durch
die Konzentration dieser Maßnahmen
auf benachteiligte Gegenden kommen
solche Programme indirekt Menschen
mit Migrationshintergrund zugute. In
der Slowakei ermöglicht ein im Jahr
2008 erlassenes Gesetz den Behörden,
„affirmative Maßnahmen“ zu ergreifen, wenn diese auf sozioökonomische
Benachteiligung und Benachteiligungen aufgrund von Alter und Behinderung abzielen (58). Auch in Ungarn
zielen positive Maßnahmen meist auf
sozial benachteiligte Gruppen ab, anstatt explizit die Roma als Zielgruppe
anzugeben.
In Bezug auf die betrachteten Staaten, die nicht Mitgliedstaaten der EU
sind, liegt der Hauptschwerpunkt der
Bemühungen auf den im vorhergehenden Abschnitt behandelten gesetzlichen Schemata für positive Maßnahmen. In Kanada sehen die meisten
Menschenrechtsbestimmungen der
einzelnen Provinzen spezielle oder
(57) Artikel 2 Absatz 3, Algemene Wet Gelijke
Behandeling (Allgemeines Gesetz zur Gleichbehandlung); Artikel 5 Absatz 1, Gesetz zur
Gleichbehandlung von Männern und Frauen
und Art. 7:646(4), Burgerlijk Wetboek (Bürgerliches Gesetzbuch).
(58) Artikel 8(a), geänderte Fassung 85/2008
von Gesetz 365/2004, dem Gesetz zur Gleichbehandlung.
bestärkende Programme zur Verbesserung der Situation benachteiligter Personen vor. In Südafrika können sich
Organisationen, die nicht formell an
die Verpflichtungen des Employment
Equity Act (Gesetz zur Gleichstellung
im Arbeitsleben) gebunden sind, dennoch freiwillig daran binden und in
seinem Rahmen positive Maßnahmen
ergreifen. In den USA räumt Artikel
706 Absatz g Satz 1 von Titel VII des
Civil Rights Act (Bürgerrechtsgesetz)
von 1964 Gerichten die Möglichkeit
ein, positive Maßnahmen zur Bekämpfung erfolgter illegaler Diskriminierung zu verhängen: „Stellt das
Gericht fest, dass der Beklagte bewusst
einer in der Klage genannten illegalen
Beschäftigungspraxis nachgeht oder
dieser nachgegangen ist, kann das Gericht dem Beklagten untersagen, eine
solche illegale Beschäftigungspraxis zu
verfolgen, und angemessene affirmative Maßnahmen anordnen“ (59).
Gibt es gesetzlich untersagte
positive Maßnahmen?
In einigen Mitgliedstaaten der EU sind
die Grenzen positiver Maßnahmen
ausdrücklich im Gesetz festgehalten.
In Ungarn bietet das Gleichstellungsgesetz den Rahmen für Maßnahmen,
die hier „bevorzugte Behandlung“
genannt werden; dies gilt jedoch nur,
solange diese auf der Grundlage eines
Gesetzes, eines Erlasses der Regierung oder eines Tarifvertrags ergriffen werden (60). Außerdem müssen
solche Maßnahmen zeitlich begrenzt
sein, oder ihre Begrenzung muss
durch die Angabe eines bestimmten
zu erfüllenden Umstandes definiert
werden. Ähnlich enthält in der Slowakei die Gesetzgebung aus dem Jahr
2008 eine Liste der gesetzlichen Einschränkungen, durch die bestimmt
wird, in welchem Rahmen positive
Maßnahmen gesetzeskonform sind.
Sie enthält auch die Bestimmung, dass
positive Maßnahmen ausschließlich
durch staatliche Stellen und nur dann
ergriffen werden können, wenn „eine
belegbare bestehende Ungleichheit
besteht“ (61). In den Niederlanden gibt
es keine gesetzliche Bestimmung zum
Schutz positiver Maßnahmen auf der
Grundlage der sexuellen Orientierung, der Religion oder des Alters (62).
Dennoch werden Maßnahmen zur
Beschäftigungsförderung innerhalb
bestimmter Altersgruppen nicht als
illegale Diskriminierung betrachtet,
wenn solche Maßnahmen durch das
Gesetz zur Gleichberechtigung unterschiedlicher Altersgruppen in der
Arbeitswelt (63) vorgesehen sind oder
mit diesem übereinstimmen. Wie
vorstehend erwähnt, gibt es im französischen Antidiskriminierungsrecht
keine ausdrückliche Bestimmung zu
positiven Maßnahmen, und es steht
außer Zweifel, dass positive Maßnahmen, die offenkundig auf der Grundlage der ethnischen Herkunft erfolgen,
nicht gesetzmäßig sind.
In Schweden wurden die Grenzen positiver Maßnahmen erst kürzlich gerichtlich geprüft. Im Jahr 2006 hatte
der oberste Gerichtshof entschieden,
dass ein Programm der juristischen
Fakultät Uppsala, in dessen Rahmen
10 % der Studienplätze an Studenten
mit ausländischem Hintergrund vergeben wurden, eine gegen das Gesetz
verstoßende Diskriminierung auf der
(61) Artikel 8(a), geänderte Fassung 85/2008
von Gesetz 365/2004, dem Gesetz zur Gleichbehandlung.
(59) Siehe außerdem, M. Connolly, Discrimination Law (Dikriminierungsgesetze) (London:
Thomson Sweet & Maxwell, 2006), S. 365.
(62) Aufgrund des fehlenden gesetzlichen Schutzes werden Maßnahmen, die auf der Grundlage der sexuellen Orientierung, Religion oder
des Alters Vorteile in Bereichen gewähren,
die in den Geltungsrahmen der Nichtdiskriminierungsgesetze fallen, vermutlich als Diskriminierung (der jeweils anderen Gruppen)
betrachtet werden. Umgekehrt gilt, dass positive Maßnahmen in Bereichen, in denen wie
bei der Diskriminierung aufgrund des Alters
beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen
kein Diskrimierungsverbot anwendbar ist, automatisch rechtmäßig sind.
(60) Artikel 11 Absatz 1.
(63) Artikel 7 Absatz 1a.
37
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
3.5 Überblick
Vorherrschendes Merkmal positiver Maßnahmen im EG-Gemeinschaftsrecht ist deren permissiver Charakter. Es
scheint keine Verpflichtungen zum Ergreifen positiver Maßnahmen zu geben, und folglich ist es nicht weiter verwunderlich, dass die nationale Praxis auf diesem Gebiet ausgesprochen vielfältig ist. Diese Diversität herrscht sowohl
bezüglich der Merkmale, auf deren Grundlage positive Maßnahmen zugestanden oder eingefordert werden, als auch
bezüglich der Intensität, mit der die nationale Gesetzgebung Organisationen dazu verpflichtet, positive Maßnahmen
zu ergreifen.
Die Haupteinschränkung durch das Gemeinschaftsrecht der EU besteht auf dem Gebiet der Gleichstellung der Geschlechter. Hier lässt der Europäische Gerichtshof keine Maßnahmen zu, die dem unterrepräsentierten Geschlecht
automatisch und bedingungslos Priorität einräumen. Ohne weitere Entscheidungen des Gerichtshofs ist es derzeit
schwierig vorherzusehen, ob der Gerichtshof auch bezüglich positiver Maßnahmen aus anderen Gründen oder positiver Maßnahmen in Bereichen außerhalb der Arbeitswelt (z. B. in der Bildung) ähnlichen Linien folgen wird. Richtlinie
2000/78/EG deutet darauf hin, dass der gesetzliche Rahmen im Bereich der Behinderungen weiter gefasst sein dürfte. Dies entspricht der nationalen Praxis; Behinderung ist das weitgehend einzige Merkmal, für das Mitgliedstaaten
Maßnahmen wie Quoten vorsehen. Die drei Fallstudien aus Ländern außerhalb der EU belegen einen deutlicheren
Willen, Organisationen des privaten und öffentlichen Sektors zur Förderung von Gleichheit und zum Ergreifen positiver Maßnahmen zu verpflichten. Es zeichnet sich jedoch ab, dass vergleichbare Instrumente auch innerhalb der EU,
insbesondere in Schweden und im Vereinigten Königreich, entwickelt werden.
Grundlage ethnischer Herkunft darstellte (64). Wie weithin bekannt, hat es
in den USA eine Reihe von Gerichtsverhandlungen zur Frage der Legalität
positiver Maßnahmen gegeben, und es
ist unmöglich, den großen Bestand an
Fallrecht in den engen Grenzen dieses
Berichtes im Detail darzulegen. Zusammenfassend lässt sich jedoch sagen,
dass der Oberste Gerichtshof der USA
zu dem Schluss gekommen ist, dass
jede Klassifizierung auf der Grundlage
der Rasse einer „strengen Prüfung“ zu
unterziehen ist, mit anderen Worten
also jedes Programm ein triftiges Inte-
(64) Der Staat gegen Lönn und Midander,
Fall T_400/06, 21. Dezember 2006. Siehe außerdem: A. Numhauser-Henning, Report on
measures to combat discrimination: Directives
2000/43/EC and 2000/78/EC. Country report:
Sweden (2007), S. 16. Verfügbar unter: http://
ec.europa.eu/employment_social/fundamental_rights/pdf/legnet/svrep07_en.pdf Stand
vom 28. November 2008.
38
resse verfolgen und den Bedürfnissen
möglichst genau entsprechen muss (65).
Erst kürzlich akzeptierte der Oberste
Gerichtshof im Fall Grutter gegen Bol­
linger, dass bei der Vergabe von Studienplätzen an juristischen Fakultäten
die Rasse in die Annahmeentscheidung
einfließt, um gegen die Unterrepräsentation ethnischer Minderheiten anzugehen (66). Das Oberste Gericht war
jedoch nicht gewillt, diese Entscheidung auf ein Programm auszuweiten,
in dem die Zuweisung von Kindern
an bestimmte weiterführende Schulen
aufgrund der Rasse erfolgte (67).
In Kanada erfordert das Fallrecht Aussagen zufolge zudem eine rationale
Verbindung zwischen den positiven
Maßnahmen und ihrem Verbesserungsziel. In Südafrika schließlich hat
das Oberste Gericht in einer aktuellen
Entscheidung klargestellt, dass positive
Maßnahmen nicht als Rechtfertigung
für anderweitig willkürliche Entscheidungen bei der Vergabe von Arbeitsplätzen angeführt werden können (68).
(65) S. Fredman, Discrimination Law (Oxford:
Oxford University Press, 2002), S. 147.
(66) Grutter gegen Bollinger 539 USA; 306, 123
S Ct 2325 (2003).
(67) An öffentlichen Schulen involvierte Eltern
gegen Seattle School District No 1 et al, 127 S
Ct 2738 (2007).
(68) Supreme Court of Appeal (Oberstes Berufungsgericht) (17. September 2008) Martin
Gordon v Department of Health KwaZuluNatal (337/2007) [2008] ZASCA 99.
4
Wahrnehmung der positiven
Maßnahmen in der
Europäischen Union
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
4 Wahrnehmung der positiven Maßnahmen
in der Europäischen Union
Dieses Kapitel bietet eine detaillierte Analyse der Wahrnehmung positiver Maßnahmen in der
Europäischen Union und insbesondere der Wahrnehmung von Personen aus acht europäischen
Ländern, die an der Detailstudie teilnahmen. Die Analyse erfolgt hauptsächlich auf der Basis der
im Konsensworkshop und in Gesprächen in den einzelnen Ländern erhobenen Daten sowie der
Erkenntnisse der Studie und Analyse des gesetzlichen Rahmens sowie der jeweiligen Richtliniendokumentation zum Vorgehen der einzelnen Länder im Bereich positiver Maßnahmen. Lediglich
hinsichtlich Frankreich basieren die Erkenntnisse auf der Sekundäranalyse eines Landesberichts
zu Frankreich zu Maßnahmen im Kampf gegen die Diskriminierung (70). Das Kapitel beginnt mit
einem Vergleich zum Verständnis positiver Maßnahmen, wie es in Organisationen in der Europäischen Union und insbesondere in den acht Ländern, zu denen Fallstudien erstellt wurden,
zum Tragen kommt. Dabei wurde auch betrachtet, welche Maßnahmen von einzelnen Individuen dem Bereich der positiven Maßnahmen zugeordnet wurden. Auch die Motivation hinter
positiven Maßnahmen sowie Faktoren, die der Effektivität positiver Maßnahmen als zuträglich
gelten, sollen erläutert werden. Als Teil dieser Analyse wird außerdem darauf eingegangen, wie
Organisationen die Wirkung positiver Maßnahmen messen und Gruppen bestimmen, die am
meisten oder wenigsten von gezielten Initiativen profitiert haben. Schließlich werden die wichtigsten Grenzen genannt, die die Umsetzung positiver Maßnahmen einschränken, und Pläne für
zukünftige positive Maßnahmen erörtert.
4.1 Verständnis positiver
Maßnahmen
In den an der Studie beteiligten Mitgliedstaaten der EU gibt es kein einheitliches Verständnis dessen, was
unter einer positiven Maßnahme zu
verstehen ist. Teilnehmer aus verschiedenen europäischen Ländern zeigten
sich unterschiedlich gut mit dem Begriff vertraut und in unterschiedlichem Maße bereit, ihn zur Beschreibung ihrer Aktivitäten zu verwenden.
In Ländern wie dem Vereinigten Königreich, Irland und Ungarn werden
positive Maßnahmen als spezielle
Maßnahmen angesehen, die ergriffen
(69) Siehe S. Latraverse (2007). Report on mea­
sures to combat discrimination: Directives
2000/43/EC and 2000/78/EC. Country report:
France. Erhältlich unter http://europa.eu.int/
comm/employment_social/fundamental_
rights/policy/aneval/mon_en.htm.
40
werden, um in der Vergangenheit geschehene Diskriminierung gegenüber
einer bestimmten Gruppe mit dem
Ziel der Gleichstellung dieser Gruppe
mit der Mehrheit der Gesellschaft zu
bekämpfen. In den genannten Ländern herrschte allgemein Einigkeit
darüber, dass positive Maßnahmen
soziale Ungleichheiten ausgleichen,
Nachteile ausräumen und sie sogar
aufwiegen sollen. Die Teilnehmer aus
diesen Ländern assoziierten positive Maßnahmen mit der Beseitigung
von Grenzen, mit sozialer und globaler Gerechtigkeit, dem Eintreten
für andere und Empowerment. Doch
obwohl sie uns eine klare Definition des Begriffs lieferten, waren nicht
alle Teilnehmer der Meinung, dass
„positive Maßnahmen“ eine adäquate
Umschreibung ihres Verständnisses
dieses Konzepts darstellte. Im Vereinigten Königreich wurde der Begriff
der „positiven Maßnahme“ (positive
action) als konzeptuelles Wirrwarr bezeichnet und vorgeschlagen, ihn durch
den Begriff „balancing measures“, also
etwa „ausgleichende Maßnahmen“ zu
ersetzen, um so das Konzept leichter
verständlich und auch der breiten Öffentlichkeit zugänglicher zu machen.
In anderen europäischen Ländern
wird der Begriff der „positiven Maßnahme“ in einem anderen Licht gesehen. In den Niederlanden werden
positive Maßnahmen als altmodisches Konzept angesehen, die Studienteilnehmer hatten ihre Probleme
damit. Sie wollten positive Maßnahmen lieber als wichtiges Instrument
innerhalb einer weiter gefassten Diversitätsstrategie betrachten, die alle
Methoden zur Bekämpfung der Effekte von Ausgrenzung, Diskriminierung
und Stereotypieren bestimmter Grup-
4 Wahrnehmung der positiven Maßnahmen in der Europäischen Union
pen beinhaltet und darauf abzielt, eine
Gesellschaft mit mehr Gleichberechtigung zu schaffen. Für die Teilnehmer
aus den Niederlanden zählten dazu
Gesetzgebung, Fortbildung, organisatorische Entwicklung und Coaching.
Allgemein war man sich einig, dass
positive Maßnahmen als Teil einer
vielschichtigen Strategie eingesetzt
werden müssen, um langfristig effektiv
zu sein. Jede Maßnahme mit dem Ziel,
mehr Gleichheit zu schaffen, wird als
nutzlos eingeschätzt, solange sie nicht
von der gesamten Gesellschaft getragen wird. Um einen Unterschied machen zu können, erfordert der Einsatz
positiver Maßnahmen den Teilnehmern zufolge eine kritische Masse. Sie
gingen davon aus, dass positive Maßnahmen Teil eines permanenten und
kohärenten Vorgehens sein müssen,
das einer für den Wandel offenen und
zielorientierten Strategie folgt. Dies
deckt sich mit der vorgebrachten Argumentation, dass positive Maßnahmen niemals lediglich in einer Abteilung oder auf einer Hierarchieebene,
sondern stets in allen Geschäftsbereichen eingeführt werden sollten.
Ähnlich ist auch in Schweden der Begriff der positiven Maßnahmen nicht
gebräuchlich und findet sich auch in
der Gesetzgebung zum Thema nicht.
Vielmehr wird hier der Begriff der
„aktiven Maßnahmen“ gebraucht. Verwirrung über das Konzept erwächst
aus dem Umstand, dass Gesetz und
Politiker in Schweden die Notwendigkeit des Ergreifens positiver Maßnahmen unterstreichen, gleichzeitig
aber eine Reihe von Verboten und
Einschränkungen verhängt wird und
auch das Fallrecht restriktiv ist. Die
meisten der in Schweden befragten
Menschen konnten keine Definition
positiver Maßnahmen geben, da sie
dies als zu komplex empfanden.
In Österreich maßen WorkshopTeilnehmer und Befragte den Vorteilen positiver Maßnahmen größeren
Wert bei. Die Teilnehmer betonten,
dass positive Maßnahmen einen Gewinn für die Allgemeinheit darstellen
und deshalb in allen Bereichen der
Gesellschaft und für alle bedürftigen
Gruppen eingesetzt werden sollten.
Der Sichtweise, dass positive Maßnahmen schlicht die Gelegenheit zur
bevorzugten Behandlung einer oder
zweier Gruppen darstellt, wurde widersprochen. Bevorzugt wurde der
Ansatz, offen dafür zu sein, wer zu
welchem Zeitpunkt welche Art der
Unterstützung benötigt. Damit dieser Prozess effektiv sein kann, wurde
der Schaffung eines Bewusstseins für
Unterschiede und Diskriminierung in
ihrer strukturellen Dimension zentrale Bedeutung eingeräumt.
In einigen Punkten entspricht dies der
Haltung in Frankreich zum Thema
positive Maßnahmen. Wie in Kapitel 2
hervorgehoben, werden positive Maßnahmen in Frankreich im Allgemeinen nicht als Mittel zur Bekämpfung
von Ungleichheiten angesehen oder
eingesetzt. Die fehlende Vertrautheit
mit dem Konzept erklärt unserer Meinung nach auch, wieso es uns nicht
gelang, bei Personen aus dem französischen öffentlichen, privaten und
dritten Sektor genügend Interesse für
die Teilnahme an einem Konsensworkshop zu wecken. In Ermangelung
von Daten französischer Befragter zu
positiven Maßnahmen in Frankreich
verglichen wir Daten aus den in Konsensworkshops und Befragungen in
anderen europäischen Ländern erhobenen Daten mit unserer Literaturanalyse zum Thema positive Maßnahmen
in Frankreich. Insgesamt scheinen das
Prinzip der Gleichheit aller Mitglieder
der französischen Gesellschaft und die
Tatsache, dass gesetzlich kein Teil der
französischen Bevölkerung Rechte
als Minorität geltend machen kann,
dazu geführt zu haben, dass es keine
politischen Maßnahmen gibt, die auf
spezielle, durch ihren Ursprung definierte ethnische Gruppen abzielt (vgl.
dazu die Analyse der Gesetzeslage in
Frankreich). Kategorien für positive
Maßnahmen sind nur dann als solche
akzeptabel, wenn sie auf neutralen
Kriterien – z. B. sozioökonomischen
Überlegungen – basieren, die nichts
mit der Identität der Zielgruppe zu
tun haben. Folglich gibt es lediglich
politische Maßnahmen zugunsten der
Roma – die nicht durch ihre ethnische
Zugehörigkeit definiert werden – und
die deren Lebensweise hinsichtlich
Unterbringung und Ausbildung ermöglichen sollen. Positive Maßnahmen für Menschen mit Behinderung
sind gesetzlich erlaubt, derzeit sind
ähnliche Maßnahmen für Lesben,
Schwule, Bisexuelle und Transgender
aber nicht möglich.
In Frankreich gibt es eine Reihe von
Initiativen, die sich als positive Maßnahmen beschreiben lassen, wenngleich sie bisher nicht unter diesem
Begriff zusammengefasst wurden.
Im Jahr 2005 beispielsweise verfolgte
man Pläne zur Einführung umfassender Weiterbildungs- und Unterstützungsprogramme zur Eingliederung Arbeitsloser in die Arbeitswelt,
zur Schaffung regionaler Beschäftigungszentren und zur Einführung
einer Reihe von Programmen und
Dienstleistungen zur Unterstützung
von Langzeitarbeitslosen. Zusätzlich
wurden unter dem Oberbegriff des
sozialen Zusammenhalts Versuche
unternommen, arbeitslose benachteiligte Jugendliche und ältere Langzeitarbeitslose durch Praktika und Weiterbildungsprogramme im privaten
und öffentlichen Sektor anzusprechen.
Außerdem waren massive Investitionen in den sozialen Wohnungsbau
zugunsten benachteiligter Gegenden
und zur Bereitstellung von Notunterkünften geplant. Ähnlich gab es im
Bildungswesen Pläne zur Konzentration auf Kinder mit ernsthaften Schwierigkeiten, um die Chancengleichheit
durch spezielle Unterstützung von
Kindern in benachteiligten Bereichen
und durch die Zuweisung spezieller
Budgets an Schulen in bestimmten
geografischen Gebieten zu verbessern.
41
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
Schließlich ging das Institut d’Etudes
Politiques angesichts der praktischen
Unmöglichkeit für Kinder aus benachteiligten Gegenden, spezialisiertere höhere Eliteschulen zu besuchen
(um eine solche handelt es sich auch
in diesem Falle), eine Partnerschaft
mit Schulen in solchen Gegenden ein,
um deren beste Schüler auszuwählen
und ein Parallelsystem zur Schüleraufnahme zu schaffen. Andere Schulen
folgten diesem Beispiel.
In der Gruppe der europäischen Länder zeigte sich in der Slowakei das geringste Verständnis für das Konzept
der positiven Maßnahmen; Probleme
im Bereich der Gleichberechtigung
und Chancengleichheit werden hier
ausgesprochen abstrakt diskutiert. Die
wenigsten Workshopteilnehmer und
Befragten verfügten über ein tiefergehendes Verständnis positiver Maßnahmen; nahezu jede Initiative wurde
unabhängig von ihrer Zielsetzung als
solche verstanden und bezeichnet. Einige Teilnehmer verstanden unter einer positiven Maßnahme ausnahmslos jede Initiative zur Unterstützung
der Roma und führten Initiativen wie
gezielte Ausbildung, Anstellung, Stipendien, Wohnprojekte und Sprachunterstützung an. Die Teilnehmer
räumten ein, dass diese Maßnahmen
alle Roma als ethnische Gruppe ansprechen können, doch das Gespräch
über konkrete Beispiele konzentrierte
sich in der Regel auf Maßnahmen, die
in anderem Kontext als Instrumente
zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung angesehen würden. Andererseits
realisierten die Teilnehmer, dass nicht
nur arme oder sozial ausgegrenzte
Roma diskriminiert werden und dass
auch anderen Gruppen der Roma
mehr Aufmerksamkeit zukommen
sollte. Slowakische Organisationen
gaben an, dass das bisherige Fehlen
gesetzlicher Regelungen zu positiven
Maßnahmen dazu geführt habe, dass
es kein allgemeines Verständnis dieses Begriffs gebe. Außerdem wiesen
sie darauf hin, wie wichtig es sei, dass
42
die Regierung hinsichtlich einiger
Einschränkungen der aktuellen Gesetzgebung Klarheit schaffe und ein
öffentliches Bewusstsein für positive
Maßnahmen fördere. Die Tatsache,
dass diese erst im Jahr 2008 Eingang
in die Gesetzgebung gefunden haben,
mag erklären, warum die Slowakei
eines der Länder mit den geringsten
Antwortzahlen in der Umfrage war.
Es ist außerdem wichtig zu bemerken, dass in Ungarn und der Slowakei
gleichermaßen die meisten Programme, die als positive Maßnahmen für
Roma betrachtet werden könnten, mit
politischen Maßnahmen zu sozialer
Eingliederung und allgemeinen Strategien bezüglich der Situation dieser
Gruppe verknüpft sind.
In manchen dieser Länder wurde als
negative Folge auf das Ergreifen positiver Maßnahmen in Unternehmen eine
Gegenreaktion einzelner Personen beobachtet, die die Überlegungen hinter den positiven Maßnahmen nicht
vollständig verstanden und diese als
„Bevorzugung“ bestimmter Gruppen
wahrnahmen. In den Niederlanden
herrscht das Gefühl vor, dass positive Maßnahmen eng mit Quoten und
anderen Formen der bevorzugten Behandlung verknüpft sind. Deshalb gab
es unterschiedliche Reaktionen auf
bevorzugte Behandlung zur Verbesserung der Repräsentation bestimmter
Gruppen. Die Bedeutung des Quotensystems zur besseren Repräsentation
von Frauen im öffentlichen Dienst
wurde als positive Folge bevorzugter
Behandlung angesehen, zugleich wurde aber auch bemerkt, dass es Vorurteile gegenüber Personen gibt, von denen angenommen wird, dass sie ihre
Arbeitsstelle einem Quotensystem zu
verdanken haben. Diese Vorurteile
wiederum führen zu einer gewissen
Zögerlichkeit von Seiten derer, die in
diesem System bevorzugt angestellt
würden. Einige schwedische Teilnehmer verbanden in ihrem Verständnis
positive Maßnahmen auch mit Quoten oder bevorzugter Behandlung als
Mittel zur Bekämpfung von Benachteiligung. Viele der Befragten vertraten
die Meinung, dass positive Maßnahmen häufig als gegen das Prinzip der
Gleichheit verstoßend angesehen werden, Gegner des Konzepts argumentierten gerne mit der Notwendigkeit,
„alle Menschen gleich zu behandeln“.
Eine Besonderheit im slowakischen
Verständnis ist es, dass hier nicht zwischen positiven Maßnahmen und positiver Diskriminierung unterschieden
wird; einige Teilnehmer erklärten sich
zwar mit der Legitimität von Quoten
einverstanden, äußerten jedoch ernste
Vorbehalte bezüglich ihrer Effektivität.
Dies bestätigt Ergebnisse der Umfrage,
die signifikante Verwirrung über positive Maßnahmen ergab. Insgesamt
19 % der Befragten verwechselten positive Maßnahmen mit positiver Diskriminierung. Diese Unsicherheit war
in Österreich mit 48 %, Griechenland
(42 %), Ungarn (33 %) und Bulgarien
(32 %) besonders hoch und lag in den
acht europäischen Ländern, in denen
Fallstudien erarbeitet wurden, insgesamt bei 23 %.
4.2 Motivation für
positive Maßnahmen
In den europäischen Ländern dient
eine Vielzahl von Faktoren als Impulsgeber für positive Maßnahmen,
einige davon sind mehreren Ländern
gemein. Die Umfrage ergab, dass die
Gesetzgebung (47 %) den wichtigsten
Antrieb darstellt. In Ländern wie dem
Vereinigten Königreich und Irland
gaben die gesetzlichen Bestimmungen zu positiven Maßnahmen einen
starken Anstoß zum Wandel. Dies
gilt insbesondere für den Umgang
mit Behinderungen in Irland, wo
Quoten gesetzlich vorgesehen sind.
Der gesetzliche Rahmen in diesen
Ländern verpflichtet Arbeitgeber und
Dienstleister zu speziellen proaktiven
Maßnahmen, durch die die Gleichbehandlung aller ohne Ansehen von
Unterschieden sichergestellt werden
soll. Dieser gesetzliche Rahmen deckt
4 Wahrnehmung der positiven Maßnahmen in der Europäischen Union
in Irland neun Diskriminierungsgründe ab (Geschlecht, Ehestand,
Familienstand, sexuelle Orientierung,
Religion, Alter, Behinderung, Rasse
und Zugehörigkeit zur Gemeinschaft
der Zigeuner), im Vereinigten Königreich immerhin sechs (Alter, Behinderung, Geschlecht, Rasse, Religion,
sexuelle Orientierung). Die Umfrage
ergab außerdem, dass das Vereinigte
Königreich (84 %) und Irland (83 %)
mit Abstand den höchsten Anteil an
Antwortenden aufweisen, die über
schriftliche Richtlinien zu Gleichbehandlung und Diversität verfügen.
Eine Analyse der von Organisationen aus diesen beiden Ländern zur
Verfügung gestellten Dokumente wie
Unternehmensleitbildern und Jahresberichten zeigte außerdem eine
über bloße Rhetorik hinausgehende
Verpflichtung zur Gleichbehandlung.
Am unteren Ende lagen bezüglich des
Vorhandenseins von Gleichstellungsund Diversitätsrichtlinien die Slowakei (29 %), Griechenland (25 %),
Bulgarien (24 %) und Polen (13 %).
Insgesamt verfügten 59 % der acht in
der komparativen Studie betrachteten
EU-Länder über schriftliche Richtlinien zu Gleichbehandlung und Diversität.
In Österreich werden Gesetze zur
Gleichstellung aufgrund der ihnen
zugrundeliegenden Ziele der Chancengleichheit, der Behebung von
Defiziten und der Anerkennung der
Rechte aller als positive Maßnahme
schlechthin gewertet. Im Gegensatz
dazu wird gesetzlichen Regelungen in
Ländern wie den Niederlanden keine
entscheidende Rolle zur Förderung
positiver Maßnahmen zugeschrieben, weil Organisationen in diesen
Ländern es ablehnen, positive Maßnahmen zu ergreifen, und Gesetze zur
Erhebung von Daten zum ethnischen
Hintergrund ihrer Belegschaft offen
missachten, ohne dass die Regierung
Sanktionen verhängt hätte (vgl. die
Analyse der Rechtslage in den Niederlanden).
In gewissem Ausmaß, so denken Teilnehmer in den Niederlanden, gibt
weniger rechtlicher Druck, sondern
vielmehr das Bedürfnis, anderen zu
helfen, den Ausschlag zum Ergreifen
positiver Maßnahmen. Diese Motivation wurde gemeinsam mit dem
Wunsch geäußert, einen guten Ruf zu
erlangen und soziale Schande zu vermeiden. Dieser Überlegung kommt
wohl bei öffentlichen Organisationen
und Regierungsabteilungen mehr
Bedeutung zu als bei Privatunternehmen, weil erstere zur Selbstlegitimierung die Diversität der Gesellschaft in
ihrer Organisation abbilden müssen
und dies als Teil ihrer öffentlichen
Verpflichtung als Rollenmodell ansehen. So wurden jüngst Initiativen im
Justizwesen, die Zahl der Richter mit
Migrationshintergrund zu erhöhen,
durch die Beobachtung motiviert, dass
keine Allochthone (Minderheiten) im
Justizwesen vertreten sind und dieser
Faktor zu einer verschobenen Wahrnehmung und mangelndem Wissen
um strukturelle Diskriminierung sowie zur Beeinflussung der Einstellung
gegenüber Klienten und sogar der
Gerichtssprechung durch Vorurteile
führen könne.
Wie in den Niederlanden stellt auch
in Ungarn die moralische Grundlage positiver Maßnahmen eine starke
Motivation für ihre Umsetzung dar.
Dies gilt insbesondere hinsichtlich einer Verbesserung der benachteiligten
Situation der Roma-Gemeinschaft.
Auch in der Slowakei lässt sich beobachten, dass Projekte zur Besserstellung der Roma nicht auf gesetzlichen
Vorschriften basieren oder aus der
Menschenrechtsperspektive begründet sind, sondern vielmehr auf dem
Verständnis der schwierigen sozialen
Situation innerhalb der Roma-Gemeinschaften aufbauen.
Neben den gesetzlichen Vorschriften
wird auch die Möglichkeit einer Verbesserung der Unternehmensleistung
als wichtige Triebfeder für die Imple-
mentierung positiver Maßnahmen
angesehen. Auf Veränderungen in der
Bevölkerung reagierend, greifen Unternehmen zunehmend auf sie zurück,
um durch gezielte Personalwerbungsund -bindungspraktiken Arbeitsplätze
zu schaffen, die die örtlichen Gemeinschaften widerspiegeln. In Ländern
wie den Niederlanden, Österreich,
Schweden und Irland berichten Teilnehmer von positiven Maßnahmen
als Bestandteil guter Geschäftspraktiken und betrachten die Förderung
der Gleichbehandlung durch positive
Maßnahmen als Möglichkeit für Unternehmen, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Auch die Bedeutung des öffentlichen Bildes und
der PR-Aspekt positiver Maßnahmen
wurden erwähnt. In Schweden und
den Niederlanden liegt die größere
Betonung auf der Bedeutung positiver
Maßnahmen für die Privatwirtschaft,
in der es nicht länger akzeptabel ist,
ein Team „männlicher Weißer“ zu
präsentieren oder eine Belegschaft
zu haben, die sich ausschließlich aus
„blonden, blauäugigen Schweden“
zusammensetzt. Die Beschäftigung
einer multiethnischen Belegschaft
gilt außerdem als Möglichkeit, neue
Marktsegmente zu erschließen, weil
sie ein breites Zielpublikum anspricht.
Im Gegensatz dazu wird in Ländern
wie dem Vereinigten Königreich die
Notwendigkeit diskutiert, dass Organisationen des öffentlichen Sektors die
Gesellschaft besser abbilden, um insbesondere im Gesundheitssektor die
Bedürfnisse aller ihre Dienste in Anspruch nehmenden Menschen besser
abdecken zu können. Außerdem werden Unternehmen durch die Furcht
vor Verurteilungen und Schadenersatzforderungen dazu motiviert, den
Vorschriften zu entsprechen.
In Ungarn und der Slowakei sind die
Beweggründe für das Ergreifen positiver Maßnahmen zugunsten der Roma
nicht so klar; sie scheinen tendenziell aus unterschiedlichen Gründen
durchgeführt zu werden. Die meisten
43
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
positiven Maßnahmen privater und
staatlicher Organisationen zielen auf
eine Besserstellung der Roma im Allgemeinen ab, einige Maßnahmen nehmen sich der besonderen Bedürfnisse
der Roma-Frauen an, und viele Bildungs- und Ausbildungsprogramme
zielen auf junge Roma ab. Das Bedürfnis nach mehr Arbeitskräften bewog
Organisationen dazu, der Anstellung
von Roma sehr viel offener gegenüberzustehen; und auch die Möglichkeit finanzieller Unterstützung für
Roma-Programme motivierte einige
Organisationen zur Aufnahme einer
Zusammenarbeit mit ihnen. Aus der
Umfrage geht hervor, dass viele der
Organisationen aus Bulgarien (84 %)
und Ungarn (75 %) sich selbst klare
Ziele in den Bereichen Dienstnutzung/Kundenprofil und Diensterbringung hinsichtlich benachteiligter
Gruppen gesetzt haben. Die deutlich
niedrigsten Quoten klar gesetzter Ziele werden im Vereinigten Königreich
(45 %) und Irland (33 %) erzielt. Dieser Umstand ist angesichts der langen
Geschichte der Gleichberechtigungsgesetze dieser Länder und insbesondere auch der im Vereinigten Königreich bestehenden Verpflichtungen
besonders erwähnenswert. Bezüglich
Zielsetzungen für Gleichheit und Diversität im Bereich der Diensterbringung werden die höchsten Anteile in
den EG-Ländern aus Organisationen
in Bulgarien (76 %), Ungarn (75 %),
Italien (66 %) und die niedrigsten aus
Deutschland (24 %) berichtet.
Teilnehmer aus der Slowakei und Ungarn sprachen über die Notwendigkeit,
Arbeitslosigkeit, niedrige Bildungsniveaus und die in vielen Roma-Kulturen insgesamt unterdurchschnittlichen Wohnverhältnisse zu bekämpfen.
Auch hier basieren positive Maßnahmen zugunsten der Roma auf einer
ähnlich eigenartigen Motivationsvielfalt, darunter auch die Wahrnehmung
finanzieller und anderer Bedrohungen
durch die demografische Entwicklung.
Aufgrund höherer Geburtenraten in
44
Roma-Familien werden nämlich die
Kosten für ihre soziale Eingliederung
weiter steigen, sofern eine echte Veränderung ausbleibt (und so entstehen
auch bei weiterer Tatenlosigkeit dieselben Kosten).
Teilnehmer aus unterschiedlichen
EU-Ländern erklärten außerdem,
wie positive Maßnahmen ihnen die
Möglichkeit gaben, ihre Gleichstellungsrichtlinien umzusetzen und
echte praktische Folgen zu erreichen.
Betont wurde die Bedeutung positiver Maßnahmen, um „Worten Taten
folgen zu lassen“ und „das Vertrauen
der Bevölkerung in den öffentlichen
Dienst sicherzustellen“. Des Weiteren
haben Unternehmen durch die Förderung von Fairness und Gleichheit
Diversitätsrichtlinien und ein starkes
Unternehmensimage geschaffen, das
sie durch positive Maßnahmen in vielerlei Hinsicht ausbauen können. Im
britischen Gesundheitssektor werden
positive Maßnahmen, in deren Rahmen Personalbeschaffungsstrategien
und Anstellungsvoraussetzungen auf
Behinderte („Two ticks“) 70, Lesben,
Schwule, Bisexuelle oder Transgender
(„Stonewall Diversity Champions“)71,
das Alter („Age Positive“)72 und Menschen mit psychischen Störungen
(„Mindful Employer“) ausgerichtet
werden, als nützliches Mittel zur Vertrauensbildung in örtlichen Gemeinschaften verstanden. Aus Schweden
wird berichtet, dass eine größere Diversität im höheren Bildungssektor
„die Qualität der Bildung steigert“, und
aufgrund gesetzlicher Vorschriften zu
Richtlinien für positive Maßnahmen
berichten die meisten Befragten von
einem Reichtum an Richtlinien zur
Unterstützung von Diversitätsinitiativen. In Irland stellte die Verpflichtung
zur internen Richtlinie für Chancen( 70) h t t p : / / w w w . d i r e c t . g o v . u k / e n /
D i s a b l e d Pe o pl e / E mpl oy m e nt s up p or t /
LookingForWork/DG_4000314
(71) http://www.stonewall.org.uk/workplace/
(72) www.agepositive.gov.uk
gleichheit für einige Unternehmen
einen Teil des größeren institutionsstrategischen Ziels dar. In Österreich,
wo das Bewusstsein für die steigende
Bedeutung sozialer Verantwortung als
hoch eingestuft wird, werden positive
Maßnahmen von der Geschäftsleitung
vorrangig als Instrument zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit
und -effizienz eingesetzt und schaffen
so Vorteile und Chancen für Management und Mitarbeiter gleichermaßen.
Organisationen in den meisten Ländern berichteten von der engen Ausrichtung der positiven Maßnahmen
an ihrem Organisationsleitbild und
davon, wie sie ihnen bei der effektiveren Erfüllung ihrer Ziele geholfen
haben. In Irland wurde beispielsweise
eine Reihe auf die besonderen Bedürfnisse der Zigeunergemeinschaften zugeschnittener Projekte eingeführt. In
Schweden betrachten Unternehmen
Gleichheit und Diversität als Teil ihres Unternehmensleitbilds und sehen
klare Zusammenhänge zwischen positiven Maßnahmen und ihren speziellen Pflichten, z. B. der Polizeiarbeit. In
Ungarn sahen Teilnehmer darüber hinaus auch einen Zusammenhang zwischen positiven Maßnahmen und dem
Bestehen ihrer Organisation sowie der
Regierungspolitik zur Integration der
Roma in Ungarn.
Auch ein Gefühl der Eigentümerschaft
an einem Projekt hat sich als wichtiger
Erfolgsfaktor erwiesen. In Irland werden Engagement und Unterstützung
des Managements als zusätzliches Kriterium für den Erfolg positiver Maßnahmen betrachtet. Ähnlich wird auch
in Schweden der Unterstützung durch
die obere Führungsebene zentrale Bedeutung beigemessen und die Beteiligung der Zielgruppe selbst von Beginn
an als ebenso wichtig bezeichnet. Lediglich im Vereinigten Königreich fanden sich Hinweise auf gesellschaftliche
Gruppen und Organisationen an der
Basis, die sich angetrieben von der eigenen Unzufriedenheit mit der beste-
4 Wahrnehmung der positiven Maßnahmen in der Europäischen Union
henden Situation für positive Maßnahmen einsetzten und die Einrichtung
spezieller Dienste zur Befriedigung
ihrer Bedürfnisse erreichten.
4.3 Unterstützung für
positive Maßnahmen
Trotz einer gewissen Verwirrung und
beträchtlichen Unterschieden im Verständnis dessen, was eine positive
Maßnahme ist, wurde das Konzept
von Teilnehmern in allen an der Studie beteiligten europäischen Ländern
ausgesprochen positiv aufgenommen.
Diese Unterstützung ist jedoch nicht
bedingungslos; so wurde die Ansicht
vertreten, dass positive Maßnahmen
nur unter bestimmten Bedingungen
erfolgreich sein können; und in den
unterschiedlichen Ländern herrscht
weitgehend Einigkeit darüber, welche
Faktoren hier ausschlaggebend sind.
Teilnehmer aus den meisten Ländern
rechneten der Verfügbarkeit von Ressourcen einschließlich finanzieller
Mittel eine zentrale Rolle bei der Umsetzung positiver Maßnahmen zu. Am
ausführlichsten äußerten sich Teilnehmer aus Österreich und den Niederlanden dazu, welche Erfolgsfaktoren
und Umstände zu einem möglichst effektiven Einsatz positiver Maßnahmen
beitragen. Für sie sind für den Erfolg
eine positive Einstellung bei den Organisatoren der Initiative sowie die
Entwicklung individueller Strategien
erforderlich, die sich in Abhängigkeit von Zielgruppe, Sektor und Organisationskultur unterscheiden. Die
Prüfung einer Veränderung der Ursprungssituation bezüglich des formulierten Ziels wird als zentrales Kriterium genannt. Auch die Ermächtigung
der Beschäftigten und ein starkes Engagement der oberen Führungsebene
und anderer leitender Akteure innerhalb der Organisation haben sich als
wichtige Antriebsfaktoren für erfolgreiche Initiativen erwiesen. Darüber
hinaus ist es notwendig, dass die Relevanz der Diskriminierung und der
strukturellen Grenzen für bestimmte
in der Organisation vertretene Gesellschaftsgruppen wahrgenommen wird;
ebenso bedeutend sind ein klares Engagement und Bewusstsein auf allen
Hierarchieebenen, besonders aber auf
der Ebene des Top-Managements und
die Beteiligung aller Abteilungen einer
Organisation an der Entwicklung und
Umsetzung dieser Maßnahmen. Effektivität ist nur dann möglich, wenn die
Vorteile der Diversität fortwährend
erörtert werden. Anderenfalls ist das
Risiko groß, die grundlegende Unterstützung für die positiven Maßnahmen zu verlieren.
In Ländern wie Schweden, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich wurde die Bedeutung einer Bewertung zur Effektivitätsmessung und
die Notwendigkeit der Lernbereitschaft
betont. Unabhängig von der Größenordnung der Initiative können positive
Maßnahmen nicht spontan umgesetzt
werden, sondern erfordern stets sorgfältige Planung, kritische Reflektion
und eine realistische Messung der Ergebnisse. Insbesondere in Schweden
werden die Bedeutung der Erarbeitung
praktischer Pläne, die Notwendigkeit,
sich bestimmte Ziele zu setzen, und
die Wichtigkeit fortwährender Ausund Weiterbildung in diesem Bereich
in den Vordergrund gerückt.
In der Slowakei wie in Irland wurde
die Ansicht vertreten, dass die Effektivität positiver Maßnahmen für
Roma- bzw. Zigeunergemeinschaften
von einer Reihe von Faktoren abhängt,
denen bislang nur unzureichend Beachtung geschenkt wurde. Obwohl
die Natur der Projekte völlig unterschiedlich ist, ergaben sich aus dem
Feedback zu Projekten zugunsten von
Roma- und Zigeunergemeinschaften
in den beiden Ländern Themen, denen
bei der Planung solcher Projekte mehr
Aufmerksamkeit geschenkt werden
muss. Zusammenfassend lassen sich
die Beteiligung der Gemeinschaften
an der Entwicklung der Initiativen und
die Motivation zur Verbesserung ihrer
Situation als wichtige Voraussetzungen
für positive Maßnahmen nennen. Einen Nachhall findet diese Erkenntnis
in der in Ungarn herrschenden allgemeinen negativen Einstellung gegenüber Angehörigen der Roma-Gemeinschaften. Außerdem brachte die
Entwicklung positiver Maßnahmen
in Ungarn, wo Roma-Projekte durch
Organisationen entwickelt wurden,
die von der Verfügbarkeit finanzieller
Mittel für solche Projekte angezogen
worden waren, jedoch nicht notwendigerweise auch die Bedürfnisse der Roma-Gemeinschaften verstanden, eine
Reihe moralischer Fragen mit sich.
Die Umfrage zeigt, dass am ehesten Initiativen wie die Schaffung
von Netzwerken und Foren, Ausbildungs- und Leadership-Programme
sowie Programme zur Förderung von
Kommunikation und Selbstvertrauen
bewertet wurden – und zwar insbesondere bezüglich Geschlecht, Behinderung und ethnischer Zugehörigkeit.
Das europäische Land mit der mit
Abstand höchsten Rücklaufquote mit
Beschreibungen der als positive Maßnahmen ergriffenen Maßnahmen war
Österreich mit 89 % – die allgemeine
Rücklaufquote lag bei 72 %.
4.4 Ergebnisse und
Auswirkungen
Trotz starker Worte über die Wichtigkeit auf Fakten basierender Strategien
förderte die Studie klar zutage, dass
Verlauf und Ergebnis eines Großteils
der in europäischen Ländern initiierten positiven Maßnahmen nicht systematisch überwacht werden. Lediglich
knapp über ein Drittel der Befragten
aus den acht im Rahmen von Fallstudien untersuchten Ländern gaben an,
dass die Maßnahmen durch externe Stellen überprüft werden, fast die
Hälfte verließ sich zur Bewertung der
Effektivität der positiven Maßnahmen
auf Einzelberichte. Dennoch konnten
die Teilnehmer eine gewisse Bewer-
45
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
tung des Erfolgs der umgesetzten Projekte vornehmen und von beobachteten Verbesserungen berichten.
In Österreich haben positive Maßnahmen demzufolge zu einem veränderten
Umgang mit Frauen und Behinderten
geführt, besonders betont wurde die
gestiegene Zahl der Gleichstellungsgesetze zugunsten dieser Gruppen.
Insgesamt scheinen das öffentliche
Bewusstsein und die Aufmerksamkeit
kulturellen Differenzen gegenüber
gewachsen zu sein. Außerdem wird
eine Verhaltensänderung innerhalb
von Organisationen beobachtet; konkrete Maßnahmen hatten ein besseres
Verständnis für die Bedürfnisse der
Beschäftigten sowie Interaktion innerhalb der Belegschaft gefördert und
neue interne Kommunikationskanäle
geöffnet.
In den Niederlanden ergab die Auswertung des Zeitraums, in dem Daten
zu ethnischen Minderheiten erhoben
wurde, dass es keine effektive Verbesserung der Repräsentation ethnischer
Minderheiten am Arbeitsplatz gegeben
zu haben scheint. Dennoch, so wurde
berichtet, hatten sie einen positiven Effekt, denn die Vorgabe, Daten zum ethnischen Hintergrund der Beschäftigten
zu erheben, hatte die Aufmerksamkeit
auf die unterschiedlichen Hintergründe und die Realität des Ungleichgewichts in der Repräsentation von Menschen unterschiedlicher Herkunft in
Unternehmen, auf dem Arbeitsmarkt
und in der Gesellschaft gelenkt. Außerdem, so wurde argumentiert, wäre
die Umsetzung von Strategien zur
Veränderung des Einstellungsverhaltens in einem Unternehmen ein zeitraubender Prozess gewesen und werde
dies auch in Zukunft sein, so dass eine
Erfolgsprüfung ohnehin erst nach einem längeren Zeitraum durchgeführt
werden könne.
Die in den 1990er Jahren verfolgte
Praxis der positiven Diskriminierung,
d. h. die Anstellung von Menschen auf-
46
grund ihres ethnischen Hintergrunds
und in der Hoffnung, die Bedürfnisse
und Ziele dieser Gruppe besser zu verstehen, hat sich nicht als erfolgreich
erwiesen. Die zwei Jahrzehnte andauernden Bemühungen der niederländischen Polizei um die Einstellung Angehöriger ethnischer Minderheiten hatte
zwar die Personalzusammensetzung
verändert, zugleich aber zur Bildung
einer Brigade mit marokkanischen
Polizisten, einer mit türkischen und
einer Brigade mit Polizisten von den
Antillen geführt, die für die Lösung
von Konflikten innerhalb der eigenen
Gemeinschaften verantwortlich sind.
So ergaben sich unglücklicherweise
kaum Auswirkungen auf die Kultur der
niederländischen Polizei, die in erster
Linie durch männliche Niederländer
geformt wurde, und die Maßnahme
trug sogar zum Weiterbestehen von
Stereotypen und Grenzen innerhalb
der Organisation bei. Die hohe Anzahl
der sich anschließenden Austritte aus
dem Polizeidienst führte schließlich
zu der Schlussfolgerung, dass ein besserer Weg, die Attraktivität eines Arbeitgebers für die gesamte Nation zu
erhöhen, in der Unterstreichung des
Stellenwertes läge, den Diversität und
Gleichheit innerhalb der Organisation
einnehmen.
Seitdem steht bei Unternehmen und
Organisationen in den Niederlanden
die Fähigkeit, qualifizierte Mitarbeiter
aus den bisher nicht angesprochenen
Gruppen anzuziehen, als wichtigste
und förderlichste Auswirkung positiver Maßnahmen im Vordergrund.
Dabei hatten Veränderungen in den
Einstellungsprozessen bedeutenden
Anteil am Abbau von Grenzen und
der Verwirklichung von mehr Gleichberechtigung beim Zugang zu einer
Beschäftigung. Kulturell verzerrte
Tests, die Tradition, Mitarbeiter über
spezielle Studentenvereinigungen
anzuwerben, Sprachbarrieren oder
schlicht Vorurteile hatten die Personaleinstellung beeinflusst. Eine Analyse dieser Prozesse und die anschließende Entwicklung und Umsetzung
angepasster Vorgehensweisen haben
die Situation grundlegend verändert
und zu einer höheren Heterogenität
der Gruppe der Erwerbstätigen geführt. Netzwerke bestimmter Gruppen im Fokus positiver Maßnahmen
haben sich von ihren ursprünglichen
Zielsetzungen gelöst, verfolgen heute
eigene Ziele und repräsentieren die
Unternehmensidentität in ihrer Diversität.
Die Ergebnisse der Workshops und
Befragungen widerspiegelnd, zeigte
auch die Studie (Abbildung 1), dass
Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit
und Behinderungen die am meisten
beachteten Diskriminierungsgründe
ABBILDUNG 1: GLEICHSTELLUNGSMERKMALE, HIER GEMESSEN
ANHAND VERSCHIEDENER KATEGORIEN
Kategorien
Gleichstellungsmerkmale, bewertet
Geschlecht
Gegenwärtige Mitarbeiter
Alter
Bewerber
Behinderung
Anwerbung
Rassische oder
ethnische Herkunft
Aus- und Weiterbildung
Religion oder
Glaubenszugehörigkeit
Beförderung
Sexuelle Orientierung
Konsumenten von
Dienstleistungen/Kundenprofile
Sonstiges
0
Personalbindung
10
20
30
40
50
0
10
20
30
40
50
60
70
4 Wahrnehmung der positiven Maßnahmen in der Europäischen Union
darstellen. Außerdem ergab sie, dass
in den Organisationen in geringerem
Maße auch dem Alter Aufmerksamkeit zukommt; Gespräche in Workshops und Befragungen ergaben jedoch kaum Hinweise auf Aktivitäten
in diesem Bereich.
Im Vereinigten Königreich werden
mehrere Gruppen als Gewinner positiver Maßnahmen genannt, insbesondere Menschen mit Behinderung,
Schwarze und ethnische Minderheiten
sowie Frauen (hier insbesondere Südasiatinnen). Der eindeutige Charakter
der gesetzlichen Regelungen hinsichtlich Behinderungen und die in der Gesellschaft weit verbreitete Akzeptanz
der Benachteiligung, der Behinderte
ausgesetzt sind, wurden als zentrale
Faktoren zur Verbesserung ihrer Position genannt. Aus demselben Grund
wird davon ausgegangen, dass positive
Maßnahmen zugunsten dieser Gruppe in der Gesellschaft mit geringerer
Wahrscheinlichkeit auf Widerstand
stoßen würden. Als weitere Nutznießer positiver Maßnahmen werden
Frauen sowie Schwarze und ethnische
Minderheiten genannt, die in weniger
traditionellen Arbeitsgebieten stärker
vertreten zu sein scheinen. Maßnahmen zugunsten dieser Gruppen beruhen hauptsächlich auf den Bedürfnissen der Gemeinschaften vor Ort,
auf Regierungsgeldern, die unterrepräsentierten Gruppen in Organisationen zugute kommen sollen, oder
internen Prüfverfahren innerhalb der
Organisationen. Vertreter des Freiwilligensektors haben dennoch die Befürchtung, dass positive Maßnahmen
keine langfristige Verpflichtung zur
Förderung der Gleichberechtigung
darstellen. Nur wenige Befragte gaben
an, dass sich die Situation von Lesben,
Schwulen oder Bisexuellen durch positive Maßnahmen tief greifend verändert habe, Transgender scheinen am
wenigsten profitiert zu haben.
Insgesamt wurden nur wenige Informationen über die zur Überprüfung
positiver Maßnahmen eingesetzten
Systeme geboten. Es wurde offensichtlich, dass nicht alle Organisationen
gerne über die Auswirkungen ihrer
Initiativen sprachen; ein Umstand,
der sich auf mangelnde Klarheit über
die ursprüngliche Zielsetzung der Initiativen und deren Verhältnis zu den
jeweiligen Ergebnissen zurückführen
lässt. Im öffentlichen Sektor wurde
die Notwendigkeit des Belegens der
Effektivität positiver Maßnahmen eher
bestätigt; ohne diese Belege laufen die
Organisationen Gefahr, den Antrieb
zur Weiterführung der ergriffenen
Maßnahmen zu verlieren. Positive
Maßnahmen auf dem Gebiet der Beschäftigung wurden folglich generell
als erfolgreich betrachtet, weil sie die
Chancen der Betroffenen auf eine Anstellung (wenn auch auf niedrigerem
Niveau) und innerhalb der Organisationen verbessert, einen Beitrag zur
Verbesserung ihrer Karrierechancen
und zur Gründung von Personalnetzwerken geleistet und Gelegenheiten
für Mentorenprogramme geschaffen
hatten. Ähnliches lässt sich auf dem
Gebiet der Dienstleistung beobachten: Die Veränderung des Lebensstils
der Patienten, ihres Wohlbefindens
und der Zugang zu Angeboten im Gesundheitssektor gelten als ausreichender Beleg für den Erfolg der Patientenaufklärung durch Beratungsstellen
für Schwarze und Angehörige ethnischer Minderheiten (einschließlich
junger Immigrantengemeinschaften
aus Ostafrika) in den Midlands. Diese
Projekte waren in der Regel kurzfristig
angelegt und gesundheitsbezogen, sie
wandten sich an Schwarze und Angehörige ethnischer Minderheiten. Auch
die Möglichkeit der Nutzung positiver
Maßnahmen zur Behandlung Angehöriger ethnischer Minderheiten durch
alternative therapeutische Ansätze gilt
als positiver Nebeneffekt.
Insgesamt lässt sich in Irland eine
durchweg zustimmende Reaktion auf
positive Maßnahmen verzeichnen,
allerdings ist sie angesichts fehlender
Bewertungsinstrumentarien und der
Tatsache, dass viele der Programme
sich noch in der Anfangsphase befinden, noch zurückhaltend. Hauptnutznießer positiver Maßnahmen
in Irland sind Frauen, Zigeunergemeinschaften, Behinderte, ethnische
Minderheitengruppen und Langzeitarbeitslose.
In Schweden gelten wie im Vereinigten Königreich ethnische Minderheiten und Frauen als Hauptnutznießer
positiver Maßnahmen durch Initiativen wie Aus- und Weiterbildungsprogramme, gezielte Einstellungs- und
Mentorenprogramme. Weniger Aufmerksamkeit wurde Lesben, Schwulen
und Transgendern gewidmet, obwohl
sich auch die Aufmerksamkeit für
diese Gruppen durch die Schaffung
von Netzwerken und Foren im öffentlichen Sektor verbesserte. Bedenken
wurden auch und insbesondere hinsichtlich Bildung und Beschäftigung
der Roma-Gemeinschaft in Schweden
geäußert.
Hinsichtlich erreichter Verbesserungen wurde berichtet, dass die positiven
Maßnahmen zu größerer Sensibilität
für die Bedeutung von Unterschieden
und deren Folgen für Ungleichheiten,
einer Einstellungsänderung und zu einer neuen Rollendefinition innerhalb
von Organisationen geführt haben.
Zusätzlich wurde die Repräsentation bestimmter Gruppen verbessert,
Kommunikationsbarrieren wurden
abgebaut, und es gibt mehr interne
Beförderungen und Weiterbildungsangebote. Schweden ist das europäische Land mit den meisten Prüfsystemen für positive Maßnahmen, so dass
detaillierte Bewertungen bestimmter
Projekte vorliegen. Außerdem wurden
beispielsweise über von allen betroffenen Mitarbeitern auszufüllende Bewertungsformulare im Internet Daten
erhoben und in einer Informationsdatenbank gesammelt. Nur wenige
Initiativen verfügten nicht über eine
Bewertungskomponente.
47
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
Wie bereits festgestellt, richten sich positive Maßnahmen in Ungarn und der
Slowakei an Roma-Gemeinschaften,
und so lassen sich Ähnlichkeiten herausarbeiten. In beiden Ländern wurde
in Gesprächen insbesondere die Problematik des Datenschutzes und dessen
Auswirkungen auf die Möglichkeiten,
positive Maßnahmen zugunsten der
Roma zu ergreifen, angesprochen.
Sowohl in Ungarn wie in der Slowakei ist die Erhebung ethnischer Daten
nur im Rahmen strenger gesetzlicher
Vorschriften möglich; häufig entsteht
deswegen der Eindruck, diese seien gesetzeswidrig (dies ist nicht der
Fall, sie unterliegen jedoch strengen
Auflagen). Probleme entstehen, weil
speziell auf die Roma abzielende positive Maßnahmen als gesetzeswidrig
angesehen werden könnten. Das Vorgehen der Regierung spiegelt diesen
Umstand wider: Maßnahmen zur besseren Eingliederung der Roma werden
häufig als zugunsten „benachteiligter
Gruppen“ bezeichnet, anstatt offiziell als Maßnahmen für die ethnische
Gruppe der Roma gekennzeichnet zu
werden. Dies wird der historischen
Diskriminierung, die zur Notwendigkeit positiver Maßnahmen geführt
hat, nicht gerecht. In der Slowakei beziehen sich selbst die Bestimmungen
des Antidiskriminierungsgesetzes auf
positive Maßnahmen, die auf der Basis sozialer Benachteiligung gesetzesmäßig sind. Datenschutzüberlegungen
erschweren eine offizielle Begleitung
und Evaluierung der positiven Maßnahmen zugunsten der Roma und deren Auswirkungen.
Positive Maßnahmen zugunsten der
Roma in Ungarn und der Slowakei
können klar und ohne jeden Zweifel
der Sozialpolitik zur Eingliederung
der Roma in Verbindung zugerechnet werden, und erst in der jüngsten
Vergangenheit gehen die positiven
Maßnahmen auf gesetzliche Bestimmungen auf diesem Gebiet zurück.
Die meisten Programme werden im
Rahmen der Regierungsstrategie zum
48
Jahrzehnt der Roma-Eingliederung
verwirklicht. Auch die frühen nationalen Programme für eine Verbesserung der Situation der Roma und
deren Finanzierung sind mit dieser
Regierungsstrategie verknüpft. Abschließend lässt sich also sagen, dass
die Politik positive Maßnahmen zugunsten der Roma in Ungarn und der
Slowakei fördert und zugleich auf eigenartige Weise einschränkt.
Die Verknüpfung der positiven Maßnahmen zugunsten der Roma mit
der Politik bringt logischerweise eine
Diskontinuität der Programme mit
sich, die dazu führt, dass diese häufig
enden, bevor das zugrunde liegende
größere Ziel erreicht werden konnte.
Dieser Umstand spiegelt die negativen Auswirkungen von Änderungen
der Politik auf echte Verbesserungen
durch (insbesondere durch den öffentlichen und Freiwilligen Sektor
durchgeführten) positive Maßnahmen wider. Viele der ausdrücklich
als positive Maßnahmen zugunsten
der Roma bezeichneten Projekte in
Ungarn und der Slowakei sind ausdrücklich an Ausschreibungen und
Projekte gebunden, die zeitlich begrenzt sind und nicht unbedingt (tatsächlich eher selten) erneuert werden.
Viele von ihnen werden durch die Regierung finanziert (auch diese Quellen verändern sich mit Änderungen
in der Politik), manche jedoch auch
durch Privatorganisationen mit sich
wandelnden Prioritäten, die sich im
Wechsel der unterstützten Programme niederschlägt. Dies gilt in geringerem Maße auch für den Privatsektor,
in dem positive Maßnahmen durch
finanzielle Mittel der Unternehmen
getragen werden, obwohl positive
Maßnahmen im Privatsektor weniger
weit verbreitet sind.
Sowohl in Ungarn wie in der Slowakei
gab es heftige Diskussionen über die
negative Reaktion der Nicht-Roma
auf diese Programme, die als lediglich
den Roma (und nicht der Gesellschaft
als Ganzes) zugutekommend wahrgenommen werden. Dies reflektiert zum
einen die weite Verbreitung einer negativen und von Vorurteilen geprägten Wahrnehmung der Roma in beiden Ländern, zum anderen aber auch
mangelndes Verständnis für positive
Maßnahmen im Allgemeinen. Die
negative Wahrnehmung lässt sich auf
signifikante Unzulänglichkeiten von
Informationskampagnen und bei der
Bekanntmachung positiver Maßnahmen (einem relativ neuen Konzept) in
beiden Ländern zurückführen.
In Ungarn und der Slowakei lässt sich
eine Kluft zwischen den zum Erreichen adäquater Verbesserung nötigen
komplexen Programmen und den
tatsächlich umgesetzten Maßnahmen
beobachten. Es gibt isolierte Programme, die zu Verbesserungen in
einzelnen Bereichen führen mögen,
letztlich jedoch negative Entwicklungen auf anderen Gebieten mit sich
bringen (siehe dazu die Fallstudie zu
Wohnprogrammen in Ungarn), weil
ihre volle Tragweite nicht ausreichend
bedacht wurde.
Auch bei der Bewertung der Projekte
gibt es Probleme. Vielen Initiatoren
positiver Maßnahmen zugunsten der
Roma in Ungarn ist nicht klar, wie
ihre Auswirkungen gemessen werden
sollten. Tatsächlich gibt es bei einer
Vielzahl von Programmen, sofern diese nicht ausdrücklich erforderlich ist,
keinerlei systematische Bewertung,
weil viele der von örtlichen Behörden
in Ungarn umgesetzten Programme
sich an sozial benachteiligte Gruppen im Allgemeinen und nicht an die
Roma im Besonderen wenden. Als bei
weitem erfolgreichste positive Maßnahme in der Slowakei gilt derzeit das
Programm für Lehrassistenten aus
Roma-Gemeinschaften. Es wird nicht
zuletzt deshalb am häufigsten als erfolgreiches Programm genannt, weil
es seit mehreren Jahren besteht und
sich einige sichtbare Fortschritte im
Bildungsbereich verzeichnen lassen.
4 Wahrnehmung der positiven Maßnahmen in der Europäischen Union
Die Mehrheit der Länder gab keine Auskunft über Zukunftspläne im
Bereich positiver Maßnahmen. Dies
mag sich teilweise durch den Umstand erklären lassen, dass wir in den
Workshops nicht explizit nach Weiterführungs- und Entwicklungsplänen
fragten. In den Befragungen zeigten
sich die Organisationen jedoch interessiert daran, mehr über bewährte
Verfahren zu erfahren, und interessierten sich auch für Vorschläge dazu, wie
sich bereits bestehende Programme
bewerten lassen könnten. Insbesondere in Schweden sprachen einige Organisationen davon, den Umfang ihrer
Aktivitäten zu vergrößern und diese
auch auf andere Gebiete und weitere
benachteiligte Gruppen auszuweiten.
Einige schwedische Universitäten würden ihre positiven Maßnahmen gerne
auf die Merkmale soziale Klasse und
sexuelle Orientierung ausweiten, sind
aber aufgrund begrenzter Ressourcen
nicht dazu in der Lage. Eine Reihe von
Institutionen gab außerdem an, dass
ab 2009 auch das Alter aufgrund des
neuen Antidiskriminierungsgesetzes
in die Überlegungen einfließen müsse,
räumten aber auch ein, nicht zu wissen, wie sie damit umgehen sollten.
Frankreich erwies sich als das europäische Land in der Studie, das mit 78 %
Antworten zum Thema für die Zukunft geplanter positiver Maßnahmen
am höchsten und damit erheblich über
den durchschnittlichen 55 % lag. Das
ist insbesondere deshalb erstaunlich,
weil wir wegen der unterschiedlichen
Wahrnehmung des Nutzens positiver
Maßnahmen in den unterschiedlichen
Wahlbereichen erhebliche Schwierigkeiten bei der Organisation des
Workshops hatten. Weit unterhalb des
Durchschnitts europäischer Länder
lag der Rücklauf bezüglich für die Zukunft geplanter positiver Maßnahmen
im Vereinigten Königreich (47 %) und
in den Niederlanden (35 %).
Abschließend lässt sich feststellen, dass
allgemeine Einigkeit darüber herrscht,
dass nur gut geplante, komplexe, angemessen finanzierte und partizipative Maßnahmen signifikante Veränderungen für Roma-Gemeinschaften
ergeben können. Leider unterscheidet
sich die Wirklichkeit insbesondere in
der Slowakei noch erheblich von diesem Anspruch.
4.5 Hindernisse für
positive Maßnahmen
Es wurden einige Hindernisse ausgemacht, die die Auswirkungen positiver
Maßnahmen hemmen. Einige dieser
Hindernisse betreffen mehrere Länder, wohingegen sich andere auf eine
bestimmte Situation beziehen.
Zu diesen Hindernissen zählt etwa die
potenzielle Offenlegung sensibler Daten, die aus unterschiedlichen Gründen als problematisch betrachtet wird.
In Irland geht es beispielsweise um
den Bereich Behinderungen, wohingegen im Vereinigten Königreich die
sexuelle Orientierung im Vordergrund
steht. Zudem machte die Umfrage
deutlich, dass Organisationen zögern,
wenn es darum geht, potenziellen und
aktuellen Arbeitnehmern Fragen zu
diesen Themen zu stellen. Monitoring
im Bereich Behinderungen findet lediglich bei 26 % der Organisationen
statt, im Bereich sexuelle Orientierung
sind es kaum 10 %.
Es besteht die Meinung, dass negative
Einstellungen seitens der Gesellschaft
sowie von den Medien gepflegte Klischees und Vorurteile zu einer Problematisierung positiver Maßnahmen
führen und die Ergebnisse positiver
Maßnahmen zu rein symbolischen
Ergebnissen werden lassen. Während
etwa die schwedische Gesellschaft in
Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter und entsprechende Maßnahmen relativ aufgeklärt scheint,
werden Afrikaner und Muslime aus
dem Nahen Osten sowie Menschen
mit Behinderungen eher am unteren
Ende der Hierarchie innerhalb der
benachteiligten Gruppen angesiedelt.
Darüber hinaus werden positive Maßnahmen nicht als vorteilhaft betrachtet, und es gibt kein Bewusstsein für
den Wert solcher Maßnahmen. Die
Befragten gaben an, dass sie manchmal keine Unterstützung ihrer Kollegen erhalten oder auf Widerstand
beim Management stoßen, die ihre
Gleichheitsverpflichtungen als reine
Formalitäten ansehen und lediglich
die gesetzlich erforderlichen Bemühungen unternehmen. Einige Arbeitnehmer sind überzeugt, dass nur die
Diversitätsquoten verbessert werden
müssen, um das „Immigrantenalibi“
zu erlangen. Problematisch sind zudem die geschlossenen Strukturen,
wie zum Beispiel bei der Polizei. Es
finden keine externen Anwerbungsverfahren statt, und es besteht nur
wenig oder kaum Raum für Veränderungen. Andererseits haben einige
Gemeinschaften, wie etwa die Roma
und Immigranten, wenig Vertrauen in
schwedische Einrichtungen. Aufgrund
ihrer in der Vergangenheit gemachten
Erfahrungen in Schweden oder auch
in ihren eigenen Ländern misstrauen
sie der Polizei und dem Justizwesen.
Als weiteres Hindernis wurden von
den Teilnehmern der Studie die Gesetze in Schweden genannt, da sie die
Datenerfassung untersagen, wodurch
die Bewertung positiver Maßnahmen anders als in anderen Ländern
erschwert wird. Auch der Mangel an
Ressourcen im Bereich Personal, Finanzen und Zeit werden als wichtige
Stolpersteine wahrgenommen. Positive Maßnahmen werden gelegentlich
als eine zusätzliche Verpflichtung angesehen. Während viele Universitäten
und große Unternehmen eigens Mitarbeiter für Gleichstellungsaufgaben
eingestellt haben, werden in vielen
kleinen Unternehmen und Einrichtungen die Mitarbeiter häufig zusätzlich mit Aufgaben der Gleichstellung
und Vielfalt belastet. In Bezug auf
den Bereich Anstellung beklagten
einige Befragte, dass ihre Unterneh-
49
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
men mehr Mitarbeiter entlassen als
einstellen, wodurch ein Umfeld geschaffen wird, in dem die Einstellung
von mehr Frauen oder Minderheiten
erschwert wird. Des Weiteren wurde
hervorgehoben, dass die meisten positiven Förderungsmaßnahmen als
Projekt durchgeführt werden und dass
die Notwendigkeit für ein langfristiges
Engagement besteht, da Erfolge Zeit
und Anstrengungen erfordern. Auch
das Geld spielt häufig eine Rolle, da
positive Maßnahmen als kostspielig
betrachtet werden. In Bezug auf positive Maßnahmen für Menschen mit
Behinderungen beispielsweise wird
die Einrichtung von Zugangsmöglichkeiten als sehr teure Investition
betrachtet.
In Frankreich werden Fortschritte im
Bereich der positiven Maßnahmen dadurch erschwert, dass keine regelmäßige Erfassung von Monitoringdaten
erfolgt. Obwohl kein Verbot zur Erfassung von Daten auf der Grundlage der
ethnischen Herkunft, der Religion, des
Alters, einer Behinderung oder der
sexuellen Orientierung existiert, ist in
den meisten Fällen eine Genehmigung
zur Erfassung dieser Daten erforderlich. Staatliche Statistikeinrichtungen
lehnen es ab, bei der nationalen Volkszählung Daten über die Rasse oder die
ethnische Herkunft zu erfassen, außer
es betrifft die Nationalität und die
Herkunft Verwandter ersten Grades.
Daher stehen keine rassischen oder
ethischen statistischen Indikatoren zur
Verfügung, die eine Bewertung der
Auswirkungen von Richtlinien oder
Monitoring ermöglichen würden.
50
In den Niederlanden wurden Hindernisse ausgemacht, die eher mit den
Verhaltensweisen der Zielgruppe selbst
als mit den Verhaltensweisen von Personen, die positive Maßnahmen umsetzen sollen, in Verbindung stehen.
Es besteht der Eindruck, dass Werbeanzeigen, die eine bevorzugte Behandlung thematisieren, nicht effektiv sind,
da die betreffenden Personen nicht als
„Quotenperson“ bezeichnet werden
möchten. Die Teilnehmer hatten den
Eindruck, dass die aktive Ansprache
spezieller Zielgruppen die betreffenden
Personen davon abhält, sich für eine
Stelle zu bewerben. Denn sie möchten nicht mit dem Stigma belegt werden, der „Bewerber der affirmativen
Maßnahme“ zu sein. Um derartigen
Reaktionen entgegenzuwirken, wird
es als notwendig erachtet, ein Klima
der Befürwortung zu schaffen, in dem
sich Menschen unabhängig von ihrem
Hintergrund, ja sogar gerade wegen
ihres andersartigen Hintergrundes,
willkommen und anerkannt fühlen.
Auch im Zusammenhang mit Programmen positiver Maßnahmen, die
auf die Roma in der Slowakei ausgerichtet sind, wurden einige Probleme
festgestellt. Diese Probleme begrenzen die Effektivität der Programme
in Bezug auf die Verbesserung der
Ausbildungs- und Beschäftigungschancen und führen in einigen Fällen
möglicherweise sogar zu einer verstärkten Ausgrenzung. Die spontanen
und kurzfristigen Projekte sind nur in
geringem Maße in der Lage, die Maßnahmen voranzutreiben und die Lage
der Roma auf nationaler, regionaler
und lokaler Ebene zu verbessern. Aufgrund des fehlenden Monitoring und
der fehlenden Bewertung werden effektive ordnungspolitische Verfahren
verhindert, in denen die Erfahrungen
in die zukünftige Politik einfließen.
Aus der Sicht der NRO-Teilnehmer
ist die Ursache für die Diskontinuität im Geldbeschaffungssystem zu
sehen. Es ist nahezu unmöglich, Programme und Maßnahmen mit langfristigen Zielen zu entwickeln, da die
Finanzmittelgeber ständig innovative
Programme fordern und gleichzeitig
bestehende Dienstleistungen nur zögerlich unterstützen (z. B. Pflegehelfer
und Lehrkräfte, die der Gruppe der
Roma angehören).
In Ungarn beispielsweise hat die Einstellung der Mehrheit der Bevölkerung
zu den Roma nicht zu einer Stärkung
einer positiven Beziehung zwischen
beiden Seiten beigetragen. Kunden aus
der Gruppe der Roma wurde häufig
vorgeworfen, dass sie nicht mit Dienstleistern zusammenarbeiten möchten,
die ihrerseits nicht lange zögern und
die Roma als unzuverlässig bezeichnen.
Eine Reihe gut gemeinter Programme
wurde aufgrund einer breiten Ablehnung seitens der Mehrheit der Bevölkerung in den Slowakei blockiert. Dies
wurde insbesondere auf lokaler Ebene
sichtbar, wo sich die lokale, nicht den
Roma angehörende Bevölkerung gegen die Maßnahmen des Bürgermeisters oder einer NRO gestellt hat. Doch
auch auf lokaler Ebene ist zumindest
in geringem Maße politischer Wille zu
erkennen, sich effektiv für die Belange
der Roma einzusetzen.
4 Wahrnehmung der positiven Maßnahmen in der Europäischen Union
4.6 Zusammenfassung
Durch die vergleichende Analyse positiver Maßnahmen, die in der Europäischen Union umgesetzt wurden, wurde
eine Reihe signifikanter Probleme deutlich. Positive Maßnahmen werden unterschiedlich stark als effektives Mittel
zum Ausgleich von Benachteiligungen, die spezielle Gruppen innerhalb der Gesellschaft erleiden, begrüßt. Die Teilnehmer aus vielen Ländern sind gegen die Möglichkeit einer bevorzugten Behandlung. Dieses Konzept hat eindeutig
zu Unmut und einer feindseligen Einstellung, berechtigt oder unberechtigt, gegenüber der Umsetzung positiver
Maßnahmen geführt. Bei denjenigen, die von positiven Maßnahmen profitieren sollen, herrscht die Wahrnehmung
vor, dass sie einen unfairen Vorteil erhalten, was ebenso Besorgnis auslöst. Angesichts dieser Spannungen betonen
einige Länder, wie Australien oder die Niederlande, die Bedeutung positiver Maßnahmen als Teil einer umfassenden
Gleichstellungsstrategie im Vergleich zu isolierten Maßnahmen.
In acht Ländern beziehen sich die bestehenden positiven Maßnahmen insbesondere auf die Bereitstellung von Ausbildungsmöglichkeiten und die Verbesserung von Beschäftigungsmöglichkeiten und weniger auf die Bereitstellung
von Dienstleistungen. Menschen mit Behinderungen, Frauen und ethnische Minderheiten scheinen am stärksten
von den positiven Maßnahmen zu profitieren, wobei die Gesetze und die soziale Einstellung eine wichtige Rolle bei
der Förderung von Maßnahmen zugunsten dieser Gruppen spielen. In zunehmendem Maße sind gerade in Ländern,
die einem demografischen Wandel unterliegen, Organisationen aufgrund des hohen finanziellen Drucks und politischer Einflussfaktoren gezwungen, ihre Anwerbungsverfahren und die Art der Bereitstellung von Dienstleistungen
zu ändern. Bei einigen Gruppen wird dies durch die Verfügbarkeit von Fördermitteln unterstützt. In der Regel jedoch
stellen begrenzte Ressourcen ein Haupthindernis für die Umsetzung dar.
Trotz der Unterstützung positiver Maßnahmen werden Fortschritte in diesem Bereich durch die mangelnde Datenerfassung seitens der Organisationen behindert, denn diese Daten könnten für zukünftige Maßnahmen verwendet
werden. Die Tatsache beispielsweise, dass nicht alle Organisationen ein Monitoring ihrer Belegschaft im Hinblick
auf die unterschiedlichen Dimensionen der Gleichstellung durchführen, führt dazu, dass sämtliche Strategien auf
einer schwachen Datenbasis beruhen werden. Negativ wirkt sich in diesem Zusammenhang auch aus, dass – wie
etwa im Bereich Behinderung und sexuelle Orientierung ersichtlich wurde – einige Personen möglicherweise nicht
bereit sind, Daten in einem Umfeld offenzulegen, in dem sie Diskriminierungen ausgesetzt sein könnten und in dem
ihnen das Gefühl gegeben werden könnte, anders zu sein. Diese Unfähigkeit zur Datenerfassung und zum Datenmonitoring ist auch in Organisationen zu finden, die Programme positiver Maßnahmen umsetzen. Infolgedessen
sind die meisten Organisationen, obwohl sie sich über die für den Erfolg ihres Projekts erforderlichen Ergebniskennzahlen bewusst sind, nicht in der Lage, quantitative Daten zu den Fortschritten oder auch zu fehlenden Fortschritten bereitzustellen. Stattdessen verlassen sich Organisationen auf „weiche“ Indikatoren, die sich auf eine allgemein
wahrgenommene Verbesserung, eine größere Sensibilität für die Bedürfnisse von Randgruppen sowie ein besseres
Verständnis für die Andersartigkeit beziehen.
51
5
Wahrnehmung von positiven
Maßnahmen in Kanada, Südafrika
und den USA
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
5 Wahrnehmung von positiven
Maßnahmen in Kanada, Südafrika und den USA
In diesem Kapitel wird auf der Grundlage der Daten der Online-Umfrage, der Dokumentenanalyse, des Konsensworkshops und aus Einzelgesprächen eine Analyse der positiven Maßnahmen
in Kanada, Südafrika und den USA vorgestellt. Dabei erfolgt eine detaillierte Analyse der Wahrnehmung von positiven Maßnahmen, die von den in diesen Ländern ansässigen Organisationen
durchgeführt werden. Dabei werden insbesondere Maßnahmen betrachtet, die von einzelnen
Personen dem Bereich der positiven Maßnahmen zugeordnet wurden, sowie Einflussfaktoren
für positive Maßnahmen und Faktoren, die der Effektivität positiver Maßnahmen als zuträglich
gelten. Des Weiteren wird untersucht, wie Organisationen die Wirkung positiver Maßnahmen
messen. Zudem wird festgestellt, welche Gruppen am stärksten oder am geringsten von gezielten Initiativen profitieren. Darüber hinaus werden die wichtigsten Hindernisse genannt, die die
Umsetzung positiver Maßnahmen behindern, und Pläne für zukünftige positive Maßnahmen
erörtert. In diesen Ländern wird der Begriff affirmative Maßnahme verwendet, wenn Bezug auf
Programme genommen wird, die auf die Beseitigung vergangener und gegenwärtiger Ungerechtigkeiten im Zusammenhang mit Randgruppen der Gesellschaft ausgerichtet sind. In diesem Kapitel werden die Begriffe affirmative Maßnahme und positive Maßnahme daher synonym
verwendet.
5.1 Verständnis positiver
Maßnahmen
Es bestehen zwar große Unterschiede
unter den Ländern, was das Verständnis von positiven Maßnahmen anbelangt, dennoch können einige Verallgemeinerungen getroffen werden.
Die meisten Teilnehmer der in den
Ländern durchgeführten Workshops
stimmen in der Regel überein, dass affirmative Maßnahmen ein Paket spezieller Maßnahmen zur Bekämpfung
vergangener oder gegenwärtiger Diskriminierungen gegenüber bestimmten, aus der Gesellschaft ausgegrenzten Gruppen darstellen. Es bestehen
jedoch zwischen diesen Ländern
Unterschiede bei der Wahrnehmung
und der Umsetzung von positiven
Maßnahmen sowie bei den Gesetzen
und politischen Leitlinien für positive
Maßnahmen. Anders als Kanada und
die USA, die seit langer Zeit affirmative Maßnahmen umsetzen, steht die
54
Entwicklung und Umsetzung solcher
Maßnahmen in Südafrika noch am
Anfang. Dadurch entsteht ein interessanter Gegensatz zu den nordamerikanischen Ländern. Die Teilnehmer
in Südafrika beschrieben ihre Erfahrungen sehr emotional, was sich in der
Wortwahl widerspiegelte, die sie zur
Erläuterung ihres Verständnisses positiver Maßnahmen und ihres diesbezüglichen Engagements verwendeten.
Aufgrund des Erbes der Apartheid
und der Segregation zwischen den
verschiedenen rassischen Gruppen
werden affirmative Maßnahmen in
Südafrika als politische Linie begrüßt,
doch bestehen Bedenken in Bezug auf
deren Umsetzung. Die Unterstützung
von affirmativen Maßnahmen spiegelt
sich in den gesetzlichen Rahmenbedingungen von Südafrika wider. Nach
dem Ende der Apartheid wurden affirmative Maßnahmen von der nachfolgenden Regierung von Südafrika
eingeleitet, um die Ungerechtigkeiten
und Missverhältnisse zwischen den
Rassen zu bekämpfen, die auf die systematischen Auswirkungen der Apartheid in dem Land zurückgeführt wurden. Es wurde angenommen, dass die
affirmativen Maßnahmen sicherstellen
würden, dass der zuvor benachteiligten Bevölkerung von Südafrika (in
Artikel 1 des Employment Equity Act
Nr. 55 von 1998; Gesetz zur Gleichstellung im Arbeitsleben (Department
of Labour Republic of South Africa,
2008; Arbeitsministerium von Republik Südafrika) auch als „designated
groups“ (benachteiligte Gruppen)
bezeichnet) die gleichen Vorteile und
Chancen zuteil werden, die durch
die Verfassung aus der Zeit nach der
Apartheid für alle rassischen Gruppen
garantiert werden.
In Kanada besteht eine stärkere gesetzliche Unterstützung von affirmativen Maßnahmen als in den USA. In
5 Wahrnehmung von positiven Maßnahmen in Kanada, Südafrika und den USA
Kanada wird der Begriff „Gleichstellung im Arbeitsleben“ verwendet, um
Distanz zwischen den damit einhergehenden positiven Maßnahmen und
der harten Reform über affirmative
Maßnahmen (z. B. Quoten) in den
USA zu schaffen, die im Grunde als
positive Diskriminierung betrachtet
werden kann (Bacchi, 2004). Die affirmativen Maßnahmen sind in Kanada
in der Verfassung verankert, in der
jedem Menschen die gleichen Rechte
gewährt werden; in der Kanadischen
Charta der Rechte und Freiheiten
(Canadian Charter of Rights and
Freedoms) wird ausdrücklich erklärt,
dass jedes Individuum vor und nach
dem Gesetz gleich ist und das Recht
auf den gleichen gesetzlichen Schutz
und die gleichen gesetzlichen Vorteile
hat, und zwar ohne diskriminiert zu
werden, insbesondere aufgrund der
Rasse, der nationalen oder ethnischen
Herkunft, der Farbe, der Religion, des
Geschlechts, des Alters oder einer
physischen oder psychischen Behinderung (73).
In den USA besteht im Bewusstsein
der Bevölkerung ein enger Zusammenhang zwischen den affirmativen
Maßnahmen durch Quoten sowie
anderen Formen der bevorzugten Behandlung. Deshalb hat die bevorzugte
Behandlung, die auf eine verbesserte
Repräsentation bestimmter Gruppen
abzielte, in den USA häufig zu negativen Reaktionen geführt. In dieser
Umfrage verstand die Mehrheit der
Teilnehmer affirmative Maßnahmen
als eine Reihe von Strategien, die in
erster Linie von Arbeitgebern und
Bildungseinrichtungen, insbesondere
höheren Bildungseinrichtungen, verwendet werden, um gleiche Chancen
und Fairness in Bezug auf Arbeitsplätze und die Zulassung zu Universitäten
und Colleges zu schaffen. Insbesondere in den USA werden affirmative
(73) Charter of Rights and Freedoms, Teil I des
Constitution Act, 1982, Schedule B des Canada Act 1982 (U.K.), 1982, c.11.
Maßnahmen in den Medien negativ als Mittel zur Bereitstellung von
Chancen für unqualifizierte Personen
und Personen, die dies nicht verdienen, dargestellt. Diese Wahrnehmung
ist weitverbreitet. In der Literatur wird
die Behauptung unterstützt, dass affirmative Maßnahmen in den Medien
politisch ausgenutzt werden, um deren Wert zu untergraben.
Obwohl das Verständnis von affirmativen Maßnahmen in Kanada auf
Erfahrungen am Arbeitsplatz oder
innerhalb von Organisationen beruht,
herrscht allgemeine Einigkeit darüber, dass „die positiven Maßnahmen
gleichen Zugang, eine vollständige
Teilnahme und eine Verbesserung
in allen Bereichen der kanadischen
Gesellschaft – sozial, politisch, wirtschaftlich und kulturell – sicherstellen.“ Darüber hinaus besteht teilweise das Gefühl, dass ein strategischer,
durchdachter Ansatz erforderlich
ist, um historische Hindernisse zu
überwinden und einen systemischen
Wandel herbeizuführen. Es fand eine
Diskussion über die Verwirrung um
die Begriffe „affirmative Maßnahmen“
und „positive Maßnahmen“ statt, da
mehrere unterschiedliche staatliche
Behörden, Richtlinien und Gesetzesdokumente existieren, die die Anforderungen und Erwartungen in Bezug
auf diese Thematik beeinflussen. Zu
den in der Analyse der Gesetzeslage
genannten verschiedenen gesetzlichen
Gruppen und Dokumenten zählen
der Employment Equity Act (Gesetz
zur Gleichstellung im Arbeitsleben),
der Ontario Human Rights Code
(Menschenrechtskodex von Ontario)
sowie Gesetze auf Gemeindeebene
und Unternehmensrichtlinien. Darüber hinaus gab es eine Diskussion
über die Tatsache, dass in Kanada
keine Quoten existieren, wohl aber
Ziele für spezielle Minderheiten. Die
Diskussion bezog sich außerdem auf
den Unterschied zwischen den Begriffen „gleich“ (gleiche Behandlung
aller Menschen) und „Gleichheit“
(faire Behandlung aller Menschen).
Während die Teilnehmer des kanadischen Workshops bei der Erwähnung
der „positiven Diskriminierung“ die
Stirn runzelten, wurden affirmative
Maßnahmen von den Teilnehmern
aus Südafrika und den USA als Maßnahmen zur positiven Diskriminierung beschrieben.
Bei Antworten auf Fragen zum Verständnis von positiven Maßnahmen
ergab die Umfrage, dass die Befragten
aller Nicht-EU-Länder zusammen in
einem bedeutend geringeren Maße
(9 %) positive Maßnahmen und positive Diskriminierung verwechseln.
Interessanterweise war bei keinem der
18 Teilnehmer der Umfrage aus den
USA diese Verwechslung zu erkennen. Diese Ergebnisse machen den
Widerspruch zwischen der Literatur
(Bacchi, 2004), die in den USA positive Diskriminierung automatisch
mit affirmativen Maßnahmen in Verbindung bringt, und den Ansichten
der Workshop-Teilnehmer deutlich.
Es wird darauf hingewiesen, dass es
sich weit mehr um einen indikativen
als um einen bilanzierenden Vergleich
der Ergebnisse der Umfrage und des
Workshops handelt. Dies liegt in dem
vollkommen unterschiedlichen Kontext und der unterschiedlichen Anzahl
von Teilnehmern aus den Nicht-EULändern [von den insgesamt 70 Befragten kamen 35 aus Kanada (5,5 %),
18 aus den USA (2,8 %) und 17 aus
Südafrika (2,7 %)] begründet.
5.2 Einflussfaktoren bei
positiven Maßnahmen
Während der Workshops herrschte in
den meisten Ländern allgemeine Einigkeit darüber, dass die Gesetze den
wichtigsten Einflussfaktor für positive Maßnahmen darstellen. Und auch
von den Teilnehmern der Umfrage
wurden die Gesetze als höchster Einflussfaktor eingestuft, was nicht weiter
überraschte. Gesetzliche Bestimmungen stellen einen starken Einflussfak-
55
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
tor für affirmative Maßnahmen dar;
dies gilt insbesondere für Kanada und
Südafrika und in geringerem Maße
für die USA. Wie aus den Umfragedaten hervorgeht, gaben 71 % der Befragten aus diesen Nicht-EU-Ländern
an, über schriftliche Leitlinien zu
Gleichstellung und Vielfalt zu verfügen.
Weitere Einflussfaktoren sind u. a.
Business Case, soziale Verantwortung
der Unternehmen, moralische und
ethische Gesichtspunkte, Führungskräfte und Unternehmenspolitik. Es
wird darauf hingewiesen, dass diese
Einflussfaktoren in Abhängigkeit der
Faktoren Teilnehmerpool, Kontext,
Sektor und Land eine jeweils unterschiedliche Priorität aufwiesen. In
Kanada stellt der Business Case den
wichtigsten Impulsgeber dar. Darüber
wurde im Zusammenhang mit dem
Umgang mit der sich auf dem kanadischen Arbeitsmarkt entwickelnden
Reduzierung von Fachkräften und
im Zusammenhang mit der Sicherstellung, dass die Belegschaft die rassische und ethnische Komplexität der
Gesellschaft widerspiegelt, diskutiert.
Als weiterer Einflussfaktor für die
Umsetzung positiver Maßnahmen
wurden die richtlinienbezogenen Reaktionen auf Regulierungen genannt.
Während große Unternehmen gemäß
Employment Equity Act (Gesetz zur
Gleichstellung im Arbeitsleben) verpflichtet sind, positive Maßnahmen
umzusetzen, kommen in kleineren
Unternehmen Richtlinien wie etwa
antirassistische Erklärungen und Leitbilder, die den Business Case einbeziehen, zur Anwendung.
Als Impulsgeber für affirmative Maßnahmen wurden im Rahmen des
USA-Workshops die demografische
Notwendigkeit, Bemühungen von
Basisorganisationen, das Zivilrecht
zur Bekämpfung der Segregation sowie der Business Case genannt. Die
Gesetze spielen zwar eine Rolle, sind
jedoch nicht so wichtig wie in Ka-
56
nada oder in Südafrika. Dies könnte
im Wesentlichen auf die Flexibilität
bei der Umsetzung von Programmen
affirmativer Maßnahmen in Einrichtungen und Sektoren zurückzuführen sein. Viele beschrieben eine
Veränderung des Kontexts, wie etwa
der „sich verändernde Charakter“
der Nation – mit anderen Worten,
dass die Vielfalt in den USA wächst
und dass die „herkömmlichen Methoden“ nicht mehr so wirkungsvoll
sind wie in der Vergangenheit. Sie
erklärten, dass durch die Bemühungen der Basisorganisationen aus den
umliegenden Gemeinschaften die
affirmativen Maßnahmen vorangetrieben werden könnten, damit sich
die umliegenden Gemeinschaften in
den Organisationen widerspiegeln.
Sie waren außerdem der Ansicht,
dass Organisationen, die eine größere
Vielfalt aufweisen und bei der Einstellung auf eine stärkere Vielfalt achten,
mehr Kunden aus den Gemeinschaften vor Ort anziehen würden. Andere nannten den historischen Kontext
als Einflussfaktor für affirmative oder
positive Maßnahmen. Ein Pädagoge
erklärte, dass Afroamerikaner früher
keinen Zugang zu Schulen und zu einer höheren Bildung erhielten.
In Kanada wurden zudem Führungskräfte als wichtiger Einflussfaktor
genannt, was auch aus der folgenden
Äußerung eines Workshop-Teilnehmers hervorgeht: „Die Mitarbeiter
werden sagen, dass sie selten in einem
Team gearbeitet hätten, in dem eine
derart große Vielfalt vorzufinden ist.
Die beiden obersten Führungskräfte
[Befragte und ihr Vorgesetzter] verfügen über ein breites Fachwissen und
profunde Erfahrung auf ihrem Gebiet
und sind Menschen, die sich auch früher schon für die Vielfalt eingesetzt
haben. Daher unterscheiden sich ihre
Bemühungen für eine stärkere Vielfalt
von den Bemühungen anderer, zudem
werden die Bemühungen wohlüberlegt
und ganz bewusst unternommen. Es
ist ein Unterschied, ob man lediglich
einer Verpflichtung nachkommt oder
ob man Ziele verfolgt. Es kann nur
funktionieren, wenn die Führungskräfte den Worten auch Taten folgen
lassen.“ Neben den Gesetzen wurden
in Südafrika auch eine Reihe von moralisch-ethischen Gesichtspunkten als
wichtige Einflussfaktoren ausgemacht.
Zu den Impulsgebern für affirmative
Maßnahmen zählen Gerechtigkeit,
Fairness, Integration, Emanzipation
und Bemühungen von Basisorganisationen.
Von den Teilnehmern der Umfrage
wurden die Gesetze als wichtigster
Einflussfaktor für positive Maßnahmen eingestuft, was eigentlich nicht
überraschte. Dies deckt sich weitestgehend mit den Antworten bei dem
Workshop, bei dem in allen Ländern
insbesondere die Gesetze als größter
Einflussfaktor genannt wurden. Bei
näherer Betrachtung der Umfragedaten wird jedoch deutlich, dass Faktoren wie „interne Beratungsgespräche“,
„gutes Vorbild“ sowie „Arbeit mit
Interessengruppen“ als nahezu ebenso wichtig eingestuft wurden. Der
Unternehmensnutzen wurde bei den
Umfrageantworten relativ weit unten
angesiedelt. Andererseits stuften die
Workshop-Teilnehmer den Business
Case als wichtigeren Hebel für Programme positiver Maßnahmen ein.
Daneben nannten sie auch einige andere Einflussfaktoren wie das Organisationsleitbild/die Organisationsvision, ethisch-moralische Aspekte sowie
die soziale Verantwortung der Unternehmen. Die Ergebnisse der Umfrage
und des Workshops weichen zum Teil
voneinander ab, decken sich jedoch
teilweise auch. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die methodologischen
Unterschiede die Antworten möglicherweise beeinflusst haben. Bei der
Umfrage wurde eine begrenzte Liste
mit Antwortmöglichkeiten bereitgestellt, und die Befragten mussten ihre
Antworten mit den vorgegebenen
Antwortmöglichkeiten abstimmen.
Dies stellt, wie aus der nun folgenden
5 Wahrnehmung von positiven Maßnahmen in Kanada, Südafrika und den USA
Analyse deutlich wird, eine rekurrente
Dynamik dar, was erneut hauptsächlich auf die Stichprobengröße zurückzuführen ist.
5.3 Unterstützung für
positive Maßnahmen
Die Umfrage und der Workshop lieferten zum Teil unterschiedliche und
zum Teil sich deckende Ergebnisse.
Die folgenden Faktoren wurden von
den Teilnehmern der Umfrage als
unterstützende Faktoren für positive
Maßnahmen genannt, wobei sie ihrer Priorität nach angeordnet sind:
starkes individuelles Engagement
der Beteiligten, Unterstützung der
Führungskräfte und der oberen Führungsebene, positives Feedback von
den Konsumenten der Dienstleistungen/Kunden, breite Unterstützung der
Arbeitnehmer sowie Unterstützung
der Linienmanager. Die WorkshopTeilnehmer nannten neben diesen die
positiven Maßnahmen unterstützenden Faktoren zudem unter anderem
die Unterstützung durch Gesetze, die
Verantwortung der Unternehmen sowie finanzielle Ressourcen. In Kanada, den USA und Südafrika wurden
folgende unterstützende Faktoren
genannt: Gesetze, Führungskräfte,
demografische Notwendigkeit, soziale Verantwortung der Unternehmen,
gesetzlich eingerichtete Behörden sowie Leitbild der Organisation. Die Ergebnisse der Umfrage und des Workshops weichen zum Teil voneinander
ab, decken sich jedoch teilweise auch.
Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass
die methodologischen Unterschiede
die Antworten möglicherweise beeinflusst haben (ähnlich wie bei der oben
erörterten Frage nach den Einflussfaktoren für positive Maßnahmen).
Bei dieser Frage beispielsweise mussten die Teilnehmer der Umfrage eine
Antwort aus einer begrenzten Liste
mit Antwortmöglichkeiten wählen,
wohingegen die Workshop-Teilnehmer bei der Nennung unterstützender
Faktoren vollkommen frei waren.
5.4 Ergebnisse und
Auswirkungen
Viele Teilnehmer sind überzeugt, dass
durch die affirmativen Maßnahmen
effektiv Chancen für Gruppen geschaffen werden, die zuvor diskriminiert
oder unfair behandelt wurden. Jedoch
werden Probleme bei der Umsetzung
der affirmativen Maßnahmen genannt.
In den USA werden unbeabsichtigte
Folgen der affirmativen Maßnahmen,
negative Einstellungen gegenüber den
affirmativen Maßnahmen, ein feindseliges politisches Klima sowie Fehlinformationen aufgrund der von den
Medien betriebenen Manipulation
als Probleme aufgezählt. In Südafrika
dagegen werden die Probleme bei der
Umsetzung auf negative Klischees,
Stigmatisierung, fehlende Aufsicht,
unehrliches Verhalten und Amtsmissbrauch zurückgeführt. Ein Teilnehmer
brachte die Probleme, die mit der Umsetzung affirmativer Maßnahmen assoziiert werden, auf den Punkt, indem
er die Folgen affirmativer Maßnahmen
mit dem Apartheidsystem verglich. In
beiden Fällen kam es in der Folge zu
negativen Erscheinungen.
In Kanada erklärten einige Teilnehmer, dass die affirmativen Maßnahmen durch einen umfassenden normativen Wandel und die Unterstützung
von Institutionen begleitet werden
müssten, damit sie effektiv seien; sie
erklärten zudem, dass für den Erfolg
von affirmativen Maßnahmen die
Unterstützung von Führungskräften
(obere Führungsebene) in Organisationen und in einigen Fällen auch kompensierende Maßnahmen erforderlich
seien. Die affirmativen Maßnahmen
müssten darüber hinaus Teil einer
umfassenden Unternehmensstrategie
sein, damit sie effektiv sind. Zu Fällen, in denen positive Maßnahmen
erfolgreich sind, sagte ein Teilnehmer:
„Dies erfordert das Engagement der
oberen Führungsebene. Nur wenn die
Geschäftsführung und die obere Führungsebene dies zu ihrem Projekt ma-
chen, funktioniert es. Ist dies nicht der
Fall, sind Fortschritte nur sehr schwer
zu erzielen.“
Die Ergebnisse der Umfrage machen
eine überraschend unterschiedliche
Dynamik in Bezug auf das Ergebnis
und die Auswirkungen von positiven
Maßnahmen deutlich. Während es
sich bei den im Workshop eingesetzten Methoden zur Bewertung von Ergebnissen überwiegend um qualitative
Methoden handelte, wurden bei der
Umfrage qualitative, auf der Anzahl
der Teilnehmer basierende Methoden
eingesetzt. Die Ergebnisse des Workshops lassen sich jedoch anhand der
übereinstimmenden Äußerungen der
Teilnehmer quantifizieren. Die Teilnehmer der Umfrage stuften nichtgreifbare Faktoren wie „Schärfung
des Bewusstseins für Gleichstellungsprobleme in Organisationen“, „Verbesserung des Organisationsimages“
sowie „Stärkung des Vertrauens der
Beteiligten“ an höchster Stelle ein; andere Faktoren, die von den WorkshopTeilnehmern hoch eingestuft wurden,
wie z. B. „Repräsentation in der Belegschaft oder demografische Notwendigkeit“, „bessere finanzielle Ergebnisse“
oder „Business Case“ wurden von den
Teilnehmern der Umfrage niedriger
eingestuft.
Bei der Frage, welche Gruppen am
stärksten von affirmativen Maßnahmen in den drei Ländern profitieren,
stimmten die Teilnehmer der NichtEU-Länder darin überein, dass dies
vor allem auf ethnische und rassische
Minderheiten sowie Frauen zutrifft.
In den USA spüren die Auswirkungen insbesondere Frauen und alle
ethnischen Minderheiten. Dies zeigt
sich in erster Linie bei der Beförderung in Führungspositionen in Organisationen sowie bei der Zahl der
eingeschriebenen Hispanoamerikaner und Afroamerikaner in höheren
sowie weiterführenden Bildungseinrichtungen. In Südafrika betonten die
Teilnehmer den Nutzen, den die „Kö-
57
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
nigsmacher“, die im Weiteren von den
Teilnehmern als Dynastien, politisch
verbundene Mitglieder oder Familien
von Managern beschrieben wurden,
aus den affirmativen Maßnahmen zogen. In Südafrika und den USA wurden Lesben, Schwule, Bisexuelle und
Transgender sowie Menschen mit
Behinderungen als die Gruppen genannt, die am wenigsten von affirmativen Maßnahmen profitieren, da sie
noch immer schwach in der arbeitenden Bevölkerung vertreten sind. Dies
war angesichts der starken Gesetze im
Bereich Behinderungen, insbesondere des Americans with Disabilities Act
(ADA) und Individuals with Disabilities Education Act (IDEA), ziemlich überraschend. Die Teilnehmer
in Kanada jedoch erklärten, dass sich
die affirmativen Maßnahmen positiv
auf diese Gruppen auswirken. Dies
läge an „einer schwulen oberen Führungskraft, die sich intern für die Sache einsetze“ und der systematischen
Umsetzung von Strategien zur Barrierefreiheit für behinderte Menschen.
5.5 Hindernisse für
positive Maßnahmen
Die Teilnehmer nannten eine Reihe
von Hindernissen, die ihre Bemühungen zur Umsetzung positiver Maßnahmen hemmen. Im Allgemeinen
herrschte der Eindruck vor, dass der
Mangel an einer geeigneten Aufklärung über den Nutzen von affirmativen Maßnahmen in der Gesellschaft
sowie Fehlinformationen der Medien
negative Einstellungen gegenüber affirmativen Maßnahmen hervorrufen,
wie es in den USA der Fall ist.
Unklare und mehrdeutige Gesetze
wurden ebenfalls als Faktoren empfunden, die den Erfolg von Programmen affirmativer Maßnahmen beeinträchtigen würden. Die Ausnutzung
der Vorteile von affirmativen Maßnahmen für politische Zwecke wird
als schwierige Herausforderung für
Programme affirmativer Maßnahmen
58
gesehen. In einigen Fällen führe dies
zu unnötigen Rechtsstreitigkeiten.
der Diensterbringung verfügen; in Kanada sind es sogar nur 26 %.
Es herrschte Einigkeit darüber, dass
die affirmativen Maßnahmen Teil einer umfassenden Unternehmensstrategie sein müssten, damit sie effektiv
seien. Einige Teilnehmer argumentierten, dass sich die affirmativen
Maßnahmen sogar als kontraproduktiv erweisen könnten, wenn sie nicht
Teil eines umfassenderen normativen
Wandels wären und von Institutionen
durch entsprechendes Mentoring und
entsprechende Schulungen begleitet
würden. Auch das mangelnde Engagement der oberen Führungsebene in
Organisationen sowie in einigen Fällen der Mangel an kompensierenden
Maßnahmen können den Erfolg von
affirmativen Maßnahmen gefährden.
Die Teilnehmer in Südafrika hatten
das Gefühl, dass einige Begünstigte
für die Übernahme von Verantwortung am Arbeitsplatz nicht ausreichend vorbereitet und qualifiziert
sind. Dies führte zur Abwanderung
von qualifizierten Arbeitskräften ins
Ausland und zu dem Vorwurf der positiven Diskriminierung, da von Mitarbeitern erwartet wurde, dass sie die
Aufgaben übernehmen, die eigentlich
von den unqualifizierten Kollegen hätten durchgeführt werden sollen.
Anders als die Teilnehmer der in den
Ländern durchgeführten Workshops
nannten die Teilnehmer der Umfrage
in einem erstaunlich höheren Maße
Faktoren wie fehlende finanzielle Mittel und Mangel an Zeit als Haupthindernisse für positive Maßnahmen.
Faktoren wie Gesetze, Unterstützung
der Linienmanager und Widerstand
von Arbeitnehmern wurden bei der
Bewertung von Hindernissen für positive Maßnahmen als relativ gering eingestuft. Diese Unterschiede zwischen
den Ergebnissen des Workshops und
der Umfrage sind aufgrund der im
Abschnitt zur Methodologie erörterten Probleme, die sich durch die Stichprobengröße ergeben, mit Vorsicht zu
betrachten.
Darüber hinaus wurde die Rolle der
Zielgruppen als wichtiger Faktor für
den Erfolg von Projekten gesehen. Das
Engagement und die Sichtbarkeit von
Mitgliedern dieser Zielgruppe wurde
als vorteilhaft für das Erreichen der
Ziele von Programmen affirmativer
Maßnahmen betrachtet. Daher finden
sich in Kanada Beispiele dafür, dass
Mitglieder der Gemeinschaft der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender aktiv an speziellen Programmen mitwirken. Die Ergebnisse der
Umfrage zeigten, dass im Vergleich
zur Gesamtgruppe (51 %) bedeutend
weniger Organisationen in Nicht-EULändern (36 %) über Zielsetzungen zu
Gleichheit und Diversität im Bereich
5 Wahrnehmung von positiven Maßnahmen in Kanada, Südafrika und den USA
5.6 Zusammenfassung
Obwohl der Begriff affirmative Maßnahmen je nach nationalem Kontext sehr unterschiedliche Bedeutungen hat,
herrscht eine überwältigende Einigkeit darüber, dass ein derartiges Programm auf die Bekämpfung vergangener
und gegenwärtiger Ungerechtigkeiten abzielt. Die unterschiedlichen Bedeutungen sind in hohem Maße auf nationale Gesetze und Richtlinien zurückzuführen. In Kanada beispielsweise sind affirmative Maßnahmen stark auf die
Menschenrechte ausgerichtet. Trotz der Einigkeit in Bezug auf die Bedeutungen dieses Begriffs wurden in Südafrika
in einigen Fällen unangemessenes Verhalten und Amtsmissbrauch als Faktoren genannt, die der Effektivität von
Programmen affirmativer Maßnahmen entgegenwirken. Die breite Mehrheit der Teilnehmer stimmte darin überein,
dass die Gesetze den wichtigsten Einflussfaktor für Programme affirmativer Maßnahmen darstellen. Gleich darauf
folgten Business Case (insbesondere in Kanada), demografische Notwendigkeit, Leitlinien und Führungskräfte. Trotz
der Vorteile wird die Umsetzung mit Problemen wie negative Einstellungen gegenüber affirmativen Maßnahmen,
Manipulation durch die Medien, mehrdeutige Gesetze, fehlendes eigenes Engagement, Mangel an angemessenen
finanziellen Mitteln, negative Stereotypen/Klischees und fehlende Aufsicht in Verbindung gebracht.
59
6
1. Introduction: New Business Horizons in Europe
Positive Maßnahmen
in Bezug auf verschiedene
Dimensionen der Gleichstellung,
Organisationen und Sektoren
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
6 Positive Maßnahmen in Bezug auf verschiedene Dimensionen der Gleichstellung, Organisationen und Sektoren
In diesem Kapitel erfolgt eine Analyse der Wahrnehmung positiver Maßnahmen seitens der Teilnehmer aller Länder, die an dieser Umfrage teilgenommen haben, wobei der besondere Schwerpunkt auf die Unterschiede bei den Dimensionen der Gleichbehandlung, den Sektoren und
Organisationsarten gelegt wird. Darüber hinaus erfolgt in diesem Kapitel eine Darstellung der
Ergebnisse des Workshops sowie eine Analyse der Richtlinien. Zu Beginn des Kapitels werden der
Kontext von Gleichstellung und Vielfalt in den teilnehmenden Organisationen, das Verständnis
positiver Maßnahmen, Einflussfaktoren, die vorhandene Unterstützung sowie die Hindernisse für
eine erfolgreiche Umsetzung beschrieben. Des Weiteren wird darüber berichtet, wie Organisationen die Wirkung positiver Maßnahmen messen. Zudem werden Beispiele für positive Maßnahmen, die in den an der Fallstudie teilnehmenden Ländern durchgeführt werden, gegeben.
6.1 Kontext von
Gleichstellung
und Vielfalt
Wie in den vorherigen Abschnitten
dargelegt, betonten die Teilnehmer,
dass die positiven Maßnahmen in
jeder Organisation als Teil einer umfassenden Strategie zur Gleichstellung
und Vielfalt betrachtet werden müssten. Es wurde untersucht, ob Organisationen über schriftliche Leitlinien zu
Gleichstellung und Vielfalt verfügen
und welche Unterschiede zwischen
Sektoren und Organisationen bestehen
könnten. Aus den Umfragedaten geht
hervor, dass nahezu die Hälfte (49 %)
der kontaktierten Organisationen
über schriftliche Richtlinien für Chancengleichheit verfügen, wobei zwischen den demografischen Gruppen
beträchtliche Unterschiede bestehen.
Organisationen mit 5000 Mitarbeitern
und mehr aus dem öffentlichen Sektor
verfügen eher über schriftliche Leitlinien zu Gleichstellung und Vielfalt
(81%) als Organisationen mit weniger
als zehn Mitarbeitern (24 %) aus dem
dritten Sektor. Die Teilnehmer aus
dem öffentlichen Sektor verfügen zwar
eher über schriftliche Leitlinien (59 %),
doch bestehen Unterschiede zwischen
den verschiedenen Arbeitsbereichen:
62
Gesundheitsorganisationen (79 %)
sowie Colleges/Universitäten (64 %)
verfügen eher über schriftliche Leitlinien zu Gleichstellung und Vielfalt als
im Bereich der sozialen Fürsorge tätige
Organisationen aus dem dritten Sektor
(38 %). Diese Verteilung überrascht in
gewisser Hinsicht nicht, denn sie spiegelt die Tendenz wider, dass für Organisationen aus dem öffentlichen Sektor eine Verpflichtung bestehen wird,
schriftliche Leitlinien zu verfassen.
Unter den Teilnehmern der Umfrage herrscht weitestgehend Einigkeit
darüber, dass das Monitoring von
Gleichstellung und Vielfalt Arbeitgebern ermöglicht, die Effektivität ihrer
Richtlinien und Verfahren zu überprüfen. Dies wird als erforderliche
Voraussetzung für die Entwicklung
und Umsetzung von zielgerichteten
Strategien gesehen. Das Monitoring
stellt einen wichtigen Faktor für eine
erfolgreiche Umsetzung von positiven
Maßnahmen dar, wobei eine deutliche Hierarchie zu erkennen ist: Monitoring findet hauptsächlich in Bezug
auf geschlechtsspezifische Aspekte
statt (49 %), Monitoring der sexuellen
Orientierung findet dagegen in sehr
geringem Maße statt (15 %). Die Organisationen, die ein Monitoring für
ihre Maßnahmen zu Gleichstellung
und Vielfalt durchführen, führen dies
in erster Linie für gegenwärtige Angestellte durch, an nächster Stelle erfolgt
das Monitoring für Bewerber. Nahezu
die Hälfte (48 %) der Organisationen,
die ein aktives Monitoring der Vielfalt
durchführen, veröffentlichen einige
oder alle Daten.
55 % der an der Umfrage teilnehmenden Organisationen verfügen über klare Ziele bezüglich Nutzern von Dienstleistungen und Kundenprofilen, was
die Gleichstellung von Gruppen anbelangt; im Vergleich dazu verfügen wesentlich mehr lokale Behörden (75 %)
und im Bereich der sozialen Fürsorge
tätige Organisationen über derartige
Ziele. Überraschend ist, dass Organisationen mit wenigen Mitarbeitern
(11-25) eher über klare Ziele bezüglich
der Bereitstellung von Dienstleistungen verfügen (81 %) – bei einer Rücklaufquote von 51 % der befragten Organisationen – als Organisationen mit
vielen Mitarbeitern (5000 +) (37 %).
6.2 Verständnis
positiver Maßnahmen
Wie aus Abbildung 2 hervorgeht,
wurde bei der Frage, welche Aussa-
6 Positive Maßnahmen in Bezug auf verschiedene Dimensionen der Gleichstellung, Organisationen und Sektoren
ABBILDUNG 2: BESCHREIBUNG DES VERSTÄNDNISSES
VON POSITIVEN MASSNAHMEN IN ORGANISATIONEN
Engagement der Organisation für Gleichstellung und Vielfalt
Maßnahmen zum Ausgleich von Benachteiligung und Diskriminierung
Maßnahmen zur Bekämpfung von Stereotypen
Gesetzliche Verpflichtung zum Umgang mit Gleichstellung und Vielfalt
Maßnahmen zur Bekämpfung der Unterrepräsentierung
Bestärkende Maßnahmen in Bezug auf die positive Diskriminierung
Positive Diskriminierung zur bevorzugten Behandlung einiger Gruppen
Keiner der genannten Punkte
Sonstiges
0
ge am ehesten dem Verständnis von
positiven Maßnahmen in der Organisation entspricht, nur die Aussage
„Engagement der Organisation für
Gleichstellung und Vielfalt“ von über
der Hälfte (56 %) der Stichprobe übereinstimmend ausgewählt. Rund 40 %
nannten „Maßnahmen zur Bekämpfung von Benachteiligung und Diskriminierung“ sowie „Maßnahmen zur
Bekämpfung von Klischees“. Mehr als
ein Drittel nannte die gesetzliche Verpflichtung zum Umgang mit Gleichstellung und Vielfalt, Maßnahmen zur
Bekämpfung der Unterrepräsentierung sowie „affirmative Maßnahmen
in Bezug auf die positive Diskriminierung“. Die Unterschiede zwischen den
Gruppen, die positive Maßnahmen
mit positiver Diskriminierung verwechseln, sind in erster Linie länderspezifisch. Dies wurde in den Kapiteln
4 und 5 ausführlich dargelegt.
10
20
30
40
50
60
blieb gleich. Dies deutet darauf hin,
dass die Verdeutlichung des Wesens
und Zwecks von positiven Maßnahmen zu einem besseren Verständnis
ihres eigentlichen Wesens führten.
Dies hat möglicherweise eine positivere Antwort oder Einstellung zu
positiven Maßnahmen bewirkt und
bei den Teilnehmern zu einer größeren Wertschätzung des Nutzens dieser
Maßnahmen geführt. Trotz der offensichtlichen Verwirrung, die über das
Wesen von positiven Maßnahmen besteht, hat eine deutliche Mehrheit der
Teilnehmer eine positive Einstellung
zu positiven Maßnahmen. Wenn eine
Verdeutlichung den Anteil der positiven Antworten unter den Teilnehmern
erhöht, kann zumindest angenommen
werden, dass ein stärkeres Bewusstsein bei den Personen, die derzeit
nur wenig über positive Maßnahmen
wissen, eine noch größere Wirkung
haben würde. Darüber hinaus zeigten
die Ergebnisse, dass nahezu alle Teilnehmer, die als leitende Angestellte/
Geschäftsführer tätig sind oder Positionen auf einer ähnlichen Ebene
bekleiden, bestimmte Punkte höher
bewerteten: „Positive Maßnahmen
[würden/werden] [können] von dieser Organisation als wertvoll angesehen [werden]“ (im Durchschnitt 76 %
vor und 85 % nach Abschluss der Umfrage) wurde von den leitenden Angestellten/Geschäftsführern mit 90 %
vor und mit 94 % nach der Umfrage
bewertet. „Positive Maßnahmen stellen ein strategisches Ziel der Organi-
ABBILDUNG 3: WAHRNEHMUNG DES NUTZENS VON POSITIVEN MASSNAHMEN ZU
ANFANG UND IM WEITEREN VERLAUF DER STUDIE
a) Wahrnehmung des Nutzens von positiven Maßnahmen zu Beginn der Studie
Positive Maßnahmen sind für die Beteiligten von Vorteil
Positive Maßnahmen sind für die lokale Gemeinschaft von Vorteil
Positive Maßnahmen sind für die Organisation von Vorteil
Positive Maßnahmen werden von dieser Organisation als wertvoll angesehen
Die allgemeine Wahrnehmung der
Vorteile von positiven Maßnahmen
wurde zu Beginn und am Ende der
Umfrage bewertet; beim zweiten Mal
sollten die Teilnehmer die Aussage
unter Berücksichtigung der in dieser
Umfrage verwendeten Definition für
positive Maßnahmen bewerten. Aus
Abbildung 3 geht hervor, dass die Bewertungen beim zweiten Mal höher
waren, wobei der gesamte Anstieg
bezogen auf den übereinstimmenden Anteil der Teilnehmer bei 3 %
lag. Die Reihenfolge der Antworten
Positive Maßnahmen sind Bestandteil der strategischen Ziele der Organisation
-200
Definitiv nein
-100
Eher nein
0
100
Weder noch
200
300
Eher ja
400
500
600
Definitiv ja
b) Nutzen von positiven Maßnahmen nach Abschluss der Studie
Positive Maßnahmen können für die Beteiligten von Vorteil sein
Positive Maßnahmen können für die Organisation von Vorteil sein
Positive Maßnahmen können für die lokale Gemeinschaft von Vorteil sein
Positive Maßnahmen können von der Organisation als wertvoll angesehen werden
Positive Maßnahmen sind Bestandteil der strategischen Ziele der Organisation
-200
-100
0
100
200
300
400
500
600
63
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
sation dar“ (im Durchschnitt 69 % vor
und 73 % nach der Umfrage) wurde
von leitenden Angestellten mit 82 %
vor und mit 88 % nach der Umfrage
bewertet. Gemeinnützige Organisationen und NRO tendierten ebenso zu
etwas höheren Bewertungen.
6.3 Einflussfaktoren bei
positiven Maßnahmen
In der allgemeinen Stichprobe stellten
die Gesetze den wichtigsten Einflussfaktor für positive Maßnahmen dar
(47 %). Die Antworten zu den anderen
festgestellten Einflussfaktoren verteilten sich relativ einheitlich, wobei 17 %
auf den Einfluss von Finanzierungseinrichtungen und 36 % auf interne
Beratungsgespräche entfielen (siehe
Abbildung 4). Alle Maßnahmen, die
darauf ausgerichtet sind, Organisationen zur Entwicklung von positiven
Maßnahmen zu bewegen, müssen eine
Reihe von möglichen Einflussfaktoren
berücksichtigen, deren Relevanz je
nach Organisationstyp unterschiedlich sein kann.
6.4 Unterstützung für
positive Maßnahmen
Aus Abbildung 5 geht hervor, dass eine
große Mehrheit der Teilnehmer (85 %)
darin übereinstimmte, das ein starkes
individuelles Engagement der Beteilig­
ten vorhanden ist. Der Prozentsatz lag
bei NRO sowie gemeinnützigen Organisationen etwas höher, bei 88 %, beim
öffentlichen Sektor (78 %) und in großen Organisationen mit 1000-5000
Mitarbeitern (73 %) lag der Prozentsatz jedoch niedriger. 78 % nannten
übereinstimmend Unterstützung der
Führungskräfte und der oberen Führungsebene; leitende Angestellte und
Geschäftsführer zeigten sich hier optimistischer (90 %), bei Organisationen
im öffentlichen Sektor lag die Rate mit
70 % niedriger und bei Colleges und
Universitäten mit 60 % sogar noch
niedriger. Personen, die angaben, dass
sie im Rahmen ihrer gegenwärtigen
64
ABBILDUNG 4: EINFLUSSFAKTOREN FÜR DIE UMSETZUNG
VON POSITIVEN MASSNAHMEN
Gesetze
Interne Beratungsgespräche
Gutes Vorbild durch andere
Zusammenarbeit mit Interessengruppen
Analyse des Mitarbeiterprofils
Analyse der Konsumenten von Dienstleistungen/Kundenprofile
Gespräche mit Konsumenten der Dienstleistung/Kunden
Vertretungen von Gewerkschaften/Mitarbeitervereinigungen etc.
Unternehmensnutzen (oder Gegenwert)
Einfluss von Finanzierungseinrichtungen
Sonstiges
Politik gegenüber Aktionären/Investoren
0
Position im Bereich Gleichstellung
und Vielfalt tätig sind, waren weniger
von der Unterstützung durch die Vorgesetzten überzeugt (64 %). Drei Viertel (76 %) erklärten übereinstimmend,
dass sie von den Konsumenten der
Dienstleistungen/Kunden ein positives
Feedback erhielten. Der einzige signifikante Unterschied bei dieser Bewertung bestand zwischen den Sektoren,
wobei gemeinnützige Organisationen
sowie NRO diesen Punkt mit 81 %
höher und Organisationen aus dem
öffentlichen Sektor diesen Punkt mit
70 % niedriger bewerteten. Ein etwas
niedrigerer Prozentsatz (72 %) war der
Ansicht, dass eine breite Unterstützung
der Arbeitnehmer vorhanden ist. Auch
10
20
30
40
50
dies wurde von gemeinnützigen Organisationen und NRO höher (80 %)
und von Organisationen aus dem
öffentlichen Sektor niedriger (60 %)
bewertet. Deutlich niedriger lag die
Bewertung auch bei Colleges und
Universitäten (48 %). Die niedrigste
Bewertung entfiel auf Unterstützung
von Linienmanagern (69 %). Sollte
dies ein Problem darstellen, scheinen
sich leitende Angestellte und Geschäftsführer dessen nicht bewusst zu
sein, da ihre Bewertung bei 82 % lag.
Organisationen aus dem öffentlichen
Sektor sowie Colleges und Universitäten lagen mit ihren Bewertungen auch
hier mit 62 % beziehungsweise 35 %
unter dem Durchschnitt. Personen,
ABBILDUNG 5: UNTERSTÜTZUNG FÜR POSITIVE MASSNAHMEN
Starkes individuelles Engagement der Beteiligten
Unterstützung der Führungsebene und des Managements
Positives Feedback von Konsumenten der Dienstleistungen/Kunden
Breite Unterstützung der Arbeitnehmer
Unterstützung der Linienmanager
-150 -100
Definitiv nein
-50
Eher nein
0
50
100
Weder noch
150
200
Eher ja
250
300
Definitiv ja
350
6 Positive Maßnahmen in Bezug auf verschiedene Dimensionen der Gleichstellung, Organisationen und Sektoren
6.6 Ergebnisse
und Wirkungen
die im Bereich Gleichstellung und
Vielfalt tätig sind, bewerteten dies mit
59 % ebenfalls niedriger.
Aus Abbildung 6 geht hervor, wie die
Wirkung von positiven Maßnahmen
in verschiedenen Bereichen betrachtet
wird. Interessant ist hierbei, dass die
höchsten Bewertungen auf weniger
greifbare Punkte wie etwa Bewusstsein
für Probleme, Image der Organisation
und Selbstvertrauen der Personen entfallen; diese Punkte wurden von mehr
als drei Viertel der Befragten genannt.
Der potenzielle Beitrag von positiven
Maßnahmen zum Geschäftserfolg
wurde seltener genannt. Nur ein Drittel der Befragten (32 %) stimmte darin
überein, dass positive Maßnahmen zu
besseren finanziellen Ergebnissen führen. Die Bewertungen von leitenden
Angestellten/Geschäftsführern lagen
im Allgemeinen höher und im öffentlichen Sektor, insbesondere bei Colleges und Universitäten, niedriger.
6.5 Hindernisse für
positive Maßnahmen
Fehlende finanzielle Mittel sowie ein
Mangel an Zeit stellten die am häufigsten genannten Hindernisse für
positive Maßnahmen dar (46 % beziehungsweise 37 %). Zurückhaltung bei
der Teilnahme seitens der Zielgruppen, mangelnde Unterstützung der
Linienmanager und Widerstand von
Arbeitnehmern wurde von weniger
als 20 % der Teilnehmer genannt. Ein
relativ niedriger Anteil der Befragten
(13 %) war der Ansicht, dass erheblicher Widerstand sowie Zynismus der
Arbeitnehmer ein wichtiges Hindernis darstellen. Angesichts der selektiven Auswahl der Stichprobe könnte
angenommen werden, dass dieses
potenzielle Hindernis in der breiteren
Bevölkerung noch bedeutsamer sein
könnte. Unter Berücksichtigung der
vorherigen Diskussion zur Definition/
zum Verständnis von positiven Maßnahmen könnte dieses Problem angegangen werden, indem die allgemeine
Öffentlichkeit besser über das Wesen
von positiven Maßnahmen informiert
wird.
Die Befragten nannten zahlreiche
Kennzahlen, die von ihnen eingesetzt
werden, wobei keine einzige Kennzahl
von mehr als 40 % der Teilnehmer genannt wurde. Lediglich 16 % lassen
eine Bewertung durch externe Stellen
durchführen, und nur 26 % verfügen über Ziele/Leistungsindikatoren.
Weitere Kennzahlen sind regelmäßige
ABBILDUNG 6: WIRKUNG VON POSITIVEN MASSNAHMEN
Schärfung des Bewusstseins für Gleichstellungsprobleme in der Organisation
Verbesserung des Organisationsimages
Stärkung des Vertrauens der Beteiligten
Bereitstellung von Netzwerkmöglichkeiten
Bereitstellung von beruflichen Weiterentwicklungsmöglichkeiten
Verbesserung der Repräsentation der Zielgruppen in der Belegschaft
Verbesserung der Servicequalität/Kundenzufriedenheit
Verbesserung der Arbeitsleistung der Belegschaft
Steigerung der Effizienz
Verbesserung der Personalbindung
Verbesserung der finanziellen Ergebnisse
Sonstiges
-350 -300 -250 -200 -150 -100 -50
Nicht zutreffend
Gar nicht effektiv
Wenig effektiv
0
50 100 150 200 250 300 350
Ziemlich effektiv
Sehr effektiv
oder Ad-hoc-Überprüfungen, Gespräche mit Mitarbeitern und Nutzern sowie Einzelberichte, wobei diese ihrem
Wesen nach eher einstellungsbezogen
sind und weniger messbare Ergebnisse
liefern.
6.7 Positive Maßnahmen
in der Praxis
Insgesamt erklärten 72 % der Befragten, dass ihre Organisation über Maßnahmen oder Programme verfügt, die
ihrer Meinung nach als positive Maßnahmen bezeichnet werden könnten.
Wie aus Abbildung 7 hervorgeht, setzen 50 % oder mehr der Befragten
Maßnahmen in den Bereichen Alter,
Behinderung, rassische und ethnische Herkunft sowie Geschlecht um;
ein Drittel verfügt über Maßnahmen
im Bereich Religion oder Religionszugehörigkeit, und ein Fünftel verfügt über Maßnahmen im Bereich
sexuelle Orientierung. Die Antworten
verteilten sich relativ gleichmäßig auf
die in dem Fragebogen ausgemachten
Arten von positiven Maßnahmen.
Dies macht deutlich, dass mehrere
Maßnahmen Anwendung in den verschiedenen Dimensionen der Gleichstellung fanden. Bei der Frage, wann
positive Maßnahmen zum ersten Mal
eingesetzt wurden, erklärte nahezu
die Hälfte der Befragten (48 %), dass
derartige Maßnahmen vor über fünf
Jahren eingeführt wurden, 40 % gaben einen Zeitraum von ein bis fünf
Jahren und 8 % einen Zeitraum von
unter einem Jahr vor Durchführung
der Umfrage an.
Das Gesamtbild spiegelt die Ergebnisse des Workshops und der Befragungen wieder, wie aus Abbildung 7
hervorgeht. Die einzige Diskrepanz
besteht jedoch im Bereich der Einrichtung von Netzwerken und Foren, was
in den an der Fallstudie teilnehmenden Ländern nicht so stark verbreitet
zu sein scheint. Der Grund hierfür
könnte darin bestehen, dass lediglich
zehn Länder an den Konsenswork-
65
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
ABBILDUNG 7: POSITIVE MASSNAHMEN FÜR VERSCHIEDENE DIMENSIONEN DER GLEICHSTELLUNG
Verwendete Kennzahlen
Netzwerke und Foren
Aus- und Weiterbildung sowie
Weiterentwicklung von Führungskräften
Unterstützung bei der Kommunikation/Vertrauensbildung
Unterstützung beim Erwerb weiterer Qualifikationen
Verbesserung der Work-Life-Balance
Bereiche
Gezielte Einstellung
Schulung zu positiven Maßnahmen
Geschlecht
Beratungsstellen
Rassische oder
ethnische Herkunft
Mentorenprogramme
Behinderung
Zielvorgaben
Befürwortungsprogramme
Alter
Religion oder
Glaubenszugehörigkeit
Quoten
Sexuelle Orientierung
Sonstiges
Sonstiges
0
shops und Befragungen teilnahmen,
während 32 Länder an der Umfrage
teilnahmen. Nichtsdestotrotz wurde
mit Überraschung festgestellt, dass
kein Land Beispiele für positive Maßnahmen im Bereich Religion oder
Glaubenszugehörigkeit nannte.
6.7.1 Beispiele für
positive Maßnahmen
Zum Zweck eines besseren Überblicks
über die Arten von Maßnahmen, die
als positive Maßnahmen betrachtet
werden können, werden konkrete
Beispiele für positive Maßnahmen
gegeben, die in der Europäischen
Union, in Kanada, Südafrika und
den USA umgesetzt wurden. Abbildung 8 enthält eine Aufstellung aller
positiven Maßnahmen, die von den
Teilnehmern der Umfrage in den an
der Fallstudie beteiligten Ländern genannt wurden. Diese Beispiele sind
der aktuellen Umfrage entnommen
und spiegeln lokale Interpretationen
von positiven/affirmativen Maßnahmen wider. Eine detaillierte Beschreibung dieser Beispiele ist in den Länderberichten verfügbar. Die Analysen
in diesen Berichten bestätigen das
66
10
20
30
40
0
50 %
erhebliche Missverständnis darüber,
was eine positive Maßnahme darstellt, sowie die Überschneidung mit
anderen ergänzenden Maßnahmen,
wie z. B. Monitoring von Gleichstellung und Vielfalt sowie Bewertung
der Wirkungen der Maßnahmen. Es
10 20 30 40 50 60 70 80
existierten keine Beispiele für positive
Maßnahmen im Bereich Religion und
Glaubenszugehörigkeit.
ABBILDUNG 8: INTENSITÄT DER POSITIVEN MASSNAHMEN
IN DEN AN DER FALLSTUDIE TEILNEHMENDEN LÄNDERN
Quoten
(2)
Mentoren
programme/
Netzwerke und Foren (7)
Befürwortungsprogramme/
Beratungsstellen (12)
Schulung zur positiven Maßnahmen,
Schulung der Führungskräfte, Vertrauensbildung (15)
Gezielte Einstellung/Zielvorgaben (15)
Überprüfung von Dienstleistungen/Richtlinien
Schärfung des Bewusstseins für positive Maßnahmen (19)
6 Positive Maßnahmen in Bezug auf verschiedene Dimensionen der Gleichstellung, Organisationen und Sektoren
Die folgenden Beispiele für positive
Maßnahmen stammen aus den an der
Fallstudie beteiligten Ländern:
Eltern ethnischer
Minderheiten und
Bildung in Österreich
Farbige sowie
ethnische Minderheiten
und Berufsbildung im
Vereinigten Königreich
Die Stadt Wien hat in Zusammenarbeit mit verschiedenen ethnische Minderheiten repräsentierenden Organisationen ein Projekt ins Leben gerufen
(MA 17), das auf die Förderung einer
stärkeren Einbeziehung von Eltern
ethnischer Minderheiten bei der Ausbildung ihrer Kinder abzielt. Dieses
Projekt umfasst Informationsveranstaltungen, Übersetzungsdienstleistungen
sowie Kinderbetreuungsdienstleistungen und bietet Deutschkurse für Mütter von Kindern, die einer ethnischen
Minderheit angehören. Diese finden
an den Schulen der Kinder statt.
Das Leeds Mental Health Teaching
National Health Service Trust (ein
Krankenhaus) im Vereinigten Königreich ermutigt Farbige und Angehörige ethnischer Minderheiten, Praktika
zu absolvieren. Ziel ist dabei, dass die
Praktikanten Selbstvertrauen gewinnen
und Fähigkeiten erwerben und nach
Abschluss des Praktikums beim National Health Service (staatlicher Gesundheitsdienst) weiter angestellt bleiben.
Asylsuchende und
Beschäftigung in Österreich
Durch ein von dem ESF (EQUAL)
finanziertes Projekt, FluEQUAL, werden für Asylsuchende mehr Chancen
auf dem Arbeitsmarkt geschaffen.
Dies geschieht, indem sie Zugang zu
Deutschkursen und zur Berufsbildung
erhalten und ermutigt werden, am
Arbeitsleben teilzunehmen.
Menschen mit
Behinderungen und
höhere Bildung
im Vereinigten Königreich
Die Universität Birmingham hat ein
Programm eingerichtet, das Stipendien für Studenten mit Behinderungen,
darunter auch Studenten mit Dyslexie,
vergibt, um sie bei ihrem Studium zu
unterstützen. Diese Gelder müssen
nicht für spezielle Hilfsmittel für Behinderte ausgegeben werden. Durch
das Stipendium wird vielmehr dem
Umstand Rechnung getragen, dass
Studenten mit Behinderungen häufig
Schwierigkeiten haben, ihr Einkommen durch Teilzeitarbeit neben dem
Studium zu bestreiten.
Verschiedene Gruppen
und Wohnraum
Die für den Wohnraum zuständige
Abteilung der Stadt Wien hat ein Programm zur Bewältigung von interkulturellen Konflikten zwischen den Bewohnern von Sozialwohnungen der
Stadt eingerichtet. Die Stadt beschäftigt eine Gruppe von interkulturellen
Mediatoren, die in gemischten Teams
arbeiten und Unterstützung bieten,
die leicht zugänglich ist und von möglichst vielen Personen angenommen
wird. Der in dem Programm verwendete Begriff „Kultur“ bezieht sich nicht
nur auf Personen mit unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen
Traditionen, sondern umfasst ebenso
Konflikte zwischen jungen und älteren
Menschen sowie Menschen, die die
Gebärdensprache verwenden.
Ethnische Minderheiten
und Hochschulen
Die Einrichtung Netherlands Organisation for Scientific Research (NOW)
hat ein Förderprogramm (Mozaic)
eingerichtet, um die Zahl der Forscher aus ethnischen Minderheiten
zu erhöhen, die an einem Doktoratsprogramm an niederländischen Uni-
versitäten teilnehmen. Das Programm
richtet sich ausschließlich an Bewerber, die einer ethnischen Minderheit
angehören.
Sozial benachteiligte
Gruppen und Zulassung
zu Universitäten
In Ungarn ist in Artikel 19/A des
Regierungserlasses 268/2000 zu den
allgemeinen Bestimmungen für das
Zulassungsverfahren zu Universitäten
festgelegt, dass ein Bewerber oder eine
Bewerberin aus einer sozial benachteiligten Gruppe zu der Fakultät einer
Universität zugelassen werden muss,
wenn er oder sie 80 % des für die Zulassung zu dieser Fakultät erforderlichen Wertes erreicht. Die Kategorie
„sozial benachteiligte“ Personen umfasst unter anderem Personen, deren
Eltern nur über einen Grundschulabschluss verfügen. Die Zahl der auf der
Grundlage dieses Verfahrens zugelassenen Studenten darf 3 % der Gesamtzahl der zu dieser Fakultät zugelassenen Studenten nicht überschreiten.
Integrierte
Ausbildung für Roma
Seit 2004 ruft das Bildungs- und Kulturministerium von Ungarn Programme ins Leben, um die Ausgrenzung
von Roma-Kindern durch die Platzierung in unterdurchschnittlichen
Schulen/Klassen sowie in Schulen/
Klassen für Kinder mit einer geistigen Behinderung zu reduzieren und
die Einbindung dieser Kinder in die
Standardausbildung zu fördern. Die
Programme der Regierung umfassen
Maßnahmen wie die Bereitstellung
von Integrationsmitteln für Schulen,
die Kinder mit speziellen Bildungsbedürfnissen beherbergen. Ein Programm mit dem Titel „Last Bench“
zielt darauf ab, Roma-Kinder, die zu
Unrecht als unfähig klassifiziert wurden, wieder in normale Klassen zu
integrieren. Zu den Maßnahmen der
Regierung zählt zudem die Einfüh-
67
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
rung der Bestimmung, dass Schulen
konkrete Gleichstellungsrichtlinien
übernehmen und umsetzen müssen,
um einen Anspruch auf die Mittel des
Strukturfonds zu haben.
Roma und Zugang
zu Beschäftigung
In der Slowakei existiert bei dem in
Kosice ansässigen Unternehmen USA
Steel ein spezielles Beschäftigungsprogramm für die Roma-Gemeinschaft.
Im Rahmen dieses Programms arbeitet USA Steel eng mit den lokalen Behörden der drei angrenzenden
Gebiete (Vel’ka Ida, Saca und Lunik
IX) zusammen, um in der Roma-Gemeinschaft Bewerber für eine Anstellung in der Fabrik des Unternehmens
auszuwählen. USA Steel schließt über
die lokale Behörde für die Dauer von
einem Jahr einen Untervertrag mit
den Bewerbern aus der Roma-Gemeinschaft ab. Nach Ablauf dieser Zeit
können die betreffenden Personen für
eine reguläre Anstellung in Betracht
gezogen werden.
Projekte zur
Barrierefreiheit in Kanada
Die Unterrepräsentation von Menschen
mit Behinderungen in der Belegschaft
von Unternehmen führte zu einer
Überprüfung potenzieller Hindernisse.
In der Folge wurden die Vorkehrungsleitlinien verbessert und modernisiert,
damit Arbeitnehmer und Manager
geeignete technische Lösungen besser
bewerten und anfordern können.
Ability-Edge-Projekt
in Kanada
Eine Initiative, bei der sich mehrere
Banken zusammenschlossen, Praktikumsmöglichkeiten für Menschen mit
Behinderungen zu schaffen. Darüber
hinaus erhalten Studenten mit Behin-
68
derungen ein Stipendium für postsekundäre Bildungseinrichtungen.
Praktikumsprogramme
für Studenten, die von den
Ureinwohnern abstammen,
in Kanada
Die Bank von Montreal gibt Studenten, die von den Ureinwohnern abstammen, die Möglichkeit, Berufserfahrung in der Bank zu erwerben. Des
Weiteren vergibt die Bank für diese
Studenten Stipendien für postsekundäre Bildungseinrichtungen.
Wien braucht
Dich – Polizisten mit
Migrationshintergrund
Um die Zahl der Polizisten mit Migrationshintergrund in Wien zu erhöhen,
wurde im November 2007 eine Rekrutierungsinitiative ins Leben gerufen,
die sich an Personen mit österreichischer Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund richtet. Ein „Tandempaar“ aus einem Polizisten mit
Migrationshintergrund und einem
Vertreter der Abteilung für Vielfalt
der Stadt Wien besucht Schulen und
Vereinigungen von Migrantengemeinschaften, um ihnen die Initiative vorzustellen und ein Vorbild zu sein.
Es existieren keine Quoten und keine
ausdrückliche bevorzugte Behandlung
von Bewerbern mit einem Migrationshintergrund.
Mingo Migrant
Enterprises in Österreich
Im Mai 2008 wurde eine Stelle eingerichtet, die kostenlos Informationen und Beratung in verschiedenen
Sprachen für Unternehmen mit Migrationshintergrund bereitstellt, die
aufgrund von sprachlichen Hindernissen und kulturellen Unterschieden
häufig Schwierigkeiten haben, die allgemeinen Unterstützungsangebote in
Anspruch zu nehmen. Die Unterstützung umfasst die Bereitstellung von
Informationen und Hilfe bei der praktischen Umsetzung von Innovationen
sowie Unterstützung beim Umgang
mit Agenturen und Behörden.
An die Roma gerichtetes
Praktikumsprogramm für
Journalisten und Redakteure
in Ungarn
Das Ziel dieser Initiative besteht darin, die positive Präsenz der Roma in
den Medien zu erhöhen. Das öffentliche Fernsehen und Radio vergibt ein
zehnmonatiges Praktikum an fünf
Personen. Während des Praktikums
nehmen die Praktikanten an Kursen
zum Erwerb bestimmter Berufsqualifikationen teil und erhalten Instrumente an die Hand, um psychologisch
heikle Situationen, in die sie geraten
könnten, zu bewältigen. Zudem wird
ihnen ein professioneller Mentor zur
Seite gestellt, und sie erhalten ein Stipendium sowie ein Zertifikat nach
Abschluss des Praktikums.
Chancengleichheit bei
Brustkrebs für sozial
benachteiligte Frauen
in Ungarn
In Zusammenarbeit mit den NRO der
Roma sowie Vertretern suchen die Organisationen Kontakt zu Roma-Frauen,
um die Durchführung von Brustkrebsuntersuchungen auf breiterer Ebene
zu fördern. Dazu zählt der Transport
zu den Untersuchungseinrichtungen
sowie die Bereitstellung von Untersuchungsgeräten in abgeschiedenen
Gebieten. Im Rahmen dieses Projekts
wurde über die Zusammenarbeit mit
Vertretern der Roma und Gesundheitsdienstleistern versucht, die Nach-
6 Positive Maßnahmen in Bezug auf verschiedene Dimensionen der Gleichstellung, Organisationen und Sektoren
haltigkeit durch die Schaffung einer
offenen Kommunikation und Zusammenarbeit zu fördern.
Akzeptanz von
Arbeitsplatzmodellen
in Ungarn
Um der hohen Schwundquote in einem geflügelverarbeitenden Werk
entgegenzuwirken, arbeitete das Unternehmen mit dem örtlichen Arbeitsamt und Bildungszentrum zusammen,
um ein Projekt ins Leben zu rufen,
in dessen Rahmen eine betriebliche
Fortbildung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, darunter viele Ungelernte
mit einem niedrigen Bildungsniveau,
bereitgestellt wurde.
Roze in den Niederlanden
Aufgrund der Probleme, denen Lesben,
Schwule, Bisexuelle und Transgender
im Berufsleben begegnen – Zugang zu
Beschäftigung und Arbeiten in einem
feindseligen Umfeld – gründeten sie ein
Netzwerk innerhalb der Gewerkschaft
Roze. Sie errichteten eine Website und
ein webbasiertes Forum, um einen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen.
Dies wird auch als Plattform für die
Organisation öffentlicher Veranstaltungen und Kampagnen zur Verstärkung
der Sichtbarkeit von Lesben, Schwulen,
Bisexuellen und Transgendern im Beschäftigungsbereich genutzt.
Soziale Feldarbeit
in der Slowakei
Das Hauptziel dieses Projekts besteht
darin, den sozial ausgegrenzten und in
speziellen Siedlungen lebenden Roma
hochwertige soziale Beratung und
Unterstützung bereitzustellen. Das
Programm wird von dem Sozialentwicklungsfonds verwaltet und richtet
sich an Gemeinden, in denen RomaGemeinschaften leben. Das Dorf oder
die Stadt kann gemessen an der Größe
Mittel für einen oder mehrere Straßensozialarbeiter beantragen. Die Arbeitsbelastung ist eindeutig festgelegt,
und die Straßensozialarbeiter helfen
Einzelpersonen oder Familien.
Gezielte Einstellungen
auf Management- und
Führungsebene in Südafrika
1993 führte ein staatliches Elektrizitätsunternehmen die gezielte Einstellung von Farbigen im Unternehmen
durch, um die Zahl der Farbigen auf
der Management- und Führungsebene zu erhöhen. Formelle Mentorprogramme wurden geschaffen, damit
Mitarbeiter auf nachgeordneten Ebenen in Managementpositionen aufsteigen können. Gleichzeitig wurden
weiße Mitarbeiter, die diese Positionen bereits bekleideten, ermutigt, als
Mentoren zur Verfügung zu stehen.
Des Weiteren wurden Stipendien
eingerichtet, damit Farbige an einer
geeigneten Universität in und außerhalb von Südafrika studieren können
und anschließend in der Lage sind, die
Positionen, die von Weißen bekleidet
werden, zu übernehmen.
Verbesserung der
Einstellungsmöglichkeiten
im Gesundheitsdienst
für Personen mit einem
chinesischen oder einem
gemischten ethnischen
Hintergrund im Vereinigten
Königreich
Ein Grundversorgungsfonds führte
eine Reihe von Initiativen durch, um
die Repräsentation von unterrepräsentierten Gruppen unter den Erwerbstätigen, einschließlich ethnischer
Gruppen, zu verbessern. Um mehr
Bewerber mit chinesischem oder gemischtem ethnischem Hintergrund
anzuziehen, wurden E-Mails mit Stellenangeboten an 300 Organisationen
von Gemeinschaften verschickt. Zudem wurden diese Stellenangebote
über das wöchentliche Bulletin der
Organisation verbreitet. Darüber hinaus wurden 80 Stellenanzeigen auf
der nationalen Website „Ethnic Britain“ veröffentlicht. Und es wurde eine
Anleitung, wie potenzielle Bewerber
Zugang zu Stellen im staatlichen Gesundheitsdienst erhalten können, in
verschiedene Sprachen übersetzt.
Mosaic-Initiative in den USA
Als Teil der Strategie der Universität
für mehr Vielfalt und eine bessere Repräsentation von unterrepräsentierten
ethnischen Gruppen an der Fakultät
wurden seit Mai 2008 1 Mio. USD für
die Mosaic-Initiative zur Verfügung gestellt. Im Rahmen dieses Projekts können die Abteilungen finanzielle Mittel
vom Dekan oder Direktor des Bereichs
beantragen, um die Kosten für Posten
wie Gehälter, Forschungsprojekte oder
Laborausstattung zu decken.
Open-Up-Projekt
in Schweden
Im Rahmen dieses Entwicklungsprojekts wurde von SEKO tele Stockholm
ein Beschäftigungsprogramm für junge Menschen mit funktionellen Behinderungen ins Leben gerufen, um für
diese Personen eine Beschäftigung im
IT-/Telekommunikationssektor zu finden. Dieses Projekt unterstützt zudem
Unternehmen, die Personen aus dieser
Gruppe anstellen und ganz allgemein
Kontakt zu Menschen mit Behinderungen, die ihre Dienste in Anspruch
nehmen, herstellen möchten.
Drogenprojekt in Irland
Ein Projekt für ein stärkeres Bewusstsein gegenüber Drogen wurde geschaf-
69
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
fen, das sich vor allem an Pavee-Eltern
richtet. Denn wie Forschungsergebnisse zeigten, besteht in dieser Gemeinschaft ein Drogenproblem. Das Ziel
des Projekts besteht darin, die Zahl
der drogenkonsumierenden Personen zu reduzieren und zu versuchen,
Diskussionen über Drogen durch die
Einbeziehung der Gemeinschaft in die
mit dem Drogenkonsum verbundenen
Probleme zu normalisieren. Bis heute
wurde der zehn Sitzungen umfassende
Kurs in weniger als zwei Jahren fünf
Mal durchgeführt.
Lehrkräfte in der Slowakei
Es wurde ein Programm zur Finanzierung von Lehrkräften in Schulen
eingerichtet, damit sie sozial benachteiligte Kinder bei Sprachproblemen
und individuellen Lernproblemen unterstützen und so die im Bildungssystem vorhandenen Hindernisse überwunden werden. Dieses Programm
begann als NRO-Initiative, wird nun
jedoch von dem Bildungsministerium
über die regionalen Schulbehörden finanziert.
6.8 Zusammenfassung
In diesem Kapitel wurde deutlich, dass im privaten Sektor positive Maßnahmen nur in begrenztem Maße vorhanden sind. Der Schwerpunkt
liegt bei Organisationen, die positive Maßnahmen einführen, eher auf
der Behebung von Ungleichgewichten in der Belegschaft als auf der Bereitstellung von Dienstleistungen. Bei Organisationen aus dem Dritten
Sektor besteht ein günstigeres Umfeld für die Umsetzung positiver Maßnahmen. In diesem Bereich ist es wahrscheinlicher, dass die Personen
ein breiteres Verständnis von positiven Maßnahmen entwickeln und
Vertrauen schaffen, Mitarbeiter bestärken und Nachhaltigkeit sicherstellen. Insgesamt wächst das Verständnis von positiven Maßnahmen mit
einem stärkeren Bewusstsein. Zudem bedarf es hierfür der kontinuierlichen Unterstützung durch Führungskräfte und Manager.
70
7
1. Introduction: New Business Horizons in Europe
Schlussfolgerungen
und Empfehlungen
71
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
7 Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Dieses Kapitel dient zunächst der Zusammenfassung der vorliegenden Studie. Sodann wird ein
Vergleich der praktischen Umsetzung positiver Maßnahmen in europäischen und nichteuropäischen Ländern sowie ein Vergleich der praktischen Umsetzung in Bezug auf verschiedene Dimensionen der Gleichstellung, Organisationen und Sektoren angestellt, und es werden Schlussfolgerungen aus diesen Vergleichen gezogen. Abschließend werden Empfehlungen ausgesprochen
und Auswirkungen für Forschung, Strategien und Praxis erörtert.
7.1 Schlussfolgerungen
7.1.1 Vergleiche zwischen EU- und
Nicht-EU-Ländern
Eine grundsätzliche Schlussfolgerung,
die aus den Forschungsarbeiten gewonnen werden kann, ist etwa, dass die
Konzepte bezüglich positiver Maßnahmen zwischen den verschiedenen
Ländern zwar stark variieren, einige
Verallgemeinerungen aber dennoch
getroffen werden können. Die für die
Beschreibung der Maßnahmen zur Beseitigung vergangener und gegenwärtiger Ungerechtigkeiten im Zusammenhang mit Randgruppen verwendeten
Terminologien sind dabei bisweilen
sehr unterschiedlich. In den Nicht-EULändern ist etwa der Begriff „affirmative action“ (affirmative Maßnahme)
weit verbreitet. In Europa ist hingegen
der Terminus „positive action“ (positive Maßnahmen) gebräuchlicher. Die
in dieser Studie verwendete Definition
von „positiven Maßnahmen“ wurde
im vierten Kapitel vorgestellt und als
angemessene Aktivitäten beschrieben,
die implementiert werden, um in der
Praxis eine vollständige und effektive
Chancengleichheit für alle Mitglieder
von Gruppen zu gewährleisten, die
sozial oder wirtschaftlich benachteiligt sind oder anderweitig die Folgen
vergangener oder gegenwärtiger Diskriminierung oder Benachteiligung zu
erleiden haben.
Aus der Studie wird deutlich, dass
allgemein Konsens darüber besteht,
72
dass positive Maßnahmen bestimmte Maßnahmen zum Ausgleich von
Diskriminierungen begründen, die
bestimmten Gruppen in einer Gesellschaft widerfahren. Während in verschiedenen Ländern besonderer Wert
auf die Definition von positiven Maßnahmen gelegt wird, wird deutlich,
dass erhebliche Unterschiede in der
Verwendungshäufigkeit und im Verständnis des Begriffs existieren. Aus
qualitativer Sicht offenbart die Studie
eher verschiedene Ansätze zur Interpretation des Begriffs positive Maßnahmen, wohingegen die Ergebnisse
der Umfrage eine einheitlichere Sicht
der Teilnehmer zeigt.
Es bestehen vor allem Unterschiede bei der Verwendung des Begriffs
positive Maßnahmen sowie bei den
Gesetzen und der Politik in Bezug
auf diese Maßnahmen. In einigen
Ländern halten die Teilnehmer positive Maßnahmen für eine „veraltete“
Strategie und hatten Mühe, diesen Begriffen ihnen bekannte Maßnahmen
auf lokaler Ebene zuzuordnen. So
betrachten beispielsweise Teilnehmer
aus den Niederlanden positive Maßnahmen vielmehr als wichtiges Instrument innerhalb einer umfassenderen
Diversitätsstrategie, die alle Methoden
zur Bekämpfung der Effekte der Ausgrenzung, Diskriminierung und des
Stereotypierens bestimmter Gruppen
umfasst und darauf abzielt, eine Gesellschaft mit mehr Gleichberechtigung zu schaffen. In Südafrika wird
der Begriff hingegen aufgrund der
durch Apartheid und Rassentrennung
geprägten Vergangenheit, mit der der
Begriff „affirmative Maßnahme“ verbunden wird, als „Stand-Alone“-Strategie wahrgenommen.
Diese unterschiedliche Wahrnehmung
und Haltung gegenüber dem Begriff
„positive Maßnahmen“ spiegelt sich
letztlich im gesetzlichen Rahmen beider Länder wider. Während in einigen
Ländern der allgemeine Trend dahin
geht, positive Maßnahmen weniger
per Gesetz durchzusetzen (beispielsweise in den Niederlanden), finden
affirmative Maßnahmen in Ländern
wie Kanada und Südafrika eine stärkere gesetzliche Verankerung. Insgesamt
kamen Quoten sehr selten zur Anwendung, und die damit verbundene Vorzugsbehandlung rief in der Regel ein
negatives Echo hervor.
Die Ergebnisse dieser Studie legen den
Schluss nahe, dass Rechtsvorschriften den wichtigsten Faktor bei der
Durchsetzung positiver Maßnahmen
darstellen. Zahlreiche Teilnehmer hatten allerdings das starke Gefühl, dass
diese Rechtsvorschriften durch wirksame Mechanismen zur Durchsetzung
gestützt werden müssten und eine aufgeblähte Bürokratie in diesem Bereich
eine Umsetzung in Unternehmen und
Organisationen behindere. Weitere
durch die Studie identifizierte Einflussfaktoren umfassen den Business
Case, soziale Verantwortung der Unternehmen, moralische und ethische
Gesichtspunkte, Führungskräfte und
7 Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Unternehmenspolitik. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist
des Weiteren, dass positive Maßnahmen nicht unmittelbar durch Rechtsvorschriften untermauert wurden,
vielmehr die moralische Begründung
einen starken Anreiz darstellte. Dies
fiel vor allem dort auf, wo bestimmte
Gemeinschaften (zum Beispiel Roma)
unter ärmlichen sozioökonomischen
Bedingungen lebten.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigten divergierende Resultate in
Bezug auf die Unterstützung positiver
Maßnahmen. Vor dem Hintergrund,
dass ein starkes Engagement von Einzelpersonen sowie die Unterstützung
durch die Unternehmensführung als
die entscheidenden Faktoren identifiziert werden konnten, ist die Tatsache, dass die Teilnehmer relativ wenig
Unterstützung durch Linienmanager
erhielten, besorgniserregend. Ein Umdenken ist hier unbedingt erforderlich. Dies, zusammen mit einer Reihe
weiterer Hindernisse im Hinblick auf
menschliche und finanzielle Ressourcen, kann eine erfolgreiche Umsetzung positiver Maßnahmen ernsthaft
gefährden.
Der Vergleich von qualitativen und
quantitativen Aspekten dieser Studie
ergab recht unterschiedliche Folgen
positiver Maßnahmen. Die Teilnehmer der Umfrage stuften nicht greifbare Faktoren wie „Schärfung des Bewusstseins für Gleichstellungsprobleme
in Organisationen“, „Verbesserung des
Organisationsimages“ sowie „Stärkung
des Vertrauens der Beteiligten“ als hoch
ein; andere Faktoren in Bezug auf die
Repräsentation in der Belegschaft und
bessere finanzielle Ergebnisse waren
hingegen für Workshop-Teilnehmer
von höherer Bedeutung.
Während diese Studie die Vorteile positiver Maßnahmen klar herausstellte,
gibt es gleichzeitig auch Berichte über
negative Auswirkungen. Einige der
nachteiligen Folgen, darunter etwa
Kompetenzengpässe aufgrund des
„Brain-Drain-Effekts“ und eine Gettoisierung innerhalb der Belegschaft
infolge von gezielten Einstellungen,
wurden in manchen Ländern beobachtet. Die Ausnutzung der Vorteile
von affirmativen Maßnahmen für
politische Zwecke wird als schwierige Herausforderung für Programme
affirmativer Maßnahmen gesehen.
Hier besteht die Gefahr, dass dies zu
unnötigen Rechtsstreitigkeiten führen
könnte, die ihrerseits (andere) Einrichtungen von der Umsetzung positiver Maßnahmen abhalten könnte.
Es liegt auf der Hand, dass sich Organisationen mit der Entwicklung einer
Datenbasis für positive Maßnahmen
schwer tun. In einigen Ländern (darunter Schweden) wird dieser Prozess
durch Gesetzesschranken behindert
(z. B. durch das gesetzliche Verbot
der Datenerfassung unter Berücksichtigung der ethnischen Herkunft),
wohingegen in anderen Ländern
(darunter Südafrika und das Vereinigte Königreich) eine Methode zur
Erfassung von Daten unter Berücksichtigung von Behinderungen oder
sexueller Orientierung noch nicht
umfassend erarbeitet worden ist.
In EU-Ländern wie auch in NichtEU-Ländern konnten vergleichbare
Versuche von Gruppen beobachtet
werden, die nur ein geringes Interesse
am Ethos positiver Maßnahmen haben und die Situation zu deren Vorteil
zu nutzen suchten. Deutlich wurde
dies vor allem in Ländern, in denen
positive Maßnahmen Missbrauch und
unehrliches Verhalten begünstigten.
Diese Studie förderte zudem zutage,
dass es sowohl in den Belegschaften
als auch in der Gesellschaft selbst ein
mangelndes Bewusstsein im Hinblick
auf die Vorteile positiver Maßnahmen
gibt. Hinzu kommen durch Medien
verbreitete Fehlinformationen. Sehr
ausgeprägt war dieses Phänomen in
Ländern, in denen die Medien eine
Problematisierung positiver Maßnahmen förderten und die Ergebnisse
positiver Maßnahmen zu rein symbolischen Ergebnissen abstempelten.
Ebenso wurden Gruppen wie Afrikaner und Moslems aus dem Nahen
Osten sowie Menschen mit Behinderungen nicht als Zielgruppe positiver
Maßnahmen ausgemacht, während
schwedische Teilnehmer der Auffassung waren, dass ihre Gesellschaft
im Hinblick auf die geschlechtliche
Gleichberechtigung grundsätzlich aufgeklärt und fortschrittlich sei.
Im Hinblick auf die Formulierung
positiver Maßnahmen gibt es in
manchen Ländern Bedenken über
die Einbeziehung der betroffenen
Zielgruppen. In Kanada herrschte die
Auffassung vor, dass ein Mangel an
Engagement und Sichtbarkeit von Mitgliedern dieser Zielgruppen den Erfolg
affirmativer Maßnahmen untergraben
könnte. Als Folge sahen wir, dass Mitglieder der Gemeinschaft der Lesben,
Schwulen, Bisexuellen und Transgender aktiv Verantwortung übernahmen.
Ebenso konnten im Vereinigten Königreich Gruppen und Basisorganisationen betroffener Randgruppen ausgemacht werden, die angetrieben durch
ihre Unzufriedenheit mit dem Status
quo eine Lobby für positive Maßnahmen etablierten und erfolgreich auf
ihre Bedürfnisse abgestimmte Dienstleistungen einrichteten.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass die
Zukunft für positive Maßnahmen
gut aussieht und viele Organisationen
künftig die Einführung von Initiativen
oder Programmen im Rahmen positiver Maßnahmen planen.
7.1.2 Unterschiede bei
Organisationen und Sektoren
Unter den Teilnehmern der Umfrage herrscht weitestgehend Einigkeit
darüber, dass das Monitoring von
Gleichstellung und Vielfalt Arbeitgebern ermöglicht, die Effektivität ihrer
73
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
Richtlinien und Verfahren zu überprüfen. Dies wird als erforderliche Voraussetzung für die Entwicklung und
Umsetzung von zielgerichteten Strategien gesehen. Die zentrale Bedeutung
des Monitoring für die erfolgreiche
Umsetzung positiver Maßnahmen
zeigte, dass Geschlecht, Alter, Behinderung und ethnische Herkunft zu
den am meisten überwachten Aspekten gehörten, während sexuelle Orientierung und Religion oder Glaube die
am wenigsten überwachten Aspekte
darstellten.
Das Ausmaß, in dem Sektoren ein geeignetes Umfeld für die Entwicklung
positiver Maßnahmen bereitstellten,
variierte stark. Während eine beträchtliche Anzahl von Organisationen über schriftliche Richtlinien zu
Gleichstellung und Vielfalt verfügten,
waren größere Organisationen nicht
so erfolgreich, wenn es darum ging,
entsprechende Zielvorgaben für Beschäftigung und Dienstleistungen zu
erstellen. Monitoring ist ein wichtiges
Hilfsinstrument bei der Umsetzung
positiver Maßnahmen, da hierdurch
eine Grundlage für den Nachweis von
Unterrepräsentation geschaffen wird.
Während einige Organisationen den
Wert des Monitoring anerkennen,
kann das Nichtvorhandensein relevanter Daten Bemühungen zunichte
machen, geeignete positive Maßnahmen zu formulieren.
Eine Verdeutlichung des Wesens und
Zwecks von positiven Maßnahmen
führte zu einem besseren Verständnis des eigentlichen Wesens positiver
Maßnahmen. Die Antworten in Bezug auf die Einflussfaktoren positiver
Maßnahmen waren sehr ausgeglichen,
wobei gesetzgeberische Einflussfaktoren häufig genannt wurden. Daher
müssen Aktionen, die auf die Förderung der Entwicklung von Positionen
oder Initiativen durch Organisationen
abzielen, eine Vielzahl von potenziellen Einflussfaktoren berücksichtigen,
deren Relevanz je nach betroffener
Organisation variiert.
Es gab einen breiten Konsens über die
Notwendigkeit organisatorischer Unterstützung für positive Maßnahmen,
insbesondere Management Buy-In.
Allerdings bestanden in verschiedenen
Sektoren Unterschiede, wobei Organisationen aus dem dritten Sektor positive Maßnahmen eher unterstützten als
Organisationen aus dem öffentlichen
und privaten Sektor. Bemerkenswert
war, dass ein relativ niedriger Teil der
Befragten der Ansicht war, dass erheblicher Widerstand sowie Zynismus der
Arbeitnehmer ein wichtiges Hindernis
darstellen.
Zahlreiche Methoden wurden zur
Bewertung der Auswirkungen positiver Maßnahmen herangezogen. Es
konnte jedoch die Tendenz festgestellt
werden, sich auf „weiche“ Ansätze zur
Evaluierung zu verlassen, darunter
Ad-Hoc-Überprüfungen und Einzelberichte. Während die quantitativen
Daten der Umfrage eine Streuung der
positiven Maßnahmen im Hinblick
auf die verschiedenen Dimensionen
nahelegen, lieferten die qualitativen
Daten aus Konsens-Workshops und
Befragungen keine Beispiele für Maßnahmen in Bezug auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsoder Glaubensgemeinschaft, obgleich
der traditionellen Anwendungshierarchie Folge geleistet worden ist.
7.2 Kernaussagen
Aus diesem Bericht können eine Reihe von Kernaussagen gewonnen werden, die ihrerseits unter den Hauptüberschriften zusammengefasst werden können, die den in den vorherigen Kapiteln erörterten Ergebnissen der
vorliegenden Studie entsprechen.
Kontext von Gleichstellung und Vielfalt (diversity)
• Generell werden positive Maßnahmen innerhalb des Rahmens schriftlicher Gleichstellungsrichtlinien, von
Leitbildern und von Jahresberichten eingeleitet, die eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung widerspiegeln.
• Monitoring und bestimmte Zielvorgaben in Bezug auf Gleichstellung und Vielfalt sind weitverbreitet, wobei
die geschlechtsspezifische Dimension die am intensivsten überwachte Dimension und die sexuelle Orientierung die am wenigsten überwachte Dimension darstellt.
• Der Mangel an aufgeschlüsselten Daten in den wichtigsten Branchensektoren bedeutet, dass effektive positive
Programme nicht umfassend entwickelt und umgesetzt werden können.
• Die Förderung von Vielfalt in der Gemeinschaft bedeutet nicht notwendigerweise eine Änderung von Kultur
und Einstellung gegenüber positiven Maßnahmen.
74
7 Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Definition und Verständnis positiver Maßnahmen
• Die Studie ergab, dass für die Beschreibung der positiven Maßnahmen in den untersuchten Ländern uneinheitliche und inkonsistente Terminologien verwendet werden.
• Das gemeinsame Verständnis der Bedeutung positiver Maßnahmen in Europa, innerhalb der Länder und in
den einzelnen Sektoren ist mangelhaft.
• Eine Klärung des Wesens und des Zwecks positiver Maßnahmen kann ein besseres Verständnis der tatsächlichen Natur der Maßnahmen fördern und des Weiteren zu einer positiveren Einstellung und Wahrnehmung
der Nützlichkeit dieser Maßnahmen führen.
• Der betreffende historische und politische Hintergrund eines Landes beeinflusst dabei die sprachliche Ausgestaltung und praktische Umsetzung der positiven Maßnahmen.
Einflussfaktoren bei positiven Maßnahmen
• Rechtsvorschriften bleiben ein Haupteinflussfaktor für positive Maßnahmen. Andere wesentliche Einflussfaktoren sind Altruismus, moralische/ethische Gesichtspunkte, wirtschaftliche Gründe, demografischer Wandel,
soziale Verantwortung der Unternehmen, Unternehmenspolitik und Bemühungen von Basisorganisationen.
• In einigen Fällen, in denen Organisationen Programme einrichteten, um politische und finanzielle Gewinne
zu erzielen, und sie ein nur geringes Eigeninteresse am eigentlichen Ziel positiver Maßnahmen zeigten, werden diese Maßnahmen durch negative Faktoren vorangetrieben.
Hindernisse für positive Maßnahmen
• Als häufigste Hindernisse für positive Maßnahmen werden in den europäischen Ländern insbesondere mangelnde zeitliche, menschliche und finanzielle Ressourcen angeführt. Der Mangel an Engagement von Einzelpersonen sowie an Unterstützung durch die Organisationsführung bleibt bedeutendes Hindernis für den
Erfolg und die Nachhaltigkeit positiver Maßnahmen.
• Der gesetzliche Rahmen für positive Maßnahmen bleibt weit hinter den Forderungen der Sozialpolitik zurück, und kollidierende Datenschutzvereinbarungen in einigen Ländern schaffen ernsthafte Schranken für
die Umsetzung positiver Maßnahmen.
• Es gibt Schwierigkeiten bei der Sicherstellung, dass der gesetzliche Rahmen in der Praxis tatsächlich einheitlich angewandt wird. Darüber hinaus werden in den verschiedenen Ländern Sanktionen gegen Organisationen, die positive Maßnahmen entweder gar nicht umsetzen oder es nicht schaffen, eine Gleichberechtigung
herzustellen, unterschiedlich umgesetzt.
• Außerdem werden mangelndes Bewusstsein für die Vorteile positiver Maßnahmen bei den Beschäftigten und
in breiteren Gesellschaftsschichten sowie die Rolle der Medien bei der Problematisierung dieser Maßnahmen
und allenfalls symbolische Ergebnisse als Hindernisse für die Akzeptanz positiver Maßnahmen gesehen.
Unterstützung für positive Maßnahmen
• Die Akzeptanz und Unterstützung breiter Bevölkerungsschichten ist für den Erfolg positiver Förderprogramme unabdingbar. Starkes individuelles Engagement und Unterstützung durch Kollegen, Führungskräfte und
Unternehmensführung sind für die Nachhaltigkeit positiver Maßnahmen unabdingbar.
75
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
• In Bezug auf die Einstellung gegenüber positiven Maßnahmen und deren Umsetzung bestehen nicht unerhebliche Unterschiede zwischen sämtlichen Sektoren. Manche öffentlichen Körperschaften bemühten sich um eine
Erweiterung der politischen Grenzen, um so eine wesentlich breitere Anwendung positiver Maßnahmen zu
erreichen.
• Positive Maßnahmen sind am erfolgreichsten, wenn die Zielgruppen einbezogen werden und an Gestaltung,
Planung, Umsetzung und Bewertung umfassend beteiligt werden.
Ergebnisse und Auswirkungen
• Das systematische Monitoring der Effizienz positiver Maßnahmen in Bezug auf Leistungen und Ergebnisse ist
mangelhaft. Die Organisationen bemühen sich sehr um die Erarbeitung einer aussagekräftigen Beweisführung
und tendieren dazu, sich bei der Bewertung der Wirkungen positiver Maßnahmen eher auf „weiche“ Indikatoren
zu verlassen.
• Während positive Maßnahmen insgesamt als effektiv angesehen werden, was die Schärfung des Bewusstseins für
Gleichstellungsprobleme in Organisationen betrifft, sind die tatsächlichen Wirkungen positiver Maßnahmen auf
Minderheiten, die Verbesserung des Images und der Reputation einer Organisation und ihr potenzieller Beitrag
zum Unternehmenserfolg noch nicht ausreichend bekannt.
• Initiativen zu positiven Maßnahmen sind weitgehend zeitlich beschränkt und werden nicht als langfristige Maßnahmen angesehen. Im Allgemeinen profitieren ethnische Minderheiten und Frauen am meisten von positiven
Maßnahmen, Mitglieder der Gemeinschaft der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender sowie Menschen
mit Behinderungen am wenigsten.
Positive Maßnahmen in der Praxis
• Beispiele für die Umsetzung positiver Maßnahmen in Organisationen bestätigen die Unsicherheit über die Festlegung eines Umfangs von Maßnahmen und zeigen eine Überschneidung mit anderen flankierenden Maßnahmen,
wie das Monitoring von Gleichstellung und Vielfalt sowie die Bewertung der Wirkungen der Maßnahmen.
• Die unter das Schlagwort „positive Maßnahmen“ fallenden Aktivitäten sind erstaunlich breit gefächert. Viele
Länder konzentrieren sich auf spezifische Gruppen, vielleicht zu Lasten anderer Gruppierungen. Dies spiegelt
möglicherweise den besonderen Kontext oder die „Politik“ dieses Landes wider.
• Tatsächlich liegt bei den positiven Maßnahmen der Schwerpunkt eher auf Aus- und Weiterbildung sowie auf der
Verbesserung von Beschäftigungschancen als auf Dienstleistungen.
• Die Einleitung positiver Maßnahmen innerhalb von Organisationen kann einige negative Konsequenzen oder
auch eine Gegenbewegung bewirken, wie z. B. negative Klischees, Stigmatisierung, fehlende Aufsicht, unehrliches Verhalten und Amtsmissbrauch.
7.3 Empfehlungen
7.3.1 Untersuchungen über positive Maßnahmen
• Untersuchungen sollten durchgeführt werden, um die aktuelle Situation der „Benachteiligung“ im Hinblick auf
die verschiedenen Felder, in denen positive Maßnahmen angewendet werden können, wie z. B. Beschäftigung,
Bildung, Wohnverhältnisse, Gesundheitsversorgung etc., bezüglich dieser unterschiedlichen Dimensionen zu
76
7 Schlussfolgerungen und Empfehlungen
erfassen. Dies ist wesentlich und kann die Verwendung von Werkzeugen erforderlich machen, die in einem
Bereich oder einer Dimension der Gleichberechtigung/Diskriminierung geschaffen worden sind, um parallele
Effekte zu untersuchen, die durch eine andere Dimension sozialer Ausgrenzung verursacht wird.
• Diese Untersuchung sollte auf nationaler Ebene durchgeführt werden, da zu erwarten ist, dass die Situation in
Bezug auf unterschiedliche Dimensionen der Gleichstellung in den jeweiligen Mitgliedstaaten variieren kann.
Diese nationalen Studien sollten sodann die Grundlage für weitere politische Evaluierungen, die Neuausrichtung positiver Maßnahmen (in Bezug auf Bereiche und Dimensionen) sowie die Identifizierung von (öffentlichen) Ressourcen für bestimmte Formen positiver Maßnahmen bilden.
• Untersuchungen müssen angestellt werden, um Gerichte bei ihrer Entscheidung zu unterstützen, ob eine
Situation, in der Personen benachteiligt werden, die Anwendung einer bestimmten positiven Maßnahme
rechtfertigt. Diese Untersuchungen sollten die Gerichte auch dabei unterstützen, die relevanten Fragen oder
Probleme zu erkennen, die es zu klären gilt, und könnten zudem zur Beantwortung von grundlegenden
Fragen beitragen (die dann von Fall zu Fall konkretisiert werden könnten), mit denen sich die Gerichte
auseinanderzusetzen haben. Die Untersuchung sollte auf europäischer Ebene erfolgen. Die Beantwortung
der grundlegenden Fragen könnte in der Folge europarechtliche Rahmenbedingungen für die Beurteilung
von „Benachteiligungen“ schaffen sowie zur Umsetzung dieser in nationales Recht beitragen. Es könnte analog zur „Kosten-Nutzen-Analyse“ ein Ansatz auf der Grundlage von Gerechtigkeitsmaßnahmen entwickelt
werden.
• Wenn man bedenkt, dass das Erreichen der Ziele einer Organisation in Bezug auf Gleichstellung und Vielfalt
aufgrund des mangelnden Verständnisses der Gründe für positive Maßnahmen erschwert werden kann (und
die Notwendigkeit besteht, weiterhin überzeugende Argumente für die Auswirkung positiver Maßnahmen
zu liefern und die Auswirkungen zu messen), erweist sich die Untersuchung ökonomischer Vorteile positiver
Maßnahmen als nutzbringend.
• Zur Entwicklung eines kohärenten Modells/einer Theorie zur Erfolgsmessung ist eine umfassende Interventionsstudie erforderlich, die den Typ der umzusetzenden positiven Maßnahme bestimmen würde.
• Darüber hinaus gibt es eine so geringe Evaluierung von bewährten Verfahren bei positiven Maßnahmen, dass
die Erarbeitung eines Modells für die Identifikation, Evaluierung und Weitergabe von Maßnahmen zu bewährten Verfahren Vorteile bringen würde.
• In Anbetracht der zentralen Bedeutung, die dem Monitoring bei der Förderung nachhaltiger positiver Maßnahmen zukommt, müssen Organisationen in den wichtigsten Sektoren aufgeschlüsselte Daten über alle Bereiche der Diskriminierung erfassen. Dies scheint nicht gerade ein radikaler oder innovativer Vorschlag zu sein,
dennoch sind wir angesichts der mangelhaften Umsetzung der Auffassung, dass dieser trotz der Nennung als
letzte Maßnahme in dieser Auflistung von höchster Bedeutung ist und sich für die meisten Organisationen und
Verwaltungsstellen in der Praxis als innovativ herausstellen wird.
7.3.2 Rechtliche und politische Entwicklung
• Um ein gemeinsames Verständnis dafür zu fördern, welche Bedeutung den positiven Maßnahmen innerhalb
der Europäischen Union zukommt, sollte die Europäische Kommission den Dialog mit der organisierten
Zivilgesellschaft und den Sozialpartnern ausbauen.
• Auf einem solchen Dialog basierend sollten Leitprinzipien zur Bedeutung der positiven Maßnahmen auf EUEbene entwickelt werden. Dies könnte in Form eines unverbindlichen Rechtsaktes erarbeitet werden, wie Empfehlungen der Kommission oder eine Ratsresolution. Ein alternativer Mechanismus könnte z. B. eine Gemeinsame Erklärung der Sozialpartner sein.
77
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
• Bei der Einführung und Überarbeitung von Antidiskriminierungsgesetzen in der EU sollte sichergestellt werden,
dass öffentliche oder private Organisationen oder freie Initiativen, die sich an positiven Maßnahmen beteiligen
wollen, auch das Recht haben, dies zu tun.
• Mitgliedstaaten sollten nationale Rechtsvorschriften überprüfen, wenn diese die Chancen für öffentliche oder
private Organisationen oder freie Initiativen beschränken, positive Maßnahmen zu ergreifen.
• Zur Evaluierung des Bedarfs an positiven Maßnahmen und ihrer Wirksamkeit ist eine Datenerhebung erforderlich. Trotz Einhaltung der Datenschutzgesetzgebung sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Organisationen
sich in den Bereichen an Datenerfassungen beteiligen, in dem sie zur Erleichterung und Analyse positiver Maßnahmen dienen.
• Den EU-Institutionen und Mitgliedstaaten wird, soweit erforderlich, die Einführung von Rechtsvorschriften zur
Umsetzung positiver Maßnahmen empfohlen, um eine vollständige Chancengleichheit in der Praxis zu erreichen.
7.3.3 Praxis
Europäische und nationale Ebene
• Schaffung eines Rahmens für das Verständnis positiver Maßnahmen auf europäischer Ebene und Bestimmung
spezifischer Erfolgsindikatoren bei der Umsetzung dieser Maßnahmen. Die Europäische Kommission benötigt
Netzwerke zu bewährten Verfahren für die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Bewältigung von Rechtsunsicherheiten und um parallel eine Übertragung und Anwendung des EU-Ansatzes in Bezug auf positive Maßnahmen sicherzustellen. Die Netzwerke sollten auf nationalen und sektorübergreifenden Ebenen eingerichtet werden,
um einen Austausch von Ideen, Ansätzen und Aktivitäten zu ermöglichen und Organisationen darin zu bestärken,
Absichten in Aktionen umzusetzen. Dies könnte zur Aufgabe bloßer Rhetorik und zur Erreichung tatsächlicher
Ergebnisse beitragen.
• Regierungen sollten die Allgemeinheit mithilfe von „Social Marketing“ über positive Maßnahmen aufklären, um
so scheinbar weitverbreitete Missverständnisse auszuräumen und eine Verknüpfung verschiedener Interessengruppen zu erleichtern, die bereits an solchen Maßnahmen beteiligt sind. Auch breit gefächerte Kampagnen zur
Bewusstseinsbildung – sowohl was den Bedarf an positiven Maßnahmen für benachteiligte Gruppen anbetrifft als
auch hinsichtlich der Vorteile solcher Maßnahmen für breite Gesellschaftsschichten – werden eine höhere Akzeptanz und eine positive Einstellung gegenüber den Maßnahmen fördern.
• Entwicklung klarer Strategien zur Identifikation und Bewältigung der negativen Folgen positiver Maßnahmen
(bzw. deren Missbrauch und Verwendung in betrügerischer Absicht). Die Rolle der Medien und anderer robuster
Kommunikationswege sollte in Betracht gezogen werden. Schaffung von Bildungsforen und -netzwerken zur Förderung von Verständnis und Dialog im Hinblick auf positive Maßnahmen.
• Regierungsstellen auf sämtlichen Ebenen sollten aktiv dazu ermuntert werden, positive Maßnahmen für benachteiligte Gruppen umzusetzen, um so im Hinblick auf die Einstellung gegenüber solchen Maßnahmen mit gutem
Beispiel voranzugehen. Mindeststandards für die Durchführung von positiven Maßnahmen sowie geeignete Wege
zur Kommunikation diesbezüglicher Erfolge und Herausforderungen sollten durch die Europäische Kommission
auf europäischer Ebene festgelegt werden. Der Wichtigkeit dieses Vorhabens könnte noch dadurch Nachdruck
verliehen werden, dass Möglichkeiten der Sanktionierung von Körperschaften, die Gleichbehandlungs- und Menschenrechtsgrundsätze verletzen, sowie zur Durchsetzung dieser Sanktionen erarbeitet werden.
• Bereitstellung angemessener Finanzmittel durch nationale Regierungen oder die Europäische Union zur Förderung komplexer Programme für die effektive Umsetzung und Evaluierung positiver Maßnahmen. Zu diesen
Programmen können dabei auch Programme gehören, die sektorübergreifende Ansätze zur Nichtdiskriminierung
fördern.
78
7 Schlussfolgerungen und Empfehlungen
• Entwicklung von Werkzeugen zur Unterstützung der Organisationen bei der Erfassung von Basisdaten, damit
positive Maßnahmen umgesetzt und aussagekräftige Strategien für die Evaluierung der Wirksamkeit von Maßnahmen erarbeitet werden können. Verabschiedung eines EU- sowie eines nationalen Aktionsplans zur Identifizierung von Systemen, die für ein effizientes und lückenloses Monitoring erforderlich sind. Für diese Zwecke kann
ein Werkzeug zur Folgenabschätzung bereitgestellt werden.
Ebene der Organisationen
• Positive Maßnahmen müssen als Teil eines umfassenderen normativen Wandels durchgängig berücksichtigt und
von Institutionen mit entsprechendem Mentoring und Training begleitet werden. Steigern der internen und externen Akzeptanz von positiven Maßnahmen durch Steigerung des Bewusstseins für die Natur und die Vorteile
positiver Maßnahmen. Ein Bildungs- und Trainingsprogramm sowie Seminare und Veranstaltungen zur Steigerung des Wissens um das Thema und die praktische Umsetzung positiver Maßnahmen sowie deren Nutzen und
deren Rolle innerhalb von „Diversity“-Strategien.
• Förderung positiver Maßnahmen als integraler Bestandteil eines übergreifenden Auftrags des Unternehmens, der
Personalplanung und der Entwicklung von Dienstleistungen, und zwar in enger Zusammenarbeit mit staatlichen
Behörden. Integration positiver Maßnahmen in das Talentmanagement, in Nachfolge- und Einstellungsregelungen
sowie in Verfahren zur Dienstleistungsentwicklung. Dies kann zur Sicherstellung eines koordinierteren Ansatzes
eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit erforderlich machen.
• Schaffung eines kohärenteren und auf Zusammenarbeit zwischen Organisationen basierenden Ansatzes für die
Etablierung positiver Maßnahmen. Die Zusammenarbeit wird dabei nicht nur die Akzeptanz der Programme
steigern, sondern auch die Geschäftsführung von den zu erwartenden Vorteilen überzeugen, nicht zuletzt wenn
es sich bei den anderen Organisationen um Konkurrenzorganisationen handelt. Eine in den USA erfolgreich
eingesetzte Strategie zielt auf die Schaffung eines Wettbewerbs zwischen den Organisationen im Hinblick auf die
Anerkennung auf dem Gebiet der Gleichstellung und Vielfalt (diversity): Durch den Wettbewerb im Hinblick
auf positive Maßnahmen wird eine gesunde Konkurrenzsituation geschaffen. Zur Förderung dieses Wettbewerbs
können zudem Auszeichnungen ins Leben gerufen und öffentlich verliehen werden.
• Einbeziehung von Angehörigen von Minderheiten in die Entwicklung und Evaluierung positiver Maßnahmen.
Einzelpersonen, die von positiven Maßnahmen profitieren konnten, sollten sich an der Ausweitung dieser Programme beteiligen, um so deren Präsenz unter den Förderern positiver Maßnahmen zu erhöhen.
79
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Europäische Kommission
Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
Eine vergleichende Analyse in der Europäischen Union, in Kanada, in den USA und in Südafrika
Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften
2009 — 83 S. — 21 x 29,7 cm
ISBN 978-92-79-11155-6
doi: 10.2767/13522
Diese Studie wurde durchgeführt, um der Europäischen Kommission zu helfen, einen Rahmen zum
besseren Verständnis der Rolle zu entwickeln, die Aktionsprogramme in der Praxis übernehmen können,
wenn es darum geht, Diskriminierungen zu verhindern oder zu beseitigen. Darüber hinaus wurden auf
diese Weise Einblicke in die Natur der praktischen Aktionsprogramme gegeben, die in der EU bereits
durchgeführt werden (und auch in den EFTA-Ländern bzw. den EWR-Ländern), sowie in die eventuellen
Kosten und Vorteile von Aktionsprogrammen. Außerdem war es eine der Aufgaben der Studie, die
rechtlichen Rahmenbedingungen, politischen Maßnahmen und Praktiken für Aktionsprogramme in der
EU mit denen in Kanada, den USA und Südafrika zu vergleichen.
Die Druckausgabe dieser Veröffentlichung ist in Englisch, Französisch und Deutsch erhältlich.
Diese Veröffentlichung wird im Rahmen des Gemeinschaftsprogramms für Beschäftigung und
soziale Solidarität (2007-2013) unterstützt, das von der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und
Chancengleichheit der Europäischen Kommission verwaltet wird.
Dieses Programm wurde eingerichtet, um die Verwirklichung der Ziele der Europäischen Union in den
Bereichen Beschäftigung und Soziales – wie in der Sozialpolitischen Agenda ausgeführt – finanziell zu
unterstützen und somit zum Erreichen der Vorgaben der Strategie von Lissabon in diesen Bereichen
beizutragen.
Das auf sieben Jahre angelegte Programm richtet sich an alle maßgeblichen Akteure in der EU-27,
den EFTA-/EWR-Ländern und den Beitritts- und Kandidatenländern, die einen Beitrag zur Gestaltung
geeigneter und effektiver Rechtsvorschriften und Strategien im Bereich Beschäftigung und Soziales
leisten können.
Mit Progress wird das Ziel verfolgt, den EU-Beitrag zur Unterstützung der Mitgliedstaaten in ihrem
Engagement und ihren Bemühungen um mehr und bessere Arbeitsplätze und größeren Zusammenhalt
in der Gesellschaft auszubauen. Zu diesem Zweck trägt das Programm Progress dazu bei,
·
·
·
·
Analysen und Empfehlungen in den Politikbereichen des Programms Progress bereitzustellen;
die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts und der Strategien der Gemeinschaft in den
Politikbereichen des Programms Progress zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten;
den Austausch von Strategien, das wechselseitige Lernen und die gegenseitige
Unterstützung zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Ziele und Prioritäten der
Union zu fördern und
die Auffassungen der beteiligten Akteure und der Gesellschaft insgesamt zu kanalisieren.
Weitere Informationen finden Sie unter:
http://ec.europa.eu/progress
Wo erhalte ich EU-Veröffentlichungen?
Kostenpflichtige Veröffentlichungen:
•
über den EU Bookshop (http://bookshop.europa.eu);
•
über die Buchhandlung mit Angabe des Titels, des Verlags und/oder der ISBN-Nummer;
•
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Falls Sie an den Veröffentlichungen der Generaldirektion Beschäftigung,
Soziales und Chancengleichheit interessiert sind,
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Internationale Sichtweisen
zu positiven Maßnahmen
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