Temposuche in Indien - Tempo Club Deutschland

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Temposuche in Indien - Tempo Club Deutschland
Langsam verschwinden sie
auch von Indiens Straßen:
Eine Dokumentation über
die letzten Tempo Dreiräder
im Alltagseinsatz. Seite 4
Die bunte Farb- und AufbautenVielfalt der 70-er Jahre lebte am
zweiten Mai - Wochenende in
Wilhelmsthal bei Eisenach
wieder auf. Einen Bericht vom
diesjährigen Hanomag Treffen
gibt's ab Seite 24
Inhalt
Auf Tempos Spuren in Indien
Dieselumbau - eine preiswerte Alternative?
Das komplette Mitgliederverzeichnis 2001
Parkplatz für Witze
Such und Find - Die Kleinanzeigen
Zu Besuch bei Kupferwurm und Wasserfloh
Hanomag Treffen in Eisenach
Von Winkern und Blinkern
Wer A hat - muss auch E kennen: Steckbrief A 400 von 1938
Ersatzteil Quellenverzeichnis
Das Tempo Clubarchiv
Vorschau auf den Tempo Geist 4 / 2001
Tempo Dienst, der Tempo Club in Deutschland
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Nach Indien, um Tempos zu findien
Eine Reise ins Land der lebenden Hanseaten und Matadore
von Konrad Hirsch
Meine Neugierde auf jenes Land stieg, in
welchem die einst in Deutschland
entworfenen Vehikel noch bis vor kurzem
nahezu unverändert produziert wurden
und dort nach wie vor auf den Straßen
als Transportmittel für Lasten und
Passagiere unterwegs sind.
Ich
selbst fahre ein Tempo-Hanseat
Dreirad, gebaut 2000 in Indien.
Wahrscheinlich ist es eine der letzten im
Tempo-Werk in Pune produzierten
Dreirad-Rikschas. Sieben Monate nach
der Bestellung bei einem bayerischen
Händler wurde ich im April 2000
Tempo-Eigner.
Der Sommer und die Touren auf drei
Rädern, die täglichen Fahrten durch
Dresden und
die weiteren
Ausfahrten bis
über die
Tschechische
Grenze waren
wunderbar.
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Der billigste Flug mit Aeroflot geht nach
Kathmandu, der Hauptstadt von Nepal. In
Nepal, dem Land mit dem höchsten Berg
der Erde zu Füßen des Himalaja, gibt es
keinen einzigen Tempo. Für Wanderund Hochgebirgsfreunde ist Nepal ein
Paradies. Zehn Tage im Kathmandu-Tal.
Eintauchen in eine andere Welt. Staunen
und
Bewunderung
besonders
eindrucksvoll sind die nepalesischen
Tempel und Stupas. Reisebusse fahren
von Nepal zur indischen Grenze. Nepal
hat weder ein großes noch gut
ausgebautes Straßennetz. Nach der
Landkarte grob geschätzt sind es
Tempo Geist Juli - September 2001
höchstens 200 Kilometer. Der Nachtbus
fährt 14 Stunden, macht irgendwann drei
Stunden Halt, und der Fahrer schläft. Es
wird kalt im Bus und zum Glück kann ich
aus
der
Gepäckklappe
meinen
Schlafsack angeln.
Zeitig komme ich morgens an der Grenze
in Sonauli an. Es ist nebelig. Drüben in
Indien startet in einer Stunde ein Bus
nach Varanasi, der heiligen Stadt am
Ganges. Die Spannung steigt: Werde ich
Tempos sehen? Nach drei Stunden Fahrt
entdecke ich aus dem Fenster des
Busses die ersten Hanseaten. Ich kann
nicht aussteigen, habe bis Varanasi
gebucht.
Tempos
stehen
am
Straßenrand,
kommen
dem
Bus
entgegen. Rikschas in erbärmlichem
Zustand.
schon gehört, dass es in Indien nicht
überall Hanseaten gibt. Trotzdem waren
die Tage in Varanasi wunderbar. Die
Atmosphäre am Ganges, wo die Hindus
ihr heiliges Bad nehmen, nebenan die
Wäsche gewaschen wird und an den
„burning Ghats“ die Menschen verbrannt
werden ist einzigartig und ein großes
Erlebnis.
Auch in Khajuraho, meiner nächsten
Station, keine Tempos - dafür aber
eindrucksvolle Tempel mit großartigen
Steinmetzarbeiten. Berühmt sind die
Tempel vor allem für ihre erotischen, in
Stein
gehauenen
KamasutraDarstellungen.
Zerbeult und zerkratzt rollen sie voll
besetzt auf der Landstraße. Nach
Varanasi sind es noch einmal zehn
Stunden. Und hinter Gorakhpur, der
größten Stadt auf der Strecke, ist kein
einziger Hanseat mehr auf den Straßen.
Auch in Varanasi finde ich später kein
einziges Tempo-Dreirad mehr. Ich hatte
beeindruckenden alten Ford: die ersten
Hanseaten hautnah! Es sind nur zwei
oder drei, die zwischen Orcha und der
nächsten Stadt Jahnsi pendeln. Auf der
etwa 15 Kilometer langen Strecke sind
inzwischen vor allem die moderneren
Minidor-Dreiräder aus dem Bajaj-TempoWerk unterwegs. Aber ich bin froh,
Tempo Dienst, der Tempo Club in Deutschland
Aber dann, in Orcha, einem kleinen Dorf
in herrlicher Landschaft mit einem
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wenigstens einige Tempo-Rikschas zu
finden und freunde mich mit den
Chauffeuren an. Ich zeige ihnen Fotos
von meinem Dreirad in Deutschland und
erkläre, dass es in Germany auf den
Straßen eigentlich keine Tempos gibt.
Doch das Erklären ist schwer, da die
indischen Tempo-Fahrer kaum englisch
sprechen. Die Fahrer, denen ich meine
Fotos zeige, denken, mein Beruf sei es in
Deutschland mit meinem Tempo Leute
zu transportieren.
In Orcha finde ich auch einen herrlichen,
blauen Tempo-Dreirad-Pritschenwagen
und staune darüber, dass manche
Rikschas ohne Motorhaube und ohne
Lichtmaschine unterwegs sind. Früh
werden sie angeschoben und tuckern
dann den ganzen Tag.
Bundesstaat Rajasthan, sind viele
Häuser rosafarben angestrichen deshalb der Name „Pink-City“. Bis vor
zwei Jahren soll die Stadt voll von
Tempo-Dreirädern gewesen sein. Man
hat mir erzählt, dass es dort bis zu
dreitausend Hanseaten gegeben hat.
Aber in der Stadt sind die Hanseaten nun
nicht mehr erlaubt - aus Gründen des
Umweltschutzes. Dafür fahren aber um
so mehr dreirädrige Autorikschas umher,
Nachbauten der italienischen Piaggios.
Diese Moped-Fahrzeuge mit ZweitaktBenzinmotor machen jedoch ganz sicher
mehr blauen Dunst als Tempos. Aber so
widersprüchlich ist eben Indien. Am
Stadtrand jedoch dürfen die Hanseaten
noch fahren und sind nach wie vor weit
verbreitet.
In Jahnsi sind viele Hanseaten auf der
Straße, Rikschas und Pritschen, meist
aber in erbärmlichem Zustand. Später in
Jaipur - der „Pink-City“ - habe ich
wunderbare Tempo-Erlebnisse. In Jaipur,
eine der interessantesten Städte im
Ich finde eine Autohandlung, die Firodia
Bajaj-Tempo vertritt und unterhalte mich
mit dem Chef. Noch bis zum
Produktionsstop im Februar 2000 hat er
auch Tempo-Dreiräder verkauft und viele
Matadore, die man in Jaipur in großer
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Tempo Geist Juli - September 2001
Zahl auf den Straßen findet - als
Schulbus,
Transporter
oder
Krankenwagen. Heute verkauft der
Händler
die
neu
entwickelten
Minidor-Dreiräder
und
die
unter
Mercedes-Lizenz gebauten Tempo Trax Jeeps.
am Ort, wie er mir erklärt. Unvorstellbar:
ein kleiner Raum mit Werkbank und
Schraubstock. Ansonsten wird unter
freiem Himmel repariert. Der Boden voller
Öl und einige Hanseaten mit geöffneten
Motorhauben und ausgebauten Motoren.
Ich fragte den Händler, wo in Jaipur eine
Reparatur-Werkstatt für Tempo-Dreiräder
ist und ob es einen Händler gibt, der
Teile für den Hanseat im Angebot hat. Er
gibt mir die Adresse vom „Gwalior Tempo
House“ und mit einer Fahrrad-Rikscha
lasse ich mich dorthin bringen. Der
Junior-Chef des kleinen Ladens ist sehr
nett und staunt, dass ich in Deutschland
einen indischen Hanseaten fahre. Ich
freue mich zu hören, dass er alle
Ersatzteile im Lager hat und sicherlich
noch in den nächsten zwanzig Jahren
liefern kann. Ich kaufe eine Kette und
einiges Zubehör bei ihm.
Dann fahren wir gemeinsam zu einer
Tempo-Dreirad-Werkstatt - der besten
Tempo Dienst, der Tempo Club in Deutschland
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In Jaipur sind keine Rikschas
unterwegs, sondern die
Dreiräder haben feste
Aufbauten, die wie kleine Busse
etwa zehn Fahrgästen einen
Sitzplatz bieten und wo von der
Rückseite eingestiegen wird.
Der Werkstattmeister und seine
Mitarbeiter können kein Wort
englisch, sind aber begeistert
von meinen Fotos und ich darf
bei der Arbeit zusehen. Wichtig
ist vor allem, dass nach der
Reparatur der Motor läuft.
Lampen, Blinker oder die ganze
Fahrzeugelektrik sind oft außer Betrieb.
Hauptsache, das Dreirad rollt...
Firodia Minidor - Erbe des Tempo Hanseat
Sechs Wochen bin ich im Norden Indiens
unterwegs. Um nach Pune zum
Tempo-Werk zu fahren reicht die Zeit
nicht. Die Entfernungen sind sehr groß
und die Züge oder Busse benötigen viel
längere Zeit als in Deutschland.
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Obendrein gibt es oft auch Verspätungen.
Aber
da
die
Hanseat-Produktion
inzwischen eingestellt ist und nur noch
Minidor - Dreiräder, Trax - Jeeps, Excel
Transporter und Kleinbusse sowie
Traktoren gebaut werden, verzichte ich
darauf nach Pune zu reisen.
Später in Matura sind eine ganze Menge
Rikschas unterwegs und ich fahre mit.
Wie Busse fahren die Hanseat Rikschas in Indien auf festen Strecken
und wer mitfahren will steigt zu. Die
Strecke von etwa 10 Kilometern kostet
pro Person fünf Rupien (etwa 23
Pfennig). Nachdem ich auch hier wieder
den Fahrern meine Fotos gezeigt habe
muss ich natürlich beweisen, dass ich
wirklich einen Tempo fahren kann.
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Also rückt der Fahrer rüber und ich muss Auf der Rückreise nach Nepal - von dort
die mit mindestens 18 Indern voll geht der Flug zurück nach Berlin - finde
besetzte Rikscha steuern.
ich in Gwalior noch eine Flut sehr gepflegter Tempo-Rikschas auf der Straße
Ein enges Abenteuer. Allein im Fahrer- und entdeckte sogar einen roten Kastenhaus sitzen auf der Vorderbank bis zu wagen von der indischen Post. Da schlug
vier Fahrgäste. Die Inder haben großen das Herz höher!
Spaß, dass ein weißer Mann aus Europa
die Tour fährt und ich bin ganz schön Inzwischen - wieder in Deutschland angespannt, denn die Bremsen sind blicke ich wehmütig auf meine Indienkaum ernst zu nehmen. Das heißt runter- Fotos, auf denen vor allem Hanseaten
schalten und Motorbremse ... Und dies abgelichtet sind. Und es ist sicher, dass
bei Gegenverkehr und langsamen ich in nächster Zeit wieder nach Indien
Ochsen- oder Kamelkarren auf der reisen werde um dort die letzten HanseaStraße neben dicken Lkws. Nach ten im Straßenverkehr und ihre Fahrer
indischem
Naturgesetz
haben
im mit der Filmkamera zu dokumentieren.
Straßenverkehr immer die Stärksten die Denn das Filmemachen ist meine Arbeit
Vorfahrt und der Hanseat gehört nun und ein Dokumentarfilm über die Inder
wahrlich nicht zu den Stärksten. Ich bin und ihre Tempos und die Deutschen und
froh, als der eigentliche Chauffeur wieder ihre Tempo Dreirad-Oldtimer wäre doch
das Steuer übernimmt, ohne dass ich wirklich spannend.
zuvor die Fuhre Inder in den
Straßengraben kutschiert habe.
Konrad Hirsch
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