Chronik Keller von Volken, Version Alois Stadler

Transcription

Chronik Keller von Volken, Version Alois Stadler
Chronik
einer Familie Keller
aus Volken
Band 1: Volken und die Keller, von 1314 bis 1888
Inhaltsverzeichnis
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Vorwort
Das Dorf Volken im Zürcher Weinland
Der Name Keller und der Kelhof
Der Kelhof in Volken im Jahr 1314
Schenkungs-Urkunde von 1314
Der Grundzins des Kelhofes von Volken
Volkener Bauern im mittelalterlichen Lehensystem
Der Zehnten
Das Tavernenrecht, das „Täfry“ -- Der Streit um das Täfry von 1428 in Flaach
Abgabenstreit zwischen Ulrich III von Gachnang und „den Kellern von Volken“ 1446
Die Keller als stärkste Steuerzahler in Volken
Ertrag der ausserordentlichen Steuererhebung auf der zürcherischen Landschaft 1467
Hensli Kellers Ehefrau als Tauschobjekt zwischen Vogtei Andelfingen und Frauenkloster Töss 1459
Die Keller-Sippe als Lehensbauern des Klosters St. Katharinenthal im Jahre 1574
Ein Gültenbrief gibt Einblick in das Leben in Volken um 1575
Das Heimwesen der Witwe Anna Keller in Volken, 1602
Schuldspruch-Urkunde der Gebrüder Keller vom 4. Oktober 1608
Wie die Volkemer die Zahlung der Grundzinsen zu vermeiden suchten
Der Kelhof in Volken als Erblehen der Gemeinde, 1775
Der Weinbau
Vom 16. Jahrhundert in Volken
Erste Vorahnen der Keller-Sippe von Volken
Auszug aus den noch vorhandenen Pfarrbüchern der Pfarrei Andelfingen, Taufen in Volken
Auszug aus den noch vorhandenen Pfarrbüchern der Pfarrei Andelfingen, Liste der Ehen in Volken
Stammbaum einer Familie Keller von Volken
Die lückenlos nachgewiesenen Vorfahren des Verfassers: Jörg Keller (13.3.1603 - 18.2.1872)
Georg Keller (*1645)
Eingabe der Gemeindebehörden Volkens an die Zürcher Regierung 19.5.1707
Hans Keller (9.7.1672 - 2.5.1743)
Hans Heinrich Keller (22.6.1712 - 21.4.1781)
Amtsrecht der Herrschaft Andelfingen
Hans Jakob Keller (8.9.1742 - 27.7.1808)
Essen und Trinken – Es soll besser werden
Hans Konrad Keller (28.2.1779 - 25.6.1821)
Ach, diese Steuern – neue Anbaumethoden – Politik
Der Wandel der Umwelt
Johann Conrad Keller (28.1817 - 7.3.1888)
Klima und Katastrophen – die politische Entwicklung
Landwirtschaft, Auswanderung
J.C.Keller und die Post - Entwicklung der Post im Flaachtal
Johann Conrads letzte Jahre
Anna Keller-Wiesendanger (28.4.1826 - 25.4.1906)
Anhang
Liste der Verkäufe 1884-1888
Verkaufsvertrag von 1887 der Liegenschaft Restaurant Post
Beistandschaft und Vormundschaft von Susanna Keller und ihren Kindern
2
Vorwort
Die erste Fassung dieser Chronik erschien im März 2008. Sie wird in der vorliegenden zweiten, erweiterten
Fassung ergänzt mit der Auswertung von Urkunden, welche wichtige geschichtliche Ereignisse in Volken
beschreiben und über die frühesten erwähnten Keller in Volken berichten.
Die Chronik wurde neu in drei Bände aufgeteilt. Der erste behandelt zuerst allgemein den Kelhof und die Keller in Volken bis ungefähr 1600. Anschliessend folgen die lückenlos nachweisbaren Ahnen des Verfassers bis
zum Wegzug aller Nachkommen und zum Tod des letzten in Volken lebenden Vorfahrs in 1888. Der zweite
Band ist ihren in der Schweiz niedergelassenen Nachkommen bis zur Gegenwart gewidmet. Der dritte Band
schliesslich berichtet über die Familien, welche von einem Enkel abstammen, der 1911 in die Provinz
Saskatchewan in Kanada zog und Stammvater eines grossen Clans wurde.
Der hier vorliegende erste Band dürfte für alle Keller, die aus Volken stammen, interessant sein, denn auch
ihre Ahnen könnten auf die ersten drei bis 1467 urkundlich erwähnten Keller zurückzuführen sein.
Für die Auswertung der hier publizierten Urkunden schulde ich einen ganz besonderen Dank dem Historiker
Dr. Alois Stadler in Goldingen, ehemals Kantonsbibliothekar in St. Gallen. Er erstellte die buchstabengetreue
Abschrift der Urkunden sowie die Übersetzung in die heutige Sprachform. Von ihm stammen die Erklärungen
und Anmerkungen zu den Urkunden sowie zahlreiche Hinweise auf geschichtliche Zusammenhänge.
Seine umfassenden Erklärungen der den Kelhof betreffenden Urkunden werden in der Schrift: „Der Kelhof zu
Volken“ detailliert wiedergegeben. In der vorliegenden Broschüre werden sie zur leichteren Lesbarkeit zusammengefasst. – Der besseren Übersichtlichkeit wegen wurden die Haupttitel mit Farbe unterlegt.
Es haben mir sehr viele Menschen mit Hinweisen und Informationen geholfen; allen bin ich sehr dankbar. Und
schliesslich danke ich den Mitarbeitern des Staatsarchivs des Kantons Zürich, insbesondere dem stellvertretenden Staatsarchivar Dr. Hans-Ulrich Pfister sowie Thomas Neukom für ihre Unterstützung und Beratung,
auf die ich immer zählen durfte. Prof.Dr.h.c. Peter Ziegler, Wädenswil, interpretierte die Urkunde von 1446
und Frau Regula Geiger, Küsnacht, hat den Text auf Fehler durchgelesen und geprüft. Ihnen allen gilt mein
herzlichster Dank.
Nachdruck ist, auch teilweise, unter Quellenangabe gestattet.
Ende März 2008, nachgeführt im Frühjahr 2011.
Hans Peter Keller, 8700 Küsnacht
Schiedhaldenstrasse 32
[email protected]
3
Das Dorf Volken im Zürcher Weinland
4
Volken liegt im Weinland, dem Zürcher Unterland, abseits von Durchgangsstrassen und Eisenbahnlinien. Volken wird erstmals in einer Urkunde vom 14. April 1044 unter dem Namen „Volhinchovan“ erwähnt, als ein
Zibo de Volhinchovan als Zeuge bei einer Land-Vergabung in Erscheinung trat1. Es muss demnach damals
einen grösseren Hof eines Alemannen mit Namen Volcho oder ähnlich gegeben haben. Die Gegend war schon
früh besiedelt, was sowohl Funde aus der Bronzezeit wie auch aus der Zeit der Völkerwanderung beweisen.
Der Gemeindebann umfasst 319 ha, und auf ihm wurden von alters her Ackerbau und Weinbau betrieben.
Im Mittelalter war in Volken der Grundbesitz stark zersplittert. Als Grundbesitzer erschienen u.a. die Klöster
Rheinau und St. Katharinental in Diessenhofen, die Abtei Allerheiligen in Schaffhausen, die Chorherrenstifte
Embrach und Heiligenberg, Winterthur, sowie die Herren von Eschlikon.2 Allerheiligen besass nach dem ältesten Güterbeschrieb (um 1150) in Volken ein Grundstück und eine Schuppose (kleinerer Hof von unbestimmter
Grösse).3 – Nach dem Urbar von 1810 existierte bei einem produktiven Gebiet von rund 230 ha folgender
Grundbesitz: Kloster Rheinau 8 ha, Kloster Katharinental 35 ha, Kloster Paradies 9 ha, Chorherrenstift Heiligenberg resp. Amt Winterthur 81 ha, Chorherrenstift Embrach 25 ha, Kloster Haslen, total 164 ha. 4
Bis 1610 mussten die Leute von Volken nach Andelfingen zur Kirche gehen. Daran erinnert heute noch ein
Wanderweg mit dem Namen „Chileweg“, der über Egg nach Andelfingen führt. Als um 1600 die Kirche
Flaach abbrannte und rund zehn Jahre später wieder aufgebaut wurde (die Flaachener mussten bis zu diesem
Zeitpunkt nach Berg am Irchel zur Kirche gehen), wollten die Volkemer den kürzeren Weg zur Kirche wählen.
Der Andelfinger Pfarrer schrieb in seine Pfarrbücher: „1611 ging die Gmaind gen Flaach“5. Volken selbst
besass nie eine eigene Kirche, doch 1360 bestand in Volken eine Kapelle als Filiale von Andelfingen. Sie dürfte zur Reformationszeit verschwunden sein.6
Volken bildete im Jahr 1798 mit Flaach eine Munizipalgemeinde, erhielt aber mit der Wahl eines Gemeinderats am 21. April 1805 wieder die volle Selbständigkeit.7 - Wegen der schlechten Erschliessung durch Strassen siedelte sich in Volken keine Industrie an.
Die Zahl der Einwohner erreichte bis heute nie 400. Aus dem Steuerverzeichnis von 14678, als erstmals eine
Pro-Kopf-Steuer für über 15-Jährige verlangt wurde, geht hervor, dass in Volken 41 Steuerpflichtige, also
Personen älter als 15 Jahre, lebten. Die Einwohnerzahl entwickelte sich wie folgt:
Einwohner
1476:
1571
1611:
1612:
1634:
1678:
1685:
1727:
1809:
1850:
1900:
1930:
1986:
2003:
2009:
Haushaltungen
1467 gab es 11 Haushaltungen 9
55
110
72
194
305
322
323
282
385
248
267
205
273
309
Der Zollrodel von 1571 verzeichnete 23 Haushaltungen: 9 Ritzmann, 6 Keller, 3 Buri,
je eine Gisler, Saler, Christen, Frey und (Werd-)Müller.
1612 starb 1/3 der Bevölkerung Volkens innert weniger Tage an der Pest
1634 gab es 9 Familien Keller, 8 Ritzmann, 5 Gysler, 4 Buri, je 2 Frey, Kündig und
Werdmüller sowie je eine Familie Schuler, Bader, Morgen, Peter und Saler
1685: Die 322 Einwohner verteilen sich auf 64 Haushaltungen
1727 gab es in Volken 67 Haushaltungen 10
1
StAZH Dd 10.1 Urkundenbuch Zürich 741-1234, Band 1, Seite 128
Die Gemeinden in Kanton Zürich S.206, Hrsg.Verein Zürcherischer Gemeinderatsschreiber &Verwaltungsbeamter 1981
3
Chronik des Kantons Zürich, Bezirke Winterthur und Andelfingen, 1963, Seite 350, StAZH Dc 155
4
Paul Kläui: Die Gerichtsherrschaft Flaach-Volken, Seite 53
5
StAZH EIII 8.3. S.73
6
Freiburger Diözesanarchiv Bd. V. und Paul Kläui „Gerichtsherrschaft Flaach-Volken“, 1932, StAZH Dc F 40, Seite 83
7
Hans Peter Keller “Volken im 19. Jahrhundert“, Seite 10
8
Steuerbücher von Stadt und Landschaft Zürich, Band 2, StAZH Dg 1
9
Emil Stauber: Geschichte der Kirchgemeinde Andelfingen, Seite 155 und Chronik des Kantons Zürich (siehe auch 3)
10
Paul Kläui: Die Gerichtsherrschaft Flaach-Volken, Seite 157
2
5
Der Name Keller und der Kelhof
Im Mittelalter besassen vor allem kirchliche Institutionen (Klöster) und Adlige Grund und Boden. Sie verliehen ihre Güter an Menschen, welche den Boden bearbeiten und nutzen sollten und die als Gegenleistung Zinsen bezahlen mussten. Der Grundherr konnte seinen Grundbesitz im Dorf an mehrere Lehenbauer verpachten.
Er wählte den Fähigsten als Beamten, der die Abgaben der Lehenbauern einsammelte und gesamthaft dem
Grundherrn überbrachte. Diese Grundzinsen wurden in Form von Naturalien entrichtet. Vom beauftragten
Beamten verlangte der Grundbesitzer, dass er einen festen Vorratsraum baue, in welchem die Naturalien gelagert werden konnten, bis der Grundbesitzer sie benötigte respektive bis sie nach dessen Weisung abgegeben
wurden. Die gewöhnlichen Bauernhäuser des Mittelalters waren dafür meist zu primitiv und zu ärmlich. Der
so beauftragte Beamte musste einen grösseren Hof mit einem soliden Lagerraum bewirtschaften. Lateinisch
war damals die Sprache der gehobenen Klassen, des Adels und der Kirche. Ein solcher fester Vorratsraum
hiess auf Lateinisch „cella“ oder „cellarium“, sodass der Hof, zu welchem das „cellarium“ gehörte, bald einmal Cella-Hof, ausgesprochen Kellahof, hiess. Diese Bezeichnung schliff sich über die Jahrzehnte ab auf
„Kelhof“ oder „Kelnhof“. Der grundherrschaftliche Verwalter und Bewirtschafter dieses Kelhofes hiess auf
lateinisch „cellarius“, aus welchem Wort eben der „Keller“ wurde. Er konnte auch andere Höfe für andere
Grundbesitzer bewirtschaften, wie auch aus Volkemer Urkunden hervorgeht. Wichtig waren seine Ehrlichkeit,
Sachkompetenz und Loyalität.
Der Kelhof in Volken im Jahre 1314
Auch Volken hatte seinen Kelhof. Über alle bekannten Einzelheiten wird in der Schrift „Der Kelhof zu Volken“ sehr detailliert berichtet11. Er war im Besitz der Freiherren von Eschlikon (das in der Pfarrei Dinhard
liegt), einem Freien-Geschlecht des 13.-14. Jahrhunderts, welches 1250 zu Rheinheim (Baden D) und zu Anfang des 14. Jahrhundert in Schwarzenbach SG, Volken und Flaach Güter besass. Es gab mehrere Burkharts
von Eschlikon in diesen Jahrhunderten. Einer von ihnen wurde ab 1282 erwähnt und starb 1331. Er schenkte
den Kelhof in Volken 1314 dem Kloster St. Katharinental bei Diessenhofen und diente dem Kloster als Kaplan, wofür er eine lebenslängliche Rente erhielt. Die Urkunde, welche diese Schenkung bezeugt, ist auf der
gegenüberliegenden Seite 7 abgebildet. In ihr wird der Kelhof zum ersten Mal erwähnt.
Der in der Urkunde aufgeführte Grundzins zeigt, dass der Kelhof ein bedeutender und sehr grosser Hof gewesen sein musste. Es ist zu bedenken, dass die grosse abzuliefernde Menge mit Handarbeit zu erarbeiten war.
Das rief nach einer zahlenmässig grossen Familie, welche bei der Bewirtschaftung mithelfen musste.
Als 1433 die einzelne Hofstatt, „Hub“ genannt, von nur einem Juchart Umfang, und der Weingarten dem Kelhof zugeteilt wurden, umfasste der ganze Besitz 84 Jucharten Acker, 11 ¾ Mannmad Wiesen, 14 Jucharten
Wald mit 3 1/2 Fuder Holzrecht im Gemeindeholz und 2 Jucharten Reben. Alles war damals noch im Besitz
des Klosters St. Katharinental.
Einiges deutet darauf hin, dass der Freiherr Burkhart von Eschlikon Kredite auf seinen Hof aufnahm. So verpfändete er den Zehnten, also den zehnten Teil des jährlichen Ernte-Ertrags, und das Kloster St. Katharinental
konnte ihn erst 1433 zurückkaufen.12 Und als er an einem unbekannten Datum im Jahr 1331 starb, bestätigte
am 24. August 1331 Freiherr Peter von Matzingen, dass er vom Kloster St. Katharinental mit 30 Pfund Pfennig Zürcher Münze wegen einer Forderung an den Kelhof in Volken entschädigt worden sei. Das muss unmittelbar nach dem Hinschied Burkharts gewesen sein. Offenbar hatte der Freiherr von Matzingen dem Verstorbenen Geld gegen Verpfändung eines Teils des Kelhofes ausgeliehen, und deshalb bat er die neue Besitzerin
des Kelhofs um Rückzahlung13.
11
Verfasser ebenfalls Hans Peter Keller, 8700 Küsnacht
Paul Kläui: Die Gerichtsherrschaft Flaach-Volken, Seite 43
13
Urbare und Rödel der Stadt und Landschaft Zürich bis 1336, StAZH DD Band 12,Seite 183
12
6
Schenkungs-Urkunde von 1314
Freiherr Burkhart von Eschlikon schenkt den Kelhof in Volken dem Nonnenkloster St. Katharinental
Urkunde besiegelt von Burkhart von Eschlikon, Ritter Heinrich von Randegg, Ritter Johannes Truchsess von
Diessenhofen, Huch von Randegg
Staatsarchiv des Kantons Thurgau in Frauenfeld, Signatur StATG 7’44’36.
Siegel von links nach rechts:
1. O 44 mm, gespaltener Schild, r. 2 Türme, l. steigender Löwe
S. BVRCH. DE ESCHELLIKON
2. 44/37 mm, Bären- oder Löwenkopf
…DNI HEINRICI DE RANDEG
3. O 44 mm, n.vorn geneigt. Schild m.Truchsessenkessel
S’ IOHIS DEPIFERI DE DIESSENHOFEN
4. O 43 mm gespaltener Schild, r. leer, l. Schachbrettmuster
SIGILL VM HVGONIS DE RADEGGE
7
Der Grundzins des Kelhofs von Volken
Die Grösse des Kelhof Volkens lässt sich aus der Menge des jährlich abzuliefernden Grundzinses erahnen:
12 Mütt Kernen
= 1'142 Liter à 0,755 kg
6 Mütt Roggen
= 576 Liter à 0.700 kg
4 Malter Haber
= 1’536 Liter à 0,445 kg
1 Mütt Gerste
=
96 Liter à 0,700 kg
l Mütt Bohnen
=
96 Liter à 0.755 kg
1 Mütt Erbsen
=
96 Liter à 0.755 kg
2 Pfund Pfennige nach Winterthurer Währung (also Bargeld)
4 Hühner im Herbst und 2 Hühner in der Fasnacht
zu Ostern 1 Lamm und 100 Eier
Die Hube, ein dazugehörender kleinerer Hof, zahlte jährlich
9 ½ Mütt Kernen
= 671 Liter à 0,755 kg
6 Mütt Haber
= 576 Liter à 0,445 kg
32 Schilling Bargeld Winterthurer Währung
2 Hühner im Herbst und 2 in der Fasnacht
100 Eier
= ca. 864 kg Weizen
= ca. 403 kg Roggen
= ca. 683 kg Hafer
= ca. 67 kg Gerste
= ca. 72 kg Bohnen
= ca. 72 kg Erbsen
= ca. 432 kg Weizen
= ca. 256 kg Hafer
Vergleicht man die Abgaben des Kelhofes zwischen 1314 und 1574, so können wir ersehen, dass sich die Höhe der Abgaben nur wenig veränderte. Hingegen änderte sich die Zusammensetzung der landwirtschaftlichen
Produktion. Im Mittelalter, also in unserem Fall 1314, wurden nebst Korn und Haber auch Roggen, Gersten,
Erbsen und Bohnen in grösseren Mengen angepflanzt. Diese Nahrungsmittel stehen 1574 nicht mehr auf der
Abgabenliste. Auch das Lamm fehlt. Die Geldabgabe hat sich von 2 auf 3 Pfund erhöht, ebenso wuchs die
Zahl der abzugebenden Hühner von 6 auf 9 und der Eier von 100 auf 210.
Abgaben gemäss Urkunde
Kernen
Roggen
Hafer
Gerste
Erbsen
Bohnen
Bargeld
Hühner in der Fasnacht
Hühner im Herbst
Eier
Osterlamm
In der Währung und Mass
von 1314
12 Mütt
6 Mütt
4 Malter
1 Mütt
1 Mütt
1 Mütt
2 Pfund Pfennig
2
4
100
1
von Winterthur
von 1574
22 Mütt
-4 Malter und 3 Mütt
---3 Pfund Haller Heugeld
3
6
210
-Winterthurer Mass und
Schaffhauser Währung
Zum weiteren Vergleich: Der Kelhof Oberdinhart zahlte 1430: 10 Mütt Kernen, 3 Malter Hafer, 2 Pfund Pfennig, 100 Eier und 8 Hühner als Zins jährlich, war also deutlich kleiner 14
Getreidemasse
Das Getreide wurde nicht nach Gewicht, sondern nach Volumen gemessen. Es gab ein besonderes Mass für
„rauhe Frucht“ (ungerelltes Korn, Hafer) und für „glatte“ Frucht (gerelltes Korn, Obst, Bohnen, Erbsen).
Beim gerellten Korn (Kernen) waren die Kerne von der Spelze befreit. Nach dem Winterthurer Mass war 1
Mütt „rauhe Frucht“ 111,01 Liter (nach Zürcher Mass: 83,40 Liter) und die „glatte Frucht“ 96,30 Liter resp.
82,80 Liter! Somit wog ein Mütt Kernen „glatte Frucht“ nach Winterthurer Mass 55 bis 60 kg. Ein Malter
entsprach 4 Mütt.15
14
15
Zürcher Chronik Nr. 2 1958, Hans Kläui: „das Lehenswesen und seine Mannigfaltigkeit, Seiten 188ff
Geschichte des Kantons Zürich, Werd Verlag, Band 2, S. 516
8
Volkener Bauern im mittelalterlichen Lehensystem
Das Herrschaftssystem des Mittelalters beruhte auf Besitz von Land und Leuten. Das Land wurde den Bauern
als Lehen überlassen, gegen einen jährlichen Grundzins sowie die Abgabe des zehnten Teils der Ernte. Man
kann von einem eigentlichen Lehensgebäude, einer „Lehenspyramide“, sprechen. An ihrer Spitze stand der
oberste Lehnsherr. Er belehnte aus Reichsgütern die Angehörigen des Hochadels und der Kirche: Herzöge,
Grafen und Freiherren sowie Bischöfe und Klöster. Der Adel musste ihm dafür als Vasallen Heerfolge und
Beamtendienste leisten. Die edelfreien Geschlechter besassen aber auch Güter, die kein königliches Lehen,
sondern freier Eigenbesitz waren, sogenanntes Allodialgut, das aus direkter Erbfolge von den alemannischen
und fränkischen Grossen stammte.
Im 11. und 12. Jahrhundert erscheint immer deutlicher ein weiterer Stand, der des niedern Adels, der wahrscheinlich zum guten Teil aus einer Mittelschicht von freien Leuten hervorging. Diese nahmen als regionale
Grundbesitzer eine bevorzugte Stellung ein. Dieser niedrige Adel stand im Dienste der Herzöge, Grafen, Freiherren oder Reichsabteien, bildete deren berittene Wehrmacht und wird darum auch Dienstadel oder Ministerialadel genannt.
Die unterste Stufe der ganzen Lehenspyramide bilden die Bauern, die im Schweisse ihres Angesichts den Boden bebauten, den andere besassen. Sie waren Pächter oder „buwman“, genossen den Ertrag der Äcker sowie
den Schutz und die Verwaltungsorganisation ihrer Lehensherren, waren aber von diesen abhängig, also unfrei,
und schuldeten ihnen den jährlichen Grundzins und weitere Abgaben. 16 Diese wurden üblicherweise mit Naturalien bezahlt.
16
Zürcher Chronik Nr. 2 1958: Hans Kläui: „Das Lehenswesen und seine Mannigfaltigkeit“, StAZH Dm 32 2, S.190+193
9
Der Zehnten
Bauer bringt Abgaben
aus Thomas Murner:
„Von dem grossen lutherischen Narren“
Strassburg 1522 17
.
Die Zehnten waren ursprünglich Abgaben der Bauern von ihrer jährlichen Ernte zum Unterhalt des Pfarrers,
der Dorfkirche und der Armen. Da die Grundherren für die kirchliche Organisation (Kirchenbau und –
Unterhalt, Armenfürsorge, Gehalt der Geistlichen) auf dem Land zu sorgen hatten, mussten diese Zehnten an
die Grundherren abgegeben werden. Später kamen aber solche Zehntenrechte auch in andere Hände. Mancherorts wurden die Naturalabgaben durch einen Geldbetrag ersetzt. In Volken besass das Chorherrenstift Embrach seit 1497 nahezu alle Zehnten.
Sehr ungünstig wirkt das psychologische Moment durch die Art, wie der Zehnten bezogen wurde. Der Bauer
hatte die Getreidegarben auf dem Acker aufzustellen, desgleichen das Heu auf der Wiese in gleich grossen
Haufen (Schöchli) bereitzulegen, worauf der Zehntenherr oder dessen Amtsleute zu einem vereinbarten Zeitpunkt erschienen und den Erntesegen vom Schauplatz wegholten. Diese überaus sichtbare Dezimierung des
Jahresertrages erregte leicht den Groll des Bauern, und die ungenaue Art der Eintreibung verleitete zudem zu
allerhand Schlichen und Mogeleien.
Der Umstand, dass auch nach der Reformation viele Pfarrer einen wesentlichen Teil ihrer Besoldung in Form
von Korn- und Heuzehnten persönlich auf Stoppelfeldern und Wiesen zusammensuchen mussten, war für die
Betroffenen äusserst mühselig und für das kirchliche Leben nicht gerade förderlich.
Nachdem in Flaach-Volken, wo sich die Bauern nach Kräften um die Zehntenpflicht herumdrückten, die Leutpriester der Reformationszeit auf den Einzug des kleinen Zehntens verzichtet hatten, nahmen es die beiden
folgenden Pfarrer wieder genauer. Sie machten sich, wie der Geistliche Johannes Jud berichtete, dadurch sehr
unbeliebt, und der eine von ihnen erhielt den Spitznamen „Rumst“ (du räumst auf, d.h. mit dem Erntesegen!).
Die fortgesetzten Ärgernisse bei dem schwer berechenbaren Heuzehnten führten schon früh dazu, dass er in
eine feste Abgabe, das sogenannte „Heugeld“ oder „Heuzehntengeld“ umgewandelt wurde, wobei die Bauern
in der Regel viel besser fuhren, als mit der Ablieferung in natura. 18
19
17
Katalog der Ausstellung: “Der Bauernkrieg in Thüringen“, Mühlhäuser Museen
Zürcher Chronik Nr. 2 1958: Hans Kläui: „Das Lehenswesen und seine Mannigfaltigkeit“, StAZH Dm 32 2, S. 214
19
Katalog der Ausstellung: “Der Bauernkrieg in Thüringen“, Mühlhäuser Museen
18
10
Das Tavernenrecht, das „Täfry“
Die Bezeichnung „Täfry“ stammt vom Wort „Taverne“ und bezeichnet das Recht, Wein auszuschenken. Das
war (und ist bis heute) auch in Volken ein wichtiger Erwerbszweig, so wichtig, dass Mitte des 15. Jahrhunderts in Volken und Flaach mehrere Streitfälle um die Abgaben auf den Ausschank von Wein dokumentiert
sind. Für die Verleihung des „Täfry“ zahlte man eine einmalige Gebühr. Auf der ausgeschenkten Menge Wein
wurde eine Verbrauchs- und Umsatzsteuer, „Ungeld“ genannt, erhoben.
Die Stadt Zürich führte das „Weinungeld“ ab 1403 in ihrem Herrschaftsgebiet ein.20
Der Streit um das Täfry von 1428 in Flaach
Im Jahre 1428 kam es zu einem Streit zwischen den Leuten von Flaach und Ritter Ulrich II von Gachnang,
damals Inhaber der Gerichtsbarkeit Flaach-Volken, weil dieser eine Abgabe von allem Wein-Ausschank forderte. Er meinte, dass niemand in Flaach Wein ausschenken dürfe, der nicht das Tavernenrecht von ihm empfangen habe. Dies habe er ihnen bei einer Busse von zehn Pfund verboten. Dagegen behaupteten die Leute von
Flaach, es sei eine althergebrachte Gewohnheit: wer einen Weingarten besitze und selber bebaue, der dürfe
auch ohne Tavernenrecht seinen Wein ausschenken. Ulrich von Gachnang habe ihnen erstmalig den Weinausschank mit einer Abgabe von zehn Pfund belastet. Das sei aber gegen althergebrachtes Recht, denn ein erstmaliges Gebot dürfe nur mit drei Schilling behaftet sein. Sie seien darum nicht der Meinung, dass sie an dieses
Gebot gebunden seien, sondern sie seien überzeugt, dass sie den Wein, den sie selber angebaut hätten, ungehindert und ohne Tavernenrecht ausschenken dürften.
Am Montag vor St. Albanstag, 14. Juni 1428, fällten Schultheiss und Rat von Winterthur ihr Urteil: „Was das
Tavernenrecht und die verlangte Abgabe betrifft, urteilen wir, dass die Leute von Flaach nicht schuldig sind,
die zehn Pfund dem Ulrich von Gachnang zu geben. Auch sollen die Leute von Flaach auch in Zukunft das
Recht haben, den Wein, den sie selber in diesem Gerichtsbezirk angebaut haben, nach ihrer Möglichkeit auszuschenken, ohne eine Abgabe entrichten zu müssen, sofern Ulrich von Gachnang nicht nachweisen kann, dass
sie von diesem Wein bisher eine Tavernensteuer bezahlt haben. Wer jedoch angekauften Wein ausschenken
will oder wer seinen Wein nicht selber angebaut hat, der soll die Abgabe für den Ausschank bezahlen“ 21.
Weiter entschieden Schultheiss und Rat von Winterthur, die Leute von Flaach sollen jährlich einen Tag mit der
Hand und zwei mit dem Pflug (Fron)Dienst tun und einen Karren Mist führen. Für die Benützung der Allmend
soll Ulrich von Gachnang denen von Flaach wie früher ein Mütt Kernen geben. Endlich wurde erklärt, er sei
nicht berechtigt, zu verlangen, dass die Leute von Flaach in seine Mühle fahren. Gachnang durfte also den von
ihm gewünschten Mühlenzwang nicht einführen. Dass der Streit vor Schultheiss und Rat von Winterthur kam,
rührt daher, dass die Gachnang wahrscheinlich schon damals, sicher aber 1430, Winterthurer Bürger waren.
Das Urteil der Winterthurer Regierung zeigt, wie die Rechte der Edelleute abnahmen, wobei allerdings diese
Entwicklung vorwiegend dazu führte, dass die Macht der Städte sowohl zu Lasten der Adligen wie auch der
Bauern zunahm.
Die Abgabe auf den Weinausschank betrug gemäss diesem Urteil 4 Haller pro Saum. 1 Saum nach Zürcher
Mass war 165,05 Liter, nach Winterthurer Mass 161,55 Liter.
20
21
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 1, Seite 320
StAZH F II a S. 166/77 und FV S, 458-467; Emil Stauber, Geschichte der Kirchgemeinde Andelfingen, S. 78 ff
11
Abgabenstreit zwischen Ulrich III. von Gachnang und
„den Kellern von Volcken“ 1446
Urkunde von 1446: das Gerichts-Urteil im Abgabenstreit
ausgestellt und mit Siegel von Sigmund von Hohenlandenberg StATG 7’44’36
12
Abgabenstreit zwischen Ulrich III. von Gachnang und
„den Kellern von Volcken“, 1446
Von 1351 bis 149322 waren die Herren von Gachnang Inhaber der Gerichtsvogtei Flaach-Volken. Als „Vögte“
und Inhaber der niederen Gerichtsbarkeit hatten sie die Aufgabe, Ruhe und Ordnung in diesem Gebiet aufrecht
zu erhalten, Kauf- und andere Verträge zwischen den Einwohnern auszustellen, Streitigkeiten zu schlichten
und Fehlbare zu büssen. Als Entgelt mussten ihnen die Bewohner dieses Herrschaftsgebiets pro Jahr einen
oder zwei Tage Frondienst leisten, dazu gewisse Abgaben entrichten und schliesslich waren sie dem Vogt zum
Gehorsam verpflichtet („mit diensten, täffri, gehorsammi und ändern sachen zu tuend gepunden“).
Von ca. 1430 bis 1450 amtete Ulrich IIl. von Gachnang zu Goldenberg als Gerichtsherr in Flaach-Volken.
Dies war eine unruhige Zeit, denn die Bauern suchten sich mehr und mehr von ihren Grundlasten zu lösen. Im
Jahre 1428 hatte sich darum Ulrich II. von Gachnang bemüht, die alte grundherrliche Abgabe auf dem gesamten Weinausschank („Täfri“, vom Wort Tavernenrecht abgeleitet) sowie weitere Frondienste wieder einzuführen, was ihm aber Schultheiss und Rat von Winterthur als Schiedsgericht nicht zugestanden. Nur auf dem zugekauften Wein mussten Abgaben bezahlt werden, nicht aber auf selbst produziertem. In den vierziger Jahren
versuchten die Inhaber der beiden grossen Kelhöfe in Flaach und in Volken, sich sämtlicher vogteilicher Abgaben zu entledigen. Auch die Familie von Hensli Keller, welche damals den Kelhof in Volken als Erblehen
vom Kloster St. Katharinenthal bebaute, verweigerte nun dem Gerichtsherrn die grundherrlichen Abgaben mit
der Begründung, der Kelhof sei ein freies Landgut des Klosters und dessen Pächter müssten deshalb dem Gerichtsherrn keine Abgaben leisten.
Das liess sich jedoch Ulrich III. von Gachnang nicht gefallen. Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung,
zu „spenn, zwyung, stoß und wyderpart“. Da beide Parteien auf ihrem Standpunkt beharrten, eskalierte der
Streit bis vor den Landesherrn, den habsburgischen Herzog Albrecht VI. von Österreich, der zu dieser Zeit in
der Gegend weilte, um die Stadt Zürich im Kampf gegen die Eidgenossen zu unterstützen. Diesmal hatte Ulrich III. von Gachnang mehr Glück als sein Vater, denn der Landesherr war ein Freund der Familie von Gachnang. Er beauftragte seinen getreuen Adeligen Sigmund von Hohenlandenberg mit der Schlichtung dieses
Streits. Dieser setzte ein Schiedsgericht ein, dem Schiedsrichter beider Parteien angehörten. Auf Seiten von
Gachnang waren dies Eberhard von Boswil und Walter von Münchwilen, seitens der Keller Jörg von Sal zu
Winterthur und Hans Loris zu Diessenhofen. Auf einem Gerichtstag machten diese Klage, Anklage, Aussagen
und beantworteten Fragen. Alles wurde schriftlich festgehalten. Beide Parteien übergaben besiegelte Urkunden
mit ihren Argumenten. Da aber die Schiedsrichter zu keinem gemeinsamen Urteil kamen („und alz die schidlüt
jn dem rechten und jn der urtal nit ainß mit jren rechtsprüchen worden sind“), nahm Sigmund von Hohenlandenberg die Sache selbst an die Hand, studierte sämtliche Unterlagen und stimmte den Ansichten der Partei
Keller zu. Wortführer war Jörg von Sal. Er stellte fest: Der Hof der Keller liegt in der Grundherrschaft Ulrichs
von Gachnang. Nach Ordnung- und Strafrecht (Twing und Bann) untersteht dieser Hof mit Dienstbarkeiten,
Abgaben und Gehorsamspflicht dem Grundherrn, so wie die anderen Höfe in diesem Gebiet, es sei denn, das
Kloster Sankt Katharinental oder die Keller könnten nachweisen, dass sie von diesen Pflichten entbunden
wurden.
Die Urkunde von 1314 der Klosterfrauen von Diessenhofen besagt aber nur, dass Freiherr Burkart von Eschlikon dem Kloster den Kelhof Volken als freien Besitz übergeben habe. Darin ist nicht festgehalten, dass die
Rechte des Grundherrn aufgehoben seien; es wurde nur Besitz, nicht Rechtsanspruch verschoben.
Die Keller bestritten den Anspruch des Grundherren Ulrich III. von Gachnang auf seine grundherrlichen Rechte nicht. Die Keller schulden weiterhin dem Grundherrn Gehorsam, Dienst, Abgaben, wie das im Gerichtsgebiet Kyburg üblich ist.
Aus dem Vorfall geht weiter klar hervor, dass der Weinausschank ein bedeutender Bestandteil des bäuerlichen
Einkommens gewesen sein muss. Sonst wäre um die Frage, welche Abgabe (Weinungeld genannt) für das
Täfri abzuliefern war, nicht so heftig und so oft gestritten worden.
22
Emil Stauber: Geschichte der Kirchgemeinde Andelfingen, S. 180
13
Die Keller als stärkste Steuerzahler in Volken
Nebst den Abgaben, welche die Bauern den grundherrlichen Vögten (in Volken die von Gachnang) zu leisten
hatten, mussten sie auch eine Landessteuer bezahlen. Diese wurde von der Stadt Zürich eingefordert, welche
die Oberherrschaft durch den Obervogt in Andelfingen ausübte. Steuerpflichtig waren in Stadt und Landschaft
Zürichs alle Einwohner, welche älter als 15 Jahre waren. Ab dem Jahr 1450 verfügte die Steuerordnung, dass
von je 100 Pfund Vermögen 10 Schilling als Steuer zu entrichten sei, was einem Steuerfuss von 5 o/oo entspricht. Für Leute, die weniger als 50 Pfund Vermögen besassen, wurde die Steuer nach deren Lebensaufwand veranlagt. Von Knechten wurde nach der Verordnung von 1442 ein Wochenlohn als Steuer verlangt,
Mägde wurden nach der Höhe ihres Lohnes und dem Aufwand besteuert. Das Minimum für Knechte und
Mägde auf 2 Schilling angesetzt.23
Dabei ist zu beachten, dass das Vermögen der Bewohner der Landschaft erheblich kleiner war als dasjenige
der Städter. Im Jahr 1467 wurde in Stadt und Landschaft Zürich erstmals eine Kopfsteuer (Leibsteuer genannt)
erhoben.24 Sie betrug für jeden Steuerpflichtigen fünf Schillinge.25
Die folgende Aufstellung zeigt, dass der Verwalter des Kelhofes der reichste Dorfbewohner war:
1450
Hensly Kellers hus von Volken
Hensly Keller, sin wib
sin mutter
ire kind
Clewy Saler
1467
Hennsli Keller, sin wib
Cuny, sin Bruder
Greth, sin swester
Heyni, sin sun
Hennsli, sin sun
Uly, sin sun
Hennsli, sin sun
A°lli, sin tochter
Anna, sin junckfrow
Vermögenssteuer
)
)
)
)
Leibsteuer
1 Pfund 5 Schilling
3 Schillling
)
)
)
)
)
)
)
)
7 Mitglieder der Familie Ritzmann
5 Mitglieder der Familie Saler
4 Mitglieder der Familie Weber
7 Mitglieder der Familie Müller
4 Mitglieder der Familie Humlinger
4 Mitglieder der Familie Bury
1 Pfund 15 Schilling
45 Schilling
5 Schilling
10 Schilling
10 Schilling
7 Schilling
10 Schilling
2 Schilling
7 Schilling
35 Schilling
25 Schilling
20 Schilling
35 Schilling
20 Schilling
20 Schilling
Ähnliches ist für die Jahre 1468-1470 zu melden: die Familie von Hensly Keller bezahlte in jedem dieser Jahre
1 Pfund 15 Schillinge Vermögenssteuer und 45 Schillinge Leibsteuer, mehr als alle andern.
Als Kaufkraftvergleich dienen können folgende Zahlen aus dem Rechnungsbuch Herzog Albrechts VI. von
Österreich aus den Jahren l444 bis 1446:
2 Paar Schuhe: 16 Schilling 16 Denare, 1 Mass Malvoisier-Wein: 1 Schilling 16 Denare; 1 Pferd: 24 Pfund.
Oder26 für die Jahre 1400 – 1500 : 1 Schwein (1452): 3 Pfund 6 Schilling; 1 Huhn (15. Jahrhundert) ca. 1
Schilling;1 Käse (1458): 8 Schilling; 1 Paar Schuhe (15. Jahrhundert): 6-12 Schilling;
23
StAZH Dg 1 Band 2 Steuerbücher von Stadt und Landschaft Zürich
Ulrich Schlüer: Untersuchungen über die soziale Struktur von Stadt und Landschaft Zürich im 15. Jahrh. S.180 und 188
25
do, Seite 228
24
14
27)
Das Zürcher Weinland gehörte im 15. Jahrhundert zu den ärmsten Regionen der Zürcher Landschaft28. Durch
die Leibsteuer wurden die Armen mit Steuern belastet, nachdem sie bis 1467 zum Teil steuerfrei ausgingen.
26
Paul Kläui: Ortsgeschichte, eine Einführung
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 85
28
Ulrich Schlüer: Untersuchungen über die soziale Struktur von Stadt und Landschaft im 15. Jh., Seite 214
27
15
Hensli Kellers Ehefrau als Tauschobjekt zwischen der Vogtei Andelfingen und
dem Frauenkloster zu Töss 1459
Hensli Keller auf dem Kelhof in Volken heiratete um 1450 eine Frau aus Rutschwil bei Winterthur, sie hiess
Elli Keller. In Rutschwil besass aber das Nonnenkloster Töss grundherrliche Rechte. Elli Keller unterstand
also der Grundherrschaft des Klosters Töss. Solche Zugehörige bezeichnete man im Mittelalter als „Eigenleute“. Als sie nun als Ehefrau des Hensli Keller nach Volken zog, wo die Stadt Zürich nebst der Landesherrschaft auch grundherrliche Rechte beanspruchte, musste ihre Zugehörigkeit zum Kloster Töss gelöst und stattdessen eine neue Bindung mit der zürcherischen Herrschaft eingegangen werden. Aus der .Eigenfrau“ des
Klosters wurde jetzt eine „Untertanin“ der Stadt Zürich.
Diese Rechtshandlung vollzog der zürcherische Obervogt in Andelfingen im Jahre 1459. Für die Loslösung
aus der klösterlichen Grundherrschaft musste nach damaligem Recht ein Geldbetrag bezahlt werden, womit
sämtliche Rechtsansprüche des Klosters auf die betreffende Person beglichen wurden. Beim „Auskauf“ der
Elli Keller schlug man einen andern Weg ein: Der Obervogt von Andelfingen, Heinrich Sutter, kam mit dem
Nonnenkloster in Töss überein, dass diese Auslösung mit einem Tausch geregelt werden solle. Denn der Zufall
wollte es, dass zu gleicher Zeit eine Zugehörige der zürcherischen Herrschaft Andelfingen wegzog und im
Gebiet der Grundherrschaft des Klosters Töss Wohnsitz nahm. Diese Frau hiess Anna Wartman; sie heiratete
den Ullman Keller zu Adlikon, der zur Herrschaft des Klosters Töss gehörte.
So tauschten also die zwei verschiedenen Herrschaftsbezirke ihre „Eigenfrauen“ aus: Elli Keller, die „Eigenfrau“ des Klosters Töss, wurde zur zürcherischen „Untertanin“, und die zürcherische „Untertanin“ Anna
Wartman wurde „Eigenfrau“ des Nonnenklosters in Töss. Das geschah nach den Regeln des mittelalterlichen
Herrschafts- und Niederlassungsrechts. In der Urkunde wurde auch festgehalten, dass mit diesem Vertrag auch
die bereits geborenen und die noch zu erwartenden Kinder wie ihre Mutter der neuen Herrschaft zugehören
sollen, mit „aller eigenschaffi und lechenschafft, aller gewaltsami, dienst, vällen und gelassen und sust aller
ander vorderung und ansprach“.
Bemerkenswert ist, dass die Stadt Zürich ihren leibeigenen Untertanen 1525 die Freiheit gewährte und auf ein
Bezug von „Fall und Lass“, d.h. auf eine Erbschaftsteuer verzichtete.29 Somit waren auch die „Eigenleute“
Keller in Volken spätestens ab diesem Jahr frei.
29
Geschichte des Kantons Zürich, Werd Verlag , Band 2 Seite 31
16
Urkunde von 1459, Tausch zwischen der Vogtei Andelfingen und dem Kloster Töss
StAZH CII 13 Nr. 528
17
Die Keller-Sippe als Lehenbauern des Klosters St. Katharinenthal im Jahre 1574
Im Jahre 1574 erneuerte das Kloster St. Katharinenthal den Lehenvertrag für den Kelhof in Volken. Grund
dafür dürfte der Tod Jörg Kellers gewesen sein, der wahrscheinlich das Oberhaupt der Keller-Sippe in Volken
war und als eigentlicher Lehenträger die Mitbewirtschafter des grossen Kelhofes vor dem Kloster vertrat. Insgesamt waren damals sieben Männer der Keller-Sippe am Lehen beteiligt. Sie mussten umgehend eine Vertragsbestätigung ins Kloster zurückschicken, damit die Priorin und der Konvent von St. Katharinenthal ein
Beweismittel in der Hand hatten und mit Sicherheit annehmen konnten, dass die Keller alle Bestimmungen des
Lehenvertrags richtig verstanden hatten und auch gewillt waren, diese einzuhalten. Zu diesem Zweck wurde in
der Bestätigung der gesamte Text des Lehenvertrags Wort für Wort wiederholt. Diese handschriftliche Bestätigung der Lehenleute war so wichtig, dass sie in Form einer Urkunde vom zürcherischen Obervogt in Andelfingen, dem Junker Hans Heinrich Holzhalb, ausgestellt und besiegelt wurde.
Der Lehenvertrag gibt nicht nur Einblick in die Sippe der Keller in Volken, sondern er zeigt auch, wie im
Spätmittelalter ein grosser Lehenhof aussah und wie er bebaut wurde. Der gesamte Kelhof war ein Erblehen.
„Lehen“ bedeutet, dass die Keller nicht Eigentümer von Grund und Boden waren, sondern dass der Hof dem
Kloster gehörte und dass die Lehenleute für die Nutzung einen Lehenzins entrichteten und den Hof im Sinne
des Klosters zu unterhalten hatten. Aber die Bezeichnung „Erblehen“ beinhaltet auch, dass die Keller ein lebenslängliches Anrecht hatten auf diesen Kelhof und ihn sogar auf die Nachkommen „vererben“ konnten,
allerdings ohne die Verpflichtungen und die Bindung zum Kloster zu verändern. Diese Möglichkeit zur Vererbung hatte zur Folge, dass der grosse Kelhof nach und nach auf mehrere Nachkommen verteilt wurde, während der „Cellarius“ im Frühmittelalter als Beamter den gesamten Hof für das Kloster mit Knechten und Mägden als einheitlichen Betrieb geführt hatte.
Bei der Erneuerung des Lehenvertrags im Jahre 1574 bewirtschafteten folgende Leute der Keller-Sippe je einen Teil des Lehenhofes: die beiden Brüder Heinrich und Hans Keller, ein weiterer Heinrich Keller (= Sohn
des verstorbenen Felix Keller), dann Ulrich, Andreas und Konrad Keller (die als „Verwandte“ bezeichnet werden), zudem Hans Keller (als Vormund der Kinder des kürzlich verstorbenen Jörg Keller). Insgesamt war also
der Kelhof zur Zeit in sieben Teile gegliedert, vielleicht sogar in acht, da der letztgenannte Hans Keller wahrscheinlich nicht nur Vormund war, sondern selber auch einen Teil bebaute, während das Grundstück der bevormundeten Kinder des Jörg Keller eine eigenständige Bewirtschaftungseinheit blieb. Indirekt zeigt dieser
Lehenvertrag auch, dass die Keller-Nachkommenschaft in Volken recht breit war. Gültenbriefe der KellerSippe in Volken deuten daraufhin, dass in Volken auch Familien-Angehörige wohnten, die am Kelhof nicht
beteiligt waren. Man darf sogar vermuten, dass im Laufe der Jahrhunderte einzelne Teile des Erblehens auch
an Kellerzweige vererbt oder verkauft wurden, die sich früher ausserhalb von Volken niedergelassen hatten.
Die Zersplitterung des klösterlichen Grundbesitzes unter zahlreiche Lehenbauern bildete ein Gefahr für den
Weiterbestand des Kelhofes. Darum stellte das Kloster St. Katharinenthal im Lehenvertrag eindeutig fest, dass
die Keller-Sippe das Lehengut auf höchstens acht Pächter aufteilen dürfe und dies nur mit Wissen und Genehmigung des Klosters, wie es diesmal aus Wohlwollen und auf wiederholte Bitten geschehen sei. Als Eigentümer des Kelhofes war das Kloster bestrebt, die verschiedenen Teile wieder fester miteinander zu verbinden.
Es verlangte darum, dass bei Tod oder Wegzug eines Pächters dessen Lehen zu allererst dem Kloster angeboten werden müsse. Zudem waren die verschiedenen Bewirtschafter der Kelhofteile verpflichtet, einen Obmann
zu wählen („einen rechtschaffenen und vermöglichen Mann aus ihren Reihen zu ihrem Lehenträger oder Bürgen ernennen“). Dieser war für den gesamten Kelhof dem Kloster verantwortlich und musste jeden Herbst den
Lehenzins gesamthaft dem Kloster abliefern. Der Lehenzins bestand noch grösstenteils aus Naturalabgaben,
wobei das Quantum immer gleich gross blieb, unabhängig von der jährlich unterschiedlichen Ernte.
18
Lehenvertrag vom 30. März 1574 des Klosters St. Katharinental mit den Keller
Reversurkunde der Keller in Volken, ausgestellt vom Obervogt in Andelfingen 1574: die am Kelhof in Volken
beteiligten Lehenträger aus der Keller-Sippe bestätigen den erhaltenen Lehenbrief des Klosters Katharinenthal
StATG 7’44’36
19
Ein Gültenbrief gibt Einblick in das Leben in Volken um 1575
Aus dem Jahre 1575 ist ein Schuldbrief der Familie Keller erhalten geblieben. Er berichtet von einem Hypothekarvertrag über 600 Gulden zwischen dem Geldgeber Alexander Hönysen in Alten und fünf Männern der
Keller-Sippe in Volken, die das Geld als Hypothek auf ihre Anteile am Kelhof aufnehmen. Der Rechtsakt wird
wie üblich vor der Verwaltung der zuständigen Herrschaft Andelfingen gefertigt, vor dem so genannten Gericht; es besteht in administrativen zivilen Angelegenheiten aus dem Untervogt und einigen Richtern. Dabei
werden die beiden Parteien von gewählten Fürsprechern vertreten. Die Urkunde besitzt staatliche Rechtskraft,
denn der Untervogt legitimiert den Vertrag im Namen des zürcherischen Obervogts, Hans Heinrich Holzhalb,
und des Rats der Stadt Zürich; zusätzlich bekräftigt er das ausgestellte Dokument mit dem Siegel des Obervogts. Interessant ist, dass die Keller als Geldnehmer „zur grösseren Sicherheit“ auch den vornehmen Gerichtsherrn zu Flaach, Heinrich Peyer, bitten, den Vertrag ebenfalls mit seinem Siegel zu bezeugen. Dieser
Junker Heinrich Peyer war damals Besitzer der Gerichtsherrschaft Flaach-Volken und vertrat die niedere Gerichtsbarkeit über Grundbesitz und Lehenleute in Flaach-Volken. So hängt neben dem Siegel des zürcherischen Obervogts Holzhalb auch das Siegel des Gerichtsherrn Peyer – ein sichtbares Neben- und Miteinander
der grundherrlichen Vogtei und der obrigkeitlichen Landesherrschaft.
In Bezug auf Volken und die Keller-Sippe stellt sich die Frage, welche Familienmitglieder diese Hypothek
aufgenommen haben und aus welchen Gründen dies geschah. Als Geldempfänger nennt die Urkunde die drei
Brüder Hartmann, Christian und Hans Jaggli Keller. Bei der Verlehnung des Kehlhofes im Jahre 1574, also
nur ein Jahr zuvor, wurden diese drei Männer noch nicht genannt. Waren vielleicht Hartmann, Christian und
Hans Jaggli Keller die Söhne des verstorbenen Jörg Keller? Hatten sie in der Zwischenzeit ihr Erbe angetreten
und brauchten sie jetzt Geld zur Auslösung ihres Besitzes von den Ansprüchen anderer Erben? Der Gültenbrief von 1575 gibt dazu keine genaueren Informationen. Die drei Brüder erhalten die 600 Gulden vom Geschäftsmann Alexander Hönysen in Alten als Hypothek zu 5 Prozent und bezahlen deshalb jährlich an St. Verenentag einen Zins von 30 Gulden. Nach sechs Jahren wollen sie das entlehnte Geld wieder zurückerstatten.
Der Geldgeber verlangte für seine 600 Gulden eine Sicherheit, ein Pfand. Deshalb wurden die drei Hauptschuldner unterstützt von zwei weiteren Vertretern der Keller-Sippe, nämlich durch die Gebrüder Heinrich und
Hans Keller, die als „Mitgülten“ oder Bürgen für die jährliche Zinsleistung und Rückzahlung der Hypothek
nach sechs Jahren mithafteten. Diese beiden Brüder dürften jene zwei Männer gewesen sein, die im Lehenvertrag von 1774 als Mitinhaber des Kelhofes an vorderster Stelle genannt werden.
Als weitere Sicherheit setzten die drei Schuldner nach damaliger Gewohnheit ihren ganzen Grundbesitz als
Pfand ein – sowohl ihren Anteil am Kelhof, dem gemeinsamen Erblehen, wie auch ihren eigenen Grundbesitz.
Bei der Aufzählung dieser Pfandgüter werden auch die Lehenzinse für ihre Anteile am Kelhof genannt. Vergleicht man diesen Zins mit früheren Lehenverträgen des Kelhofes, zeigt es sich, dass nur ein Teil dieses klösterlichen Grundbesitzes in den Händen der drei Schuldner lag. Es müssen also 1575 noch andere – ungenannte
– Keller als Inhaber des Kelhofes in Volken gewohnt und gewirtschaftet haben. Die Keller-Sippe in Volken
dürfte also mindestens aus sechs bis acht Familien bestanden haben, wie dies auch der Lehenbrief von 1574
darlegt.
Aus der Pfandbeschreibung im Gültenbrief 1575 lässt sich auch die Ausdehnung und Bedeutung des Kelhofes
erahnen. Obwohl gemäss Lehenzinsangaben nur etwa die Hälfte des Kelhofes als Grundpfand in dieser Urkunde beschrieben wird, weist schon dieser halbe Kelhof erstaunliche Ausmasse auf: 2 Häuser, l Scheune, l
Baumgarten, l Krautgarten, 40 Jucharten Ackerland, 4 Mannmad und 3 Jucharten Wiese sowie 3 Jucharten
Wald. Als privates Eigentum der Geldnehmer nennt die Urkunde zusätzlich: 9 Ackerparzellen mit insgesamt
10 Jucharten, 5 Mannmad Wiesland, 6 Jucharten Wald und l Juchart Reben.
In der heutigen Zeit ungewohnt, aber in spätmittelalterlichen Gültenbriefen üblich, fordert die wortmächtige
Absicherung, dass die Schuldner gar kein Recht haben, sich gegen die eingegangene Pflicht zur Verzinsung
und Rückzahlung zu wehren. Weder rechtliche noch wirtschaftliche Gründe, weder politische Zwänge noch
Unwetter oder gesundheitliche Schäden, weder Teuerung noch Krieg und Hungersnot können sie vor dem
Zugriff des Geldgebers schützen. Diese aufwändige Absicherungsformel dürfte wegen der spätmittelalterlichen Rechtsunsicherheit notwendig gewesen sein.
20
In altertümlicher Gewohnheit und Formelhaftigkeit erscheint auch das Vorgehen gegen säumige Schuldner:
Wenn Zinsen ausstehen oder wenn das Kapital nicht rechtzeitig zurückerstattet wird, muss der Gläubiger
die Schuldner vorerst mahnen. Dies kann durch einen Boten oder einen Brief oder mündlich durch Alexander Hönysen selbst geschehen. Danach müssen die Schuldner innert acht Tagen in aller Öffentlichkeit in
einem Wirtshaus zu Andelfingen ihre Schuld begleichen. Andernfalls kann der Gläubiger über das Pfand so
weit verfügen, bis sein Guthaben bezahlt ist.
Die Urkunde gibt auch Informationen zum bäuerlichen Leben in der Dorfgemeinde Volken. Deutlich sichtbar wird die mittelalterliche Drei-Zelgen-Wirtschaft. Die Keller nutzen in jeder der drei Zelgen je ein grosses Ackerfeld (von 12, 13 und 15 Jucharten). Ursprünglich gehörten die drei Zelgen der ganzen Dorfgemeinde und wurden nach einer bestimmen Anzahl von Jahren den Bauern der Dorfschaft parzellenweise
neu zugeteilt. Zur Zeit dieses Gültenbriefs scheinen aber die Felder bereits in festem Besitz der Bauern zu
sein. So steht auch der Allmeindwald mindestens zum Teil in Privatbesitz; die Keller nutzen darin ein Gehölz von 3 Jucharten. Erstaunlich ist aber, dass sie nebst diesen Anteilen an der Gemeindeflur auch über
einen stark parzellierten eigenen Grundbesitz verfügen. Darunter finden sich auch 6 Jucharten Wald und
zwei Weinberge. Nebst der gemischten Produktion für die Selbstversorgung des grossen Haushalts (Kornund Haberfelder, Vieh- und Hühnerhaltung, Gemüse-, Obst- und Weingärten, Wald) nimmt der Ackerbau
eine Vorrangstellung ein; das überschüssige Getreide wird auf den Markt gebracht und versorgt die Bauern
mit barem Geld.
Die „Kanzley Andelfingen“ vermerkte am 22. Juni 1730 auf der Urkunde, die durch sie begründete und besicherte Schuld sei jetzt zurückbezahlt worden. Mithin diente sie 155 Jahre lang als Sicherheit für Kredite,
nicht nur 6 Jahre, wie es im Originaltext der Urkunde stipuliert wurde.
Die Urkunde liegt im Gemeindearchiv von Volken unter der Signatur I A 7.
21
Das Heimwesen der Witwe Anna Keller in Volken 1602
Die Urkunde hält einen Hypothekarvertrag fest, ähnlich der Urkunde von 1575. Hans Keller und Witwe
Anna Keller, wohnhaft in Volken, entlehnen gemeinsam je 100 Gulden, die sie für ihren Landwirtschaftsbetrieb brauchen. Der Text nennt den genauen Grund nicht. Die Bemerkung, man habe das Geld zum „guten Nutzen“ verwendet, um weiterem „Schaden vorzukommen“, lässt vermuten, dass besondere Aufwendungen den Hof aus dem Gleichgewicht gebracht haben. Es macht den Anschein, dass Hans Keller und die
Witwe Anna Keller den Betrieb gemeinsam führen. Ist vielleicht Hans Keller der Sohn der Witwe und haben die beiden nach dem Tod des Vaters den Hof übernommen und eventuell andere Miterben ausbezahlt?
Ähnliche Gründe könnten schon die frühere Generation um 1575 zur Geldaufnahme gedrängt haben.
Der Geldgeber ist Ulrich Hettlinger, ein Bürger der Stadt Winterthur, der als Stadtrat aus angesehenem und
auch wohlhabendem Kreis stammt. Mehr lässt die Urkunde nicht verlauten. Das HBLS (HistorischBiographisches Lexikon der Schweiz) führt Ulrich Hettlinger (+1638) als Schultheiss (1618-1634) von
Winterthur auf.
Interessant ist, dass der Text in der Ich-Form der beiden Gläubiger aufgesetzt ist. Sie lassen die Urkunde
ausstellen. Das deutet auf eine gehobene Stellung hin, was durch die Grösse des Bauernhofs erhärtet wird.
Die Fertigung des Vertrags geschah in gleicher Weise wie 1575, also vor dem Vogteiamt Andelfingen, mit
dem herrschaftlichen Schreiber und dem Siegel des zürcherischen Landvogts, diesmal von Jakob von
Schanis, der von 1562 bis 1611 lebte. Wiederum fällt auf, dass die Sicherung des entlehnten Geldes sowie
der Zinsleistung mit vielen Worten, beinahe im beschwörenden Ton, festgelegt wird. Da gibt es kein Entrinnen, keine Ausrede. Weder Krankheit noch kriegerische Ereignisse, weder Missernte noch Gerichtsentscheide können das Abgemachte schwächen. Die Gläubiger haften für Kapital und Zins mit all ihrem liegenden und fahrenden Gut.
Der Quellenwert dieser Urkunde liegt vor allem in der Beschreibung des gemeinsamen Hofes von Hans
und Anna Keller, den die beiden als Versicherungspfand einsetzen. Grund und Boden scheinen aber unter
den beiden aufgeteilt zu sein, denn die Parzellen der beiden Eigentümer werden gesondert aufgelistet. Haus
und Hofgebäude dürften wohl von beiden gemeinsam genutzt werden, denn sie werden ganz am Schluss
des Güterverzeichnisses aufgeführt. Es fällt auf, dass der Landwirtschaftsbetrieb relativ gross und bis zu
diesem Zeitpunkt noch nicht verschuldet ist. Die starke Parzellierung (insgesamt 35 Stück) weist wiederum
auf die mittelalterliche Allmeindgenossenschaft hin, in der das Land in den verschiedenen Lagen und in
unterschiedlichen Nutzungsbereichen an die einzelnen Genossenhöfe aufgeteilt wurde. Die zahlreichen
Flur- und Personennamen machen die Urkunde zum wertvollen Dokument der mittelalterlichen Landwirtschaft und der Familienforschung.
Die Bezeichnung „Kelhof“ fehlt in dieser Urkunde. Die Güter von Hans Keller und der Witwe Keller gehörten nicht zum Grundbesitz des Klosters St. Katharinenthal, sondern standen anscheinend grundherrlich
in Abhängigkeit von Winterthur und Zürich. Denn die Urkunde hält fest, dass Hans Keller jährlich einen
Grundzins von 3 Mütt Kernen, ½ Mütt Haber und l ½ Gulden nach Winterthur zu bezahlen habe, zusätzlich
noch 3 Gulden nach Zürich. Auch die Witwe Keller schuldete ihren Grundzins nach Winterthur, nämlich 3
Mütt Kernen, l Mütt Haber und 6 ½ Gulden. Noch mehr weitet sich das Bild des damaligen Dorfes Volken,
wenn man den Güterbeschrieb von Hans und Witwe Keller betrachtet. Da werden insgesamt 20 Anstösser
genannt, die in Volken wohnten und Grundbesitz bebauten. Davon gehörten nur drei Personen der KellerSippe an, alle andern tragen einen andern Familiennamen.
22
Hypothekar- (Gült-)vertrag für Witwe Anna und Hans Keller in Volken
mit Stadtrat Ulrich Hettlinger in Winterthur, 1602
Urkunde liegt im Gemeindearchiv von Volken, Signatur I A 11
23
Güter und Flurnamen im Gültenbrief 1602
Hans Keller
Anna Keller
Ackerland:
2 Jucharten im „Krützenacher“
½ J im „Zwyacher“
1 J. „zwyschent den greben“
½ J. „zwüschent den greben“
½ J. im„Loole“
9 Vierling im „Roßberg’
2 ½ Vierling in der „Kimhalden“
2 ½ Vierling im „Frowenächerlin“
2 ½ J. im „Ebnedacher“
3 Vierling in der „Breiten“
2 ½ J. im „Rok“
½ J. im „Zwinckel“
Ackerland:
5 Vierling im „Bildacher“
9 Vierling an „Dachlißhalden“
5 Vierling auf der „Lachen“
3 J im „Firstacher“
2 ½ J. im„Kettacber“
l J. im „Langacher“
2 J. im „Krumb“
2 ½ J. im „Seewadel“
Wiesen
2 ½ Vierling in „Trogen wysen“
1 Vierling in „Grubwysen“ ,
l Mad im „Lotzenbach“
Wiesen:
1 Mannmad in der „ Weid“
½ Mannmad in der „Nüwyß“
1 Vierling in „Trogen wys
Reben:
½ J. im „Ebned“
½ J. im „Lotzenbach“ .
½ J. auf „Morenberg“
Reben:
½ J. in der „Halden“
1 Vierling am „Trüllinger“
Wald:
2 J. im „Bardiser holtz“
Wald:
2 J. am „Kirchweg“
Besitz von Hans Keller
Acker: 27 ½ Jucharten
Wiesen: 4 ½ Jucharten
Reben: l ½ Jucharten
Besitz der Witwe Keller
Acker: 15 ¾ Jucharten
Wiesen: l ¾ Jucharten
Reben:
¾ Jucharten
Gemeinsamer Besitz (?) im Dorf Volken:
Haus und Hof, Baum- und Krautgarten
und ½ J. Reben beim Haus
Weitere Flurnamen (Anstösser)
„Saallenweg“
„Müllibach“
Flächenmasse (Kanton Zürich)
Juchart = 4 Vierling
Juchart (Acker) = 32,7 Aren
Juchart (Reben) = 25,4 Aren
Juchart (Wald) = 36,3 Aren
1 Mannmad = l Mad = 4 Vierling
I Mannmad (Wiese) = 29,1 Aren
24
Schuldspruch-Urkunde der Gebrüder Keller vom 4. Oktober 1608
Die Urkunde hält einen Streit innerhalb der Dorfgemeinschaft Volken fest, der für mittelalterliche Genossengemeinden typisch und aufschlussreich ist. Es ging darin um das Wegrecht der Schweineherde der Dorfbauern, gegen das sich die beiden Nachbarn Hans und Jörg Keller vergeblich zur Wehr setzten. Der Streit wurde
schliesslich durch ein Schiedsurteil des Vogts der zürcherischen Herrschaft Andelfingen, Hans Peter Wolf,
geschlichtet, der den Schiedsspruch in der Form einer Urkunde für alle Zeiten festhielt. Der Inhalt bringt also
für die Dorf- und Allmeindgeschichte von Volken interessante Details.
Zu dieser Zeit bildete das Dorf Volken noch eine gut funktionierende Genossengemeinde, die über gemeinsames Land (= „Allmeind“) verfügte. Dieses Land wurde als Acker, Weide und Wald gemeinsam genutzt. Die
Bauern im Dorf besassen zwar je einen eigenen Hof, aber sie hatten zusätzlich Anrecht an der Nutzung des
Allmeindlandes, das ausserhalb des Dorfbezirkes lag. Die Versammlung der Dorfgenossen beschloss jeweils
demokratisch, wie dieses Land verteilt und genutzt werden durfte. Die Bauern konnten einen bestimmten Teil
ihres Viehs auf die gemeinsame Weide treiben und erhielten aus dem Gemeinwald ihren Holzteil. Etwas komplizierter war die Nutzung der Ackerfelder. Vorsteher der Gemeinde teilten das gemeinsame Ackerland
(= „Zelg“) in Parzellen ein und übergaben den Genossen je eine Parzelle auf eine bestimmte Anzahl von Jahren zur privaten Nutzung. Manche Gemeinden besassen zwei oder drei grosse Zelgen, so dass die einzelnen
Bauern in jeder dieser Zelgen je einen Acker nutzen konnten. Im Jahre 1608 lag eine solche gemeinsame Zelg
zu beiden Seiten der Landstrasse, welche zum „Kurtzen Mülliberg“ führte. Sämtliche Hofbesitzer im Dorf
nutzten je eine Parzelle in diesem Ackerfeld, auch Hans und Jörg Keller.
Im „Kurtzen Mülliberg“ gab es damals aber noch einen Eichen- und Buchenwald, der zur Schweinemast genutzt wurde (Eicheln und Buchennüsse). Damals war es üblich, dass jeder Bauer im Dorf ein oder mehrere
Hausschweine hielt, die gemästet und im Herbst geschlachtet wurden. Jeder Bauer konnte nun sein Hausschwein (oder mehrere?) zu einer bestimmten Zeit im Sommerhalbjahr in diesem Wald weiden lassen. Die
Hofbesitzer im Dorf stellten einen Hirten an, welcher jeweils am Morgen die Schweine bei den Häusern abholte und gemeinsam auf die Weide führte (= „trib jrer schwyn hërd“) und am Abend wieder ins Dorf brachte.
Der Hirt wanderte also mit den Schweinen auf der „fryggen“ (= freien) Landstrasse hinaus, an der Zelg vorbei
und am Abend kehrte er mit seiner Herde auf dem gleichen Weg zurück. Anscheinend war es nicht leicht, die
Schweine brav beieinander zu halten. Die Ackerparzellen lockten mit saftigem Getreide, mit Rüben und Gemüse. Darum wehrten sich die beiden Keller gegen den aufkommenden Schaden (= „wurde jr saammen von
den schwynen übel zertretten unnd gschëndt, allso das sy jres fëlts nit nach notturfft geniessen möchten“). Sie
verboten dem Schweinehirten kurzerhand, seine Herde auf der Landstrasse mitten durch die Ackerzelg zu
führen, und verlangten, dass er mit den Säuen über die Wiese einen weniger schädlichen Weg suche.
Da waren aber die andern Dorfbauern nicht einverstanden, da sie ihre Wiesen schützen wollten, „dann mengklichem bewüst, was schadens die schwyn in den wisen thügind“. In der Gemeindeversammlung beschloss die
Mehrheit, dass der Schweinehirt wie seit altersher seine Herde über die Landstrasse zur Weide führe. Da die
beiden Keller nicht nachgaben, musste der Streit (= „spann unnd miβhellung“) von der Obrigkeit geschlichtet
werden. Vor dem Landvogt traten die Abgeordneten der Gemeinde auf und klagten gegen Hans und Jörg Keller.
Die beiden Parteien wurden sich aber einig, dass der Streit nicht in einem Prozess vor dem Gericht, sondern
gütlich durch einen Schiedsspruch behoben werden sollte, um grössere Unkosten zu vermeiden. So kam der
Landvogt nach Volken, nahm Augenschein, hörte sich die beiden Parteien an und entschied, dass der Auftrieb
der Schweine wie früher über die Landstrasse geschehen soll. Der Schiedsspruch weist aber auch darauf hin,
dass die Bauern ihre Felder durch Zäune oder Grünhäge zu schützen hatten. Dies tat die Mehrheit der Bauern
in Volken, darum wehrten sie sich nicht gegen den Schweinetrieb auf der Landstrasse, die an ihren mit Zäunen
geschützten Äckern vorbei führte. Der Landvogt verlangte, dass auch Hans und Jörg Keller zum Schutz ihrer
Ackerparzellen an der Landstrasse eine Dornenhecke oder einen andern Zaun erstellen sollten, um den
Schweinen den Zugang zu verwehren („mögind sy jre acher unnd vëld mit dornnen ald sonst der straβ nach
wie andere mehr vermachen“).
25
Schuldspruch-Urkunde der Gebrüder Keller vom 4. Oktober 1608
Die Urkunde liegt im Gemeinde-Archiv von Volken unter der Signatur I A 12.
Halbwilde Hausschweine
26
Wie die Volkemer die Zahlung der Grundzinsen zu vermeiden suchten
Schon früh, sicher aber ab dem 16. Jahrhundert, fühlten sich die „Erblehenbauern“ immer mehr als effektive
Besitzer der von ihnen bewirtschafteten Höfe. Sie hatten das Recht, ihren Hof zu verkaufen, zur Sicherung von
Krediten zu belasten und ihn zu vererben. Formal musste allerdings der Grundherr, beim Kelhof in Volken
war die Priorin des Klosters St. Katharinental Grundherrin, ihre Zustimmung geben. Diese wurde von der Person des neuen Erblehenbauers abhängig gemacht.
Wie die früheren Urkunden zeigen, war der Kelhof zu Volken sehr gross und bot einer wachsenden Anzahl
von Familien ein Auskommen. Somit war es nur logisch, dass über die Jahrhunderte eine Aufsplitterung des
Besitzes stattfand. Schon in der Urkunde von 1574 äusserte St. Katharinental die Sorge, dass der Kelhof auf zu
viele Pächter aufgeteilt würde und schränkte deshalb deren Anzahl auf höchstens 8 ein.
Mit fortschreitender Parzellierung wuchs die Unübersichtlichkeit. Schon 1675 manifestierte sich unter den
Bauern die Tendenz, sich der Zinsen zu entziehen. Im erneuerten Urbar des Klosters Rheinau von 1675 z.B.
(als Urbar werden Güter- und Einkünfteverzeichnisse bezeichnet, die der Wirtschaftsführung, der Verwaltung,
der Rechts- und der Besitzstandssicherung der Grundherrschaft dienten)30 steht, dass die Grundstücke ohne
Vorwissen Rheinaus zerstückelt worden seien, indem man hoffte, so allmählich den Zins zu hinterziehen. Der
Grundzins wurde nur noch als Steuer empfunden, und so kommt es, dass die Volkemer Bauern sich oft weigerten, ihn zu bezahlen. 31.
Auch die Verantwortlichen von Katharinental erkannten, dass wegen der Aufsplitterung des Grundbesitzes
und Schlamperei bei der Führung des Urbars eine korrekte Kontrolle des Grundzinses fast unmöglich geworden war. Ihr Urbar war liederlich oder gar falsch nachgeführt worden und musste von Grund auf ersetzt werden. Im „Ersatzurbar und Traglibell für den Grundzins des Klosters St. Katharinental ab 1756-1851“32 wird
denn auch beklagt, dass seit 1756 wegen „Verteilungen, Erbfall, das Kaufen und Verkaufen“, hauptsächlich
aber „sonderheitlich durch das liederliche und saumselige Betragen des Heinrich Gysslers Urbar und Lagerbrief überall und gänzlich in eine solche Confusion gebracht“ wurden, dass man den Grundzins nicht mehr
mit der erforderlichen Sorgfalt einziehen und kontrollieren konnte.
Dies löste bei der Priorin von St. Katharinental als Grundherrin und ihren Verwaltern den Entschluss aus, das
aufgetretene Problem nachhaltig zu bereinigen. An hand noch vorhandener Zinsenbelege und alter Urbarien
wurde 1773 ein neuer Urbar mit detaillierten Aufzeichnungen ab 1756 rekonstruiert. Für das Jahr 1756 wurden
nicht weniger als 80 grundzinspflichtige Familien aufgeführt, wovon nur noch 20 den Namen Keller trugen.
Das zeigt sehr deutlich, wie nachhaltig sich die Besitzes- und damit Abgabe-Verhältnisse in den 462 Jahren
Grundherrschaft des Klosters St. Katharinental geändert hatten. Die Einschränkung der Erblehenträger des
Kelhofes auf acht Familien war endgültig Makulatur geworden. Der nun seriös bereinigte Urbar wurde bis
zum Loskauf des Grundzinses 1847 - 1851 fortgeführt. Zur Dokumentation der Wichtigkeit und zur Sicherung
der Rechtsgültigkeit wurde der Ersatz-Urbar „mit obrigkeitlicher Bewilligung durch die Kanzley Andelfingen
im Beysein des Lehensvogtes“ genehmigt. Damit war eine seriöse Grundlage für die Zinszahlungen auf dem
St. Katharinental’schen Grundbesitz geschaffen.
Weiter wurde bestätigt, dass ein vertrauenswürdiger Mann als „Trager“ bestimmt werden müsse, der die Aufgabe hatte, diese Abgaben einzuziehen und sie gesamthaft dem Kloster abzuliefern. Es ist aufgrund der vorhandenen Urkunden anzunehmen, dass allgemein schon vor im 16. und 17. Jahrhundert die sogenannte „Tragerei“ eingeführt wurde. Normalerweise wurde der Besitzer des Kernstücks des alten Hofes zum Trager bestimmt, der gegen eine bescheidene Entlöhnung von allen Parzellen des ehemaligen Hofes die entsprechenden
Zinsanteile einsammeln und abliefern musste.33
Als Konsequenz, und damit ein ähnliches Risiko nicht noch einmal eintreten könne, fällten jetzt die Verantwortlichen des Klosters St. Katharinental einen Grundsatz-Entscheid, der in der nachfolgenden Urkunde auf
Seiten 29ff wiedergegeben ist.
30
Historisches Lexikon www.hls-dhs-dss.ch/index.php
Paul Kläui: Gerichtsherrschaft Flaach-Volken, Seite 40
32
Signatur IV A 1 im Gemeindearchiv Volken
33
Historisches Lexikon der Schweiz, Andreas Ineichen: http://www.hls-dhs-dss.ch/index.php
31
27
Der Kelhof in Volken als Erblehen der Gemeinde 1775
Aus dem Jahre 1775 stammt ein weiterer Lehenbrief für den Kelhof in Volken. Besitzerin ist immer noch das
Kloster St. Katharinenthal in Diessenhofen. 462 Jahre war es nun Eigentümerin dieses grossen Gutshofes, und
immer noch wurde der Hof in ähnlicher Weise verlehnt wie im Mittelalter. Äbtissin und Schwesternkonvent
beurkunden den Lehenvertrag in althergebrachter Form und in traditionellem Wortlaut. Anderseits bezahlen
die Lehenbauern immer noch den gleichen Naturalzins, in gleicher währschafter Qualität, gemessen nach Winterthurer Mass, nämlich 22 Mütt Kernen, 4 Malter und 3 Mütt Haber, 3 Pfund Heugeld, 3 Fasnachtshühner, 6
Herbsthühner, 210 Eier.
Der Hof ist immer noch ein Erblehen, und die Verlehnung erfolgt nach wie vor gemäss mittelalterlichem
Recht. In eindrücklicher Weise beherrscht der Urkundenschreiber die jahrhundertealten Formulierungen. So
lautet die Beschreibung des Kelhofs 1775: „Hof und Gut zu Volken, in der Herrschaft Andelfingen gelegen,
mit Häusern, Höfen, Hofstatten, Scheunen, Stallungen, Trotten, Kraut- und Baumgarten, Reben, Wiesen,
Hanfpünten, Äckern, Feldern, Holz, Holzboden, Holzrecht, Wunn und Weide, mit Grund, Grat, Steg, Weg,
Wasser, Wasserflüssen und Wasserleitungen, mit Zu- und Wegfahrtswegen, auch mit allen Rechten, Freiheiten
und Gerechtigkeiten, mit allem was jetzt und von Alterswegen dazugehört und dazu gehören soll, nicht mehr
und nicht weniger, nichts ausgenommen.“
Ähnlicher Weise werden auch die Bedingungen der jährlichen Zinszahlung in mittelalterlichen Ausdrücken
formuliert, ebenso die Strafandrohungen für die Lehenbauern bei allfälliger Nichteinhaltung des Vertrags. Das
Kloster will nach wie vor den Grundbesitz in Volken als einheitliches Erblehen erhalten. Wenn also ein
Lehenmann seinen Anteil abgeben möchte, dann muss er ihn zuerst dem Kloster St. Katharinen anbieten, damit dieses einen andern ehrenhaften Bauern als neuen Lehenmann wählen und das Klostergut in Volken als
Ganzes reibungslos verwalten und für die Zukunft sicher erhalten kamt.
Der Lehenvertrag von 1775 weist aber eine wichtige Änderung auf: Die Männer der Keller-Sippe werden im
Vertrag überhaupt nicht mehr als Lehenleute und Vertragspartner des Klosters genannt. Auch der „Lehenträger“, der in früheren Jahrhunderten im Namen der Lehenbauern mit dem Kloster verhandelt und den Jahreszins gesamthaft abgeliefert hatte, stammte jetzt nicht mehr aus einer Keller-Familie. An ihrer Stelle hatten
Leute aus anderen Geschlechtern Lehengüter übernommen. Deshalb schloss das Kloster den Vertrag nicht
mehr mit der Keller-Sippe ab, sondern mit der „Gemeinde Volken“. Natürlich konnten nicht alle Männer der
Gemeinde am Vertragswerk mitwirken, sondern sie delegierten zwei Amtspersonen zum Abschluss des
Lehenvertrags, nämlich den Vogt Konrad Werdtmüller und den Vorgesetzten Hans Jakob Arbenz. Diese zwei
Männer handelten als „bevollmächtigte Anwälte und Gewalthaber der Gemeinde“. Die beiden Bevollmächtigten waren nun auch gegenüber dem Kloster verantwortlich und sammelten den Lehenzins der beteiligten Bauern und lieferten ihn gesamthaft dem Kloster St. Katharinenthal ab. Die Urkunde verrät weder die Zahl noch
die Namen der eigentlichen Lehenbauern, sondern nennt sie nur „Lehenbauern und Mitinteressierte“.Wir wissen aber vom „Ersatzurbar und Traglibell“ von 1773, dass es 80 Familien waren (siehe Seite 27). Der Lehenvertrag lässt verstehen, dass es in letzter Zeit häufige Wechsel bei den Lehenbauern gab, so dass sich Probleme
für die Hofverwaltung ergaben und die Klosterfrauen den Zerfall ihrer Güter in Volken anhalten wollten. Darum habe das Kloster mit Genehmigung des Landvogts seine Güter der Gemeinde als Erblehen anvertraut,
weil im Gegensatz zu den sterblichen Lehenträgern eine Gemeinde beständiger sei und keinen Tod zu befürchten habe. Das gab den Klosterfrauen die Möglichkeit, diesen Vertrag auf die Dauer von 30 Jahren auszustellen.
Wann und wie die Keller ihre Anteile verloren, darüber schweigt diese Urkunde. Sie bezeichnet den klösterlichen Besitz in Volken auch nicht mehr als „Kelhof“ sondern nennt ihn einfach „unser Hof“ oder „Klostergüter“.
28
Erblehensbrief vom 2. Februar 1775
29
30
Deckblatt des Erblehensbriefes vom 2. Februar 1775
Urkunde im Gemeinde-Archiv von Volken unter der Signatur I B 4.
31
Der Weinbau
Volken liegt angelehnt an den Worrenberg, ein gutes Gebiet für den Rebbau. Letzterer wird im Tal von Volken erstmals im 14. Jahrhundert erwähnt, und er muss für seine Bauern schon sehr früh ein wichtiger landwirtschaftlicher Erwerbszweig gewesen sein. Seit alter Zeit schenkt man im ganzen Zürcher Weinland dem Weinbau grosse Aufmerksamkeit, da es dafür vorzüglich geeignet ist. Vermutlich geht die Kultur der Reben in ihren Anfängen ins achte Jahrhundert oder noch weiter zurück; die Einführung der Abgabe des Zehntens durch
Karl den Großen wird sich jedenfalls auch auf den Wein bezogen haben. Mit der Vermehrung der Bevölkerung nahm der Rebbau zu; die Rebe fand zwischen Thur und Rhein eine so ausgedehnte Pflege, dass dem Gebiet der schöne Name Weinland verliehen wurde.
Die im Laufe der Jahrhunderte erfolgte starke Vermehrung der Weinreben lässt die Annahme zu, dass es dem
Weinbauer an Absatz nicht fehlte und dass die Rebkultur sich lohnte. Der Verbrauch war früher, da Bier und
Most noch als seltene Getränke galten, weit grösser als in der Gegenwart; zudem litt der einheimische Wein
nicht durch ausländische Konkurrenz, indem die Einfuhr fremden Weins verboten oder nur in beschränktem
Masse gestattet war. So erließ der Rat in Zürich Ende 1562 ein Verbot des Ausschenkens von Veltliner Wein,
„wo aber einer einem guten Freund und Nachbar Veltliner schenken wolle, das soll ihm zugelassen werden“.
Die Bestrebungen, die Rebgebiete zu vergrössern, erregten im fünfzehnten Jahrhundert das Missfallen der
Obrigkeit. In den Waldmannischen Spruchbriefen von 1489 wurde indessen den Bauern das Einlegen von
Reben gestattet. Aber schon im folgenden Jahrhundert ergingen neue Verbote. Im Jahre 1572 untersagte der
Rat das Einschlagen von Reben in Gütern und Zelgen, „darauf gemeine oder besonderbare Personen mit ihrem Vieh Weidgang und Weidrecht haben“.34
Der Rebbau war für Flaach und Volken von solcher Wichtigkeit, dass er direkten Einfluss auf die Bevölkerungsbewegung hatte. 1467 gab es in Volken 11 Haushaltungen mit 55 Seelen. Im 16. Jahrhundert fällt die
erste starke Bevölkerungszunahme in die Zeit, als der Rebbau einen starken Aufschwung nahm. So sagte um
1569 Pfarrer Jud, dass die Bevölkerung seit Mannsdenken sich verdoppelt habe.35 Die Zeit zwischen 1530 und
1565 brachte gute klimatische Bedingungen. Anschliessend fielen im ganzen Weinland die Weinmosterträge
fast kontinuierlich bis zur Jahrhundertwende, vorwiegend als Folge nasser und kalter Hochsommer.36
Das Weinland war auf die Zufuhr von Dünger angewiesen, der meistens von der Viehwirtschaft stammte. Die
Erträge wurden durch die Hochsommerwitterung beeinflusst: Rekordernten bei hohen Temperaturen und guter
Wasserversorgung, Missernten bei anhaltend nasskalter Witterung37.
38
34
Emil Stauber: Geschichte der Kirchgemeinde Andelfingen, Seite 725
Paul Kläui: Die Gerichtsherrschaft Flaach-Volken, Seite 156
36
Chronik der Kantons Zürich, Bezirke Winterthur und Andelfingen, 1963
37
Christian Pfister: Klimageschichte der Schweiz von 1525 bis 1860, Seiten 132 und 134
38
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2 Seite 68
35
32
Der Anbau von Reben und der Ausschank von Wein waren während Jahrhunderten ein wichtiger Faktor für
das Einkommen der Bauern.
Die auf Seite 13 abgebildete Urkunde bezeugt einen Streit wegen der Abgaben auf den Weinausschank, was
dokumentiert, dass im Kelhof von Volken schon 1446 Wein verkauft wurde. Die übrigen im Gemeindearchiv
Volken liegenden Urkunden erwähnen nur den Besitz von Rebland durch die verschiedenen Bauern, nicht aber
den Weinausschank.
Interessant ist, dass rund 350 Jahre später in Volken nur eine Person erwähnt wird, die schon vor der Revolution von 1798 mit Bewilligung eine Weinschenke betrieb: Conrad Keller, Beck zu Volken, Unterbeck genannt.
Er erhielt von der ab 1804 langsam wieder funktionsfähigen Zürcher Regierung das Patent für den Betrieb
einer Weinschenke gratis. Der Ururgrossvater des Verfassers dieser Broschüre, Hans Conrad Keller (der erste
Gemeindeammann, auch Oberbeck genannt), war der zweite Inhaber eines Patentes zum Weinausschank. Er
erhielt es 1805 auf Grund seiner Bewerbung, musste aber für die Dauer von 10 Jahren Fr. 20.- bezahlen. Allerdings steht in den diesbezüglichen Akten, er habe sein Lokal schon während der Revolution klaglos betrieben… Es ist heute das Restaurant Post. - Auch in den folgenden Jahren, bis 1845, waren nur zwei Keller Patentinhaber. Erst 1845 kam Ulrich Schuler dazu. Details können in der Broschüre „Volken im 19. Jahrhundert,
Zukunft braucht Herkunft“ nachgelesen werden.
Riesling Traube, sie gedeiht wunderbar am Worrenberg 39
39
Aus Wikipedia: „Riesling Traube“
33
Vom 16. Jahrhundert in Volken
Albrecht Dürer: weinende Bäuerin
aus dem Gebetsbuch Kaiser Maximilians I., um 1515 40
Verkehrsverhältnisse um Volken
Die verkehrstechnische Erschliessung des Flaachtales war denkbar schlecht. Flaachemer und Volkemer verkauften auf den Märkten von Eglisau, Kaiserstuhl, Schaffhausen und Winterthur hauptsächlich Wein, mussten
aber bei allen Brücken und Stadttoren Zoll bezahlen, was immer wieder Anlass zu Streitereien gab. Die wichtigste Verbindungsstrasse für Volken war über Dorf-Hünikon nach Winterthur. Sie wird als „der beschwerliche, marastische Weg durch den Schindlenberg“ beschrieben. Flaach, Volken und Dorf halfen 1644 mit, die
Strasse instand zu setzen, nachdem sie vorher völlig verkarrt gewesen war.41
Wohnverhältnisse
Im Mittelalter lebte und schlief die Familie meist in einem engen und dunklen strohgedeckten Einfamilienhaus,
das abgesehen vom elementarsten Schutz gegen Kälte und Nässe keine Annehmlichkeiten im heutigen Sinn bot.
Erst etwa ab dem 15. Jahrhundert entstand die Unterteilung der Häuser in Küche, Wohnstube und Kammern.
Wasser wurde täglich vom Dorfbrunnen oder –Bach geholt, das Feuer in Herd und Ofen musste täglich neu
angefacht werden. Wöchentlich gab es einen Waschtag am Bach oder Dorfbrunnen, eine Tortur für die geplagte Hausfrau. In der Gegend von Volken wirkte sich der Rebbau auch auf die Art des Hausbaues aus:
Scheunen und Ställe blieben klein, natürlich mit gewissen Ausnahmen wie den Kelhof. Das Dorf war eng zusammengebaut. Erst mit dem Rückgang des Weinbaus nach 1900 und dem Aufschwung der Milchwirtschaft
wurden Ställe und Scheunen ausgebaut.42
Einschränkungen in der bäuerlichen Produktion
Folgende Vorschriften griffen in die Freiheit der bäuerlichen Produktion ein
Der Flurzwang = Verpflichtung, sich an die dörfliche Flurverfassung, die Dreizelgenwirtschaft, zu halten, d.h
die in den Zelgen jeweils vorgeschriebenen Früchte anzubauen, die Pflug-, Anbau-, Ernte- und anderen Termine einzuhalten sowie sich an den kollektiven Arbeiten, z.B. Unterhalt der Wege und des Etters [die Umzäunung des Dorfes], Auf- und Abbau der Zäune etc. zu beteiligen 43
Die Dreizelgenordnung war die örtliche Flurverfassung, bei der die gesamte Ackerflur eines Dorfes in drei
ungefähr gleich grosse Schläge [Zelgen] eingeteilt war, in denen sich im jährlichen Turnus Wintergetreide,
Sommergetreide und Brache wechselten.
Die Weiderechte: Acker- und Getreidebau waren der wichtigste Erwerbszweig, waren aber streng geregelt.
40
Katalog der Ausstellung „Der Bauernkrieg in Thüringen“, Mühlhauser Museen
P.Kläui: Gerichtsherrschaft Flaach-Volken S.15; M.Brugger: Geschichte einer kleinen Zürcher Gemeinde Volken, S.37
42
Martin Brugger: Geschichte einer kleinen Zürcher Gemeinde Volken, Seite 47
43
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 517
41
34
Erste Vorahnen der Keller-Sippe in Volken
Seit der Reformation wurden verbreitet Pfarrbücher geführt, in welchen Taufen, Besuch des kirchlichen Unterrichts, Konfirmationen, Heiraten und Todesfälle festzuhalten waren. Diese Bücher sind die Grundlagen für die
Familienforschung. Es ist eine glückliche Fügung, dass ausgerechnet von Volken, der kleinsten Gemeinde
Zürichs, einige Urkunden erhalten geblieben sind, welche Keller in Volken seit 1305 dokumentieren.
Später wurden auf Veranlassung von Antistes Johann Jakob Breitinger (1575 - 1645) Bevölkerungsverzeichnisse angelegt. Zur strafferen Erfassung der Kirchgenossen zu Stadt und Land forderte erstmals die „Ordnung
der Dieneren der Kilchen in der Statt u. uff der Landtschafft Zürich“ vom 3. Mai 1628 jeden der Zürcher Synode unterstellten Pfarrer auf, „alle Jahre und eines jeden besonder, in ein ordentliche Verzeichnuss (zu)
bringen die Namen aller Hussvätteren, Kinden und Diensten, damit er wüsse die Zahl aller vertrauwten Seelen“.44 - Nachdem bis im Frühjahr 1634 nur ganz wenige Pfarrer dem Aufruf gefolgt waren, sahen sich Bürgermeister und Rat erneut gezwungen - diesmal im Zusammenhang mit der Bekämpfung des „leichtfertigen
Fluchens, Schwörens und Gotteslästerns“ zu Stadt und Land - die saumseligen Geistlichen ernsthaft zur Ablieferung ihrer Verzeichnisse auf die Mai-Synode 1634 anzuhalten.45
Burkhart der Keller oder Kelner
Er war der erste in Urkunden aufgeführte Keller in Volken, Bewirtschafter des dortigen Kelhofes. In einer
Urkunde vom 6. Mai 1305, ausgestellt in Bülach,46 dokumentierte Freiherr Jakob von Wart den Verkauf seiner
Schuppose (kleineres Bauerngut) in Volken an die Leutpriester von Buch und Embrach. Burchart der Kelner
wird als derjenige erwähnt, der das Gut „buwet“ und Zins zahlt. Im selben Urkundenbuch47 wird eine Urkunde
beschrieben, in welcher Burkhart von Eschlikon (eben der Besitzer des Kelhofes von Volken) mit den Pfründern von Heiligenberg bei Winterthur Güter in Volken tauschte. Die Urkunde datiert vom 9. Februar 1313,
ausgestellt in Volken. Das aussergewöhnliche an dieser Urkunde ist die Tatsache, dass in dieser Urkunde nicht
wie in allen andern nur Edelleute, sondern Burchart der Keller von Volken, zusammen mit Bauern anderer
Dörfer, als Zeugen erwähnt werden.
Das zeigt deutlich, dass Burkhart der Keller von Volken ein angesehener und vertrauenswürdiger Mann gewesen sein musste, der zusätzlich zum grossen Kelhof auch mehrere andere Bauerngüter verwaltete.
Cunrat der Keller
Ein Cunrat der Keller zu Volken wird bezeugt in den „Urbaren und Rödel der Stadt und Landschaft Zürich
bis 1336“. Am 31. Mai 1332 liess Kaplan Heinrich ein Verzeichnis der Zinseinkünfte des KlarissinnenKlosters Paradies erstellen. Darin wird ein Gut „ze Volchikon“ erwähnt „dis buwet Cunrat der Keller“. Festgehalten wird allerdings, dass diese letzte Bemerkung als Nachtrag von einer anderen Hand angefügt wurde.
Daraus kann geschlossen werden, dass nach dem 31. Mai 1332, zu einer nicht mehr feststellbaren Zeit, ein
Konrad der Keller dieses Gut bewirtschaftete. Es darf angenommen werden, dass Cunrat der Keller zu Volken
der erste dokumentierte Keller in Volken mit dem Vornamen Konrad ist (dem noch sehr viele gleichen Namens folgen sollten…), dass er ebenfalls den Kelhof „buwet“, d.h. bewirtschaftete und dass er ein Sohn des
Burkhart der Kellers sein könnte.
Hensly Keller
Hensly Keller ist wahrscheinlich der „Keller“, der im Streit mit Junker Ulrich III von Gachnang erwähnt wird
(siehe Seiten 12 und 13). In den Steuerbüchern von Stadt und Landschaft Zürich wird er als grösster Steuerzahler 1450 von Flaach und Volken aufgeführt; ebenfalls wird er in den Jahren 1467 – 1470 erwähnt. Die Urkunde von 1459 berichtet vom Tausch der Zugehörigkeit seiner Frau vom Kloster Töss nach Zürich.
44
StAZH Mandsate III AA b 1 Seite 503
StAZH E II 2 Seite 75, 2. Abschnitt = Zitat aus StAZH E II 700 Seite 2
46
StAZH Urkundenbuch Band 8, Seite 67
47
StAZH Urkundenbuch Band 9, Seite 66
45
35
Auszug aus den noch vorhandenen Pfarrbüchern der Pfarrei Andelfingen
Liste der Taufen in Volken, Familienname Keller
SignaturStAZH
EIII 8.1 S.53
EIII 8.1. S12
EIII
8.2.
S.159
do
Datum
1537
19.Okt.1542
24. Jan 1542
Kind-Name
Ursula
Anali
Christen
Vater
Antoni
Kleinhensli
Hans
10. Juli 1542
Felix
Thomann
do
24. Sept.1542
Fronick
Hans
EIII 8.2 S.145
do
EIII 8.2 S.146
11. Juni 1565
7. Okt 1565
9. Febr. 1567
15. Mai 1567
25.Jan 1568
19.
April
1568
8. Aug 1568
9. Aug.1568
8. Mai 1569
7. Aug 1569
Verena
Joseph
Junghans
Heini
Madlen
Adelheid
Christen
Felix
Junghans
Felix
Christen
Felix
Regula Mag
Fronali Fritschi
Margrit ?
Margret Kramer
Regula Mag
Margret Kramer
Hans
Heini
Jakob
Elsy
Ulrich
Hans Jakob
Heinrich
Felix
Anna Saler
Dorothe Gisler
Aglin Bury
Margret Kramer
30. Okt. 1569
20.
Aug.
1570
31.
Aug.
1570
25. Nov 1570
28. Jan 1571
1. April 1571
Elsy
Heinrich
Christen
Christen
Adelheit Mag
Barbel Saler
Hans Heinrich
Anna
Agnes
Andreas
Hans Jakob
Dorothe Gisler
Felix
Christen
Heinrich
MargretKramer
Regula Koster
Aglin Bury
5.Aug. 1571
27. Nov 1571
17.
Febr.
1572
9. März 1572
2. Juni 1572
Elsy
Felix
Agnes
Andreas
Christen
Heinrich
Verena Bucher
Barbel Saler
Aglin Bury
Verena
Verena
Felix
Hans Jakob
MargretKramer
Dorothe Gisler
Joseph
Georg
Agnes
Hans Kunrad
Felix
Peter
Felix
Andreas
Ulrich
Georg
Christen
Christen
Anna Saler
Trina Pur
Regula Mag
Barbara Saler
do
do
do
do
8. Juni 1572
9. Sept 1572
2. Nov. 1572
23.
Nov.
1572
1. Febr.1573
5. April 1573
23.Aug. 1573
11. Okt. 1573
Heini
Andreas
Felix
Hans Jacob
Margret Saler
Verena Bürgin
MargretKramer
Dorothe Gisler
do S. 150
do
26. Jan.1574
1. Aug. 1574
Heinrich
Heiny
Agnes Bury
Margret Saler
do
16. Jan. 1575
Christen
Barbel Saler
do
6. März 1575
Dorothea
Hans
Cünradt
Hans
Cünradt
Rosa
Heinrich
Agly Bury
do
do
28. Aug 1575
25.Sept.1575
Ulrich
Hans
Cünrad
Ulrich
Heiny
Anna Saler
Margret Saler
do
do
EIII.8.2S. 147
do
do
do
do
do
EIII 8.2 S.148
do
do
do
do
o
EIII8.2.S. 149
do
do
do
do
do
Mutter
Pate
Cunrat Saler
Christe Bury
Christen Bury
Kleinfelix
Ritzmann
Hans Saler
36
Joseph Gysler
Joseph Gisler
Georg Bury
Heini Frei
Heinrich Bury
Hans
Ritzmann
Andreas Bury
Heini Bury
Jakob Christen
Ulrich
Schmidlin
Hans Bender
Hans Schmidlin
Hans
Ritzmann
Felix Bury
Joseph Gisler
Andreas
Ritzmann
Georg Bury
Felix Bury
Georg Ritzmann
Heinrich Saler
Hans Werthmüller
Joseph Gisler
Georg Bury
Hans Saler
Hans Benker
Felix Bury
Heinrich Bury
Felix Bury
Andreas
Ritzmann
HansRitzmann
Hans Conrad
Ritzmann
Rüdly
Schweizer
Mathias Bollinger
Joseph Gisler
Hans Cünradt
Ritzmann
Patin
Ursel Gyssler
Andli Saler
Dorothe Ritzmann
Anneli Saler
Fronick
von
Fulach
Verena Kim
Regula Mag
Bärbel Saler
Bärbel Bury
Madlen Gysler
Adelheid
Ritzmann
Margret Frey
Verena Bucher
Margret Frey
Elsy Gechlingerin
Anna Saler
Margret Frey
Salome
Werthmüller
Anna Gisler
Agnes Frey
Dorothea Visler
Elsy Schnider
Margret Frey
Agnes Frey
Verena Gisler
Verena Gisler
Regula Mag
Verena Chim
Agnes Bury
MargretBinder
Aglin Saler
Margrit Frey
Barbel Bury
Verena Chim
DorotheaGisler
Dorothea
Kräpf
Margret Frey
Rosa Ritzmann
Anna Frey
Dorothea
Knöpfli
Signatur
Datum
Name des Vater
Kindes
Mutter
Pate
Patin
EIII.8.2 150
EIII.8.2.S151
do
do
do
30. Okt 1575
23. 04 1576
29. 04.1576
17. 03.1577
31. 03.1577
Rosa
Felix
Anna
Hartmann
Anna
Andreas
Hans Jacob
Heinrich
Heiny
Christen
Verena Bucher
Dorothe Gisler
Aglin Bury
Margret Saler
Bärbel Saler
Jacob Christen
Felix Bury
Ulrich Schmid
Joseph Gisler
Hans Bürgy
do
4. Aug. 1577
Mathias
Heinrich
Aglin Bury
do S. 152
do
20. Dez. 1577
15.Febr. 1578
Margreth
Fridolin
Hans Jacob
Ulrich
Dorothe Gisler
Anna Saler
Mathias Bullinger
Hans Frey
Joseph Gisler
Rosa Bury
Margret Saler
AnnaRitzmann
Margret Frey
Anna
Werdmüller
Verena Bucher
do
Agnes
Christen
Bärbel Saler
do
do
do S. 153
23.
Febr.
1578
27.04.1578
26. Okt 1578
25. Juni 1579
Margret
Margret
Hartmann
Andreas
Heiny
Hans Jacob
Verena Bucher
Margret Saler
Dorothe Gisler
do
do
do
do
14. 02. 1580
17. 04.1580
21. 08. 1580
2. Okt. 1580
Elsy
Margret
Margret
Elsy
Heiny
Heinrich
Andreas
Ulrich
Margret Saler
Aglin Bury
Verena Bucher
Anna Saler
do S. 154
do
do
do S.155
do
do
7. Febr. 1581
31. Okt. 1581
25. 11. 1581
25. Sept 1582
24. 02. 1583
24. Mai 1584
Elsy
Hans
Andreas
Agli
Hans
Hans
Hans Jacob
Heinrich
Heinrich
Andreas
Heinrich
Georg
do
4. Okt. 1584
Waldtpurg
Andreas
Dorothe Visler
Margret Saler
Agli Bury
Verena Bucher
Margret Saler
Anna Werdmüller
Verena Bucher
do
22.Aug.1585
Gret
Heinrich
Margret Saler
EIII 8.3 S.71
28.Jan. 1610
Madalena
Matthis
Elsy Müller
do
Ursula
Dorothea
Ursel
Felix
do
16.
April
1610
5. Aug. 1610
do
19. Aug 1610
Georg
Hans
Euphrosina
Nüssli
Margareth
Schaubin
Anna Frey
do
10. Okt. 1610
Elsi
Hans
Madalena Bury
do S.73
14. Nov.1610
Martinus
Hartmann
Verena Meyer
StAZH
Heinrich
Andreas
Ritzmann
Felix Bury
Hans Frey
Hartmann
Keller
Joseph Gisler
Andreas Frey
Felix Bury
Hans
Werdmüller
Dies Fuchs
Hans Frey
Andreas Frey
Hans Bury
Hans Frey
Grosshans
Ritzmann
Andreas Frey
Christen
Ritzmann
Diethelm
Wieser
Georg Bury
Heinrich Saler
Grosshans
Ritzmann
Georg Ritzmann
Georg Ritzmann
Hans
Ritzmann
Margreth Frey
Bärbel
Flachsmann
Anna Werdmüller
Margret Frey
Margret Frey
Elsy Gisler
Margret Frey
Margret Frey
Margret Frey
Elsy Wolfer
Elsy Gisler
Margret Frey
Regula Mag
Agli Bury
Margret Frey
Elsy Wolfen
Waldtpurg
Kern
Gret Ritzmann
Analy
Ritzmann
Ursel Fehr
Margret Buri
Ursula Fehrin
Verena Bucher
Verena Freyin
Anna
mann
Ritz-
Die Leute von Volken mussten bis 1610 nach Andelfingen zur Kirche und sind in den dortigen Pfarrbüchern
registriert. In den Jahren von 1600 bis 1610 wurden teilweise aber auch vom Pfarrer von Flaach entsprechende
Eintragungen gemacht. Erst ab 1610 war allein die Kirchgemeinde Flaach-Volken für Volken zuständig.
37
Liste der Ehen in Volken, bis 1610 in der Pfarrei Andelfingen
Signatur StAZH und Datum
Ehemann Keller
Ehefrau
Herkunftsort
EIII 8.7. S.61: 19.5.1566
Felix
Margret Kramer
Gräslikon
do
26.5.1565
Ulrich
Anna Saler
Volken
do
25.8.1566
Heinrich
Aglin (=Agatha) Bury
Volken
do
27.4.1567
Hans Jacob
Dorothea Fisler
Berg am Irchel
EIII 8.7. S.62 29.8.1568
Georg
Catharina Süsstrunkin
Hüniken
do
6.11.1569
Christen
Bärbel Saler
Volken
do
6.11.1569
Cünradt
Margret Fehr
Gütickusen (Gütighausen)
do
5.11.1570
Andreas
Verena Bucher
Dorf
do
22.4.1572
Heini
Margret Koller
Buch am Irchel
do
4.2.1582
Georg
Anna Werdmüllerin
Volken
do
13.5.1582
Ulrich
Elly (=Elisabeth) Meyer
Gräslikon
38
Stammbaum einer Familie Keller von Volken
rot: Vorfahren aller Keller aus Volken
Burkhard der Keller
erwähnt 1305, 1313, 1314
..
Kunrat der Keller
erwähnt 31.1.1332
..
Hensly Keller
erwähnt 1446, 1450 - 1470



..
blau: lückenlos nachgewiesene Vorfahren der Familie des Verfassers
..
Jörg Keller *13.3.1603 18.2.1672
oo 1.2.1632
Magdalena Fehr v. Flaach *25.4.1613, 1681




Georg Keller *Nov.1645 ?
oo Nov. 1670 Anna Gisler *1646 22.1685
oo 9.2.1686 Barbara Peyer *25.2.1644 4.1696




Hans Keller *9.7.1672 2.5.1743
oo 30.1.1703 Küngold Steffen v. Dorf,
*1680 17.7.1724




Hans Heinrich Keller *21.6.1712 21.4.1781
oo 15.2.1742 Anna Barbara Erb v. Zinzikon, *15.2.1722
?




Hans Jakob Keller *8.9.1742 27.7.1808
oo 12.7.1773
Katharina Kündig*15.8.1749 31.10.1808




Hans Konrad Keller *28.2.1779 25.6.1821
oo 23.8.1813
Susanna Gisler v. Flaach*17.2.1789 1.11.1857




Johann Conrad Keller *28.1.1817 7.3.1888
oo 23.3.1847 Anna Wiesendanger v. Eschlikon
*28.4.1826 25.4.1906



Nachkommen siehe Band 2
Anna
Susanna
Bertha
Johann Con- Johann Hermann
Heirat in
Heirat in
Starb im 1. rad
Weinhändler in
Zollikon und Winterthur
Lebensjahr
Metzger in
Genua, Neuchâtel
Volken
Schaffhausen
und Siders
39
Gustav
Bäcker in
Winterthur
und Zürich
Die lückenlos nachgewiesenen Vorfahren des Verfassers
1603, möglicherweise am 13. März (die vorhandenen Unterlagen lassen kein sicheres Datum zu), wurde der
älteste lückenlos nachgewiesene Vorfahr des Verfassers, Jörg (oder Georg) Keller, geboren. Er war Tischmacher- (Schreiner-)meister gemäss Bevölkerungsverzeichnis 1634 S. 406. Im gleichen Bevölkerungsverzeichnis
steht, dass sein Bruder Heinrich bei ihm wohnte. Er heiratete am 1. Februar 1632 Madalena Fehr von Flaach
(1614-1681), mit welcher er 6 Kinder hatte. Er scheint relativ wohlhabend gewesen zu sein, denn gemäss Bevölkerungsverzeichnis von 1640 lebten bei ihnen ein Lehrbub namens Eberhard Gnehm und zwei Mägde,
Elsbeth Fehr(in) und Lisbeth Fehr(in). Im Bevölkerungsverzeichnis vom 1649 wird erwähnt, dass eine Magd,
Verena Bürgy und ein „Bub“, d.h. Knecht, namens Hans Joggli, in ihrem Haushalt wohnten. Zu seinem Tod
am 18. Februar 1672 schrieb der Pfarrer von Flaach ins Totenregister von Volken: „ein alter und übelzeitiger
(=elender, schwacher) Mann starb gächling (sofort)“.
Gleichzeitig mit dem erwähnten Jörg oder Georg Keller lebte in Volken ein zweiter Georg Keller, geboren
1601. Er wurde Schuhmacher, heiratete am 24. Februar 1624 eine Verena Brandenberger von Flaach, die aber
bereits nach einem Monat, am 23. März 1624, verstarb. Hierauf ehelichte er am 5. Oktober desselben Jahres
eine Elsbeth Silber von Neftenbach, mit der er fünfzehn Kinder hatte. Als er am 12. März 1669 verstarb,
schrieb derselbe Pfarrer: „Jörg Keller, das Schuhmächerli zu Volken, ein alter übelzeitiger Mann“! Wie und
ob die beiden Jörgen oder Georgen miteinander verwandt sind, kann wegen des Fehlens der entsprechenden
Pfarrbücher nicht mehr festgestellt werden.
Wie waren die Lebensbedingungen zu ihren Lebzeiten?
Klima und Seuchen
Die klimatischen Widrigkeiten der ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts wurden verstärkt durch Pestzüge.
Die Seuche traf auf Menschen, die bereits geschwächt waren durch schlechte Ernten und die daraus resultierende mangelhafte Ernährung. So waren 1611/12, 1629/30 und 1635/36 Pestjahre48. Im Januar und Februar
1612 starben in Volken innert vier Wochen 38 Menschen, das sind rund 1/3 aller Einwohner, an der Pest.49
1611 hatte Volken 110 Einwohner, ein Jahr später, 1612, noch 72! Und 1616 war ein Dürresommer, in welchem die nur mit Regenwasser gespiesene Thur völlig austrocknete.50
Ob der rasche Tod des erstgeborenen Hans Keller, getauft 15. September 1635, gestorben im gleichen Jahr,
auf die Pest zurückzuführen ist? Wir wissen es nicht.
48
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 513
Martin Brugger: Geschichte einer kleinen Zürcher Gemeinde Volken, Seite 28
50
Die Bauernhäuser des Kantons Zürich, Band 3 Weinland, Zürcher Unterland und Limmattal, Seite 15
49
40
Die „kleine Eiszeit“ führte 1600 zu einer Seegfrörni, welche 10 Wochen dauerte und die Ernten dieses Jahres
negativ beeinflusste!51 1603 dauerte die „alte Thüre“ (Teuerung) unvermindert an, und durch das ganze Jahr
herrschte gar „Kriegsgefahr“, so dass man Tag und Nacht Wache hielt.52
Für 1636 meldete der Pfarrer von Stammheim, Christoph Tubenmann, das Auftreten von Wölfen, die Pferde
und Kühe rissen; zur selben Zeit richteten „Feldmäuse und Ratten“ grossen Schaden in Feld und Häusern an.
In jenem Jahr zog der letzte grosse Pestzug durch das Zürcher Weinland, denn an der Wurzel der Pest sassen
von pestkranken Ratten angesteckte Rattenflöhe. Die ohne Zweifel mit dem ausländischen Kriegsgeschehen in
Zusammenhang stehende Pest kann als wohl schmerzhafteste Auswirkung gelten.53
Am 28. März 1653 beschwerten sich einige Gemeinden über die harte Praxis der Schuldeneintreiber. Es unterschrieben auch Leute von Volken. Im selben Frühjahr hatte sich das städtische Regime mit den Landständen in Verbindung gesetzt, um “Beschwerden“ der ländlichen Untertanen entgegenzunehmen. Die Petitionäre
hatten Erfolg: Am 21. April 1653 wurden Abgeordnete auf Schloss Andelfingen empfangen, und man stellte
ihnen unter anderem verschiedene Kostenmilderungen im Gerichtsbetrieb und im Betreibungs- und Gantwesen in Aussicht.54
Unterschriften unter der Beschwerdeschrift der Gemeinden und Gerichte Ossingen, Flaach, Volken, Dörflingen, Guntalingen und Waltalingen an den Landvogt zu Andelfingen vom 28. März 1653.
51
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 513
do, Seite 285
53
do, Seite 287
54
do, Seite 317
52
41
Georg, Sohn des Jörg, war auch Tischmacher-Meister, Ehgaumer und Kirchenpfleger. Nach dem Tod des Vaters nahm er seine Mutter zu sich. Er heiratete Anna Gisler (1646 – 22. Januar 1685), mit welcher er 4 Kinder
hatte. Nach ihrem Tod heiratete er am 9. Februar 1686 Barbara Peyer (25.2.1644 – April 1698). Ihre Ehe blieb
kinderlos. Wie vorhin festgestellt, fiel sein Erwachsenen-Leben in eine zunehmende wirtschaftliche Krisenzeit. Er scheint eine wichtige Stellung in Volken gehabt zu haben, denn 1707 war er, zusammen mit Furier
Heinrich Gyssler geschworener Dorfmeier. Im selben Jahr lebte auch ein „Bub“, Ulrich Gantz aus Embrach, in
seinem Haushalt.
Kleine Gemeinden hatten häufig zwei Dorfmeier als Gemeindevorsteher, die zwei Jahre lang im Amt waren.
Abwechselnd leitete einer von ihnen ein Jahr lang die Gemeindeversammlung und war im anderen Jahr als
Seckelmeister tätig. Die Gemeindevorgesetzten vertraten die Gemeinde nach aussen, etwa bei Güterkäufen
oder in Prozessen der Gemeinde gegen einzelne Dorfgenossen oder gegen die Nachbargemeinde. Sie wurden
grösstenteils von den Bürgern ihrer Gemeinde gewählt.55
Die beiden geschworenen Dorfmeier Volkens mussten schon damals ein Problem lösen, das offenbar durch
alle Jahrhunderte fast weltweit die Leiter von Kommunen heimsuchte: leere Kassen. Wie kam es dazu?
Bäuerliches
ArbeitsGerät56
55
56
Haken
Pflug56
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 49
Katalog der Ausstellung „Der Bauernkrieg in Thüringen“, Mühlhäuser Museen
42
Das Weinland, und mit ihm Volken, erfreute sich vom 16. bis zu Beginn des 17. Jahrhundert einer wirtschaftlichen Blüte speziell im Zusammenhang mit dem Weinbau. Die Bevölkerung Volkens stieg deswegen im 17.
Jahrhundert massiv an. 1634 zählte man 194 Einwohner, 1671 296 Einwohner, davon 202 Kinder, 1685 322
Einwohner, 1690 306 Einwohner („darunter die 3 Personen in der Frömbde, von denen man nicht weiss ob
sie lebendig – oder tod“) wie es so schön im Bevölkerungsverzeichnis dieses Jahres geschrieben steht. Ab
1670 gab es Missjahre und zunehmenden Konkurrenzdruck, insbesondere in Flaach, aber auch in Volken.
Typisch dafür ist, dass 1572 in Volken niemand armengenössig war, 1681 aber bereits 15 Haushalte, in
Flaach gar 50.57 Das Bevölkerungsverzeichnis von Volken des Jahres 1671 weist 61 Haushaltungen auf, dasjenige von 1685 bezeugt 64 Haushaltungen. Das heisst im Klartext, dass knapp ein Viertel aller Haushaltungen unterstützt werden musste, was zwangsläufig zu einer nachhaltigen Finanzknappheit führte. Denn auch die
nicht unterstützungsbedürftigen Einwohner litten unter den Missernten. Generell herrschte auf dem Land Ende
des 17. Jahrhunderts Arbeitslosigkeit.58 Diese Not kommt in folgender Bemerkung des Pfarrers im Pfarrbuch
zum Ausdruck: „Viele sind in die Pfalz gezogen.“
Als verantwortliche Leiter der Gemeinde mussten die beiden geschworenen Meier handeln, als die Finanzen
der Gemeinde Volken offenbar erschöpft waren. Sie wollten Neuzuzüge nur zulassen, wenn diese sich in die
Gemeinde einkauften, so wie es das benachbarte Flaach schon lange tat. Flaach bot seinen Bürgern einen
attraktiven „Bürgernutzen“ (Anteil am Wald- und Allmend-Ertrag). Um diesen gegen Verringerung durch
Zuzug von Fremden zu schützen, erhielt Flaach schon 1545 einen Einzugsbrief, d.h. die Ermächtigung, von
Fremden Geld für den Zuzug zu verlangen (sog. „Einzugsgeld). Entsprechend dem immer grösseren Zudrang
wurde das Einzugsgeld immer wieder erhöht, und zwar in 130 Jahren um das 17fache für Zürcher Bürger und
um das 12fache für Eidgenossen. Nach 1677 zahlten die Zürcher 50 Gulden, die Eidgenossen 60 Gulden.59
Nun wollten die Verantwortlichen von Volken ein Ähnliches für ihre Gemeinde. Georg Keller, Tischmachermeister, und Heinrich Gisler, Furier, wandten sich an den zuständigen Landvogt in Andelfingen, Rudolf Hess,
mit der Bitte, er möchte für sie ein Bittschreiben an die Gnädigen Herren von Zürich aufsetzen, sie zu ermächtigen, von auswärtigen Jungfrauen und Witwen, welche nach Volken einheiraten wollten, „ein Stückli Geld“
als Einkauf zu verlangen. Am 19. Mai 1707 ging dieses Schreiben in Zürich ein und wurde an der Sitzung vom
23. Mai 1707 abschlägig entschieden. Die Volkemer wurden auf die bisherige Praxis verwiesen, dass sie gemäss alter Gewohnheit und Satzung keine Weibsperson in die Gemeinde einziehen lassen sollten, welche nicht
200 Gulden Vermögen mit sich bringen könne. Nur auf diese traditionelle Art dürfe verhindert werden, dass
Auswärtige ohne Eigenleistung der Armenkasse zu Lasten fallen.
Diese beiden Originaldokumente von 1707 (Eingabe und Protokollausschnitt) sind auf den folgenden Seiten
originalgetreu wiedergegeben, samt einer Transkription in unsere heutige Schrift.
Allerdings waren nach der französischen Revolution und deren Auswirkungen auch auf das Flaachtal die Gemeindegüter wieder einmal erschöpft und die Kassen leer. Zum Wiederauffüllen des Kirchen- und Armenguts
wurde nach 1810 für auswärtige Bräute doch noch eine Gebühr erhoben. So wurde das Einzugsgeld für Bräute aus anderen Gemeinden zuerst auf 8 Franken, später auf 24 Franken festsetzt. Für landesfremde Bräute
mussten die heiratswilligen Bauernsöhne zuerst 16 Franken, hierauf 40 Franken bezahlen.60
Das Geld, das meistens den Gemeinden fehlt
57
Martin Brugger: Geschichte der kleinen Zürcher Gemeinde Volken, Seite 156
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 166
59
Paul Kläui: Gerichtsherrschaft Flaach-Volken, Seiten 142/143
60
Martin Brugger: Geschichte der kleinen Zürcher Gemeinde Volken, Seiten 35 und 45
58
43
Eingabe der Gemeindebehörden Volkens an die Zürcher Regierung
44
Gnädiger Herr Burgermeister
Hochgeachtete, woledelgebohrne und gestrenge, fromme, ehren – nothveste,
fürnämme. fürsichtige und wolwysse Gnädige Herren und Oberen.
Vor mir sind erschinnen forier Heinrich Gyssler und mr[Meister] Geörg Keller der tischmacher,
beid geschwornne dorffmeyer und abgeordnete einer ehrsammen gemeind Volcken, myne
ambtsangehörigen, und habend mir der lenge nach mit mehrerem zu vernämmen
gegeben, wass maassen die zyth und jahr haro, bei jhnen inn jhrer gemeind freche
junge ledige – und theils blutarme gsellen, understanden sich mit ledigen
töchteren so theils ussert jhrer gmeind Volcken, auch gahr ussert eüwer mynne
Gnäd. Herren grichten und gebiethen gesässen, zu ver heürathen, und in die
gmeind kei ynzenämmen, wordurch dann sie hefftig beschwerth werdind, jnn ansehung sie bei ihnen kein gmeind guth habind: und wann etwann der eint ald andere zu armuth gerathen, sie solche uss ihnen selbsten erhalten müssend, dero
wegen dann sie die geschwornnen und abgeordneten jnnammen ernanter jhrer
gmeind Volcken, bedacht und willens, für eüwer gnaden und wyssheit zekehren,
und alda inn aller underthänigkeit anzehalten und zebitten, dass man jhnen
:glych wie es in anderen benachbahrten gmeinden auch geüebt werde: die
gnädige bewilligung ertheilen möchte, dass wann einer in ihrer gmeind, er
möchte syn wer er wolle, rych oder arm, sich mit einer ledigen tochter oder
witib, die ussert jhrer gmeind sässhaft, ver heürathen thätte, ernanter gmeind
auch ein stückli gelt zu einem gebührenden ynzug, vor – und ehe er sich copulieren
lassen, erlegen solte, damit sie daruss ihre armmen desto lychter erhalten und
der gmeine mann und ganze burgerschafft, umb so die minder beschwerth werdind,
mit deemüethigem bitten, jch wolte sie mit gegenwirtigem dahin begleitten etc.
Wann dann nun ich uff geschähene nachfrag, anders nichts vernommen, dann dass
jhr der abgeordneten fürgäben, inn wahrheit also bewandt, dass sie die gmeind
45
zweite Seite der Eingabe
46
durch jhre burger mit ynhin nämmung frömbden wyberen, hefftig beschwerth, und
dass sie biss dahin kein eigen gmeindguth einmahlen gehabt: sonderen jhre Armen, mit höchster beschwerd selbsten erhalten habind; es werdend aber vor wyssere
diss die abgeordneten, jhre angelegenheit mit mehrem selbst mündtlich erzehlen;
als habe solche inn jhrem anligen eüwer gnaden und wyssheit. bester maassen
recommandieren, mich aber auch selbe nebend erlassung dess machtschirm
gewaltigen Gottes zu beharlichen gnaaden und gunsten zu befehlen, nit under lassen sollen.
Andelfingen, den 19. May 1707
Eüwer gnäd. und wyssheit
unterthäniger burger und vogt
jhrer herschaft Andelfingen
Rudolf Hess
47
Deckblatt der Eingabe
2. der gmeind Volken verlangendes einzug-gellt von denen, weliche mit
frömbden weiberen sich verhürathen. 1707
denen hochgeacht. woledelgebohrnen und
gestrengen, frommen, vesten, ehren- und nothvesten,
fürnäm-fürsichtig-und wyssen herren / herren
Burgermeistern und Rath, hochloblicher Stadt Zürich,
mynen Gnädigen Herren und Oberen.
Hess
48
Die Antwort der „Gnädigen Herren“ von Zürich auf die Eingabe Volkens
Auszug aus dem Ratsmanual (Manuale Natale des Unterschreibers)
Protokoll der Beschlüsse der Sitzung vom Montag, 23. Mai 1707 61
Dem Ausschuss der Gemeind Volkhen ist sein
Begehren, dass jhro von frömden ausser jhrer Gemeind gebohrenen
und in jhre selbige heyrathenden
Weibspersohnen einiches Einzugsemolumentum zubeziehen gnädig bewilliget werden möchte, in consideration besorglicher Consequenz
abgeschlagen und erkennet dass
es bey alter Gewohnheit und
der Satzung sein Verbleiben haben,
einfolglich keine Weibspersohn in
die Gemeind gelassen werden solle
welche nicht 200 Gulden Mitel mit sich
bringen kan.
61
StAZH B II 697 S.238
49
Die Familie von Hans war schon sehr gebildet, merkte der Pfarrer doch im nebenstehend abgebildeten Bevölkerungsverzeichnis von 1727 an, dass in der Familie eine Bibel und ein Betbuch vorhanden seien. Die pfarrherrliche Eintragung lässt auf eine ungewöhnlich gute Ausbildung der ganzen Familie schliessen. Hans war
Ehgaumer in Volken und ab 1725 sogar Richter im Bezirk Andelfingen (siehe nebenstehende Kopie des Bevölkerungsverzeichnissesund 62). Der Pfarrer notierte dort ebenfalls, Hans sei nun auch Kirchenpfleger. Er war
sicherlich eine Respektsperson in Volken. Es schien ihm gut zu gehen, denn es lebte auch ein „Bub (Knecht)
Ulrich Benz von Embrach“ in seinem Haushalt. - Der Sohn Hans, geboren 1707, „dienet in Bern“, und war
Schreiner von Beruf. – Die ersten drei Kinder von Hans und Küngold, Georg (früh gestorben), Hans Conrad
und Hans, hatten bemerkenswerterweise die gleichen Paten: als Götti Conrad Keller, als Gotte Barbara
Flaachmüller. Kleophea, Hans Heinrich und Hans Jacob (früh gestorben) hatten ebenfalls dieselben Paten:
Götti war Hans G(e)isler, Gotte Kleophea Mülleri. Schliesslich bekamen Anna und Barbara mit Götti Hans
Keller, Gotte A. Barbara Frey ihre identischen Taufpaten.
Die „kleine Eiszeit“ erreichte 1688, 16 Jahre nach der Geburt von Hans, einen ersten Höhepunkt, dann 1701
einen zweiten, letzten. Generell herrschte grosse Armut und Arbeitslosigkeit. So machten z.B. in Thalheim an
der Thur zwischen 1649 und 1726 alle Höfe Konkurs! 1692 war ein absolutes Hungerjahr im Zürichbiet.63
Um die wirtschaftliche Lage zu verbessern, begann man im Bezirk Andelfingen mit dem Anbau von Hanf und
betrieb die Hanfverarbeitung als Nebenerwerb. Siehe nebenstehendes Bild unten. Ab 1694 wurden Söldnerdienste in auswärtigen Armeen wieder gestattet. 1702 taten 2000 Soldaten aus Zürich Solddienste in fremden
Diensten.
62
63
Emil Stauber: Geschichte der Kirchgemeinde Andelfingen, Band 2, Seiten 1097 ff
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seiten 87, 239 163, 361
50
Eintrag im Bevölkerungsverzeichnis Flaach-Volken von 1727:
Haushaltungen
Taufe
Hans Keller
1672
Küngold Steffen
1680
von Dorf
Kinder
Hans Conrad
21
höherer KateHans
19
chismus
Kleophea
17
„
Hans Heinrich
15
„
Annali
10
Schule: kleiner
Barbeli
6
Katechismus
(=Religions-Unterricht)
208
209
210
211
212
Bücher
Verdienst
Bibel:hat Betbuch Ehgaumer Richter
lehret das TischmacherHandwerk zu Rafz
Das Bild rechts zeigt zwei Sorten Flachs: einen hochstengligen Sommerflachs und eine überwinternde, verzweigte Form. Das Bild links zeigt Hanf. Dieser lieferte zwar eine weniger feine Leinenqualität als Flachs,
dafür war das Gewebe langlebiger und strapazierfähiger.
64
64
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 115
51
Hans Heinrich wurde in eine Zeit geboren, in der die Not der vergangenen Jahrzehnte noch in Erinnerung
war. 1716 gab es einen kalten Winter mit Seegfrörni, ebenfalls 1740 und 1763. – 1731 und 1732 wütete die
Maul- und Klauenseuche. 1756, 1776 und 1792 vernichteten schreckliche Hagelwetter die Ernten. – 17701772 brachten Missernten eine allgemeine Teuerung. Zur Bekämpfung der Hungerkrise von 1771/1772 wurde
eine obrigkeitliche „Ehrencommission“ eingesetzt, die ca. 15-20 Prozent des gesamten offenen Gemeindelands an arme Bürger zur Nutzung überwies.65 Zur Verhütung künftiger Hungersnöte wurde neu die Kartoffel
eingeführt und erstmals 1709 in der Schweiz angebaut.
Es ging aber dennoch langsam aufwärts.
Hans Heinrich war Bauer von Beruf und wurde Kirchenpfleger in der Kirchgemeinde Flaach-Volken. Die
Tochter Küngold war offenbar intelligent und relativ gut ausgebildet, denn im Familienrodel der Kirchgemeinde Flaach/Volken schrieb der Pfarrer „dienet in Zürich, dort gestorben. Bibel und gute Bücher“. Das
heisst, dass Küngold lesen konnte, eine Bibel und andere „gute Bücher“ besass, was keineswegs üblich war
damals und einer Erwähnung durch den Pfarrer würdig schien.
Der Sohn Heinrich, geboren 20. April 1746, „befindet sich seit 1774 mutmasslich in Ostindien“, wurde in
einem Haushaltrodel von Flaach-Volken vermerkt. Offenbar hörte man nichts mehr von ihm. Sicherlich hatte
er genug von den hiesigen Krisen und suchte Besseres.
In der zahlreicheren Familie seines Sohnes Hans Konrad wird dessen Tochter Kleophea als Besitzerin einer
Bibel aufgeführt. Offenbar waren die Töchter wissensdurstiger als ihre Brüder. Barbara aber wanderte aus und
wurde wie folgt kommentiert: „dienet in Zürich“, Katarina „dienet in Andelfingen“, Anna „dienet in Chapf bei
Neftenbach“ und Elisabeth, genannt Lisebeth „zog dahin ano 1813 mit Heinrich Baumann“.
65
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 54
52
Amtsrecht der Herrschaft Andelfingen
Das Amtsrecht der Herrschaft Andelfingen, zu der Volken gehörte. Unter dem Reichsadler sind die Wappen
der Stadt Zürich sowie der Herrschaft Andelfingen abgebildet.
Die Herrschaft Andelfingen erhielt 1534 eigene Amtsrechte. Zwölf von der ganzen Amtsgemeinde Verordnete
gaben im Beisein des Stadtschreibers sowie des alten und des neuen Landvogts „ihr Amtsrecht, ihre alten
Bräuche und Gewohnheiten, wie sie vermeinen, diese bisher gebraucht zu haben“ an, worauf sie der Stadtschreiber aufzeichnete.66
Volkens eigenes Erb- und eheliches Güterrecht
Die Dörfer Flaach und Volken verfügten bis 1856 über ein eigenes Erb- und eheliches Güterrecht! Unter Ehegatten herrschte Gütergemeinschaft. Wenn die Ehe kinderlos blieb, erbte die Witwe das ganze Vermögen ihres
Mannes, und bei Erbfällen durften auch die Mädchen Grundstücke erben (was im übrigen Kanton Zürich nicht
der Fall war).
Selbständige Bauern
Zu Zeiten der Gerichtsherrschaft zogen Flaach und Volken auf eigene Kosten in den Krieg, besassen somit
ihre eigene Militärhoheit! 67 Ursprünglich übte sie der Gerichtsherr von Flaach-Volken im Namen des Klosters Rheinau aus. Nach dem obigen Andelfinger Amtsrecht von 1534 musste Flaach-Volken jeden vierten
Mann bei Auszügen stellen, trug aber seine Kosten immer selber und musste an Herrschaft und Herrschaftsfähnlein nichts beisteuern, bis 1621 dieses Vorrecht teilweise verschwand.
66
67
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 54
Kläui: Gerichtsherrschaft Flaach-Volken, Seite 108; M. Brugger: Geschichte der kleinen Gemeinde Volken, S. 27, 30
53
Auch bei Hans Jakob notierte der Pfarrer, dass er „Bibel und gute Bücher“ besass. Offenbar war hier auch der
väterliche Einfluss zu spüren, dass Bildung wünschenswert sei.
Von seiner Ehefrau, Katharina Kündig: ist gemäss Eintrag im Totenverzeichnis STAZ EIII 42 4 nur folgendes
bekannt: „Sie starb am 31.10.1808 im Alter von 59 J, 8 Mt, 16 Tage als ehelich geborene Hausfrau des Hans
Jakob Keller v. Volken“.
1777 zählte Volken 58 Haushalte. “In diesem Jahr waren abwesend 20 Mannspersonen und 25 Weibspersonen, viele in fremden Diensten“ steht im entsprechenden Bevölkerungsverzeichnis.
1792 und 1793 scheinen Jahre mit schlechtem Wetter gewesen zu sein. Jedenfalls steht im Bericht „Specification des Nachlasses des Schlosses Andelfingen Zinsleuthen welche ano 1792 und 1793 vom Wetter beschädigt
worden“, dass den Leuten von Flaach und Volken „1. wegen Hochgewitter in ano 1792 ¼ vom Zins“ und 2.
„wegen der Gfrörne in ano 1793 1/3 vom Zins“ nachgelassen wurde. Als Begründung wurde angeführt: „wegen dieser Gemeind grossem Schaden ward ihnen nach dem Beispiel des lobl. Amtes Embrach die Helfte
nachgelassen, und zwar den Gemeindsvorgesetzten zu Flaach als Haupttragern von 22 Untertragern… und
den 12 Tragereyen zu Volken“. Trager waren Gruppenvertreter, welche namens einer Mehrzahl von Betroffenen handelten. Nachgelassen wurden „besag meinen Gnädigen Herren Erkanntnussen“ die Ablieferung von
Kernen, Haber, Roggen und Geld 68
68
StAZH CIII 3 Nr. 256
54
Essen und Trinken
Wein war, nebst Wasser und Most, das einzige Getränk, das sich über längere Zeit halten konnte. Der Wein
hatte einen niedrigeren Alkoholgehalt als heute und scheint sehr sauer gewesen zu sein. Im 18. Jahrhundert
erhielt ein Taglöhner nebst Kost und Logis täglich 3 ½ Liter Wein.69 Andere Quellen sprechen von 1½ Litern
pro Tag für Gesellen und Bauernknechte.70 Nun darf die Qualität des damaligen Weins nicht mit der heutigen
verglichen werden. Geerntet wurde, was immer ein Rebstock hergab. Nach einer ersten Kelterung wurde der
populäre „aagsetzte Wy“ produziert, ein Armeleutetrank. Man übergoss den frischen Traubentrester mit Wasser und liess ihn mit viel Zucker im Fass gären.71 Der „bessere“ Wein wurde grösstenteils verkauft, der zweite
Durchgang selbst getrunken oder an Taglöhner und Knechte verteilt. Dies war aber, ungewollt und unbeabsichtigt, offenbar der Gesundheit zuträglich, denn „das Beste… ist nicht der Saft, sondern was übrig bleibt.
Statt den Saft zu trinken, sollte man also besser den Trester essen – meinen zumindest Ernährungsphysiologen
– denn dieser enthält mehr gesundheitsfördernde Stoffe. Dazu gehören beispielsweise Polyphenole, deren
Wirkung zwar noch nicht systematisch erforscht ist, die aber unter anderem Krebs vorbeugen sollen“72. – Bier
galt bis zum frühen 20. Jahrhundert mit dem Niedergang des Weinbaus als Luxusgetränk. - Zu allen Zeiten
trank man als Heiltrunk Kräutertee, oft mit Wein vermischt. Kaffee hielt erst ab Mitte des 18. Jahrhunderts
Einzug und musste sich gegen allerlei Verbote durchsetzen (wie der Tabak).
Das Alltagsessen bestand vor der Kartoffel vorwiegend aus Brot, Hafer- und Hirsebrei, ergänzt durch Rüben,
Obst, Beeren, Gemüse aus dem Garten, Pilzen und Nüssen. Fleisch, vor allem Schweinefleisch, gab es nur an
Sonn- und Festtagen. Zum Süssen der Speisen verwendete man Honig und eingedickten Birnensaft. Das teure
Salz wurde vorwiegend für die Haltbarmachung der Lebensmittel verwendet.73
Es soll besser werden
Die Zürcher Obrigkeit beschloss, dass die Ernteerträge durch Auflösung der traditionellen, rechtlich geregelten (und mit Strafandrohungen durchgesetzten) Dreizelgenwirtschaft gesteigert werden sollten. Bessere Düngung = mehr Vieh = mehr Grünfutter, Stickstoffanreicherung mit Kunstgrasarten (Klee, Esparsette). Im Klartext: das seit Jahrhunderten starre Festhalten an den traditionellen Produktionsformen wurde massiv umgestellt. Aber immer noch verlangten die Ackerarbeiten eine enorme Marschleistung, bis um 1840 „neuartige“
Pflüge die Arbeit erleichterten.74 Für den meist sehr traditionsbewussten Bauer bedeutete diese Abkehr von
einem jahrhundertealten Arbeitsablauf eine grosse innere und äussere Überwindung.
Luzerne
Esparsette
69
Rotklee
Martin Brugger: Geschichte einer kleinen Zürcher Gemeinde Volken, Seite 40
„Weinlese“ der Zürcher Kantonalbank, Seiten 82 und 89
71
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 54
72
NZZ vom 12.12.2007 Nr, 289 Seite B 1 „neue Zutaten für Lebensmittel aus Resten der Ernährungsindustrie“
73
Martin Brugger: Geschichte einer kleinen Zürcher Gemeinde Volken, Seiten 37 und 38
74
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seiten 25-29
70
55
Ab 1798 bildete Volken mit Flaach eine Munizipalgemeinde. Unter der Mediationsverfassung vom 14. März
1803 (bis 1815) erhielt es wieder seine volle Selbständigkeit. Hans Konrad Keller wurde zum ersten Gemeinde-Ammann Volkens gewählt und führte am 21. April 1805 die erste Wahl eines Gemeinderates durch, der
erste Schritt zur formellen Selbständigkeit. Er war von Gesetzes wegen ebenfalls Mitglied dieser Behörde.
Seine Amtszeit dauerte bis 1814 oder 181575. Der Gemeindeammann war zu dieser Zeit der wichtigste Mann
in einer Gemeinde. Dem ersten Verzeichnis der Patentgesuche für die Führung einer Weinschenke im Kanton
Zürich seit der Revolution von 1798 kann entnommen werden, dass er bereits um 1798, also im Alter von 19
oder 20 Jahren, eine Weinschenke führte, mangels zuständiger Ämter ohne Bewilligung. Angemerkt wurde in
diesem Verzeichnis, dass es seitens der Bevölkerung keine Klagen gab. 1808 verstarben seine beiden Eltern.
Sie konnten noch erleben, dass er eine wichtige Funktion in der nun neu selbständigen Gemeinde wahrnahm.
Fünf Jahre nach ihrem Tod heiratete er Susanna Gisler.
Sein Bruder Heinrich wurde zum ersten Friedensrichter ernannt. Somit bekleideten die beiden Brüder zu Beginn des 19. Jahrhunderts die wichtigsten Posten in der Gemeinde Volken.
In den Büchern und Verzeichnissen wird er als „Oberbeck“ aufgeführt, im Unterschied zum gleichnamigen
„Unterbeck“ (Hans) Konrad Keller. Daneben war er natürlich Bauer.
Er wurde nur 42 Jahre alt und starb 5 Tage nach der Geburt seines dritten Kindes Susanna. Der Pfarrer schrieb
im Totenbuch der Gemeinde Volken: „er starb an einem Steckfluss“, also Bronchitis oder tuberkulöse Lungenentzündung. Das bedeutet, dass seinem Tod eine längere Krankheitszeit vorangegangen sein musste.
Wie damals üblich, wurden für die Witwe ein Beistand und für die unmündigen Kinder ein „Vogt“, ein Vormund, eingesetzt. Beistand war ihr Bruder aus Flaach, Vormund der Kinder der Bruder des Verstorbenen,
Friedensrichter Heinrich Keller. Es spricht für die Familie ganz allgemein und für Mutter Susanne im Speziellen, dass die Kinder nicht, wie damals durchaus üblich, als Verdingkinder fremdplatziert wurden. Die Familiensolidarität spielte, aber auch die Vertrauenswürdigkeit, die Belastbarkeit und der unbedingte Wille der Mutter, die Familie weiterzuführen, waren ausschlaggebend. Sie akzeptierte das schwere Amt uneingeschränkt,
war bereit, Vater und Mutter gleichzeitig zu sein. Ihr, wie allen anderen Witwen in ähnlicher Lage, gebührt
heute noch unsere volle Anerkennung und Hochachtung.
75
Regierungs- und Adress-Calender des Cantons Zürich StAZH Aaf 1 100 LS ff. Siehe auch „Volken im 19 Jahrhundert“
56
Die Vormundschaftsakten berichten über eine klaglose Führung der Familie. Die alle zwei Jahre durchgeführten Vermögensprüfungen zeigen, dass die Familie mit einem durchschnittlichen Vermögen von rund 10'000
Franken zu den eher Begüterten zählte. In dieser Zahl inbegriffen war der elterliche Bauernbetrieb samt
Wohnhaus mit Weinschenke, dem heutigen Restaurant Post.
Bedenkt man, dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Frauen keine politischen und kaum wirtschaftliche
Rechte hatten und sie ihre Stellung ausschliesslich über ihren Mann definierten, so kann ohne weiteres verstanden werden, dass Susanna Keller einer grossen inneren Kraft bedurfte, um diese fast automatische Herabsetzung im Ansehen ihrer Umgebung zu akzeptieren und nicht daran zu verzweifeln. Sie war jetzt AlleinBäuerin, Allein-Bäckerin, Allein-Wirtin, Allein-Erzieherin.
Ihre Mutter, welche ebenfalls mit einem frühen Schicksalsschlag fertig werden musste - nach einer frühen
Heirat verstarb ihr erster Mann nach wenigen Monaten an Schwindsucht -, sie schenkte ihrer Tochter ein Gebetbuch, das gottseidank heute noch erhalten ist. Es sollte ihr Mut, Glauben und Zuversicht geben und ihr
Durchhaltevermögen stärken.
Susanna Keller schrieb folgenden Text vorne in ihr Gebetbuch und lässt uns damit auch einen Blick in ihr
Inneres tun: Der gewählte Text spricht für sich.
Dieses Gebet Buch
gehört jezo
mir Witwe Keller in Volken
meine liebe Mutter slg. Anna geb. Fritschi
hat es mir als ihrem Kind
verehrt. Dass ich darin solle
fleissig lesen und bätten
Nun so
Habe deine Lust an deinem Jesus
lass in sein dein höchstes Gutt
Er ist nah und nicht so fehrn
ein zu sprechen Trost und Muht
Seine Gnad und starke Hand
gehet durch das ganze Land
Amen
Im Anhang (Seiten 76ff.) werden die Vormundschaftsrechnungen für die Familie von Susanna Keller-Gisler
für die Jahre 1821 bis 1842 wiedergegeben.
57
Ach diese Steuern und Abgaben
Bis am Ende des 18. Jahrhunderts galten Zehnten und Grundzinsen als unablösbare Belastung des Bodens.
1/8 bis 1/12 der Ernte musste als Zehnten abgeliefert werden. Die Grundzinsen waren eine zusätzliche feste
Abgabe an die ursprünglichen Eigentümer des Bodens (der Staat, Spitäler, Schulen, Armenanstalten, die Kirche). Die Gesamtbelastung lag im Zürcher Unterland zwischen 16 und 20 Prozent des Ernte-Ertrags.76 Ein
Gesetz vom November 1798 sah die Ablösung dieser Abgaben vor, doch dauerte es bis in die 1830er Jahre, bis
dies auch durchgesetzt und der Zehnten nach und nach von den Gemeinden ausgekauft werden konnte .
Neue Anbaumethoden
Von 1760 an begann man im bisherigen Dreizelgengebiet auf den Brachflächen neue Kulturpflanzen, wie
Kunstfutterarten und Kartoffeln, anzupflanzen. Der öffentliche Weidgang wurde eingeschränkt. Der nördliche
Kantonsteil war eher zurückhaltend, was die Aufteilung der Allmenden zur privaten Nutzung betraf. Die über
Generationen hinweg überlieferte Zelgordnung, die die Betroffenen in ein Netz von Rechten und Pflichten
einband, stand einer Strukturveränderung im Weg.
Die Produktivitätssteigerung beruhte wesentlich auf neuen Kulturpflanzen. Ins Zentrum ist als wichtigstes
Nahrungsmittel die Kartoffel gerückt. Links die gelbe Rübe, rechts der kaum verbreitete Mais. Dazwischen
Korn, Weizen, Roggen und Hafer. Oben Flachs und Hanf; in der Mitte die weisse Rübe als wichtige Futterpflanze.77
Politik
Das 19. Jahrhundert war ein Jahrhundert des Umbruchs. Die bisher regierenden Familien in der Stadt kämpften um ihre bisherige Vormachtstellung, denn die französische Revolution veränderte auch die Schweiz und
damit das Leben der Bauern. Die Leibeigenschaft war bereits abgeschafft. Der alte Zürcher Stadtstaat ging
unter, der darauf folgende Umbruch erfasste die Verfassung, die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das
Bürgertum war die neue Führungsschicht. Volkssouveränität und Gleichberechtigung der (vorerst nur männlichen) Bürger von Stadt und Land waren revolutionär neue Vorstellungen.78
76
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 30
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seiten 25 - 29
78
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 14
77
58
Der Wandel der Umwelt
Im Buch „Geschichte des Kantons Zürich“ 79 wird der Wandel der bäuerlichen Arbeitswelt wie folgt beschrieben: „Um 1800 versorgten sich die Bauernhaushalte noch weitgehend selbst, und nur mit harter körperlicher
Arbeit liessen sich Äcker und Reben bestellen… Die landwirtschaftliche Arbeit beanspruchte die ganze Familie von frühmorgens bis oft spät in die Nacht. Der Getreideschnitt erfolgte mit der Sichel; in der Erntezeit
wurde täglich bis zu 18 Stunden gearbeitet. …. Als Folge der industriellen Entwicklung und weil die Arbeitskräfte teurer wurden, kamen beim Getreideanbau ab 1850 der Sensenschnitt und die erste Göpeldreschmaschine auf; im Futterbau wurden um 1880 die ersten Mähmaschinen eingesetzt.“
Nach der Hungerkrise von 1816/1817 liess die Regierung zu, dass Allmendflächen privatisiert wurden.
Dadurch sollten weitere ähnliche Krisen verhütet werden. Der Weidgang auf der Brache und im Wald hörte
auf. Alle Ackerarbeiten, wie Pflügen, Eggen, Ansäen und allenfalls noch Walzen, verlangten eine enorme Marschleistung. Für eine Hektare (10'000 m2) mussten je nach Arbeitsgängen 50 bis 70 Kilometer zurückgelegt
werden.80 Trotz dieser behördlichen Massnahmen kam es l846/47 zu einer schweren Teuerungskrise.
1840 bis 1842 waren Jahre des Konjunkturaufschwungs. 1845 im September wütete die Kartoffelkrankheit. Im
Sonderbundskrieg von 1847 trugen Zürcher Truppen wesentlich zum Erfolg im kurzen Feldzug gegen die Sonderbundskantone bei.81 Die Schweiz erhielt 1848 ihre erste Bundesverfassung, welche 1874 erneuert wurde.
1855 wurde die erste Eisenbahnlinie von Zürich über Winterthur nach St. Gallen und Romanshorn gebaut,
gefolgt 1857 von der Strecke Winterthur-Schaffhausen, der sog. Rheinfallbahn. Die Städte Winterthur, Schaffhausen und Zürich, bisher Tagreisen entfernt, rückten immer näher.
82
79
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 29
dito, Seiten 25 und 27
81
dito Seite 142
82
dito Seite 113 und „Volken im 19. Jahrhundert“
80
59
Lebensdaten von Johann Conrad Keller
Geboren 28. Januar 1817
Vater verstarb 25. Juni 1821, Onkel Heinrich Keller, Friedensrichter, wurde Vormund
Heirat 23. März 1847 in Uster
Gemeindepolitik
1839
1841 – 1844
1847 – 1850
1853 – 1855/56
1863/64 - 1864/65
Wahl zum Gemeinderats-Schreiber (immer noch unter Vormundschaft)
Wahl zum Gemeinderat, Seckelmeister (Verantwortlich für die Finanzen )
Gemeinderats-Präsident und Seckelmeister
Gemeindeammann
Gemeindeammann
Wirtschaftliches
1. August 1867 – 7. März 1888 Postverwalter (formal bis zu seinem Tod)
1845 – 1856
Patentinhaber für den Betrieb einer Weinschenke (nach seiner Mutter)
7.6.1865–1882
dito
1884 – 1887
Verkauf seiner Güter
1849 bis 1853 ?
Kommandant der Feuerwehr
60
Mit 4 ½ Jahren verlor Johann Conrad seinen Vater, und seine Mutter musste mit Unterstützung durch ihren
Bruder als Beistand und den Bruder ihres verstorbenen Mannes als „Vogt“, d.h. Vormund die Familie mit
ihren beiden überlebenden Kinder durchbringen. Wie die im Anhang aufgeführten Vormundschaftsrechnungen
zeigen, war die Familie relativ wohlhabend, und seiner Mutter wurde attestiert, dass sie ihre Kinder gut erziehe
und das Vermögen mit Umsicht verwalte. Was indirekt aus den vorliegenden Dokumenten hervorgeht, ist die
Tatsache, dass sie den Bauernbetrieb, die Weinschenke und das Backen weiterführte. Das war zweifelsohne
eine riesige Belastung für eine Witwe, die ja auch zwei Kleinkinder zu erziehen hatte. Sie scheint das mit Unterstützung durch Bruder und Schwager klaglos bewerkstelligt zu haben.
Es kann davon ausgegangen werden, dass die beiden Kinder sehr rasch im Haushalt, auf dem Feld und im
Restaurant mit anpacken mussten. Trotzdem durften die Kinder die Schule besuchen, was damals alles andere
als üblich war in Bauernfamilien. So war Johann Conrad gut ausgebildet, als er mit 22 Jahren zum Gemeinderats-Schreiber und kurz danach in den Gemeinderat gewählt wurde und dort das Amt des Seckelmeisters übernahm. Bemerkenswert ist, dass damals das Mündigkeitsalter 25 war, Johann Conrad also noch als „Vogtknab“,
d.h. bevormundet, galt, als er schon Funktionen in der Verwaltung der Gemeinde übernommen hatte.
Mit 28 Jahren, 1845, übertrug ihm seine Mutter die formelle Verantwortung für die „Weinschenke“, das heutige Restaurant Post. Bereits 1841 wurde dieses umgebaut, was in diesem Jahr zu einer Erhöhung der Brandassekuranz-Prämie und 1845 zu einer Neueinschätzung führte. Um all das zu bewältigen, trat er 1844 aus dem
Gemeinderat aus, wurde aber 3 Jahre später, 1847, zum Gemeindepräsidenten gewählt, ein Amt, das er bis
1850 innehatte. Daneben bekleidete er in diesen Jahren die Funktion des Feuerwehr-Kommandanten.
In den Jahren 1847 – 1856 wurden ihnen 6 Kinder geschenkt, zuerst 3 Mädchen (wovon eines leider mit knapp
einjährig starb), hierauf 3 Buben, die allesamt eine gute Schulbildung erhielten. Eine Frage mag erlaubt sein:
warum heiratete er in Uster, das doch sowohl von Volken wie auch von Eschlikon, Pfarrei Dinhart, woher
seine Frau stammte, recht weit entfernt ist? War es wohl die Besorgnis um seinen guten Ruf, da die erste
Tochter schon 4 Monate nach der Hochzeit zur Welt kam? Solche „Frühgeburten“ waren damals allerdings
nicht unüblich, wenn auch vielleicht doch mit einem gewissen Stigma versehen.
Über seine Zeit als Gemeinderat und - Präsident kann im „Volken im 19. Jahrhundert“ sehr viel nachgelesen
werden. Hier nur einige Highlights:
In seiner Sitzung vom 5. Februar 1850 entschied der Gemeinderat, dass der Sitzungsort weiterhin bei seinem
Präsidenten Johann Conrad Keller sein sollte. Und da es gerade Winter und kalt war, wurde diesem Entschluss
beigefügt, falls die Sitzung nicht in der unteren Stube (in der jetzigen Gaststube des Restaurants Post) stattfinden könne, also in die Stube im ersten Stock ausgewichen werden müsse und diese nicht geheizt sei, dann
dürfe Präsident Keller das zum Feuern des Ofens benötigte Holz gratis von der Gemeinde beziehen. So war
allen gedient: J.C. Keller konnte kostenlos die obere Kammer beheizen und seinen Ratskollegen vielleicht
schon während, sicher aber nach der Sitzung, bei der Bekämpfung des Durstes helfen, und den andern Gemeinderäten wurde der Gang in die winterlichen Gefilde zur nächsten Beiz erspart.
Als er 1853 als Kandidat für das Friedensrichteramt vorgeschlagen wurde, gleichzeitig aber auch Gemeindeammann war, da pfiff ihn das Statthalteramt Andelfingen zurück. Diese Ämterkumulation war nicht mehr
möglich. Er entschied sich für das Amt des Gemeindeammanns. Allerdings verabschiedete die Kantonsregierung am 20. Juni 1855 ein Gesetz, das folgendes bestimmte: „Die Gemeindeammänner, die Präsidenten und
die Schreiber der Gemeinderäthe dürfen weder selbst eine Wirtschaft betreiben noch in einem Haus wohnen,
in welchem eine solche betrieben wird“. Eine harte Massnahme. Johann Conrad Keller überlegte, rechnete und
entschied sich schliesslich für seine Weinschenke. Er trat als Gemeindeammann zurück.
J.C. Keller diente auch in der lokalen Feuerwehr als Kommandant.
61
Klima und Katastrophen
Die Jahre 1850 sowie 1851/1852 und 1854/1855 brachten kalte Frühjahre und nasse Hochsommer und damit
eine Rezession, und von 1865 bis 1867 gab es nochmals schlechte Ernten mit sinkenden Roherträgen83. 1867
suchte eine Cholera-Epidemie Zürich und Umgebung heim.
Es kamen auch Naturkatastrophen. So zog am Abend des 21. Juli 1881 ein ungemein heftiges Gewitter über
das Gebiet zwischen Aaretal und Kaiserstuhl. In Flaach teilte es sich, der südliche Arm zog über Volken, Dorf,
Humlikon gegen Adlikon. Es richtete schreckliche Verheerungen an. Obst- und Waldbäume wurden in grosser
Zahl vom Sturme umgeworfen. Was stehen blieb, wurde vom Hagel nahezu vollständig entlaubt, das Getreide
lag entkörnt und zerhackt, die Reben wurden furchtbar mitgenommen und mussten zu einem grossen Teil neu
angepflanzt werden. In Volken erlitten 59 Einwohner oder rund 1/5 der Volkemer Schäden im Ausmass von
49’000 Franken. Zehn Jahre später wurden Dorf und Volken neben anderen Gemeinden wiederum von einem
schrecklichen Hagelwetter heimgesucht. In Volken erlitten 51 Landbesitzer einen Schaden von 45’000 Franken, der durch Spenden aus dem Kanton in Höhe von 9’900 Franken etwas gemildert wurde. Um einen Kaufkraft-Vergleich zu haben: in seinem letzten Jahr als Posthalter, 1888, verdiente J.C. Keller 280 Franken jährlich.
Der Franzosenkrieg von 1870/71 erforderte eine Grenzbesetzung. Die Zeit nach diesem Krieg führte 1876 –
1888 zur „grossen Depression des 19. Jahrhunderts“.84 Nach 1878 begannen die Agrarpreise, die seit 1840
kontinuierlich angestiegen waren, langsam zu sinken. Als Folge mehrerer schlechter Wetterlagen und der
Verluste durch Schäden (falscher Mehltau, ab 1886 Reblaus) gingen die Ernten auf einen Viertel jener Mengen zurück, die in den goldenen Weinjahren von 1874 bis 1876 erzielt worden waren. Die Liegenschaftenpreise, welche um die Mitte der siebziger Jahre ihren Höhepunkt erreicht hatten, fielen bis Mitte der Achtzigerjahre um einen Drittel bis um die Hälfte. Viele Bauern konnten ihre Hypothekarschulden, die sie vor 1875 in Anbetracht der guten Ertragslage eingegangen waren, nicht mehr verzinsen.
Auf der Landschaft nahmen die Zwangsversteigerungen stark zu: von 1879 bis 1891 gingen 6 - 8% aller Betriebe in Konkurs. In den ländlich-bäuerlichen Gemeinden herrschten Zukunftsangst und Unzufriedenheit;
angesichts des Aufschwungs der nach 1883 wieder prosperierenden Industrie fühlten sich die Bauern benachteiligt.85 Die landwirtschaftlich geprägten Bezirke Andelfingen etc. erlebten zwischen 1880 und 1888 eine Bevölkerungsabnahme, die sich in vielen Gemeinden bis ins 20. Jahrhundert fortsetzte. Die Auswanderung nach
Übersee erreichte einen neuen Höhepunkt.
Die politische Entwicklung
Die neue Kantonsverfassung vom 18. April 1869 sah die Unentgeltlichkeit des Volksschul-Unterrichts, der
militärischen Ausrüstung (die früher selbst gekauft werden musste), eine Progressiv- und Erbschaftssteuer und
die Gründung der Kantonalbank vor. Die neue Demokratie förderte die Integration des gewerblichen Mittelstandes, der Bauern und z.T. auch der Arbeiter in den bürgerlichen Staat.86 Die Höchstarbeitszeit für Kinder
wurde erstmals festgelegt, und zwar 13 Stunden täglich. Für Erwachsene gab es keine Höchstgrenze.87
83
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 147
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 158
85
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seiten 207 - 209
86
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 149
87
dito, Seite144
84
62
Landwirtschaft
Ab ca. 1840 ist die Kartoffel das wichtigste Volksnahrungsmittel, doch schon wenige Jahre später wütete die
Kartoffelkrankheit, weshalb die Preise für Getreide haussierten. Die Obst- und Getreideernten fielen ihrerseits
mittelmässig aus, was die Mortalität (Sterblichkeit) im Kanton Zürich ansteigen liess. – Die Getreideproduktion wurde kontinuierlich durch Futter, Wein- und Obstbau ersetzt. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts zogen die
Bauern auch des nordzürcherischen Weinlandes „aus den Reben ihren meisten und beträchtlichsten Nutzen“.
Daraus musste „der gemeine Mann seine Geldzinsen abtragen“. Die Bauern begannen ihre Rebflächen weiter
auszudehnen. Speziell nach 1850 erhöhte die Industrialisierung und ein steigendes Volkseinkommen die Nachfrage nach Wein. Im Zürcher Weinland und Unterland dominierten Acker- und Rebbau in Verbindung mit der
Viehmast.88
Veredelung und Verjüngung der Reben, wie sie schon 1661 in einem Pflanzbuch erklärt wurde.89
Die Auswanderung
Im 19. Jahrhundert setzte eine zunehmende Landflucht ein, bedingt durch Ernteausfälle, Teuerung, politische
und religiöse Umbrüche sowie die beginnende Industrialisierung. Überseeische „Paradiese“ wie Nord- und
Südamerika, aber auch Russland, warben um Einwanderer. Die Auswanderung aus der Schweiz erreichte in
den Jahren 1882/83 Rekorde, so dass der Bundesrat am 22. März 1888 das „Bundesgesetz betreffend den
Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen“ erliess, um die Auswanderung in den Griff zu bekommen.
Ärmere Gemeinden, so auch Volken, waren froh, wenn sie potentiell armengenössige Mitbewohner zur Auswanderung bewegen konnten. Ihnen wurden oft die Kosten einer Auswanderung bezahlt.
Beflügelt durch die Industrialisierung wurden die Städte, insbesondere die Stadt Zürich, eine attraktive Wirtschaftsregion, in die Arbeitsuchende aus der übrigen Schweiz und dem Ausland strömten.90 Der in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts auch in Volken und Umgebung einsetzende Bevölkerungsverlust wurde erst im letzten
Drittel des 20. Jahrhunderts mit der Ansiedlung von Zuzügern aus den Agglomerationen Winterthur und Zürich aufgefangen.
88
dito, Seite 36
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 101
90
dito, Seiten 18 und 19
89
63
Johann Conrad Keller und die Post
Am 1. August 1867 übernahm Johann Conrad Keller das Amt eines Posthalters und Briefträgers und war nun
noch mehr Mittelpunkt in Volken, denn damals war die Dorfbeiz, noch mehr als heute, Zentrum für Informationen und Meinungsbildung. Schon bevor die Generaldirektion PTT verlangte, dass ein Posthalter seinen Kunden einen Raum zur Verfügung halten müssen, richtete Johann Conrad in seiner Weinschenke das Postbüro
ein, den Raum rechts vom Eingang, heute noch sichtbar. Mit Postablage, Sitzungszimmer des Gemeinderats
und Weinschenke in einem kann seine Bedeutung ermessen werden. Mit dem Aufkommen der Reisepost wurde dieses Amt immer wichtiger, sodass auch seine Entschädigung für dieses Amt grösser wurde: Sein erster
Jahreslohn betrug stolze 80 Franken, und als er 1888 im Amt starb, verdiente er immerhin 280 Franken im
Jahr.
Das Stammhaus der Familie Keller, das Johann Conrad Keller bis zu seinem Tode bewohnte.
Postkarte von ca. 1939. Man beachte die noch ungeteerte, landwirtschaftlich genutzte Strasse.
Entwicklung der Post im Flaachtal
1610 wurde in Zürich die erste kantonale Poststation durch einen wohlhabenden Stadtbürger, Caspar Hess,
errichtet. 1662 wurde das Postregal dem Kaufmännischen Direktorium übertragen. Die Post wurde durch die
Bundesverfassung von 1874 eine selbständige Verwaltung des Bundes, nachdem sie seit 1848 auf Rechnung
der Kantone durch den Bund betrieben worden war. – Im Flaachtal bestanden zuerst regelmässige Botenverbindungen, bevor die ersten Poststellen der kantonalen Post errichtet wurden. Ein privater Bote begab sich
fünfmal die Woche in die Gemeinden des Flaachtales, vorerst zu Fuss, mit einer Chrätze auf dem Rücken, ab
etwa 1830 mit Pferd und Wagen. Der Botenweg führte über Flaach und die Strasse um den Irchel herum nach
Zürich. – Durch den Eisenbahnbau wurde auch die Postverteilung beschleunigt. 1830 errichtete die kantonale
Post in Andelfingen ein Postbüro, wahrscheinlich 1842 folgte eine Ablage in Volken. 1873 wurde die Reisepost durchs Flaachtal eingerichtet und zuerst mit Pferden, dann motorisiert betrieben. Damit wurde auch im
verkehrstechnisch abgelegenen Volken der Einfluss der städtischen Kultur und der Industrialisierung immer
stärker. Die Postkurse beförderten nicht nur Passagiere, sondern in erster Linie Briefe, Pakete, Zeitungen und
Geldsendungen. Als Verteiler im Kommunikationssystem nahmen sie deshalb eine zentrale Stellung ein.91
91
„Volken im 19. Jahrhundert“, Seiten 34 – 37
64
Johann Conrads letzte Jahre
Es muss Johann Conrad Keller sehr getroffen haben, dass zwischen 1865 und 1875 alle Kinder Volken verliessen. Sein Lebenswerk war in Frage gestellt, die Wurzeln seiner Familie in Volken, die bis ins 14. Jahrhundert
reichten, waren gerissen. Aber noch in der 3. Generation nach ihm wird berichtet, er sei autoritär und hart
gewesen. Das sei der Grund, warum alle Nachkommen Volken verliessen, motiviert natürlich auch durch die
Verlockungen der Städte und der überseeischen „Paradiese“. Es zogen weg:
Anna
Susanna Luise
Johann Conrad
Johann Hermann
Gustav
23.5.1870 nach Schaffhausen, Heirat am 9.5.1875 in Zollikon, Scheidung 22.9.1877,
Rückkehr nach Volken, Heirat am 29.8.1878 in Dorf Witwer Conrad Gisler aus Volken
am 26. 6. 1865 nach Winterthur
am 17. 1. 1870 nach Schaffhausen
am 3. 4. 1870 „ausserhalb des Kantons“
am 30. 6. 1875, kehrt zurück, verliess Volken definitiv am 17.8.1879
Dass von seinen Nachkommen seine beiden Töchter wegzogen und heirateten, das war zu erwarten gewesen.
Dass aber die beiden älteren Söhne fast gleichzeitlich im Jahr 1870 wegzogen, gefolgt vom Jüngsten, Gustav,
5 Jahre später (erst 19-jährig), das war kaum zu ertragen. Seine Mutter soll noch verzweifelt versucht haben,
ihn in Volken zurückzuhalten, wie von seinen Nachkommen berichtet wurde, doch es half nichts. Die Söhne
machten Karriere, Johann Conrad wurde erfolgreicher Metzger in Schaffhausen, Johann Hermann hatte eine
gute Stelle in Winterthur, zog später nach Neuenburg. Gustav ging auf die Walz als Bäckergeselle und verheiratete sich in Winterthur. Somit bestand keinerlei Hoffnung auf einen Fortbestand des Familienbetriebes. Eine
Familientradition, welche über 500 Jahre gedauert hatte, ging zu Ende.
Angesichts seines Alters, seiner abnehmenden Kraft und der sinkenden Landpreise entschloss sich Johann
Conrad Keller, den landwirtschaftlichen Erwerb aufzugeben und vorerst nur noch die Weinschenke und die
Postablage weiterzubetreiben. Deshalb wurden der grösste Teil seiner Ländereien und die zur Landwirtschaft
gehörenden Geräte verkauft. Am Freitag 15. Februar 1884 fand die Versteigerung der Äcker, Wiesen, Reben
und des Hanflandes statt, gefolgt von einer in der Andelfinger Zeitung annoncierten Gant von Fahrhabe und
Hausrat am Dienstag, 19. Februar 1884.
Am 9. Mai 1887 verkaufte er sein Haus samt Umschwung und Inhalt. Der Verkaufsvertrag ist im Anhang wiedergegeben. Weiter berichtet die Andelfinger Zeitung in ihrer Ausgabe vom 21. Februar 1888, für die Poststelle Volken werde ein neuer Stellen-Inhaber (Postablagehalter und Briefträger) von der Kreispostdirektion Zürich gesucht. Dann folgt ein weiteres Inserat in den Ausgaben vom 2. und 7. März 1888 (seinem Todestag):
„Zum Verkauf wegen baldigem Wegzug eine eiserne Weinschenks-Taverne neu und stark, sehr billig, und zwei
eiserne Weinzuber bei Keller zur Post in Volken“.
65
Anna Keller geborene Wiesendanger, 28.4.1826 – 25.4.1906
Anna Keller - Wiesendanger musste als Bäuerin und Wirtin ihrem Mann bei allen seinen Arbeiten zur Hand
gehen. Dazu kam die Erziehung ihrer fünf Kinder, welche offenbar, glaubt man den noch in dritter Generation
zirkulierenden Gerüchten, sich immer mehr gegen die autoritäre und fordernde Art ihres Vaters auflehnten.
Doch auf Familiensolidarität war Verlass, und das untenstehende Urteil zeigt, dass Frau Anna auch Zähne
zeigen konnte:
Anna Keller-Wiesendanger
Urtheil des Kreisgerichts Flaach:
In Sachen des Johs Schuler, Viehandler, von Volken, Kläger, gegen
Anna Keller, Ehfrau des Herrn Gemeindeammann Keller von Volken, 39 Jahr alt
Mutter von 5 Kindern betreffend Beschimpfung, mit Einmuth gefunden
Frau Anna Keller sei der Beschimpfung schuldig, hierauf erkannt
1. seien die beschimpfenden Äusserungen der Beklagten folgenlos erklärt und die
Ehre der klagerschen Partei unbeschadet
2. sei Frau Keller in eine Buss v. 10 fr verfällt
3. trage sie die erlaufenen Prozesskosten
4. habe sie den Kläger mit 3 fr zu entschädigen
5. Mitteilung dieses Urteils den Partheien
mündlich, dem Statthalteramt schriftlich
Aktum d. 1. Juli 1865
das Kreisgericht Flaach
Peier Schreiber
66
1865 muss ein ereignisreiches Jahr gewesen sein. Die Übernahme der Poststelle zeichnete sich ab, ein Umund Ausbau der Liegenschaft wurde in Angriff genommen und zog eine Erhöhung des Gebäudeversicherungswertes nach sich92. Johann Conrad löste wieder sein Wirtepatent und wurde als Gemeindeammann gewählt.
Das schien bösen, bissigen und neidischen Kommentaren zu rufen. Wie das nebenstehende Urteil zeigt, setzte
sich Frau Anna aber gegen solche Provokationen „aktenkundig und erfolgreich“ zur Wehr. Dem Zwischenfall
vorangegangen war eine Beleidigung durch die Ehefrau des Klägers, Johannes Schuler. Anlässlich der Heimkehr der Familie von Johann Conrad Keller über einen Feldweg rief diese: „Das ist kein Weg, und wenn
schon, nur für rechte Leute und nicht für schlechte“. Nach weiteren Wortwechseln schloss Frau Schuler den
Streit: „du bist der schlechteste Mensch, wo auf Erden lebt, geh nur du schlechte Person, sonst schlage ich dir
die Beine ab“, wobei sie diese Drohung mit zwei Steinen in der Hand unterstrich. Die Keller klagten, Johann
Conrad nahm einen Anwalt und beharrte auf einer Verurteilung. – Die Retourkutsche folgte auf dem Fuss.
Anna Keller-Wiesendanger beschimpfte Johannes Schuler mit ähnlichen Worten.93. Die Gegenklage folgte
und zeitigte das nebenstehende Urteil.
Dann begann der Auszug des Nachwuchses. Die zweitälteste Tochter zog im gleichen Jahr 1865 nach Winterthur. Als fünf Jahre später auch ihre beiden älteren Söhne den väterlichen Hof verlassen hatten, wollte sie
wenigstens ihren Jüngsten, Gustav, unbedingt zurückhalten. Um ihn zum Bleiben zu überreden, soll sie ihm
Wein in grossen Mengen zu seiner Feldarbeit gebracht haben, aber ohne Erfolg (es war ja üblich, z.B. Tagelöhnern täglich 3½ Liter Wein zu geben). So kam es, dass mit Gustav auch das letzte ihrer Kinder Volken verliess.
Die älteste Tochter Anna kehrte nach ihrer Scheidung zurück und heiratete den Witwer Conrad Gisler, der
zwei Tage älter war als ihre Mutter. Conrad Gisler brachte einen Sohn in die Ehe, der zum Stammvater der
Familien Blapp wurde, die heute in Volken leben oder noch nicht lange aus Volken weggezogen sind. Erstaunlich ist, dass auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts immer noch in hohen Tönen von ihrer Warmherzigkeit
und Gastfreundschaft gesprochen wird. Sie hat ohne Zweifel das Fundament gelegt, dass heute noch Blapps
mit den Keller-Familien freundschaftlich verkehren.
Leider kann nicht festgestellt werden, wohin sie nach dem Tod ihres Mannes zog. Der Hof war ja schon verkauft. Sie musste aber noch ihre restlichen Sachen liquidieren, wie die Inserate aufzeigen, die auf den vergangenen Seiten aufgeführt sind. Es ist am ehesten anzunehmen, dass ihre Tochter Anna Gisler-Keller sie zu sich
nahm.
Am 18. September 1904 schlug der Tod nochmals zu. Ihre Tochter Anna verstarb und kurz darauf auch deren
Mann Conrad Gisler. Anna Keller-Wiesendanger musste somit zwei ihrer drei Töchter zu ihren Lebzeiten
hergeben. In Volken war sie nun allein. Kein direktes Familienmitglied lebte mehr dort. Ihr lediger Sohn Johann Hermann holte sie deshalb zu sich nach Neuenburg.
Wie hat es eine Bauernfrau aus dem verkehrsmässig abgelegenen Volken wohl ertragen, nun in einer grösseren Stadt zu leben, wo darüber hinaus noch eine ganz andere Mentalität herrschte, eine fremde Sprache gesprochen und eine fast achtzigjährige Frau aus der Deutschschweiz wohl nicht mit grossem Enthusiasmus
willkommen geheissen wurde? Es darf wohl angenommen werden, dass sie sich recht entwurzelt fühlte, obwohl sie bei ihrem Sohn leben konnte. Das ganze soziale Netz aus Volken, wo sie immerhin rund 50 Jahre
gelebt hatte, musste sie zurücklassen. Und Eschlikon, woher sie stammte und wo ihre Familie wohnte, war
noch weiter weg. - Alles ausser ihr Sohn muss ihr sehr fremd gewesen sein.
In Neuenburg verstarb sie am Abend des 25. April 1906 um 21.50 Uhr an Grippe und wurde im Cimetière de
Beauregard begraben94. Johann Hermann setzte ein Legat aus, dass ihr Grab während der ganzen Liegedauer
bepflanzt und unterhalten werde. In Volken wohnte ja niemand mehr, der ihr Grab hätte pflegen können, wie
es Brauch war.
Man kann dieser Frau, wie auch ihren Vorgängerinnen an der Seite unserer Ahnen, nur die grösste Hochachtung und Wertschätzung entgegenbringen. Mit ihr starb die letzte in Volken lebende Vertreterin des Familienstammes des Verfassers.
92
Siehe Seiten 88 – 90 im Anhang
StAZH Z 411.245 Seiten 337-340
94
Brief des Office des Archives de l’Etat de Neuchâtel vom 13.2.2007 bei H.P.Keller
93
67
Die Arbeit einer Bäuerin
Über die Rolle der Bäuerin wird im bereits früher zitierten Abschnitt über den Wandel der bäuerlichen Arbeitswelt folgendes geschrieben:
„Im Rahmen der Selbstversorgung musste die ganze Familie als Arbeits- und Produktionsgemeinschaft vielfältige Arbeiten ausführen, die heute von der Nahrungsmittelindustrie besorgt werden. So war das Fleisch zu
räuchern, man musste Hanfsamen und Baumnüsse für die Ölproduktion vorbereiten, Erbsen für Suppen und
Breie ausschoten, Äpfel zum Dörren „stückeln“ usw. Bei diesen Arbeiten leisteten die Bäuerinnen einen entscheidenden Beitrag zur Existenzsicherung, sie litten aber auch unter harter Belastung. Eine teilweise Freistellung der Frau aus dem Arbeitsprozess zur Pflege bürgerlicher Häuslichkeit war in Bauernfamilien unvorstellbar.“
Soweit zur Lebensaufgabe auch von Anna Keller-Wiesendanger.
Beispiele der veränderten Produktionsweise. Oben Pfluggespann mit drei Ochsen, um 1800
Unten Grasmähmaschine mit Pferdezug, die seit 1870 die bäuerliche Arbeit erleichterte.95
95
Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 29
68
Anhang
Zusammenstellung der Verkäufe (Seiten 70 – 71) und
der Verkaufsvertrag des Stammhauses (Seiten 72 – 75)
Der Besitz von Johann Conrad Keller kann auf insgesamt 8,5 Hektaren veranschlagt werden. Er war also kein
Kleinbauer (Landbesitz bis 5 Hektaren), sondern höchstens ein mittelgrosser Bauer, bezogen auf den Grundbesitz. Sein Besitz teilte sich auf 54 Parzellen, was eine zweckmässige Betriebsführung äusserst erschwerte.
Der Notar bestätigte im Verkaufsvertrag vom 9. Mai 1887, dass wegen des niedrigeren Verkaufspreises der
Assekuranzwert „eine Reduktion erleiden werde“.
Beistandschaft und Vormundschaft von Susanne Keller-Gisler (Seiten 76 – 87)
Am 24. Juni 1821 verstarb Hans Konrad Keller. Er hinterliess eine Frau und drei unmündige Kinder. Die kurz
vorher geborene Tochter Susanna starb drei Tage nach ihrer Geburt, einen Tag vor dem Tod ihres Vaters.
Witwen wurde immer ein Beistand zur Seite gestellt. Beistand für Frau Susanna war ihr Bruder Hans Jakob
Gisler, Gemeindeamman in Flaach; Vormund für ihre Kinder wurde deren Onkel Heinrich Keller, Bruder des
Verstorbenen, Friedensrichter.
Der Vormund verzichtete jeweils auf sein Honorar, ebenso der Beistand der Mutter. Ein schönes Beispiel gelebter Familiensolidarität. Zu Lasten der Vormundschaftsrechnungen mussten allerdings die Kosten für das
Unterwaisenamt (Vormundschaftsbehörde), den Weibel, den Schreiber und gegebenenfalls den Bezirksrat
bezahlt werden.
Ein Vergleich der Vermögensrechnungen mit denjenigen anderer Vormundschaften in der Zeit von 1821 –
1841 zeigt, dass die Familie mit Aktiven von rund 10‘000 Gulden relativ wohlhabend war. Auf die Liegenschaft entfielen 5‘115 Gulden, der Rest war liquides Vermögen. Die übrigen Mündelvermögen in den Volkemer Vormundschaftsrechnungen schwankten zwischen Überschuldung und 3‘500 Gulden Vermögen.
Am 30. März 1842 wurde die Schlussabrechnung angenommen. Die bisher bevormundeten Kinder wurden
nun definitiv aus der Vormundschaft entlassen. Die Tochter Anna Barbara war bereits verheiratet mit Jakob
Wipf von Trüllikon. Ihr Bruder Johann Conrad war bekanntlich schon einige Zeit Gemeindeschreiber und
Gemeinderat.
Liste der von der Kantonalen Gebäudeversicherung versicherten Gebäude von J.C. Keller
(Seiten 88 – 90)
69
Liste der Verkäufe 1884 – 1888
70
71
Verkaufsvertrag von 1887 der Liegenschaft des jetzigen Restaurants Post mit Scheune und Stallung,
Waschhaus, Schweineställen, Weintrotte und Hofstatt
Transkript des Original-Kaufvertrags in unsere Schrift
Kaufbrief
per 13 000 Frk.
für
Herrn Gemeinderath KONRAD ERB,
Abrahamen sel. Sohn,
von und in Volken
--------------------
Dat. 9. Mai 1887
Protokoll Flaach-Volken Bd. 4 p. 70
72
Kaufbrief per 13000 Frk.
Hr. a. Gemeindeammann J. Konrad Keller, Konraden
sel. Sohn in Volken überträgt anmit dem Herrn Gemeinderat Konrad Erb, Abrahamen sel. Sohn von
und in Volken Pfr. [=Pfarrei] Flaach ohne Nachwährschaft kaufsweise zu Eigenthum:
Eine Behausung, Scheune und Stallung, Waschhaus, Schweineställe und eine Weintrotte sammt Hofstatt und ca. sieben Aren ( 1 Vrlg.) Kraut- und Baumgarten; grenzend:
1. und 2. an Strassen, 3. an Käufers Hofstatt, 4. an Ulrich Hagmanns und Gebrüder
Gislers Häuser und Gärten.
Assekuranz:
Diese Gebäulichkeiten sind wie folgt assekurirt:
sub No 40 a.
1 Wohnhaus, Scheune und Stall, laut Tabelle vom Jahre 1865
für Fr. 10 000.-.
1 Schopfanbau mit Keller
laut Tabelle vom Jahr 1871
„ „
800.-.
sub No 40b.
1 Waschhaus mit Schweine=
ställen laut Tabelle vom
Jahre 1865
„ „.
500.-.
sub No. 41.
1 Trotthaus, laut gleicher Tabelle „ „
200.-.
1 Trottwerk, laut Tabelle
vom nämlichen Jahre
„
„
600.-.
-------------------(dreizehntausend und einhundert Franken)
Sa. Fr. 13.100.-.
welche Assekuranzanschläge zufolge niedrigen Kaufswerthes eine Reduktion erleiden werden.
A. ca. zehn Aren (ca 1 ½ Vierlinge weniger 844 Fuss2’) Wiesen
in Hofwiesen oder Baumgarten; grenzend: 1. an
die Strasse, 2. an Konrad Keller, Rafzers Wiesen,
3. an Konrad Kellers Wiese, 4. ebenso und an Konrad Ritzmanns Garten.
Ca. 1 Are 80 m2 hievon Zinsen jährlich:
)
2 Mässli Kernen
vier und einen halben Heller Geld
)
73
dem Kloster Allerheiligen in Schaffhausen.
den Restzinse jährlich:
2 Vierlinge Kernen dem Amte Embrach
Servitut:
Konrad Ritzmann, als Eigenthümer von ca 75,9
Quadratmeter (844 Fuss2) Krautgarten bei seinen
mit No 56 bezeichneten Gebäulichkeiten ist verpflichtet,
auf eigenem Lande obigen Grundstücke des Käufers
auch einen dürren Haag zu machen und jederzeit
zu unterhalten; dagegen ist er berechtigt, bis auf
einen Meter fünf Dezimeter (5 Fuss.) an die Marke zu bauen.
Zum Kauf gehören ferner und sind in der Kaufsumme inbegriffen:
das Sechtkessi mit Brenngeschirr im Waschhaus,
zehn diverse Weinstanden in der Trotte und zwei
Weinfässer im Keller ca 39 Hektoliter haltend.
Der Käufer erklärt, diese Gegenstände bereits
in Besitz genommen und sich davon überzeugt
zu haben, dass dieselben nicht verpfändet sind.
Alles zusammen für Frk. 13 000.-. (Dreizehntausend Franken), wovon:
A. Fr. 250.- (zweihundert und fünfzig Franken) an einen
Fr. 6000.--. haltenden Schuldbrief dat. 18. September 1880 der tit. Zürcher Kantonalbank
in Zürich.
Ablösungstermin: Martini 1889.
Trager wird nun der Käufer.
dem Käufer von Martini 1886 (sechsundachtzig) an, bis wohin laut vorgewiesenem Zinsheft gezinset ist, nach Briefsinhalt zu verzinsen und sr. Zt. zu bezahlen
überbunden wurden,
und
Fr. 3000.-. (dreitausend Franken) laut Erklärung
der Kontrahenten bezalt sind, und
Fr. 3 250.-. Transport:
74
Fr. 3 250.- Transport.
Fr. 9 750.-. (Neuntausend, siebenhundert und fünfzig
Franken) als Rest mittelst eigentlichen
Schuldbriefes auf die in Liegenschaften bestehenden Kaufobjekte zu versichern, von
Maitag 1887 (sieben und achtzig) an alljährlich auf Maitag zu vier Prozent zu
verzinsen und wie folgt zu bezalen sind
Fr. 250.-. (zweihundert und fünfzig Franken) mit Maitag 1888 (achtund
achtzig),
„ 1500.-. (eintausendundfünfhundert
Franken) in sechs gleichen, aufeinanderfolgenden Jahreszalungen, daran erste mit Maitag
1890 (neunzig) verfällt, und
„ 8000.-. (achttausend Franken) auf eine
beiden Theilen von Maitag 1895
(fünf und neunzig) an, bis
wohin diese Summe unaufkündbar stehen bleibt, je auf
Maitag oder Martini freistehende, halbjährliche Kündigung hin.
Sollte der Käufer mit der Bezalung des
Zinses oder einer bedungenen KapitalabZalung länger als einen Monat im Rückstand sein, so ist der Verkäufer berechtigt, den ganzen noch ausstehenden Kaufrest ohne weiteres täglich auf ein halbes
Jahr zu künden.
Fr. 13000.-. Summa.
Der Kaufantritt hat stattgefunden.
Gefertigt, Andelfingen, den 9. Mai 1887
Notariatskanzlei Andelfingen:
Jakob Siegfried, Landschreiber
BESIEGELT
Andelfingen, den 15. Juni 1887
75
Vormundschaftsrechnungen für die Erben von Hans Conrad Keller, 28.2.1779 – 25.6.1821
Actum Volken, den 10. Jullj 1821
Prtbhs [presentibus = anwesend] Gemeindammann Hatt und Seckelmeister Schuler, in
Abwartung des Gemeinderaths-Waibel Wegmann
Beschreibung
des
verstorbenen Conrad Keller, Bek und alt
Gemeindammann sel. Verlassenschaft
Hierzu sind rechtmässige Erben:
Die Wittwe
Kinder:
Susanna Gyssler, alt. 32 Jahre
in Zustand ihres Bruders Jakob Gyssler von Volken
Joh. Conrad Keller, alt 4 ½ Jahr
Anna Barbara Keller, alt 3 Jahr
die Kinder sind verbeystandet mit Heinrich Keller
alt Friedensrichter von Volken
da dann vorhanden
an liegenden Gütern lt. Schatzung
„ Fahrniss
„ eingehenden Schulden
4805 fl. 0 s
1506 „ 14 „
4727 „ --_______ _____
11038 fl. 14 s
1903 „ 6 „
_______ _____
Summa aller Activa
Hierauf haften Passiva
So verbleiben liquide Mittel
9135 fl. 8 s
====== ======
Beyliegdr. Beschluss des E. Unter-Waisenamts wegen Reparatur der Kellerschen alt. Gmd.Ammann seel. Behausung
vom Lob. Oberwaysenamt ratificiert
[Anmerkung des Transkribenten: fl = Florin oder Gulden, s = Schilling; 50 Schilling = 1 fl; Batzen = 10
Rappen]]
76
Abschied
Den 20. Jullj 1821 ward vorstehende Beschreibung
vor dem Unterwaisenamt in Gegenwart der Wittwe Susanna
Gyssler in Zustand des Hans Jacob Gyssler von Volken
dessgleichen der Kinder Beystand Heinrich Keller alt Friedensrichter
von da und Hr. Gemeindammann Gyssler von Flaach verlesen
und auf ihres Bezeugen, dass alles richtig angegeben
worden sey, erstinstanzlich abgenohmen, anbey erkennt
dass
1. diese Verlassenschaft nach Inhalt der Inventur, der
Wittwe Susanna Gyssler nach Erbrecht, ohne Schwinnung
des Hauptguth, zur Nutzniessung überlassen, selbiges
in gutem Stand bestens zu unterhalten, wobey sie die
Kinder nach ihrer mütterlichen Pflicht auferziehen und
zu besorgen hat.
2. da die Kinder noch ganz minderjährig, findet das
Unter Waysenamt für zweckmässig, dass die Kleider das
des Erblassers verkauft werden sollen.
3. solle die Wittwe ihrem Schwehervatter Jakob Keller die
Lejbding [Altersunterstützung, -Beitrag] alljährlich auf Martini beförig entrichten
4. wird zu einem vögtlichen Aufseher bestimmt: Hs Jacob Gyssler von Volken
5. solle mit Martini 1822 Rechnung gegeben werden
6. Gebührt dem Unterwaysenenamt an Sitzgeld 14 Franken 6 Batzen
dem Schreiber 2 Frk, dem Weybel 4 Batzen – für Aufnahme
der Beschreibung 5 Frk und für ins Reineschreiben der
Inventur u. Prot. 3 Frk.
Nom. des Unterwaisenamts der Präsident
Hatt
77
Haushaltungs Rechnung
Alt Gemeindammann Konrad Keller selg. Wittwe und
Kinder zu Volken, unter vogtlicher Aufsicht Jakob
Gisler daselbsten
De July 1821 und Martini 1822
Namen und Alter der Wittwe und Kinder
Wittwe
Susanna Gisler
alt
34 Jahr
Kinder
1. Hs. Conrad Keller
“
6 “
2. Anna Barbara Keller
“
5 “
-
Gegenwärtige Activa
5110 Gulden 31 Schilling
an Liegenschaften
1185 Gulden 27 Schilling
an Fahrnissen
5040 Gulden 33 Schilling
an eingehenden Schulden.
11337 Gulden 11 Schilling
Summa aller Activa.
1704 Gulden 26 Schilling
Summa aller Passiva
9632 Gulden 25 Schilling
Liquides
Mithin Vorschlag 497 Gulden 16 Schilling
78
Abschied
Den 19ten Merz 1823 ward vorstehende Rechnung
vom Unterwaysenamt, in Anwesenheit des vogtlichen Aufsehers
Und der Wittwe und Friedensrichter Heinrich Keller als der
Kinder Beystand verlesen – nach aritmetischem richtig befinden
zu Dank abgenohmen – anbey erkannt. –
1. Ist der Wittwe diese Anwartschaft nach Inhalt der
Inventur fehrner überlassen
2. Ist der vögtliche Aufseher in seiner Stelle bestätiget, und soll
mit Martini 1824 Haushaltungs-Rechnung ablegen.
3. Solle die künftige Rechnung in Betreff der Fahrhabe besser
formularisiert werden.
4. Bezieht das Unterwaisenamt pr. Sitzgeld 12 Frk.
der Schreiber 2 Frk. Waybel 4 Batzen.
Vom lobl. Ob.W.amt ratificiert
Nom. des Unterwaysenamts
Gemeinderathschreiber Kramer
79
Haushaltungs Rechnung
Alt Gemeindammann Conrad Keller sel. Wittwe und Kinder zu Volken
unter vogtlicher Aufsicht Hans Jacob Gislers von daselbsten
De Mart. 1823 ad 1824.___________________________________________
Namen und Alter der Wittwe und Kinder
Wittwe:
Susanna Gisler
alt 36 Jahr
Kinder: 1. Hs Conrad Keller
alt 8 Jahr
2. Anna Barbara
7 Jahr
_______________________________________________________________
Gegenwärtige Aktiva
Passiva
Liquides
11799 fl 34 s
1679 fl 24 s
10120 fl 10 s
487 fl 25 s Vorschlag seit letzter Rechnung.
Abschied
Den 25ten Merz 1825 ward vorstehende Rechnung vor Unterwaisenamt
in Anwesenheit des vögtlichen Aufseher und der Wittwe und
Hr Richter Heinrich Keller von Volken als der Kinder Beystand
verlesen nach richtig befinden dem vögtlichen Aufseher zu Dank
abgenohmen anbey erkennt:
1. Gebührt dem vogtlichen Aufseher als Vogtlohn 64 Frk 7 Bz allwo aber
nach des vogtlichen Aufsehers Äusserung dieser ganze Betrag nicht verlangt wird.
2. Ist der vogtliche Aufseher in seiner Stelle bestähtiget und der Wittwe dieses
Wesen ferner überlassen, worauf sie die Kinder mit allem Nöthigen zu
besorgen sich ferner verpflichtet.
3. Solle auf Genehmigung des lobl. Oberwaisenamtes mit Mart(ini) 1828 HausHaltungs-Rechnung abgelegt werden.
4. Bezieht das Unterwaisenamt pr. Sitzgeld 12 Frk, der Schreiber 2 Frk.
und der Weibel 4 Bz.
Nom. des U.W.Amtes
Gemdammann Kramer
Vom lobl. Oberwaisenamt ratificiert.
80
Haushaltungs-Rechnung
für
Conrad Keller alt Gemeindammann Conrad Keller sel.
Wittwe und Kinder unter vögtlicher Aufsicht Hans Jakob Gislers von Volken
de Martini 1825 ad dito 1826___________________________________________
Namen und Alter der Wittwe und Kinder
Wittwe:
Susana Gisler
Kinder: 1. Hs Conrad Keller
2. Anna Barbara Keller
alt 38 Jahr
alt 10 Jahr
9 Jahr
Gegenwärtige Aktiva
An eingehenden Schulden
an Liegenschaften
an Fahrnissen
Tottal
An Passiva gegenwärtig
Liquides
5594 fl
5115 fl
1260 fl
11970 fl
1669 fl
10301 fl
12 s
31 s
27 s
30 s
24 s
6 s
Vorschlag 135 fl 36 s.
Abschied
Den 10ten Aprill 1827 ward vorstehende Rechnung vor U. W.
Amt in Gegenwart des vögtlich Aufsehers und der Wittwe
und Hr. Richter Keller von Volken als nächst Verwandter
verlesen, nach arritmetischem richtig befinden zu Dank abgenohmen anbey erkennt. —
1. ist der vogtliche Aufseher in seiner Stelle bestehtiget und
solle mit Martini 1828 Rechnung ablegen.
2. Ist der Wittwe dieses Wesen zur Benutzung ferner überlassen
alles lt. Inhalt dieser Rechnung
3. Hätte diese Rechnung laut Erkanntnis des Lobl. Oberwaisenamtes
vom 20ten Juny 1825 nach dem Formular Litr. A. gestellt werden
sollen, sowie auch dass die kleineren Activ-Posten hätten eingezogen und unter annähmbarer Versicherung in grössere verwandelt und die grossern Posten, welche nicht versichert, ebenfalls
als wirklich versichert in dieser Rechnung hätten compartieren
sollen.
4. bezieht das U.W.Amt pro Sitzgeld 12 Frk, der Schreiber 2 Fr.
der Wajbel 4 Bz.
Nom. des U.W.Amtes Gmdamman Kramer
Vorstehend Rechnung vom Lobl. Oberwaysenamt mit der Bemerkung
ratificiert, dass dieselbe nach früherer Vorschrift hätte gestellt und begründet werden sollen.
81
Haushaltungs Rechnung
Alt Gemeindeammann Conrad Keller slg. Wittwe und Kinder zu Volken unter
vögtlicher Aufsicht Jakob Gisslers von daselbsten
de Martini 1827 u. dito 1828
________________________________________
Wittwe
Kinder
Namen und Alter der Wittwe u. Kinder
Susanna Gisler
alt 40 Jahr.
1. Joh. Konrad Keller
alt 12 Jahr.
2. Anna Barbara Keller
alt 11 dito.
________________________________________________
Gegenwärtige Activa
An eingehenden Schulden
6240 fr 36 B
an Liegenschaften
5115 fr 31 B
an Fahrnissen
1089 fr 27 B
Tottal
12446 fr 14 B
An Passiva gegenwärtig
1664 fr 32 B
Liquides
10781 fr 22 B
Vorschlag 480 Fr. 16 B
Abschied
Den 13tn Merz 1829 ward vorstehende Rechnung vor Unterwaisenamt in Anwesenheit des vögtlichen Aufsehers und der Wittwe, und Hr. Richter Heinrich Keller als nächst Verwandter verlesen, nach richtig befinden zu
Dank abgenohmen – anbey erkannt.
1. gebühret dem vögtlichen Aufseher als Vogtlohn 68 Fr. 9 Btz 6 Rap. (welcher Betrag zwar von dem
vögtlichen Aufseher nicht vollständig verlangt wird).
2. ist der vögtliche Aufseher in seiner Stelle bestätiget.
3. Da das lobl. Ob.W.amt laut Erkanntnuss vom 20.ten Junj 1825 und 15.ten August 1827 diessfälllige
Rechnung nach dem Formular Litr. A zu stellen befahl, sowie auch dass die kleineren ActivPosten eingezogen und gegen annehmbare Versicherung in grössre verwandelt werden, welche Erkanntniss das U.W.Amt bey Abnahm letzerer Rechnung pflichtgemäss nicht unbeachtet gelassen, so
findet das U.W.amt bey gegenwärtigem Anlass für zweckmässig.
a) dass, da auch in andern Gemeinden unseres Oberamts nach gesetzlicher Anleitung HaushaltungsRechnungen geben werden – auch dieser Vermögensbesitzstand (welcher bis dahin unverkennbar
haushälterisch besorgt worden) sich dahin qualificiere, dass hierüber Haushaltungs- Rechnungen
nach dem Formular Litr. B. gegeben werden können.
b) in betreff der lfd. grösseren und kleineren Activposten bey welchen
für den Bevogteten Schaden oder Verlust zu besorgen wäre,
wird dem vögtlichen Aufseher aufgetragen, dieselben ungesäumt
einzuziehen und wo immer möglich auf versichertem Fuss zinstragend
zu machen.
4. Soll mit Mart. 1830 Haushaltungs-Rechung abgelegt werden.
5. bezieht das Unterwaisenammt 14 Frk. --- dem Schreiber 2 Frk. und dem Waibel 4 Batzen.
Nom. des Unterwaisenamts
Gemeindrathschreiber H. Kündig
Vom lobl. Ob.W.amt mit besondern Bemerkungen ratificirt.
Vide Bemerkung laut Rechnung dem Ob.W.amtlichem Beschluss
Welche aber nachher geändert wurden
82
Haushaltungs-Rechnung
Conrad Keller alt Gmdammans sgl. W. u. Kinder unter vogtlicher Aufsicht Jakob Gisler
von Volken
De M. 1829 bis M. 1833
Wittwe:
Kinder:
Namen u. Alter der W. u. Kinder
Susanna née Gisler alt 45 Jahr
1. Conrad Keller alt 17 Jahr
2. Ana Barbara
alt 16 Jahr
Gegenwärtig Activa
Dito
Passiva
Liquides
10751 fl 18 s
1571 fl 10 s
9180 fl 8 s
Abscheid
1.
2.
3.
4.
Den 9ten Junj 1834 ward vorstehend Rechnung von dem
Gmdrath in Gegenwart des vögtlichen Aufseher der Wittwe und
Frd.richter Keller zu Volken verlesen, nach richtig befinden dem
vögtlichen Aufseher mit Dank und Zufriedenheit abgenohmen,
anbey anerkennt.
hat der vögtliche Aufseher den Vogtlon nicht bezogen
ist derselbe vögtliche Aufseher in seiner Vogtstelle bestetiget
und solle mit Martini 1835 Rechnung ablegen.
Seye dem Vogt aufgetragen die laufende Posten per 800 fl versicheren zu lasen.
Gebührt Gmdrath für jede Rechnungabnahme per Sitzgeld 14 Fr.
6 Bz 8 Rap., dem Schreiber 2 Fr. per Abschied und Protokol, dem Weibel 4 Bz
Nom. des Gemeindraths
Schuler Gmdrathschreiber
Erkantnis des Bezirksrathes
1.
2.
3.
4.
5.
Vorstehende Rechnung wurde in hütiger Sitzung mit folgenden
Bemerkungen von dem Bezirsrath ratifiziert:
ist die Bilanz unregelmässig gezogen worden
Da die Schuldbriefe auf Rudolf Peyer, Konrad Fehr, Ulrich Morgen und Johanes Kramer weder
von dem Erblasser herstammen noch mit waisenamtlicher Bewilligung angelegt wurden, so werden solche nur unter der geleisteten Bürgschaft der Wittwe, des Herrn Untergerichts Präsident
Gisler in Flaach und Frd.richter Keller in Volken anerkant und hat der Gmdrath
den diessfälligen, vom 14ten April 1834 datierten Bürgschaftschein
in Archiv zu verwahren.
Sollen in heutiger Rechnung auf pag. 2 die zu der Güterschatzung berechneten
305 fl 34 s wegen einer neuer Stokmauer wider abgezogen und diese
Baukosten von der Wittwe getragen werden zumahl es natürlich ist,
dass sie als Nutzniesserin der ganzen Verlassenschaft ihres Ehemannes slg.
auch das Haus in gehörigen Stand unterhalten und überdiess
zur Erbauung jener Maur die Consenz der Waisenbehörden nicht
eingeholt wurden.
Soll künftighin zu jeder Geltanlegung die Bewilligung
der Waisenbehörden eingeholt werden.
Ist für die 800 fl haltende laufende Post mit Beforderung ein
Versicherungspro? inzu geben.
Kanzleygebühr 2 Fr. Weibel 2 Bz
Actum Donnerstags den 24. Julj 1834
Vor dem Bezirksrath Andelfingen
Der Actuar
J.J. Hablützel
83
Haushaltungs-Rechnung
von
Jacob Gisler als vögtlicher Aufseher des Alt Gemeindeammans Konrad Keller
Wittwe und Kinder, allerseits von Volken
De Mart(ini) 1834 und 1835
Namen und Alter der Befogteten
Wittwe
Susanna Gisler
alt 47 Jahre
Kinder
Hs Conrad Keller
Ana Barbara Keller
alt 19 Jahre
alt 18 Jahre
Gegenwärtige Activa
An eingehend Schulden
Schatzung der Liegenschaften
Fahrnissen
An Passiva
4565 fl
5115 fl
1069 fl
10750 fl
1570
31
27
18 s
10
9180 fl
8s
Abscheid
Volken d. 16ten April 1836 war vorstehende Rechnung vor dem
Gem.Rath in Gegenwart des Vogt, der Wittwe und Friedensrichter
Keller von da zu Volken verlesen nach richtig befinden dem
Vogt mit Dank abgenohmen, anbey erkent.
1. Gebührt dem Vogt per Vogtlohn 58 Frk 6 Bz.
2. Ist derselbe in seiner Vogtstelle bestetiget und soll derselbe
mit Martinj 1837 wiederum Haushaltungs Rechnung ablegen
3. Da laut Erkantnis des lobl. Bz.rathes hette sollen
305 fl 31 s an der Güterschatzung abgezogen werden,
selbiges aber nicht geschähen ist, wil der Bau von Lobl.
Oberwaisenamt bewilliget worden ist den 17. April und 11. May 1822.
4. Gebührt dem Gmdrath per Sitzgeld 14 Frk 6 Bz 8 Rap,
dem Schreiber 8 Frk Abschied u. Prot., dem Weibel 11 Bz Botenlon
Bescheint im Nam. des Gmdraths
Bz.rathlich ratificiert
Präsident Schuler
84
Haushaltungs Rechnung
für
Alt Gemeindammanns selg. Wittwe u. Kinder zu
Volken unter vögtlicher Aufsich Jakob Gisler von da
De: Marti 1836 ad dito 1837
Nahmen und Alter der Wittwe und Kinder
Wittwe
Susana geb. Gisler
geb.
1789
Kinder
1. Conrad Keller
geb.
1817
2. Barbara Keller
geb.
1818
Gegenwärtige Activa
a. an Capital
b. Schatzung der Liegenschaft
c. dito an Fahrnissen
4565 fl --5115 fl 31
1072 fl 27
Total
An Passiva
Liquides
10753 fl 18 S
1579 fl 10
9180 fl 8 S
Abscheid
Volken den 31ten Merz 1838 ward vorstehende Rechnung vor dem
Gmeindrath in Gegenwart des vögtlichen Aufseher die
Wittwe u. ihren Beystand Frd:richter Keller u. der Vogtknab
Conrad Keller zu Volken verlesen nach richtig befinden.
dem Vogt mit Dank u. Zufriedenheit abgenohmen
anbey erkent.
1. Gebührt dem vögtlichen Aufseher nach gesetzlich
Anleitung per Vogtlon 58 fr. 6 bz.
2. Ist der selbe in seiner Vogtstelle bestetiget.
3. Da lut Bericht des vögtlichen Aufseher die Wittwe nebst ihren
bereits erwachsene Sohn u. Tochter der Gutergewerb in einem
sehr guten Zustand behalten hatt, so hat der Gmd.rath nebst
dem Vogt auf diesen Bericht hin dieser Gutergewerb der Wittwe,
dem Sohn und Tochter wieder überlassen mit bestem Zutrauen.
4. Gebührt dem Gmdrath nach gesetzlicher Anleitung per Sitzgeld
14 Frk 6 Bz. 8 Rap, dem Schreiber 2 Frk u. dem Weibel 4 Bz
Im Namen des Gemeind.raths
Präs. Schuler
Bz.rathliche Ratifiziert ohne Bemerkung d 3. März 1838
Kanzleygebür 2 Fr., Weibel 2 Bz.
Bz.rathschreiber Hablützel
85
Haushaltungs Rechnung
für
Alt Gemeindammanns Conrad Keller slg Wittwe und
Kinder zu Volken unter vögtlicher Aufsicht
Hs Jakob Gisler daselbsten
De Martini 1837 und Martini 1839
Familien
Witwe
Kinder
Susana Gisler geboren 1789
Conrad Keller geboren 1817
Barbara Keller geboren 1818
Gegenwärtige Activa
A
B
C
an Capital
Schatzung der Liegenschaft
dito der Fahrnissen
Total
An Passiva
Liquides
4565 fl -- s
5115 fl 31
1078 fl 27
10759 fl 18 s
1579 fl 10
9180 fl 8 s
Abschied
Den 11 August 1840 ward vorstehende Rechnung vor dem Gmdrath
in Gegenwart des vögtlichen Aufsehers und der Witwe nebst ihrem
Beistand Hr. Richter Keller und der Sohn Gemeindrathschreiber Conrad
Keller verlesen, nach richtig befinden zu Dank abgenohmen, anbei erkent:
1. Gebühret dem vögtlichen Aufseher nach gesetzlicher Anleitung
Vorschrift als Vogtlohn 58 Frk 6 Bz.
2. Da die Witwe nebst ihrem Sohn (Gmdrthschrbr Keller) mit gegenwärtiger Rechnungsabnahme angelegentlich um die Entlassung
von der Vormundschaft angesucht hat der Gmdrath – in
Berücksichtigung,
a) dass zwar wohl das gesetzliche majorene Alter betreffend die
Vogtkinder noch nicht völlig eingetreten ist – dass aber –
b) sowohl der Witwe als auch den Vogtkindern, ein, in jeder
Hinsicht haushälterisches – Betragen nirgends abgeht, so dass
für die Zukunft für dieselben, weder in öconomisch- noch
moralischer Hinsicht auf ihre Existenz auch ohne weitere
Bevogtegung gar keine Besorgniss obwalte, und dass –
c) der Sohn Conrad Keller seit mehr als einem Jahr eine öffentliche Stelle als Gemeindrthschreiber bekleidet und dass –
d) der vögtliche Aufseher in Übereinstimmung mit den Bevogteten
selbst um ihre diesfällige Entlassung angesucht – kein Bedenken gefunden, die Betreffenden auf Rattification, des
Lobl. Bz:rathes, anmit der Vormundschaft zu entlassen und
zwar mit dem Zusatz, dass der vögtliche Aufseher bis
zu erfolgter Ratification dieses Antrages an seiner Stelle werd bleiben.
3. bezieht der Gemmdrath pr. Sitzgeld 5 Frken, der Schreiber
2 Frk 5 Btz., Weibel 4 Btz.
Namens des Gmdrathes
Präsident Kramer
In gegenwärtig eintreffender Verhinderung – für den
Gmdrathschreiber
Gmdrath Conrad Erb
86
Schluss-Haushaltungs-Rechnung
Alt Gemeindammanns Conrad Keller slg. Wittwe
und Kinder zu Volken unter vögtlicher Aufsicht
des Hs Jakob Gissler von daselbsten
Mart. 1840 u. 1841
Nahmen u. Alter der Wittwe u. Kinder
Wittwe
Kinder
Susana Gisler
Hs. Conrad Keller
Anna Barbara Keller
geb. 1789
geb. 1817
geb. 1818
Activa
An Capital
An Liegenschaften
An Fahrnussen
Summa
Passiva
Liquides
4565 fl
5115 fl 31 s
1090 fl 27 s
10771 fl 18 s
1591 fl 10
9180 fl 8 s
Den 30ten Merz 1842 wurde vorstehende
Schlusssrechnung vor dem Gmdrth in Anwesenheit
des Vogts, der Wittwe nebst ihren Beystand Frd.
Richter Keller u. dem Sohn Hr Seckelmeister Conrad
Keller, mit Zustimmung nahmens der Tochter, ihr
Eheman Hr. Hs Jakob Wipf von Trüllikon verlesen
u. nach richtig befinden mit Dank abgenohmen,
anbey erkannt.
1. Gebührt dem vögtlicher Aufseher, Vogtlohn 58 Frk
2. Da die Bevogteten ihre Majorenitet erreicht
u. um Entlassung der Vormundschaft angesucht,
so wird hierseits erstinstanzlich ihrem Gesuch
entsprochen.
3. Nach eingegangener Rativication des Löbl. Bez:Rathes
sollen die gesetzlichen Empfangsbescheinigungen von den
Vögtlingen ausgestellt werden.
4. bezieht der Gmdrth pr Sitzgeld 5 Frk., der Schreiber
2 Frk. 5 Bz. und der Weibel 4 Bz.
Im Namen des Gmdrths
Der Schreiber Hatt
Vom löbl Bez:Rath rativiciert
den 30ten Merz 1842.
87
Kantonale Gebäudeversicherung
Liste der versicherten Gebäude von J.C. Keller
88
89
Häuserliste der Kantonalen Gebäudeversicherung
Weintrotte
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