Wahnsinnig in Form

Transcription

Wahnsinnig in Form
Das
Klassik
& Jazz
Magazin
4/2013
Verdi-CDs:
Jubeljahr oder
­M agerquark?
Trio Mönkemeyer:
Klassischer Ohrwurm
Rundfunkchor Berlin:
Luther statt Lena
Igor Levit:
„Jahrhundertpianist“
mit 26
An n a N e tr e b ko
Immer samstags aktuell
www.rondomagazin.de
Wahnsinnig
in Form
KLASSIK 2013
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DAS GROSSE H E F T DE R PR E IST R ÄGE R
Z U R ECHO K L ASSI K� GA L A
A M 6. OK TOBE R I M KONZE RT H AUS BE R L I N
I N T E RV I E WS, H I N T E RGRÜ NDE U ND R E PORTAGEN
DEMNÄCHST IM MUSIKHANDEL UND ONLINE UNTER WWW.ECHOKLASSIK.DE
Themen
Festivals:
Pasticcio:
Meldungen und Meinungen
aus der Musikwelt
Festival
4
Doktor Stradivari:
Ricordi:
Unternehmen Oper
5
Fanfare: Proben, Pleiten
Anna Netrebko:
Wahnsinnig in Form
Verdi CD-Neuheiten
Jubeljahr oder Magerquark?
Samos Young Artists
6
Musik-Krimi
und Premieren aus Oper
und Konzert
8
Gezischtes Doppel
der RONDO-Opernkritik
10
Rundfunkchor Berlin:
Luther statt Lena
CDs, Bücher &
12 Sammlerboxen
Igor Levit:
„Jahrhundertpianist“ mit 26
rondomagazin.de:
Geografie des Konzertlebens
Blind gehört:
Luca Pisaroni
Felix Klieser:
Russisches Halbdämmer,
­bayerisches Licht
Pablo Heras-Casado:
Allrounder zwischen
allen Welten
32
13
Abonnenten kriegen
was auf die Ohren
14
Klassik-CDs
mit der „CD des Monats“
15
für Stimmfachleute
Premieren-Abo:
Stimmen in HD-Qualität 18
Jazz-CDs
mit dem „Meilenstein“
18
34
35
Vokal total:
Neuerscheinungen
16
33
RONDO-CD:
Bücher:
Musik für Leseratten
Hörtest:
Verdi-Opern mit Scotto
und Caballé
20
Schätze für den
Gregory Porter:
Der Seelsorger
22
Boulevard:
36
40
42
44
Magazin:
Oper, Festival,
Konzerte
Musikstadt:
Mailand
31
Da Capo:
Trio Mönkemeyer:
Klassischer Ohrwurm
Kastraten-Arien:
Caffarinelli!
30
Plattenschrank
Bunte Klassik
45
46
Termine
Termine:
24
Opernpremieren
Termine:
Feierabendhaus:
Da stimmt die Chemie
26
Konzerte Klassik
Brucknerfest Linz
28
Termine:
Café Imperial:
Stammgast im Wiener
Musiker-Wohnzimmer
29
Festivals:
Mozart@augsburg
30
6
Lust auf Klassik?
www.reservix.de
Anna Netrebko:
Wahnsinnig in Form
Roachford
12
17.11.13
Fliegende Bauten
Hamburg
Richard
Clayderman
06.–13.09.13
26.11.13
Freiberg, Offenbach, Demmin,
Rostock, Potsdam, Hitzacker
Rundfunkchor Berlin:
Luther statt Lena
Jonny
Lang
14
08.10.13
Fabrik
Hamburg
Igor Levit: „Jahrhundertpianist“ mit 26
Akram Khan
Company
06.09.–26.11.13
Ryan
Leslie
20
Dresden, Lörrach, Düsseldorf,
Karlsruhe
& Band
01.10.13
Große
Freiheit 36
Hamburg
Hörtest: Verdi-Opern mit
Scotto und Caballé
47
48
Konzerte Jazz
50
Impressum
50
22
Württembergisches
Kammerorchester
Heilbronn
29.09.13–05.05.14
Ulm, Schwetzingen, Heilbronn,
Bad Säckingen, Wilhelmshaven
Zugabe:
Nettigkeiten von den
­Hinterbühnen dieser Welt
51
Tomasz Stanko: Graues
Licht, strahlende Sonne
3
www.reservix.de
Karten für 30.000 Veranstaltungen.
Meldungen und Meinungen der Musikwelt
Musikfreund oder Heuschrecke?
Flügel unter dem
Hammer: SteinwayFabrik in Queens,
New York
Da musste selbst Leon Botstein, der Musikalische Direktor des in New
York ansässigen American Symphony Orchestra, erst mal tief schlucken.
„Da hat er etwas mit einer großen moralischen Verantwortung gekauft“,
war Botsteins erste Reaktion auf einen Mega-Deal im börsennotierten
Musikalienhandel. Die Rede ist vom Verkauf der Klaviernobelmarke
„Steinway & Sons“ an den New Yorker Hedgefond-Manager John Paulson.
Nach einem Bieterwettrennen ging Paulson als Sieger durchs Ziel und
legte für das seit 1996 an der Börse notierte Traditionsunternehmen satte
512 Millionen Dollar (386 Millionen Euro) auf den Tisch. Andererseits
kann Paulson diese Summe wohl aus der Portokasse bezahlen. Denn
2007 gehörte er an der Wall Street zu den Finanzjongleuren, die mit ihren
unlauteren Wetten gegen Immobilienhypotheken Milliarden verdient
haben. Wie Dirigent Botstein reden ihm nun viele ins Gewissen, Steinway nicht zum Spekulationsobjekt verkommen zu lassen. Aber vielleicht
tut man Paulson wirklich unrecht und er ist tatsächlich ein Musikliebhaber. Immerhin stehen in seinem Appartement gleich drei Steinways in
den Größen M, O & B. Und erst im letzten Jahr spendete er dem örtlichen
Konservatorium 100 Millionen Dollar. gf
Applaus, Applaus!
Können die
Deutschen am
längsten? Der
Applaus
Wer hat diesen Moment im Konzertsaal nicht schon einmal miterlebt.
Kaum ist der erste Satz einer Klaviersonate verklungen, juckt es den
Nebenmann schon in den Händen. Doch nach zwei-, dreimal Klatschen
wird er gleich vom empörten Rest des Publikums als Musikbanause
niedergezischt. Diese Erfahrung widerspricht jedoch einer These von
schwedischen Musikwissenschaftlern, die in einer Studie das Klatschverhalten im Konzertsaal unter soziologischen Aspekten untersucht
haben. Denn wie man herausgefunden hat, ist Applaus immer ansteckend. Beginnt der eine, folgen ihm sofort die anderen. So weit ein Ergebnis intensiver Forschungsarbeit. Handfestere Fakten liefert die von
Richard Mann von der Universität Uppsala geleitete Studie aber auch. So
klatscht im Durchschnitt jeder Konzertbesucher lediglich zehn Mal. Und
im internationalen Verhalten hat man natürlich auch Unterschiede festgestellt. In den USA etwa kann man es nicht abwarten, bis der letzte Ton
verklungen ist, um seiner Begeisterung auch mit lautem Gejohle Ausdruck zu verleihen. In Deutschland dagegen herrscht zunächst für ein
paar Sekunden andächtige Stille – bevor man sich dann in einen wahren
Rausch hineinsteigern kann. Schließlich sollen die Deutschen weltweit
das am längsten applaudierende Publikum stellen. gf
RONDO auf der ECHO Klassik-Gala 2013
Gemischtes Doppel:
Rolando Villazón
und Nina Eichinger
4
Am 3. Juli hatte sich die Jury einen langen Tag hinter verschlossene Türen
in der Geschäftsstelle des Bundesverbands der Musikindustrie zurückgezogen, nun stehen die Gewinner der ECHO Klassik-Preise 2013 fest. Zum
ersten Mal in diesem Jahr war auch die RONDO-Redaktion durch Chefredakteur Carsten Hinrichs unter den Juroren vertreten und gestaltete die
Preisvergabe aktiv mit. Höhepunkt ist die traditionelle Gala im Berliner
Konzerthaus am 6. Oktober, die leicht zeitversetzt vom ZDF zur besten
Sendezeit ausgestrahlt werden wird. Mit musikalischen Kostproben bedanken sich Tenor Jonas Kaufmann, Mezzosopranistin Elīna Garanča,
Cellistin Sol Gabetta und der Violinist Daniel Hope im Rahmen der Gala für
die Auszeichnung. Begleitet werden sie vom Konzerthausorchester unter
der Leitung von Omer Meir Wellber. Das Moderatoren-Duo Nina Eichinger
und Rolando Villazón hat seine erneute Teilnahme ebenfalls bestätigt. ch
Leserbriefe
Zum Artikel „Norma von vorn“ in RONDO
03/2013
Bartoli befreite den Belcanto von einer „dicken Patina, die sich in den letzten 150 Jahren
angesammelt hat“, schreibt Herr Niemann.
Hat denn der Autor noch nie eine Aufnahme der Norma mit Maria Callas gehört. […]
wie steht es mit Joan Sutherland, mit Montserrat Caballé, Leyla Gencer, Elena Souliotis? Von Rosa Ponselle möchte ich gar nicht
anfangen zu reden. Das sind einige der großen Interpretinnen der Rolle, die Frau Bartoli in ihrem pseudo-wissenschaftlichen Booklet unter „verismo“ Interpretationen der Rolle abtut. […] Ich frage mich, was genau Frau
Bartoli unter „belcanto“ bzw. unter „verismo“
versteht. Verdienen solche Giganten der klassischen Musik unter dem Begriff „dicke Patina“ subsummiert zu werden?
Prof. Dr. Ioannis Mylonopoulos, New York
„Rondo in neuem Gewand“ (via XING)
Als passionierter Musikliebhaber nutze ich
die Gelegenheit gerne, ein Füllhorn des Lobes
über das Rondomagazin auszuschütten. Die
Auswahl der rezensierten Aufnahmen entspricht zum großen Teil meinem Gusto.
Was mich am meisten freut, ist (wie zum Beispiel beim von mir hochgeschätzten Hilliard Ensemble) der Sachverhalt, dass nicht
alle Kritiken für einen Interpreten in dieselbe Richtung gehen, sondern eine Differenzierung stattfindet. Mit großem Vergnügen lese
ich die Leserbriefe, die uns immer wieder die
Subjektivität des Hörens und somit des Rezensierens vor Augen halten.
Den Kauf einiger meiner Lieblings CDs (z.B.
Schuman op.11 und 16 - Perahia) verdanke ich
Ihrem Rezensenten. Und schließe mit einem
Satz aus seiner Schumann Rezension: „Wir
wurden reich beschenkt“.
Ulrich Staab
Zum Artikel „Operette sich wer kann“ in
RONDO 03/2013
Operette; - ich bitte Sie, - das ist doch wie ein
Glas Sekt, das ist doch wie ein freudiger Impuls an die Decke zu springen. Wer vermöchte da zu refüsieren?! Wenn dann ein wirklich
charmanter Tenor den Damen gesteht „Gern
hab ich die Fraun geküßt“ da bleibt doch kein
Auge trocken, das ist doch dann ein einziger
Jubel, ein Wohlbefinden sondergleichen. „Die
Operette kehrt zurück“ schreibt Ihr Autor Robert Fraunholzer, keineswegs: Die Operette
war und ist stets gegenwärtig!
Philippe Ravenna, Bath
Fotos: Monique Wuestenhagen
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Dirigentin Marin Alsop gilt bei Brahms Musik seit langem als eine
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Requiems mit dem MDR Leipzig Radio Chor und Symphonie
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Ricordi und Verdi – selten war eine Beziehung
zwischen Komponist und Verleger so eng. Davon
erzählt eine Ausstellung in Berlin und Gütersloh.
Von M at t h i a s S i e h l e r
Foto: Archivio Storico Ricordi
O
b die Besucher der weltberühmten
Brea Galerie in Mailand ahnen,
dass unter ihren Füßen noch
ganz andere Schätze liegen?
Oben die Bilder und unten die Noten, Raffael
und Mantegna in der Belle Etage, Verdi und
Puccini im Zwischengeschoss. Wie in einen
Schiffsbau, so steigt man in der (wie auch
die Scala ebenfalls) von Maria Theresia gegründeten Biblioteca Nazionale Braidense
im Palazzo Brea enge Treppen herab, windet
sich durch mit Folianten und alten Akten gefüllte Korridore, um nach schweren Schlössern
und einer Klimaschleuse schließlich im
Archivio Storico des ehrwürdigen Verlagshauses Ricordi zu landen. Seit dessen Verkauf an Bertelsmann 1994 ist es in deutscher
Hand. Das Unternehmen und die Verlagsrechte sind inzwischen an Universal weitergereicht, doch von Gütersloh gesteuert betreuen nach wie vor drei Mitarbeiter diese
unschätzbare Sammlung, die Italien nicht verlassen darf. Auch wenn im Geburtsland der
Oper der Sinn für klassische Musik seit der
Berlusconi-Zeit schwer gelitten hat, die Autografe Rossinis, Bellinis und Donizettis sowie
vieler vergessener Kleinmeister – vor allem
aber die Originale Verdis und Puccinis samt
dem vollständigen Schriftverkehr der beiden
Titos mit dem Verkaufsgenie Giulio Ricordi −
sind Inkunabeln der Musikgeschichte. Die hier
sorgsam gepflegt, restauriert, der Forschung
zugänglich gemacht und für Ausstellungen
verliehen werden.
In der 1808 gegründeten Musikinstitution
wurde offenbar alles aufgehoben. Man druckte
hier Werbeplakate, gab Zeitschriften heraus,
kümmerte sich wie heute bei Megamusicals
um die Ausstattung und Inszenierung der Uraufführungen und späterer Produktionen.
600.000 Seiten umfasst allein die Verlagskorrespondenz, man hütet 6000 Fotos, 10.000
Kostüm- und Bühnenbild-Entwürfe auf über
1000 Regalmetern.
Diesen Schatz möchte Bertelsmann jetzt
bekannter machen und veranstaltet deshalb
in der Berliner Unternehmensvertretung eine
kostbare Ausstellung, die anschließend nach
Gütersloh weitergereicht wird. Anlässlich des
200. Geburtstages von Giuseppe Verdi wird
am Beispiel von dessen letzten, mit seinem
Wunschlibrettisten Arrigo Boito konzipierten
Werken „Otello“ und „Falstaff“ deren Musiktheater-Genese gezeigt, von der ersten,
brieflich festgehaltenen Idee bis zur Uraufführungskritik, denn alles das ist im RicordiArchiv vorhanden. Nicht nur für Opernliebhaber ein Muss.
Unternehmen Oper
30.8.–15.9. Bertelsmann Repräsentanz in
Berlin, Unter den Linden 1
7.–21.10
Gütersloh, Theater,
Barkeystraße 15
5
CTH26015
Beethovens Liedschaffen zum ersten Mal auf CD – mit ungekürztem
Text und in sämtlichen Fassungen gemäß der Gesamtausgabe. Ein
musikalischer Kosmos von großer musikalischer Schönheit, der
selbst für den Kenner Überraschungen bereit hält und ein lebendiges Panorama der Lebens- und Gedankenwelt des 18. und 19.
Jahrhunderts entfaltet.
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Christian Tetzlaff wurde für seine Aufnahme der Violinkonzerte von
Mendelssohn und Schumann (ODE 1195-2) mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik 2011 geehrt. Die Auswahl der Sonaten für
Violine und Klavier von Robert Schumann ist gleichzeitig eine
Darstellung der Entwicklung des Komponisten.
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ODE1205-2
Anna Netrebko Wahnsinnig in Form
10 Jahre Deutsche Grammophon, doch erst das
vierte Studioarienalbum. Das macht neugierig
auf Anna Netrebkos „Verdi“. Zudem ist die Sängerin zur Frau gereift. Von M at t h i a s S i e h l e r
D
ie eine lackiert in nicht ganz wettkampfkorrekten Farben ihre Nägel,
die andere prostet bei einem
Empfang einem Herren mit dem
Champagnerglas zu. Das sind zwei politische
Statements, wie sie unterschiedlicher nicht
sein können. Und die doch die gleiche Person
meinen.
Die regenbogenbunten Fingerkuppen, mit
denen zwei schwedische Athletinnen bei der
Leichtathletik-WM in Moskau
angetreten sind, soll man als
solidarischen Protest gegen
Wladimir Putins Anti-Homosexuellen-Gesetzgebung
begreifen. Das an sich harmlose
Partyfoto von der Eröffnung der
zweiten Bühne des St. Petersburger Mariinski Theaters,
bei dem Anna Netrebko ihrem
Präsidenten mit dem Glas die
Ehre erweist, wurde hingegen
nicht nur bei den Klassikbloggern als neuerlicher Gunstbeweis der
Sängerin für den starken Mann im Land interpretiert.
Seit freilich Putins Regierung gegen
Schwule hetzt und in Russland alte Ressentiments schürt, muss sich Netrebko von der
nicht nur heterosexuellen Opernwelt vielerlei Vorwürfe gefallen lassen. Vor allem in
Amerika, wo sie am 23. September in New
York die Saison der Metropolitan Opera mit
einer Galapremiere von Tschaikowskis „Eugen
Onegin“ eröffnet, reagiert man bei solchen
offiziellen Anlässen gern politisch überkorrekt.
Deshalb haben sowohl Netrebko als auch
die Met auf ihren Webseiten mit Statements reagiert, dass sie niemanden diskriminieren; die Oper sprach es
offensiver aus, die Sängerin
verhaltener. Und trotzdem wird klar:
Anna Netrebko ist nicht nur ein Fantasiegeschöpf, sie muss sich mit der Lebenswirklichkeit auseinandersetzen. Auch sie wird
älter. Zehn Jahre Aufnahmetätigkeit für die
Deutsche Grammophon beweisen das deutlich. Zehn Jahre, in denen sich ihre Stimme
und auch ihre Rollen verändert haben. Die Zeit
der netten Leichtgewichtigen ist vorbei: Adina,
Norina, Juliette, Massenets Manon, selbst die
eher Kummer gewohnten Bellini-Heldinnen
Amina
und
Elvira,
auch
Donizettis
männermordende
Lucia und Verdis Traviata, sie
gehören inzwischen der Vergangenheit an.
Die
41-jährige
Anna
Netrebko ist hingegen auf dem
Weg zur hässlichen Stimme.
Nicht unbedingt das Ideal, das
man sich für eine klassische
Gesangskarriere wünscht.
Aber schließlich gilt es
den Thron als Primadonna assoluta der großen
Sopranistinnenwelt zu verteidigen. Und Netrebkos
Strategie heißt: Addio Fräulein, ciao Frau! Gerade ist
das mit Giuseppe Verdis
siebter Oper „Giovanna
d‘Arco“ konzertant bei
den Salzburger Festspielen glänzend aufgegangen.
Die
Netrebko
triumphierte – und
so war dieser
Addio
Fräulein,
ciao
Frau!
6
Salzburger Auftritt natürlich auch der Anlass, um ihr neues Album vorzustellen. Das
heißt schlicht „Verdi“ und ist, abgesehen vom
schlimm schlank-gephotoshopten Cover, eine
höchst erfreuliche Angelegenheit. Weil eine
Sängerin auf dem Höhepunkt ihrer künstlerischen Mittel lustvoll neugierig frisches
Rollenfutter austestet, das sie größtenteils
künftig auch live präsentieren wird.
Neben der Jungfrau von Orléans folgen
jetzt die vokalen VerdiSchwergewichte
des
Spinto -Sopranfachs
– zum Beispiel die
„Trovatore“-Leonora, die
sie erstmals live Ende
November unter Daniel
Barenboim am Berliner
Schiller-Theater singen
wird. Für die nobel
kühle, hier in ihrer
großen Arie fast ein
wenig zu tintodunkel
gesungene
Königin
Elisabetta aus dem „Don
Carlo“ wie auch für die fast grell sich in ihrem
Bolero kurz vor dem Massenmord-Ende
nach Leben verzehrende Herzogin Elena
der „Vespri Siciliani“ gibt es noch keine
fixierten Auftrittsdaten.
Freilich aber für eine andere Oper,
deren Wahl hier sicher am Ungewöhnlichsten anmutet: Verdis „Macbeth“ mit
seiner das Morddrama vorantreibenden,
am Ende wahnsinnigen Lady. Eine Lady,
der Anna Netrebko dennoch einen Rest
an menschlichem Gefühl zugestehen will,
die gerade wegen dieses emphatischen Umnachtetseins zugleich eine der gestalterisch
differenziertesten Soloszenen der ganzen
Literatur ist. Und über die Verdi gesagt hat:
„Ich möchte die Lady hässlich und böse, ich
möchte für die Lady eine raue, erstickte,
dumpfe Stimme.“
Generationen von Sängerinnen haben versucht, diesen folgenschweren ästhetischen
Vorgaben Genüge zu tun – die aber nur
metaphorisch zu verstehen sind. Die Netrebko
– im Verein mit ihrem bewährten DirigentenBegleiter Gianandrea Noseda sowie dem idiomatisch, aber ein wenig kraftlos klingenden
Turiner Opernorchester – schwärzt also ihre
Stimme, macht sie dumpf, lässt sie flackern.
Und weichzeichnet so auch ein wenig. Da
ist ein großes, ehrliches, gestalterisches Bemühen zu hören, doch an die in Weißglut
flackernden, auf der Bühne erprobten Attacken
einer Maria Callas darf man dabei nicht
denken. Bei den nächsten Münchner Opernfestspielen wird Anna Netrebko diese Partie
auch auf der Bühne verkörpern. Eine deutsche
Operettenrolle zu Silvester 2015 könnte den
Weg bereiten für die für 2016 in Dresden unter
Christian Thielemann avisierte „Lohengrin“Elsa als erstem Wagner-Versuch. Und dann
stehen auch noch Norma und Puccinis deutlich dramatischere Manon im Kalender. Alles
Rollen, die auch als Frauen handeln, sich nicht
nur passiv treiben lassen.
Zur Saisoneröffnung in New York steht
Netrebko (nach dem erfolgreichen WienDebüt) ein zweites Mal als Tschaikowskis Tatjana auf der Bühne.
Gleichzeitig deutet
die Repertoireauswahl
bei
ihrem
bald auf DVD erscheinenden Konzert
auf dem Roten Platz
auf die Eroberung
des Verismo-Fachs.
Und auch auf dem
französischen Ter­
rain ist 2014 mit der
Gounod-Margarethe
eine Novität geplant.
„Ich möchte die
Lady hässlich und
böse, ich möchte
für die Lady eine
raue, erstickte,
dumpfe Stimme.“
G. Verdi
Die Netrebko ist fleißig und klug, sie weiß
genau: Wer an der Spitze bleiben will, muss
sich wandeln, muss die Stimme frisch halten,
sie füttern, sie aber auch mit Lebenserfahrung
anreichern. Genau das ist Anna Netrebko auf
ihrer neuen, im Elegischen schwelgenden,
dabei kraftvoll zupackenden CD gelungen.
Neu erschienen: Anna Netrebko: Verdi (mit
Noseda, Orchestra Teatro Regio Torino), DG/
Universal
Abonnenten-CD: Track 1
Die nächsten Auftritte:
29.11.,04./07./11./15./19./22.12.
Berlin, Staatsoper im Schillertheater (Leonora,
„Trovatore“)
02./05./10.05.2014
Wien (A), Staatsoper (Margharete, „Faust“)
Schwerere
Stimme, wunderschöne Linien
Rondo: Sie bringen – pünktlich zum
Jubiläumsjahr – erstmals ein Album heraus,
das ausschließlich Verdi-Partien enthält. Wie
liegen Ihnen diese Rollen stimmlich?
Anna Netrebko: Verdi zu singen ist immer
schwierig. Es bedarf viel Vorbereitung, einer
guten Technik, Atemkontrolle und so weiter –
und natürlich muss man ein paar grundsätzliche Regeln beherzigen. Aber wenn man all
das hat, dann ist Verdi eigentlich gut für die
Stimme. Seine Musik hält sie in Form. Denn
wenn die Stimme nicht in Form ist, wird man
gar nicht in der Lage sein, die Aufführung zu
Ende zu singen. (lacht)
Was ist es, das Sie persönlich an Verdis
Musik so sehr schätzen?
Diese Musik ist so voll von ganz unterschiedlichen Emotionen, von unendlich langen,
wunderschönen Linien, Strettas, seine Tempi
– unglaublich! Es ist ein außergewöhnliches
Vergnügen für jeden Sänger, diese Musik zu
singen.
Was sind denn andererseits die Schwierigkeiten, die sich in Verdis Partien stellen?
Man braucht eine etwas schwerere Stimme als
zum Beispiel für Belcanto oder Mozart, und
natürlich den entsprechend großen Stimmumfang. Außerdem muss man in der Lage
sein, mit seinem Piano und Staccato umzugehen, Agilität und Flexibilität kontinuierlich auf hohem Niveau zu halten. Und das alles
kombiniert mit einem schweren, massiven
Klang, der sich gegenüber dem Orchester und
manchmal noch dazu gegenüber dem Chor
durchsetzen muss. Das fordert einem schon
einiges ab.
Besteht ein Unterschied, ob man eine Rolle
für die Bühne erarbeitet oder für eine Aufnahme?
Die „Wahnsinnsszene“ der Lady Macbeth für
das Album aufzunehmen, war sehr schwierig.
Ich habe sie bereits im Juli 2012 einmal gemacht, aber ich mochte das Ergebnis überhaupt nicht. Irgendetwas fehlte. Es hat mich
einfach nicht berührt. Also habe ich mir ein
paar Monate Auszeit genommen, um darüber
nachzudenken. Nach einem halben Jahr habe
ich es noch einmal aufgenommen und diesmal stimmte es. Auf der Bühne ist es einfacher,
denn die Bewegungen und die Bühne selbst,
auch wenn sie minimalistisch und ganz verrückt ist, hilft einem, und auch der Partner
trägt eine Menge bei.
Das Interview führte Oda Tischewski.
7
Verdi-CD-Neuheiten Jubeljahr oder
­Magerquark?
Quantitativ könnte die CD-Ausbeute einen Nachschlag
vertragen, qualitativ aber darf man mehr als zufrieden
sein. Von M ic h a e l Blü m k e
B
is vor wenigen Wochen
hätte man glauben
können, 2013 wäre ausschließlich ein WagnerJahr. Doch jetzt trudeln nach und
nach die ersten Verdi-Neuheiten
ein. Bei den Opern allerdings
herrscht nach wie vor Stille.
Lediglich von der „Messa da
Requiem“ (Decca/Universa) ist
uns eine neue Aufnahme ver-
8
gönnt.
Die
aber hat es in
sich. In dem
M a i­l ä n d e r
Live-Mit­
schnitt vom
August vergangenen Jahres sorgt
ein inspi­rier­ter Daniel Ba­renboim
ebenso für aufwühlende Drama­
tik wie für delikate Innigkeit. Vier
großartige Solisten (Anja Harteros,
Elīna Garanča, Jonas Kaufmann,
René Pape) singen und gestalten
wunderbar differenziert, ziehen
also nicht wie oft üblich eine
Vokal-Show ab, sondern liefern
das beeindruckendste Requiem
seit 30 Jahren. Auch Chor und
Orchester der Scala leisten ganze
Arbeit. Exemplarisch!
Ansonsten muss man mit
Arienprogrammen vorlieb neh­
men. Und da scheinen die Tenöre
die Alleinherrschaft für sich proklamieren zu wollen. Nur eine
weibliche Stimme ist in diesem
Männerchor zu vernehmen: Anna
Netrebko präsentiert nach fünf
Jahren wieder einmal eine SoloCD. Die hervorragend gelungen
ist, auch wenn man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass
die Auswahl nach Marketingstrategischen Erwägungen getroffen wurde. Unter den fünf
Partien finden sich nämlich drei,
in denen die Sopranistin dem­
nächst de­
bütieren wird. Was
nichts an der Qualität ändert. Ihre
Lady Macbeth,
mit der sie
„Verdi“ (DG/Universal) eröffnet,
ist eine Wucht.
Schon
beim
Lesen des Briefes in der Auftrittsszene horcht man auf, doch fas­
ziniert Ne­
trebko in allen drei
Lady-Arien (nur das Brindisi aus
dem zweiten Akt wurde ausgespart) mit ungeheurer Leiden­
schaftlich­
keit.
Nach
dieser
Intensität gleich zu Beginn haben
es die anderen Ausschnitte
Foto: Decca/Marco Brescia
Das beste
Requiem seit
30 Jahren:
Harteros,
Barenboim,
Kaufmann und
Pape in der
Scala.
schwer mitzuhalten, aber bis auf
eine etwas schwächere Trou­
badour-Leonora bieten alle ein
hohes Niveau.
Abon­nen­tenCD: Track 1
Neben der Russin sind es drei
Tenöre und ein ehemaliger, die
eine Hommage zum Verdi-Jahr
beisteuern. Plácido Domingo
verlegt sich seit
einigen Jahren
auf
Baritonrollen und hat
folgerichtig ein
Album mit den
tiefer gelegten Verdi-Helden
aufgenom­
men.
Leider
ist
„Domingo Verdi“ (Sony) aber nur
eingefleischten Fans zu emp­
fehlen. Zu müde und leiernd
klingt die Stimme, auch bereiten
ihm mittlerweile selbst Baritonhöhen unüberhörbare Schwierigkeiten. Sehr erfreulich hingegen
Rolando Villazón, der seit seiner
schweren Stimm­krise nie besser
war als auf „Villazón Verdi“ (DG/
Universal), wo
er auch mit
frühen Arien
und Liedern zu
hören ist. Ein
wahres Juwel
ist Jonas Kaufmanns Debüt beim
neuen Label, „The Verdi Album“
(Sony) ist exzellent gesungen und
textlich sorgfältigst gestaltet.
Abonnenten-CD: Track 13
Bleibt noch die derzeit
prächtigste Tenorstimme im
italienischen Fach, die eine Tophöhe mit dem nötigen Squillo vereint, ihren Besitzer Piotr Beczala
hier aber auch des Öfteren zum
Angeben verleitet („Verdi“, Orfeo).
Wer wissen möchte, wie man
Verdi früher gesungen hat, wird in
der „Singers“-Reihe von Sony
fündig. Dort wurde dankenswerterweise ein ganzer Stapel von
Recitals wiederveröffentlicht, die
ohne
Einschränkungen
zu
empfehlen sind. Auch die FrauenQuote fällt mit sechs Sopranen
gegenüber zwei Tenören und
einem Bariton deutlich höher aus
als bei den aktuellen Neuheiten.
Das älteste Album datiert aus den
frühen 50er-Jahren und macht
mit einer der großen Met-Primadonnen bekannt, die in Europa
allerdings nie so richtig bekannt
wurde: Eleanor Steber („Verdi
Heroines“). Aus dieser Zeit
stammt auch
die Arien-Auswahl
mit
Leonard War­
ren, einer der
üppigsten,
sonorsten Bariton-Stimmen überhaupt („Verdi Baritone Arias“). Ein
ähnliches Schicksal wie Steber
war auch Eileen Farrell beschieden, die in den USA ein
echter Star war, deren Name bei
uns aber bis heute nur Eingeweihten ein Begriff ist – sehr zu
Unrecht, denn ihren enorm
voluminösen, dabei stets flexiblen
dramatischen Sopran sollte man
gehört haben („Verdi Arias“).
Zusammen mit Richard Tucker
hat sie 1961
auch fünf Duet­
te aus späten
Ve r­d i - O p e r n
auf­ge­n om­m en
(„Great Duets
From Verdi Operas“). Doch hat
Tucker drei Jahre danach auch
eine eigene Platte eingespielt
(„Richard Tucker Sings Arias From
Ten Verdi Operas“). Ein ganz besonderes und unbedingt hörenswertes Schmankerl ist mit Anna
Moffos „A Verdi Collaboration“
nach sehr langer Zeit wieder erhältlich.
Auf
die weniger bekannten Arien
hat sich Montserrat Caballé
1967 in bestechender vokaler Verfassung
konzentriert („Verdi Rarities“). Bei
Leontyne Price sind es dage­gen
A u s s c h n i t­t e
aus popu­lä­ren
Opern („Ver­di
Heroines“), die
da auf zwei CDs
– auch aus
Gesamtaufnahmen – zusammengestellt sind. 1974 brachte Renata
Scotto ein Verdi-Album heraus,
auf dem sie mit der ihr eigenen
Hingabe überzeugt („Renata
Scotto Sings Verdi“). Letzter in
diesem illustren Kreise ist
Luciano Pavarotti, der Ende der
70er-Jahre bravourös geratene
Ersteinspielungen von einem
halben Dutzend Alternativarien
vorlegte („Premieres“).
9
BASF-KULTURPROGRAMM
2013/2014
Höhepunkte
LYNN HARRELL Violoncello
02.10.2013 I 20 Uhr I BASF-Feierabendhaus, LU
Pavel Gililov, Klavier
FRANK PETER ZIMMERMANN Violine
28./29.10.2013 I 20 Uhr I BASF-Feierabendhaus, LU
Dt. Staatsphilharmonie RLP I
Karl-Heinz Steffens, Dirigent
ENJOY JAZZ
MICHAEL WOLLNY QUARTET
30.10.2013 I 20 Uhr I BASF-Feierabendhaus, LU
ENJOY JAZZ: DEUTSCHLANDPREMIERE
E.S.T. SYMPHONY
ORCHESTRAL MUSIC OF THE
ESBJÖRN SVENSSON TRIO
03.11.2013 I 20 Uhr I BASF-Feierabendhaus, LU
Rheinische Philharmonie Koblenz
MARIZA: „WORLD TOUR 2013“
22.11.2013 I 20 Uhr I BASF-Feierabendhaus, LU
PROGRAMMPREMIERE
LISA BATIASHVILI Violine
27.11.2013 I 20 Uhr I BASF-Feierabendhaus, LU
François Leleux, Oboe I
Sebastian Klinger, Violoncello I
Peter Kofler, Cembalo
DEUTSCHE ERSTAUFFÜHRUNG
I CAMERISTI DELLA SCALA DI MILANO
11.12.2013 I 20 Uhr I BASF-Feierabendhaus, LU
SOL GABETTA Violoncello
21.01.2014 I 20 Uhr I BASF-Feierabendhaus, LU
Bertrand Chamayou, Klavier
CHILLY GONZALES:
„PIANO TALK SHOW W/QUINTET“
26.01.2014 I 20 Uhr I BASF-Feierabendhaus, LU
VIKTORIA MULLOVA Violine
05.02.2014 I 20 Uhr I BASF-Feierabendhaus, LU
Paolo Giacometti, Hammerklavier
MIKLÓS PERÉNYi Violoncello
20.02.2014 I 20 Uhr I BASF-Feierabendhaus, LU
Benjamin Perényl, Klavier
GRIGORY SOKOLOV Klavier
20.03.2014 I 20 Uhr I BASF-Feierabendhaus, LU
MISCHA MAISKY Violoncello
25.03.2014 I 20 Uhr I BASF-Feierabendhaus, LU
Prague Philharmonia I Aldo Sisillo, Dirigent
RAFAŁ BLECHACZ Klavier
10.04.2014 I 20 Uhr I BASF-Feierabendhaus, LU
Das Programmheft und Tickets erhalten Sie unter Tel. 0621-60 99911, an allen
eventim-VVK-Stellen oder unter www.basf.de/kultur
Gassenhauer-Trio Klassischer Ohrwurm
Mit dem Trio Mönkemeyer, Hornung und
Rimmer widmen sich drei passionierte
Kammermusiker der Kunst der Bearbeitung.
Von Tobi a s H e l l
D
as Wort „Gassenhauer“ kennt
man seit dem 16. Jahrhundert,
doch auch davor gab es natürlich
bereits Melodien, die so einprägsam waren, dass sie auf allen Gassen und
Straßen von den Menschen gesungen oder von
anderen Musikern aufgegriffen wurden. Im
10
Laufe der Musikgeschichte finden sich zahlreiche Variationen und Fantasien, mit denen
Komponisten den Melodien ihrer großen
Vorgänger gehuldigt und ihnen teilweise zu
noch größerer Popularität verholfen haben.
Musikalischer Ausgangspunkt und Namensgeber für das erste gemeinsame Album des
Trios Nils Mönkemeyer, Maximilian Hornung
und Nicholas Rimmer war dabei Beethovens
„Gassenhauer-Trio“, das auch bei der bevorstehenden Tournee im Zentrum steht.
„Die Live-Konzerte haben dann aber doch
eine etwas andere Dramaturgie. Was die Auswahl und Reihenfolge angeht, folgt eine CD
nämlich ganz anderen Gesetzen.“ Was für
Cellist Maximilian Hornung nicht von Nachteil sein muss. „Das ist einfach eine ganz
eigene Kunst und vor dem Mikro kann man
sich Feinheiten erlauben, die live eventuell
untergehen. Eines aber haben Studio- und
Live-Aufnahmen gemeinsam: Es sind beide
Momentaufnahmen.“ Ein Moment, dem aber
auch in diesem Fall natürlich eine wochenlange Vorbereitung vorausging. „Die Besetzung mit Bratsche, Cello und Klavier ist
schon ziemlich ungewöhnlich“, wie Hornung
einräumt. „Deshalb gibt es natürlich wenige
Originalwerke, auf unserer CD eigentlich
nur die ‚Meditazione’ von Riccardo Drigo.
Der Rest sind meist Bearbeitungen und in
dieser Konstellation alles Ersteinspielungen.“
Versionen, die es zum Teil schon gab, die
aber oft auch vom Trio selbst während der ge-
Foto: wildundleise
Maximilian Hornung,
Nils Mönkemeyer und
Nicholas Rimmer
meinsamen Probenarbeit erstellt wurden. Ein
zu einseitig. Wir haben mehr in Richtung
Prozess, der für Nils Mönkemeyer mit einen
Melodie gedacht und uns nicht auf Arien
Reiz dieses Programms ausmacht: „Dadurch,
beschränkt. Unser Bogen spannt sich desdass einen die Besetzung dazu zwingt, etwas
halb von Beethoven über einen von Dvořáks
außerhalb des Gewöhnlichen zu denken, war ‚Slawischen Tänzen‘ bis hin zu ‚Musica proibita‘,
der Ansatz von Anfang an, nicht nach der
das einer der großen Hits von Caruso war. Da
Besetzung zu gehen, sondern wirklich zu
ist einiges dabei, was man in einem kammerschauen, welche Stücke interessieren uns
musikalischen Zusammenhang nicht erund welche davon passen
wartet. Die Besetzung ist
zusammen. Wir wollten
ja, wenn man so sagen
sozusagen aus der Not
will,
Hardcore-Kammereine Tugend machen und
musik. Ganz im Gegensatz
nicht nur die Stücke auf- Den Beinamen „Gassenhauerzu den Stücken. Das ist für
nehmen, die jeder er- Trio“ verdankt Beethovens Opus
mich eine sehr reizvolle
wartet, sondern eher ver- 11 seinem dritten Satz, für dessen
Kombination, weil die
suchen, das Spektrum zu
Melodien so in ein neues
Variationen der Komponist auf
erweitern.“ Wobei durch- populäre Themen aus der 1797 urFormat übersetzt werden.
aus nicht jedes Stück der
Mein persönliches Liebaufgeführten Oper „Il corsaro
ursprünglichen Wunsch- ossia L’amor marinaro“ („Der
lingsstück ist da übrigens
liste auch Eingang in die
das ‚Hänsel und Gretel‘Korsar oder Die Liebe unter SeeCD gefunden hat. „Eine
Potpourri.“ Speziell hier
leuten“) von Joseph Weigl zurückBearbeitung macht nur
war bei seinem Kollegen
griff. Insgesamt schrieb der
dann Sinn, wenn es dem
Maximilian Hornung dann
Salieri-Schüler Weigl, der zu
Werk eine neue Gestalt
aber zunächst doch noch
Beginn seiner Karriere unter
gibt, eine andere Färbung, anderem Mozart bei der Uraufetwas Überzeugungsarbeit
die das Ganze neu be- führung von „Le nozze di Figaro“
zu leisten. „Im ersten
leuchtet. Also nicht ein- assistierte, knapp drei Dutzend
Moment war ich da sehr
fach bei einem Klavier- Opern und Singspiele, die heute
skeptisch, aber es hat dann
trio die Geige für mich auf
unglaublich Spaß gemacht,
weitgehend in Vergessenheit geBratsche
umschreiben.
das Stück einzustudieren.
raten sind. Damals jedoch konnte
Da wollten wir dann doch
Einfach, weil es in dem
Weigl bei seiner Bewerbung für die
einen Schritt weiter gehen.“ Stelle als Hofkapellmeister selbst
Arrangement ein ganz
Neben dem „Gassen- den jungen Konkurrenten Franz
neues Gesicht bekommt.
hauer-Trio“,
das
auf
Es gibt dafür ja kein VorSchubert ausstechen.
Melodien einer einst überbild. Deshalb mussten wir
aus populären Oper befür alle Stücke unseren
ruht, findet sich auf der CD unter anderem
eigenen Klang finden, und das war ein unauch Hummels Fantasie über ein Thema aus
glaublich spannender Prozess für uns alle.“
„Don Giovanni“. Ein reines Opernprogramm
Auch, wenn sie hier zum ersten Mal als
aber wäre für Mönkemeyer dennoch nicht in
Trio in Erscheinung treten, gibt es zwischen
Frage gekommen. „Das schien uns dann doch
Nils Mönkemeyer und seinen beiden Mit-
Schifferklavier
streitern schon länger bestehende Freundschaften, die im Aufnahmestudio für eine
ebenso entspannte wie kreative Atmosphäre
gesorgt haben. „Das Klaviertrio ist von vorn
herein eine sehr solistisch ausgerichtete Form
der Kammermusik. Und die Idee, zu sagen,
wir sind Solisten und machen hier etwas zusammen, das kam in diesem Projekt sehr
schön raus. Ich finde es gut, dass wir Stücke
gemacht haben, mit denen man sehr frei umgehen kann und wo auch diese Spontaneität,
die wir auf den Proben entwickelt haben, zum
Tragen kommt und eine ganz eigene Qualität
wird.“ Denn beim Anspruch an ihre „Gassenhauer“ sind sich Hornung und Mönkemeyer
einig. „Es sollte eine CD werden, die Spaß
macht und hoffentlich vielen Leuten gefallen
wird! Aber bei allem Spaß, den wir im Studio
hatten, nehmen wir das, was wir machen,
natürlich trotzdem sehr ernst und versuchen
als Trio immer gemeinsam das Beste herauszuholen. Und so lange das der Fall ist, kann
man eigentlich alles spielen.“
Neu erschienen: Gassenhauer (Werke von
Beethoven, Brahms, Hummel, Glazunow,
Drigo u.a.) - Sony
Abonnenten-CD: Track 2
Trio Mönkemeyer-Hornung-Rimmer im
Konzert:
14.10.
Köln, Philharmonie
17.10.
Mönchengladbach, Kaiser-FriedrichHalle
18.10.
Wiesloch, Palatin
19.10.
München, Allerheiligenhofkirche
22.10. Freiburg, Historisches Kaufhaus
30.10. Wien (A), Musikverein
01.11.
Berlin, Philharmonie Kammermusiksaal
CLAIRE
HUANGCI
»The Sleeping
Beauty«
TSCHAIKOWSKY
PROKOFJEW
Ballett-Transkriptionen
für Klavier
Claire Huangci, amerikanische Pianistin mit chinesischen Wurzeln, lässt auf ihrer
Debüt-CD virtuose Ballett-Transkriptionen in allen erdenklichen Farben neu
erstrahlen: Mal raffiniert und behände, mal kraftvoll und doch mühelos belebt sie
Klavierrepertoire, dessen allbekannte Melodien man hier wieder neu entdeckt.
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1 CD: 0300530BC
1 CD: 0300548BC · 2 LP: 0300562BC
Herausragende Debüts bei Berlin Classics
FELIX
KLIESER
CHRISTOF
KEYMER
»Reveries«
Romantische Musik
für Horn und Klavier
Felix Klieser ist ohne Arme geboren und beherrscht sein Instrument mit den
Füßen. Als einer der besten Hornisten der Welt schafft er zusammen mit dem
Pianisten Christof Keymer reizvolle Stimmungsbilder romantischer Werke aus
Russland, Frankreich und Deutschland.
11
Weitere Informationen und den Katalog erhalten Sie bei: Edel Germany GmbH, Hamburg · Telefon (040) 89 08 53 13 · www.edelclassics.de
Rundfunkchor
­Berlin Luther statt Lena
Simon Halsey und der Rundfunkchor Berlin
wollen deutschen Choralgesang wettbewerbsfähig machen. Von C a r s t e n N i e m a n n
N
Deutschland übernommen hat? Der englische
icole und Lena in Ehren – aber
Chordirigent Sir Simon Halsey will es nicht
der
erfolgreichste
deutsche
bei diesen Fragen belassen. Mit dem RundLiedermacher ist noch immer
funkchor Berlin, den er seit 2001 leitet, hat
Martin Luther. Lieder wie „Ein
feste Burg ist unser Gott“ werden schließ- er darum nun eine eigene CD mit Kirchenliedern und Chorälen auf den lukrativen Markt
lich noch heute täglich in aller Welt gesungen.
Umso merkwürdiger, dass Kirchenlieder und Choräle hierzulande in
der öffentlichen Wahrnehmung
nur eine vergleichsweise geringe
Rolle spielen. Ganz anders ist die
Situation in England, wo das Singen
von Chorälen geradezu Volkssport- Seine Popularität verdankt der geistliche Chorcharakter besitzt und auch in den
gesang in England in besonderem Maße dem „Choral
Medien entsprechend präsent ist: So
Evensong“: Es handelt sich dabei um eine abendliche
bietet die BBC zur besten Sendezeit
Gottesdienstform der anglikanischen Kirche, die im 16.
ihre „Songs of Praise“ an und auch
Jahrhundert von den alten Stundengebeten abgeleitet
das dritte Radioprogramm erreicht
wurde. Sie wird hauptsächlich vom Chor getragen,
mit seinem zwei Mal in der Woche
schließt aber auch Kirchenlieder ein. Seit 1926 überausgestrahlten „Choral Evensong“ trägt die BBC in ihrem Radioprogramm mindestens
ein Millionenpublikum.
ein Mal wöchentlich einen „Choral Evensong“ aus
Ließe sich dies nicht auch auf
wechselnden Kirchen: Es handelt sich damit um die am
Deutschland übertragen? Zumal
längsten ohne Unterbrechung bestehende Sendung
doch auch das englische Repertoire
des Königreiches. In den letzten Jahren bieten auch
seit Luther zu einem großen Pro- ­zunehmend deutsche Kirchen „Choral Evensongs“ an –
zentsatz Melodien und Texte aus
so der Kölner Dom und die Rostocker Marienkirche.
Vorbild Choral
Evensong
12
geworfen. Ein dreiköpfiges Team suchte 19
der beliebtesten Choräle aus, wobei man
auf eine Balance zwischen traditionellen
und neuen Sätzen sowie protestantischen
und katholischen Liedern achtete und auch
Choräle der Nachbarländer in die Auswahl
einbezog. Ganz risikolos ist das Unterfangen
nicht: Mit seinem an christliche Kalender erinnernden Cover und der gelegentlichen
Harfenbegleitung, die etwas von der Süße
deutscher Exportweine in den hochwertigen
Chorklang mischt, scheint das Album auf
den ersten Blick nicht ganz zu dem Motto
zu passen, mit dem Halsey sein Amt antrat. Dieses Motto nennt sich „Broadening the
scope of choral Music“ und beschreibt das
Ziel, die professionelle Chorarbeit in Inhalt,
Formaten und Erscheinungsbild zu erweitern.
Wie Spitzenorchester sollen auch Rundfunkchöre als moderne Klangkörper mit
eigenem Profil und eigenen Themen wahrgenommen und die Barrieren zum breiten
Publikum abgebaut werden. Halbszenische
Aufführungen an ungewöhnlichen Orten,
bei denen sich der Chor unter das Publikum
mischt, Mitsingkonzerte oder Jugendarbeit
gehören inzwischen ebenso selbstverständlich zum Aufgabengebiet des Chors wie Workshops mit dem sogenannten „LeaderChor“,
bei dem Führungskräfte Prinzipien der Arbeit
im Chor auf das wirtschaftliche und soziale
Arbeitsleben zu übertragen lernen. Doch noch
immer, so betont Halsey, hätten Rundfunkchöre die Aufgabe, ein breites Spektrum von
Musik abzudecken – und dabei immer auch im
Vergleich mit spezialisierten freiberuflichen
Chören zu bestehen: „Vor vierzig Jahren klang
Brahms wie Schütz und Schütz wie Tallis. Das
geht heute nicht: Wir müssen jede Woche
Spezialisten sein.“ Da tut es gut, sich mit
Chorälen auf „die Basis unserer Musikkultur“
zu besinnen. „Wir haben vergleichsweise
wenige Tage für die Aufnahme gebraucht“,
sagt Halsey, „aber danach war der Chor besser
als zuvor.“ Was auch mit den Liedern selbst zu
tun habe: „Sie sind schlicht, aber nicht simpel,
sie sind eingängig, aber nicht billig und die
Texte sind oft fantastisch prägnant.“ Welche
Herausforderung darin steckt, dieser Schlichtheit mit der richtigen Balance aus Emotion
und Understatement, technischer Präzision
und Natürlichkeit gerecht zu werden, weiß
Halsey schon aus seiner Zeit als Mitglied des
King’s College Cambridge. Mit den anderen
Universitätschören der Stadt habe man sich
geradezu einen musikalischen Wettbewerb
auf hohem Niveau geliefert. Halsey illustriert
es, indem er auf die Uhr blickt: „Es ist jetzt
18 Uhr in England. Und es ist Samstag. Das
heißt King’s College Evensong ist kurz vor dem
Ende, St. John’s beginnt gleich und Trinity ist
halb durch. Das bedeutet, wenn wir King’s in
zehn Minuten verlassen, bekommen wir noch
den Anfang von St. John’s mit … Und die entscheidende Frage ist natürlich: Wer sang am
besten „Nun danket alle Gott“? Eine Frage, an
der sich Halsey auch heute noch gerne messen
lassen möchte.
Kastratenarien Caffarinelli!
K
astrierte Opernstars sind zwar seit mehr als zwei Jahrhunderten passé. Doch ihr Erbe
lebt mehr denn je in den naturbegabten Hochtönern weiter. Und obwohl der Countertenor-Boom sich auch im Repertoire niedergeschlagen hat, sind die bekannten Arien
weiterhin nur die Spitze des Eisbergs. Denn der Franzose Philippe Jaroussky und der
Australier David Hansen haben selbst bei dem vielfach porträtierten Farinelli noch unentdeckte
Seiten aufspüren können.
Dem Argentinier Franco Fagioli ist im Fall von Caffarelli gar eine Pionierleistung gelungen:
„Es gibt keine Aufnahme, die ausschließlich diesem Sänger gewidmet wurde.“ Nun hat sich
Caffarelli, der wie der um fünf Jahre ältere Farinelli an der apulischen Stiefelferse geboren wurde,
immerhin mit Händels „Ombra mai fù“ in die ewige Barock-Hitliste eingetragen. Aber darüber
hinaus konnte Fagioli seine Caffarelli-Hommage fast vollständig mit Weltersteinspielungen von
Hasse über Leonardo Leo bis Pergolesi spicken. Und natürlich fehlt auch eine Arie von Nicola
Porpora nicht, der der Lehrer von Caffarelli und Farinelli gewesen ist.
Dem ‚Schöpfer‘ Farinellis hat Philippe Jaroussky gleich ein ganzes Album gewidmet: „Seine
Kompositionen sind im klassischen neapolitanischen Stil gehalten und von einem Charme geprägt, der das Publikum sofort ansprach. Außerdem hatte er ein Ass im Ärmel: Farinelli.“ Bei den
Arien aus Porpora-Opern hat Jaroussky zudem gar zwei Mal prominente Verstärkung durch seine
künstlerische Geistesschwester Cecilia Bartoli bekommen.
Diese Mezzo-Nachtigall stand insgeheim auch Pate für die Dramaturgie des Albums „Rivals“,
mit dem sich David Hansen auf die Spuren Farinellis und seiner Konkurrenten gemacht hat. „Ich
habe mich bei der Auswahl an den sorgfältig gestalteten, abwechslungsreichen Programmen von
Bartoli orientiert“, so Hansen über seine Debüt-CD. Und dabei bietet auch er eine wahre Wundertüte an Weltersteinspielungen. Die berühmte Arie „Son qual nave“ von Farinellis Bruder Riccardo
Broschi kommt zum Beispiel erstmals mit all den authentischen Auszierungen und Koloraturen
des einstigen Superstars wieder zu Gehör. Guido Fischer
Neu erschienen: Arias For Caffarelli (Fagioli, Minasi, Ensemble Il Pomo d’oro), naïve/Indigo
Abonnenten-CD: Track 5
Farinelli – Porpora Arias (Jaroussky, Marcon, Venice Baroque Orchestra), Erato/Warner
Abonnenten-CD: Track 7
Rivals – Arias For Farinelli & Co. (Hansen, De Marchi, Academia Montis Regalis), dhm/Sony
Abonnenten-CD: Track 15
Neu erschienen: Morgenlicht (Kirchenlieder
und Choräle), Deutsche Grammophon/Universal
Abonnenten-CD: Track 17
13
Igor Levit „Jahrhundertpianist“ mit 26
Sein Beethoven ist schlank und drahtig. Igor ­
Levit selbst ist die Antwort darauf, warum es
kaum übergewichtige Pianisten gibt.
Von Robe rt F r au n hol z e r
14
ersten Klavierunterricht von seiner Mutter erhalten, einer Opern-Korrepetitorin. Deren
Lehrerin Berta Marantz hatte bei Heinrich
Neuhaus, dem Lehrer von Swjatoslaw Richter
und Emil Gilels, gelernt.
„Die diplomatische Antwort, ob es etwas
Russisches in meinem Spiel gibt, lautet:
vielleicht“, so Levit. „Die ehrliche Antwort
lautet: Ich weiß es nicht.“ Sein Spiel zeugt
von Strukturbewusstsein, von Reserven und
von Kantabilität ohne Sentimentalität. Kein
Rubato-Schinder. Kein Gefühls-Bademeister.
Sondern ein auf Willenskraft und Langstreckenkünste geeichter Marathon-Spieler.
Der nicht zufällig Beethovens endlose DiabelliVariationen als sein Erkennungsstück wählte.
Schon als er 15 war, gab ihm sein zweiter
Lehrer, Karl-Heinz Kämmerling, den späten
Beethoven in die Hand.
Seine Solistenkarriere begann mit vier
Jahren, das Debüt mit Orchester folgte mit
sechs. „Wer das auf Youtube stellt, kriegt´s
mit mir zu tun!“, lacht er. „Für Kontaktlinsen
bin ich zu eitel“, so Levit außerdem. Er gibt
zu, dass er zwar Noten ohne Brille lesen kann
– aber das Publikum nicht gerade scharf sieht,
wenn er auftritt. Noch etwas: „Ich habe 32 Kilo
abgenommen“, so Levit. In soliden eineinhalb
Jahren. Dank Schwimmen, Fahrrad, Fitness,
Inline-Skating. Sogar Boxen! „Es hat alles verändert!“, so Levit über den Gewichtsverlust.
„Im Sitz. Im Gefühl. Im Bewusstsein für den
Anschlag.“
Denn der Anschlag, so Levit, hänge vom
Sitz ab. So liefert die Radikal-Diät des Igor Levit
nebenbei eine Erklärung dafür, warum es in
der Geschichte des Klaviers so wenig übergewichtige Pianisten gab. Außer Lazar Berman
und Yefim Bronfman fallen einem nicht viele
ein. Auch das Rätsel um den fehlenden Bauch
des Pianisten ist also gelöst. Und Levit spielt
seinen Beethoven lieber drahtig, energetisch –
und schlank.
Neu erschienen: Beethoven, Späte Sonaten
(Igor Levit), Sony
Abonnenten-CD: Track 4
Die nächsten Konzerte:
02.09. Schwarzenberg (A), ­Schubertiade
04.09. Stuttgart, Liederhalle
22.09. Solingen, Kunstmuseum
25.09.
Grünwald/ München, August Everding Saal
06.10. Essen, Philharmonie
08.10. Hohenems (A), Schubertiade
20.10. München, Prinzregententheater
28.10. Heidenheim, Waldorfschule
04.11.
Münster, Hörsaal/Universität
05.11.
Bielefeld, Oetkerhalle
07.11.
Hannover
18.11.
Frankfurt, Alte Oper
03.12. Berlin, Philharmonie
13.12.
Köln, Philharmonie
Foto: Felix Broede
H
ammerklavier-Sonate
abwärts?!
Das ist ja wirklich ein Hammer. Aus
„natürlicher Unbescheidenheit“, so
Igor Levit, habe er die fünf letzten
Beethoven-Sonaten für sein Sony-Debüt ausgewählt. Er weiß, was er zu verlieren hat. Denn
schon mit Anfang 20 wurde dieser Pianist von
Eleonore Büning als „Jahrhundertpianist“ angepriesen.
Er verdankt das dem isländischen Vulkan
Eyjafjallajökull. Als dieser im März 2010 ausbrach und den Flugverkehr auf internationalen
Routen blockierte, befand sich Levit in Jinan/
China. Er kam nicht raus. ‚Wenn ich schon da
bin, kann ich auch weitere Konzerte geben’,
sagte er sich. Besagte Journalistin saß gleichfalls fest und besuchte ein Konzert nach dem
andern. „Dieser junge Mann hat nicht nur das
Zeug, einer der großen Pianisten dieses Jahrhunderts zu werden“, schrieb sie anschließend
in der Frankfurter Allgemeinen. „Er ist es
schon.“
Der Jungspund mit der Harold Lloyd-Brille,
lachlustig und kraftmeierisch unbeschwert, ist
heute 26 Jahre alt, wirkt indes reifer. Seine Herkunft aus dem lieblichen Nischni Nowgorod
(ehemals Gorki), wo sich Oka und Wolga gute
Nacht sagen, weist ihn als echten Russen
aus. Die Familie verließ Russland 1995. Ausbildungsgründe sprachen für Hannover,
dort fand Levit seinen Klavierlehrer Vladimir
Krainev.
Schon im Alter von drei Jahren hatte er
rondomagazin.de Geografie des
Konzertlebens
sich in die Landkarte hinein bis
auf Straßenniveau zoomen und
auf musikalische Entdeckungsreise gehen. Kleine Stecker
zeigen, farblich nach Sparten
sortiert, alle auf rondomagazin.
de erfassten Termine an. Ein
Klick darauf öffnet eine Übersicht für den jeweiligen Konzertort
oder
das
Opernhaus.
Außerdem weisen unsere Termintipps unterhalb des Kartentools
auf die kommenden KonzertHöhepunkte Ihrer Musiker hin.
Apropos „Musiker“: Nicht
nur per Suche im Künstlerbereich, auch per Mausklick
auf einen der Interpretennamen in Rezensionen erhalten
Sie nun sofortigen Überblick
über alle Tourdaten, Interviews
und weiteren CD-Kritiken des
jeweiligen Künstlers. Probieren
Sie’s mal aus! ch
Isabelle Faust
spielt Béla Bartók
© Bertrand Séchet
Während uns die SommerFestivals noch in Atem halten, hat
die RONDO-Redaktion im Hintergrund die Website weiter ausgebaut. Pünktlich zum Start der
neuen Konzertsaison gibt es nun
im Terminbereich einige neue
Features zu entdecken: Ein kleines
Kalendersymbol
hinter
dem
Datum Ihrer Wahl öffnet in Zukunft auf Klick eine Erinnerung
an den Wunschtermin für Ihren
Kalender auf Mac oder PC. So
haben Sie Ihre Konzert- und
Opern-Highlights immer auf dem
Schirm. Zusätzlich reicht nun
schon ein Klick auf den Städtenamen dahinter und Sie erhalten
eine Übersicht aller dort stattfindenden Termine.
Noch leichter geht die geografische Terminsuche aber im
neuen Kartentool, das sich auf
Wunsch auch bildschirmfüllend
anzeigen lässt: Mit der Maus lässt
Die ganze Welt von Klassik und Jazz –
auf einen Klick: Das neue Kartentool auf
rondomagazin.de erleichtert die Suche
5. 9. Berlin, Philharmonie
16. 10. Wien, Musikverein
08. 11. Dortmund,
Konzerthaus
HMC 902146
ISABELLE FAUST
IM KONZERT
VIOLINKONZERTE NR. 1 & 2
SWEDISH RADIO SYMPHONY ORCHESTRA
DANIEL HARDING
Der außerordentliche Erfolg von Bartóks
zweitem Violinkonzert (1937-38) hat
den Ruhm des ersten, 30 Jahre zuvor
komponierten Werks praktisch in den
Schatten gestellt. Das frühere Stück,
das erst lange nach dem Tod des
Komponisten wiederentdeckt wurde, hat
freilich seine ganz eigene, faszinierende
Geschichte … Ihrer Gewohnheit treu
ist Isabelle Faust den verschiedenen
musikalischen Quellen des ersten
Konzerts auf den Grund gegangen, „Musik,
die direkt aus dem Herzen“ kam, denn
Bartók hat darin die Liebesbeziehung
zu einer jungen Geigerin verarbeitet.
15
harmoniamundi.com 15
Auch auf Ihrem Smart- und iPhone
Schumann
Jetzt sank des Abends
goldner Schein aus
Das Paradies und die
Peri
Gerhaher, Symphonieorchester
des Bayerischen Rundfunks,
Harnoncourt; 2005,
RCA/Sony
Nach zwölf Jahren als gefeierter
Figaro und Barock-Sänger bricht
Bass-Bariton Luca Pisaroni zu neuen
Ufern auf. Von A r n t Cobbe r s
Luca Pisaroni hat nicht nur eine
wunderbare Stimme – die ihn zu
einem der führenden Figaros der
letzten Jahre machte, seit er 2001
in dieser Rolle sein Operndebüt
gab. Er hat auch ein exzellentes
Gehör, wie er beim Blind gehört
in einem Proberaum des Salzburger Festspielhauses bewies.
Stück und Sänger erkannte der
quirlige, jünger als 38 wirkende
Italiener jedes Mal nach wenigen
Sekunden. Mal hörte er dann noch
eine Weile aufmerksam zu, mal
sang er animiert mit.
Mozart
Se vuol ballare, signor
Contino aus Le Nozze di
Figaro
van Dam, Academy of St. Martin
in the Fields, Neville Marriner;
1985, Decca/Universal
Das ist José van Dam,
diese Stimme erkenne ich sofort. Er
ist einer meiner Idole
wegen der Vielseitigkeit seiner
Stimme und der Breite seines
Repertoires. Ich habe ihn mal gefragt, wie er es geschafft hat,
sowohl Bariton- als auch BassRollen zu singen. Und er hat geantwortet: Ich habe sie einfach
16
mit meiner Stimme gesungen.
Das war ein guter Rat. Er hat wirklich alles gemacht. Auch ich bin
sehr neugierig als Musiker. Aber
ich bin mir noch nicht sicher, ob
ich das deutsche Repertoire
singen werde. Für Wagner etwa
braucht man eine Stimme, die
wie ein Messer durchs große
Orchester schneidet. Den Figaro
habe ich überall gesungen, bestimmt 150 Mal, nun ist es an der
Zeit, zum Grafen zu wechseln, der
zwischen Figaro, Leporello und
Don Giovanni liegt. Ich sehe eher
wie der Graf aus als wie Figaro,
sagt man mir – ich sehe das als
Kompliment.
Hasse
D’aspri legato aus
I Pellegrini al Sepolcro
di Nostro Signore
Harvey, Il Seminario Musicale,
Lesne; 1997, Virgin/EMI
Wo haben Sie das gefunden? Das habe
ich
vor
einigen
Jahren hier in Salzburg mit Muti gesungen. Das war
meine erste Zusammenarbeit
mit ihm. In barocker Stimmung
ist diese Arie für einen BassBariton machbar, aber wir haben
es in moderner Stimmung gemacht. Erschwerend kam hinzu,
dass Muti diese Arie langsamer
genommen hat, als Vierertakt,
dies hier ist als Zweiertakt gefühlt. Aber ich hätte auch Happy
Birthday für ihn gesungen. Ich
habe ihn als Kind schon an der
Scala erlebt, später war ich oft in
den Proben. Wir hatten zwei unglaublich interessante Probentage, er holt einfach das Beste
aus allen heraus. Diese Arie ist so
schwer! Das ist ein sehr
interessantes Stück und sehr
modern. Und ich habe es nie
wieder gesungen, leider. So ist
das eben: Wenn man ein breites
Repertoire haben will, macht
man viele Dinge ein einziges Mal.
Ich habe viel Barock gesungen,
weil man am Anfang der Karriere
noch vieles herausfinden muss
über seine Stimme, seine
Technik, das Repertoire. Im
Barockrepertoire kann man
Fehler machen und beschädigt
sich trotzdem nicht die Stimme.
Gut, das Publikum leidet
vielleicht, aber damals war ich
egoistisch genug. (lacht) Ich
singe in dieser Saison meine
letzte Barockproduktion, dann
ist es genug. Ich möchte, dass
meine Stimme sich weiterentwickelt.
Das ist Christian. Ich
liebe
diese
Aufnahme. Ich habe Das
Paradies und die Peri
2007 mit Simon Rattle in
Philadelphia gemacht und ich
habe meine Partie mit dieser Aufnahme gelernt. Ich war wahnsinnig aufgeregt: meine erste Zusammenarbeit mit Rattle, meine
erste Partie auf Deutsch. Ich bewundere Christian. Wenn ich
Lieder einstudiere, höre ich mir
immer an, wie er es macht. Ich
finde es wichtig, andere Sänger zu
hören,
um
den
eigenen
Geschmack zu schulen und zu
sehen, wie sie bestimmte Aufgaben lösen. Und dann findet
man seinen eigenen Weg.
Christian hat viel mehr als eine
schöne Stimme. Man hört seine
Gedanken beim Singen. Er benutzt seine Stimme, um zu zeigen,
was er über das Stück denkt. Und
was ich noch liebe: Er singt unglaublich leicht und natürlich, er
spricht in Tönen. Wir machen im
Winter die Faust-Szenen in Berlin
zusammen, mit Harnoncourt. Seit
ich die Bach-Kantaten mit
Harnoncourt im Wiener Musikverein gemacht habe – ich als
Italiener in Wien! –, seitdem habe
ich das Gefühl, ich kann alles
machen. Das war wie im Himmel.
Christian wird großartig sein als
Faust, und ich werde versuchen,
der böseste Mephisto überhaupt
zu sein. Ich würde gern den Faust
singen, aber die Rolle liegt zu
hoch für mich.
Schubert
Das Fischermädchen aus
Schwanengesang
Prey, Moore; 1971, DG/Universal
Ha, das ist Hermann,
einer der größten
Sänger
seiner
Generation,
den
Foto: Marco Borggreve
Blind gehört Luca Pisaroni
kann man nur bewundern. (prüft
es am Klavier nach) Ich singe es
einen ganzen Ton tiefer. Die sechs
Heine-Lieder sind sehr stark und
tragisch und traurig – außer
diesem hier. Ich habe mich schon
immer zu Liedern hingezogen gefühlt, auch als ich von der
deutschen Sprache noch keine
Ahnung hatte. Und wenn sie
tragisch und traurig sind, umso
besser. Ich bin in Busseto aufgewachsen, der Heimatstadt
Verdis, und ich war 16 und saß zu
Hause und hörte „Ihr Bild“ [aus
dem Schwanengesang]! Dieses
Drama, diese Tragik, das habe ich
geliebt. Lieder sind für mich keine
Unterhaltung, sondern ein Mittel,
über das Leben nachzudenken.
Ich singe mehr und mehr Lieder.
Das braucht viel Vorbereitung,
aber es ist sehr erfüllend. Da sind
nur ich, der Pianist und das
Publikum. In wenigen Minuten
rüberzubringen, was in dem
Stück passiert, was die Vorgeschichte ist und was danach
kommt, das ist die Herausforderung.
Rossini
Credete alle femmine
aus Il turco in Italia
Pertusi, Bartoli, Orchestra del
Teatro alle Scala di Milano,
Chailly; 1997, Decca/Universal
Das ist das, was ich in
den nächsten 15
Jahren singen will.
Rossini
ist
sehr
schwer, man braucht Sostenuto
und muss trotzdem Koloraturen
singen können. So sehr ich
grüblerische Lieder mag, so sehr
mag ich La Cenerentola – das ist
eine gute Balance. Natürlich ist
das ein Fest der Stimmen, aber
eine Sängerin wie Joyce DiDonato
gibt jeder Koloratur einen Inhalt,
eine dramaturgische Notwendigkeit, dann wird es spannend … Ich
wollte immer ein Tenor sein. Aber
dann hat sich meine Stimme geändert und ich war ein BassBariton. Das war kein Spaß. Die
Tenöre kriegen immer das
Mädchen, nicht die Baritone.
Dafür
haben
wir
die
interessanteren Rollen. Gerade
Verdi hat wunderbare Partien für
Baritone geschrieben.
Verdi
È sogno? o realtà? aus
Falstaff
Hampson, Berliner Philharmoniker, Abbado; 2001, DG/Universal
Das
ist
mein
Schwiegervater, die
Aufnahme mit Bryn
und Abbado. Falstaff
ist eine meiner Lieblingsopern,
ich habe sie zum ersten Mal 1993
mit Juan Pons und Muti an der
Scala gesehen. Verdi hat sie in
hohem Alter komponiert, aber sie
ist so voller Energie und lebendig
und innovativ. Und ich liebe die
Doppelbödigkeit, in dieser Oper
steckt so viel drin. Thomas macht
das toll hier, muss ich sagen, das
ist überhaupt eine großartige Aufnahme. Abbado ist ein Denkmal
für mich, ich musste ihm einmal
absagen, und das tut mir bis
heute leid, ich habe nie mit ihm
zusammengearbeitet.
Einen so fantastischen Sän­
gerkollegen
als
Schwiegervater zu haben, ist wirklich
cool. Wir haben unterschiedliche Stimmen und deshalb auch
ein anderes Repertoire. Wir vertrauen einander, und jemanden
zu haben, dem man vertrauen und
der einem einen wirklich guten
Rat geben kann, ist viel wert. Man
muss sehr aufpassen: Beim Singen
geht es viel um Geschmack. Wenn
man versucht, es jedem recht zu
machen, verliert man. Man muss
seine innere Stimme finden. Ich
habe bislang nur einmal den
Paolo in Simone Boccanegra gesungen. Verdi kommt noch, Verdi
wird die Krönung. Aber dafür habe
ich noch Zeit. Man muss Geduld
haben als Sänger.
Erscheint am 20.9.: Verdi –
Simone Boccanegra (mit Hamp­
son, Calleja, Wiener Sympho­
niker, Zanetti), Decca/Universal
Luca Pisaroni im Konzert:
08.09.
Weimar, Stadtschloß Festsaal
(Liederabend)
25./28./31.10. und 03.11.
Wien (A), Staatsoper („Anna
Bolena“)
14./15./16.12.
Berlin, Philharmonie (Schumann
„Faust“-Szenen)
17
Plácido Domingo singt auf seiner
neuen CD die schönsten Baritonarien
von Giuseppe Verdi aus den Opern
Macbeth, Rigoletto, Un ballo in
Maschera, La Traviata, Simon
Boccanegra, Ernani, Il Trovatore,
Don Carlo und La Forza del Destino.
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Pablo Heras-Casado Allrounder zwischen den
Welten
Der 36-jährige Andalusier Pablo
Heras-Casado ist längst ein
heißer Kandidat für die PultNachfolge von Simon Rattle
in Berlin. Und auch mit seiner
Schubert-CD mit dem Freiburger
Barockorchester könnte er jetzt
so manchen Konkurrenten ausstechen.
RONDO: Auf dem Cover-Photo
Ihrer neuen Schubert-CD fliegen
Sie wie ein Weitspringer durch
die Lüfte. Körperlich scheinen
Sie ziemlich gut in Form zu sein.
Gehen Sie etwa ins FitnessCenter?
Pablo Heras-Casado (lacht): Nein
– meine Fitnessbude besteht aus
Dirigieren und Reisen. Das hält
mich wirklich fit.
Man könnte das Photo auch als
Versprechen sehen, dass Sie mit
Schubert in die Zukunft fliegen
wollen…
So habe ich das noch gar nicht gesehen. Aber es stimmt. Das Freiburger Barockorchester und ich
sind sehr stolz, diesen ersten
Schubert-Schritt gemeinsam ge-
18
gangen zu sein. Und tatsächlich
wollen wir diesen Flug fortsetzen
und das Universum von Schubert
weiter erkunden. Wobei Schubert
nur ein Teil unserer romantischen
Reise sein wird. Parallel widmen
wir uns auch intensiv Mendelssohn Bartholdy und Schumann.
Nun haben Sie sich für den
Schubert-Startschuss mit den
Sinfonien Nr. 3 & 4 Werke ausgesucht, die schon Brahms als
allzu leichtgewichtig abgetan
hat.
Im Rahmen von Schuberts Beschäftigung mit der sinfonischen
Form empfinde ich sie als sehr abwechslungsreiche und kontrastreiche Statements. Und sie
stehen für zwei verschiedene
Seelen. Die Dritte kommt sehr
fließend und schön daher. Man
hört ihr Schuberts ungemeinen
Spaß, seinen Optimismus und
seine Freude am Leben an. Die
Vierte hingegen zeigt ihn bei der
motivischen Arbeit nicht nur
kämpferisch. Gerade die Tonart c-Moll verweist da auf den
Einfluss Beethovens. Es ist sehr
interessant, sich mit diesen
beiden unterschiedlichen Welten
auseinanderzusetzen.
Sie gelten ja als umfassend
gebildeter
Dirigent,
dessen
Spektrum von der Alten bis zur
Neuen Musik reicht. Können
Sie
sich
erklären,
warum
Schuberts Musik gerade bei zeitgenössischen Komponisten wie
Dieter Schnebel und Jörg Widmann so hoch im Kurs steht?
Ich glaube, der Grund dafür ist
Komplexität
seiner
Gefühle.
Mendelssohns Musik ist eher
gerader, unverblümter, brillanter.
Er deckt nahezu alle seine Karten
auf. Schubert macht das nicht.
Bei Schubert kann man verschiedene Seelen und Universen
entdecken. Diese Komplexität, die
etwa auch Alban Bergs Musik besitzt, mag darüber hinaus etwas
von unserer ebenfalls komplexen
Welt widerspiegeln. Daher ist
Schubert ist vielleicht uns bzw.
zeitgenössischen Komponisten so
nahe.
Neben Ihren Engagements bei
den Top-Orchestern dirigieren
Sie regelmäßig Neue MusikSpezialistenensembles wie das
Klangforum Wien. Mit dem FBO
haben Sie dagegen ein auf die
historische Aufführungspraxis
abonniertes Musikerteam geleitet. Müssen Sie sich immer
wieder neu auf die unterschiedlichen
Musiksprachen
und
Klangkörper einstellen?
Das FBO und ich kannten uns
schon von einem Konzert her, bei
dem wir Bach und Haydn gespielt
haben. Schubert ist aber tatsächlich unsere erste wichtige Zusammenarbeit. Ich bewundere
das Orchester, das ja längst Maßstäbe in der Historischen Aufführungspraxis gesetzt hat. Aber
grundsätzlich ist der Spagat
zwischen der Alten und Neuen
Musik für mich völlig natürlich.
Ich fühle mich in beiden Welten
heimisch. Ich habe ja bereits als
17-Jähriger ein Ensemble für
Alte Musik gegründet. Und der
Atem und der Stil dieser Musik
sind mir genauso vertraut wie die
Neue Musik, mit der ich mich bald
danach beschäftigt habe. Heute
ist es daher für mich so, als wenn
jemand eine französische Mutter
und einen deutschen Vater hat:
Man bewegt sich in zwei Kulturen,
ohne dies bewusst zu machen.
Guido Fischer
Neu erschienen: Schubert:
Sinfonien Nr. 3 & 4 (mit Freiburger Barockorchester),
harmonia mundi
Abonnenten-CD: Track 6
SOL
GABETTA
Felix Klieser Russisches Halbdämmer,
bayerisches Licht
Am härtesten hat der Hornist Felix Klieser am Klang gefeilt: „Hornisten
haben die besondere Möglichkeit, mit der Hand in der Stürze die Tongebung zu verändern, den Klang weicher zu machen. Als Berufsmusiker
gibt es da keine Wahlmöglichkeit, entweder Du beherrschst das, oder
nicht.“
Mit 22 Jahren sorgt Klieser gerade für viel Aufhorchen mit seinem
Debüt-Album, das die Werke deutscher, französischer und russischer
Romantik für Horn und Klavier vereint. Werke, die genau auf dem
Schnittpunkt der Instrumentenentwicklung liegen, vom Naturton- zum
chromatischen Orchesterinstrument. So zum Beispiel das Adagio und
Allegro op. 70, das Robert Schumann in der Horn-fernen Tonart As-Dur
setzte: „Das Ventilhorn wurde um 1815 erfunden. Während viele seiner
Zeitgenossen wie Brahms es ablehnten, war Schumann fasziniert von
den Vorzügen, dass man alle Töne in gleicher Qualität spielen konnte.
Das Adagio und Allegro schrieb er als Bewerbungsschreiben für das
neue Instrument.“
Seine weiche, direkte Tongebung inspiriert Komponisten wie
Alexander Glazunov und Reinhold Glière zum Ausdruck wehmütiger,
zwielichtiger Stimmungen. „Dieser Musik fehlt immer etwas an
Hoffnung, selbst bei Höhepunkten bleibt eine gewisse Tristesse, die nie
verschwindet“, so Klieser. Ganz andere, urkräftig bayerische Energie,
strahlen hingegen die beiden Strauss-Romanzen aus, bei ihnen führt
der Weg noch aus jeder Dunkelheit zurück zum Licht, das Saloninstrument zurück zum Jubel der Post- und Jagdsignale. Und das gab
den Hornisten auf bis dato ungeahnte Weise die Kontrolle über die Farbe
und Intonation ihrer Töne und machte das raue Instrument des Waldes
salonfahig.
Hornist wollte Klieser schon mit 4 Jahren werden, die ratlosen
(Nichtmusiker-)Eltern brachten den insistierenden Jungen schließlich
zu einer Musikschule. Seitdem hat er sich eine stupende Virtuosität zugelegt und wie gesagt mehr als andere am Klang gefeilt. Denn die angesprochenen Klangfarbenunterschiede lösen alle Hornsolisten immer
auch mithilfe der Hand in der Stürze. Doch Felix Klieser ist ohne Arme
auf die Welt gekommen. Er hat gelernt, das Instrument mit den Füßen
zu spielen, und – was die Hände nicht können – in Perfektion mit den
Lippen auszugleichen.
Carsten Hinrichs
Am 13.9. erscheint die neue CD von Sol Gabetta.
Auf „Il Progetto Vivaldi 3“ präsentiert sie mit der
Cappella Gabetta und ihrem Bruder Andres Gabetta
wunderschöne italienische Cellokonzerte des Barock –
von Antonio Vivaldi, aber auch von kaum bekannten
Komponisten wie Platti und Zani. Die Noten für diese
Konzerte entdeckte Sol Gabetta in Schloss Wiesentheid
bei Würzburg in der Sammlung des Grafen von
Schönborn. Das großartige Konzert von Chelleri ist
sogar eine Weltersteinspielung.
„…mit vollendeter Natürlichkeit“ DIE ZEIT
„..wärmende Innigkeit, schmelzender Ton
und glühende Brillanz“ SONO
Neu erschienen: „Rêveries“ (Werke von Schumann, Strauss, Glière,
Glazunov u.a.) – Berlin Classics/Edel
Abonnenten-CD: Track 11
19
www.solgabetta.de
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Hörtest Verdi mit
Caballé & Scotto
Unterschiedlicher könnten sie kaum sein, die
­Liebe zum Komponisten ist ihnen gemein:
So klingen Verdis Opern mit Caballé & Scotto.
Von M ic h a e l Blüm k e
S
ie sind zwei der letzten großen Primadonnen, die eine hat gerade ihren 80.
Geburtstag gefeiert, die andere folgt
ihr in wenigen Monaten nach. Doch
für die Casa Verdi, das vom Komponisten gestiftete Sänger-Altersheim in Mailand, sind
die beiden Jubilarinnen definitiv zu jung – und
vor allem viel zu aktiv. Montserrat Caballé
20
steht nach wie vor als Sängerin auf der Bühne,
Renata Scotto inszeniert und unterrichtet.
In ihrer Kunst stellen sie Gegenpole dar,
mit der Spanierin assoziiert man zuallererst
berückend schöne Töne, die Italienerin steht
für zupackende Expressivität. Caballés atemberaubende Piani und sanft flutende Höhen
oder Scottos Charakterisierungskunst und
Foto:
Renata Scotto
unterrichtet in
Meisterklassen
kommende
Generationen
lustvolle Hingabe? Sich für eine dieser eigentlich lyrischen Stimmen, die aber auch das
dramatische Fach erkundet haben, zu entscheiden, wäre dumm, denn Genuss bringen
beide. Und zeigen damit ganz verschiedene
Facetten von Verdis Werken auf.
Die Auswahl der Aufnahmen, werkchronologisch aufgerollt, betrifft weitgehend Studioproduktionen. Die Damen haben noch einige
Partien mehr verkörpert, die auch irgendwann
einmal auf Band festgehalten wurden, doch
sind diese inoffiziellen Live-Mitschnitte mit
wenigen (hier berücksichtigten) Ausnahmen
nicht mehr oder nur zu astronomischen
Preisen als Sammlerstücke verfügbar.
„Nabucco“ war nicht nur der erste große
Erfolg für seinen Komponisten, sondern ist
bis heute die beliebteste von Verdis frühen
Opern geblieben. Die enorm anspruchsvolle
Rolle der Abigaille reizt wohl jede Sängerin
mit dramatischem Instinkt, Renata Scotto
hat sich mit der Einspielung von 1977 jedoch
keinen Gefallen getan. Darstellerisch bietet sie
Großartiges, gesanglich ist dies ihre mit Abstand schlechteste Verdi-Leistung (Muti, EMI).
Da hinterlässt sie als Giselda in „I lombardi“
einen ganz anderen Eindruck. In einem LiveMitschnitt aus Rom von 1969 führt sie ihren
Sopran locker und unangestrengt, zudem
punkten hier auch Pavarotti und Raimondi als
Partner (Gavazzeni, Opera d’oro).
Von den zahlreichen, leider nicht übermäßig bekannten Werken der 1840er-Jahre,
Verdis sogenannten Galeerenjahren, kann man
vier mit Montserrat Caballé kennenlernen.
1969 singt sie in Mailand – nicht sonderlich elegant – Elvira in „Ernani“ (Gavazzeni,
Opera d’oro), 1972 stimmlich hervorragend
„Giovanna d’Arco“ (Levine, EMI). Auch in der
lobenswerten Philips-Serie der frühen VerdiOpern, die seinerzeit für viele die erste Begegnung mit diesen Werken bedeutete, ist
sie mit zwei Beiträgen vertreten: Ihre Amalia
in „I masnadieri“ ist allerdings so langweilig
wie das Werk selbst (Gardelli, Philips), was
man von ihrer Gulnara in „Il corsaro“ (mit
Jessye Norman in der zweiten Sopranrolle/
Gardelli, Philips) nicht behaupten kann, auch
wenn sich die Stimme da gelegentlich etwas
verhärtet (Gardelli, Philips). In der Titelpartie von „Luisa Miller“, einem sehr zu Unrecht vernachlässigten Werk, verströmt sie
zwar luxuriösen Wohllaut, wirkt für die Rolle
als junges Mädel aber allzu distinguiert und
damenhaft (Maag, Decca).
Bevor wir uns den populären VerdiKlassikern widmen, ein kurzer Blick auf
Caballés und Scottos stimmliche Vorzüge wie
Schwächen. Obwohl gleichaltrig, hat Renata
Scotto ihren großen Durchbruch deutlich
früher als die Kollegin. 1957 springt sie für
Maria Callas in Bellinis „La sonnambula“ ein.
Das Einspringen katapultiert auch Montserrat
Caballé international an die Spitze, sie über-
Foto:
nimmt 1965 für die schwangere Marilyn Horne
die Titelpartie in Donizettis „Lucrezia Borgia“.
Doch während Scotto schon in jungen Jahren
die lyrischen Koloraturpartien des italienischen
Repertoires von Donizetti bis Verdi singt, sieht
sich Caballé eher als Mozart- und vor allem
Strauss-Sängerin und schwenkt erst nach dem
Lucrezia-Erfolg aufs Belcanto-Fach um.
Eine leichte Höhe besitzt Scotto nur zu
Beginn ihrer Karriere, danach sind die Spitzentöne zwar in der Regel sicher, nicht selten aber
auch scharf. Ab Mitte der 70er-Jahre nimmt
die Flexibilität der Tonproduktion ab, die
Intensität allerdings in gleichem Maß zu. Ihre
substanzreiche, wenn auch nicht übermäßig
schöne Stimme hat Persönlichkeit, ihr Gesang
ist stets farbenreich und ausdrucksstark. Mit
ihrem angeborenen dramatischen Gespür und
ihrem vokalen wie emotionalen Totaleinsatz
ist sie eines nie: langweilig.
Dieses Kompliment kann man Señora
Caballé so nicht machen. Bei ihr stellt sich
durchaus auch gepflegte Eintönigkeit ein.
Besonders ab etwa 1972/73 setzt eine gewisse
Nivellierung, eine gestalterische Gleichgültigkeit ein. Konzentriert man sich aber auf die
überwältigende Schönheit ihres Materials
und ihre spektakulären Piani ‚in altissimo‘ ist
einem alles andere gleichgültig. Zumal ihre
außergewöhnliche Atemtechnik ihr eine großzügige Phrasierung ermöglicht. (Der Gerechtigkeit halber muss man aber ergänzen, dass ihre
Fortehöhen, die in späteren Jahren öfter zu vernehmen sind, eher aggressiv und hart sind.)
Mit dem „Rigoletto“ beginnt die Reihe der
‚großen‘, erfolgreichen Verdi-Opern. Renata
Scotto hat Gilda gleich zweimal aufgenommen,
1959 und 1963. Sie selbst zählt die beiden Aufnahmen zu ihren besten, vielleicht ist die erste
(mit einem fantastischen Alfredo Kraus als
Partner/Gavazzeni, Ricordi) insgesamt noch
überzeugender gelungen als die zweite (mit
einem nicht minder herausragenden Carlo
Bergonzi an ihrer Seite/Kubelik, DG). Auch
„La traviata“ gibt es doppelt von Scotto, doch
sollte man sich hier eindeutig an die frühere
Einspielung von 1962 halten (Votto, DG).
Violetta ist im Übrigen die einzige Verdi-Partie
(neben dem Sopran-Solo im „Requiem“), in
der man die beiden Sängerinnen in Studioproduktionen miteinander vergleichen kann.
1967 hat nämlich auch Caballé eine ganz vorzügliche Version vorgelegt, die so glaubwürdig
gestaltet und exzellent gesungen ist, dass man
sie mit der Elisabetta im „Don Carlo“ als ihre
beste Verdi-Leistung deklarieren muss (Prêtre,
RCA). Auch die Leonora in „Il trovatore“ lag
Caballé sehr gut in der Stimme, man kann
aus mehreren Live-Mitschnitten wählen,
am besten entscheidet man sich für einen
der beiden aus dem Jahr 1968: in Florenz
mit Richard Tucker (Schippers, Opera d’oro)
oder in New Orleans mit Plácido Domingo
(Andersson, VAI).
Entbehrlich sind Scottos „I vespri
siciliani“ 1978 aus Florenz (Muti, Gala), in
denen sie stimmlich keine Freude aufkommen
lässt. Ebenso verzichtbar ist der konzertante
„Aroldo“ aus New York (Queler, CBS/Sony), wo
Caballés Stimme unstet klingt und mit ungewöhnlich großem Kraftaufwand geführt
wird. Zur Partie der Amelia in „Un ballo in
maschera“ scheint Montse keinen rechten Zugang gefunden zu haben, das Ganze klingt wie
eine Pflichterfüllung (Davis, Philips). Dafür
darf der vorhin genannte „Don Carlo“ von
1970 Referenzstatus für sich beanspruchen.
Nicht nur Caballé singt in der Form ihres
Lebens (und gestaltet prägnant), auch die
phänomenalen Kollegen leisten Beachtliches,
und alle zusammen verschmelzen zu einem
wirklich einmaligen Ensemble (Giulini, EMI).
Ein „Aida“-Klassiker ist Mutis Einspielung
von 1974, wo Caballé in der Tat hinreißend
singt („O patria mia“!), in dramatischen
Passagen aber auch Grenzen hörbar werden
lässt. Bei der „Messa da Requiem“, für viele
Verdis schönste Oper, bietet sich wie bei der
„Traviata“ ein direkter Vergleich zwischen MC
und RS an, wobei es von Caballé zwei Aufnahmen gibt. Die Wahl sollte unbedingt auf die
erste (1969) fallen, wo sie wahrlich himmlisch
singt und einen Vorgeschmack aufs Elysium
gibt (Barbirolli, CBS). Scotto bietet 1979 als
reizvollen Kontrast eine eher diesseitige, dabei
enorm ergreifende Auseinandersetzung mit
dem Tod (Muti, EMI). Im Jahr zuvor spielt sie
mit der Desdemona in „Otello“ ihre beste
auf CD festgehaltene Verdi-Rolle neben den
beiden Gildas ein, wunderbar suggestiv und
aufwühlend gesungen (Levine, RCA). Und wer
sich jetzt angesichts dieser üppigen Auswahl
nicht entscheiden kann, greift als preiswerte
Alternative einfach zu den gerade bei Sony
wiederaufgelegten Recitals „Renata Scotto
Sings Verdi“ und „Verdi Rarities“.
Verdi würde …
… begeistert „Brava!“ rufen
Caballé: Don Carlo (Giulini, EMI, 1970) & La
traviata (Prêtre, RCA, 1967)
Scotto: Otello (Levine, RCA, 1978) & Rigoletto
(Gavazzeni, Ricordi, 1959)
… seelig lächeln
Caballé: Giovanna d’Arco (Levine, EMI, 1972)
& Messa da Requiem (Barbirolli, CBS, 1969)
Scotto: La traviata (Votto, DG, 1962) & Messa
da Requiem (Muti, EMI, 1979)
… ertauben
Caballé: Aroldo (Queler, CBS, 1979)
Scotto: Nabucco (Muti, EMI, 1977)
Schwingt sich
auch mit 80 noch
auf die Bühne:
Montserrat
Caballé
21
Gregory Porter
im New Yorker
Studio
Vom Football-Spieler zum Verteidiger der schwarzen Musiktradition:
Der neue Star des Jazz-Gesangs liebt
Vögel und will wie Wasser sein.
Von Jo s e f E nge l s
G
regory
Porter
ist
in
vielerlei
Hinsicht eine der bemerkenswertesten Erscheinungen der aktuellen Jazzszene: Über 1,90 Meter misst er,
hat das mächtige Kreuz eines Türstehers und trägt als Erkennungszeichen stets Mütze und eine Art
Sturmhaube, was entfernt an
den Kopfschutz eines Boxers erinnert. Aber wenn der 41-Jährige
seinen Mund öffnet, kann man
sich keinen sanfteren Menschen
vorstellen. Auch auf seiner neuen,
22
inzwischen dritten CD, geht es
in seinen Liedern immer wieder
um den Respekt vor den kleinen
Dingen des Lebens, um die Liebe
zur Mutter oder die Natur.
„Oh ja, ich liebe die Natur“, sagt
Porter mit einem freundlichen
Grinsen, „meine Frau lacht mich
immer aus, wenn ich rausgehe,
um Vögel zu beobachten.“ Da
steckt zweifellos ein großes Herz
in einem nicht minder mächtigen
Körper, der eigentlich für etwas
ganz anderes gemacht zu sein
schien: Porter hätte Football-
Am deutlichsten wird Porter
in dieser Hinsicht im Stück
„Musical Genocide“, in dem er sich
mit der Dumpfheit momentaner
Musikströmungen
beschäftigt.
„In den 70er Jahren existierten
noch sehr viele Lieder, die von der
Liebe, der Familie, dem Planeten
sprachen. Inzwischen gibt es jede
Menge Musik da draußen, die einfach nur aus einer enormen Leere
besteht“, stöhnt der Sänger, „das
ist der Tod des Soul.“ Gut, dass der
am meisten begnadete Seelsorger
der Jazz-Gegenwart so ein breites
Kreuz hat.
Neu erschienen: Gregory Porter
– Liquid Spirit, Blue Note/Universal
Gregory Porter auf Tournee:
14.11.Kaiserslautern, Kammgarn
15.11.München, Circus Krone
16.11.Dortmund, Konzerthaus
18.11
Heidelberg, Stadthalle
19.11.
Frankfurt, Alte Oper
20.11.Hannover, Theater am
Aegi
21.11.Berlin, Kammermusiksaal
23.11.
Hamburg, Laeiszhalle
24.11.
Bremen, Die Glocke
25.11.
Düsseldorf, Tonhalle
Foto: Rebecca Meek
Gregory Porter Seelsorger
Spieler werden sollen, aber eine
Schulterverletzung stoppte die
Karriere des vielversprechenden
Defensivmannes frühzeitig. Als
sanfter, aber bestimmter Verteidiger der Traditionslinien des
afroamerikanischen Musik-Erbes
hat der in Kalifornien geborene
Hüne allerdings einen Platz gefunden, den ihm so schnell keiner
streitig machen dürfte.
Das Wasser sei sein Vorbild,
erklärt der Bariton mit Bezug auf
den Album-Titel „Liquid Spirit“
und den Song „Water Under
Bridges“, den er im Duo mit dem
Pianisten Chip Crawford vorträgt:
„Ich versuche, ähnlich organisch
zu sein und all jene Bereiche auszufüllen, die mir erlauben, das zu
sein, was ich bin: ein Jazzsänger,
der vom Blues, von den Gospels
und der Soul-Musik beeinflusst
wurde.“ Abbey Lincoln, deren
„Lonesome Lover“ er auf der CD
interpretiert, Nat King Cole, den
Chor der mütterlichen Kirchengemeinde, Leon Thomas sowie
Nina Simone zählt der Vokalist
und Lyriker zu seinen wichtigsten
Inspirationsquellen. Und damit
ist nicht nur seine Musik gemeint, die sich vom Sound her an
die 60er Jahre anlehnt, sondern
auch das Benennen von sozialen
Missständen und grassierender
Geschichtsvergessenheit.
AKTUELLE
NEUERSCHEINUNGEN
VON SONY CLASSICAL
OLGA PERETYATKO
Olga Peretyatko singt auf ihrer zweiten CD Arabesque Arien von Mozart,
Bellini, Verdi, Bizet u.a. „In wirklich allen Facetten schlicht zauberhaft“ SZ
www.olgaperetyatko.com
IGOR LEVIT
Die mit Spannung erwartete Debüt-CD des Pianisten Igor Levit mit
den 5 späten Klaviersonaten von Beethoven, op. 101, 106 und 109-111.
„Sein wunderbar abgerundeter, ausbalancierter, immer differenziert
gestalteter Ton, sein Gespür für architektonische Dimensionen bei
den anspruchsvollen Werken sind schlicht bestechend. […] So will
man Beethoven hören“ NDR Kultur www.igorlevit.com
JAN VOGLER & HÉLÈNE GRIMAUD
MORITZBURG FESTIVAL ENSEMBLE
Schumanns Liederzyklus Dichterliebe op. 48 in einer spannenden Einspielung für Cello und Klavier von Jan Vogler und Hélène Grimaud, die
auch die Drei Fantasiestücke op. 73 spielen. Das Moritzburg Festival
Ensemble mit Jan Vogler präsentiert Schumanns Andante und Variationen op. 46 in der selten zu hörenden Originalbesetzung für 2 Celli,
2 Klaviere und Horn.
HILLE PERL & SIRIUS VIOLS
Hille Perl und ihr Ensemble Sirius Viols zeigen auf ihrer neuen CD,
warum die Gambe im Italien des 16. und 17. Jahrhundert ein überaus
beliebtes Instrument für das gemeinsame Musizieren war. Die entdeckenswerten Werke italienischer Komponisten, Sonaten, Tänze, Liebeslieder zeigen die Gamben in wunderbaren Farben und vielfältigen
Stimmungen. „Eine liebevolle Zusammenstellung, makelloses Zusammenspiel“ Kulturradio CD der Woche
WWW.SONYMUSICCLASSICAL.DE
Die Scala: wie
Verdi sie kannte.
Kolorierte
Litographie aus
dem 19. Jh.
Musikstadt Mailand
„Modeshopping, ein Cappuccino und ein Besuch
in der Scala“, so warb bis vor kurzem eine Airline
für Kurztrips in die lombardische Metropole.
Von M at t h i a s S i e h l e r
S
chließlich wird kaum eine Stadt so
sehr mit ihrem Opernhaus identifiziert wie diese, bisweilen dröge,
strenge Beamtenstadt, die ihre Reize
nicht so schnell offenbart wie viele italienische
Konkurrentinnen. Manchmal hat man sogar
fast das Gefühl, als ob die Oper hier und nicht
erst in Florenz und dann 1607 in Mantua mit
Monteverdis „Orfeo“ zumindest offiziell geboren worden sei. Doch anders als etwa das
gerne als Fotomotiv gebrauchte Sidney Opera
House, wird dieses Opernhaus auch innen
besucht, und es enttäuscht nicht. Denn das
Teatro alla Scala in Mailand, auch kurz Scala,
24
ist nach wie vor eines der bekanntesten und
bedeutendsten Opernhäuser der Welt. Es
wurde nach der Piazza della Scala, benannt,
welche wiederum den Namen von der Kirche
Santa Maria della Scala erhalten hatte, die hier
einst stand.
Maria Theresia ließ in der Hauptstadt
der damals österreichischen Lombardei
durch den klassizistischen Architekten
Giuseppe Piermarini das eher schlicht und
klein wirkende neue Opernhaus errichten.
Es wurde am 3. August 1778 eröffnet, zur
Premiere gab es Antonio Salieris allegorische
Oper „L’Europa riconosciuta“. So wie auch
2004 unter Riccardo Muti, nachdem die Scala
eine längere Renovierung hinter sich gebracht
hatte, die ihr außer massiven Umbauten und
Modernisierungen im Backstage-Bereich vor
allem einen neuen Bühnenturm und einen
links über der Fassade emporragendes Verwaltungsgebäude von Mario Botta eingetragen
hat. Ein paar Monate später war der hier
von 1986 bis 2005 autokratisch regierende
Riccardo Muti Geschichte, eine Welle der Mitarbeiterempörung hatte ihn davon getragen.
Nicht der erste Skandal des freilich stets auch
von Beifallswogen erschütterten Hauses.
Tückische Akustik
Das präsentiert sich innen elegant in Marmor,
Weiß und Gold im Foyer, traditionell RotGolden im 2300 Zuschauer fassenden
Auditorium, das freilich größer wirkt. Und
akustisch tückisch ist. Deshalb stellen sich
alle Sänger für ihre Arien gern auf den „CallasPunkt“ links vorn an der Rampe, weil von dort
aus die Stimme am besten trägt. Inzwischen
wurde der Hohlraum unter dem Parkett wieder
hergestellt, ebenso der alte Ziegelboden in den
Logen, was den Klang des Hauses sehr verbessert hat.
Das Opernhaus hat viel erlebt, man scheint
es in jeder Vorhangfalte und jedem Ornament
zu spüren. Auch das hübsche, freilich mit
wenigen wirklich authentischen Artefakten
ausgestattete Museum in den ehemaligen Verlagsräumen der Casa Ricordi im linken Seitenflügel legt davon Zeugnis ab. Hier wurden,
Maßstäbe der Verdi-Interpretation,
Giorgio Strehler inszenierte traumschönen Mozart.
Obwohl schon früher gespielt
wird, beginnt die Saison alljährHoch her gehen wird es sicherlich am 7. Dezember,
lich am 7. Dezember, dem Namenswenn in der (von Arte übertragenen) Premiere von
tag des Stadtpatrons von Mailand,
„La traviata“ mit der man dem 200-jährigen Giuseppe
dem Bischof und Kirchenvater
Verdi huldigt, Daniel Barenboim dirigieren und die
Hl. Ambrosius (Sant’Ambrogio),
deutsche Sopranistin Diana Damrau singen wird. Denn
mit einer festlichen, in die Kinos,
die klingenden Nationalschätze mag man gar nicht so
die Galleria Vittoria Emmanuele,
gern Ausländern überlassen. Zumal auch der Russe
aber auch ins Gefängnis überDmitri Tcherniakov als Regisseur garantiert jeden Pariser
tragenen Premiere. Da kosten die
Kurtisanen-Plüsch verweigern wird. Ein weiterer Russe
Karten dann schnell 2400 Euro,
steht mit gleich drei Stücken im Mittelpunkt einer endProminenz wie Sophia Loren und
lich mal wieder bedeutenden Ballettpremiere am
Giorgio Armani oder der gut aus17. Dezember: der Choreograf Alexander Ratmansky.
sehende Balletttänzer Roberto
Ansonsten bietet die wegen Finanzproblemen auf nur
Bolle,
Staraushangschild
des
zehn Opern abgespeckte Saison nur Wiederaufnahmen
sonst nicht so bedeutenden Scalaund Übernahmen von anderswo.
Balletts, drängeln sich mit TVnicht selten mit anschließender Saalschlacht,
Starlets, von hilfreichen Chirurgenhänden
die berühmten Opern Rossinis, Donizettis,
bearbeiteten Damen und viel Geldadel in
Bellinis, Verdis, Puccinis und vieler so ge- den engen Pausenräumen. Und plötzlich
nannter Kleinmeister uraufgeführt. Und noch
scheint sich wieder ganz Italien für die Oper
heute wehrt man sich vehement, wenn etwa
zu interessieren. Doch das ist nur ein kurzer
Riccardo Muti seinem „Troubadour“-Manrico
Sturm im Blätterwald. Einig ist man sich
das nicht von Verdi stammende hohe C in der
höchstens darin, dass man Daniel Barenboim
Stretta verweigerte, oder eben der hoffnungs- als Musikchef von Lissners Gnaden nicht
volle italienische Jungregisseur Damiano
sonderlich schätzt – zu viel „musica tedesca“,
Michieletto eine Neuinszenierung von
so stöhnt man über die vielen WagnerVerdis „Maskenball“ in den amerikanischen
Premieren.
Präsidentenwahlkampf verlegt.
Doch die Musikstadt Mailand, das ist auch
„Vergogna“ – „Schande“, damit sind
das 2002 eröffnete Teatro degli Arcimboldi in der
die meinungsfreudigen Loggionisti, die
Vorstadt, das während der Umbauspielzeiten
fanatischen Fans aus dem obersten Rang, die
bis 2004 die Scala beherbergte und heute Ort
nur separat über enge Treppen das Theater be- für Gastspiele und eine populäre Fernsehshow
treten dürfen, schnell bei der Hand. Angeblich
lassen sie sich aber auch bezahlen, dann sind
sie auffällig ruhiger gestimmt. Alexander
Verdis
Pereira freilich, der neue Intendant, der ab
„Maskenball“
2014 auf den effektiven, aber mit vielen Kovon Damiano
produktionen den Nimbus des Hauses verMichieletto
wässernden Stéphane Lissner folgt, hat bereits
angekündigt, es werde noch einige weitere
Michieletto-Produktionen geben.
Einst regierte hier der legendäre
Impresario Domenico Barbaia, der das Haus
angemietet hatte, das meiste Geld aber mit
dem Casino im Foyer machte. Oper war nur
die akustische Behübschung für die Spielsüchtigen. Im 20. Jahrhundert war die Scala
das Haus Arturo Toscaninis, der dann wegen
der Faschisten nach Amerika emigrierte.
Die Scala 2013/14
Callas gegen Ghiringhelli,
­ uhrufe für Freni
B
Nach der schweren Beschädi­gung im Zweiten
Weltkrieg in Rekordzeit wieder aufgebaut,
wur­de die Scala am 11. Mai 1946 mit einem
tränenreichen Konzert unter Toscanini
wiedereröffnet. Später lieferte sich hier Maria
Callas Kämpfe mit dem Intendanten Antonio
Ghiringhelli, Mirella Freni wurde als La
traviata ausgebuht, Claudio Abbado setzte
ist. Und es gibt noch das alte Teatro dal Verme.
Es wurde vom Grafen Francesco Dal Verme
in Auftrag gegeben und von dem Architekten
Giuseppe Pestagalli entworfen. Die Eröffnung
fand am 14. September 1872 statt. In der Blütezeit Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts zählte das Teatro zu den führenden
Opernhäusern und war Ort zahlreicher Uraufführungen, darunter 1884 Puccinis „Le Villi“
oder 1892 Leoncavallos „Bajazzo“.
In den Dreißigerjahren wurde das Haus
dann nur noch als Kino genutzt und während
des Zweiten Weltkriegs größtenteils zerstört.
Nach dem teilweisen Wiederaufbau wurde das
Gebäude Mitte der Neunziger modernisiert
und verfügt heute über zwei moderne Säle. Seit
September 2001 wird das Teatro Dal Verme
von der Fondazione I Pomeriggi Musicali geführt, deren Orchester es beherbergt. Hier ist
etwa regelmäßig der auch in Deutschland
bekannte Dirigent Antonello Manacorda zu
hören.
Neben dem Scala Orchester, das sich unter
Abbado und Muti auch zu einem bedeutenden
Konzertklangkörper entwickelte, gibt es
auch noch das sehr gute, 1993 gegründete
Zu viel „musica
tedesca“, so stöhnt
man über die
vielen WagnerPremieren.
Orchestra Sinfonica di Miliano Giuseppe Verdi,
das lange Jahre von Riccardo Chailly geformt
wurde, den sich nicht wenige heute als neuen
Scala-Musikchef wünschen. Seit 2009 wird
das Orchester von dem Chinesen Xian Zhang
geführt und bietet im akustisch ordentlichen
Auditorio Milano zwischen
September und Juni jeweils
etwa 35 dreimal wiederholte
Programme.
Trotzdem: Auch wenn
einem der nach wie vor hier
in einem Palazzo lebende
Pianist Maurizio Pollini auf
der Straße begegnen kann,
es hier ein bedeutendes
Konservatorium und diverse
Kammermusikreihen
gibt,
Mailand, die gelb-orange,
etwas verschlossene Stadt,
deren Reichtum ebenso nur
zu erahnen ist wie die Schönheit seiner Innenhöfe und
Paläste, wird nach wie vor
als Musikstadt durch das Teatro alla Scala
repräsentiert. Was nicht das Schlechteste ist,
auch wenn längst nicht alle Vorstellungen so
bedeutend sind, wie man es sich vielleicht
wünschen würde.
www.teatroallascala.org
www.teatroarcimboldi.it
www.dalverme.org
www.laverdi.org
25
Feierabendhaus Da stimmt die
­Chemie
IndustrieRomantik: Zur
Erbauung (nicht
nur) der Belegschaft gibt man
ein umfangreiches Kulturprogramm.
(Werks-Anlagen
bei Nacht)
Das beispielhafte Kulturprogramm der BASF
geht in seine 93. Saison. Und ist nicht allein
aus ­Ludwigshafen kaum wegzudenken.
Von Rol a n d M ac k e s
E
Zunächst spielen sie Schostakowitschs 24 Präludien in der Viola/Klavier-Fas­sung Auerbachs.
Dann zeigt Kim Kashkashian allein, dass sie
eine Meisterin der Werke György Kurtágs ist;
schließlich folgt als Deutsche Erstaufführung
Auerbachs Sonate für Viola und Klavier
„Arcanum“.
Hier bleibt freilich nichts geheimnisvoll,
das aufgeschlossene Publikum geht mit, ist
am Ende begeistert. Auerbach ist hier längst
Wiederholungstäterin, hat sich bereits als
Komponistin und Interpretin regelmäßig vorgestellt – und das nicht nur,
weil es hinterher zu einem guten Essen
mit ebensolchen Pfälzer Weinen ins Gesellschaftshaus geht. Hier werden die
Künstler umsorgt und ernstgenommen,
13.10.Die aufregende Nachwuchsgeigerin Tai
vor allem bemüht man sich, eine
Murray
Bindung aufzubauen, für Kontinuität
30.10.Jazzer-in-Residence Michael Wollny mit
zu sorgen. Deshalb kommen sie wieder.
neuem Quartett
Eingeladen und vorbildlich betreut
15.11.
Shen Wei Dance Arts New York
werden sie freilich nicht von einem
27.11.Lisa Batiashvili mit François Leleux,
öffentlichen oder kommerziellen VerSebastian Klinger und Peter Kofler
anstalter, sondern von einem Chemie13./14.12.
The Puppini Sisters
konzern, dem größten weltweit: der
21.1.
Sol Gabetta
BASF. Und auch ihr Auftrittsort mit
26.1.
Chilly Gonzales
dem heimeligen, doch großzügigen,
5.2.
Viktoria Mullova
akustisch exzellenten Saal hat einen so
22.2.
Miklós Perényi
besonderen Namen, dass man ihn sich
16.3.
Julian Steckel
sofort merkt: Feierabendhaus.
20.3.
Grigory Sokolov
Feierabendhaus. Das klingt so be25.3.Mischa Maisky mit der Prague
tulich provinziell, wie es ist. Und eben
Philharmonia
auch nicht. Der „Feierabend“ im „Haus“,
28./29.3.Ten Thing Helseth mit ihrem Brass
impliziert schon etwas, was viele heute
Ensemble
kaum mehr kennen. Wo hört die Arbeit
31.3./1.4.Maximilian Hornung mit der
auf und beginnt die Freizeit, wenn
Filarmonica George Enescu
ständig das iPhone klingelt, die Mails
10.4.
Rafał Blechacz
einlaufen, wenn Wochenend-Updates
16.5.Royal Swedish Ballet mit „Juliet and Rolängst selbstverständlich sind und das
meo“
Home Office mitunter ein Gefängnis
11.6.Ballett am Rhein mit „Ein Deutsches
sein kann? Früher ging der Arbeiter
Requiem“
in Kammermusikabend. Freilich kein
gewöhnlicher, ein Duo, diesmal aber
die seltene Kombination – Viola und
Klavier. Das Programm: nur Musik
des 20. Jahrhunderts. Und die Komponistin ist
anwesend – und ansprechbar. Die Russin Lera
Auerbach gehört zu den meistgefragten, dabei
in ihrer polystilistischen Schreibweise zugänglichsten Ton­setzern unserer Zeit. Ebenso
ist die armenisch-ameri­kanische Bratscherin
Kim Kashkashian einer der Sterne ihrer Zunft.
26
in die Fabrik, dann erschöpft zurück in die
nahe Werkswohnung. Abends spendierte die
Unternehmensleitung ein Konzert oder eine
Lesung zur Erbauung und (Weiter-)Bildung.
Man kümmerte sich – denn man profitierte ja
auch davon: klassisch deutsche Industrieinfrastruktur.
Es ist irgendwie tröstlich, dass es in Zeiten
von Outsourcing, Multitasking und Burnout immer noch das Feierabendhaus gibt. In
Ludwigshafen. Bei der BASF. Im Krieg zerstört, aber wieder aufgebaut. Kürzlich wurde
es neuerlich saniert. Seit 92 Jahren wird hier
Kultur betrieben. Man feierte den 90. Geburtstag mit dem London Philharmonic
Orchestra, das war auch schon 75 Jahre vorher in der Pfalz zu Gast, und dabei entstanden
die ersten Konzertmitschnitte, natürlich unter
Verwendung von BASF-Tonbändern. Richard
Strauss hat hier dirigiert, Yehudi Menuhin und
Mstislaw Rostropowitsch haben gespielt.
Die BASF als Veranstalter, das hat in
Ludwigshafen einen guten Klang. Doch längst
hat man den Radius vergrößert, ist in der
ganzen Region bis hin nach Heidelberg als Mitveranstalter, Sponsor, Impulsgeber nicht mehr
Foto: flickr_blueblade954
Rosa Frank
Die Saison-Highlights:
wegzudenken. Man engagiert sich bewusst
regional, mag keine Events, sondern Kontinuität. Der musste sich auch sicher schon so
mancher Aufsichtsrat beugen, der solche
Millionenausgaben für einen Chemiekonzern
überflüssig fand. Doch die Tradition und die
Nachhaltigkeit des Engagements waren immer
stärker. Schließlich war schon der November
des Jahres 1921 nicht eben ein guter Startpunkt
für ein Kulturprogramm: der Krieg verloren, die
Pfalz von französischen Truppen besetzt.
Ohne Sponsoren kommt in Deutschland
keine Kulturinstitution mehr aus. Auch wenn
die Steuergesetzgebung dies nicht begünstigt.
Deshalb sind die eingesetzten Summen im
Vergleich zu den staatlichen Geldern gering.
Aber es wird viel PR-Wind darum gemacht.
Nur wenige Firmen haben dieses noble Geschäft so nachhaltig betrieben wie die dafür
vielfach ausgezeichnete BASF, haben sich für
Etablierte verwandt und für Junge eingesetzt.
Schön, dass das Feierabendhaus weiter das
Feierabendhaus ist.
Auch in der Spielzeit 2013/14 bietet die
BASF ein vielseitiges Angebot. In der Reihe
„The Big Four“ steht diese Saison das Cello im
Mittelpunkt. Kurt Schwertsik, einem der bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten
Österreichs, ist das Komponistenporträt gewidmet. Mit der Unterstützung des Orchestergipfels Rheinland-Pfalz verstärkte die BASF ihr
Engagement für die Breitenförderung. Die fünf
pfälzischen Orchester zeigten bei freiem Eintritt in der Mainzer Innenstadt die ganze Vielfalt ihres Repertoires.
Gemeinsam mit der Stadt Ludwigshafen
richtet man seit über 35 Jahren den Ballettring
im Theater im Pfalzbau aus. Der bietet diesmal
das Royal Swedish Ballet mit der Deutschen
Erstaufführung: „Julia und Romeo“ dem ersten
Handlungsballett der Choreografenlegende
Mats Ek seit 1996. Mauro Bigonzetti hat
für das Aterballetto eine „Serata Stravinski“
konzipiert, und das Ballett am Rhein aus
Düsseldorf kommt mit Brahms’ „Deutschem
Requiem“ in der Fassung seines Chefs Martin
Schläpfer flussaufwärts.
Zudem veranstaltet das Unternehmen gemeinsam mit der Stadt die Sinfoniekonzertreihe mit der Deutschen Staatsphilharmonie
Rheinland-Pfalz. Ein weiterer wichtiger Kooperationspartner ist das Festival Enjoy Jazz.
Darüber hinaus sponsert man hoch­
karätige
Kulturprojekte in der Umgegend, so das Festi­
val des deutschen Films, die Festspiele Lud­
wigs­hafen und das Inter­na­tio­nale Fotofestival
Mann­heim_Lud­wigshafen_Heidelberg.
Partizipative Projekte sind ein neuer
Schwerpunkt. Kunst nicht nur wahrzunehmen, sondern an ihr teilzuhaben, ist das
Ziel. Mit dem Urban Gardening-Projekt auf
dem Ludwigshafener Hans-Klüber-Platz ist
man bei einer Initiative des Wilhelm-HackMuseums dabei, die auf ungewöhnliche Weise
Kunst, Natur und Stadtentwicklung verbindet.
Große Momente hat die klassische
Musik in Ludwigshafen erlebt. 1990, zum
125. Jubiläum der BASF, trat das Emerson
String Quartet gemeinsam mit dem Cellisten
Mstislav Rostropovich auf und spielte für
die Deutsche Grammophon die inzwischen
legendäre Interpretation des Schubert-Streichquintetts ein. Der Geiger Gidon Kremer war
mit der Kremerata Baltica zu Gast, die ihren
ersten Auftritt in Deutschland bei BASF hatte.
Und natürlich ist man hinter den Kulissen
schon längst dabei, dieses zum 150. Firmenjubiläum 2015 zu toppen.
27
Brucknerfest Linz Update für die
­Riesenbirne
Schon seit 1974 feiert Linz seinen Ehrenbürger Anton Bruckner mit einem Festival, das seit diesem
Jahr einen neuen Leiter hat. Von G u i d o F i s c h e r
G
roßereignisse werfen bekanntermaßen ihre Schatten voraus.
Und seit 1979 sorgt dafür beim
Brucknerfest
im
oberösterreichischen Linz eine riesige Klangwolke. Vor
dem offiziellen Eröffnungstusch strömen
dann Menschenmassen bei einsetzender
Dämmerung in den Donaupark, um nicht
nur ihre Hälse in den von Laserprojektionen
und Feuerwerksraketen illuminierten Nachthimmel zu recken. Parallel erklingen multimedial inszenierte Auftragswerke von oftmals
heimischen Komponisten. Auch für die diesjährige „Visualisierte Klangwolke“ hat man
mit DJ Parov Stelar alias Marcus Füreder ein
Linzer Klangpionieroriginal eingeladen. Und
bei seinem szenisch umgesetzten BrucknerRemix soll am 7. September gar Open-Air das
größte Handyorchester der Welt auftreten:
Über eine Klangwolke-App kann jeder Besucher die beiden berühmten Eröffnungstöne
von Bruckners 4. Sinfonie auf seinem MobilTelefon erklingen lassen.
28
Auch mit solchen 2.0.-Aktionen will HansJoachim Frey ab sofort ein Festival
updaten, das in den letzten
Jahren etwas an Strahlkraft
verloren
hatte.
Zwar konnte man bisher in der Stadt, in der
Anton Bruckner einst
den Grundstein zu
seinem Werk als Sinfoniker und Kirchenmusikkomponist
leg­
te, stets international
renommierte Interpreten
erleben. Dennoch hat das
Brucknerfest seit seiner ersten Ausgabe 1974 nie das überregionale Renommee
erlangt, das die Nachbarn in Salzburg und
Wien mit ihren Festspielen und Festwochen
besitzen. Mit dem neuen künstlerischen Leiter
Frey, der zuvor die Dresdner Semperoper und
die Theater in Bremen geleitet hat, soll daher
das Profil des Festivals nicht nur geschärft,
sondern auch breiter aufgestellt werden. „Es
gibt diese Ressourcen, die nach dem Erfolg
mit der Kulturhauptstadt ausgebaut werden
müssen“, so Frey gegenüber der Tageszeitung
„Der Standard“.
Die 1,2 Millionen Euro, die dafür gerade
mal zur Verfügung stehen sollen, sind im Vergleich zu Salzburg (60 Millionen) und Wien
(knapp 14 Millionen) geradezu Peanuts.
Trotzdem musste das dreiwöchige Fest rund
um den Namenspatron, der wegen seiner
gedrungenen Statur einst als „zweibeinige
Riesenbirne“ verspottet wurde, nicht auf Diät
gesetzt werden. So gastieren auch 2013 neben
Star-Solisten wie Denis Matsuev wieder TopPhilharmoniker aus Wien (Lorin Maazel) und
München (Semyon Bychkov). Freys Idee, aus
dem Bruckner- ein Mehr-Sparten-Fest zu
machen, hat schon jetzt konkrete Züge bekommen. Und dafür bespielt man nicht mehr
allein das Brucknerhaus. So wird in der alternativen Tabakfabrik Franz Schrekers Oper
„Der Schatzgräber“ inszeniert und eine
Oper des Linzer Komponisten Peter
Androsch uraufgeführt. Und in
dem erst in diesem Jahr eröffneten Musiktheater erlebt ein John Cage-Abend
in der Regie von Achim
Freyer seine Weltpremiere.
„Anton Bruckner hat Impulse empfangen und ausgesendet“, so Frey. „Auch
das neue Brucknerfest soll in
den kommenden Jahren überall hin seine Impulse senden.“ Die
Mischung aus traditionellem Konzertangebot, Bruckner-Apps und Neuer Musik
scheint dafür durchaus geeignet.
Brucknerfest Linz
15.9.–6.10.2013
www.brucknerfest.at
Foto: LIVA_Stadt Linz
Klangwolke zur
Eröffnung des
Brucknerfestes
Linz im September
Café Imperial
Fotos: Monika Rittershaus; Chris Lee
Unser Stammgast im Wiener
Wohnzimmer der durchreisenden
Dirigenten, Sängern und Solisten:
Robe rt F r au e n hol z e r
Verdi „Attila“:
Dmitry Belosselsky
(Attila), Lucrezia
Garcia als Odabella
„Peter, das ist genial!“, fällt Ex-Intendant Ioan
Holender dem Regisseur Peter Konwitschny
um den Hals. (Und ich muss, 1. Rang
Mitte im Theater an der Wien, auch ausgerechnet daneben sitzen.) Man weiß nicht
recht, ob Holender die lautere Wahrheit
spricht. Immerhin ist dies die erste, genuine
Konwitschny-Premiere in Wien („Aida“, „Don
Carlos“ und „Totenhaus“ früher waren alles
Importe). Das Publikums-Geschrei nach der
Pause wird beträchtlich sein. Oder ist dies
eher allgemeiner Holender-Schmäh? Wer sagt
einem berühmten Künstler schon gerne die
Meinung ins Gesicht!?
Peter Konwitschny jedenfalls kann mit
diesem simplen Antikriegs-„Attila“ die Gerüchte nicht entkräften, dass seine beste Zeit
hinter ihm liegt. Zwar ist die Idee
hübsch, dass der peitschende Sopran
von Lucrecia Garcia (Odabella) kraft
bloßer Lautstärke den Gegner in
die Flucht schlägt. Auch Dmitry
Belosselsky (Attila) und George
Petean (Ezio) leisten militante Arbeit
am Mythos Verdi. Die Mühen von
Nikolai Schukoff (Foresto) indes
zeigen, mit wie preußisch hartem Besen gekehrt wird. Und dass man den frühen Verdi
hier zu wagnerisch schwer nimmt. Nichts da
vom Super-Belcanto eines Dramma lirico,
dessen Schurken-Held einst von RossiniSängern wie Ruggero Raimondi und Samuel
Ramey zu feinem Leuchten gebracht wurde.
Und die Ausstattung! In Johannes
Leiackers durchlöchertem Halbrund könnte
man alles Mögliche spielen. Es zeigt die so
häufig anzutreffende Unentschlossenheit
Konwitschnys bei der Ausstattung. Ihm ge-
lingt für ein sonst gemiedenes Neben-Werk
ein immerhin leidenschaftliches Plädoyer.
Doch die Tatsache, dass man den wichtigsten
Opern-Regisseur Ost-Deutschlands zu spät
eingeladen hat, rächt sich doch.
„Konwitschny in die Anstalt!“, ruft ein
Premieren-Besucher doch tatsächlich aus dem
Rang. Was für ein zahnloser Vorschlag! Da
war man zur großen Zeit des Wiener Theaterskandals weniger zimperlich. Der erste Einwurf bei der skandalzerfetzten „Heldenplatz“Premiere 1988, so hat es Burg-Schauspieler
Wolfgang Gasser mir noch Jahre später gerührt
erzählt, lautete: „Gott schütze Österreich!“ In
dem Ausruf war mehr Musik als in diesem
ganzen, rumtata-politischen „Attila“.
Herbst der Patriarchen in Wien! Ab 19.9.
empfängt Lorin Maazel (83) die Wiener Philharmoniker zurück aus dem Urlaub – mit
Bruckner, Tschaikowski und Schostakowitsch.
Inzwischen ist Maazel hauptsächlich als
Gast tätig (sein Nachfolger in München ist
bestellt). Er hat die Phase selbstverliebten
Ennuis annähernd überwunden und tritt ein
in eine Sphäre gerechter Verklärung. Traumhafte Schlagtechnik! Guter Tänzer – ohne
einen Schritt zu machen! Er ist der Lässigste,
Superiorste, leider auch wohl Teuerste von
allen.
Bald danach (11.–13.10.) folgt der noch drei
Jahre ältere Herbert Blomstedt mit Bruckners
Fünfter. Dann geht’s Schlag auf Schlag im
Musikverein: Harnoncourt, Jansons, Fedosejev,
Zinman – Lauter Altvordere im Pensionsalter. Sie zeigen, warum Christian Thielemann (ab 28.10.) immer noch der Jüngste
unter den Alten scheint. Er ist es nämlich wirklich – mit knackigen 54 Jahren. Nur das Gastspiel des London Philharmonic Orchestra
unter dem dortigen Darling Vladimir Jurowski
(5.–8.10.) reicht da heran. Und – warum nicht?
– Marin Alsop, deren Karriere leicht stagniert,
mit ihrem São Paulo Symphony Orchestra
(Konzerthaus, 15.10., Solist: Nelson Freire).
Auf all das, ebenso wie auf den Liederabend von Christian Gerhaher (Konzerthaus, 23.10.), braucht man in Wien eigentlich kaum extra hinzuweisen. Das Publikum
kennt sich so gut aus, dass eine Wiener Musikkritik kaum noch nötig ist. Die ist seit Jahren
denn auch fast in sich zusammengebrochen.
Erinnert sich noch jemand an den bissigen
Franz Endler? Lang ist’s
her. Bei seinem Tod 2002
kamen sogar Carlos Kleiber
vorübergehend die Tränen.
Heutige Kollegen schreiben
Bücher über StaatsopernDirektoren, bevor diese noch
ihr Amt angetreten haben.
Was bleibt einem anderes
übrig, als die Macht dem
Kaffeehaus zu überlassen.
Ober, zahlen!
Gerechte Verklärung:
Lorin Maazel
Der Jüngste unter
den Alten: Christian
Thielemann
29
Mozart satt!
„Morgen Augsburg!“ Der verzweifelte Ausruf
in Thomas Bernhards „Die Macht der Gewohnheit“ ist vermutlich immer noch ein Tabu in
der bayerischen Renaissance-Metropole. Denn
er meint – innerhalb einer reisenden Theatertruppe – so viel wie: „Ab in die Provinz!“ In
diesem Jahr gilt der Schlachtruf immerhin für
potente Mimen wie Klaus Maria Brandauer,
Martina Gedeck und Hannelore Elsner. Sie
finden sich alle wieder in der zweiten Ausgabe
des Musik-Festivals „Mozart@augsburg“.
Mit Augsburg hat das wunderbare Wolferl
nicht nur in Gestalt seines Vaters zu tun, der
daher kam. Große Teile der Familie waren
bayerische Schwaben der Region. Auch die
‚dreckigen‘ Bäsle-Briefe schrieb Mozart in
Augsburg. Große Mozart-Interpreten sind mit
der Stadt bis heute verbunden. Vorletztes Jahr
starb hier die große MozartSopranistin Sena Jurinac.
Die
wunderbare
Janina
Fialkowska (wichtigste Rubinstein-Schülerin) lebt heute hier.
Kuratiert und geprägt indes wird
„Mozart@augsburg“ von dem trefflichen
Sebastian Knauer. Als langjähriger Klavierpartner von Daniel Hope und Brandauer kann
er musikalische Partnerschaften für Augsburg
fruchtbar machen. Christian Tetzlaff, András
Schiff und das Artemis Quartett, also Meister
des Fachs, kommen in eine Stadt, die eben
doch mehr ist als nur „die zweite Ausfahrt vor
München“.
Mit Menahem Pressler, dem 89-jährigen
Ex-‚Klavier-Primarius‘ des Beaux Arts Trios,
gelang es sogar, eine echte Legende zu locken
Samos Young Artists Festival:
Antiker Stein, gegenwärtig befragt
Der Rahmen für ein Kammermusikfestival in südlichen Gefilden könnte nicht schöner
und bequemer sein. Und doch
scheitert die vom Münchener
Festivalgründerpaar
Chiona
und Kurt Schwarz angelockte
Schickeria auf Samos – es ist
herrlich zu beobachten. Von Tag
zu Tag weichen mehr Stöckelschuhe und Seidenkostüme den
Sebastian
Knauer
Trekkingsandalen und Baumwollkleidern. Zypressen und Zedern
stehen schwarz gegen den Nachthimmel, der Wind vom Hafen von
Pythagorion weht herauf, und wer
man ist und was man trägt wird
bedeutungslos, sobald es bis auf
Abermillionen Sterne dunkel wird,
die Zikaden verstummen und die
Bühne des antiken Theaters den
jungen Musikern gehört.
(im Verein mit dem Emerson
String Quartet!). Luxuriöse
Verhältnisse, die nicht zuletzt durch eine gesunde
Sponsoren-Landschaft zu
erklären sind. „Musiker
müssen sich wohl fühlen“,
nennt Knauer als HauptZutat einer prominenten
Künstlerkollektion. Das bedeutet: Begrüßung, Abholservice,
schönes Hotel und kleines Catering
in der Garderobe sind die Geheimkniffe, mit
denen Künstlerseelen geschmeidig gemacht
werden.
An strikte Themen glaubt Knauer nicht.
„Die Festivals weichen meist sowieso davon
ab, wenn ein bedeutender Musiker es anders
will.“ Folgt: Lars Vogt spielt hier auch Schubert.
Knauer selbst Beethoven. Mozart satt! Aber
nicht zu satt. Robert Fraunholzer
Mozart@augsburg, 31.8.–14.9.
www.mozartaugsburg.com
Die Auswahl der Ensembles
ist exquisit und noch aufregend
unbekannt. Gitanes Blondes eröffnen mit folkloristischem, aber
amüsantem
Klassik-Verschnitt.
Die Cymbalistin Olga Mishula
aus Weißrussland spielt virtuos
und scheinbar unmöglich Chopin
und Liszt auf ihrer Kastenzither
und erweckt sehr intensiv die
Magie des griechischen Theaters.
In Kommunikation mit dem Ort
begibt sich auch die Camerata
Smyrna aus Izmir. Das Holzbläserquintett spielt häufig unter freiem
Himmel, in Blickweite fast, im
Theater von Ephesus, nur einen
Junge
Künstler
in altem
Amphitheater
auf
Samos
30
knappen Kilometer entfernt. Mit
dem Boot über das Meer erreichbar liegt es heute doch in einer
ganz anderen Welt.
Die
Gastkünstler
angesichts gemeinsamer kultureller
Wurzeln in einen modernen Diskurs über ihr Schaffen treten zu
lassen, ist ein Hauptanliegen
des Samos Festivals, so auch
mit
dem
Tetraktys-Quartett.
Schon wegen seines Namens gehört es hierher, auf die Geburtsinsel des Mathematikers und
Philosophen Pythagoras. Die
vier Athener Streicher fügen den
wichtigen Blick auf die aktuelle
Situation griechischer Musiker
hinzu. In prekärer Lage, weil
etwa das staatliche Rundfunkorchester geschlossen wurde
oder seit vier Monaten nicht bezahlt, spüren sie stärker denn je
den Drang, sich musikalisch auszudrücken. Ihr SchostakowitschStreichquartett klingt, als rängen
sie ihren Instrumenten den
letzten je auf Erden gespielten Ton
ab. Hier im antiken Theater von
Samos ist für Musiker wie für Zuschauer ein tiefes Kraftschöpfen
aus der Essenz von Kultur möglich. In den Pausen trinkt man
statt Champagner griechisches
Dosenbier – und es schmeckt wie
Ambrosia. Julia Kaiser
www.samosfestival.com
Foto: Kevin Dalferth; Steven Haberland
Mozart@augsburg:
Doktor Stradivari Musik-Krimi
Folge 4: Der letzte Kastrat
Von Ol i v e r Bu s l au
V
iele halten Kastraten für ein
musikhistorische Raritäten. Aber wie gesagt …“
Phänomen der Barockzeit“, sagte
Von Papenburg kam zurück. „Zum Glück
Leon von Papenburg, als er Doktor
habe ich meine wertvollsten Stücke fotografiert“,
Stradivari und den Versicherungs- sagte er und zeigte Doktor Stradivari ein Bild. Es
detektiv Robert Fleischer durch seinen noblen
zeigte Papenburg selbst, der eine Schellackplatte
Antiquitätenladen führte. „Aber der letzte
in der Hand hielt. Auf dem hellroten Etikett war
Kastrat starb erst im 1922. Er hieß Alessandro
etwas zu lesen, das wie eine Unterschrift aussah.
Moreschi, und es gibt von ihm sogar Schall- In Druckbuchstaben stand daneben: Alessandro
plattenaufnahmen. Genau darum geht es.“
Moreschi – Puccini: Il tabarro.
Von Papenburg führte die beiden
Männer durch eine Metalltür und
drückte auf einen Lichtschalter. Neonlampen flackerten auf und beleuchteten
ein Chaos aus umgestürzten Regalen.
Das einzige Fenster des Lagers war zerbrochen, das Gitter davor zersägt.
„Ich bin noch nicht ganz durch mit
der Bestandsaufnahme“, sagte der
Wenn Sie die Lösung wissen, schreiben Sie sie an
Antiquar, „aber eines steht fest. Die
[email protected] oder postalisch an
Diebe haben eine Schallplatte von
RONDO, Johannisplatz 3a, 81667 München – Ihre
Moreschi gestohlen, die ich für drei- Kontaktdaten nicht vergessen! Unter allen Zuhunderttausend Euro anbieten wollte. schriften verlost Rondo in Kooperation mit dem
Ein absolutes Unikat. Das Etikett der
Label naïve fünf Exemplare des neuen CaffarelliPlatte trug sogar Moreschis Unter- Arien-Recitals von Countertenor Franco Fagioli.
schrift. Warten Sie bitte einen Moment.
­Einsendeschluss ist der 16. September.
Ich bin gleich zurück.“
Von Papenburg ließ die beiden
allein. Fleischer inspizierte das Fenster. „Das
„Er singt die berühmte Arie ‚O mio babbino
sieht ziemlich realistisch aus. Es ist ihnen
caro‘“, erklärte von Papenburg. „Aufgenommen
sogar gelungen, die Alarmanlage lahmzulegen.“ 1904. Mit Klavierbegleitung. Es war seine zweite
Er sah Doktor Stradivari an. „Wenn wir keinen
Aufnahmesitzung. Die erste fand 1902 statt.“
Betrug nachweisen können, wird es teuer für
Fleischer hob die Schultern. „Die Verdie Versicherung. Haben Sie eine Idee?“
sicherung wird wohl zahlen müssen“, sagte er.
„Könnte sein“, sagte Doktor Stradivari.
Doktor Stradivari lächelte. Dann schüttelte
„Warten wir ab, wie er beweisen will, dass er die
er den Kopf. „Das glaube ich nicht.“
Platte wirklich besessen hat.“
Was lässt Doktor Stradivari an der Dieb„Sie meinen, das stimmt? Ich habe ja auch
stahlgeschichte zweifeln?
ein paar CDs mit Kastratenarien und habe
www.oliverbuslau.de
auch schon darüber gelesen. Händel, Vivaldi
und so was haben die gesungen. Und da soll
Auflösung aus Magazin 03/2013:
einer bis 1922 gelebt haben?“
Violoncello und Cembalo bildeten das
„Allerdings“, sagte Stradivari. „Moreschi hat
Continuo der Triosonaten, macht bei zwei
zwei Mal Aufnahmen gemacht – mit Kirchen- Melodiestimmen insgesamt vier Musiker.
musik, aber auch mit italienischen Liedern,
Nur drei der Brüder verließen das Haus, also
soweit ich mich erinnere. Die Dokumente sind
lauerte der vierte noch drinnen.
Doktor Stradivari
ermittelt – und Sie
können gewinnen!
31
Proben, Pleiten und Premieren:
Höhepunkte in Oper und Konzert
Von Rol a n d M ac k e s
Zwergenaufstand:
Die Meistersinger
von Regisseur
Stefan Herheim
Da waren’s nur
noch zwei: Helga
Rabl-Stadler, SvenEric Bechtolf und
der scheidende
Alexander Pereira
32
Die Salzburge r Fe stspiele 2013 – das
war diesmal vor allem viel Lärm um wenig.
Da rauschte es vorab gewaltig im Blätterwald,
denn der vorfristige Abgang von Intendant
Alexander Pereira war kein schöner. Obwohl
Österreicher, überforderte er die Provinzstadt, wo jeder mitreden und mitregieren
will, gleich mehrfach. Seine Risikoplanung
mit dramatisch gesteigerten Vorstellungszahlen, wo sich erst am Ende zeigt, ob man
ausgeglichen budgetiert hat, ist die eine
Sache. Sein autokratischer Führungsstil, der
vor allem die das Repräsentieren gewohnte
Präsidentin Helga Rabl-Stadler verstimmte,
eine andere.
Pereira also verabschiedet sich bereits
nach drei Spielzeiten an die Mailänder Scala,
die er schon im Herbst 2014 übernimmt,
dann gibt es zwei Jahre als Übergangs-Duo
Rabl-Stadler und den bisherigen Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf – und dann wollen
alle Markus Hinterhäuser, den Intendanten
von 2011, der in Salzburg mit allen, die
wichtig sind, verwandt oder zumindest gut
bekannt ist. So eben geht Kleinstadtpolitik.
Und dann verlangen auch noch die Wiener
Philharmoniker Mitspracherecht bei der
Intendantenfindung und drohen mal wieder
mit dem sommerlichen Abgang nach Fernost.
Sollen sie doch, kann man nur sagen. Mit Ausnahme ihrer Orchesterkonzerte sind sie durchaus ersetzbar. Und wahrscheinlich sogar zu
günstigeren Preisen.
Und was hatte dagegen die Kunst auszurichten? Erstaunlich wenig. 12 Opern waren
angesetzt, vier davon konzertant, eine „Entführung“ als einmaliges TV-Event im Hangar
Sieben von „Red Bull“-Milliardär Dietrich
Konzertante
Jungfrau: Jeanne
d’Arc 2013 mit
Manfred Honeck
(Musikalische
Leitung), Johan
Reuter (Gilles de
Rais)
Don Carlo: Anja
Harteros als
Elisabetta und
Jonas Kaufmann
als Don Carlo
Fotos: Salzburger Festspiele/Forster; Luigi Caputo; Monika Rittershaus
Fanfare
Mateschitz und zwei Übernahmen: Mozarts
elegisch-retrospektiver „Lucio Silla“ von der
Mozart-Woche mit Rolando Villazón und
Cecilia Bartolis grandiose One-Woman-Show
„Norma“ von Pfingsten.
Ohne Szene gab es in einem kleinen, gemeinsam mit dem Schauspiel veranstalteten
„Johanna von Orleans“-Zyklus Walter Braunfels’ „Szenen aus dem Leben der Heiligen
Johanna“. Wunderbar überzeugend dirigiert
von Manfred Honeck, souverän anrührend gestaltet von Juliane Banse und einem hervorragenden Ensemble. Das hätte man viel lieber
szenisch gesehen, als den dröge zum JosephBeuys-Doppelgänger aufgemotzten Ritter
„Gawain“ von Harrison Birtwistle. Es hat
schon seine Gründe, dass diese schleppende
König-Arthus-Variante seit 1991 nirgendwo nachgespielt wurde. Da konnte auch
das „Soldaten“-Winning Team vom letzten
Sommer, Ingo Metzmacher und Alvis
Hermanis, nichts retten.
Ebenfalls konzertant gab es Verdis
siebte und eine seiner schwächsten Opern,
„Giovanna d’Arco“, freilich nobilitiert durch
den unermüdlichen Plácido Domingo und
eine hinreißende Anna Netrebko auf der
Durchgangsstation zu schwereren VerdiPartien.
Zum 200. Wagner-Geburtstag gab es zudem, erstmals seit 1938, „Die Meistersinger“,
von Regiespielernatur Stefan Herheim freilich
verharmlosend biedermeierlich, wenn auch
virtuos plattgemacht mit Sängern als vokalen
Zwergen zwischen Riesenmöbeln. Daniele
Gatti dirigierte konfus, Michael Volle konnte
sich als Hans Sachs nicht wirklich durchsetzen.
Selbst der gala-glamouröse „Don Carlo“
blieb hinter den hochgespannten Erwartungen
zurück. Natürlich sind Anja Harteros und
Jonas Kaufmann ein wunderfeines Liebespaar, aber mit Matti Salminen, Thomas
Hampson und Robert Lloyd war auch ein Aufstand der zu alten Opernmänner zu erleben.
Ganz zu schweigen von Peter Steins hölzernen
Regie in wie laubgesägten Kulissen. Groß und
öde war das über weite Strecken, zum Glück
wurde es befeuert von Antonio Pappano am
Pult der Wiener Philharmoniker.
Nachtigall, ick
hör Dir trapsen:
Mirella Hagen
­(Waldvogel),
Lance Ryan
(Siegfried)
und Burkhard
Ulrich (Mime)
im Bayreuther
„Siegfried“
Da Capo
Gezischtes Doppel:
Premieren­notizen
der RONDO-Opernkritik
Massenet-Soufflé
Fotos: Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath
Anhaltisches Theater, Dessau
Massenet„Esclarmonde“
Die Belle époque – Sehnsuchts-Epoche jedes
Paris-Touristen – erfand nicht nur den Eiffelturm, Glanz und Elend der Kokotten und eine
Schwäche für Sahne-Baisers. Auch die Vorliebe für Saison-Chic, für Talmi, Strass und
falschen Flitter kam damals in die Welt.
Perfekter musikalischer Ausdruck dieser Lust
am Neuen war der heute als „Modekomponist“
bespöttelte Jules Massenet.
Dass sein Hauptwerk „Esclarmonde“
(1889) so lange auf eine deutsche Erstaufführung warten musste, sagt etwas über die
Verschmälerung unseres Repertoires. Auch
Werke wie „Le Cid“, „Hérodiade“, „Cléopatre“
oder „Chérubin“ haben in Wirklichkeit ihr
Verfallsdatum nicht erreicht – und könnten
einmal wieder zum dernier cri einer Hauptstadt-Saison erklärt werden. Nun ist es das
Anhaltische Theater Dessau, das sich einer
Aufgabe annimmt, die eigentlich Berlin anstünde.
Die Dessauer Ensemble-Diva Angelina
Ruzzafante – ein Name, den man nicht erfinden kann – betört als unkeusche Zauberin
im Fantasy-Mittelalter Massenets. Nicht
nur der schwarze Ritter Roland (mit großartigen Reserven: Sung Kyu Park) zieht für
sie in den Kampf. Auch das Publikum verfällt
den byzantinischen Beschwörungskünsten.
Immerhin: In der Schallplattengeschichte
zeigte sich der Titelrolle bislang nur Joan
Sutherland gewachsen. Daniel Carlberg am
Pult der Anhaltischen Philharmonie bäckt, be-
lüftet und beduftet Massenets Kirsch-Soufflé.
Eine Aufführung, die scharenweise Publikum
aus Berlin und Wien anlockte.
Sie platziert eine preiswürdige Ohrfeige
im Gesicht jener Sparpolitiker in SachsenAnhalt, die soeben dem 1100 Plätze-Haus die
Beine weghauen wollen. Durch eine geplante
Kahlschlag-Aktion sollen dem Theater die
Subventionen zusammengestrichen werden.
Wodurch das Haus handlungsunfähig würde,
während nicht einmal 3 Millionen Euro gespart würden. Ausgrabungen wie diese, welche
Theatertraditionen neu beleben, wären ein für
alle Mal perdu. Sagen wir es deutlich: Dessau
gelingt mit „Esclarmonde“ der Fund des Jahres.
Bitte weiter so!
Robert Fraunholzer
Wagner-Jubiläum,
rotzig-rüde bis
zärtlich
Bayreuther Festspiele
Wagner: „Der Ring des
­Nibelungen“
Ja, die Wahl dieses noch – wie es sich gehört –
umstrittenen, später sicher einmal verklärten
Jubiläums-„Ring“-Gespanns
zu
Wagners
200. Geburtstag war für die Bayreuther Festspiele eine richtige. Sie offerierte mit Kirill
Petrenko einen der wichtigsten Nachwuchsdirigenten mit einer brillant-eigenständigen
Interpretation samt einer selbst hier selten
ausgeglichenen Besetzung von weitgehend
hohem Niveau: Catherine Fosters mädchenhafte Brünnhilde, Wolfgang Kochs mieserfieser, baritonal schlanker Wotan, Johan
Botha und Anja Kampe als WälsungenTraumpaar. Und Frank Castorf, trotz diverser
Formschwankungen immer noch diskursanführender Regisseur im deutschsprachigen
Theaterbereich, hat eine rotzig-rüde, auch
zärtliche Deutung präsentiert, die eine
morbid-zerfallende Welt vorführt; eine Welt,
die pessimistisch ist, aber liebevoll im Detail;
und die Wagners Wesen sehr nah an uns
heranzoomt, was auch unangenehm werden
kann.
Man kann in dieser staunen machenden,
durchaus zur Abwehr herausfordernden
Bayreuther Tetralogie sehr viel über uns selbst
lernen. Der grandiose Aleksandar Denic hat
auf die Drehbühne für „Rheingold“ ein Motel
an der Route 66 gebaut, in dem eine Gangsterstory im Stil von Siebzigerjahre-Filmen abläuft.
„Die Walküre“ spielt auf einer Ölförderstation
Anfang des 20. Jahrhunderts in Aserbaidschan,
die in den Strudel der russischen Revolution
gerissen wird. „Siegfried“ ist an einem
kommunistischen Mount Rushmore mit den
Köpfen von Marx, Lenin, Stalin und Mao
sowie am Berliner Alexanderplatz kurz vor
der Wende loziert, die „Götterdämmerung“ im
Berlin der Post-DDR und an der Wall Street.
So hat diese Inszenierung Bilder geschaffen, die wohl zu „Ring“-Ikonen werden,
Konstellationen gezeigt, die nachwirken. Sie
hat einen politisch-philosophischen Diskurs
angerissen, ohne zur Conclusio zu kommen.
Sie ist auf nicht immer leicht erkennbaren Ölspuren durch Zeiten, Länder und Systeme
mäandert, ohne formvollendete Lösung, gar
Er-Lösung zu bieten. Castorfs „Ring“-Formel
ist, dass es keine gibt, und sich irgendwie doch
alles fügt, weitergeht. Einen Reim muss sich
erst der aktive Zuschauer drauf machen.
Roland Mackes
33
Das
Klassik
& Jazz
Magazin
4/2013
Die RONDO-CD ist die ideale Ergänzung zur Heftlektüre. Wenn Sie diese
CD mit Hörproben auch gerne regelmäßig erhalten möchten, bestellen
Sie einfach ein Abonnement unter www.rondomagazin.de
9
Isabelle Faust, Daniel
Harding, Schwedisches RSO
Bartók: Violinkonzerte (hm)
Violinkonzert Nr. 1
Sz 36 op. posth.,
Andante sostenuto
(Auszug) 3:24
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Anna Netrebko, Orchestra ­
Teatro Regio Torino,
­Gianandrea Noseda
Verdi (Universal/
DG)
„La luce langue“ aus „Macbeth“ 3:54
2
Nils Mönkemeyer,
­Maximilian Hornung,
­Nicholas Rimmer
Gassenhauer
(Sony)
Brahms:
­Inter­mezzo
op. 117/I
(arr. für Klaviertrio) 4:16
3
Olga Peretyatko,
NDR Sinfonie­orchester,
Enrique Mazzola
Arabesque (Sony)
Bellini: „Son vergin
vezzosa“ aus
„I Puritani“ 4:20
4
Igor Levit
troppo 3:46
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Hörbeispiele aus aktuellen CDs
Beethoven:
­Sonaten (Sony)
Sonate Nr. 30 EDur op. 109, 1. Satz
Vivace ma non
5
Franco Fagioli, Il Pomo d’oro,
Riccardo Minasi
Arien für Caffarelli
(Indigo/naïve)
Hasse: „Fra l’orror
della tempesta“
aus „Siroe“ (Auszug) 2:10
6
Pablo Heras-Casado,
Freiburger Barockorchester
Schubert: Sinfonien Nr. 3 & 4 (hm)
Sinfonie Nr. 3
D-Dur D. 200,
Presto vivace (Auszug) 2:20
7
Philippe Jaroussky, Cecilia
Bartoli, Venice Baroque
­Orchestra, Andrea Marcon
Farinelli Porpora
Arias (Warner
Classics/Erato)
Porpora: „Mira in
cielo“ aus „Arianna
e Teseo“ 5:42
8
Dmytro Popov, Rundfunkchor Berlin, Berliner Phil­
harmoniker, Simon Rattle
Rachmaninow:
„Die Glocken“ op.
35, Sinfonische
Tänze (Warner
Classics)
Allegro ma non tanto aus
„Die Glocken“ 6:17
10
Tabea Zimmermann, DSO
Berlin, Hans Graf
Hindemith: Complete Viola Works
Vol 1 (hm/Myrios)
Konzertmusik
op. 48a, Langsam.
Schreitende Achtel 3:22
11
Felix Klieser, Christoph
Keymer
Kammermusik mit
Horn (Edel/Berlin
Classics)
Glière: Stücke für
Horn und Klavier
op. 35/VI, Romance. Andante 3:37
12
Claire Huangci
Dornröschen-Balletttranskriptionen
(Edel/Berlin Classics)
Tschaikowski:
Adagio aus der Ballett-Suite
„Dornröschen“ op. 66 (Arr. Mikhail Pletnev) 4:04
13
Jonas Kaufmann, Pier
Giorgio Morandi, Orchestra dell’Opera di Parma u. a.
The Verdi Album
(Sony)
„Celeste Aida“ aus
„Aida“ (Auszug)
3:36
plus
14
Andreas Martin Hofmeir,
Andreas Mildner
Why not? Tuba
und Harfe (Note 1/
genuin)
Massenet:
­„Méditation“ aus
„Thaïs“ 4:43
15
David Hansen, Academia
Montis Regalis, Alessandro De Marchi
Rivals: Farinelli
u. a. (Sony/dhm)
„Cara sposa“ aus
„Griselda“
(Auszug) 4:01
16
Philharmonia Quartett
Beethoven:
Streichquartette
op. 18 (Naxos/
Thorofon)
Streichquartett G-Dur op. 18/II, Scherzo.
­Allegro 4:27
17
Simon Halsey, Rundfunk­
chor Berlin
Morgenlicht (Universal/DG)
Harder: Geh aus,
mein Herz, und
suche Freud
EG 503 3:23
18
Matthias Schorn
19
Born To Be Schorn
(hm/Cavi)
Riihimäki: Tango
CluBb 5:14
Christoph von Deylen,
Hélène Grimaud
OPUS (Universal/
We love music)
Satie: Gymnopédie
Nr. 1
(Auszug) 3:21
K
KLASSIK
Claude Balbastre,
Louis-Claude Daquin,
Louis Vierne u. a.
Three Centuries of
Organ Music at NotreDame de Paris
●●●●●
Olivier Latry
Naïve/Indigo
(77 Min., 1/2013)
ne („Mondschein“, „Irrlichter“ und
„Das Glockenspiel von Westminster“) vertreten, während im 20.
Jahrhundert Improvisationen im
Vordergrund stehen, zu denen sogar ein Boléro mit Schlagzeug von
Pierre Cocherau gehört.
Seine Musikerseele verkauft
Latry dabei mitnichten: Mit echt
französischem Klangfarbensinn,
stets epochengerechten Registrierungen, aufnahmetechnisch hervorragend eingefangenen Echound Fernklangwirkungen sowie
einer mühelos wirkenden und nie
auftrumpfenden Virtuosität beweist er einfach nur, dass sich sein
Instrument nicht hinter Weihrauchschwaden verstecken muss.
Carsten Niemann
George Benjamin
Written On Skin, Duet
Kein Choral und keine Fuge – und
trotzdem soll diese CD drei Jahrhunderte Orgelmusik an NotreDame de Paris repräsentieren? Sie
tut es tatsächlich – denn die meisten Titularorganisten, die an der
seit der Barockzeit beständig erweiterten Hauptorgel Platz nahmen, wussten sehr wohl den Bedarf ihrer Hörer nach populären
Formaten zu bedienen.
Wenn ihr Nachfolger Olivier
Latry großzügig ein Register nach
dem anderen herausreißt, um die
CD mit einer rhythmisch packenden und – bei richtig eingestellter Lautstärke – das ganze Zimmer in Vibrationen versetzenden
Improvisation zu beschließen,
dann kann er sich auch hierin als
getreuer Erbe einer langen Tradition fühlen: Schon als Louis-Claude Daquin (1694–1772) die Orgel
schlug, mussten eigens eingesetzte Ordner den Strom der Zuhörer im Zaum halten, und seinem
ebenfalls auf der CD vertretenen
Kollegen Claude-Bénigne Balbastre (1727–1799) wurde in einer anderen Kirche sogar das Spiel in der
weihnachtlichen Mitternachtsmesse verwehrt. Von Balbastre hat
Latry ein Schlachtengemälde über
die Marseillaise und das Revolutionslied „Ah! Ça ira“ ausgegraben. Das 19. Jahrhundert ist unter
anderem mit drei tonmalerischen
Fantasiestücken von Louis Vier-
●●●●○
Klassik-CD des Monats
Barbara Hannigan, Bejun Mehta,
Christopher Purves, Pierre-Laurent Aimard, George Benjamin,
Mahler Chamber Orchestra u.a.
Nimbus/Edel
(2CDs, 103 Min., 7/2012)
Olga Peretyatko, NDR Sinfonieorchester, Enrique Mazzola,
Sony (75 Min., 6/2013)
Schon 2000 hatte sich die finnische Komponistin Kaija Saariaho für ihr Operndebüt „L’Amour
de loin“ ein Kapitel aus dem Goldenen Zeitalter der Troubadoure ausgewählt. Und wie so oft,
ging die mittelalterliche LoveStory zwischen dem berühmten Troubadour Jaufré Rudel und
einer Prinzessin ohne Happy End
aus. Ein ähnliches Schicksal ereilt auch die beiden Protagonisten
in der Oper „Written On Skin“ des
Engländers George Benjamin. So
hat sich Benjamins Librettist Martin Crimp von einer TroubadourSage aus dem 13. Jahrhundert inspirieren lassen, in der der Troubadour Guillem de Cabestanh sein
Herz an die Angebetete gleich im
doppelten Sinne verlor. Denn zum
Schluss muss sie den Lebensmuskel essen, der ihr vom betrogenen
Ehemann aufgetischt wird. Bei
Crimp / Benjamin fungiert nun
der Troubadour zudem als Buchmaler, der im Auftrag eines Herrschers seine grausamen Taten be-
Schon das Debüt-Recital von Olga Peretyatko wirkte wie ein großes, einladendes Haus.
Genau diesen Eindruck vermittelt auch ihr
zweites Album „Arabesque“. Da gibt es viele
Zimmer, alle mit persönlicher Note individuell eingerichtet. Gleich beim Betreten der
Eingangshalle wird klar, dass sich die Besitzerin nicht lumpen lässt und weiß, wie man
Gäste beeindruckt: Mozarts hochvirtuose
Konzertarie „Ah se in ciel, benigne stelle“ mit ihren endlosen Läufen und
üppigen Koloraturen hat niemals besser geklungen als bei der jungen
Russin.
Und so geleitet die Hausherrin den Besucher von Raum zu Raum,
vom Salon bis ins Spielzimmer. Fast alle weisen lebhafte Farben auf, nur
eines ist in deutlich ruhigeren Tönen gehalten – mit der „Figaro“-Susanna gestattet Signora Peretyatko sogar einen Blick in ihr wunderschönes
Schlafzimmer. Während des gesamten Rundgangs, auf dem man die übrigen Bewohner namens Rossini, Bellini, Verdi, Gounod, Bizet, Dell›Acqua, Arditi und Strauß kennenlernt, lässt sie ihre warme, klare Stimme
mit den geschmeidig blitzenden Koloraturen und der fulminanten Höhe
durch die Gänge schallen. Auch bei (stets sauber eingefassten) Spitzentönen dünnt die Stimme nicht aus, behält vielmehr Substanz und Rundung. Am Ende entlässt die Gastgeberin die Bewunderer in den Garten,
wo Alabieffs „Nachtigall“ in den Zweigen versteckt ein Abschiedslied
singt. Kluge Zeitgenossen gehen allerdings nicht ohne die Zusicherung,
auch das nächste Haus der Dame besichtigen zu dürfen.
Michael Blümke
Abonnenten-CD: Track 3
Diverse
Arabesque (Arien von Mozart, Rossini, Bellini,
Gounod u. a .)
●●●●●
35
Klass i k
Vokal total von Michael Blümke
Was was nützt es, ein neues Werk kennenlernen zu können, wenn man
sich wegen der stimmlichen und technischen Unzulänglichkeiten der
Solisten am liebsten die Ohren zuhalten möchte. Nun verspüren die
großen Namen nicht immer Lust, eine Partie nur für einige wenige
Aufführungen einzustudieren, doch herrscht an guten und sehr guten
Sängern ohne großen Namen kein Mangel. Hat man die richtigen gefunden, wird der Hörer im Idealfall – wie hier geschehen – doppelt belohnt, weil die Solisten zu einem echten Ensemble verschmelzen und
so tatsächlich die Oper im Mittelpunkt steht.
Schon vor zwei Jahren bescherten uns Frieder Bernius
und seine Hofkapelle Stuttgart mit Johann Rudolph
Zumsteegs „Die Zauberinsel“ (siehe RONDO 3/2011) eine
veritable Entdeckung. Der fügen sie jetzt mit der Rübezahl-Oper „Der Berggeist“ eine weitere hinzu und machen damit gleichzeitig zu dessen 250. Geburtstag mit dem Opernkomponisten Franz Danzi bekannt. Denn dass der für seine Bläserwerke bekannte Jubilar auch 16 Opern schrieb, ist vermutlich nicht allen
geläufig. Mit einem selbstbewussten Tenor in der Titelrolle (Colin Balzer) und der jugendlich frischen Sarah Wegener als weibliche Protagonistin machen die Stuttgarter überzeugend für eine der ersten romantischen Opern überhaupt Werbung. (Carus/Note 1)
Wer auf die Frage nach dem Komponisten der „Finta giardiniera“ Mozart nennt, gibt zwar eine richtige, aber
nicht die einzig mögliche Antwort. Schon ein Jahr vor
Mozart nämlich hatte Pasquale Anfossi für das Teatro
delle Dame in Rom dasselbe Libretto vertont. Und zwar
sehr pfiffig und einfallsreich, weshalb sich das Ergebnis absolut nicht
vor dem ungleich populäreren Schwesterwerk des großen Salzburgers
verstecken muss. Das beweist auch dieser Mitschnitt, bei dem Dirigent
Werner Ehrhardt für ordentlich Pep und Stimmung sorgt und Nuria Rial
als vermeintliche Gärtnerin verzaubert. (Auch wenn es unfair ist, nur
sie herauszugreifen, wo es doch ein wirklich tolles Ensemble ist, dem
die Gesamtleistung zu verdanken ist.) (dhm/Sony)
Führen wir unser Fragespiel ruhig noch ein bisschen
weiter. Auch beim „Figaro“ fällt uns als Schöpfer natürlich gleich Mozart ein. Und wieder ist das nur die halbe
Wahrheit. Denn es gibt sogar einen doppelten Figaro,
und für den ist Saverio Mercadante verantwortlich. „I
due Figaro“ spielt 15 Jahre nach dem ersten Teil, der ja in Wirklichkeit
der zweite Teil ist, weil das Geschehen schon im „Barbiere di Siviglia“
seinen Lauf nimmt. Doch wie auch immer, was Riccardo Muti da mit
einer Schar junger italienischer Sänger auf die Bühne des Teatro Alighieri in Ravenna bringt, beschert dem Hörer drei vergnügliche Stunden. (Ducale/harmonia mundi)
Ganz besonders eingesetzt hat sich Riccardo Muti stets
für Luigi Cherubini, auch die erste – und bisher einzige –
Einspielung der comédie héroïque „Lodoïska“ ging 1991
auf sein Konto. Gut 20 Jahre nach dieser Pioniertat gibt
es nun dank Jérémie Rhorer eine Nachfolgerin. Mit seinem Ensemble Le Cercle de l‘Harmonie stellt der Franzose das seinerzeit unvorstellbar erfolgreiche Werk (allein 200 Aufführungen im ersten Jahr!) erneut zur Diskussion. Sein überzeugendstes Argument dabei ist Nathalie Manfrino, die sich mit Hingabe und Leidenschaft in die
Titelrolle wirft und dabei von den Kollegen nach Kräften unterstützt
wird. (ambroisie/Indigo)
36
bildern soll und dabei die junge
Agnès kennen und lieben lernt.
Im Gegensatz zu Kaija Saariahos hauchzart-filigraner Musik
besitzt die Benjamin’sche zwar ein
dramatischeres Potential. Trotzdem holt auch er nur selten zur
großen, aufschreckenden Fortissimo-Geste aus. Bei ihm baut sich
das aufziehende Gewitter in dieser Dreiecksgeschichte vielmehr
mit suggestivem Glühen im Vokalen auf. Und das Mahler Chamber
Orchestra, das Benjamin 2012 bei
diesem Live-Mitschnitt von der
Uraufführung in Aix-en-Provence dirigierte, sorgt für ungemeine
Reibungsenergien und eine koloristische Bandbreite, die von Alte
Musik-Assoziationen bis zur gemäßigten Moderne reicht.
So glänzend das vom MCO gespielt wird, so packend präsentieren sich die drei Protagonisten.
Bariton Christopher Purves ist als
„Protector“ ein wahrer Dämon.
Bei Sopranistin Barbara Hannigan
als Angès schwingt von Beginn an
das Unheilvolle mit. Und Countertenor Bejun Mehta verführt
stimmschauspielerisch mit sinnlichster Unschuldsmiene. Solch
ein hohes sängerisches Niveau ist
daher das I-Tüpfelchen auf einem
neuen Musiktheater-Stück, das
im Gegensatz zu vielen anderen
Novitäten nicht so schnell wieder
in den Schubladen landen wird.
Quasi als instrumentale Zugabe
ist Pierre-Laurent Aimard in dem
„Duet“ für Klavier und Orchester
zu hören. Und als alter BenjaminSpezialist weiß er nur zu genau,
wie er all die zersplitterten Klangkristalle illuminieren muss.
Guido Fischer
Hector Berlioz,
Franz Liszt
Symphonie fantastique,
Les Préludes
●●○○○
Daniel Barenboim, WestEastern Divan
Orchestra
Decca/Universal
(68 Min., 8/2009)
[…] Würde man diese Einspielung
hören, ohne die Namen seiner
Protagonisten zu kennen, könnte man schnell vermuten, dass es
sich hierbei um ein solide musizierendes Orchester aus der Provinz handelt (nebenbei gibt es da
mittlerweile um Längen Bessere als das West-Eastern Divan Orchestra). Die einzelnen OrchesterStimmen machen ihre Sache gut.
Und auch die bizarren Tutti-Passagen kommen passabel über die
Rampe. Doch die Hochspannung,
die sich quer durch die fünf Sätze
zieht, erschlafft schon im ersten
Satz. Und während die „Szene auf
dem Lande“ sich in Larmoyanz ergeht, fehlt der jetzt altväterlichen
„Ball“-Szene völlig der gallische
Esprit. Beim „Hexensabbat“ hat
man dann zwar noch einmal effektvoll alle Kräfte gebündelt. Spätestens auf der Zielgeraden geht
aber gerade den Blechbläsern die
Puste aus, wird das Furioso zur
einzigen Holperstrecke. Immerhin
mit Liszts „Les Préludes“ konnten
die Musiker unter der Leitung des
Wagnerianers Barenboim etwas
anfangen.
Reinhard Lemelle
Walter Braunfels,
­Richard Strauss
Streichquintett fis-Moll
op. 63, Metamorphosen
●●●●○
Gringolts Quartett, Dariusz
Mizera, Claudius
Herrmann, David
Geringas
Profil Edition/Naxos
(64 Min., 1/2012)
[…] Das personell erweiterte „Gringolts Quartett“ beglückt den Hörer mit erstklassig durchstrukturiertem, faszinierend lebendigem
Spiel und bringt mit erstaunlicher
Wandlungsfähigkeit sowohl die
Strauss’sche Klangverliebtheit wie
auch die tendenzielle Rauigkeit
und Spröde der Braunfels’schen
Musik überzeugend zur Geltung:
eine CD, die zu tiefem Hineintauchen nicht nur einlädt, sondern
beinahe zwingt.
Michael Wersin
Benjamin Britten
Cello Symphony, CelloSuiten, Cello-Sonate u.a.
●●●●○
Alban Gerhardt,
Steven Osborne,
BBC Scottish Symphony Orchestra,
Andrew Manze
Hyperion/New Arts International
(119 Min., 2 CDs, 12/2011, 3/2012)
Der vor genau hundert Jahren geborene Instrumentalkomponist
Benjamin Britten stand zu seinen Lebzeiten stets im engen Kontakt mit den bedeutendsten Solisten. Dazu zählten Pianist Svjatoslav Richter, Gitarrist Julian Bream
(der am 15. Juli seinen Achtzigsten feiern durfte!) und vor allem
Cellist Mstislav Rostropowitsch.
1960 war man sich erstmals
auf Initiative des gemeinsamen
Freundes Dmitri Schostakowitsch
in London begegnet. Kurz darauf entstand mit der Cello-Sonate op. 65 das erste von insgesamt
fünf Meisterwerken für „Slava“.
Und warum Britten ein großer Bewunderer von Schostakowitsch
war, wird gerade im Finalsatz und
dank des kraftvoll maschinenhaften sowie doppelbödig verschmitzten Zusammenspiels von
Alban Gerhardt und Pianist Steven Osborne überdeutlich.
Doch auch bei der Cello Symphony (1963) und in den drei Solo-Suiten (1964, 1967, 1971) beschwört Gerhardt immer wieder ungemein eindringlich,
spannungsgeladen und mit atemreichem Melos den Geist von Brittens russischem Kollegen. Geradezu beängstigend wirken da
gleich zu Beginn des konzertanten
Dramas Gerhardts dunkle Schraffuren. Und das von Andrew Manze
geleitete BBC Scottish Symphony
Orchestra weiß dabei das fortan
unter Hochdruck stehende Werk
auch mit einer bewundernswert
aufwandarmen Intensität zu stabilisieren. Vollends zu einem diskografischen Glücksfall im Britten-Jahr 2013 gerät schließlich Alban Gerhardts Spiel in den drei
Solo-Suiten, die bei ihm nur von
ganz weiter Ferne eine Klangbrücke zu Bach schlagen. Denn al-
les, was Gerhardt in diesem riesigen Kaleidoskop von Stimmungen
und Spieltechniken mit unverstellt elektrisierendem Ausdruck
freilegt, wird nun zum Spiegelbild
eines auch von Zweifeln, Ängsten und Hoffnungen getriebenen
Künstlers im 20. Jahrhundert.
Guido Fischer
William Byrd, Matthew
Locke, Orlando Gibbons, Alfonso Ferra­
bosco, Jon Bull u.a.
Fabulous London – Englische Musik für Gambenconsort
●●●●●
Les Escapades,
Barbara Leitherer,
Andrea Cordula
Baur
Christophorus/Note 1
(62 Min., 10/2012)
[…] Von Gamben gespielt, vermitteln diese polyphon gesetzten
Kleinode eine bezwingende Ruhe
und ein unübertreffliches Wohlgefühl – zumal wenn in jeder Hinsicht so vollkommen musiziert
wird wie von den vier Damen des
Ensembles „Les Escapades“, die
häufig ergänzt werden durch die
Bass-Gambistin Barbara Leitherer und vor allem auch durch die
ebenso kompetente wie einfühlsame Lautenistin Andrea Cordula
Baur. Letztere mischt sich z. B. in
Thomas Simpsons „Bonny Sweet
Robin“ zart in das horizontale Liniengeflecht ein und stärkt dezent
das vertikale harmonische Gerüst,
ohne sich jemals in den Vordergrund zu spielen. Achtung: eine
wahrhaft wundervolle CD, deren
Bannkreis man nicht so leicht zu
entkommen (portugiesisch „escapar“) vermag! Michael Wersin
Antonio de Cabezón
Obras de Musica
●●●●○
Doulce Mémorie, Denis Raisin
Dadre
Ricercar/Note 1
(64 Min., 10/2011)
Die Kunst des Diminuierens gehört zu den faszinierendsten Improvisationstechniken des 16.
Jahrhunderts: Einzelne Stimmen
einer bestehenden Komposition
werden stark ausgeziert, mit kleineren Notenwerten (daher „Diminution“) wird die präexistente Stimme virtuos umspielt. Der
blinde spanische Komponist Antonio de Cabezón (1510–1566) hat
einige solcher Diminutionen niedergeschrieben; sie wurden von
ihm für Tasten- oder Saiteninstrumente geschaffen. Weil bei der
Ausführung auf einem solchen
Instrument aber häufig nicht der
komplette Satz gespielt werden
kann und weil die Tabulatur-Notation, in der diese Werke verschriftlicht wurden, nachweislich seinerzeit auch von Blasinstrumentalisten gelesen werden konnten,
fühlte sich Denis Raisin Dadre ermutigt, diese Musik auf ein kleines Ensemble historischer Instrumente zu übertragen.
Hilfreich ist, dass er die unverzierten Originalversionen der von
Cabezón bearbeiteten Stücke, die
von anderen Komponisten stammen, den Diminutionen gegenüberstellt. Dadurch kommt der
Hörer einerseits in den Genuss der
faszinierenden Bearbeitungen, deren Virtuosität niemals aufdringlich wirkt, sondern im Gegenteil
eher Ruhe vermittelt; andererseits
wird der Vergleich mit der (zumeist gesungenen) Grundlage direkt ermöglicht. Ein Hochgenuss
mit ausgesprochen informativen
„Nebenwirkungen“.
Michael Wersin
Martin & Dubois so einiges ab –
und dass die Schwierigkeiten des
Klaviersatzes dem aufmerksamen
Hörer nicht völlig verborgen bleiben, ist der einzige Kritikpunkt an
dieser ansonsten höchst empfehlenswerten CD. […]Gemeinsam ist
allen Werken der bemerkenswerte musikalische Ideenreichtum,
wobei Gouvy freilich nicht gerade
ein Avantgardist war: Seine Musik
ist von ähnlicher unkomplizierter
Spielfreude geprägt wie etwa diejenige seines Zeitgenossen Camille Saint-Saëns, mit dem Gouvy übrigens regelmäßig korrespondierte. Die Faktur des musikalischen
Satzes ist stets gediegen und von
ausgeprägtem Sinn für die klanglichen Möglichkeiten des KlavierDoppels gekennzeichnet. Ein ausführlicher Beihefttext – der Länge
geschuldet nur in Französisch –
hilft mittels analytischer Betrachtungen mit Notenbeispielen, das
Hörerlebnis zu vertiefen.
Michael Wersin
Théodore Gouvy
So vielversprechend und begeisternd der Mozart-Zyklus des
Chamber Orchestra of Europe
unter Yannick Nézet-Séguin letztes Jahr mit „Don Giovanni“ begonnen hat, so enttäuschend wird
er mit „Così fan tutte“ fortgeführt.
Der Start mit einem hochkarätigen Sängeraufgebot war wohl
so kostspielig, dass man bei der
zweiten Oper entsprechend sparen musste. Es wird zwar zumeist
sehr gut gesungen, allerdings
ohne Charme, ohne Witz, ohne
echte Anteilnahme. Noch nicht
einmal in den Rezitativen gelingt
Die Werke für zwei
­K laviere
●●●●○
Laurent Martin,
Carole Dubois
Ligia/Klassik
Center
(79 Min., 10/2012)
Es klingt durchweg sehr unterhaltsam, ist aber spieltechnisch
beileibe keine leichte Kost: Die
Musik für zwei Klaviere aus der Feder des Franzosen Théodore Gouvy (1819–1898) verlangt dem Duo
Wolfgang Amadeus
Mozart
Così fan tutte
●●○○○
Miah Persson,
Angela Brower,
Mojca Erdmann,
Rolando Villazón,
Adam Plachetka, Alessandro
Corbelli, Vocalensemble Rastatt,
Chamber Orchestra of Europe,
Yannick Nézet-Séguin
Deutsche Grammophon/Universal
(3 CDs, 178 Min., 7/2012)
37
Klass i k
es den Solisten, ein bisschen Interesse zu wecken.
Miah Persson ist schlicht keine Fiordiligi, dafür fehlt ihr nicht
nur die Tiefe, sondern vor allem
der Aplomb. Auch Angela Brower
(Dorabella) und Mojca Erdmann
(Despina) – obwohl vokal tadellos – mangelt es an Persönlichkeit und Entschiedenheit. Über
den Ferrando von Rolando Villazón, der ebenso matt und monochrom daherkommt wie sein Ottavio, breitet man besser den Mantel des Schweigens. Man erahnt
nur zu gut die Reichweite der Drohung, der Mexikaner werde alle
Tenorpartien in diesem Zyklus
übernehmen. Adam Plachetka
steuert einen einwandfreien Guglielmo bei, Alessandro Corbellis
stimmlich etwas flacher Don Alfonso überzeugt als einzige Figur
darstellerisch.
Auch wenn sich die Kritikpunkte an den gesanglichen Leistungen im Rahmen halten, muss
man doch feststellen, dass eine
so gesichtslose und austauschbare, schlicht langweilige „Così“ ab-
solut entbehrlich ist und in dem
gut sortierten Feld von überzeugenden Aufnahmen keine Überlebenschancen besitzt.
Michael Blümke
Wolfgang Amadeus
Mozart
Konzert für Flöte, Harfe
und Orchester, Klavierkonzert Nr. 19 & Klaviersonate Nr. 16 arrangiert
für Harfe
●●○○○
Xavier de Maistre,
Magali Mosnier,
Mozarteumorchester Salzburg,
Ivor Bolton
Sony (64 Min., 2/2013)
[…] Angesichts kaum wirklich origineller Konzertstücke muss er
sich da mit Arrangements behelfen, um die Harfe als vollwertiges Solo-Instrument etablieren
zu können. Bei seiner letzten Auf-
Im Vergleich
Johannes Brahms
Sinfonie Nr. 1 u.a.
●●●●○
Swedish Chamber Orchestra,
Thomas Dausgaard
BIS/Klassik Center
(SACD, 65 Min., 3/2011)
Johannes Brahms
Sinfonien Nr. 1 und 3
●●○○○
WDR Sinfonieorchester Köln,
Jukka-Pekka Saraste
Hänssler Profil/Naxos
(79 Min., 1/2013)
Ich ärgerte mich immer über das Auftauchen
jenes abgenutzten, ja eigentlich ekligen Unwortes der Musikrezension, „Entschlacken“,
womit zeitgeistig „informierte“ Autoren wohl
sagen wollen, sobald ein sinfonisches Werk
des abendländischen Kanons in merklich ver-
38
nahme mit Haydn-Konzerten ist
das noch geglückt. Aber mit seinem Mozart-Album hat de Maistre nun fast durchweg wieder alle
alten Klischees aufgefächert, die
dem Vielsaiter lange wie Pech anhafteten. So bietet seine Einrichtung von Mozarts Klaviersonate CDur KV 545 das übliche hübsche
Gefunkel und jene liebreizenden
Arabesken, die gerade mal Weihnachten oder Warteschleifen versüßen können.
In die pianistische Solistenrolle eines Klavierkonzerts kann die
Harfe darüber hinaus erst recht
nicht schlüpfen. De Maistre bietet bei Mozarts 2. Krönungskonzert F-Dur KV 459 zwar alles auf,
was seine glänzend funktionierenden Finger hergeben. Er kann
unendliche Triller wie im Laufrad runterspulen. Seine Gesanglichkeit ist ausgenommen tonschön, und auch an Esprit fehlt es
ihm nicht. Trotzdem bewegen sich
Harfe und Orchester wie in zwei
Welten, und das ausgerechnet in
einem Konzert, in dem Mozart
den gegenseitig sich befruchten-
dünnter Besetzung und möglichst ohne Streichervibrato dargeboten werde, sei die Interpretationsgeschichte endlich von allem „Aufgedunsenen“ (liest man auch) bereinigt. Das
ist natürlich Ideologie. Dass hier mit Brahms`
„Erster“ ein unerhört wach und präzise musizierendes Kammerensemble ein etabliertes
Sinfonieorchester regelrecht deklassiert, hat
nicht mit unguten Säften, sondern ausschließlich mit der Absicht zu tun, ein in seiner Kanonisiertheit ermüdetes Werk mit erneuertem Staunen zu befragen, anstatt es in schläfriger Vertrautheit zu durchschreiten. Dazu taugt
letztlich jedes Mittel, vorausgesetzt, interpretatorische Intelligenz ist am Pulte.
Wach wird man vom ersten Takt an mit
dem Swedish Chamber Orchestra unter Thomas Dausgaard. Das Tempo der Introduktion
ist straff, aber nicht überhetzt, die espressivo-Dialoge der Holzbläser wunderbar ausgesungen und der Paukenwirbel überdröhnt die
Streicher einmal nicht. Ich habe immer gedacht, dieser später hinzukomponierte Eingang könne die Atmosphäre brütender Unheilserwartung nur im vertrauten, schweren Kleid entfalten, aber dieser schneidenden
„light“-Fassung gelingt es eindringlich, zumal
sie in einer seltenen Stringenz auf den tuttiStromschlag zustrebt, mit dem das Allegro beginnt. Wenn ich den Unterschied zur Fassung
mit dem WDR Sinfonieorchester Köln unter
den Dialog zum oberstes Prinzip
erklärt hat. Doch das von der Harfe vorgebende Thema im Finalsatz bleibt nur eine reine Nettigkeit – angesichts des eigentlichen
Hauptakteurs, des Mozarteumorchesters Salzburg unter Ivor Bolton. Kaum hat man mit dem vierstimmigen Fugato der Harfe stolz
und beschwingt ihre Grenzen aufgezeigt, wünscht man sich, dass
sich daraus vielleicht doch eine
reine Sinfonie entwickeln möge.
Immerhin im zentralen Stück,
Mozarts Doppelkonzert für Flöte und Harfe, weiß de Maistre zusammen mit der herrlich aufblühenden Flötenstimme von Magali
Mosnier für vieles zu entschädigen. Einen Originalitätspreis für
dieses Mozart-Programm wird er
dennoch nicht bekommen.
Reinhard Lemelle
Alle Rezensionen
finden Sie auch unter
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Jukka-Pekka Saraste in größter Kürze charakterisieren sollte, wäre es dieser ff-Schlag, der bei
Saraste etwa so klingt wie eine auf dem Straßenpflaster aufplatzende Melone. Dieser Klang
steht für das Ganze: interpretatorisch ungeformtes Routinespiel, saftig-opulent, gefällig,
aber wirklich an keiner Stelle bewusst gestaltet. Die zerklüftete Landschaft der Durchführung wird zu lähmender Langweiligkeit eingeebnet, und nicht einmal den kurzen DurLichtblick in der Coda würdigt Saraste eines
Partiturblicks. Dabei steht er hier nun wirklich
vor einem Monument der Qualen und Skrupel,
das Brahms von den ersten Skizzen bis zur Vollendung mehr als 20 Jahre gefangen hielt, und
das sollte man diesem schroffen Satz anhören.
Dausgaard gelingt das. Mag mit seinem kleinen Ensemble auch keine pathetische Wucht
in der Durchführung zu entfesseln sein, das dynamische Relief ist von nervöser Zerfurchtheit.
In dramatischen Schlüsselmomenten wie dem
Abstieg ins Pianissimo-Tal vor dem Höhepunkt
knistert dieses in eisernem Metrum gehaltene
Musizieren vor elektrischer Spannung. Und gestattet sich Dausgaard einmal ein kurzes energisches Anziehen, etwa in den zaghaft sich ins
Dur wendenden Takten vor dem fahlen Zusammensinken der Coda im Meno allegro, wirkt das
geradezu aufpeitschend.
Matthias Kornemann
Franz Schubert
Sinfonie Nr. 8 C-Dur D
944
●●●●○
NDR Sinfonieorchester, Thomas
Hengelbrock
Sony
(62 Min., 9/2012)
Wie wichtig es ist, Musik der chronologischen Herkunft nach aufzuschlüsseln, zeigt mit Thomas
Hengelbrock wieder einmal ein
(ehemaliger) Adept der Alten Musik. Schuberts großer C-Dur-Sinfonie nähert er sich von der Klassik ausgehend – und nicht von
der Romantik (zurück)kommend.
Diese Unterscheidung mag manchen nebensächlich erscheinen,
tatsächlich liegt in ihr aber der
Schlüssel zum Verständnis des
Werkes und damit zur interpretatorischen Glaubwürdigkeit. Schuberts letztes Orchesterwerk bildet ein Scharnier zwischen diesen zwei Epochen, ist noch in der
Klassik verwurzelt, schlägt aber
kraftvoll die Brücke in die Romantik.
Und in genau diesem Sinne lässt Hengelbrock sein hervorragendes NDR Sinfonieorchester
musizieren, nicht wie so oft unzulässig aufgepolstert, sondern mit
schlankem Ton, der sich auch in
Blech-angereicherten Tuttistellen nicht verdickt. Was diese Aufnahme aber über die meisten anderen hinaushebt, ist die phänomenale Flexibilität der Tempi. Die
begeistert schon im ersten Satz
mit seinen drei kontrastierenden
Themen und setzt sich im zweiten
Satz (ein dickes Lob an die Oboe!)
fort. Wie Hengelbrock dort die beiden Themen im Tempo gegeneinander setzt, mit raffinierter Agogik eine grandiose Dramaturgie
entwirft, muss man gehört haben.
Das ist allerhöchste Meisterschaft,
wie sie der Dirigent und das NDR
Sinfonieorchester schon mit ihren
beiden vorherigen CD-Einspielungen unter Beweis gestellt haben.
Freuen wir uns auf Nummer vier!
Michael Blümke
Franz Schubert, Richard
Strauss, Hector Berlioz, Johannes Brahms,
Johann Sebastian Bach
u. a.
Dame Janet Baker. The
great EMI Recordings
●●●●○
JONAS
KAUFMANN
DasVERDI
ALBUM
Janet Baker,
Gerald Moore, Daniel Barenboim,
Andre Previn,
John Barbirolli, Carlo Maria
Giulini u. a.
EMI (20CDs, ca. 1.485 Min.,
1966–1990)
Am 21. August dieses Jahres wird
die englische Mezzosopranistin
Janet Baker 80 Jahre alt. Ihre Gesangskarriere hat sie schon vor
langer Zeit beendet. Geblieben ist
die akustische Präsenz ihres unverwechselbaren Stimmmaterials, bewahrt ist durch ihre zahlreichen CD-Einspielungen die
Erinnerung an eine der charakteristischsten Interpretinnen des
20. Jahrhunderts.
Bei EMI, wo sie von 1966 bis
1990 unter Vertrag war, hat man
anlässlich des Jubiläums kräftig in den Archiven gestöbert und
auf zwanzig CDs wohl mehr oder
weniger alles veröffentlicht, was
greifbar war. Der Hinweis auf dem
Rücken der Box, ein Drittel des
Materials sei bisher nie auf CD
greifbar gewesen, lässt das Sammlerherz höher schlagen – und in
der Tat: Hier finden sich Dinge,
von denen auch der Rezensent
nichts geahnt hat. Englische Barocklieder von Dowland, Campion
oder Purcell etwa, begleitet teils
vom Lautenisten Robert Spencer,
teils von Martin Isepp am Cembalo (1967). Oder ein „upgrade“ zu
den sonst in Anthologien immer
enthaltenen zwei Strauss-Liedern
mit Gerald Moore, ebenfalls von
1967: Insgesamt sieben Titel umfasst diese Strauss-Gruppe hier,
und ein Lied ist entzückender als
das andere. […] dem sind freilich
auch die Highlights enthalten:
Berlioz’ „Les nuits d’été“, Ravels
„Shéhérazade“ und Mahlers Rückert-Lieder unter Barbirolli etwa,
unüberbietbare Klassiker der Gesangsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Betrüblich ist allein, dass
39
LIMITIERTE DELUXE
ERSTAUFLAGE MIT BONUSTRACK
Auf seinem ersten Verdi-Album präsentiert Jonas Kaufmann
13 Highlights aus Opern des italienischen Komponisten,
11 davon sind für den Tenor Premieren, die er extra für
diese CD einstudierte. Mit Arien aus Aida, Rigoletto, Don
Carlo, Il Trovatore, Macbeth, Luisa Miller, La forza del destino,
I masnadieri, Un ballo in maschera und Otello.
www.sonymusicclassical.de
Klass i k
Premierenabo von Michael Blümke
„Tutto Verdi“ verkündet die Aufschrift und verspricht damit ein bisschen zu viel. Denn wirklich
alle Opern des Meisters finden sich dann doch
nicht in dieser eindrucksvollen Box. Seine beiden
Zweitverwertungen „Jérusalem“ (nach „I lombardi“) und „Aroldo“ (Ableger von „Stiffelio“) sucht
man vergeblich. Allerdings ist der Anteil der für
diese Bearbeitungen neu hinzukomponierten Musik eher bescheiden,
weshalb diese Unterlassung verschmerzbar ist. Ein Etikettenschwindel
bleibt es trotzdem.
Als überregional bekanntes Opernhaus jener Provinz, in der Verdis Geburtsort liegt, veranstaltet das Teatro Regio di Parma seit 2004
jedes Jahr ein „Festival Verdi“. Und eben das dient mit 21 Opern und
der „Messa da Requiem“ als Hauptlieferant für diese Edition; drei Mitschnitte hat man von anderen italienischen Opernhäusern (Neapel, Triest, Modena), zwei weitere aus Toblach bzw. Salzburg dazugekauft.
Diese Konzentration auf Italien kommt allen entgegen, die des Regietheaters überdrüssig sind und sich nach Inszenierungen sehnen,
die „Erkennen Sie die Melodie?“-tauglich sind. Bei den Frühwerken beschränkt man sich meist auf Kulissen und Kostüme. Natürlich sucht
man hier so etwas wie psychologische Personenregie vergeblich. Auch
bei der Gestik lässt man sich zumeist auf keine Experimente ein: Der
Arm wird gehoben oder gestreckt, die Hand zum Herzen geführt oder
zur Faust geballt.
Der italienische Geschmack schlägt aber auch auf musikalischer Seite
durch. Die sängerische Sorgfalt wird im Heimatland der Oper eher klein
geschrieben, da singt man schon mal über ein paar kurze Noten hinweg
oder begradigt unbequeme Passagen etwas. Viel wichtiger ist der effektvolle Einsatz der Gesangsstimmen, wenn es nicht anders geht, gerne
auch technisch undogmatisch, Hauptsache, es macht was her.
Man kommt nicht umhin festzustellen, dass Parma nicht mehr das
ist, was es einmal war. Früher als Löwengrube verschrien, weil das
kenntnisreiche und anspruchsvolle Publikum oft genug selbst Stars
ausgepfiffen hat, werden dort heutzutage Leistungen bejubelt, die keine fünf Euro wert sind. So scheint man am Teatro Regio beispielsweise nur einen Bariton für die großen Charakterrollen zu kennen, und
der hätte vor mindestens zehn, fünfzehn Jahren bereits in Rente gehen
sollen – Leo Nucci darf gleich sieben Produktionen mit seinen kläglichen Stimmresten entwerten.
Damit ist eigentlich auch schon die Frage beantwortet, ob man sich
die ganze Box zulegen sollte. Sicher, auf diese Weise hat man seinen Verdi komplett, zumal es etliche der frühen Werke nicht anderweitig auf
DVD gibt, muss aber auch einige musikalische Kröten schlucken. Auch
die drei Teilboxen schaffen diesbezüglich keine Abhilfe. Und so kann man
guten Gewissens nur zum gezielten Kauf einzelner Opern raten.
Unbedingt die Finger lassen sollte man von „Nabucco“ (als Zugabe
zu Nuccis Titelheld schreit sich Dimitra Theodossiou scharf und schrill
durch die Abigaille), „Alzira“ (als einzige Oper nur konzertant, dazu mit
unfertigen bzw. überforderten Sängern, eine einzige Zumutung) und „I
vespri siciliani“ (ein sehr homogenes Quartett von Schauerstimmen).
In den übrigen Werken gibt es viele gute, etliche sehr gute und mitunter auch exzellente Leistungen zu genießen. Welche einem am meisten zusagen, findet man am besten mit der Highlights-DVD heraus.
Das Prachtstück der Sammlung, soviel sei verraten, ist der Salzburger
„Otello“ – ein echter vokaler Triple Whopper!
Neu erschienen:
Tutto Verdi (30 DVDs oder 27 Blurays + Bonus-Dokumentation, 3900
Min.), C Major/Naxos
40
diese gewaltige Sammlung nur
noch minutiöser dokumentiert,
was Baker-Kenner wissen: Ab Anfang der 70er Jahre ist ihre Stimme langsam immer „säuerlicher“
geworden – warum begann der
Verschleiß so bedauerlich früh?
Michael Wersin
Johannes Brahms
Streichquartett a-Moll
op. 51/II, Klarinettenquintett h-Moll op. 115
●●●●○
Jerusalem Quartet, Sharon Kam
harmonia mundi
(71 Min., 6/2012)
Gleich zwei Werke einer solchen
emotionalen Dichte, mag sie auch
schwer in Worte zu fassen sein,
könnten im Konzert kaum aufeinander folgen. Das a-Moll-Quartett op. 51/II und das Klarinettenquintett sind geradezu vollgesogen mit Brahmsscher Schwermut.
Da ist schnell allzu schwerer Wein
gekeltert, doch wer sich mit der
Darstellung der unerhörten konstruktiven Dichte dieser Musik begnügte, dem entglitte ihre dunkle Seele. Das Jerusalem Quartet
wählt einen mittleren Weg (da ist
es nicht das erste …), besichtigt die
elegischsten Orte des Quintetts
mit einer behutsamen Skepsis
und findet sein Glück im Rückzug
auf die kleinere Geste. Wer aufmerksam zuhört, bemerkt, wie die
Interpretationsgeschichte manche Wendung zur Floskel wehmütiger Rhetorik erhoben hat. Schon
der Eingang der Klarinette wird
meistens mit einem Drücker beschwert, als könne das Instrument
vor lastender Wehmut kaum seine
dunkle Stimme erheben. Sharon
Kams vergleichsweise diskreter
Einsatz lässt einen kunstvoll-beiläufigen Konversationston erstehen, der die erlesene Kontrastarmut des Werkes gut einfängt. Das
gedämpfte Licht einer Peter Steinschen Tschechow-Inszenierung
liegt über dem Kopfsatz. Manches
wird gemildert – so die deutlich
abgeschliffenen Sechzehntel-Aufschläge, anderes, wie die oft überdeckten metrischen Verschiebungen, bebt in nervöser Deutlichkeit.
Überzeugend gerät auch die
Finale-Dramaturgie, an dessen
Schluss das fahl abgewandelte, unvergessliche erste Thema
des Quintetts wieder erscheint
– eine oft allzu forciert wirkende Demonstration zyklischer Geschlossenheit. Das Jerusalem
Quartet zeigt uns, dass Brahms
hier keine organische Entwicklung, sondern einen verstörenden Bruch im Sinn gehabt haben könnte: Aus der lind-bewegten pizzicato-Variation werden wir
in die schneidende Kahlheit eines
Abschlusses gerissen, in dessen
gespenstisch verdorrten Harmonien das wehmütige Thema geradezu erfriert.
[…] So hat diese Besichtigung
melancholischer Orte des klassischen Kanons eine eigentümliche
Tugend, die für fehlendes emotionales Schwelgen entschädigen
mag: Die depressive Schlussbilanz
beider Werke wird in aller Deutlichkeit gezogen.
Matthias
Kornemann
Giovanni Battista
­Pergolesi
Septem verba a Christo
●●●●○
Sophie Karthäuser, Christophe
Dumaux, Julien
Behr, Konstantin
Wolff, René Jacobs, Akademie
für Alte Musik Berlin
harmonia mundi
(80 Min., 8/2012)
Geht es nach der CD-Aufmachung,
scheinen endgültig alle Zweifel
weggewischt: Giovanni Battista
Pergolesi hat das Oratorium „Die
sieben Worte Christi am Kreuz“
komponiert! Und auch für Dirigent René Jacobs steht die Autorschaft fest, wie er im Booklettext
ausführlich begründet. Trotzdem
bleibt weiterhin ein kleines Fragezeichen, wie selbst der Musikwissenschaftler Reinhard Fehling in seinem Kommentar zugeben muss. Wenngleich er 2009 auf
eine neue Spur dieses schon fast
sagenumwobenen, vielleicht zwischen 1730 und 1736 geschriebenen Werks gestoßen ist, spricht
eher die Indizienlage als vielmehr
ein handfester Beweis für Pergolesi.
Sieht man aber einmal von
den Spekulationen ab, die wohl
noch lange von zahlreichen Abschriften befeuert werden, muss
man anlässlich von Jacobs’ Einspielung dem legendären, enzyklopädisch umtriebigen Dirigenten Hermann Scherchen in seiner
Einschätzung Recht geben. Immerhin hatte er diesem aus sieben Kantaten bestehenden Werk
schon vor einem halben Jahrhundert „Sanftmut, tiefstes Empfinden und [ein] alles überstrahlendes Schönheitsgefühl“ attestiert.
Die je aus zwei Arien bestehenden Kantaten, die einen
Dialog zwischen Jesus und der
gläubigen Seele „Anima“ widerspiegeln, sind dank ihrer ariosen
Lyrik, ihren durchschimmernden opernhaften Elementen sowie
dramatischen Binnenspannungen
jeweils ein kleines Meisterwerk.
Und für den finalen Ritterschlag
sorgt neben Jacobs und der Akademie für Alte Musik Berlin ein
Solisten-Quartett, das besonders
von Tenor Julien Behr und Bassist
Konstantin Wolff angeführt wird.
Guido Fischer
Josef Gabriel
­Rheinberger
Die Wasserfee (Weltliche
Lieder und Quartette)
●●●○○
Lydia Teuscher,
Christine Müller,
Andreas Weller,
Klaus Häger, Götz
Payer
Carus/Note 1 (75 Min., 9/2012)
Vor allem als Kirchenmusik-Komponist ist Josef Gabriel Rheinberger bekannt. Mit seiner satztechnisch an der Vokalpolyphonie der
Renaissance orientierten Kompositionsweise stand er lange
unter Cäcilianismus-Verdacht; die
eigenständige Idiomatik seiner
Tonsprache machte ihn schließlich mehr und mehr salonfähig,
wozu vor allem auch die langjäh-
rige unermüdliche Editionsarbeit
des Carus-Verlages beigetragen
hat. Nachdem nun weite Teile seiner Kirchenmusik in Noten und
auf CDs vorliegen, gerät folgerichtig auch seine weltliche Musik ins
Blickfeld.
Und da erleben wir nun einen
anderen als den liturgisch mittlerweile sehr vertrauten Rheinberger: Zwei Gedichtzyklen seiner Ehefrau (Künstlername: Franziska von Hoffnaaß) verarbeitete
er zu ansprechenden, gefälligen
Kunstliedern weiter, ein Eichendorff- und ein Lingg-Gedicht wurden zu Quartetten mit Klavierbegleitung. Doch wenn sich auch
der musikalische Tonfall hier naturgemäß von demjenigen der
Messen unterscheidet, so finden
wir doch erneut eine Stilistik vor,
die bei bemerkenswerter melodischer wie harmonischer Eloquenz
handwerklich vollkommen ist, dabei im Erklingen den Hörer durchaus entzückt. Abgründige Tiefen,
echte Dramatik indes gibt es freilich nirgends: Die Musik erfreut,
ergreift aber nicht, erschüttert
schon gar nicht. Nun, die musikästhetische Seite, die Frage nach
Liedkompositionen auf Augenhöhe mit Schubert, Schumann oder
Brahms kann hier nicht diskutiert
werden.
Festzuhalten bleibt jedoch,
dass die interpretatorische Umsetzung prinzipiell dem musikalischen Material gerecht wird:
Etwas brav im Ausdruck, dabei
stimmlich nicht immer völlig im
Lot präsentiert sich Klaus Häger,
stimmlich deutlich präsenter und
fokussierter, darum auch etwas
breiter im Ausdrucksspektrum
agiert Andreas Weller. Das klanglich angenehme Quartett mit den
Damen ist dank Lydia Teuschers
sehr tragfähiger Stimmer ein wenig kopflastig, vom Bass her gelegentlich ein wenig intonationsgetrübt.
Michael Wersin
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41
Ja z z
China Moses & Raphael
Lemonnier
Crazy Blues
●●●●○
Emarcy/Universal
(65 Min., ohne
Aufnahmedatum)
Schon auf ihrem Tonträger-Debüt
als Jazzsängerin, dem 2009 im Gedenken an Dinah Washington veröffentlichten „This One‘s For Dinah“, hatte sich China Moses vor
einer prominenten Vorgängerin
verbeugt. Mit „Crazy Blues“ verfolgt die Tochter von Dee Dee Bridgewater diesen Weg nun konsequent weiter. Insgesamt neun großen Damen, die alle mittlerweile
im Musikerhimmel weilen, zollt
die 35-Jährige nun Tribut – von
Mamie Smith, dem ersten Plattenstar des Blues, über „Lil“ Green bis
hin zu Janis Joplin, Etta James und
Donna Summer.
Der raffinierte Kniff: Moses
huldigt ihren weiblichen Heldinnen mit einer Reihe von freundlichen Rangeleien mit der Männerwelt. Eigentlich in jedem
Stück lässt sich die mit allen Wassern des Blues und der Koketterie gewaschene Vokalistin auf ein
freundschaftliches Duell ein: mal
mit Sängern wie dem britischen
Swing-Dandy Hugh Coltman
(„Closing Time“) oder dem französischen Soul-Unikum Sly John-
son („Cherry Wine“), mal mit den
Saxofonisten Pierrick Pedron und
Luigi Grasso – und immer wieder
natürlich mit ihrem pianistischen
Alter Ego, dem Errol-Garner-Fan
und Boogie-Kenner Raphaël Lemonnier. Letzterer war auch für
die Arrangements zuständig, die
sich respektvoll grinsend vor der
Big-Band-Tradition und dem TwoBeat-Jazz verneigen.
Wer China Moses nur für eine
begabte Schreihälsin im Schatten
ihrer Mutter halten sollte, wird
hier eines Besseren belehrt. Vor
allem mit ihren abgründig-dunklen Interpretationen à la Nina Simone („Work Song“ und „Just Say
I Love Him“) erweist sie sich als
reife Musikerpersönlichkeit. Ihr
Meisterstück in Sachen Sängerinnen-Hommage hat China Moses
mit „Crazy Blues“ abgelegt. Jetzt
ist es an der Zeit, selbst Geschichte zu schreiben.
Josef Engels
Marius Neset
Birds
●●●●○
Edition/Soulfood
(62 Min., 4/2012)
In Norwegen feiert man ihn bereits
als den besten einheimischen Saxofonisten seit Jan Garbarek, und
auch hierzulande konnte sich Marius Neset mit seinem fulminan-
Meilenstein
Boyd Raeburn
Jewells
Savoy SV-0273
(10/1945–9/1949,
78 Min.)
Am 27. Oktober jährt sich der Geburtstag des bereits 1966 verstorbenen Bandleaders Boyd Raeburn zum 100. Mal. Raeburn erregte ab 1944 mit
seinem experimentellen Orchester Aufsehen.
42
ten Debüt „Golden Xplosion“ und
diversen Festivalauftritten einen
Namen machen. Keine einfache
Situation. Es gibt ja schließlich
diesen Spruch, dass das zweite Album immer das schwerste sein
soll. Neset hat aus diesem Druck
eine Tugend gemacht. Und übertrifft sich mit „Birds“ selbst.
Schon das titelgebende Eröffnungsstück macht den Zuhörer
ganz schwindlig. Virtuos schichtet
Neset da verschiedenste Stil- und
Rhythmus-Patterns über- und ineinander. Mindestens drei unterschiedliche Besetzungen lässt der
Norweger da aufeinander los: Ein
folkloristisches Trio mit Akkordeon, Flöte und Saxofon, ein Blechblasensemble sowie sein eigenes
eingespieltes Trio (Ivo Neame am
Klavier, Jasper Høiby am Bass sowie Anton Eger an den Drums), das
er um Jim Harts Vibrafon erweitert
hat. Im Zusammenspiel klingt das
wie ein feucht-fröhlicher Besuch
auf dem Jahrmarkt, bei dem Frank
Zappa, Astor Piazzolla, Steve Reich,
Steps Ahead und Igor Strawinski
gemeinsam eine Achterbahnfahrt
unternehmen.
Ähnlich überbordend voll mit
Assoziationen an irische Gelage,
Disney-Musicals, Big-Band-Eruptionen und Wagner-Bombast ist
auch die „Fanfare“, die als CD-Abschluss eine Klammer mit dem
irrwitzigen Auftakt bildet. Zwischendurch zeigt Neset, der auf
dem Sopran gelegentlich an Branford Marsalis (etwa bei „Portuge-
Als wichtigster Bandleader des Progressive Jazz
neben Stan Kenton übertraf er diesen anfangs
oft in puncto Besetzung, Swing und ultramodernem Arrangement, für das schmählich vergessene Größen wie George Handy, Ed Finckel
und Johnny Richards verantwortlich waren. Raeburn bezeichnete sein Konzept als „classical music applied to swing“ und nannte unter anderem
Hindemith, Strawinski, Schostakowitsch und
Bartók als Vorbilder. Das spiegelt sich neben erweiterter Harmonik und dem Spiel mit starken
Kontrasten auch in der neuartigen Instrumentation seiner Bigband: Instrumente wie Flöte und
Horn verdanken nicht zuletzt seinem Einsatz
ihre Verankerung im großorchestralen Jazz. Damit wurde der weitsichtige Kopf zu einem wichtigen Impulsgeber für das, was man etwa fünf
Jahre später „Third Stream“ und in unserer Zeit
„Crossover“ nennt. Der Titel „Boyd Meets Stravinski“ ist programmatisch für Raeburns (et-
se Windmill“), auf dem Tenor oft
an Michael Brecker („Sacred Universe“) erinnert, dass er auch anders kann. Aber selbst bei Balladen
oder pointilistischen Stücken weiß
man nie, was einen erwartet. Sicher: Ein bisschen weniger Hyperaktivität hier und da wäre besser
gewesen. Aber wer will es Neset,
dem Saxofonüberflieger und Jungmeister klanglicher Wimmelbilder, verdenken.
Josef Engels
Anthony Strong
Stepping Out
●●●●○
Naïve/Indigo
(48 Min.,
11&12/2012)
Oh, ist der altmodisch. Oh, ist der
gut. Anthony Strong, Sänger und
Pianist aus London und 28 Jahre alt, interpretiert Standards wie
Cole Porters „Too Darn Hot“, Bert
Kaempferts „L-O-V-E“, Kurt Weills
„My Ship“ oder Cy Colemans
„Witchcraft“ so überzeugend, als
sei er mit den mehr als ein halbes
Jahrhundert alten Songs aufgewachsen. Er swingt mit voller Seele, und in seiner Stimme schwingt
die Freude am Entertainment und
den klaren, aus der natürlichen
Intonation der Texte entwickelten
Melodien. Wie sehr er die alten
Formen verinnerlicht hat, zeigt
was hochgeschraubte) Ansprüche und steht für
effektvoll orchestrierte, swingende Musik mit
witzigem Bombast und hochgradiger Bop-Solistik, für die Musiker wie der geniale Pianist Dodo
Marmarosa sorgten. Standards wie „Temptation“ oder „Body and Soul“ werden von eigenartigen Backgrounds so stark zerklüftet, dass die Fähigkeit der Vokalisten beim Thema zu bleiben
bewundernswert erscheint. „Dalvatore Sally“
nimmt mit ständigen Tempowechseln schon die
folgenreichen Experimente von Charles Mingus
vorweg. Die Stabilität des Grundrhythmus war
zuvor eine conditio sine qua non des Jazz. Die
wegen Qualität und Anzahl der Stücke (26!) ausgewählte Zusammenstellung ist, wiewohl 2010
wiederveröffentlicht, derzeit schwer erhältlich,
was sich im Hinblick auf das Jubiläum ändern
könnte. Boyd Raeburn and His Orchestra 1945–
1946 (Storyville STCD 8313) bietet eine gute Alternative. Marcus A. Woelfle
sich auch an fünf eigenen Songs,
die sich nahtlos in das KlassikerRepertoire einfügen.
[…] Hin und wieder kommen
eine achtköpfige Streicher und
eine vierköpfige Bläsergruppe
zum Einsatz, und zwischendurch
bringen der Trompeter James
Morrison sowie die Tenorsaxofonisten Brandon Allen und Nigel
Hitchcock solistisches Feuer ins
Geschehen. Dank seines weichen
Timbres und der Klarheit von Artikulation und Intonation hat er das
Zeug, in die Reihe der großen JazzEntertainer aufzusteigen. Eine
Entdeckung. Werner Stiefele
Paolo Thorsen-Nagel
Projekt
And On
●●●●○
Material Records/
harmonia mundi
(41 Min., 4/2012)
„And On“ ist in vielerlei Hinsicht
ein bemerkenswertes Debüt. Der
Meistergitarrist Wolfgang Muthspiel hat es auf seinem eigenen Label für Paolo Thorsen-Nagel, seinen jungen Instrumentenkollegen
und Absolventen der Basler Hochschule, produziert. Das kompositorisch Gestalterische steht im Vordergrund, und da erweist sich der
Newcomer als ein Frühvollendeter
der nuancierten, eher getragenen
Stimmungen und raffiniert sich
durchdringender Linien. Mit dem
ebenso renommierten wie feinsinnigen Pianisten Pablo Held, dem
Bassisten Arne Huber und dem
Schlagzeuger Daniel Mudrack bildet er ein Quartett herausragender
Individualisten, die sich bereitwillig der Idee eines Gruppenklangs
unterordnen.
[…] Der Musik hört man hier,
verwirklicht in unterschiedlichen Besetzungskombinationen,
kaum an, dass ihr Schöpfer durchaus schon in den Bereichen Rock
und Noise Pop unterwegs war,
vielmehr lässt sie mit ihrem Entschleunigungsgestus eher an Paul
Motian denken, auch wenn der
klare warme Sound Thorsen-Nagels nur wenig mit dem eines Bill
Frissell gemein hat. Wie gesagt,
ein bemerkenswertes Debüt und
ein Versprechen für die Zukunft.
Thomas Fitterling
TAGE ALTER MUSIK IN HERNE //13
Sylvie Courvoisier, Mark
Feldman
Live At Théâtre Vidy –
Lausanne
●●●●●
Intakt/harmonia
mundi
(51 Min., 11/2012)
[…] Bei der Musik, die die Welschschweizer Pianistin Sylvie Courvoisier und ihr amerikanischer
Mann, der Geiger Mark Feldman,
im vergangenen Jahr eingespielt
haben, handelt es sich um Jazz –
auch wenn man satte blaue Noten
und ohrenfällige Swing- und BopElemente oder Free-Jazz-Manierismen vergeblich sucht. Die Aufnahmen vor hochkonzentriertem
Publikum erinnern vielmehr an
ein Recital zeitgenössischer Kammermusik.
Das in New York lebende und
der dortigen Downtown-Szene
verbundene Paar gestaltete drei
längere Kompositionen, bei denen
sich ein ausgeprägter gesamtgestalterischer Formwille manifestiert und die doch immer von
einem selbstbestimmten diskursiven Gestus bestimmt sind. Feldman ist ein Geiger virtuoser Technik mit kraftvoll strahlendem Ton.
Logische Abstraktion und emotionale Kantabilität folgen einer
magischen Dramaturgie des Dialogs der Partner; konturierte Motivik trifft immer wieder auf abgründige Akkordik; hochsensibel
ist der Sinn der Pianistin für expressive Klangfarbigkeit. Kein vordergründiges Gegen-den StrichBürsten lenkt von der Stringenz
des Vortrags ab. Offensichtlich
sieht sich das Paar selber in einer
urklassischen Tradition des Diskurses: Vier extemporiert wirkende Miniaturen sind nach altgriechischen Poeten bzw. deren Musen benannt. Herb schön ist diese
Kammermusik – auch weil sie
sich erst gar nicht zwischen die
Stühle der Genres setzt, sondern
sich erhaben aufrecht im Raum
behauptet. Thomas Fitterling
14. bis 17. november
KLANGLANDSCHAFTEN OSTEUROPAS
10 konzerte des westdeutschen rundfunks köln
Pratum Integrum & Anna Gorbachyova & Olga Martynova
Musica Aeterna • Ensemble Pavle Aksentijević
Russischer Patriarchatschor Moskau • Musica Profana
Wrocławska Orkiestra Barokowa & Zbigniew Pilch
Collegium 1704 • Janusz Olejniczak & Paulina Sokołowska u.a.
Cantores Rigensis • Balász Szokolay Dongó & Mátyás Bolya
und das Kulturpolitische Forum WDR 3
blas- und saiteninstrumente
Musikinstrumenten-Messe der Stadt Herne
und ein Werkstattkonzert von Studierenden des Instituts
für Alte Musik der Hochschule für Musik und Tanz Köln
Information:
Stadt Herne – Fachbereich Kultur – Thomas Schröder
Willi-Pohlmann-Platz 1 – 44623 Herne
fon (02323) 16-2839 – fax (02323) 16-1233 9228
[email protected] – www.tage-alter-musik.de
30.08.
15. 09.
2013
Eine Ausstellung in
der Bertelsmann
Repräsentanz in Berlin
Unter den Linden 1
Täglich 10—18 Uhr
Eintritt frei
enterpriseopera.com
43
B
Bücher
Und da Rosselli nicht nur Musikwissenschaftler sondern auch
Journalist war, ist dieses Buch erfreulicherweise auch noch gut geschrieben – und übersetzt. (Nur
das Lektorat zeigt sich nicht ganz
auf der Höhe.) Michael Blümke
C. H. Beck / 286 S. / € 21,95
René Jacobs/
Silke Leopold
John Rosselli
Giuseppe Verdi –
Genie der Oper
Obwohl John Rossellis Verdi-Biografie
bereits 2000 in
Großbritannien auf
den Markt kam,
mussten deutsche
Opernfans bis jetzt auf die deutsche Übersetzung warten. Doch
besser erst nach dreizehn Jahren
als gar nicht. Zumal zum 200. Geburtstag des Komponisten bisher
ohnehin beschämend wenig passiert ist, egal, ob es sich um CDs
oder um Bücher handelt. Wagner
scheint die ganze Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und alle
Marktkapazitäten für sich allein
zu beanspruchen.
Der kurz nach der Erstveröffentlichung verstorbene Autor meint im Vorwort, „Genie der
Oper“ würde keine neuen Fakten zu Verdis Leben liefern. Das
scheint auf den ersten Blick zuzutreffen. Doch gerade, weil sich
Rosselli auf allgemein zugängliches Material stützt, dieses aber
kritisch durchleuchtet und hinterfragt, gelingt es ihm sehr wohl,
dem Leser ein neues – oder zumindest korrigiertes – Bild des
Komponisten zu vermitteln. Rosselli, der auch ein kenntnisreiches
Buch über die Opernindustrie im
Italien des 18. und 19. Jahrhunderts verfasste, weiß um die Zeitumstände, die geschichtlichen
wie sozialen und wirtschaftlichen
Hintergründe. Mit diesem Wissen
und einer erfrischenden Portion
gesunden Menschenverstands
analysiert er Aussagen, Briefe,
sonstige Dokumente und kommt
zu sehr erhellenden, mitunter sogar überraschenden Ergebnissen.
44
Ich will Musik neu
­erzählen
Der Belgier René Jacobs ist das beste
Beispiel dafür, dass
man nicht die Dirigentenschulbank
ge­d rückt haben
muss, um zu einem
der ganz Großen in der Alten Musik-Zunft zu werden. Und selbst
heute dirigiert Jacobs immer noch
nach der „Trial-and-Error“-Methode, wie er seiner Gesprächspartnerin Silke Leopold verraten hat. Seit
seinem Pult-Debüt 1982 gelingt es
Jacobs damit ohne Unterlass, seine
Musiker von Monteverdi bis Mozart, von Rossi bis Rossini zu beglückenden
Klangabenteuern anzufeuern. Als sich
Jacobs nun 2010 in seiner Wahlheimat Paris mit der Barock- und
Opern-Spezialistin Silke Leopold
zu einem langen Gespräch traf, kamen natürlich sämtliche Höhepunkte in seiner bisherigen Karriere zur Sprache. Angefangen vom
Sänger Jacobs, der als Countertenor die Alte Musik erfolgreich erkundete, über den Händel-Pionier
bis hin zum Repertoire-Trüffelschwein (Cavallis „La Calisto“ in
der Regie von Herbert Wernicke
sieht der Operndirigent immer
noch als absolute Sternstunde).
Wenn sich aber eine herausragende Figur der historischen Aufführungspraxis für einen fundierten
Gedankenaustausch mit einer
Fachfrau wie Silke Leopold Zeit
nimmt, kommen dementsprechend Detailfragen nicht zu kurz.
So bricht Jacobs eine Lanze für den
musikalischen und textlichen Gehalt von Opern-Rezitativen und erörtert die (hohe) Kunst des Singens
bis hin zu aktuellen „Ersatzkastraten“ (Jacobs) wie Bejun Mehta. Und
selbstverständlich äußert sich Jacobs auch über die Fallen moderner Regietheaterkonzepte. Der Titel „Ich will Musik neu erzählen“ ist
eigentlich auf den Musiker Jacobs
gemünzt. Doch nicht nur mit Tönen schafft er es, sondern eben
auch mit Worten. Guido Fischer
Bärenreiter/Henschel, 208 S.,
€ 24,95
Arne Reimer
tualistische Rezeption des Jazz
und steht so selbst in paradoxem
Gegensatz zu dieser Absicht.
Thomas Fitterling
Jazz Thing Verlag, 228 S., € 49
Martina Steiger (Hg.)
Briefe der Freundschaft:
Alban Berg – Erich
­K leiber
„Meine Herren, wir
hören heute Abend
erst dann zu spielen
auf, wenn sie mit
Dieses Buch ist anStühlen nach uns
ders. Es ist eine
werfen!“ Laut des
nüchterne Absage
Kritikers Willi Reich
an das vorherrgehörte diese Anweisung zu den
schende Format der
Lieblingsstandardsätzen von Erich
Fotobände über Jazz. Die huldigen
Kleiber, wenn er sein Berliner
fast alle dem vergötternden Image
Staatsopernorchester dirigierte.
des Musikers als eines genialiDenn der Wiener Kleiber war nicht
schen Dämons einer vitalistischen
nur schon in den 1920er Jahren
Musikreligion, der paradoxerweiauch ein vehementer Fürsprecher
se eine sich intellektualistisch
für das aufreibend Neue. Und zu
selbst stilisierende Com­
Kleibers musikhistorischen Großmunity anhängt. Der Fotograf und
taten zählte 1925 die UrauffühAutor Arne Reimer ist wiederholt
rung von Alban Bergs „Wozzeck“.
in die USA gefahren, um die überZwei Jahre zuvor hatten sich Kleilebenden Helden des klassischen
ber und Berg kennengelernt. Und
modernen Jazz und seiner Avantbald entwickelte sich eine enge
garde zu besuchen. Sie alle haben
Freundschaft, die mit Bergs plötzdie 60 weit überschritten und einst
lichem Tod 1935 beendet wurde.
als Sidemen oder Leader diese MuDer jetzt erstmals veröffentliche
sik geprägt. Reimer muss seine
Briefwechsel zwischen ihnen setzt
Gesprächspartner mit einer undenn auch 1923 ein, als Kleiber
prätentiösen Art beeindruckt und
zum GMD der Berliner Staatsoper
ihr Vertrauen gewonnen haben.
berufen wurde (das von HerausDie meisten ließen ihn in ihr Heim
geberin Martina Steiger angegebeein, die anderen immerhin in ihre
ne Jahr 1924 ist leider nicht der
vertraute Arbeitsumgebung. Dort
einzige Fehler gerade bei Kleibers
plauderten sie aus ihrem Leben,
Vita). Im Mittelpunkt ihres Schrifterzählten von ihren Chancen –
verkehrs stehen natürlich der
und oft auch den verpassten. Ihre
„Wozzeck“ sowie dann Bergs Oper
intimen Geschichten werden
„Lulu“. Doch in den Briefen lernt
durch die unmittelbaren Bilder erman nicht nur Kleiber als Förderer
gänzt, die sie wie Schnappschüsse
und Ratgeber von Berg kennen.
zuließen. Als Menschen in ihrem
Aus ihnen spricht seine unbeugsaUmfeld verlieren sie das dämome Haltung gegenüber der NSnisch Genialische und bleiben
Kulturpolitik sowie seine Enttäudoch leidenschaftliche Schöpfer
schung, nie einen bedeutenden
ihrer geliebten Musik. Als GlücksPosten in seiner Geburtsstadt
fall erweist sich das LP-Format des
Wien bekommen zu haben. Ein
Bandes, zwingt es doch zu einer
ebenfalls unbekanntes Kapitel
entschleunigten Betrachtung. Klupräsentiert Steiger zudem mit
ge diskografische Verweise laden
ihrem Blick auf Erichs Sohn Carlos
zu ergänzendem Hören. Kurios
Kleiber und seine skandalträchtige
nimmt sich das Vorwort von Roger
„Wozzeck“-Produktion von 1966.
Willemsen aus. Brillant und mit
quasi Behrendtscher rhetorischer
Guido Fischer
Redundanz geißelt es die intellekSeifert, 392 S., € 24,90
American Jazz Heroes
M
M ag a zin
Russisch-bulgarische Freundschaft
Die Künstlerlebensrolle des bulgarischen Jahrhundertbasses Boris Christoff war die Titelpartie von Modest
Mussorgskis „Boris Godunow“. Über 600 Mal soll er ihn gesungen haben. Als Christoff 1952 nun von Walter Legge
zu einer Gesamtaufnahme eingeladen wurde, schlüpfte
er glücklicherweise noch in die Partien der Mönche
Pimen und Warlaam. Denn auch hier singt Christoff einen
mit seiner urwüchsig fülligen und zugleich aufreibend
„gestischen Gewalt“ (Jürgen Kesting) ähnlich um den Verstand wie vor ihm Fjodor Schaljapin. Diese historische und
doch bis heute gültige „Boris“-Aufnahme ist denn auch
das Herzstück einer umfangreichen Modest MussorgskiEdition, die den Löwenanteil von dem präsentiert, was der
Erneuerer des russischen Nationaltons so zu Notenpapier
gebracht hat. Da setzen sich Solisten und Dirigent Atanas
Margaritov von der Sofia National Opera für das religiöse
Musiktheaterdrama „Chowanschtschina“ ein, für das sich
immerhin schon Claudio Abbado begeistern konnte. Und
die komische Oper „Der Jahrmarkt von Sorotschinzy“ fehlt
genauso wenig wie Mussorgskis Evergreen „Bilder einer
Ausstellung“ mit Alexander Warenberg am Klavier bzw. in
der Ravel-Orchestrierung mit Igor Markevitch am Pult des
Leipziger Gewandhausorchesters. Die letzten vier CDs gehören schließlich dem Lied-Komponisten Mussorgski.
Wenngleich Boris Christoff ebenfalls Mitte der 1950er
Jahre mit den rund 60 Liedern Interpretationsgeschichte
geschrieben hat, sind die Einspielungen des russischen
Baritons Sergei Leiferkus nicht etwa zweite Wahl. In seinen
zwischen 1993 und 1996 entstandenen Aufnahmen kann
sich russische Seele immerhin so richtig wehmütig und
schaurig austoben! Guido Fischer
Modest Mussorgski Edition (14 CDs), Brilliant Classics/
Edel
Nervengift lässt die Tasten wieder
­k lingen
Bei den meisten sorgt Botox dafür, das Gesicht jeder Ausdrucksmöglichkeit zu berauben. Ihm jedoch half es, seiner
rechten Hand die Ausdrucksmöglichkeit zurückzugeben:
Leon Fleisher musste seine schon im Kindesalter begonnene Pianistenkarriere wegen einer fokalen Dystonie
mit Mitte 30 auf Eis legen. Nach mehr als
25 Jahren Pause nahm er seine Konzertund Aufnahmetätigkeit linkshändig wieder auf, der Einsatz des bekannten Nervengiftes ermöglichte ihm
einige Jahre danach
auch wieder das beidhändige Spiel. Am
23. Juli konnte Fleisher, der noch immer auftritt, seinen
85. Geburtstag feiern. Sony nutzt die Gelegenheit, seine
gesamten Einspielungen in einer 23-CD-Box zu bündeln
und für nur etwas über 50 € anzubieten.
Natürlich besitzt fast jeder Klavierfan schon einige dieser
Aufnahmen, zumindest die beiden Brahms-Konzerte unter
George Szell stehen in vielen CD-Regalen. Doch lohnt es
sich, auch die übrigen Einspielungen dieses Ausnahmepianisten kennenzulernen, zumal man bei diesem Preis
ohnehin nicht lange überlegen muss. Leon Fleisher hatte
das Glück, dass George Szell und sein Cleveland Orchestra
ebenfalls bei Epic bzw. Columbia unter Vertrag waren und
ihm auch bei Klavierkonzerten von Beethoven, Schumann,
Grieg und Mozart sowie bei Rachmaninows „PaganiniRhapsodie“ zur Seite standen. Es ist faszinierend zu hören,
wie Dirigent und Solist ihre künstlerischen Wesensunterschiede zu einer elektrisierenden Synthese verbinden. An- und aufregend sind aber auch Fleishers Soloaufnahmen, allein seine Farb- und Ausdruckspalette
bei Brahms’„Händel-Variationen“ sucht ihresgleichen.
Michael Blümke
Leon Fleisher: The Complete Album Collection (23 CDs),
Sony
Gläubiger Visionär
„Alle Musik, die sich in Ehrerbietung dem Göttlichen, dem
Heiligen, dem Unaussprechlichen nähert, ist religiöse
Musik im vollen Wortsinne.“ Dies war das unerschütterliche Credo Olivier Messiaens.
Doch statt in seinen musikalischen Lobpreisungen in heiliger Andacht zu verharren, nutzte der 1992 verstorbene
Franzose kompositorisch alle konstruktiven
Freiheiten, um seinem Überwältigtsein vor
dem Geschaffenen Ausdruck zu verleihen.
2008 wurde der 100. Geburtstag des Lehrers
von Pierre Boulez und Karlheinz Stockhausen
mit einer 32-CD-Box in einer limitierten Auflage gefeiert. Fünf Jahre später erlebt diese kurz nach
Erscheinen ausverkaufte „Complete Edition“ die überfällige, wenngleich erneut begrenzte Neuauflage. Der Titel
ist weiterhin leicht irreführend. Denn hier handelt es sich
nicht um eine Gesamteinspielung von Messiaens Schaffen,
sondern um die vollständige Bündelung jener Werke, die
zwischen 1962 und 2008 für die Labels Deutsche Grammophon und Decca aufgenommen worden sind. Und kurz vor
Produktionsschluss konnte tatsächlich Daniel Hope noch
eine Violin-Fantasie weltersteinspielen. Denn Schwerpunkt
bilden selbstverständlich Messiaens Orchesterwerke,
Klavier- und Orgelzyklen sowie seine Oper „Saint François
d’Assise“ in den durchweg Maßstäbe setzenden Interpretationen u. a. von Boulez, Yvonne Loriod und Olivier
Latry. Doch auch die Seitenwege in Messiaens riesigem
Nachlass sind unbedingt erkundenswert! Herrlich surreal
erweisen sich die Wasserspiele in „Fête des belles eaux“
fürs elektronische Ondes Martenot. Und was für ein unbeschwerter Zauber ist Messiaen da 1986 mit seinem
Klarinetten-„Lied im Stile Mozarts“ aus der Feder geflossen! Guido Fischer
Olivier Messiaen: Complete Edition (32 CDs), DG/Universal
45
Boulevard
Ein Schuss Jazz, eine Prise Film, ein
Löffel Leichtigkeit: Bunte Klassik
Vorgestellt von Ol i v e r Bu s l au
Der filigrane Riese
Die Tuba, das tiefste Blech­
blasinstrument, sieht wuchtig
und monumental aus. Aber
wenn
man
die
Augen
schließt, das Äußere dieses
voluminösen Klangerzeugers
vergisst und sich nur auf
die Töne konzentriert, zeigt
sie ihre filigranen Seiten. So
mag die Verbindung mit der
ätherischen Harfe überraschen.
Im Programm „Why Not?“ von
Tubavirtuose und frischgebackenem
ECHO-Klassik-Preisträger Andreas Martin
Hofmeir und Harfenist Andreas Mildner erweist sie sich als äußerst schmackhafte
Musik-Rezeptur, und das durch alle Stile: von
Massenets Belcanto-Melodienseligkeit bis
Piazzolla.
Why Not? (Werke für Tuba und Harfe),
­Genuin/Note 1
Abonnenten-CD: Track 14
Elefant trifft
Elfe: Das
­ungleiche Duo
Hofmeir und
Mildner
Jenseits von Neapel
Elektrisiert nun
auch große
Klassiknummern:
Christopher
von Deylen von
„Schiller“
Schillers Klassik-Klanggemälde
Sein Name steht für Hymnen der
elektronischen Musik, für Klangwerke, die
Türen in neue akustische Dimensionen öffnen.
Schiller ist seit 1998 unter dem Namen des
großen klassischen Dichters in der Musikszene aktiv und hat es sich inzwischen in den
oberen Rängen der Charts bequem gemacht.
Jetzt entdeckt der Musiker mit dem bürgerlichen Namen Christopher von Deylen die
Klassik für sich und mischt aus Melodien von
Tschaikowski, Grieg, Satie oder Mussorgski
in Einspielungen mit Hélène Grimaud, Anna
Netrebko oder Albrecht Mayer die Farben
für seine riesigen Klangfilme, in denen sich
vor wattig pulsierenden, kreisenden Hintergründen immer neue Panoramen auftun.
Schiller: Opus (mit Grimaud, Netrebko, M
­ ayer
u. a.), WeloveMusic/Universal
Abonnenten-CD: Track 19
Der Gedanke, Violinwerke auf der Mandoline
zu musizieren, liegt gar nicht so fern. Die
Instrumente haben dieselbe Saitenstimmung
und somit denselben Tonumfang. Chris Thile,
der als Folkmusiker mit seiner Band Nickel
Creek schon einen Grammy gewann, wagt
mit seiner Einspielung von einigen Sonaten
und Partiten von Bach trotzdem ein gewagtes
Experiment. Gilt manchem die Mandoline
doch immer noch als Inbegriff italienischer
Folklore der Untergattung Neapelkitsch.
In Thiles Version erweist sich das kleine
Zupfinstrument allerdings eher als dem
Cembalo verwandt und wirkt in der barocken
Stilumgebung durchaus überzeugend.
Bach: Sonaten und Partiten Vol. 1
(arr. für Mandoline), Nonesuch/Warner
Meister der
Mandoline,
ob Folk oder
Barock:
Chris Thile
Das Trio um den schwedischen Schlagzeuger Emil Brandqvist mit Thomas Turunen
am Klavier und Max Thornberg am Bass
spielt klassischen, sanft mit Pop- und
Folkharmonien veredelten Jazz. Allein das
würde schon ein gutes Album abgeben, doch
in „Breathe Out“ treffen die drei auf den Widerpart des Sjöströmska-Streichquartetts. Die vier
Streicher kommentieren, wirken als Dialogpartner oder sorgen für tiefräumigen Nachhall.
Breathe Out (Emil Brandqvist Trio & Sjöströmska String Quartet), Skip/Soulfood
46
Fotos: Philipp Glaser
Trio trifft Quartett
T er m i n e Oper
O
oper
Aachen
The ate r
(02 41) 4 78 42 44
Beethoven
Fidelio (15.9.2013),
ML: Kazem Abdullah, R: Alexander
Charim
Altenburg-Gera
The ate r
(0 34 47) 58 51 61
Lehár
Die lustige Witwe
(20.9.2013),
ML: Thomas
­Wicklein,
R: Roland Schwab
Basel
The ate r
(00 41) 61 2 95 11 33
Puccini
Tosca (11.9.2013),
ML: Enrico Delamboye,
R: Jette Steckel
Wagner
Lohengrin
(20.10.2013),
ML: Axel Kober,
R: Vera Nemirova
Berlin
Komische Oper
(0 30) 47 99 74 00
Britten
Ein Sommernachtstraum (15.9.2013),
ML: Kristiina Poska,
R: Viesturs Kairišs
Vacek
Des Kaisers neue
Kleider
(13.10.2013),
ML: Uwe Sandner,
R: Lydia Steier
Fotos: Ronald Rijntjes; Laion
Staatsoper im
Schillertheater
(0 30) 20 35 45 55
Krenek
Vertrauenssache
(21.9.2013),
ML: Günther Albers,
R: Neco Çelik
Rimksi-Korsakow
Die Zarenbraut
(3.10.2013),
ML: Daniel Baren­
boim, R: Dmitri
Tcherniakov
Deutsch e Oper
(0 30) 3 43 84 01
Verdi
Nabucco (8.9.2013),
ML: Andrea Battis­
toni, R: Keith Warner
Bern
Stadtth eater
00 41 (0) 3 13 29 52 52
Weber
Der Freischütz
(20.10.2013),
ML: Mario Venzago,
R: Michael Simon
Bremen
Th eater
(04 21) 36 53 33 33
Wagner
Der fliegende Holländer (15.9.2013),
ML: Markus Poschner, R: Sebastian
Baumgarten
Vivaldi
Orlando furioso
(12.10.2013),
ML: Olof Boman,
R: Anna-Sophie
Mahler
Chemnitz
Städtische
Th eater
(03 71) 40 00 430
Ligeti
Le grand macabre
(28.9.2013),
ML: Frank Beermann, R: Walter Sutcliffe
Darmstadt
Staatstheater
(0 61 51) 2 81 16 00
Donizetti
Der Liebestrank
(28.9.2013),
ML: Elias Grandy,
R: Michael Schulz
DüsseldorfDuisburg
R: Jens-Daniel Herzog
Bock
Anatevka
(19.10.2013),
ML: Philipp Armbruster,
R: N.N.
Svoboda
Der unglaubliche
Spotz (27.10.2013),
ML: Michael Hönes,
R: Ronny Jakubaschk
Dresden
Sächsische
Staats o pe r
(03 51) 4 91 17 05
Purcell
King Arthur
(13.9.2013),
ML: Felice
­Venanzoni,
R: Tilmann Köhler
Bizet
Carmen (28.9.2013),
ML: Josep CaballéDomenech,
R: Axel Köhler
Eisenach
Th üring e r
L and esth e ate r
(0 36 91) 25 62 19
Benatzky
Im weißen Rössl
(5.10.2013),
ML: Carlos Domínguez-Nieto,
R: Tobias Rott
Essen
Aalto Th e ate r
(02 01) 8 12 22 00
Verdi
Macbeth
(19.10.2013),
ML: Tomáš Netopil /
Yannis Pouspourikas, R: David Hermann
Frankfurt/
Main
Verdi
Luisa Miller
(28.9.2013), ML: Giordano Bellincampi,
R: Carlos Wagner
Verdi
La traviata
(8.10.2013), ML: Lukas Beikircher,
R: Andreas Homoki
Oper
(0 69) 1 34 04 00
Dvořák
Rusalka (12.9.2013),
ML: Sebastian
­Weigle,
R: Jim Lucassen
Strauss
Ariadne auf Naxos
(5.10.2013),
ML: Sebastian
­Weigle,
R: Brigitte Fassbaender
Dortmund
Gelsenkirchen
Th eater
(02 31) 5 02 72 22
M usi kth e ate r im
R evier
(02 09) 4 09 72 00
Kander
Cabaret (15.9.2013),
ML: Wolfgang
D eutsch e Oper
am R h ei n
(02 11) 8 90 82 11
Verdi
Don Carlos
(29.9.2013),
ML: Gabriel Feltz,
­Wilger,
R: Sandra Wissmann
Rossini
L’italiana in Algeri
(28.9.2013),
ML: Valtteri Rauhalammi, R: David Hermann
Graz
Ope r
00 43 (0) 3 16 80 00
Wagner
Lohengrin
(28.9.2013),
ML: Julien Salemkour, R: Johannes
Erath
Halle
Ope r n haus
(03 45) 2 05 02 22
Humet
Sky Disc
(2.10.2013),
ML: Andreas Henning, R: G H Seebach
BASF – Kurt Schwertsik: In dieser Konzertsaison der BASF steht der österreichische
Komponist Kurt Schwertsik im Mittelpunkt.
Und wie etwa sein Freund und Kollege HK
Gruber empfand sich Schwertsik schon immer
als musikalischer Freigeist zwischen Neuer
Musik, Kabarett und Wiener Dialekt-Liedern.
Zur Deutschen Erstaufführung bringt nun
in Ludwigshafen am 2. & 3.12. die Deutsche
Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz (Ltg. Arian Matiakh) seine Sinfonia „Leicht flüchtig“.
www.basf.com
Tickets: (06 21) 60 999 11
Hamburg
H amburgische
Staats o pe r
(0 40) 35 68 68
Verdi
La battaglia di Legnano (20.10.2013),
ML: Simone Young,
R: David Alden
Hannover
Staats o pe r
(05 11) 99 99 11 11
Verdi
Ein Maskenball
(14.9.2013),
ML: Mark Rohde,
R: Olivier Tambosi
Weill
Street Scene
(2.11.2013),
ML: Benjamin
­Reiners,
R: Bernd Mottl
Verdi. Boito. Ricordi – Unternehmen
Oper: Aus Anlass des 200. Geburtstages von
Giuseppe Verdi präsentiert Bertelsmann in
seiner Berliner Repräsentanz eine Ausstellung
(30.8.–15.9.) mit Originaldokumenten aus der
bedeutendsten Sammlung zur italienischen
Operngeschichte. Noten, Korrespondenzen
und Bühnenskizzen aus dem zu Bertelsmann
gehörenden Ricordi-Archiv in Mailand beleuchtet die Entstehungsgeschichte von Verdis „Otello“ und „Falstaff“.
www.enterpriseopera.com
Info-Telefon: (0 30) 52 00 99 200
Innsbruck
L an d e sth e ate r
00 43 (0) 5 12 52 07 44
Verdi
La forza del destino
(21.10.2013),
ML: Francesco
­Angelico,
R: Kay Kuntze
Klagenfurt
Stadtthe ate r
0043 (0) 46 35 40 64
Strauss
Der Rosenkavalier
(19.9.2013), ML: Alexander Soddy,
R: Marco Storman
Verdi
Macbeth
(31.10.2013),
ML: Alexander Soddy, R: Cesare Lievi
Festival Alte Musik Knechtsteden:
Seit 1992 ist die zwischen Köln und Düsseldorf
gelegene, fast 1000 Jahre alte Klosteranlage
von Knechtsteden Treffpunkt für Alte MusikFans. Bei der 22. Ausgabe (13.–28.9.) widmet
sich Festivalgründer Hermann Max auch mit
seiner Rheinischen Kantorei dem Thema „Toleranz“. Gäste sind u.a. der Meisterbassist Harry van der Kamp sowie das auf die Musik des
Mittelalters spezialisierte Quartett Ala Aurea
um Sängerin Maria Jonas.
www.knechtsteden.com
Tickets: (02 21) 28 01
47
T er m i n e Oper / K l a ssik
Opéra
+41 (0) 2 13 10 16 00
Delibes
Lakmé (4.10.2013),
ML: Miquel Ortega,
R: Lilo Baur
Tage Alter Musik in Herne: Vom 14.–17.11.
steht das renommierte Alte Musik-Festival
in Herne ganz im Zeichen Osteuropas. Dabei
lernt man nicht nur die jahrhundertealte Musiktradition etwa von Siebenbürgen, Serbien
oder St. Petersburg kennen. Mit u.a. dem Collegium 1704 gastieren ausschließlich Ensembles aus diesen Regionen. Die Spanne reicht
von volkstümlicher Musik für Dudelsack und
Laute bis hin zu einem barocken Krönungsmelodram für Kaiser Karl VI.
www.tage-alter-musik.de
Tickets: (02 31) 917 22 90
Lüneburg
Th eate r
(0 41 31) 4 21 00
Donizetti
Lucia di Lammermoor (29.9.2013),
ML: Thomas Dorsch,
R: Hajo Fouquet
Leipzig
Oper n haus
(03 41) 1 26 12 61
Wagner
Das Liebesverbot
(29.9.2013),
ML: Matthias Foremny, R: Aron Stiehl
Magdeburg
Jazztage Dresden: Jeden Abend gibt es
bei den Jazztagen Dresden (8.–17.11.) gleich
zwei Top-Acts. Und am Abschlusswochenende
spannen immerhin sieben Bands und Solisten
wie Martin Tingvall und Mnozil Brass einen
Bogen von Modern Jazz bis hin zur Weltmusik. Spannende Jazz-Unterhaltung garantiert
zuvor etwa das Trio um den Finnen Iiro Rantala. Cool und smart geht’s dagegen bei Sänger
und Gitarrist Torsten Goods zu.
www.jazztage-dresden.de
Tickets: www.reservix.de bzw. (0 18 05) 700
733
Th eate r
(03 91) 5 40 65 55
Mozart
Die Hochzeit des Figaro (14.9.2013),
ML: Michael Balke,
R: Karen Stone
Wagner
Der fliegende Holländer (10.10.2013),
ML: Hermann Dukek, R: Lucas Simon
München
Staatsth e ate r
am Gärtn e rplatz
(0 89) 21 85 19 60
Leigh
Der Mann von La
Mancha (2.10.2013),
ML: Andreas Kowalewitz, R: Josef E
Köpplinger, Nicole
Claudia Weber
Münster
YEAH! Festival & Award 2013: Das in
Osna­
brück veranstaltete YEAH! Festival (10.–
14.9.) präsentiert mit den Gewinnern aus
dem YEAH! Wettbewerb ein Kaleidoskop neuer Musikformate. Zudem garantieren Konzerte, Podien, eine Projektbörse, Konferenzen
und die Preisverleihung einen inspirierenden
Event. Wer dabei sein will, wenn sich Vordenker für eine moderne Musikkultur in Europa
treffen, der sagt: Yeah.
www.yeah-award.com bzw. www.yeah-festival.com
Tickets: (0 30) 53 02 34 19
48
Städtisch e
B ü h ne n
(02 51) 41 46 71 00
Verdi
Der Troubadour
(5.10.2013), ML: Fabrizio Ventura,
R: Georg Rootering
Nürnberg
Staatsth e ate r
(01 80) 5 23 16 00
Verdi
Otello (5.9.2013),
ML: Guido Johannes
Rumstadt, R: Gabriele Rech
Osnabrück
Städtisch e
B ü h ne n
(05 41) 3 23 33 14
Puccini
La bohème
(29.9.2013), ML: Andreas Hotz, R: Floris
Visser
Ayres
Peter Pan
(19.12.2013),
ML: Roland Kluttig,
R: Frank Hilbrich
Pforzheim
Trier
Th e ate r
(0 72 31) 39 24 40
Verdi
Ein Maskenball
(21.9.2013),
ML: Markus Huber,
R: Wolf Widder
Th e ate r
(0651) 7 18 18 18
Verdi
Rigoletto
(14.9.2013), ML: Victor Puhl, R: Bruno
Berger-Gorski
Regensburg
Ulm
Th e ate r
(09 41) 5 07 24 24
Strawinski
The Rake’s Progress
(21.9.2013), ML: Tetsuro Ban, R: Elias
Perrig
Th e ate r
(07 31) 1 61 44 44
Verdi
Otello (26.9.2013),
ML: Timo Handschuh, R: Matthias
Kaiser
Saarbrücken
Weimar
Saarl än disch e s
Staatsth e ate r
(06 81) 3 22 04
Weill
Die Dreigroschenoper (15.9.2013),
ML: Thomas Peuschel, R: Dagmar
Schlingmann
Nati o n althe ate r
(36 43) 75 53 34
Wagner
Lohengrin
(7.9.2013), ML: Stefan Solyom, R: Tobias Kratzer
Salzburg
Th e ate r an d e r
Wi e n
(00 43) (01) 5 88 85
Bell
A Harlot’s Progress
(13.10.2013),
ML: Donald Runnicles, R: Jens-Daniel
Herzog
L an d e sth e ate r
00 43 (0) 6 62 87 15
12 21
Wagner
Tristan und Isolde
(31.10.2013),
ML: Leo Hussain,
R: Eike Gramss
Schwerin
M e ck le nburgisch e s
Staatsth e ate r
(03 85) 5 30 01 23
Pape
Sigurd der Drachentöter (20.9.2013),
ML: Friedemann
Braun, R: Markus
Wünsch
Wien
Vo lk s o pe r
(00 43) 15 14 44 36 70
Sondheim
Sweeney Todd
(11.9.2013), ML: Joseph Olefirowicz,
R: Matthias Davids
Wiesbaden
Th e ate r
+41 (0) 7 12 42 05 05
Mozart
Don Giovanni
(6.9.2013), ML: Otto
Tausk, R: Guy Joosten
H e ssisch e s
Staatsth e ate r
(06 11) 13 23 25
Wagner
Der fliegende Holländer (7.9.2013),
ML: Zsolt Hamar,
R: Michiel Dijkema
Lloyd Webber
Evita (5.10.2013),
ML: Wolfgang Wengenroth, R: PascaleSabine Chevroton
Stuttgart
Zürich
St. Gallen
Staatsth e ate r
(07 11) 20 20 90
Verdi
Falstaff
(20.10.2013),
ML: Sylvain Cambreling, R: Andrea Moses
Ope r n haus
(00 41) 12 68 66 66
Zimmermann
Die Soldaten
(22.9.2013),
ML: Marc Albrecht,
R: Calixto Bieito
K
K l a s si k
Leif Ove Andsnes
5.10.München,
Philharmonie
6.10.München,
Philharmonie
31.10.Berlin, Philharmonie
Daniel Barenboim
15.9.Berlin, Philharmonie
16.9.Berlin,
Konzerthaus
3.10.Berlin, Staatsoper im
Schillertheater
4.10.Berlin, Staatsoper im
Schillertheater
6.10.Berlin, Staatsoper im
Schillertheater
8.10.Berlin, Staatsoper im
Schillertheater
9.10.Berlin, Staatsoper im
Schillertheater
12.10.Berlin, Staatsoper im
Schiller ­theater
13.10.Berlin, Staatsoper im
Schillertheater
18.10.Berlin, Staatsoper im
Schillertheater
Cuarteto Casals
4.10.Bonn, Beet­
hoven­haus
Daniel Behle
14.9.Frankfurt/M.,
Alte Oper
20.9.Frankfurt/M.,
Alte Oper
28.9.Frankfurt/
Main, Alte
Oper
Rundfunkchor
Berlin
4.9. Luzern (CH),
KKL
15.9.Berlin, Philharmonie
16.9.Berlin,
Konzerthaus
17.10.Berlin, Philharmonie
18.10.Berlin, Philharmonie
19.10.Berlin, Philharmonie
Khatia Buniatishvili
18.9. Bern (CH),
Zentrum Paul
Klee
20.9.Ingolstadt
21.9.Ingolstadt
Fotos: Holger Talinski; Andreas Weihs; Thomas Schmidt/tadtHerne
Lausanne
Xavier de Maistre
1.9. Grafenegg (A),
Schloss
15.9.Kloster
Machern,
Mosel Musikfestival
Franco Fagioli
14.9.Bremen,
Musikfest
24.10.München,
CuvilliésTheater
26.10.München,
CuvilliésTheater
Isabelle Faust
3.10.Luxemburg,
Philharmonie
16.10.Wien (A),
Musikverein
Sol Gabetta
30.8. Gstaad (CH)
2.9.Schwarzenberg (A),
Schubertiade
18.9. Dellémont (CH)
19.9.Schaffhausen
(CH)
20.9.Eisenstadt,
HaydnFestival
Daniele Gatti
1.9. Luzern (CH),
KKL
3.9. Luzern (CH),
KKL
4.9.Berlin, Philharmonie
Kammermusiksaal
5.9. Grafenegg (A),
Wolkenturm
Christian Gerhaher
7.9.Berlin, Philharmonie
9.9.Berlin, Philharmonie
18.9.Coburg, Lied &
Lyrik
22.9. Hohenems (A),
Schubertiade
Lynn Harrell
2.10.Ludwigshafen, Feierabendhaus
der BASF
Pablo Heras-Casado
7.9. Luzern (CH),
KKL
9.9. Luzern (CH),
KKL
12.9.Leipzig,
­Gewandhaus
13.9.Leipzig,
­Gewandhaus
14.9.Leipzig,
­Gewandhaus
26.9.München,
Carl-Orff-Saal
im Gasteig
27.9.München,
Carl-Orff-Saal
im Gasteig
Maximilian Hornung
8.9.Potsdam,
Nikolaisaal
14.10.Köln, Philharmonie
17.10.Mönchengladbach,
Kaiser-Friedrich-Halle
18.10.Wiesloch,
Palatin
19.10.München,
AllerheiligenHofkirche
22.10.Freiburg,
Historisches
Kaufhaus
Philippe Jaroussky
8.10.Berlin, Philharmonie
12.10.Frankfurt/M.,
Alte Oper
14.10.Stuttgart,
Liederhalle
16.10.München,
Prinzregen­ten­
theater
18.10.Köln, Philharmonie
20.10.Genf (CH)
Sharon Kam
29.8.Geisenheim,
Schloss
Johannisberg
3.10. Luzern (CH),
KKL
8.10.München, BR
Funkhaus
Amir Katz
25.9.Leipzig, Gewandhaus
Jonas Kaufmann
22.9. Wien (A),
Musikverein
5.10. Wien (A),
Staatsoper
8.10. Wien (A),
Staatsoper
11.10. Wien (A),
Staatsoper
14.10.Wien (A),
Staatsoper
17.10. Wien (A),
Staatsoper
Sebastian Knauer
13.9.Bonn,
Beethoven­fest
8.10. Hohenems (A),
Schubertiade
Alexander Krichel
7.9.Eisenach,
Wartburgkonzerte
Igor Levit
2.9.Schwarzenberg (A),
AngelikaKauffmannSaal
4.9.Stuttgart,
Liederhalle
6.10.Essen, Philharmonie
8.10. Hohenems (A),
Schubertiade
Nils Mönkemeyer
21.9.Reutlingen
1.10.Frankfurt/
Main, Oper
14.10.Köln, Philharmonie
Verlosung
Musikfest Berlin
Dorothee Oberlinger
1.9.Magdeburg
7.9. Maria Saal (A),
Trigonale
15.9.Bonn,
Beethoven­fest
21.9. Flawil (CH)
David Orlowsky
27.9.Leverkusen
Murray Perahia
30.9.Stuttgart,
Liederhalle
Hille Perl
14.9.Emden
15.9.Kloster
Wittenburg
29.9.Markkleeberg
Luca Pisaroni
8.9.Weimar,
Kunstfest
25.10.Wien (A),
Staatsoper
31.10. Wien (A),
Staatsoper
Gregory Porter
Belcea Quartet
20.10.Wien (A),
Konzerthaus
23.10.Stuttgart,
Liederhalle
24.10.Darmstadt,
Staatstheater
Artemis Quartett
30.8.Geisenheim,
Schloss
Johannisberg
Christine Schäfer
4.9.Traunstein,
Klosterkirche
11.9.Berlin,
Konzerthaus
13.9.Bremen,
Musikfest
17.9.Bonn,
Beethoven­fest
Martin Stadtfeld
18.9.Leipzig, Gewandhaus
20.9.VillingenSchwen­
ningen
24.9. Salzburg (A),
Mozarteum
26.9. Salzburg (A),
Mozarteum
Im Spätsommer lädt das Musikfest Berlin (30.8.–18.9.) zu einem
musikalischen Spitzentreffen in die Hauptstadt ein: 20 WeltklasseOrchester, Chöre sowie namhafte Solisten und Dirigenten sind mit
von der Partie, im Zentrum steht dieses Jahr der Jubilar Witold
Lutosławski.
Ein Highlight ist das Gastspiel des Philharmonia Orchestra London
unter der Leitung von Esa-Pekka Salonen (9.9., 20 Uhr, Berliner
­Philharmonie), mit Werken von Debussy, Lutosławski und Ravel.
RONDO verlost mit dem Musikfest Berlin für dieses Konzert
3 x 2 Karten. Einsendungen unter dem Stichwort „Musikfest“
bitte bis 6. September an [email protected].
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1
PHILHARMONISCHE
PHILHARMONISCHE
KONZERTE
2013/2014
PHILHARMONISCHE KONZERTE
KONZERTE 2013/2014
2013/2014
20./22.9.
20./22.9.
ALEXANDER
SKRJABIN
WOLFGANG
RIHM
20./22.9. ALEXANDER
ALEXANDERSKRJABIN
SKRJABIN|||WOLFGANG
WOLFGANGRIHM
RIHM
MALIKA
MALIKA
KISHINO
UA
DMITRI
SCHOSTAKOWITSCH
MALIKAKISHINO
KISHINO___UA
UA |||DMITRI
DMITRISCHOSTAKOWITSCH
SCHOSTAKOWITSCH
25./27.10.
25./27.10.
PHILIPP
MAINTZ
UA
SERGEJ
RACHMANINOW
25./27.10. PHILIPP
PHILIPPMAINTZ
MAINTZ___UA
UA|||SERGEJ
SERGEJRACHMANINOW
RACHMANINOW
NIKOLAI
NIKOLAI
RIMSKI-KORSAKOW
NIKOLAIRIMSKI-KORSAKOW
RIMSKI-KORSAKOW
15./17.11.
15./17.11.
BENJAMIN
BRITTEN
DOMINIQUE
SCHAFER
UA
JOHANNES
BRAHMS
15./17.11. BENJAMIN
BENJAMINBRITTEN
BRITTEN|||DOMINIQUE
DOMINIQUESCHAFER
SCHAFER___UA
UA|||JOHANNES
JOHANNESBRAHMS
BRAHMS
13./15.12.
13./15.12.
ROBERT
SCHUMANN
CAMILLE
SAINT-SAËNS
SIEGFRIED
MATTHUS
UA
13./15.12. ROBERT
ROBERTSCHUMANN
SCHUMANN|||CAMILLE
CAMILLESAINT-SAËNS
SAINT-SAËNS|||SIEGFRIED
SIEGFRIEDMATTHUS
MATTHUS___UA
UA
7./9.3.
7./9.3.
7./9.3.
ATLI
ATLI
INGÓLFSSON
UA
FERRAN
CRUIXENT
WOLFGANG
REIFENEDER
ATLIINGÓLFSSON
INGÓLFSSON___UA
UA|||FERRAN
FERRANCRUIXENT
CRUIXENT|||WOLFGANG
WOLFGANGREIFENEDER
REIFENEDER
EDWARD
EDWARD
ELGAR
EDWARDELGAR
ELGAR
11./13.4.
11./13.4.
11./13.4.
2./4.5.
2./4.5.
2./4.5.
ATLI
ATLI
INGÓLFSSON
UA
JÖRG
DUDA
UA
ANTONÍN
DVORÁK
ATLIINGÓLFSSON
INGÓLFSSON___UA
UA|||JÖRG
JÖRGDUDA
DUDA___UA
UA|||ANTONÍN
ANTONÍNDVORÁK
DVORÁK
GORDON
GORDON
SHERWOOD
UA
GEORGE
GERSHWIN
GORDONSHERWOOD
SHERWOOD___UA
UA|||GEORGE
GEORGEGERSHWIN
GERSHWIN
LUÍS
LUÍS
ANTUNES
PENA
UA
AARON
COPLAND
LUÍSANTUNES
ANTUNESPENA
PENA___UA
UA|||AARON
AARONCOPLAND
COPLAND
VV
V
23./25.5.
23./25.5.
WOLFGANG
AMADEUS
MOZART
LUÍS
ANTUNES
PENA
UA
23./25.5. WOLFGANG
WOLFGANGAMADEUS
AMADEUSMOZART
MOZART|||LUÍS
LUÍSANTUNES
ANTUNESPENA
PENA___UA
UA
ANTON
ANTON
BRUCKNER
BRUCKNER
ANTON BRUCKNER
Klaus Florian Vogt
31.8. Luzern (CH),
KKL
3.9.Berlin, Philharmonie
Kammermusiksaal
49
Philharmonisches
Philharmonisches
Orchester
des
Staatstheaters
Cottbus
PhilharmonischesOrchester
Orchesterdes
desStaatstheaters
StaatstheatersCottbus
Cottbus
Generalmusikdirektor
Generalmusikdirektor
Evan
Christ
0355
7824
2424
www.staatstheater-cottbus.de
GeneralmusikdirektorEvan
EvanChrist
Christ|||0355
03557824
78242424
2424|||www.staatstheater-cottbus.de
www.staatstheater-cottbus.de
T er m i n e Ja z z
J
Ja z z
Adam Bałdych
19.10.Burghausen,
Jazzclub
Dan Berglund
11.10.Hamburg,
Übel &
Gefährlich
20.10.Berlin,
Passionskirche
23.10.Wien (A),
Szene Wien
Mo’ Blow
28.9.Salzwedel,
Club Hanseat
3.10.Norderstedt,
Kulturwerk
4.10.Kempen,
Campus
5.10.Altena, Burggymnasium
16.10.Erlangen, EWerk
17.10.Karlsruhe,
Jazzclub
18.10.Backnang,
Kultur auf
dem Hofgut
19.10.Nordhausen,
Nordhäuser
Jazzfest
20.10.Bochum,
Jahrhundert­
halle
Klazz Brothers
12.9.Aschaffenburg, ColosSaal
19.9.Eggenfelden,
Theater an der
Rott
20.9. Simbach am
Inn
29.9.Coswig, Villa
Teresa
Three Fall
21.9.Leverkusen,
Bayer KulturForum
28.9.Viersen, Jazzfestival
4.10.München,
Jazzclub
Unterfahrt
5.10.Lampertheim,
Schloss Rennhof
6.10.Köln, Stadtgarten
19.10.Fürstenwalde,
Jazztage
Torsten Goods
13.9.München,
Jazzclub
Unterfahrt
50
14.9.Karlsruhe,
Tempel
17.9.Berlin, A-Trane
19.9.Frankfurt/
Main, Fabrik
21.9.Minden, Jazz
Club
25.9.Köln, Harald
Schmidt Show
3.10.Norderstedt,
Kulturwerk
25.10.Düsseldorf,
Jazz Schmiede
Jazz Big Band Graz
8.9. Fehring (A),
Most & Jazz
26.9.Darmstadt,
Central­station
Wolfgang Haffner
5.9.Lustenau,
Schaulust
Festival
22.10.Elmau, Schloss
23.10.Köln, Stadtgarten
25.10.Aschaffenburg, ColosSaal
28.10.Nürnberg,
Tafelhalle
Dieter Ilg
3.10.Leipzig, Jazztage
4.10.Gütersloh,
Theater
5.10.Göppingen,
Odeon
6.10.Langenau,
Pfleghof
8.10.Biberach,
Stadthalle
9.10.Allensbach,
JazzForum
16.10.Hamm, Jazzforum
Alle Termine
finden Sie
auch unter
www.rondomagazin.de
Joachim Kühn
30.8.Marienthal,
Marienthaler
Festspiele
12.10.Murnau, Weltmusikfestival
Grenzenlos
19.10.Esslingen,
Dieselstraße
Nils Landgren
21.3.Düsseldorf,
Robert
Schumann
Saal
22.3.München,
Muffat­halle
23.3.Dresden, Alter
Schlachthof
25.3.Erlangen,
Heinrich-Lades
Halle
26.3.Neunkirchen/
Saar, Neues
Gebläsehaus
27.3.Stuttgart,
Theaterhaus
28.3.Dortmund,
Konzerthaus
29.3.Hamburg,
Laeiszhalle
31.3.Frankfurt/
Main, Alte
Oper
Nguyên Lê
2.10.Hamm, Kurhaus
11.10. Wien (A),
Sargfabrik
13.10.Murnau, Weltmusikfestival
Grenzenlos
25.4. Basel (CH),
Jazz Festival
26.4.Winterthur
(CH), Alte
Kaserne
Rudresh
Mahanthappa
3.9.Bremen,
Musikfest
Christian Muthspiel
11.9. Graz (A),
Minoritensaal
13.9. Chur (CH),
Jazzclub
14.9. Dornbirn (A),
Spielboden
18.9. Fürsten­feld­
bruck, Veran­
staltungs­
forum
19.9.Schaffhausen
(CH), Kammgarn
Magnus Öström
12.10.Lörrach, Burghof
14.10.Köln, Stadt­
garten
15.10.Frankfurt/
Main, Brotfabrik
17.10.Weingarten,
Kulturzentrum
Linse
18.10.Salzburg (A)
23.10.Wien (A),
Porgy & Bess
24.10.München,
Jazzclub
Unterfahrt
25.10.Innsbruck (A),
Treibhaus
26.10.Elmau, Schloss
28.10.Dresden, Jazzclub Tonne
21.2.Hamm, Kulturhaus Bad
Hamm
Iiro Rantala
12.9. Zürich (CH),
Moods
13.9.Schweinfurt,
Halle410
23.10.Mannheim,
Enjoy Jazz
24.10.Bonn,
Beethoven­
haus
25.10.Stuttgart,
Theaterhaus
26.10.Hamburg,
Überjazz
Festival
Matthias Schriefl
23.10.Konstanz,
Jazzherbst
24.10.Konstanz,
Jazzherbst
25.10.Konstanz,
Jazzherbst
26.10.Konstanz,
Jazzherbst
Tingvall Trio
27.9.Neumünster,
Kunstflecken
29.9.Kassel, Staatstheater
30.9.Karlsruhe,
Tempel
1.10.Illingen, Illipse
Ulf Wakenius
22.10.Berlin,
Passionskirche
24.10.Friedrichshafen, Graf
Zeppelin Haus
26.10.Hamburg,
Überjazz,
Kampnagel
27.10.Kiel, PetrusKirche
30.10.Karlsruhe,
Tollhaus
31.10.Lörrach, Burghof
Julian & Roman
Wasserfuhr
20.9.Jüchen,
Schloss Dyck
Michael Wollny
22.9.Köln, Böhm
Chapel
19.10.Erding, Jazztage
27.10.Darmstadt,
Stadtkirche
21.3.Düsseldorf,
Robert
Schumann
Saal
22.3.München,
Muffathalle
23.3.Dresden, Alter
Schlachthof
25.3.Erlangen,
Heinrich-Lades
Halle
26.3.Neunkirchen/
Saar, Neue
Gebläsehalle
27.3.Stuttgart,
Theaterhaus
28.3.Dortmund,
Konzerthaus
Verlag: Kunst- und Kulturpublikationen
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Herausgeberin: Verena von der Goltz
Chefredakteur: Carsten Hinrichs (ch)
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Autoren dieser Ausgabe: Michael Blümke
(mb), Arnt Cobbers (ac), Oliver Buslau, Josef
Engels (joe), Guido Fischer (gf), Thomas
Fitterling (tf), Robert Fraunholzer (rfr), Tobias
Hell, Julia Kaiser, Matthias Kornemann (mk),
Reinhard Lemelle (rl), Roland Mackes, Carsten
Niemann (cn), Matthias Siehler, Werner
Stiefele (ws), Oda Tischewski, Michael Wersin
(mw), Marcus A. Woelfle
Hinweise Oper, Festival, Konzert:
Guido Fischer
Bildredaktion: Oliver Tenhoven
Termine: Anna Vogt
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Das nächste RONDO erscheint am
Mittwoch, 2. Oktober 2013.
Zugabe
Namen, Nachrichten, Nettigkeiten:
Neues von der Hinterbühne
Von Robe rt F r au n hol z e r
Fotos: Gewandhaus/Gert Mothes; DG/Harald Hoffmann
Das war einmal:
Ex-Traumpaar
Gheorghiu und
Alagna waschen
nun Schmutzwäsche
Das wird kommen:
Carpenter freut
sich auf die mobile
Konzertorgel
Die
rumänische
Sopranistin
Angela
Gheorghiu („La Draculette“), um die es
stiller geworden war, hat ihrem Ex-Ehemann Roberto Alagna in einem Interview vorgeworfen, in der Ehe gewalttätig gewesen zu sein. Sogar im Beisein von Familienmitgliedern habe er sie geschlagen. Mehrfach
habe sie wegen Blessuren Vorstellungen absagen müssen. Die Ehe mit Alagna sei „das
schwärzeste Kapitel“ ihres Lebens. Alagna,
dessen Büro sich weigerte, auf die Anschuldigungen zu reagieren, ist inzwischen
mit der polnischen Sopranistin Aleksandra
Kurzák liiert. Diese ist, wie sie RONDO gegenüber bestätigte, schwanger.
Die Fertigstellung der von Cameron
Carpenter in Auftrag gegebenen „Tour-Orgel“,
der ersten transportablen Orgel, ist für 2014
angekündigt. Bei dem mobilen digitalen
Instrument, gebaut für einen Millionenbetrag von der Firma Marshall & Ogletree LLC,
soll es sich um eine Kreuzung aus Konzertund Kinoorgel handeln. Im Mai 2014 wird
das Instrument im Lincoln Center New York
präsentiert. Danach reist es für Konzerte nach
Wien, Köln und Frankfurt.
Der italienische Dirigent Riccardo Chailly
hat seinen Vertrag mit dem Gewandhausorchester Leipzig bis 2020 verlängert. Er gilt
als einer der stillen Favoriten für die Nachfolge von Simon Rattle bei den Berliner Philharmonikern, obwohl er mit inzwischen 60
Jahren nicht ganz dem eher jugendlichen Anforderungsprofil in Berlin entspricht. Sollte er
es dennoch werden, so wäre er der Erste seit
Arthur Nikisch, der die Chefposten in Leipzig
und Berlin miteinander verbindet. Nikisch
hatte 1895 die Stelle bei den (noch nicht so
prominenten) Berliner Philharmonikern nur
unter der Bedingung akzeptiert, auch das Gewandhausorchester zu leiten.
Dame Janet Baker, Mezzo-Sopranistin,
war angesichts von Interviews zu ihrem 80.
Geburtstag nicht zimperlich in Bezug auf
Dirigenten. „Mit John Eliot Gardiner – ich muss
es zugeben, obwohl ich mit ihm befreundet
bin – hätte es nicht gut geklappt“, so Baker.
„Es hätte mir genau das gefehlt, was ich Vollblut nenne.“ Auch ihren Konflikt mit Karajan,
der ihr eine Absage nicht verzieh, quittierte
sie selbstbewusst: „Er schien ein weiteres
Exemplar dieser beflissenen Autoritäten zu
sein, mit denen ich nicht gerne zusammenarbeite.“ Über Klemperer: „Ich fürchtete mich
vor ihm. Und er hätte mich früher, da bin ich
sicher, ohne weiteres um den Block gejagt.
Aber er hatte die Kraft seiner Furchtbarkeit ein
bisschen eingebüßt. Seine Asche war erkaltet.“
Dagegen schwört sie auf Barbirolli, Giulini und
Bernstein. „Bernstein war als lucky guy eine so
große Ausnahme, dass man im Bann seines
Charmes stehen musste. Seine Einstellung
war einfach: ‚Let’s enjoy it together.‘ Sehr
amerikanisch. Ich mag Amerikaner.“
Dirigentin Marin Alsop bleibt bis 2021 in
Baltimore. Sie verlängerte ihren Vertrag beim
Baltimore Symphony Orchestra, wo sie Nachfolgerin von Yuri Temirkanov ist, auf dann 14
Jahre. Sie und ihre Partnerin, die Hornistin Kristin Jurkscheit, leben mit ihrem Sohn gemeinsam vor Ort. Neben dem Baltimore Symphony
Orchestra leitet Alsop auch das São Paulo State
Symphony Orchestra. Sie ist die am höchsten
gestiegene Dirigentin innerhalb eines Berufsstandes, bei dem es noch immer vergleichsweise wenig weibliche Nachrücker gibt. Unter
den heutigen Dirigier-Jungstars befindet sich,
bei Lichte besehen, keine einzige Frau.
Tenor Plácido Domingo hat Mitte Juli eine
Lungenembolie erlitten und deshalb Auftritte
abgesagt. Ähnlich der lettische Dirigent Andris
Nelsons. In Bayreuth war er gegen eine Tür gelaufen und zog sich eine Gehirnerschütterung
zu.
Nachdem die deutsche Sopranistin Mojca Erdmann gemeinsam mit der Gruppe „Die
Priester“ bei der Vorausscheidung zum „Eurovision Song Contest“ auf dem drittletzten Platz
gelandet war, ist jetzt ein Album des Teams bei
der Deutschen Grammophon geplant. Diese
lässt sich durch nichts schrecken.
Das geht weiter:
Riccardo Chailly
verlängert in
Leipzig
Das wird nicht
besser:
Marin Alsop allein
auf weiter Flur
Das kommt noch
schlimmer:
Mojca Erdmann
nimmt mit den
„Priestern“ auf
Gustavo Dudamel
„ … ist er nicht der musikalischste Maestro
der jüngeren Generation?“ (Tagesspiegel)
© Mathew Imaging / Los Angeles Philharmonic
Das Debüt-Album mit
den Berliner Philharmonikern
Ab 13.09. im Handel!
Ab sofort vorbestellen auf
Live aufgenommen in der Philharmonie Berlin!
Inkl. „Also sprach Zarathustra“, „Don Juan“,
„Till Eulenspiegel“
www.gustavo-dudamel.de