Wortprotokoll - Abgeordnetenhaus von Berlin

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Wortprotokoll - Abgeordnetenhaus von Berlin
17. Wahlperiode
Plenar- und Ausschussdienst
Öffentliche Sitzung
Wortprotokoll
Ausschuss für Verfassungsund Rechtsangelegenheiten,
Verbraucherschutz, Geschäftsordnung
1. Sitzung
7. Dezember 2011
Beginn:
Ende:
Vorsitz:
11.37 Uhr
14.37 Uhr
zu TOP 1 und TOP 2a Irene Köhne (SPD);
zu TOP 2b, c, d und TOP 3 bis 8 Cornelia Seibeld (CDU)
Punkt 1 der Tagesordnung
Konstituierung des Ausschusses für Verfassungsund Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz,
Geschäftsordnung
Siehe Inhaltsprotokoll.
Punkt 2 der Tagesordnung
Wahl
a) der/des Vorsitzenden
b) der/des stellvertretenden Vorsitzenden
c) der Schriftführerin/des Schriftführers
d) der stellvertretenden Schriftführerin/des
stellvertretenden Schriftführers
Siehe Inhaltsprotokoll.
Redaktion: Carola Reitis, Tel. 2325-1464 bzw. quer 99407-1458
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Punkt 3 der Tagesordnung
Verfahrensregeln
Siehe Inhaltsprotokoll.
Punkt 4 der Tagesordnung
Vorlage – zur Beschlussfassung –
Gesetz zu dem Staatsvertrag zwischen dem
Land Berlin und dem Land Brandenburg
über die Errichtung und den Betrieb der
Justizvollzugsanstalt Heidering
Siehe Inhaltsprotokoll.
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Wir kommen nun zu
Punkt 5 der Tagesordnung (neu)
Besprechung gemäß § 21 Abs. 3 GO Abghs
Senator Braun und der Vertrieb von
Schrottimmobilien, zum Schaden
Berliner Verbraucherinnen und Verbraucher
(auf Antrag der Fraktion der GRÜNEN)
Zu diesem Vorgang liegt dem Ausschuss ein Schreiben der Notarkammer Berlin vom 2. Dezember 2011 an Herrn Senator Braun vor, das der Senator dem Ausschuss übermittelt hat.
Des weiteren liegt Ihnen ein Schreiben des Rechtsanwalts Dr. Grams vor, das ebenfalls an den
Ausschuss gerichtet war. – Wir kommen nun zur Begründung des Tagesordnungspunkts
durch die Fraktion der Grünen. – Bitte, Herr Dr. Behrendt!
Dirk Behrendt (GRÜNE): Danke, Frau Vorsitzende! – Die Zeitungen sind in den letzten
Tagen voll mit diesem Themenkomplex, weshalb ich mich kurz fassen kann. – Zur Einführung, worum es eigentlich geht und worin unser Interesse und Aufklärungsinteresse liegt:
Herr Maroldt, der Chefredakteur des „Tagesspiegel“, schreibt heute unter der Überschrift
„Schwarzer Sumpf“: „Der neue Berliner Justizsenator ist für das Amt ungeeignet.“ – Genau in
diese Richtung gehen unsere Fragen. Ich bin noch nicht so weit, das so zu sehen, sondern ich
möchte erst einmal hier die Aufklärung voranbringen und die verschiedenen Aspekte, die in
der Öffentlichkeit zum Thema „Vertrieb von Schrottimmobilien und Mitwirkung von Senator
Braun“ aufgetaucht sind, diskutieren und ein bisschen aufhellen.
Kurz zum Vertrieb von Schrottimmobilien: Das ist ein Umstand, der ungefähr seit Mitte der
1990er Jahre im gesamten Bundesgebiet und auch sehr stark in Berlin eine Rolle spielt, dass
halbseidene, unseriöse Bauträger Immobilien aufkaufen, aufteilen und zu deutlich überhöhten
Preisen weiterveräußern und zwar an Käuferinnen und Käufer, die sie mit zwielichtigen Me- rei/sth -
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thoden von Meinungsumfragen, die vorgetäuscht werden, bis hin zur Weitergabe von Daten
durch Makler, an diese Unternehmen veräußern. Das funktioniert dann im Wege der Überrumplung. Man spielt den Leuten vor, dass es ein Schnäppchen wäre, dass man relativ viel
Steuern sparen kann und die Sache sich von allein trägt. In diesem Überrumpelungseffekt
kommen die Leute in der Regel erst dann, wenn sie den Vertrag unterschrieben, zur Besinnung, was sie da eigentlich getan haben.
Wichtig an diesem ganzen Vorgehen ist: Wie Sie alle wissen, hat der Gesetzgeber die notarielle Beurkundung für Geschäfte vorgesehen – nicht nur für Grundstücksgeschäfte, sondern
auch für Wohnungseigentum. Wichtig ist, dass man in diesen Überrumpelungseffekt auch den
Notartermin mit einbezieht, sodass man da keinen langen zeitlichen Zwischenraum hat, sondern wenn man die Leute so weit hat, dass sie bereit sind zu unterschreiben, zügig zu einem
Notar geht und das unterschreiben lässt. – Ob nun als Angebot oder Vertrag sei dahingestellt;
da gibt es beide Methoden. – Es soll in Berlin – wie man hört – ungefähr zehn Notare geben,
die sich an diesem Geschäft beteiligen. Und da lautet der öffentliche Vorwurf, dass das auch
die Notariatskanzlei Lehmann-Brauns und Braun gemacht haben soll. Wir möchten wissen,
ob da etwas dran ist.
Kurz zu den Unternehmen, die sich damit beschäftigen: In der Presse ist viel die GRÜEZI
genannt worden, die diejenige ist, die das aufgekauft und aufgeteilt haben und dann über ihre
sogenannten Strukturvertriebe Swisskontor, KK Royal und andere den Vertrieb organisiert
haben. Bei der GRÜEZI fällt zumindest auf, dass sie eine Zeit lang im gleichen Gebäude wie
das Notariatsbüro Lehmann-Brauns und Braun gesessen hat, nämlich am Kurfürstendamm 37,
sodass sich die Frage aufdrängt, ob man sich da vielleicht mal auf dem Flur begegnet ist und
kannte.
Die andere Person, die von Interesse, ist Herr Kai Klug von KK Royal Immobilien. Der sitzt
seit Sommer in Haft. Er ist schon einmal verhaftet worden, im Jahr 2009, und sitzt jetzt wieder in Haft. Auch da wäre von Interesse, ob für die KK Royal Beurkundungen vorgenommen
wurden und ob man sich kennt. Ähnlich ins Gerede gekommen ist Herr Thomas Klinge, zwischenzeitlich TK Immobilien. Die sollen wieder insolvent sein. Er kam mal, nachdem er in
Westdeutschland am Ende war, nach Berlin, fing als Straßenmusiker an und kam dann relativ
schnell wieder in dieses Immobiliengeschäft rein. Auch da wäre von Interesse, ob es hier eine
Nähe gibt. Auf die Nähe deutet hin, dass – zumindest in der Kanzleibroschüre des Kollegen
Lehmann-Brauns – die Swisskontor, die eine der Strukturvertriebsunternehmen von GRÜEZI
ist, als Kooperationspartner genannt wird, und auf die Nähe deuten auch Schilderungen von
Betroffenen hin, die Opfer dieser Machenschaften wurden und Verträge bei Ihnen, im Büro,
Herr Braun, unterschrieben haben. Die Betroffen haben mir zumindest geschildert, dass es
gerade vonseiten des Strukturvertriebs ein Interesse daran gab, das bei Ihnen zu machen. Auf
dem Weg dorthin soll dann noch gesagt worden sein – ich formuliere konjunktivisch, ich war
nicht dabei: Wir fahren jetzt zum Herrn Braun. Der ist bei der CDU, der ist im Abgeordnetenhaus. Das ist ein ganz seriöser Mann, da können Sie sich darauf verlassen. Das hat alles seine
Richtigkeit, und mit dem arbeiten wir schon seit längerem zusammen. – Das sollen die Mitarbeiter dieser Strukturvertriebe geäußert haben. – Soviel zur Einführung.
Die interessierenden Fragen sind: In welchem Umfang – – Da werden ganz unterschiedliche
Zahlen in der Öffentlichkeit genannt: Zwischen zehn Verträgen, bis zu 200 Verträgen für die
Gruppe um die GRÜEZI und deren Strukturvertriebe, also Swisskontor, KK Royal und West- rei/sth -
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Konzept, die immer mal wechselten. Es gehört dazu, dass man sich wieder auflöst, wenn man
hier so vielen Regressansprüchen ausgesetzt ist, sodass man sie nicht mehr erfüllen kann.
Dann wird ein Unternehmen aufgegeben und das nächste genommen. Also, wie viele Beurkundungen wurden ungefähr für diese Gruppe vorgenommen?
Dann gibt es eine offizielle oder halboffizielle Warnung der Zeitschrift „Finanztest“, im Juni
2010. Da haben die gesagt: Leute, wenn ihr bei GRÜEZI oder Swisskontor gekauft habt, dann
guckt Euch das mal an, das ist unseriös. Da würde mich – a) – interessieren: War diese Warnung eigentlich in Ihrem Büro bekannt? Wurden danach noch für diese Gruppe, also die
GRÜEZI und die Swisskontor, Beurkundungen vorgenommen?
Dann zur Frage der Überrumplung: Dazu gehört auch, dass man gern auch nachts oder in den
Abendstunden und am Wochenende beurkundet hat. Dazu würde mich interessieren, wie oft
das in Ihrem Büro vorgekommen ist, was da die Regel und was die Ausnahme war. Einige
Verträge – das ist auch bekannt, darum gibt es dieses Kostenverfahren beim Landgericht –
sind dann geplatzt. Da ist es den Opfern, den Käufern gelungen, sich davon wieder zu lösen.
Mich würde interessieren, wie viele – nach Ihrem Kenntnisstand – dieser Verträge, die Sie
beurkundet haben, nicht realisiert wurden, denn das gibt immer auch einen Hinweis darauf,
dass da irgendetwas nicht ganz in Ordnung gewesen sein kann. Es gab hier die eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Wir wissen als Juristen, dass das sehr selten durchgeht,
und bei Grundstücksverträgen noch viel seltener. Das ist Ihnen bekannt, das ist Ihnen auch
von der Mandantschaft mitgeteilt worden, und darum streiten Sie sich jetzt vor dem Landgericht um die Kosten. Also, wie viele Verträge sind geplatzt?
Was mich auch interessiert und was mit dieser Überrumplung zu tun hat: Wie ist das mit der
14-Tagesfrist gewesen? § 17 Beurkundungsgesetz schreibt vor, dass sich der Notar zu vergewissern hat, dass diejenigen, die das unterschreiben, 14 Tage vorher die Unterlagen hatten.
Wie ist die Einhaltung dieser Frist in Ihrer Beurkundungspraxis gewährleistet worden? Stand
das nur im Text, den Sie, nach den Schilderungen der Betroffenen, mit sonorer Stimme vorgetragen haben, zum Teil sehr schnell, wo die Betroffenen vorgetragen haben, dass sie eigentlich nicht richtig verstanden haben, worum es ging? Sind die 14 Tage nur textlich eingefasst
gewesen, oder sind die Betroffenen gesondert gefragt worden, ob sie das wirklich 14 Tage
hatten, woher sie es hatten, wer es ihnen gegeben hat und ob sie sich eigentlich dessen bewusst sind, was sie da tun? Denn die Warnfunktion dieser notariellen Beurkundung hat der
Gesetzgeber extra vorgesehen, weil die Leute wissen sollen, dass das jetzt ein ernstes Geschäft ist, das hier abgeschlossen wird und es um etwas geht. Um die Leute zu schützen, ist
die notarielle Beurkundungspflicht eingeführt worden. Wenn man das mit solchen Geschäftspraktiken zu verschleiern versucht, dass es hier überhaupt um ein notarielles Geschäft geht,
dann ist das ausgesprochen schwierig. – Das waren die Fragen, die unsere Fraktion interessieren. – Danke!
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Behrendt! – Ich darf die Presse noch einmal bitten, nicht die Unterlagen der Abgeordneten zu filmen, nicht in die Taschen
und auch nicht unter den Tischen zu filmen, sondern sich auf das Filmen der Sitzung zu beschränken. – Ich habe jetzt den Kollegen Dr. Lederer auf der Redeliste. – Bitte sehr!
Dr. Klaus Lederer (LINKE): Meine Damen und Herren! Herr Braun! Herr Behrendt hat es
kurz gemacht. Ich kann nicht versprechen, dass es bei mir genauso kurz wird wie bei ihm. –
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Eingangs möchte ich erst einmal für diesen Tagesordnungspunkt ein Wortprotokoll beantragen, damit wir das, worüber wir heute diskutieren, vielleicht im Anschluss nachlesen und darüber nachdenken können.
Ich habe dem Ausschuss ein vierseitiges Schreiben mit drei Fragekomplexen zukommen lassen. Ich entschuldige mich, dass das vorhin als Tischvorlage passiert ist, aber es gibt auch
noch andere Dinge zu tun, und es dauert eine Weile, bis man da durchgestiegen ist. Das sind
round about 20 Fragen – eine Spur detaillierter. Zum einen, damit man sie ins Protokoll nehmen kann, und zum anderen, damit Ihnen, Herr Senator, möglicherweise auch eine strukturierte Beantwortung erleichtert wird.
Ich sehe bei dem Ganzen – so viel vorab – zwei Dimensionen: Die eine ist die, über die jetzt
öffentlich viel spekuliert worden ist, nämlich ob sich ein Notar pflichtwidrig verhält, wenn er
bestimmte Dinge tut oder bestimmte Dinge nicht tut. Da haben wir ein Schreiben der Notarkammer, die flugs reagiert und gesagt hat: Wir haben hier keine Beanstandungen. Wir haben
in der Zeitung gelesen, dass Herr Pickel sagte, Beschwerden liegen uns nicht vor. Die
Rechtsaufsicht über die Notarkammer haben Sie selbst. Sie sagen, Sie haben sich immer korrekt verhalten. – Na gut! Ich will das gar nicht beurteilen. Das mag so sein, aber nicht alles,
was de jure unbeanstandet sein mag, ist auch legitim – finde ich.
Damit kommen wir zum Aspekt des Verbraucherschutzes. Sie sind auch Senator für Verbraucherschutz. Wenn man sich auf den Standpunkt stellt, zu sagen, wo alles korrekt ist, da ist das
Meine getan, denn das sind alles erwachsene Menschen, und die müssen wissen, was sie machen, dann kann man sich bei diesem Herangehen natürlich die Frage stellen: Wozu braucht
es dann einen Verbraucherschutz? Wir sind doch alle erwachsen und wissen, was wir tun.
Ein Senator, dessen Senatsverwaltung sowohl die Aufsicht über die Notarkammer hat als
wahrscheinlich auch über die Zuwendungen für Verbraucherverbände entscheidet, dann ist,
wenn über den so berichtet wird wie in den letzten über Sie, nicht auszuschließen, dass da
Zweifel an der persönlichen Eignung bleiben. Aus meiner Sicht liegt das auf der Hand. Deswegen habe ich drei Fragenkomplexe. – Erstens: Mich interessiert, ob Sie bestimmte zweifelhafte Immobiliengeschäftsmodelle kennen, die ungefähr wie folgt ablaufen. Eine Firma kauft
Immobilien auf, die sie dann über eine Vertriebsgesellschaft am Markt anbietet. Die Kundenakquise erfolgt – wie es so schön heißt – über die Tatwaffe Telefon. Die Leute werden angerufen, und man erzählt ihnen das Blaue vom Himmel. Man sagt ihnen, komme ganz schnell
vorbei, die Zeit rennt, Steuerersparnis, sie sind ausgewählt oder sonst etwas. Dann werden die
Leute mit dem Auto irgendwie vorgefahren, es wird ihnen in Aussicht gestellt, dass sie Steuern sparen und Mieteinnahmen haben werden, was die Gegenfinanzierung locker decken
wird. Die Kreditfinanzierung erfolgt über Banken, zum Teil über Onlinebanken, und das Abwicklungsgeschäft erfolgt natürlich über Notarinnen und Notare. Die werden gebraucht, denn
ansonsten kann es solche Geschäfte nicht geben – bindende Beurkundung, klar! – Abweichend vom Normalfall wird aber nicht der Kaufvertrag beurkundet, sondern das Kaufangebot,
also eine einseitige Bindung herbeigeführt. In der Regel steht dann in den Verträgen: Gekauft
wie zwar nicht gesehen, aber beschrieben. Gewährleistungsansprüche existieren nicht. Später,
wenn die Leute ein paar Tage darüber nachgedacht oder vielleicht ihre ersten Geschäftserfahrungen gemacht haben, stellt sich heraus: Die Mieteinnahmen liegen deutlich unter dem angegebenen Wert. Die Kreditkosten sind höher als in Aussicht gestellt. Die Steuerersparnisse
liegen deutlich nicht in dem Bereich, wie in Aussicht gestellt wurde, aber das alles steht nicht
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im Vertrag, und der Marktwert der Immobilie liegt in der Regel deutlich unter dem, was angegeben worden ist. Ergebnis: Die Käufer bleiben auf ihrer Immobilie sitzen, sind möglicherweise existenziell gefährdet, zahlen sich dumm und dusslig, bis an ihr Lebensende – in
der Regel sind das einfache Leute –, und diejenigen, die das Geschäft als Verkäufer abgewickelt haben, streichen die Kohle ein. Kennen Sie solche Modelle? Kennen Sie diese Branchengepflogenheiten? Ist Ihnen das vertraut? Kennen Sie auch die spezifischen branchentypischen Gepflogenheiten – Herr Kollege Behrendt hat eine genannt, die untypische einseitige
Bindungswirkung des beurkundeten Kaufangebots: Keine Vorabübersendung der Vertragsentwürfe vorher, sondern im Grunde kurz im Anschluss, durchaus auch unter Zeitdruck:
Wenn Sie jetzt nicht unterschreiben, dann entgeht Ihnen eine Riesenchance!, – und der klassische Gewährleistungsausschluss, der in solchen Verträgen vereinbart wird? Ist Ihnen so etwas
bekannt?
Ist Ihnen darüber hinaus bekannt, dass es Geschäfte gibt – Herr Kollege Behrendt hat darauf
hingewiesen –, die wegen Anfechtung durch Gerichtsurteil rückabgewickelt worden sind,
beispielsweise durch das Landgericht Berlin, aus dem Jahr 2009 – 5O 527/08 –, und das vor
dem Hintergrund der – wie wir alle wissen als Juristinnen und Juristen – schwierigen Beweislage im Zivilprozess? – Respekt, wenn man es dann noch hinbekommt, die rückabzuwickeln. – Wie viele man möglicherweise nicht rückabwickeln kann, weil man im Rahmen der
schwierigen Beweislastverteilung überhaupt nicht in der Lage ist, klarzumachen, warum man
hier gelinkt worden ist, das will ich jetzt hier überhaupt nicht spekulieren. – Würden Sie darüber hinaus prinzipiell mit der Aussage übereinstimmen, dass, wer von solchen Geschäften
betroffen ist, sich über den Tisch gezogen fühlt und die ganze Sache irgendwie möglicherweise als skandalös ungerecht betrachtet? – Das ist der erste Fragenkomplex.
Der zweite Fragenkomplex bezieht sich auf Ihre Kenntnis der Branchenlage. Sie sind als Notar durchaus hin und wieder mit Immobiliengeschäften konfrontiert. Das passiert Notaren so,
und man unterstellt natürlich – auch mit der besonderen Bedeutung des Amts –, dass sich Notarinnen und Notare ein bisschen besser auskennen als vielleicht Otto Jederfrau oder Otto Jedermann. Vor diesem Hintergrund – Stiftung Warentest, „Finanztest“ Juni 2010, Kollege
Behrendt hat darauf hingewiesen –: Es gibt Warnungen, es gibt schwarze Schafe, und die sind
auch bekannt. Man wird von Notarinnen und Notaren, die ihre Berufung ernst nehmen, erwarten können, dass sie wissen, dass es ein bisschen im Hinterkopf klingelt, wenn bestimmte
branchentypische Namen auftauchen, wie beispielsweise GRÜEZI – ist genannt –, Swisskontor, GRÜEZI Real-Estate, PROCORRECTA, KK Royal Basement, wo der Chef jetzt, glaube
ich, in U-Haft sitzt, Steuerluke, Steuerfüchse, Steuererlass, Steuerschotten, ibc Management
GmbH, Sender sehen (phon.), TK City Properties GmbH, VITO City Properties GmbH usw.
Frage: Ist Ihnen vertraut, dass hier Firmen von Beobachterinnen und Beobachtern des Markts
als Firmen bezeichnet worden sind, die auf Geschäftsmodelle wie unter eins genannt zurückgreifen? Stimmt es ferner, dass Firmen dieser Art in Ihrer Kanzlei – durch Ihren Sozius oder
Sie selbst – für notarielle Beurkundungsgeschäfte auch außerhalb der normalen Geschäftszeiten in Anspruch genommen worden sind? Würden Sie darüber hinaus zustimmen, dass, wenn
Sozi bestimmte Geschäfte abschließen, dass Sie das irgendwie auch gegen sich gelten lassen
müssen, weil man natürlicherweise davon ausgeht, dass innerhalb einer Kanzlei der eine
weiß, was der andere tut und man auch darüber redet und irgendwie mitbekommt, was wer da
drüben macht? Wenn auf einem Briefkopf Notar A und Notar B steht, dann geht man natürlich davon aus, dass das eine Firma ist, die weiß, was sie treibt. Mich interessiert auch die
Frage ist, ob die Presseberichte zutreffen, dass auch Sie derartige Geschäfte in Ihrer Notari- rei/sth -
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atspraxis beurkundet haben. Letztlich interessiert mich auch, ob es stimmt, dass Sie oder ein
Dritter einen Rechtsstreit zur Eintreibung von Notariatsgebühren in Höhe von um die
600 Euro, die über ein rückabgewickeltes Geschäft noch ausstanden, losgetreten haben?
Dann kommt der letzte Punkt, der in der Tat noch einmal notarrechtlich relevant ist, weil sich
die Notarinnen und Notare offensichtlich untereinander darüber streiten. Die Notarkammer
sagt: Es kann schon mal passieren, dass man eine Nacht sitzt und beurkundet. Ein Kollege aus
dem Vorstand der Notarkammer sagt: Das klingt eher nicht so gut, was da passiert, denn
wenn solche Geschäfte in dieser Weise durchgeführt werden, dann erwartet man natürlich von
einem Notar, dass er ein bisschen genauer hinguckt. Sie haben eingangs gesagt: Sie verstehen
die Justiz als Dienstleister, die sich um die Anliegen aller kümmert. In dem Augenblick muss
man natürlich eine Güteabwägung treffen: Wer ist jetzt eigentlich der Schwächere, der da am
Tisch sitzt? Ich würde prinzipiell davon ausgehen, dass man unter solchen Bedingungen tatsächlich verpflichtet ist, ein bisschen intensiver aufzuklären als den Vertrag vorzulesen. Mich
würde interessieren: Wie haben Sie das gehandhabt? Ist es beispielsweise mal passiert, dass
Sie gesagt haben, echt schwierige Sache, ich will Sie zumindest über die juristischen Risiken
aufklären, denn das gehört zu den Notariatspflichten dazu, und dann sind Leute aufgestanden
und haben gesagt, na, dann mache ich es doch lieber nicht? Ich meine, natürlich geht man
davon aus, dass bestimmte Firmen sich bestimmter Notariate immer dann bedienen, wenn
dort auch das passiert, was sie sich vorstellen, denn sie sind ja Mandanten. Und wenn das ein
paar Mal nicht passiert, dann gucken sie vielleicht, ob sie irgendwo einen anderen Notar oder
eine andere Notarin finden. Insofern ist der Eindruck, der immer erweckt wird, Notare wüssten nichts und hätten mit alledem gar nichts zu tun, vor dem Hintergrund dieses ganzen Branchenwust, über das ich eben berichtet habe und das offenbar nicht nur mir vertraut ist, sondern auch anderen in der Stadt und spätestens seit den letzten Tagen wahrscheinlich der Hälfte Berlinerinnen und Berliner, dass man unter solchen Bedingungen nicht davon ausgehen
kann, dass das alles völlig unabhängig voneinander läuft, ohne dass irgendwer vom anderen
weiß.
Ich frage Sie unter dem Strich, ob Sie sich als Senator für Justiz und Verbraucherschutz vorstellen können, dass solche Firmen nicht primär Notarinnen und Notare für die Bekundung
auswählen, die sich besonders viel Mühe damit geben, die Kundinnen und Kunden über das
letzte Risiko in solchen Fragen aufzuklären. – Vielen Dank!
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank, Herr Dr. Lederer! – Dann hat der Senator das
Wort zur Beantwortung.
Senator Michael Braun (SenJustVer): Meine Damen und Herren! Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Grünen-Fraktion diesen Punkt auf die Tagesordnung der Sitzung des Rechtsausschusses gesetzt hat. In den zurückliegenden Tagen habe ich bewusst und mit Blick auf diese
Sitzung keine Erklärung zu den gegen mich erhobenen Anwürfen abgegeben. Denn ich halte
es aus Respekt vor dem Parlament für zwingend geboten, dass ich meine Informationen zuerst
Ihnen als Mitglieder des Rechtsausschusses zur Verfügung stelle.
Vorab bitte ich um Verständnis, dass ich mich zu den in der Presse genannten Einzelfällen
nicht äußere, da ich an die notarielle Schweigepflicht, die für jeden Einzelfall gilt – auch heute noch –, gebunden bin.
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Erlauben Sie mir, zunächst die Aufgaben eines Notars zu erläutern. Die Aufgabe eines Notars
ist es, die Parteien als unparteiischer Betreuer über die rechtlichen Risiken des Rechtsgeschäfts aufzuklären. Den Presseartikeln kann ich nicht entnehmen, dass mir irgendjemand
vorhält, ich hätte Verbraucher rechtlich nicht ordnungsgemäß aufgeklärt. Der Notar ist kein
wirtschaftlicher Berater – für wen auch immer. Im Gegenteil! Der Notar würde gegen die ihm
obliegende Neutralitätspflicht verstoßen, wenn er beispielsweise einer Partei sagen würde,
dass sich das Geschäft seines Erachtens nicht lohne.
Ein Notar ist grundsätzlich verpflichtet, zu beurkunden, wenn er dazu beauftragt wird. Anders
nur, wenn von dem Notar die Mitwirkung an Handlungen verlangt würde, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden. Nur dann ist er verpflichtet, die Beurkundung abzulehnen. Was heißt das konkret? Das heißt konkret: Der Notar muss positive
Kenntnis – nicht Gerüchte – von solchen Umständen haben. Der Notar muss also positiv wissen, wie beispielsweise der bauliche Zustand eines Objekt ist oder wie hoch die zu erzielenden Mieteinnahmen sind.
Zu den konkreten Vorwürfen, ich hätte bei meinen notariellen Amtshandlungen bewusst und
rechtswidrig Verbraucherinteressen missachtet: Ich weise das auch an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich zurück. In einer geringen Anzahl – weniger als zehn Prozent der in meinem
Notariat bearbeiteten Vorgänge, ungefähr drei bis vier im Monat – habe ich Kaufvertragsangebote für Eigentumswohnungen beurkundet. Ich habe keine Annahmeerklärungen beurkundet. Deshalb weiß ich auch nicht, was aus den Kaufvertragsangeboten geworden ist, ob die
angenommen worden sind, ob sie überhaupt angenommen wurden oder ob sie zu einem späteren Zeitpunkt – durch eine gerichtliche Entscheidung oder wie auch immer – aufgehoben
wurden.
Die folgenden Aspekte sind dabei von besonderer Bedeutung: Die von mir beurkundeten
Kaufvertragsangebote beachten sämtliche verbraucherrechtlichen Vorschriften, insbesondere
die Frage, wann der Verbraucher erstmals Kenntnis von dem Vertragstext erhalten hat.
Manchmal waren 14 Tage vergangen, manchmal aber deutlich mehr. Ich habe immer nach
den konkreten Daten gefragt, also nach dem Tag, an dem der Vertragstext dem Käufer ausgehändigt wurde. In vielen Fällen habe ich sogar sogenannte Eselsbrücken bemüht und den
Käufer zum Beispiel nach Geburtstagen oder anderen Daten gefragt, aufgrund derer man sich
möglicherweise diesen Termin hätte merken können. Im Regelfall konnten sich die Verbraucher dann auch an den genauen Tag erinnern, an dem sie die Urkunde erhielten. Oft und zwar
in sehr vielen Fällen gaben die Verbraucher an, die Urkunden länger als 14 Tage gehabt zu
haben. In einem in der Öffentlichkeit erwähnten Fall waren es 19 Tage. Ich erinnere mich
auch an einen Fall, da hatte der Verbraucher den Text drei oder vier Monate zuvor erhalten.
Es gab auch Einzelfälle, da haben mir die Verbraucher gesagt, dass sie ihn erst ein oder drei
Tage hatten. In diesem Fall hatte ich ihnen geraten, sich das alles noch einmal genau zu überlegen, sich den Text genau durchzulesen, zu beraten und habe sie weggeschickt. Mir ist nicht
ein Fall bekannt, wo ich in einem solchen Fall beurkundet hätte.
Gerade in den letzten Tagen habe ich immer wieder lesen müssen, dass die Verbraucher mir
das wahre Datum nicht angegeben hätten, wann sie den Entwurf erhalten hatten. Ich frage
mich: warum? Ein Notar – so auch ich – kann seinen Schutzpflichten nur dann nachkommen,
wenn sich der Verbraucher nicht durch wahrheitswidrige Angaben seines Schutzes selbst begibt. Diese Darstellung in der Presse belegt im Übrigen auch gerade, dass kein bewusstes Zu- rei/sth -
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sammenwirken zwischen mir und den Verkäufern unterstellt werden kann, denn anderenfalls
hätten die Vertriebsbeauftragten nicht ihren Käufern sagen müssen, dass sie mir gegenüber
den wahren Zeitpunkt, den wirklichen Zeitpunkt, das wirkliche Datum der Übergabe des
Kaufvertragstextes zu verschweigen haben.
Ich habe jeden Käufer einer Eigentumswohnung befragt, ob er die zu kaufende Wohnung
vorher besichtigt hat. Auch wenn das in diesem Kreis vielleicht unverständlich klingt: Einige
Käufer haben dieses verneint. In diesen Fällen war ich sehr verwundert und habe manchmal
auch noch die flapsige Bemerkung gemacht, ich würde das so nicht tun. Ich habe jedenfalls
im Interesse des Verbrauchers diesen Sachverhalt stets in der Urkunde vermerkt.
Ich habe noch nie in meinem Leben mitternachts beurkundet. Ich habe aber außerhalb der
Geschäftszeiten, das heißt, in den späten Abendstunden oder an den Wochenenden, beurkundet.
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Selbstverständlich habe ich mich auch da vergewissert, ob eine solche Beurkundung außerhalb der Geschäftszeiten im Interesse des Verbrauchers lag. Die Gründe waren vielfältig. Mal
wurde das mit beruflichen Arbeitszeiten, mal mit Kinderbetreuung, mal anders begründet. Der
Gesetzgeber lässt eine solche Beurkundung ausdrücklich zu. Der Notar kann dafür sogar eine
geringe Gebühr verlangen.
Ich bin seit fast 16 Jahren Notar in Berlin. Ich weise darauf hin, dass jedenfalls bis zu meiner
Vereidigung als Justiz- und Verbraucherschutzsenator am vergangenen Donnerstag nicht eine
einzige Beschwerde bei der Dienstaufsicht der Notare beim Präsidenten des Landgerichts,
Dr. Pickel, eingegangen war. Herr Dr. Pickel hat das – das werden Sie aus der gestrigen dpaMeldung wissen – veröffentlicht. Er hat im Übrigen darüber hinaus erklärt, dass kein Notar
die Verantwortung dafür übernehmen könne, dass bei einem Immobiliengeschäft der Kaufpreis angemessen sei. Die wirtschaftliche Verantwortung tragen die Vertragsparteien. Mit
dem Aushandeln des Vertrages hat der Notar nichts zu tun.
Noch am zurückliegenden Freitag hatte ich mich an die Notarkammer als der bisher für mich
zuständigen Standesaufsicht gewandt und sie gebeten, mit der ihr gegebenen Autorität und
Unabhängigkeit die gegen mich erhobenen Anwürfe zu überprüfen und zu bewerten. Die Präsidentin der Notarkammer Berlin, Frau Holthausen-Dux – ich zitiere aus dem Ihnen vorliegenden Schreiben –, hat dazu erklärt, dass es dazu keine Veranlassung gäbe anzunehmen, ich
sei meinen Pflichten im Rahmen der notariellen Tätigkeit nicht nachgekommen. Soweit in der
Presse der Verdacht verbreitet wurde, die Notarkammer habe in einer Art vorauseilendem
Gehorsam eine Gefälligkeitsaussage getroffen, wird dieser Verdacht dem tatsächlichen Inhalt
der Äußerung der Notarkammer nicht gerecht. Die Notarkammer hat sich lediglich zu abstrakten Rechtsfragen auf der Grundlage der in der Presse gegen mich erhobenen Vorwürfe zu der
Rechtslage geäußert und in tatsächlicher Hinsicht mitgeteilt, dass gegen mich keine Beschwerden vorliegen. Wohlgemerkt: In der Zeit vor meiner Berufung zum Senator hat sich
keiner der Beteiligten je in den 16 Jahren meiner Berufstätigkeit zu einer Beschwerde gegen
meine Notariatstätigkeit bei der Kammer bemüßigt gesehen.
Ich habe gelesen, dass in diesem Zusammenhang diverse Verfahren beim Landgericht Berlin
auf Rückabwicklung anhängig sein sollen oder gewesen sein sollen. Ich war und bin an einem
solchen Verfahren nie beteiligt gewesen, weder als Beklagter noch als Streitverkündeter noch
als Zeuge. Mir ist auch nie ein Urteil zugeschickt worden, in dem rechtskräftig festgestellt
wurde, dass im Vorfeld der Beurkundung Zusagen von mir bekannten Vertriebsbeauftragten
gemacht wurden, die sich als falsch erwiesen. Nach alledem wundere ich mich allerdings
schon, dass mir einige Anwälte in der Öffentlichkeit ein Fehlverhalten vorhalten, das zum
Teil Jahre zurückliegen soll, ohne jedoch je zuvor gegen mich gerichtlich, standes- oder
dienstrechtlich vorgegangen zu sein.
Nochmals: Der Präsident des Landgerichts, die Präsidentin der Notarkammer Berlin und im
Übrigen über die Jahre tausende offensichtlich zufriedene Mandanten bestätigen, dass ich
meine Tätigkeit als Notar einwandfrei ausgeübt habe. Im Wissen um die besondere Bedeutung habe ich der mir insbesondere gegenüber Verbrauchern vorgegebenen Aufklärungs- und
Bewährungspflicht stets höchste Bedeutung beigemessen. – Diese von mir soeben verlesene
Erklärung habe ich kopieren lassen, und wenn der eine oder andere Pressevertreter an ihr Interesse hat, kann er sie sich von seinen Mitarbeitern geben lassen. Selbstverständlich gilt auch
Gleiches für die Kollegen Abgeordneten hier im Ausschuss. – Vielen Dank!
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Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank, Herr Senator Braun! – Dann hatte sich der Kollege Kohlmeier zu Wort gemeldet.
Sven Kohlmeier (SPD): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Zunächst erst einmal Gratulation zur
einstimmigen Wahl als Vorsitzende. – Ich bedanke mich beim Senator Braun für die Darstellung oder Stellungnahme, die er zunächst abgegeben hat, wobei höchstwahrscheinlich einige
Fragen noch offen geblieben sind. Doch glaube ich, dass wir mit dieser Stellungnahme zunächst erst einmal auf einer sachlichen Ebene wieder zurückkommen in der Diskussion. Das
Thema: Michael Braun und der Vertrieb von Schrottimmobilien. Wir haben uns in den letzten
zwei, drei Tagen – ich zumindest für meinen Teil kann das sagen – ein Stück weit zu Notarrechtsexperten entwickelt und haben uns relativ schnell in die Bundesnotarordnung eingelesen
und an die Anforderungen, die sich insbesondere aus § 14 und § 17 ergeben. Ich möchte den
Vorgang in zwei Ebenen unterteilen, und zwar zum einen in eine juristische Ebene. Alle die,
die es bisher nicht wissen, ich selbst bin neben dieser Abgeordnetentätigkeit ebenfalls als
Rechtsanwalt tätig. Und das Schöne und manchmal auch das Schlimme an Rechtsanwälten
ist: Unsere Bewertung beruht meistens ausschließlich auf Tatsachen. Wir greifen relativ selten
auf Spekulationen, auf das, was man mal gehört oder was ein Dritter gehört hat, zurück, sondern auf das, was wir auf Tatsachen beruhen können. Tatsachen sind dann das, was beweisbar
wahr oder unwahr ist. Ich nehme zur Kenntnis, dass es in der Presse zwei Vorwürfe oder zwei
mir bekannte Geschäfte gibt, und zwar einmal vom 14. Juli 2010 und einmal ein Geschäft von
einer Frau Silke Brinkert. Ich kenne beide Geschäfte nicht. Ich kenne beide Personen nicht,
und ich habe bisher eine Darstellung aus der Presse entnehmen können, wo zumindest behauptet wird, dass dort nicht alles ordnungsgemäß abgelaufen wäre.
Senator Braun hat darauf hingewiesen, dass er aufgrund der ihm obliegenden notariellen
Schweigepflicht dazu erst einmal keine Auskunft geben kann. Meine Frage, die ich im Anschluss oder gleich jetzt stellen möchte, ist, ob Ihnen von einzelnen Betroffenen, möchte ich
erst einmal in Anführungsstrichen nennen, die Aufhebung der Schweigepflicht angetragen
wurde, sodass Sie möglicherweise zu dem einen oder anderen Geschäft hier nähere Auskunft
geben können und man hier vielleicht auch in einzelnen Geschäften etwas klarer sehen kann.
– Die Frage richtet sich also an den Senator.
Was ich nicht machen möchte, ist, und da bin ich den Grünen auch dankbar, dass der Kollege
Behrendt es am Anfang gesagt hat, er möchte hier Aspekte der Vorgänge aufhellen. Ich
möchte mich ebenso wenig an Spekulationen beteiligen, was gewesen sein könnte oder was
sein könnte. Wir haben hier eine Stellungnahme gehört. Die ist niedergeschrieben worden,
und da werden Sie mir auch die Zeit zubilligen müssen, dass ich mir die Stellungnahme noch
einmal durchlese und daraufhin eine juristische Bewertung vornehme.
Die zweite Ebene ist die moralische Ebene. Darf ein Justizsenator so etwas? Darf ein Justizoder ein Verbrauchersenator so etwas? Was darf ein Senator eigentlich in seiner vormaligen
Tätigkeit als Notar beurkunden? – Die Frage kann ich gar nicht beantworten. Die Frage
möchte ich auch nicht beantworten. Ich möchte es mir auch nicht anmaßen, diese Frage zu
beantworten. Die Frage muss der Notar oder ehemalige Notar und jetzige Senator Braun beantworten. Aufgrund der Bundesnotarordnung wird er das entsprechend getan haben. Auch da
werden Sie von mir keine voreilige Bewertung hören. – Eine Sache oder zwei Sachen möchte
ich aus dem Vorfall dann doch mitnehmen. Es scheint offenbar so zu sein, dass wir losgelöst
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von dem Fall Braun in diesem Ausschuss darüber reden sollten und werden, wie mit dem Vertrieb von Schrottimmobilien in Berlin oder in Deutschland umgegangen wird, und zweitens,
ob die Bundesnotarordnung den verbraucherschützenden Vorschriften entspricht, die wir alle
erwarten, also § 17 Abs. 1. Zumindest allen Notare und Juristen ist bekannt, dass eine Schadensersatzpflicht eines Notars z. B. relativ schwierig nachzuweisen ist. Möglicherweise muss
man auch in diesem Ausschuss als Rechts- und Verbraucherausschuss darüber reden, ob da
Änderungen notwendig sind. Das wird dann aber vermutlich erst in der Zukunft so sein.
Schlussendlich: Ich bedauere, dass der Vorgang, den wir heute hier diskutieren, den Start in
die rechtspolitische und verbraucherschutzpolitische Arbeit des Ausschusses belastet und hoffe, dass wir in Zukunft zu einer sachgerechten und vernünftigen Arbeit miteinander kommen.
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank, Herr Kollege! – Herr Dr. Behrendt!
Dirk Behrendt (GRÜNE): Herr Kollege Kohlmeier! Ich glaube, die Arbeit des Ausschusses
ist nicht belastet durch die Vorwürfe und die Diskussion, sondern die Arbeit des Senates ist
belastet durch die Vorwürfe und die Diskussion. Da würde ich doch darum bitten, zu trennen.
– Ich möchte noch einmal an einen Aspekt mit meiner Fragestellung erinnern, auf den Sie,
Herr Senator Braun, noch gar nicht eingegangen sind. Das ist die Frage, inwieweit Ihnen die
GRÜEZI-Gruppe, die Vertriebsgruppen Swisskontor usw. – ich erinnere, GRÜEZI saß eine
Zeit lang in dem gleichen Gebäude wie Ihr Notariatsbüro – bekannt sind und inwieweit Ihnen
die öffentliche Debatte darüber bekannt ist, inwieweit Ihnen bekannt war, dass Herr Klug
2009 in Haft saß, inwieweit Ihnen bekannt ist, dass er seit dem Sommer in Haft saß und vor
allem – und das ist ein ganz relevanter Punkt aus Verbraucherschutzsicht – inwieweit Ihnen
die Warnung aus dem Finanztest Juni 2010 vor genau diesen Gruppen, um die es hier geht,
nämlich Swisskontor, GRÜEZI und KK Royal bekannt war und ob Sie danach für diese
Gruppe noch Beurkundungen vorgenommen haben oder für Teile dieser Gruppe.
Ich bin ganz dankbar, dass Sie ein bisschen aufgehellt haben, was die Anzahl der Geschäfte in
diesem Bereich angeht. Sie haben gesagt, drei bis vier im Monat haben Sie dort beurkundet.
Wenn ich das hochrechne, sind das 48 im Jahr und in vier Jahren immerhin 200 Vorgänge.
Das ist eine ganze Menge. Da kann man sicherlich nicht mehr von Einzelfällen sprechen,
sondern das ist ein größerer Bereich, wo man vielleicht dann auch mal in naheliegender Weise
nachfragt: Was ist das eigentlich für eine Gruppe? Wo kommen die her? Was machen die?
Das ist nicht so nach dem Motto: Die laufen den Kudamm Hand in Hand entlang und suchen
einen Notar, und dann steht da dran: Notar Braun – ach, da gehen wir mal hin, vielleicht kann
er unseren Vertrag beurkunden. So ist es wohl eher nicht gelaufen. In der letzten Woche haben Sie sich eher in der Richtung eingelassen. Also, es ist schon ein größerer Umfang bei Ihnen im Büro offenbar beurkundet worden.
Was mir völlig fehlte, ist jegliche Empathie für die Betroffenen. Sie stellen das so dar, als
wenn das alles sachliche Sachen nach der Notarordnung sind und die Notarkammer das bewertet. Wir haben es hier mit kriminellen Machenschaften zu tun. Darum sitzen die ja auch in
Haft, und darum sind auch die Verträge aufgelöst worden. Da sind Berlinerinnen und Berliner
über den Tisch gezogen und um ihre Ersparnisse gebracht worden und wissen überhaupt nicht
mehr, wie sie ihre laufenden Kosten decken sollen. Da erwarte ich eigentlich von jemandem,
der für Verbraucherschutz zuständig ist, ein bisschen mehr Empathie und ein bisschen mehr
Anteilnahme für das Schicksal dieser vielen hundert Berlinerinnen und Berliner. Ich kann
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auch gerne, wenn Interesse besteht, die Adressen dieser Schrottimmobilien in Berlin vorlesen,
die sind ja auch bekannt, und dann weiß man auch, in welchen Bereichen sich das eigentlich
abgespielt hat.
Aber wichtig ist mir noch einmal: Wie eng waren die Bande zu GRÜEZI und den Strukturvertrieben? Wen kannten Sie da, seit wann? Haben Sie mit dem zusammenarbeitet, nachdem
der Klug in Haft saß und nachdem Finanztest davor gewarnt hat? Und diese 14-Tage-Sache:
Da habe ich jetzt zur Kenntnis genommen, dass Sie sagen, Sie haben ausdrücklich nicht nur
den Vertragstext verlesen, wo das drin stand, sondern Sie haben jeden ausdrücklich danach
gefragt, ob ihm das mehr als 14 Tage vorlag und jeden ausdrücklich gefragt, wann er es bekommen hat. Dazu kann ich nur feststellen: Die Schilderungen von Betroffenen, die sie mir
gegenüber gemacht haben, sind damit nicht in Übereinstimmung zu bringen. Das kann ich
hier aber jetzt erst einmal nur feststellen.
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank! – Herr Gram!
Andreas Gram (CDU): Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich bin hier in diesem Raum
derjenige, der beruflich am nächsten am Notariat dran ist, weil ich seit langer Zeit, auch
16 Jahre, Notar bin. Ich glaube, dass ich zu diesen rechtlichen Fragen, die sich hier ergeben,
vielleicht am berufendsten bin und zur Versachlichung etwas beitragen kann. – [Zuruf] –
Nein, ich sage mal, insgesamt der Debatte, schon gar nicht Sie gemeint, sondern ich möchte
ganz klar einmal feststellen, dass es eigentlich nur dann relevant wird, wenn man dem entsprechenden Notar eine Pflichtverletzung vorwerfen kann. Eine Pflichtverletzung ist in § 19
Bundesnotarordnung geregelt, und dafür gibt es natürlich eine Reihe von Beispielen, wann
Notare sich der Pflichtverletzung schuldig gemacht haben.
Ich will einfach mal aus der Praxis berichten, wie Notariate im täglichen Leben ablaufen. Ich
darf zunächst einmal sagen, dass ein Notar nach dem Gesetz keine Beurkundung ablehnen
darf. Senator Braun hat darauf hingewiesen. Er darf sie nur dann ablehnen, wenn er wirklich
erkennt, dass kriminelle Machenschaften am Tisch sind oder wenn er erkennt, dass ein erkennbar Geschäftsunfähiger bei ihm am Tisch sitzt. Alles andere darf er nicht ablehnen, es sei
denn, er ist völlig überlastet oder er ist an dem Tag krank und konnte nicht rechtzeitig einen
Notarvertreter bestellen, sonst macht man sich selber einer Amtspflichtverletzung schuldig.
Das ist das Erste.
Das Zweite ist, dass Beurkundungen außerhalb der Dienstzeiten in Berlin Gang und Gäbe
sind. Ich rede nicht vom Mitternachtsnotar, sondern ich rede von vielen Notariaten, die gemacht werden, weil entsprechende Notariatsmandanten oder die sogenannten Beteiligten nur
am Wochenende kommen können, wenn sie dann auch gemeinsam am Tisch sitzen wollen
bzw. aus beruflichen oder privaten Gründen nicht während der laufenden Geschäftszeiten zur
Beurkundung in der Lage sind. Das ist ein Faktum, das öfter vorkommt. Dass der Gesetzgeber
dies ausdrücklich in § 58 der Kostenordnung auch geregelt hat, zeigt, dass er davon ausgeht,
dass das auch zulässig ist, und das kann auch nicht zulasten eines Notars gehen, wenn er sich
dann bereit erklärt zu sagen: Gut, wenn die Beteiligten es wollen, dann beurkunde ich.
Ich möchte auf die Vorlesungspflicht eingehen. Ich habe in den verschiedenen Presseberichten gelesen, dass das Vorlesen nicht verstanden wurde etc. pp. Es ist ganz üblich, und das hält
jeder Notar für sich, das muss er auch mit sich ausmachen, dass der Text verlesen werden
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muss. Es gibt kein wirksames Notariat, in dem der Text nicht verlesen wird. Wie der Text
verlesen wird, das schreibt der Gesetzgeber nicht vor. Das macht der Notar für sich. Es ist so,
dass ich die meisten Notarkollegen kenne, dass sie deutlich artikulieren und den Text verlesen
und zu Eingang der Urkunde sagen: Wenn Fragen bestehen, bitte ich, mich zu unterbrechen. –
Das ist ganz üblicher Vorgang, und so wird es auch in der Praxis gehandhabt. – [Dirk Behrendt(GRÜNE): Waren Sie dabei?] – Entschuldigung! Ich rede jetzt generell von den Beurkundungen, weil ich einmal klarmachen will, wie im Beurkundungsrecht die Dinge laufen.
Sie erkennen als Notar schon an fragenden Blicken z. B., ob ein Passus nicht verstanden worden ist. Und dann unterbrechen Sie den Vorlesevorgang und sagen: Soll ich das noch mal
erklären? – Das ist eigentlich übliches Geschäft.
Der Notariatsmandant ist zu jeder Zeit berechtigt, eine Frage zu stellen. Dazu sitzt der Notar
da. Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass der Notar nach dem Willen des Gesetzgebers aber
nur rechtlich beraten darf. Er darf wirtschaftlich nicht beraten. Er darf nicht sagen: Ich halte
dieses Geschäft für irrsinnig oder Ähnliches, sondern er kann es nur aus rechtlichen Gründen
tun. Wenn der Gesetzgeber in Zukunft dem Notar eine Rolle zumessen will, wonach er auch
wirtschaftlich auf Folgen hinweisen soll, dann muss er im Vorfeld eine Regelung treffen, dass
in Zukunft ob einer beurkundeten Eigentumswohnung oder bei einem Grundstückskaufvertrag eine Wirtschaftlichkeitsberechnung oder ein Verkehrswertgutachten vorgelegt wird, wonach festgelegt wird, was diese Wohnung oder das Grundstück wirklich wert ist. Dass das in
der Praxis kaum zu machen sein wird, dürfte jedem klar sein.
Ich möchte auf das in der Presse immer wieder beschriebene Problem der Aufspaltung in Annahme und Angebot eingehen. Das ist im deutschen Recht ein ganz üblicher Vorgang. Hier
bei den Verbraucherverträgen ist es aber so, dass die Aufspaltung des Vertrages in Angebot
und Annahme in der Regel so erfolgt, dass der Käufer sozusagen das Angebot abgibt, nämlich
mit der Folge, dass ihm der gesamte Vertrag verlesen wird. Wäre es andersrum, man würde
also vom Verkäufer das Angebot beurkunden und der Käufer müsste es annehmen, liefe man
Gefahr, dass über einige juristische Kniffe und Tricks möglicherweise der Vertragstext dem
Käufer gar nicht zur Kenntnis gelangt, er entweder nachgenehmigt oder das Angebot letztlich
annimmt, ohne überhaupt den Text zu kennen. Wenn man so herum beurkunden würde, was
ich aus der Praxis überhaupt nicht kenne, dass das passiert, wäre das aus meiner Sicht eine
Pflichtverletzung. Aber ganz ausdrücklich lassen auch die Richtlinien der Notarkammer Berlin eine Angebotsauseinanderfallungsbeurkundung zu. Das will ich klarstellen. Das geht hier,
auch in der Presse, immer durcheinander, und das erweckt den Eindruck, als sei das verboten
– das ist es nicht.
Ich will in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass nach der Rechtsprechung und
nach der Literatur schon das Verlesen des Hinweises auf die 14-Tage-Frist, der zufolge der
Vertragstext vorgelegen haben muss, übrigens nicht nur vom Notar, sondern auch von anderer
Seite kann er vorgelegt werden, dass dieses Verlesen als Hinweis gilt. Auch ich mache es in
meiner Praxis so, dass ich an dieser Stelle unterbreche und frage: Stimmt das auch? – Und
wenn dann bejaht wird – ja. Sie können dann aber einem Notariatsmandanten nicht unterstellen, dass er Sie dreist anlügt. Das geht nicht. Damit würden Sie als Notar sozusagen einen
mündigen Bürger der Lüge bezichtigen und könnten eigentlich im Grund gar nicht mehr beurkunden. Deshalb ist aus dieser Sicht das Fragen und das Aufschreiben eines konkreten Datums aus meiner Sicht korrekt und absolut auch den Wünschen des Gesetzgebers entsprechend.
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Auch hier ist es natürlich letzten Endes berufsrechtliche Auffassung, wie jemand die Antwort
bewertet. Das kann aber nur im konkreten Notariat gemacht und nicht pauschal beurteilt werden. Diese Vorschrift des § 17 Abs. 2 a Beurkundungsgesetz ist ja seinerzeit gerade geschaffen worden, um die vom Kollegen Dr. Behrendt geschilderten kriminellen Machenschaften
einzudämmen. Man wollte verhindern, dass der wirtschaftlich Schwächere und im Regelfall
rechtlich Unkundigere in die Falle eines kriminellen Veräußerers gelangt. Ich glaube auch,
dass diese Schutzvorschrift erhebliche Wirkung erzielt hat, und ich weiß auch vom 11. Senat
des Bundesgerichtshofs, dass er diese Frage extrem hart prüft. – [Benedikt Lux(GRÜNE):
Wie war es hier konkret?] – Entschuldigung! Ich bin jetzt dran und schildere mal das notarielle Tagesgeschäft.
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielleicht könnten Sie sich an die Redeordnung halten. –
Danke!
Andreas Gram (CDU): Es ist so, dass es auch zulässig ist, dass ein Notariatsmandant theoretisch auf die Frist des § 17 Abs. 2 a verzichten kann, nach ausführlicher Belehrung über deren
Sinn und Zweck. Auch das gibt es im Geschäftsleben. Wenn man allerdings als Notar den
Eindruck hat – ich glaube, das hat der Senator auch ausgeführt –, dass dort jemand über den
Tisch gezogen werden will, dann beendet man die Beurkundung und schickt ihn nach Hause.
Im Regelfall wird das im Übrigen auch vorab geklärt.
Ich möchte auch noch einmal darauf eingehen, weil das in der Presse aus meiner Sicht jedenfalls, nach den Veröffentlichungen, die ich gelesen habe, eher eine Randgeschichte darstellt.
Wenn die Notarkammer und der Präsident des Landgerichts einem Notar bescheinigen, dass
er sich korrekt verhalten hat, dann ist das die beste Aussage, die der Notar bekommen kann.
Anders kann er sich gar nicht wehren. – [Sven Rissmann(CDU): Wie auch?] – Es geht gar
nicht. Sie müssen auch wissen: Der Normalfall ist, ein Notariatsmandant empfindet eine Kostenrechnung als nicht gerechtfertigt oder zu hoch. Oder er ist mit einem Beurkundungsvorgang nicht einverstanden. Was macht er dann? – Er ruft die Notarkammer an und sagt: Ich
möchte mich über Notar A oder B beschweren. Dann wird ihm die Notarkammer sagen:
Worum geht es denn eigentlich? – machen wir es jetzt mal am Beispiel der Kosten – Dann
wird die Notarkammer sagen: Dann müssen Sie sich beim Landgerichtspräsidenten beschweren, denn, was auch die Wenigsten wissen, der Notar muss seine Kosten einfordern. Er darf es
nicht anders. Wenn er seine Kosten nicht einfordert, macht er sich einer Pflichtverletzung
schuldig. Warum ist das so? – Weil man die sogenannten Billignotariate oder die kostengünstigen Notariate verhindern will. Man will die Gleichstellung aller Notariate sichern, und das
ist eine der strengsten Auflagen, die durch einen Revisor geprüft werden, ob ein Notar seine
Kosten auch eingefordert hat. Ob er sie zu Recht eingefordert hat, ist eine ganz andere Frage.
Die wird dann gegebenenfalls beim Landgericht bei der Beschwerdekammer geklärt. Es kann
in der Praxis immer vorkommen, dass aus Versehen eine Vorschrift übersehen worden ist
oder dass ein Wert falsch angenommen worden ist. Das passiert, weil die Kostenordnungsvorschriften relativ gummiartig sind. Aber wenn in diesem Fall eine Beschwerde da ist, dann
entscheidet das Landgericht, denn der Notar muss vorher seine Kosten geltend machen, und
das Landgericht sagt entweder: Lieber Notar, du hast hier einen Fehler gemacht. Ich kürze dir
deine Rechnung um so und so viel oder lieber Notar, du hast recht und jeweils die andere Partei hat das Recht, noch in die Beschwerde zu gehen.
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Ich möchte noch zum Thema der Schweigepflicht kommen. Der Notar hat eine uneingeschränkte Schweigepflicht. Was den Senator angeht, ist er in diesem Fall nicht waffengleich
behandelt aus meiner Sicht. Er darf über die Fälle nicht reden. Er darf im Ausschuss nicht
sagen: Ich habe für Herrn Müller oder Herrn Meier beurkundet, und das, was Herr Müller
oder Herr Meier in der Presse sagen, stimmt nicht, denn in meinem Text steht das und das und
das drin. Das darf er im Moment nicht, es sei denn, alle Beteiligten stellen ihn von der
Schweigepflicht frei, was hier offenkundig nicht der Fall ist. Ich bitte also auch darum, dass
man die gesetzliche Grundlage kennt.
Dann habe ich gelesen, dass in den Verträgen unzulässige Haftungsbeschränkungen im Hinblick auf Mängel sind. Es gibt seit der Reform des Schuldrechts in dieser Frage Verbraucherverträge, Unternehmerverträge oder Verträge, wo ein Privater von einem Privaten kauft.
Kauft ein Privater von einem Privaten, können Sie die Haftung weitestgehend ausschließen.
Das sieht das Gesetz ausdrücklich vor. Kauft ein Verbraucher von einem Unternehmer, ist
dieser Haftungsmaßstab etwas gelockert. Kauft ein Unternehmer von einem Unternehmer,
können Sie die Haftung wieder weitgehend ausschließen. Ich werde mir jetzt verkneifen, ein
Seminar über Schuldrecht zu halten. Nehmen Sie es mal bitte so mit. In allen Notariatslehrgängen, die die Notare regelmäßig besuchen, in allen Empfehlungen der Notarkammer gibt es
vorformulierte, mit der Rechtsprechung in Einklang stehende Formulierungen, die in die Notariatsverträge übernommen werden. Das müssen Sie aus der Praxis wissen, weil gerade verhindert werden soll, dass aufgrund einer Unsicherheit der Auslegung des Rechts am Ende ein
Vertrag nicht zustande kommt, sondern man hat sich vorher Gedanken gemacht: Was kann
ich in einem Notariatsvertrag, sprich Kaufvertrag, regeln? – Und dann kann das so aufgenommen werden. Da gibt es die entsprechenden Empfehlungen, und das wird in diesen Verträgen auch im Wesentlichen übernommen.
Ich will auch noch etwas sagen. Es wird hier immer nur von der Anfechtung des Kaufvertrags
gesprochen. Ich gebe dem Kollegen Dr. Lederer recht. Als Juristen wissen wir, die sind in der
Praxis in Teilbereichen schwer durchzusetzen, weil Sie bewusstes, arglistiges Täuschen vorweisen müssen, obwohl es in der Vergangenheit, jedenfalls nach meiner Kenntnis, in vielen
Fällen mittlerweile gelungen ist, weil dort der Darlegungs- und Beweismaßstab von der
Rechtsprechung etwas gelockert wurde. Aber alle diese Verträge sind Formularverträge, und
sie unterliegen – früher war es das AGB-Gesetz, heute sind es die §§ 307 ff. BGB, die dieselben Dinge regeln – einer Inhaltskontrolle. Wenn also ein Notariatsmandant der Meinung ist,
er habe eine Klausel unterschrieben, die ihn im Grund benachteiligt, dann kann das gerichtlich überprüft werden, und das kommt sogar häufig vor, übrigens auch bei Verträgen, die
nicht in Angebot und Annahme aufgespalten sind, sondern wo beide Vertragsparteien am
Tisch gesessen haben.
Der Notar unterliegt nicht der Prognosehaftung. Er kann nicht wissen, was in zehn Jahren der
Bundesgerichtshof zu der Klausel a oder Klausel b sagt. Das kann durchaus durch die Rechtsprechung später eingeengt oder erweitert werden. Wir sind keine Propheten. Wir können
immer nur das beurkunden, was wir auch tatsächlich kennen. – Dann noch zu der Frage Finanztest. Ich will auch hier etwas über die Praxis des Notars sagen. Der Notar ist verpflichtet,
die Deutsche Notarzeitung zu lesen. Er ist verpflichtet, die Rundschreiben der Notarkammer
und des Landgerichtspräsidenten zu lesen. Und da kommt es häufig vor, häufig ist vielleicht
das falsche Wort, aber es kommt öfter vor, dass Warnungen ausgesprochen werden: Bitte beurkunden Sie nicht für Herrn Dr. Soundso – ich verkürze es jetzt mal –, das ist ein Kriminel- rei/ur -
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ler. – So steht es natürlich nie drin, aber es wird davor gewarnt usw. Mir ist jedenfalls aus
meiner Erinnerung, ich habe es aber, wie gesagt, nicht nachgelesen, keine dieser hier mehrfach genannten Firmen bekannt geworden, dass sie über die entsprechenden Literaturhinweise, die der Notar lesen muss, bekannt geworden sind. Ich will aber sagen, ich kann das gerne
noch mal prüfen. Das war in der Kürze der Zeit nicht mehr machbar, aber ich habe mein Büro
selbstverständlich angewiesen, dass, falls irgendein Dr. A oder ein Dr. B erscheint, er gleich
wieder zur Tür hinausgeht.
Zuletzt will ich noch sagen, dass man in der Regel nicht erkennen kann, ob man für eine bestimmte Gruppe beurkundet. Das kann man deshalb nicht, weil manchmal diese Leute auch
andere Firmen haben. Und wenn Sie nicht die ganze Zeit hinterher gucken und im Internet
recherchieren etc. kann es passieren, dass Sie für eine Gruppe beurkunden, wo Herr A sowohl
Gesellschafter als auch da Gesellschafter ist. Das ist aber auch nicht Pflicht des Notars. Das
will ich mal klar sagen. Ich will es jetzt dabei belassen. Ich will nur sagen, dass die Ausführungen von Herrn Senator Braun nach meinem fachlichen Wissen genügend dafür tun, dass er
sich keiner Pflichtverletzung hier schuldig gemacht hat. Dem entsprechen auch die Mitteilungen der Notarkammer und des Landgerichtspräsidenten und auch mein fachliches Wissen.
Und das ist aus meiner Sicht der einzige wirkliche Maßstab, nach dem hier das notarielle
Handeln bewertet werden darf. – Ich danke Ihnen!
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank, Herr Kollege Gram! – Herr Isenberg!
Thomas Isenberg (SPD): Herr Senator Braun! Herzlichen Dank für Ihre schriftliche Stellungnahme, die wir natürlich auch noch mal im Detail durchlesen müssen. Wenn ich das richtig im Kopf habe, haben Sie in der Stellungnahme gesagt, dass es drei bis vier Fälle im Monat
waren, die denn Verbraucherimmobilienverträge in dieser Konstellation waren. Mich würde
interessieren, wenn man das mal aufs Jahr hochrechnet, sind es um die 40 oder wie auch immer, über die letzten Jahre vielleicht mal vier oder fünf gerechnet: Auf wie viele Firmen verteilt sich dieses Ihrer Erinnerung nach, sofern Sie in der Lage sind, sich daran zu erinnern?
Waren das sehr viele? Waren es vier oder fünf? Ist das benennbar?
Das Zweite: Herr Gram hat schon darauf hingewiesen, dass nämlich auch war – – Das würde
mich auch interessieren. Wenn es so ist, wie Herr Gram gesagt hat, dass der Käufer das Angebot abgegeben hat, dann ist das schon mal ein wichtiger Sachverhalt. Auch da würde ich
gerne wissen, wie Sie zu der Aussage von Herrn Gram stehen. Was ich allerdings als Frage
noch mal habe, ist die Bundesnotarordnung. Ich bin ja kein Jurist. Ich lese die Bundesnotarordnung, § 14 Abs. 3, und da steht, was zulässig und was nicht zulässig ist. Unzulässig heißt
es dort unter dem Buchstaben d:
Die systematische Aufspaltung von Verträgen in Angebot und Annahme, soweit die
Aufspaltung aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist, soll das Angebot vom belehrungsbedürftigen Vertragsteil ausgehen.
– Letzteres hat Herr Gram gerade ausgeführt.
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Mich als Nicht-Juristen würde interessieren, was sachliche Gründe sein könnten, die diese
Aufspaltung rechtfertigen, und wie würde man den Begriff „systematische Aufspaltung“ interpretieren müssen, vor dem Hintergrund der Verträge, die jetzt beispielsweise bei Ihnen
beurkundet worden sind?
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank, Herr Isenberg! – Herr Lederer!
Dr. Klaus Lederer (LINKE): Bei dieser Pflichtverletzungsgeschichte will ich mich gar nicht
so lange aufhalten. Ich will nur vorab anmerken, dass diese Mitternachtsnotare, glaube ich,
nicht deswegen so heißen, weil sie systematisch Termine nur Null Uhr vergeben. Insofern
sollten wir an der Stelle durchaus ein bisschen aufpassen, dass wir nicht zu kleinlich werden,
sondern versuchen, den Sachverhalt des ganzen Vorgangs zu greifen.
Ich habe dazu mehrere Fragen zu dem Fragenkomplex II übergeben, auf die ich bisher noch
keine Antwort bekommen habe. Ich bin dankbar für die Klarstellung, dass die 14-Tage-Frist
in der Regel eingehalten worden ist. Der Dissens liegt auf der Hand – da geht es mir genauso
wie Kollegen Behrendt –, den kriegen wir jetzt hier nicht geklärt. Ich sage aber auch: Schweigepflicht ist Schweigepflicht –, und mir geht es auch gar nicht darum, Ihnen sozusagen zu
unterstellen, Sie hätte eine Pflichtverletzung begangen. Das kann ich im Einzelnen gar nicht
überprüfen. Ich will nur deutlich machen: Da gibt es ja immer Grauzonen. – Sicherlich wird
es so sein, dass – wenn Mandantinnen und Mandanten eine Kinderbetreuung brauchen – Sie
es auch mal am Wochenende machen müssen. Dafür hat, glaube ich, jede und jeder Verständnis, es ist völlig zu Recht darauf hingewiesen worden, und es ist auch vorgesehen – Kostenordnung und dergleichen mehr. Wenn es dann tatsächlich aber systematischer stattfindet –
und das kann ich jetzt hier nach dem bisher Gesagten überhaupt nicht überprüfen – und wenn
es möglicherweise immer die Gleichen sind – das kann ich jetzt auch nicht überprüfen. Ich
habe ja vorhin nach der Kenntnis bestimmter Firmen gefragt –, dann wird man zumindest ein
Fragezeichen im Hinterkopf haben. Darüber, dass diese Geschäftspraktiken ohne Weiteres
solche sind, wo ein Notar oder eine Notarin sagen muss – wenn er oder sie davon weiß –: Das
mache ich nicht –, dürfte hier, glaube ich, keinerlei Zweifel bestehen. Das ist erst mal grundsätzlich so. Darüber dürfte hier, glaube ich, keinerlei Zweifel bestehen, bei allem, was wir
mittlerweile über diese Art von Geschäftspraktiken wissen.
Ich will noch etwas zu der Spaltung von Angebot und Annahme sagen. Die Bundesnotarkammer sagt in ihrer Richtlinienempfehlung: systematische Aufspaltung ist in der Regel unzulässig –, was bedeutet: Es wird mal Ausnahmefälle geben, in denen das ausnahmsweise
gerechtfertigt ist. Jetzt haben Sie vorhin angedeutet, dass es bei diesen drei bis vier Verträgen
regelmäßig so war. Ich lese hier noch einmal, was die Notarkammer Sachsen in Pressemitteilungen gesagt hat. Die bayerische Notarkammer 94 warnt davor, Zweck könnte darin liegen,
wirtschaftlich oder intellektuell unterlegene Beteiligte der Sachverhaltsaufklärung, Beratung und Belehrung durch den Notar zu entziehen.
2007 schickte die Bundesnotarkammer diese Warnung noch einmal an die Kollegen im gesamten Bundesgebiet, also auch an Sie, Herr Gram, und auch an Sie, Herr Braun. Na klar,
geht ja gar nicht anders, denn Sie sind ja Notare in diesem Land.
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Hier sollen die Notare im Fall getrennter Vertragsbeurkundung aber besonders darauf
achten, dass die Schutz- und Belehrungsfunktion gewahrt wird.
Jetzt brauche ich ein bisschen Aufklärung aus der Praxis, denn ich bin kein Notar. Heißt das
jetzt – besondere Aufklärung, besonderer Schutz – langsamer vorlesen, oder wie macht man
das? Wenn sozusagen letztlich die Pflicht des Notars nur im Verlesen der Urkunde besteht
und weiterer Schutz verboten ist, weil wirtschaftliche Beratung – [Andreas Gram (CDU):
Rechtliche Beratung!] – Ja, das ist ja die Frage. Das möchte gern noch mal aufklären –, wie
gewährleiste ich dann den besonderen Schutz in solchen Fällen, wo ja – sagt die Bundesnotarkammer, die es wissen muss – offenbar dahintersteckt, dass hier intendiert ist: über den
Tisch ziehen, wirtschaftliche Benachteiligung und dergleichen mehr. Da will ich einfach noch
mal wissen: Wie soll das denn aussehen, wenn es sozusagen im Rahmen der Notarpflichten
alles sehr eng begrenzt ist, was der Notar überhaupt darf, um seine Unparteilichkeit nicht zu
gefährden?
Ich glaube, dass es da Spielräume der Notarinnen und Notare geben muss, dass sie selbst wissen müssen, wie sie diese Spielräume verantwortungsvoll wahrnehmen, und ich glaube auch:
Wenn sie es öfter getan haben, kommen bestimmte Firmen nicht mehr zu ihnen. – Deswegen
habe ich die Fragen gestellt, zu denen ich bisher keine Antwort bekommen habe, und das sind
Fragen jenseits von Pflichtverletzung. Da will ich Empathiefähigkeit gar nicht zum Kriterium
machen. Der eine ist empathischer, der andere weniger. Ich finde nicht, dass ein Justiz- und
Verbraucherschutzsenator zwingend empathisch sein muss, aber ohne Details, ohne Einzelgeschäfte – ich will gar nicht an Ihre Schweigepflicht ran –: Ist Ihnen bekannt, was in der Branche so läuft? War das mal Thema? Ich lese in allen Zeitungen, dass Notare und Vorstände von
Notarkammern bestätigen: heiß umstritten, heiß diskutiert unter Notarinnen und Notaren, ob
und wie man so etwas machen darf. – Ist das mal bei Ihnen angekommen? Wie sind Sie damit
umgegangen? Wie stehen Sie dazu? Wie bewerten Sie solche Geschäftsmodelle? Haben Sie
irgendwo davon gehört, dass es die in Berlin gibt? Ich meine, jemand, der sich für ein öffentliches Amt des Notars zur Verfügung stellt, muss die Notarpflichten erfüllen, richtig, aber von
jemandem, der Senator für Justiz und Verbraucherschutz werden will, wird man an der Stelle,
fürchte ich – Verbraucherschutz –, ein bisschen mehr erwarten müssen.
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank, Herr Dr. Lederer! – Dann zur Zwischenbeantwortung – Herr Senator!
Senator Michael Braun (SenJustVer): Ich muss leider noch mal auf meine notarielle Verschwiegenheitspflicht hinweisen, die auch für Notariate gilt, die bereits abgeschlossen sind.
Auf die Frage von Herrn Lederer, die der von Herrn Behrendt sehr ähnlich war, ob mir derartige Zustände aus der Branche bekannt sind, sei es durch das Schreiben der Notarkammer
oder auch durch den Artikel in „Finanztest“, kann ich Ihnen Folgendes sagen: Es gab auch im
Internet bereits in der Zwischenphase, zwischen diesen beiden Daten, die hier genannt wurden, Berichte, und selbstverständlich habe ich mich damit beschäftigt, war stets im Bilde, um
wen es sich da im Einzelnen handelt und war besonders sorgfältig. Davon können Sie ausgehen. Ich darf Ihnen aber nicht sagen, für wen ich beurkundet habe und zu wessen Gunsten ich
Kaufvertragsangebote abgeben habe. Ich habe – das will ich hier auch noch einmal klarstellen
– nur Angebote beurkundet. Ob die angenommen worden sind, was aus ihnen geworden ist,
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weiß ich alles nicht, kann ich nicht sagen. Es hat sich jedenfalls keiner bei mir gemeldet. Das
ist auch Ihre Frage, warum es zu einem Angebot gekommen ist.
Bei diesen Angeboten – auch das möchte ich noch einmal wiederholen – habe ich stets darauf
geachtet, dass sämtliche Verbraucherschutzbestimmungen nicht nur eingehalten wurden, sondern gerade diese habe ich besonders erläutert. Ich habe ganz ähnlich wie mein Kollege Gram
übrigens auch immer, bei jeder Verlesung, darauf hingewiesen, dass ich gesagt habe: Der vor
mir Erschienene, egal, in welcher Sache, möge mich sofort unterbrechen, wenn er den Eindruck hat, dass er das, was ich verlese, nicht versteht oder wenn er Fragen hat. – Ich habe
dann auch immer sozusagen mit meinem Einstieg geendet. Der Versuch, sich Fragen bis zum
Schluss der Beurkundung zu merken, geht immer schief. Das hat jeder, der bei mir eine Beurkundung gemacht hat, von mir zu hören bekommen.
Zu der Empathie: Ich habe bisher die mir übertragenen Aufgaben, gleich in welchem Amt,
ordnungsgemäß und gewissenhaft ausgeübt. Ich habe mich auch bemüht, sowohl in meiner
politischen als auch in meiner beruflichen Position, jedem zu helfen, weit über das hinaus,
was Sie hier möglicherweise vermuten. Ich halte aber – und das sage ich Ihnen auch als
Verbraucherschutzsenator – das Hervorzerren von einzelnen Personen und ihren Fällen –
möglicherweise im Interesse von einigen Anwälten – nicht im Interesse der Verbraucher, jedenfalls die Benennung von Einzelfällen, was ich in der einen oder anderen Zeitung gesehen
habe. Deswegen sage ich Ihnen auch: Ich werde mich auch weiterhin dafür einsetzen, dass die
Verbraucher geschützt werden. Ich habe großes Verständnis für jeden, der betroffen ist, aber
ich sage Ihnen auch: Mir ist kein einziger Fall bekannt, bei dem ich an dem Kauf, an dem
Verkauf, einer Immobilie mitgewirkt habe, deren Vertrag vor irgendeinem deutschen Gericht
aufgehoben wurde, und das in 16 Jahren.
Zu den 200 Fällen: Ich weiß nicht, wie die Presse darauf kommt, wie hier behauptet wurde.
Ich habe Ihnen gesagt, ich habe im Schnitt drei bis vier im Monat gemacht. Das waren roundabout 40 im Jahr. Von denen haben sich offensichtlich über Jahre einige wenige jetzt an die
Öffentlichkeit gewandt. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Mehrheit war offensichtlich mit dem
Kauf zufrieden.
Ich will auch Folgendes sagen, dass bei vielen dieser Kaufvertragsabgebenden – – Die kamen
einige Monate später mit Verwandten und anderen, und da haben die auch noch gesagt: Wir
sind so glücklich mit unserem geschlossenen Kaufvertrag. Wir haben sie dafür geworben. –
[Gelächter von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)] – Herr Albers! Ich will Ihnen nur sagen, auch
aus meiner Sicht: Sie kennen die Verträge nicht. Sie wissen ja gar nicht, welche Wohnungen
veräußert wurden und zu welchen Preisen.
Lassen Sie mich vielleicht noch einen Satz sagen. Ein Vertrieb von Wohnungen ist grundsätzlich auch nichts Ehrenrühriges. Da gibt es völlig seriöse Organisationen. Das Land Berlin
verkauft Wohnungen, die städtischen Wohnungsbaugesellschaften verkaufen Wohnungen und
Private auch – [Andreas Gram (CDU): Auch mit Angebot und Annahme!] –, übrigens auch
mit Angebot und Annahme. Allein das Auseinanderfallen – – Eine solche vertragliche Gestaltung ist nicht irgendwie rechtswidrig, schräg oder sonstiges, sondern das ist rechtlich erlaubt,
das ist auch zulässig, und noch einmal: Ich muss in jedem Einzelfall wissen, dass das Geschäft, das dort angebahnt wird, unredlich vorbereitet ist, sittenwidrig ist, wucherisch ist oder
was auch immer.
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Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank! – Herr Kollege Herberg!
Heiko Herberg (PIRATEN): Ich möchte zuerst Herrn Gram danken, dass er das alles hier
sehr sachlich vorgetragen hat. Das zeigt mir als angehenden Juristen jetzt im Studium, dass
man anscheinend noch an anderen Sachen in den Gesetzen etwas ändern muss, wenn das alles
so sachlich ablaufen kann.
An den Senator habe ich die Frage: Sie weichen uns hier ein bisschen aus. Uns geht es nicht
darum, dass Sie Ihre Verschwiegenheitspflicht brechen sollen. Zum Beispiel die Frage nach
den Firmen ging nicht darum, dass Sie hier Firmennamen nennen sollten. Sie sollten nennen,
wie viele Firmen ungefähr insgesamt bei Ihren Immobiliengeschäften beteiligt waren. Das ist
sehr interessant für uns, denn daraus können wir Rückschlüsse ziehen, ob Sie mit bestimmten
Gruppierungen gearbeitet haben. Welche Gruppierungen das waren, interessiert uns erst mal
nicht. Es ist nur interessant, ob bei diesen Immobilienverkäufen eine bestimmte Häufung vorkommt.
Wir reden weiterhin über Immobilienverkäufe, über Hauskäufe etc. Das sind ja keine Kleingeschäfte. Ich gehe nicht in den Laden und kaufe mir einen Mixer oder sonst irgendetwas,
sondern ich kaufe Immobilien, und die Frage, die sich mir auftut, ist: Ist es notwendig, das
außerhalb der Geschäftszeiten, vor allen Dingen vermehrt außerhalb der Geschäftszeiten zu
machen? Kann man als Notar nicht einfach sagen: Ich mache das nicht außerhalb der Geschäftszeiten –, also am Wochenende zu den sogenannten Mitternachtsunzeiten. Da kommt
als Notar auch nicht die Frage auf: Laut Gesetz bin ich ja gezwungen, das zu machen. – Nein!
Wenn das außerhalb der Geschäftszeiten ist, können Sie auch sagen: Mache ich nicht. Kommen Sie innerhalb der Geschäftszeiten wieder zu mir! – Es zwingt Sie niemand, mitten in der
Nacht mit dem Auto durch die Gegend zu fahren oder die Leute ankarren zu lassen.
Weiterhin haben Sie in einem kleinen Nebensatz gesagt, „mit einer flapsigen Bemerkung bei
Nichtbesichtigung“. Ich finde es fast skandalös, wenn Sie den Leuten als flapsige Bemerkung
am Rande sagen: Wenn Sie das Objekt nicht besichtigt habe, würde ich den Vertrag nicht
abschließen. – In solch einem Fall müssen Sie explizit, vor allem jetzt, wo Sie „Innenminister“ für Verbraucherschutz werden wollen und auch als Notar, darauf hinweisen, dass – wenn
ich eine Immobilie nicht gesehen habe – es sinnvoll wäre, das vorher zu tun, und vielleicht
sagen: Schließen Sie den Vertrag hier nicht ab – und es nicht mit einer flapsigen Bemerkung
nebenbei abwischen. Mit § 4 Beurkundungsgesetz, also Ablehnung bezüglich Sittenwidrigkeit, könnte man zum Beispiel könnte da auch kommen, und dass schon 2007 vor der Bundeskammer diese Praktiken angeprangert wurden. Dann könnte man möglicherweise sagen:
Nein, mache ich mit demjenigen nicht.
Zum Thema bezüglich der Notarkammer: Natürlich wird die Notarkammer hier in Berlin das
genauso auslegen, wie es ausgelegt wurde, weil – wie Herr Gram ausgeführt hat – von der
Sachlichkeit her alles in Ordnung ist. Es geht hier auch eher um die moralische Verantwortung von solchen Geschäftspraktiken und nicht darum, ob es gesetzlich möglich ist. Gesetze
können geändert werden. Moralische Vorstellungen führen dazu, dass Gesetze an der Stelle
geändert werden, und die Frage ist, ob Sie als „Minister“ für Verbraucherschutz die moralischen Werte vertreten, die wir hier im Abgeordnetenhaus haben wollen, die dazu führen, dass
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möglicherweise in Zukunft solche Gesetze nicht mehr so einfach durchgesetzt werden können.
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank! – Herr Lux!
Benedikt Lux (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Vorsitzende! – Herr Senator Braun! Wir kennen
uns schon lange genug, dass ich Ihnen aufrichtig sagen darf, dass es bei den Zielen, die Sie
eingangs aufgeführt haben, bei Ihrer persönlichen Vorstellung, was Sie in dieser Legislatur als
politische Inhalte vorhaben, einen relativ großen Teil gibt, der aus grüner Sicht sogar wünschenswert wäre, Stichwort: Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen, schnellere Verfahren,
besserer Rechtschutz für Bürgerinnen und Bürger –, und ich stelle fest, dass Sie diese Ziele
jetzt unter einem sehr schwarzen, sehr großen Schatten antreten werden, weil Ihre Arbeit gehemmt ist, während der Zeit, in der Sie sich hier unseren Fragen stellen müssen, die vordringlicher sind, insbesondere, ob Sie politisch geeignet sind, dieses Amt so auszufüllen.
Dann möchte ich noch eines dem geschätzten Kollegen Gram sagen: Allgemeine Abhandlungen zu Pflichten eines Notars helfen hier nicht weiter. Die können wir uns im Zweifel alle
selbst anschauen. Dazu hat die Notarkammer Stellung genug geben. Auch das neue Schuldrecht ist den Juristen, die nach 2002 angefangen haben zu studieren, durchaus bekannt, und
was Sie hier machen, Herr Gram – da warne ich Sie im Interesse des von mir geschätzten Justizsenators Braun –: Sie werfen Nebelkerzen, Herr Gram, und das machen Sie bewusst und
absichtlich, und damit wecken Sie erst recht unser Interesse daran, was konkret gelaufen ist
und nicht, was die allgemeinen Pflichten sind. Ich würde Sie wirklich bitten, Herr Gram, dies
in Zukunft zu unterlassen. Wir kümmern uns jetzt seriös darum, dass das, was an Auskunft
möglich ist, bei Beachtung der Schweigepflicht hier genannt werden kann, und da fand ich die
Frage des Kollegen Dr. Behrendt, nach der Firma GRÜEZI, die bei Ihnen im Gebäude am
Kurfürstendamm saß, durchaus eine, die man beantworten kann, ohne dabei gegen die
Schweigepflicht zu verstoßen.
Meine erste Frage ist: Wären Sie denn daran interessiert, sich von Ihren Mandanten von den
Beteiligten von der Schweigepflicht entbinden zu lassen? Haben Sie vor, diesbezüglich tätig
zu werden, um der Aufklärung und dem hohen öffentlichen Interesse nachzukommen, reinen
Tisch zu machen und endlich in die Offensive zu gehen und zu sagen, was Sie hier bisher
dargelegt habe, dass Sie alles nach bestem Wissen und Gewissen unter Beachtung der Gesetze
usw. hier gemacht haben? Wären Sie auch dazu bereit, sich von Ihren Mandanten von der
Schweigepflicht entbinden zu lassen?
Die zweite Frage ist ex post – das hat auch ein bisschen mit Moral zu tun –: Würden Sie denn
aus heutiger Sicht, beim Wissen der ganzen Umstände, von den schweren Folgen, die das für
die damaligen Käufer hatte, die auch hier im Raum sitzen – – Sie sprechen quasi gerade zu
den Geschädigten, die nicht durch Sie geschädigt worden sind, aber auch durch Ihre Mitwirkung. Unabhängig davon, was Sie subjektiv wussten: Würden Sie ex post sagen, so etwas
würden Sie heute wieder beurkunden? Das wäre doch tatsächlich eine politische, vielleicht
auch ein bisschen moralische Frage, da das hier eine gewisse Rolle spielt, und eben auch ganz
nüchtern, wie Sie das Resultat für die beteiligten Personen werten.
Meine letzte Frage ist: Sie genießen ja das Vertrauen – konnte man lesen – vom stellvertretenden, vom Auch-Bürgermeister Frank Henkel. Ernannt hat Sie aber der Regierende Bür- rei/krü -
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germeister Klaus Wowereit. Nun kann man der Presse entnehmen, dass das gestern nicht Gegenstand der Senatssitzung war. Mich würde gleichwohl interessieren, ob Sie dem Regierenden Bürgermeister gegenüber Stellung genommen haben, auch hinsichtlich der politisch doch
sehr schwierigen Verbindung Ihres Amtes mit dem Amt eines Senators für Verbraucherschutz
und würde zuletzt – Sie wissen, was das bedeutet – darauf hinweisen, dass 25 Prozent dieses
Hauses nach Artikel 48 Abs. 1 unserer Verfassung auch die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zusteht, vor dem es aber die Wahrheitspflicht aller geladenen Zeugen gibt,
und dass es dann umso schwieriger wird, da wieder herauszukommen, wenn wir tatsächlich
zu diesem Mittel greifen. Auch hier kann ich nur dringend an Sie appellieren, reinen Tisch zu
machen, Herr Braun, bevor noch mehr ans Tageslicht tritt.
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank, Herr Lux! – Herr Simon!
Roman Simon (CDU): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich nehme mit Interesse zur
Kenntnis, dass man als Ausschussmitglied wohl Gefahr läuft, von den Grünen auch mal aufgefordert zu werden, nichts zu sagen. Das ist interessant.
Ich möchte gern noch Gedanken in die Diskussion einbringen, die, glaube ich, wichtig sind
bei der Frage: Was liegt hier eigentlich vor? – In der letzten Woche kam es nach der Ernennung des Senators dazu, dass der Vorsitzende der Verbraucherzentrale Brandenburg, im
Hauptberuf ein Anwalt, Vorwürfe erhoben hat. Dieser Anwalt schreibt auf seiner Internetseite, in seiner Kanzlei würden jedes Jahr etwa 2000 Fälle behandelt. Dieser Anwalt schreibt auf
seiner Internetseite, dass er in seiner Kanzlei 22 Anwälte beschäftige. Die Internetseite dieser
Kanzlei ist interessant aufgebaut. Genau in der Mitte befindet sich das Medienecho auf Äußerungen von Herrn Resch. Andere Anwälte sind da nicht genannt. Ich finde es auch interessant
zu bedenken, wo und wie sich Herr Resch ehrenamtlich engagiert. Er scheint sich dort ehrenamtlich zu engagieren, wo es für ihn besonders interessant sein, wo er potenzielle Mandanten
treffen, wo sein Name in der Presse auftauchen, wo es also besonders viel Werbung für seine
Kanzlei geben könnte. Es ist selbstverständlich überhaupt nicht verwerflich, sich auch als
Anwalt dem Thema Verbraucherschutz zu widmen und das auch ehrenamtlich zu machen.
Das ist alle prima, gut und richtig, aber ich finde es doch in gewisser Weise bemerkenswert.
Herr Resch wurde im Jahr 2009 vom „Spiegel“ zitiert. Ich weiß nicht, ob Herr Resch das gesagt hat, mag der „Spiegel“ das wissen, aber dort steht drin:
Eine von ihm gegründete Interessenvereinigung sei nie eine Mandantenschaufel gewesen.
Ich habe auch Jura studiert, ich habe den Begriff „Mandantenschaufel“ das erste Mal gehört.
Ich finde ihn ganz und gar nicht angemessen. Es geht bei Mandanten, die beraten und vertreten werden, nicht um irgendein Objekt, das man wegschaufelt. Es geht nicht um willenlose
Sandkörner oder etwas Ähnliches, was ich mit einer Schaufel durch die Gegend bewegen
kann. Es geht um Menschen, es geht um Bürgerinnen und Bürger und um Rechte. Vielleicht
kann man sich auch vergegenwärtigen, dass – sollte Herr Resch so etwas tatsächlich gesagt
haben – man seine Äußerungen entsprechend wertet.
Ich finde es außerdem bemerkenswert, dass einige seiner Mandanten, die von ihm vertreten
werden, behaupten, sie hätten Senator Braun während der Beurkundung angelogen, indem sie
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ihm verschiegen oder sogar ausdrücklich falsch gesagt hätten, zu welchem Tag ihnen die Urkunden vorgelegen hätten. Das möge man bei der ganzen Debatte auch berücksichtigen.
Ich finde auch richtig, dass der Senator hervorgehoben hat, dass der Kauf von Eigentum und
das Zunehmen der Eigentumsquote auch in Berlin nichts Negatives ist. Ich finde, das ist sogar
etwas Positives. Jemand, der sich entscheidet, irgendwo eine Wohnung zu kaufen oder sein
Geld in einer Wohnung anzulegen, und es nicht den globalisierten Finanzmärkten überlässt,
eine Wohnung in Berlin, das ist etwas sehr Positives. Das sollten wir unterstützen. Auch ich
habe eine Wohnung gekauft, aus dem Bestand des Landes Berlin, und bin sehr glücklich,
verwurzelt in meinem Kiez und kann nur sagen, dass es wichtig ist, auch zu gucken: Woher
kommen eigentlich die Vorwürfe, und wann wurden sie erhoben. – Danke!
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank, Herr Simon! – Herr Kollege Dr. Lederer!
Dr. Klaus Lederer (LINKE): Der Sinn dieser Worte hat sich mir nicht so ganz erschlossen.
Aber ich will jetzt nicht moralisieren, denn es geht nicht um Moral, lieber Kollege Lux. Mit
dem Untersuchungsausschuss müssen wir vorsichtig sein. Ich weiß nicht, ob er für dererlei
Zwecke überhaupt das einschlägige Instrument ist. Wir sollten nicht mit Keulen hauen, die
sich im Nachhinein als möglicherweise als ziemlich wattebäuschenmäßig erweisen könnten.
Es geht hier um eine einfache politische Frage, und die politische Frage ist: Sind die Vorwürfe belegbar, oder sind sie auszuräumen – das ist die interessantere Frage –, die den Verbleib
von Senator Braun in solch einem verantwortungsvollen Amt, das sich mit Verbraucherschutz
befasst, rechtfertigten? Da ist extrem viel offen geblieben. Wir haben ein Problem.
Ich versuche es jetzt ein drittes Mal, und ich hoffe, ich komme ein bisschen besser auf den
Punkt und die Antwort dann auch. Es gibt diese Schweigepflicht, und jedes Mal, wenn ein
Einzelfall kommt, erlaubt die Schweigepflicht nicht, darüber zu reden, völlig klar. Abstrakt ist
alles super gelaufen. Sie haben vorhin gesagt, die Spaltung von Angebot und Annahme, in
Klammern: Alle Notarkammern sagen mehr oder weniger: schwierig, hoch dubios. – Das
scheint aber der Regelfall dieser Geschäfte gewesen zu sein, aber glückliche Kinderaugen
hätten Sie angelächelt. Ich überziehe jetzt mal ein bisschen. Jetzt habe ich eine einzige Frage:
Sie versichern uns, lieber Herr Senator Braun, dass nach Ihrer Kenntnis Ihre Kanzlei, also Sie
und Ihre Sozi, nicht an der systematischen, also wiederholten Beurkundung von Vertragsangeboten beteiligt war, die den von mir eingangs beschriebenen skandalösen Geschäftsmodellen entsprechen? Ja oder nein?
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Herr Rissmann!
Sven Rissmann (CDU): Ich möchte zunächst den Kollegen Dr. Lederer und Dr. Behrendt
danken, dass sie bei einem Vorgang, der vielleicht der Opposition geeignet erscheinen mag,
sich auf Kosten eines Menschen, der in politische Verantwortung gestellt worden ist, parteipolitisch zu profilieren, sondern ich habe bei Ihnen, werte Kollegen, festgestellt, dass Sie trotz
Oppositionsrolle in größtem Maße versuchen, einen Vorgang sachlich zu bewerten. Ihre Fragen sind alle berechtigt, und es ist vollkommen gut, dass sie gestellt werden, und sie sind zum
Teil schon beantwortet worden. Zum Teil werden sie heute nicht beantwortet werden können,
weil dem eine gewisse Verschwiegenheitspflicht entgegensteht.
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Ich sehe im Moment das Problem, dass wir zwei Dinge vermengen: zum einen diesen abstrakt
generellen Bereich Schrottimmobilien – – Das ist ja etwas, das bekannt ist, nicht erst seit heute oder seit einer Woche, sondern wir alle lesen Zeitung, schauen Fernsehen, informieren uns
und wissen, dass es dort Kriminelle gibt, nicht nur hier in Berlin, sondern überall, die Menschen ausbeuten und ausnutzen. Das ist eine generelle abstrakte Feststellung, wo wir uns als
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz fragen können: Sind verbraucherschutzrechtliche, auch Fragen des Notarrechts, ausreichend, um einem berechtigten Schutzinteresse gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt gerecht zu werden?
Der andere Fall ist konkret und individuell, was die Person des vormaligen Notars Braun betrifft. Ich sehe auch in der Berichterstattung die Schwierigkeit, dass dieses generell abstrakte
Problem ungefiltert, ohne konkreten Bezug und ohne Tatsachenbegründung eins zu eins auf
Herrn Braun übergestülpt wird.
Ich möchte Herrn Lux entgegnen: Ich fand es gut und hilfreich, dass der Kollege Gram hier
mal dargestellt hat, was ein Notar darf und was nicht. Ich selbst habe auch eine juristische
Ausbildung, darf als Anwalt tätig sein. Ich habe mich mit diesen Dingen nie beschäftigt, weil
ich kein Notar bin. Es hilft auch der Versachlichung der Debatte, wenn Herr Gram mit
16 Jahren Berufserfahrung das mal darstellt.
Was steht denn jetzt, ich will nicht sagen am Ende? Wenn ich mir erlauben darf, eine gewisse
Zäsur ziehen zu dürfen: Herr Braun erhält am Donnerstag der letzten Woche eine Ernennungsurkunde, und eine gefühlte Sekunde später gibt es einen gewissen Rechtsanwalt R., der
als Ankläger, Zeuge und Richter in einer Person auftritt und der Meinung ist, hier schlimme
Verfehlungen feststellen zu müssen, die mit der Person Michael Braun verbunden sind. Es ist
im Übrigen ein rechtstaatlich nicht hinzunehmendes Verfahren, das ein Einzelner, der – wie
der Kollege Simon gerade dargestellt hat – 22 Anwälte beschäftigt und schreibt, mehrere Tausend Verbraucherschutzverfahren zu haben, also viel Geld damit verdient, hier eine im Detail
nicht begründete Anklage erhebt, sich selbst als Zeuge aufspielt und auch bereits urteilt. Der
Kollege Braun ist außerstande gesetzt, darauf adäquat reagieren zu können, weil ihm seine
berufsständigen Vorschriften – die Kollegen Dr. Behrendt und Dr. Lederer wissen das auch –
verbieten, im Detail darauf eingehen zu können. Er wird sich wahrscheinlich dazu auch noch
äußern. Dieser Herr Resch ist ganz sicher nicht objektiv, weil er vorbefasst ist, wie ich gerade
dargestellt habe. Wer ist denn bei solchen Dingen objektiv? – Natürlich die berufsständische
Organisation, die Bundes- oder in dem Fall die Notarkammer Berlin, und die hat sich dazu
geäußert.
Dann gibt es eine gewisse Dienstaufsicht. Das ist der Präsident des Landgerichts. Der hat sich
dazu geäußert. Dann können wir feststellen, dass es über dies, jedenfalls nach dem Kenntnisstand von Herrn Braun, keine gegen ihn gerichteten zivilrechtlichen Verfahren gibt, wo er
unmittelbar als Beklagter oder Streitverkündeter oder mittelbar als Zeuge involviert ist.
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Wir können darüber hinaus feststellen, dass mir nicht bekannt ist, dass irgendwelche strafrechtlichen Ermittlungen laufen oder gelaufen sind. Mir ist nicht bekannt, dass es irgendwelche Beschwerden beim Präsidenten des Landgerichts, bei der Notarkammer gab. Ich frage
mich im Übrigen auch, wenn man sich – wie dieser Kollege, über den wir hier sprechen –
jahrelang mit solchen Fällen beschäftigt und der Meinung ist, in seiner Kanzlei eine Häufung
von Menschen festzustellen, die übers Ohr gehauen worden sind und angeblich eine Einbezogenheit von Herrn Braun dort bestanden hat, warum es in all diesen Jahren nie eine Anzeige
bei der Notarkammer, eine Dienstaufsichtsbeschwerde, eine Strafanzeige, eine Streitverkündung, eine Ladung als Zeuge gab – oder sogar in einem Zivilprozess Herrn Braun zum Beklagten gemacht wurde, um irgendwelche Regressforderungen geltend zu machen. Warum ist
das nie passiert? Das muss sich jeder fragen, der auch anwaltlich tätig ist. Der wird beurteilen
können, ob man das machen sollte oder nicht. Es bleibt ferner stehen, dass Herr Braun beinahe 16 Jahre Notar war. Er hat selbst genannt, wie viele Fälle er etwa im Jahr im Durchschnitt
beurkundet. Rechnen Sie hoch, wie viele Menschen in 16 Jahren mit Herrn Braun im Rahmen
seiner Notartätigkeit in Berührung kamen! Wir haben von ihm gehört – und das ist unbestritten, das behauptet auch niemand –, es gab nie eine Beschwerde. Also wie viele Hunderte –
oder Tausende werden es ja wohl sein – von Mandanten sind ohne Beschwerde dort rausgegangen? Nämlich alle bisher! – Das ist objektiv. Das sind die Dinge, die feststehen. Standesrechtlich gibt es nichts. Es gibt auch zivilrechtlich offenbar nichts, es gibt auch strafrechtlich
offenbar nichts.
Nun haben wir die Situation, dass Herr Braun 16 Jahre beanstandungsfrei als Notar tätig war,
und mit dem Tag, wo er seine Ernennungsurkunde für ein politisches Amt in der Hand hält,
findet eine Menschenjagd statt. Jedenfalls wirkt es auf mich persönlich so. Wie soll er sich
adäquat zur Wehr setzen, wenn Dinge vermischt werden mit den Aufgaben von Notaren,
wenn rechtliche Fragestellungen und moralische Fragestellungen zusammengewürfelt werden
und wenn ihm schlichtweg eine richtige Verteidigung abgeschnitten ist, weil er sich dazu gar
nicht in Gänze äußern darf. – [Benedikt Lux(GRÜNE): Kann er doch machen!] – Wenn die,
die objektiv und zuständigerweise dazu berufen sind, sich zu äußern, die Notarkammer und
der Präsident des Landgerichts, eine Mitteilung abgeben, dann wird diesen Stellen unterstellt,
sie würden in vorauseilendem Gehorsam arbeiten. Wer soll sich denn dazu äußern? Wer denn,
ein Kollege, der als Verbraucherschützer in Brandenburg offenbar tätig ist? Ich kenne ihn
nicht. Ist er jetzt derjenige, der dazu berufen ist, so was hier auf seine Richtigkeit hin zu bewerten oder nicht? Das hat aus meiner Sicht mit einem fairen Verfahren nichts zu tun.
Welche Vorwürfe stehen hier? – „Mitternachtsnotar“! Herr Braun hat sich dazu geäußert. Ich
will das gar nicht ausmehren. Hier sind einige Anwälte im Raum. Anwälte und Notare sind
definitiv nicht vergleichbar, weil sie andere Aufgaben haben. Auch das ist herausgearbeitet
worden. Aber diejenigen, die anwaltlich tätig sind, werden doch auch wissen: Wenn es Mandanten gibt, die einen berechtigten Wunsch haben, außerhalb von Geschäftszeiten, die im Übrigen üblicherweise von 9 bis 17 Uhr sind – – Die Menschen arbeiten ja Gott sei Dank oder
haben Kinder, die sie betreuen müssen, oder haben andere Verpflichtungen. Wenn ein Mandant einen solchen Wunsch hat, früher oder später betreut zu werden, dann ist es jedenfalls
mein Selbstverständnis als Rechtsanwalt, dass ich das selbstverständlich, sofern ich kann,
ermögliche – obwohl, wie gesagt, die Tätigkeit von Rechtsanwalt und Notar nicht vergleichbar ist.
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Dann bleibt der Vorwurf im Raum stehen, weil ja alle, die sich heute geäußert haben – mit
Ausnahme von Herrn Lux, den habe ich wie immer nicht ganz verstanden –, Herrn Braun
nicht unterstellen, dass er pflichtwidrig gehandelt hat, dass er gegen seine Amtspflichten verstoßen habe – – Ein rechtlicher Vorwurf wird hier für mich jedenfalls bisher nicht erkennbar
formuliert. Also bleibt in der Tat so eine moralische Frage, die man konkret daraufpacken
kann: Hätte der Notar Braun erkennen müssen, dass vor ihm Leute sitzen, die offenbar oder
mutmaßlich – ich kenne die Fälle nicht, ich kenne nicht eine Akte, ich kenne nicht einen Betroffenen, ich kenne gar nichts, woher auch? – von dubiosen Geschäftemachern – – Im Übrigen: Sind diese Fälle, die genannt werden – 40 im Jahr, die er nennt – jetzt alles Leute, die
geprellt worden sind? – Das weiß doch auch keiner. Wie viele Fälle sind dort rechtshängig in
einem zivilgerichtlichen Verfahren? – Das wissen wir doch alles nicht. Hier wird mit Zahlen
operiert, die pauschal sind, die keine Zuordnung ermöglichen. Also der Vorwurf bleibt doch
eigentlich nur: Hätte er merken müssen, dass die Leute dort von dubiosen Geschäftemachern
übers Ohr gehauen werden? Und da ist doch bisher nach meinem Kenntnisstand unbestritten,
dass Herr Braun sorgsam belehrt hat, und ich habe auch einzelne Pressemeldungen gelesen,
wo die mutmaßlich Geprellten selbst sagen: Ja, wir haben ihn belogen. – Also bleibt doch im
Raum nur: Hätte er erkennen müssen, dass er belogen wird? Wenn Sie das so weiterdrehen,
merken Sie doch, wie absurd es langsam wird. Dann kommen jetzt neue Sachen dazu, Herr
Braun hätte nicht akustisch gut vorgelesen. Sie haben ja nun seine Stimme mitbekommen.
Muss er sich jetzt für seine Stimme entschuldigen? Und wenn ich etwas nicht verstehe, ist es
doch im normalen Verfahren üblich, dass ich sage: Ich habe Sie akustisch nicht verstanden,
bitte wiederholen Sie das! – Ich frage mich langsam: Auf was soll das hinauslaufen?
Was bleibt, sind noch einige Fragen, die von den Kollegen auch zu Recht gestellt werden. Ich
denke, Herr Braun wird die im Rahmen seiner rechtlich zulässigen Möglichkeiten beantworten können. Selbstverständlich ist es so, dass durch diesen Anfang ein Problem wieder in den
Fokus gerückt worden ist, dessen sich die Politik dringend annehmen muss. Das ist, dass es
Menschen gibt, die in den Verhältnissen des Marktes schwächer sind als andere, und dass es
Stärkere – vermeintlich Stärkere – gibt, die diese Leute ausnutzen. Da ist es Aufgabe von
Recht und Verbraucherschutz, dem, so gut man kann, entgegenzuwirken. Wir sind gern offen,
darüber sachlich mit Ihnen zu reden. Aber welchen Vorwurf konstruieren Sie jetzt noch gegen
Herrn Braun? Das habe ich nicht verstanden. – Danke!
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank! – Dann hat der Senator das Wort zur Erwiderung.
Senator Michael Braun (SenJustVer): Ich will auf einige der mir gestellten Fragen noch
einmal kurz eingehen. Die Frage von Herrn Herberg war, ob es tatsächlich richtig ist, dass ich
in einem Vertrag notiere, dass ein Käufer einer Immobilie diese nicht gesehen hat. Das ist
eine Verbraucherschutzbestimmung – auch wenn Sie das nicht verstanden haben, Herr Herberg –, denn es ermöglicht gerade dem Verbraucher in dem Fall, wo etwas aus dem Prospekt,
das möglicherweise großartiger dargestellt ist, nicht stimmt, gegen einen Kaufvertrag vorzugehen, weil die Abweichung dem Käufer dann sichtbar nicht bekannt gewesen ist. Deswegen
habe ich stets darauf geachtet und auch nachgefragt, im Interesse des Verbrauchers, ob –
manchmal auch wann, das war nicht für die Beurkundung entscheidend – er die Immobilie
tatsächlich auch gesehen hat, und habe es ausdrücklich im Interesse des Verbrauchers vermerkt, wenn er eine Wohnung nicht gesehen hat.
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Es war die Frage aufgekommen, ob ich die ursprünglich oder zeitweise in dem gleichen Gewerbehaus wie meine Kanzlei residierende GRÜEZI oder deren Repräsentanten kannte. Ich
kann dazu erklären: Ich kannte sie auch, wie ich jeden anderen und viele andere auch in meinem Haus kenne. Ich bin mit keinem der Repräsentanten der GRÜEZI AG – wenn das Ihre
Frage ist – persönlich darüber hinaus befreundet, auch nicht mit Mitarbeitern, und pflege auch
keine privaten Kontakte.
Es wurde hier gefragt, wie ich reagieren würde, wenn ich von der notariellen Schweigepflicht
entbunden würde. Unterstellt, sämtliche an einem Notariatsgeschäft Beteiligten würden mich
von der notariellen Schweigepflicht entbinden und mich ausdrücklich ermächtigen, Dritten
gegenüber Auskunft zu geben über das Notariat, dann würde ich das tun. Aber eine solche
Erklärung liegt mir bisher von überhaupt keinem der Vertragsbeteiligten – von wem auch
immer – vor.
Ich wurde gefragt, ob ich noch einmal so etwas beurkunden würde und ob das moralisch vertretbar ist. Da sind wir bei einer Grundsatzfrage. Ich habe Ihnen vorhin gesagt, dass ich nach
den rechtlichen Grundlagen beurkundet habe. Zu diesen rechtlichen Grundlagen gehören auch
die Verbraucherschutzbestimmungen. Diese habe ich beachtet. Wenn wir allerdings in unserem Rechtsstaat bei der Wahrnehmung von Rechten, bei der Beurteilung von rechtlichen Regelungen das Kriterium „moralisch“ einführen, dann kommen wir in eine ganz schwierige
Situation. Das endete in unserer deutschen Geschichte meist bei der Willkür. Deswegen sage
ich Ihnen: Ich bin sehr froh, dass wir in einem Rechtsstaat leben. Ich beabsichtige auch weiterhin, rechtliche Normen so anzuwenden, wie sie mir der Gesetzgeber vorgibt, und nicht
nach den moralischen Maßstäben zu handeln, die irgendjemand hat. Wenn wir dazu kommen,
dann kommen wir zu einem juristischen Wildwest.
Dann bin ich beim letzten Punkt. Das war die Frage, wie ich über die Verbraucher denke, die
möglicherweise – was ich gar nicht weiß – eine Schrottimmobilie erworben haben. Da kann
ich Ihnen sagen: Diese Verbraucher brauchen kein Mitleid, sie brauchen jemanden, der ihnen
den Rücken stärkt, der für ihre Interessen kämpft und der sie voranbringt. Schon gar nicht
brauchen sie eine öffentliche Vorführung in irgendwelchen Medien. Davon bin ich fest überzeugt. Was ich Ihnen sagen kann und was mir auch allgemein unterstellt wird, ist: Ich bin
tatkräftig, ich will mich für diese Verbraucher einsetzen, werde es auch tun und das auch mit
aller Kraft, werde auch die entsprechenden Organisationen zu stärken versuchen, um konkrete
Hilfe zu bieten. Aber alleine zu sagen: Ich habe Mitleid und Mitgefühl –, das hilft keinem
einzelnen Verbraucher. – [Zuruf von Dr. Klaus Lederer(LINKE)] – Wie bitte? Dann habe ich
die möglicherweise nicht notiert, Herr Lederer!
Dr. Klaus Lederer (LINKE): Ich habe gefragt, ob Sie uns versichern können, dass nach Ihrer
Kenntnis Ihre Kanzlei, das heißt Sie oder Ihre Sozi, nicht an der systematischen, also wiederholten Beurkundung von Vertragsangeboten beteiligt waren, die den von mir beschriebenen
skandalösen Geschäftsmodellen entsprechen. Das möchte ich wissen. Das ist eine Frage, die
man mit ja oder nein beantworten kann.
Senator Michael Braun (SenJustVer): Ich habe Ihnen vorhin gesagt, dass ich ungefähr 500,
550 Notariate im Jahr gehabt habe und ungefähr drei bis vier Vertragsangebote, Kaufvertragsangebote, beurkundet habe. In keinem einzigen Fall hätte ich beurkundet, wenn ich gewusst
hätte, dass der Vorwurf, den Sie mit Ihrer Frage initiieren, vorhanden gewesen wäre, oder
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wenn ich davon ausgegangen wäre, dass in irgendeinem Fall etwas rechtlich nicht richtig gelaufen ist, etwas unredlich gewesen wäre. Dann hätte ich nicht beurkundet.
Dr. Klaus Lederer (LINKE): Nur noch mal zur Klarstellung: Ich habe keinen Vorwurf erhoben, sondern ich habe eine Frage gestellt, die sich auf Geschäftsmodelle bezieht, die ich erläutert habe, und ich habe nur gefragt, ob Sie Ihrer Kenntnis nach versichern können, ob Sie daran beteiligt waren oder nicht. Sie haben das jetzt beantwortet. Ich habe da nichts vorgeworfen.
Ich bestehe ich an dieser Stelle noch mal darauf, auch für das Protokoll.
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank, Herr Senator! Vielen Dank, Herr Kollege
Dr. Lederer! – Herr Dr. Behrendt!
Dirk Behrendt (GRÜNE): Danke schön, Frau Vorsitzende! – Danke schön, Herr Senator, für
diese klarstellenden Äußerungen! Wir nähern uns langsam der Erkenntnis – genau, wie Kollege Rissmann sagte –: Hat man wissen müssen als Berliner Notar in den letzten Jahren, wenn
man sich im Immobiliengeschäft beteiligt hat, von diesen kriminellen Machenschaften, deretwegen Herr Klug Haft sitzt? Hat man wissen müssen von diesem massenhaften Abzocken
von Berliner Verbraucherinnen und Verbrauchern, die ihr Vermögen dort aufgebracht haben,
um Schrottimmobilien zu kaufen? Oder hat man als Notar die Augen schließen können, hat
man als Notar die Ohren schließen und sagen können: Ich weiß überhaupt nicht, was hier passiert. In meiner Nachbarschaft weiß ich auch nicht. Die GRÜEZI kenne ich wie die anderen
Mieter im Haus. – Herr Braun! Die Frage war nicht, ob Sie privat mit denen bekannt oder
befreundet sind, sondern die Frage war, ob Sie geschäftlich mit der bei Ihnen im Haus sitzenden GRÜEZI oder mit deren unzähligen Strukturvertrieben Geschäfte gemacht haben in dem
Sinne, dass Sie deren Verträge beurkundet haben. Noch mal die Frage: Haben Sie denn nun
Verträge für Herrn Kai Klug, der seit Sommer in Untersuchungshaft sitzt – KK Royal Basement GmbH heißt die Bude –, beurkundet? Ich glaube auch, bei aller Schweigepflicht – es ist
ja anzuerkennen, dass Sie da nichts sagen können in bestimmten Rahmen – – Aber an der
Stelle liegen die Urkunden ja beim Grundbuch, wenn die Leute das gekauft haben. Da kann
man reingucken. Es gibt die Betroffenen hier im Raum. Das wird ja ohnehin alles bekannt.
Ich glaube, es wird nichts bringen, hier eine große Mauer des Schweigens aufzubauen, denn
die wird in den nächsten Tagen sehr schnell zusammenbrechen. Wenn Sie sich natürlich gar
nicht dazu einlassen, ob Sie jetzt KK Royal Basement – – Dann wird man Sie nicht daran
messen können, weil Sie gar nichts gesagt haben. Aber es wäre mir wichtig, ob Ihre Aussage,
die Sie eben getätigt haben, Sie würden in diesem Bereich keine Beurkundungen vornehmen,
weil das kriminelles Milieu ist, und Sie würden als Notar keinen Profit aus diesen ganzen Geschichten schlagen, bedeutet, dass Sie das bisher auch nicht getan haben. Noch mal: Thomas
Klinge, Kai Klug, GRÜEZI, die sind ja alle namentlich bekannt, die tauchen doch alle – wenn
es so war – in den Urkunden auf. Vielleicht sitzen ja sogar die Betroffenen hier und können
uns die Urkunden gleich zeigen. Haben Sie denn nun mit denen, für die die Verträge gemacht
oder nicht? Das ist auch in den Grundbuchämtern drin. Also es bringt, glaube ich, nichts, sich
jetzt hier dümmer zu machen, als man ist, weil das ohnehin das Licht der Öffentlichkeit erreichen wird. Das ist der Kern der ganzen Auseinandersetzung, und da hat der Kollege Rissmann
recht: Hätte man das wissen müssen? Ich habe so viele Indizien zwischenzeitlich, dass ich der
Meinung bin, man hätte es wissen müssen. Alles andere ist wirklich Abenteuerliches: Ich halte mir die Ohren zu, ich halte mir die Augen zu und nehme das alles nicht zur Kenntnis, weil
es mir ja keiner nachweisen kann. – Aber die Geflechte, die bei Ihnen im Haus – diese GRÜEZI saß an der gleichen Adresse – seit vielen Jahren ihr Unwesen treiben, ich glaube, da kann
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Wortprotokoll Recht 17/1
7. Dezember 2011
man als Notar, wenn man mit denen Berührung hat, nicht sagen: Das ist mir alles völlig unbekannt, ich kenne die alle nicht. – Wie gesagt, es war nicht die Frage, ob Sie privat mit denen
bekannt sind, sondern geschäftlich. Das wird eben sehr schwierig, sich da rauszuziehen, und
ich neige langsam dazu, dass Lorenz Maroldt im heutigen „Tagesspiegel“ doch recht hat,
wenn er nämlich schreibt:
Der Strukturvertrieb von Schrottwohnungen ist eine seit Jahren bekannte üble Sache.
Wenn Braun das als Immobiliennotar nicht bekannt war, ist er mit Sicherheit nicht in
der Lage, als Senator eine Verwaltung zu führen, schon gar nicht mit der Zuständigkeit
für Verbraucherschutz.
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank, Herr Dr. Behrendt! – In dem Zusammenhang
nur: Wir sitzen mit unserer Kanzlei mit Frau Claudia Roth in einem Haus. Ich nehme auch
nicht an, dass Sie meinen, dass das zwingend dazu führt, dass es Verquickungen geben muss.
Es gibt ja üblicherweise bei Geschäftssitzen auch andere Situationen. Ich würde gerne, weil
wir uns hier nicht über rechtliche, sondern über moralische Bewertungen unterhalten, bitten,
davon Abstand zu nehmen, dass der Herr Senator gebeten wird, von seiner Verschwiegenheitspflicht abzuweichen. Selbstverständlich können Berechtigte ins Grundbuch gucken. Wie
Sie wissen, Herr Dr. Behrendt, aber auch nur Berechtigte. Wenn die Beteiligten sich dazu
äußern möchten, können Sie das gerne tun. Sie wissen genauso gut wie alle anderen in diesem
Raum, dass darüber hinausgehende Äußerungen nicht möglich sind. Insofern würde ich also
darum bitten. Auch die wiederholten Fragen dazu machen es nicht besser. – Herr Dr. Lederer!
Dr. Klaus Lederer (LINKE): Ich werde jetzt nicht den ganzen Zettel noch mal vortragen,
weil ich auch das Gefühl habe, dass wir jetzt an einem Punkt sind, wo wir nicht weiterkommen. Ich will nur noch mal deutlich machen, dass „rechtlich“ und „moralisch“ an der Stelle
aus meiner Sicht vielleicht keine Gegenüberstellungen sind. Ich will jetzt hier auch nicht moralisch diskutieren, aber ich möchte es politisch diskutieren, und das ist mehr als rechtlich –
politisch in Bezug auf Verbraucherschutz, auf Eignung für Verbraucherschutz, auf Kenntnis,
Sensibilität für das Thema und dergleichen mehr vor dem Hintergrund dieser skandalösen
Praxis, die hier in Berlin offenbar eine gewisse Verbreitung gefunden hat. Mich interessiert
jetzt noch mal: Wann kann ich damit rechnen, dass meine Fragen, die sämtlich ohne Verletzung der Verschwiegenheitspflicht beantwortet werden können – ich habe bei ihrer Abfassung explizit darauf geachtet, Herrn Braun in keine Situation zu bringen, in der er zu einer
Amtspflichtverletzung veranlasst wird –, in der Sache tatsächlich beantwortet werden, und
zwar vollumfänglich?
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Herr Senator!
Senator Michael Braun (SenJustVer): Herr Dr. Lederer! Ich habe Ihnen die Fragen beantwortet. Ich habe gesagt, dass ich weit vor der Veröffentlichung im Heft „Finanztest“ von, wie
Sie sagen, branchentypischen Gepflogenheiten gehört habe, und zwar weil ich wie andere
auch manchmal im Internet recherchiere über das, was ich von Kollegen gehört habe, mit denen ich mich auch regelmäßig unterhalte. Gerade weil ich es wusste, meine ich, bei der Beurkundung besonders sorgfältig gewesen zu sein. Aber wenn Sie einmal im Internet recherchieren würden, würden Sie auch feststellen, dass über die hier genannten Firmen zu ganz unter-
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schiedlichen Zeitpunkten berichtet wurde und ich auch insofern erst Kenntnis haben konnte.
Aber selbstverständlich habe ich mir dieses wie vieles andere auch angeguckt.
Zu dem Urteil kann ich nur sagen: Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, ob es dieses Urteil ist, ich
kann Ihnen nur sagen, dass mir kein Urteil bekannt ist, wo einer derjenigen, die sozusagen
Kontakt zu mir hatten, vor einem Landgericht den Vertrag aufgehoben bekommen haben oder
wo gerichtlich festgestellt wurde – ich hatte es vorhin schon gesagt –, dass dort in den Vorgesprächen etwas gesagt wurde, was nicht mehr stimmte usw. Ein solches Urteil – ich kann Ihnen jetzt zu dem Aktenzeichen nichts sagen – kann ich nicht sagen usw. Das heißt – ich sage
es noch einmal –, ich bin gern bereit, diese Fragen zu beantworten, meine es allerdings auch
getan zu haben und glaube auch, dass die meisten Ihrer Fragen beantwortet sind, stehe Ihnen
aber gerne für weitere Fragen, die Sie vielleicht aufgrund der heutigen Besprechung hier im
Ausschuss noch haben, und für weitere Auskünfte zur Verfügung.
Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank, Herr Senator! – Dann liegen mir keine weiteren
Wortmeldungen mehr vor, sodass wir den Tagesordnungspunkt abschließen können.
Punkt 6 der Tagesordnung
Beteiligung des Ausschusses an
einem verfassungsgerichtlichen Verfahren
gem. § 44 Abs. 2 GO Abghs
nichtöffentlich!
0007
Recht
hier: abstrakte Normenkontrolle beim BverfG
- 1 BvF 4/11 - nichtöffentlich Siehe Inhaltsprotokoll.
Punkt 7 der Tagesordnung
Beteiligung des Ausschusses an
einem verfassungsgerichtlichen Verfahren
gem. § 44 Abs. 2 GO Abghs
nichtöffentlich!
0008
Recht
hier: Verfassungsbeschwerde beim VerfGH
- VerfGH 151/11 - nichtöffentlich Siehe Inhaltsprotokoll.
Punkt 8 der Tagesordnung
Verschiedenes
Siehe Inhaltsprotokoll.
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