Die Rosenkranz- Sonaten

Transcription

Die Rosenkranz- Sonaten
Freitag, Samstag, Sonntag,
4., 5. und 6. Oktober 2013
jeweils 19 Uhr
Predigerkirche Basel
Zyklus mit drei Konzerten:
Die RosenkranzSonaten
von Heinrich Ignaz Franz von Biber
(1644–1704)
Eva Saladin, Katia Viel, Anaïs Chen,
Barockvioline
und Basso continuo-Gruppen
Eintritt frei, Kollekte
Die Gründe für diesen Zyklus der Rosenkranz-Sonaten zu dieser Jahreszeit an diesem
Ort sind:
• die Feier des Rosenkranzfestes in der
Katholischen Kirche am 7. Oktober;
• die enge Verbindung der Rosenkranz-Tradition mit dem Dominikaner-Orden und
dessen Gründer, dem Hl. Dominikus,
sowie der Tatsache, dass die Prediger­
kirche die Kirche des Basler Domini­kaner­
klosters war;
• die Präsenz der sehr gut zu diesem
Repertoire passenden italienischen Orgel,
über die, dank der Grosszügigkeit von
Jean-Claude Zehnder, die Predigerkirche
verfügt;
• die Bedeutung dieser Sonaten und besonders der Passacaglia für das «obligatorische» Repertoire junger Barockgeiger/
innen heute. Die Passacaglia ist das wichtigste Werk für Violine solo vor Bachs
berühmter Chaconne. Damit alle drei
Geigerinnen die Chance haben, sich mit
diesem grossen Werk Bibers zu beschäftigen, ist es in allen drei Programmen zu
hören.
Zu den Konzerten sind in einer Vitrine besonders schöne Exemplare von Rosenkränzen aus
vergangener Zeit zu betrachten. Wir danken
der befreundeten Leihgeberin sowie den Leihgebern der Vitrine vielmals!
Inhalt
Die Rosenkranz-Sonaten
5
Urs-Beat Frei
Der Rosenkranz 6
Die Freudenvollen Mysterien 9
Peter Benary
Marienandacht und Geigenvirtuosität
Die Rosenkranz-Sonaten
von Heinrich Ignaz Franz Biber
10
Die Schmerzhaften Mysterien
19
Andreas Heinz
Die Entstehung des Rosenkranzes
20
Die Glorreichen Mysterien
29
Die Geigerinnen:
Eva Saladin
Katia Viel
Anais Chen 36
36
38
41
Unser nächstes Konzert:
42
Die (gekürzten) Texte von Peter Benary, Stephan Jäggi und
Andreas Heinz entstammen dem Buch DER ROSENKRANZ – Andacht, Geschichte, Kunst, hrsg. von Urs-Beat
Frei und Fredy Bühler. Benteli-Verlag Bern, 2003.
Wir danken dem Verlag und den Autoren herzlich für die
Abdruck-Genehmigung
Dieses Projekt wurde ermöglicht durch Förderbeiträge der
Irma Merk Stiftung und der August Pickhardt Stiftung.
Ihnen sind wir für ihre Unterstützung zu besonderem Dank
verpflichtet.
Die Abbildungen stammen aus der Bayerischen Staats­
bibliothek, München
3
Heinrich Ignaz Franz von Biber
(1644–1704)
Die Rosenkranz-Sonaten
Konzert:
Sonaten 1–5 und Passacaglia
Freitag, 4. Oktober 2013, 19 Uhr,
Predigerkirche Basel
Eva Saladin, Violine
Johannes Keller, Cembalo
María González, Orgel
Tore Eketorp, Violone
Konzert:
Sonaten 6–10 und Passacaglia
Samstag, 5. Oktober 2013, 19 Uhr,
Predigerkirche Basel
Katia Viel, Violine
Johannes Keller, Cembalo und Orgel
Ori Harmelin, Laute und Theorbe
Soma Salat-Zakariás, Viola da
gamba und Violone
Die Umstimmungen der Violine für die
Sonaten 2-15 (nur für Nr. 1 und Nr. 16, die
Passacaglia, ist die Violine normal (G–d-a-e)
gestimmt):
4
Konzert:
Sonaten 11–15 und Passacaglia
Sonntag, 6. Oktober 2013, 19 Uhr
Predigerkirche Basel
Anaïs Chen, Violine
María González, Cembalo und Orgel
Johannes Keller, Cembalo und Orgel
Juan Manuel Quintana, Viola da
gamba
5
Urs-Beat Frei
Der Rosenkranz
Am Rosenkranz scheiden sich die Geister –
seit seiner Entstehung im Mittelalter bis heute:
Kein anderes Gebet der Christenheit hat eine
derart spannende, vielfältige und wechselvolle
Geschichte wie diese meditative und repetitive Frömmigkeitsübung. Indes, kaum jemand
kennt diese Geschichte. Einerseits hängt das
damit zusammen, dass die wissenschaftliche
Forschung erst seit wenigen Jahrzehnten
sich ihrer annimmt. Andererseits aber erklärt
sich diese Tatsache auch dadurch, dass der
Rosenkranz in der modernen westlichen Welt
zunehmend ein Nischendasein führt und für
viele Menschen zum Zeichen für Traditionalismus und Antimodernität geworden ist oder
aber zum inhaltsleeren Modeaccessoire.
Abgesehen davon, dass es Rosenkränze
sowohl als schlichte Andachtsketten für den
täglichen Gebrauch als auch in Form kostbarster Schmuckstücke gibt, hat diese Frömmigkeitsübung im Laufe der Jahrhunderte in den
unterschiedlichen Künsten einen vielfältigen
Niederschlag gefunden. Bei genauerem Hinsehen kann man tatsächlich sagen, dass der
Rosenkranz geradezu als die Meditationsform
des westlichen Christentums zu gelten hat
und zahlreiche Bereiche der abendländischen
Kultur entscheidend mit beeinflusste.
Das Gebet, die Meditation mit der Kette ist
freilich eine in fast allen Religionen verbreitete
Praxis: Hinduismus, Buddhismus und Islam
kennen sie ebenso wie das Christentum.
Die mantrische wie imaginierende fromme
Versenkung stellt eine spezifische Weise des
Transzendenzbezugs dar. Die Perlenschnur
als ‚Zählgerät‘ erweist sich gewissermassen
als greifbare Verbindung zum Himmel. Ihre
Symbolik ist so einfach wie tiefgründig, die
Tradition so alt wie universal.
Der Rosenkranz ist die christliche Konkretisierung dieses archetypischen Vollzugs. Aufgekommen lange vor der Reformation, besass
er in den Anfängen ganz unterschiedliche
Ausprägungen. Die Kritik der Reformatoren
trug dann bei zur Herausbildung der seit Ende
des 16. Jahrhunderts verbreiteten, heutigen
Form. Als Signum des Katholischen wurde
er auch zum Kampfmittel gegen alle religiösen Feinde, wobei dieser Aspekt durch den
vorletzten Papst eine Korrektur erfahren hat:
Johannes Paul II bezeichnete den Rosenkranz
als Gebet für den Frieden. Indem er ihm fünf
weitere ‹Geheimnisse› hinzufügte, die das
öffentliche Wirken Jesu betreffen, wurde auch
die spätmittelalterliche Zentriertheit auf das
Leiden des Erlösers aufgebrochen.
6
7
1.Konzert
Freitag, 4. Oktober 2013, 19 Uhr
Die Freudenvollen Mysterien
Eva Saladin, Violine
Generalbass:
Johannes Keller, Cembalo
María González, Orgel
Tore Eketorp, Violone
Einführung: Urs-Beat Frei, Luzern
Passacaglia in g-moll
«Der Schutzengel»
Sonate I in d-moll
«Die Verkündigung Mariae»
Praeludium
Aria allegro, Variatio
Finale
Sonate II in A-Dur
«Marias Besuch bei Elisabeth»
Sonata
Allamanda
Presto
Sonate III in h-moll
«Christi Geburt, Anbetung der Hirten»
Sonata
Courente, Double
Adagio
Sonate IV in d-moll
“Christi Darstellung im Tempel”
Ciacona
Sonate V in A-Dur
«Der zwölfjährige Jesus im Tempel»
Praeludium
Allamanda
Guigue
Sarabanda, Double
8
9
Heinrich Ignaz Franz Biber – 1644 im nordböhmischen Wartenberg bei Reichenberg
(heute Liberec) geboren, 1704 in Salzburg
gestorben – hat in mehrerlei Hinsicht musikgeschichtliche Bedeutung gewonnen: Er war
im ausgehenden 17. Jahrhundert der bedeutendste Violinist und neben Georg Muffat
(1653–1704) der bedeutendste Komponist im
süddeutsch-österreichischen Raum. Biber hat
die Technik des Violinspiels (mehrstimmiges
Spiel, Skordatur; siehe unten) wesentlich
bereichert. Innerhalb seines geistlichen und
weltlichen, vokalen wie instrumentalen
Schaffens ragen die früher Orazio Benevoli
(1605–1672) zugeschriebene, 53-stimmige (!)
Missa Salisburgensis (1682?) und die Rosenkranz-Sonaten hervor.
Biber, Sohn eines «Schützen», das heisst
eines in gräflichen Diensten stehenden Jägers,
gelangte dank Begabung und Ehrgeiz im
Laufe seines Lebens zu bemerkenswerter
Anerkennung und hohen Ehren. Wo er seine
musikalische Ausbildung erhielt, ist unbekannt. Möglicherweise war er ein Schüler von
Johann Heinrich Schmelzer (um 1620–1680) in
Wien, der als Violinist einen vorzüglichen Ruf
genoss. Jedenfalls standen Biber und Schmelzer in persönlichem Kontakt. Belegt ist Biber
sodann als Musiker der Kapellen am erzbischöflichen Hof von Olmütz und Kremsier.
Aus unbekannten Gründen empfahl Biber
sich hier 1671 insalutato hospite, also «auf
Französisch», zu Gunsten einer Anstellung am
Hof des Erzbischofs von Salzburg, Maximilian
Gandolph Graf zu Khuenburg, zunächst als
musicus und cubicularius (Kammerdiener),
dann als Magister der Domsingknaben. 1678
wurde er zum Vizekapellmeister, 1684 zum
Hauptkapellmeister ernannt. 1690 wurde
ihm – was er mit einigen Eingaben anstrebte
– durch den musikliebenden Kaiser Leopold
I. der persönliche Adel verliehen; fortan
nannte er sich von Bibern; zudem wurde ihm
1692 der angesehene Titel eines Truchsess
verliehen. Über mehrere Kunstreisen, die
Biber unternahm, wissen wir nichts Näheres.
1695 trat er (wie viele Hofmusiker) der Heilig-Kreuz-Bruderschaft bei. Nach seiner Heirat
mit einer begüterten Salzburgerin war er
erfolgreich um weiteren Wohlstand bemüht.
In einem Gesuch erbat er «ein örthl oder
Grundstück nächst dem Frauenkloster Loreto.
(…) Zu einem Gärtl, damit ich eine wenige
Distinction, auch zu meinem Studio musicalis eine Diversion habe.» Daraus spricht fast
schon das Selbstverständnis eines freischaffenden Musikers, wie es eigentlich erst im
Vorfeld der Französischen Revolution aufkam.
Bibers Rosenkranz-Sonaten sind um das Jahr
1675 entstanden. Als kalligraphische Handschrift (Staatsbibliothek München, Mus. Ms.
4123) – ein Geschenk an den Salzburger Erzbischof – erfuhren sie weder Abschriften noch
eine Drucklegung. Ein Erstdruck erfolgte erst
1906 in der Reihe «Denkmäler der Tonkunst in
Österreich». Der undatierten lateinischen Widmung an den Empfänger geht kein Titelblatt
voraus. Ob es verloren ging oder nie existierte,
ist ungewiss. Daher wurden die Werke auch
als Marien- oder Mysteriensonaten bezeichnet. Der Bezug auf Rosenkranz-Andachten
geht jedoch aus dem Widmungstext eindeutig
hervor; auch ist jeder Sonate eine ins Manuskript eingeklebte Kupferstich-Vignette vorangestellt, die sich auf die drei mal fünf «Gesätze» (Mysterien) aus dem Leben Jesu und Mariä
beziehen. Es handelt sich um fünfzehn meist
drei- oder viersätzige Sonaten für Violine und
Generalbass nebst einer Passacaglia für Violine
solo, die, wie die ihr vorangestellte Vignette
zu erkennen gibt, für das Fest der hll. Schutzengel (2. Oktober) bestimmt ist, das 1667, also
kurz vor Bibers Sonaten, durch Papst Clemens
IX. eingesetzt wurde. Diese Passacaglia ist vor
J. S. Bachs Ciacona (letzter Satz der Partita
d-Moll von 1720, BWV 1004) die umfangreichste und bedeutendste Komposition für
unbegleitete Violine. Die 65 Variationen des
viertönigen Ostinato-Themas – als solches
ein barockes Gemeingut – stellen in virtuoser
Hinsicht hohe Ansprüche.
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11
Peter Benary
Marienandacht und Geigenvirtuosität
Die Rosenkranz-Sonaten von
Heinrich Ignaz Franz Biber
Dass Biber in seine Sonaten auch Tanzsätze
wie Allemande, Sarabande oder Gigue einbezogen hat, braucht nicht zu irritieren. Eine andere Sonatensammlung hat er ausdrücklich als
tam aris, tam aulis servientes bezeichnet, also
am Altar wie am Hofe zu gebrauchen. Gattungsgeschichtlich verloren am Ende des 17.
Jahrhunderts die Sonata da chiesa (Kirchensonate) und die Sonata da camera (Kammersonate) ohnehin ihre deutliche Abgrenzung; auch
waren geistlich und weltlich in der damaligen
musikalischen Aufführungspraxis nicht strikt
getrennt. Zweifellos hat Biber in den Widmungstext in ebenso kunst- wie absichtsvollem Latein mancherlei hineingeheimnisst. In
deutscher Übersetzung lautet er:
«Hocherhabener und verehrungswürdigster Fürst,
allermildester Herr! Die Komposition, die ich der
Sonne der Gerechtigkeit und dem makellosen
Mond gewidmet habe, überreiche ich Dir als dem
dritten Licht, das Du von den beiden göttlichen
Gestirnen empfangen hast. Denn glänzend als
Sohn in heiliger Würde verteidigst Du als Unvermählter die jungfräuliche Würde der Mutter. Daher
wirst Du von Christus, dem Sohn, zum Lohn mit
himmlischem Manna genährt und von Maria, der
Mutter, mit Gnaden erfreut. Diese hat den ersten
Buchstaben ihres glückseligsten Namens genommen
und ihn Deinem erhabenen Namen vorangestellt.
So verherrlichte Maria Maximilian. Du wirst meine
mit vier Saiten bespannte und in fünfzehnfachem
Wechsel gestimmte „Chelys“ (s.v.w. Saiteninstrument, s. u.) in verschiedenen Sonaten, Präludien,
Allemanden, Couranten, Sarabanden, Arien,
Ciaconnen, Variationen, etc. samt Basso continuo
vernehmen, die mit viel Fleiss und, soweit ich es
vermochte, mit grosser Kunstfertigkeit ausgearbeitet
wurden. Wenn Du den Grund für die Zahlen wissen willst, werde ich ihn Dir erklären: All dies habe
ich zur Ehre der heiligen fünfzehn Geheimnisse
geweiht, die Du auf das Leidenschaftlichste fördern
mögest. Deiner Hoheit überreiche ich kniefällig
dies alles als untertänigster Diener Henr. Ignat.
Franciscus Biber.»
Man hat in diesen Text viel, vielleicht allzu
viel hineingelesen. Fraglos ergibt sich die
Bestimmung des Werkes: Haec omnia Honori
XV. Sacrorum Mysteriorum. Ein Hinweis auf
numerale Bedeutungen enthält die Formulie-
rung Causam si numeri scire velis enueclabo. Auch
enthält der Text auffallend viele Zahlwörter.
Im Schriftbild hebt Biber das M von Mater,
Maria, Mysterium and Maximilian (Vorname
des Erzbischofs) hervor. Ebenso weist er auf
die Rolle der Skordatur (siehe unten) als eine
Besonderheit hin. Die Anrede des Widmungsempfängers als Sonne der Gerechtigkeit und
als Mond ohne Makel (Soli iustitiae et Lunae sine
macula) stellt diesen als drittes Licht (Tibi tertiae
Luci) neben Christus (Sol) und Maria (Luna).
Zur ars inveniendi der Musik des Hochbarock
gehören Bezugnahmen auf die Rhetorik, auf
den Symbolgehalt von Zahlen, auf Bildhaftigkeit des Notentextes und des Klanggeschehens, auf die Nachahmung hör- oder sichtbaren Geschehens und auf die Affektdarstellung.
Mit unterschiedlicher Deutlichkeit lassen
sie sich in Bibers Sonaten nachweisen. Zur
Nachahmung gab naturgemäss das Geschehen
der Kreuzigung am meisten Anlass. So werden
in der 7. Sonate das Einschlagen der Nägel
ins Kreuz und die Schläge der Geisselung
eindrucksvoll in Klang gesetzt. Der Affekt der
Trauer kommt am intensivsten im einleitenden Lamento der 6. Sonate zum Ausdruck. Ob
man im Auf und Ab der Skalen und Arpeggien
der 1. Sonate das Rauschen der Schwingen
Gabriels erkennt, darf subjektivem Eindruck
überlassen bleiben.
Auf numerale Bedeutungen weist, wie gesagt,
Biber selbst hin, ohne jedoch konkret zu
werden, abgesehen von den vier Saiten und
den fünfzehn Skordaturen. Der Mysterienbegriff hat zusätzlich zu zahlensymbolischen
Deutungen veranlasst. Da aber allen Zahlen
wenigstens von 1 bis 12 ein christlich-biblisch-theologischer Symbolgehalt eigen ist,
von denen einige zwei- oder dreifach und
nicht immer widerspruchsfrei besetzt sind,
und mit den fünfzehn «Gesätzen» sowie der
Zahl der Rosenkranzperlen und -gebete sich
das Angebot zu zahlensymbolischen Deutungen und Spekulationen beträchtlich erhöht,
bleiben diesbezügliche Feststellungen und
Vermutungen letztlich unverbindlich. So ist
es beispielsweise fraglich, ob das fünftönige
Ostinato der Aria in der 10. Sonate (Kreuzigung) auf die fünf Wunden Christi deutet.
12
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Auffälligerweise bleibt die Marienzahl Sieben
kompositorisch offenbar unberücksichtigt,
sogar in der der Krönung Mariä gewidmeten
15. Sonate.
Ein anderer Hinweis im Widmungstext gilt
der Skordatur. Darunter versteht man die
Umstimmung der vier Saiten der Geige (g, d’,
a’, e”). Sie dient dazu, mehrstimmiges Spiel
in entlegenen Tonarten zu erleichtern und
klangfarbliche Wirkungen zu erzielen. Schon
J. H. Schmelzer hat die Skordatur angewandt.
Im Ausmass der Skordatur-Anwendung und
deren künstlerischer Begründung sind Bibers
Sonaten ein Unikum. Für jede Sonate schreibt
er eine andere Einstimmung vor. Die abschliessende Passacaglia kehrt zur normalen
Saitenstimmung zurück. Die für die 11. Sonate
(Auferstehung) gewählte, geradezu bizarre
Skordatur g-g’-d’d” hat (dank der erhöhten
Obertönigkeit der in Oktaven gestimmten
benachbarten Saiten) eine klangliche Helle zur
Folge, die zweifellos inhaltsbezogen beabsichtigt war.
Die Frage, warum Biber in den Rosenkranz-Sonaten eine derart extreme Anwendung der Skordatur für angebracht gehalten
hat, lässt sich nur vermutungsweise beantworten, wenn auch dadurch gestützt, dass
es sich um eine über rein geigerische Belange
hinausgehende Absicht gehandelt haben
muss. Andernfalls hätte Biber im Widmungstext kaum ausdrücklich auf die «in fünfzehnfachem Wechsel gestimmte Geige» (chelys,
griech. Leier, als Sammelname für Saiteninstrumente um 1670 noch bekannt) hingewiesen.
Eine Antwort könnte lauten: Wie die als solche beibehaltenen vier Saiten immer wieder
neu zueinander in Beziehung gesetzt werden,
so bedenkt das Rosenkranz-Gebet immer
wieder neu das Marienmysterium. Oder: zum
marianischen Mysterium korrespondiert das
musikalische «Geheimnis» der Nicht-Übereinstimmung von Notation und Klang.
Die Frage, ob Bibers Rosenkranz-Sonaten
einen Zyklus darstellen, hängt von einer
engeren oder weiteren Definition des Begriffs
Zyklus ab, aber auch davon, ob man den
inhaltlichen Zusammenhang, aufführungspraktische oder kompositorische Aspekte
in den Vordergrund rückt. Der inhaltliche
Zusammenhang ist unbezweifelbar. Inwieweit Biber dem Zyklischen auch gestalterisch
gerecht werden wollte, ist nicht eindeutig
zu beantworten. Die Tonartfolge innerhalb
der Sonaten insgesamt wie innerhalb der
drei Gruppen zu je fünf Sonaten lässt keine
bewusste Disposition erkennen. Eine solche
wäre aber das nächstliegende Mittel zu einer
zyklischen Gesamtanlage gewesen. Auch dass
der Schluss der 15. Sonate keine bewusst angestrebte Finalwirkung erkennen lässt, spricht
gegen eine zyklische Anlage des Werkganzen.
Die abschliessende Passacaglia kehrt zwar zur
Saitenstimmung der 1. Sonate zurück, gehört
aber, streng genommen, nicht mehr zur Rosenkranz-Thematik. Man hat die Aufeinanderfolge der Tonarten g-Moll / G-Dur von der 10.
(Kreuzigung) zur 11. Sonate (Auferstehung)
inhaltsbezogen als Aufhellung verstehen wollen; doch ist zu bedenken, dass diese beiden
Sonaten in zwei verschiedenen Fünfergruppen
stehen und dass Biber andere Molltonarten,
sogar so entlegene bzw. seltene wie h-Moll
(3. Sonate: Christi Geburt) offensichtlich nicht
inhalts- oder affektbezogen gewählt hat. Ohnehin kam der affektive Gegensatz von Durund Molltonarten erst um 1700 auf.
Zitate aus Vokalmusik können als Verweis
auf vertonte Texte der inhaltlichen Konkretisierung dienen. Biber hat selbst auf den
Oster­hymnus Surrexit Christus hodie in der 11.
Sonate (Auferstehung) hingewiesen. Er tritt als
cantus firmus unverstellt zutage. Dagegen ist
die behauptete Motivverwandtschaft zwischen dem Ostinato der 10. Sonate (Kreuzigung) – g-fis-g-a-b – und dem Lied Puer natus
in Bethlehem klanglich versteckt; auch will
der Liedtext zum Thema Kreuzigung wenig
passen.
Was die seinerzeitige Wiedergabe der Sonaten
anbelangt, so ist anzunehmen, dass je eine
Sonate, von Biber gespielt, im Rahmen von
fünfzehn Rosenkranz-Andachten erklungen
ist, die unter dem Patronat des Erzbischofs
jeweils im Oktober abgehalten wurden. Auch
diese zeitliche Streuung hat Biber vermutlich
zu keiner zyklischen Anlage des Ganzen
veranlasst. – Heute kommt eine konzertan-
14
15
te Wiedergabe einzelner Sonaten (oder der
Passacaglia) in Betracht, zumal die inhaltliche
Bezugnahme auf das jeweilige Mysterium in
den meisten Fällen und für den heutigen Spieler und Hörer so unverbindlich ist, dass man
von ihr absehen kann.
Das Aufblühen der eucharistischen und
marianischen Frömmigkeit in der nach-tridentinischen Zeit hatte die Einführung neuer
Gottesdienstformen zur Folge, die unter dem
Begriff der Andacht zusammengefasst werden
können. Sie waren an keine einheitliche Liturgie gebunden. Bibers Rosenkranz-Sonaten
stehen in ihrem Umfang und ihrer Bestimmung sowie im Blick auf die (im Vergleich
mit evangelischer Kirchenmusik) geringe Rolle
der Instrumentalmusik im kirchlichen Bereich
ausserhalb der etablierten Gattungen der
(katholischen) Kirchenmusik. Allenfalls könnte
man das Fehlen gesungener Texte durch die
inhaltliche Bindung an die «Gesätze» als kompensiert verstehen.
Mit Andacht und Virtuosität ist die Spannung
umschrieben, die zwischen Bibers Sonaten als
musikalischen Kunstwerken und ihrer Bestimmung im Rahmen von Rosenkranz-Andachten
besteht, eine Spannung, die im kompositorischen Vorhaben von vornherein enthalten
war, insofern Biber sich seinem Dienstherrn
primär als Musiker, als Geiger und Komponist
empfehlen wollte, dies aber mit einer Komposition tat, die für die von jenem geschätzten
Rosenkranz-Andachten bestimmt war. An
Bibers Frömmigkeit zu zweifeln, besteht
kein Anlass, doch gilt es sich klar zu machen,
dass Andacht sich in Instrumentalmusik, also
textlos, allenfalls episodisch zum Ausdruck
bringen lässt, nicht aber im Zusammenhang
von fünfzehn Sonaten oder auch nur in dem
einer einzigen mehrsätzigen Sonate. Andacht
ist kein der Musik zugänglicher Affekt. Daraus
erklärt sich, dass Bibers Sonaten ihren künstlerisch-ästhetischen Rang am deutlichsten
dort zu erkennen geben, wo primär musikalische Momente im Vordergrund stehen und
nicht ihre Funktion als Andachtsmusik. Diese
musikalischen Momente manifestieren sich
in geigerischer Virtuosität, in der stilistischen
Einheitlichkeit und Eigenart des Werkganzen
sowie in den erwähnten konkretisierenden
Bezugnahmen auf die Inhalte der Mysterien.
Daher wäre es verfehlt, von Programmmusik
zu sprechen. Freilich erlaubt dieser Begriff
(ähnlich wie Zyklus) unterschiedlich eng oder
weit gefasste Definitionen.
Trotz dieser Spannungsfaktoren darf man
in Bibers Rosenkranz-Sonaten einen einzig­
artigen Beleg für ein Gleichgewicht zwischen
geistlichen und musikalischen Intentionen
sehen. Das Fehlen einer liturgischen Vorgabe
und eines zu vertonenden Textes erlaubte es
Biber oder legte es ihm sogar nahe, sich mit
dem religiösen Thema und Anlass zu identifizieren.
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17
Aus: Urs-Beat Frei, Fredy Bühler:
Der Rosenkranz. Andacht – Geschichte – Kunst,
Bern 2003, S. 241–247)
2.Konzert
Samstag, 5. Oktober 2013, 19 Uhr
Die Schmerzhaften Mysterien
Katia Viel, Violine
Generalbass:
Johannes Keller, Cembalo und Orgel
Ori Harmelin, Laute und Theorbe
Soma Salat-Zakariás, Viola da
gamba und Violone
Sonate VI in c-moll «Der Blutschweiss»
Lamento, Presto, Adagio, Presto
(Ohne Bezeichnung)
Adagio
Adagio
Sonate VII in F-dur «Die Geisselung»
Allemande
Variatio
Sarabande
Variatio
Sonate VIII in B-dur «Die Dornenkrone»
Sonata: Adagio, Presto, Adagio
Gigue
Double, Presto
Double II
Sonate IX in a-moll «Der Kreuzweg»
Sonata
Courante, Double
Finale
Sonate X in g-moll «Die Kreuzigung»
Praeludium
Aria – Variatio (1–5)
Adagio
Passacaglia in g-moll
«Der Schutzengel»
18
19
Andreas Heinz
Die Entstehung
des Rosenkranzes
Das bekannteste und weltweit verbreitetste
katholische Volksgebet ist auch zu Beginn
des dritten Jahrtausends der christlichen
Ära noch immer der Rosenkranz. Es spricht
für die ungebrochene Wertschätzung dieser
Gebetsform, dass Papst Johannes Paul II. dem
Rosenkranz neuerdings ein eigenes Apostolisches Schreiben gewidmet hat. «Der Rosenkranz, in seiner ganzen Bedeutung wieder neu
entdeckt», heisst es darin, «führt ins Herz des
christlichen Lebens selbst hinein.»
Die Dominikus-Legende
Unter den katholischen Ordensgemeinschaften haben vor allem die Dominikaner den
Rosenkranz verbreitet und gefördert. Sie taten
das mit besonderem Eifer, weil sie überzeugt
waren, dass ihr Ordensstifter, der 1221 in
Bologna verstorbene hl. Dominikus, auch der
Stifter des Rosenkranzes gewesen sei. So stand
es bis zur Reform der Stundenliturgie nach dem
Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965)
am «Rosenkranzfest» (7. Oktober) auch im
Römischen Brevier zu lesen. Die uns dort begegnende fromme Überlieferung besagt, Maria
sei dem Predigermönch Dominikus, als er in
Südfrankreich gegen die Sekte der Albigenser
auftrat, erschienen und habe ihm als wirksame
Waffe gegen die Irrgläubigen den Rosenkranz
geoffenbart. Dominikus habe daraufhin dieses
Gebet im Volk verbreitet. Dann wird die Art
des Gebets näher beschrieben: «Der Rosenkranz ist eine bestimmte Gebetsform, bei der
wir 15 Zehnergruppen von ‹Gegrüsset seist du,
Maria›, die jeweils durch ein dazwischengeschobenes Vaterunser voneinander abgesetzt
werden, unterscheiden. Und bei jeder [Zehnergruppe] bedenken wir in frommer Betrachtung
je ein Geheimnis unserer Erlösung.» Demnach
hätte also der Rosenkranz in seiner heutigen
Gestalt schon in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts seinen Anfang genommen. Er wäre
gleichsam fertig vom Himmel gefallen, und sein
erster Förderer wäre der grosse hl. Dominikus
gewesen.
20
Spätestens seit den Forschungen von Pater
Thomas Esser, ausgerechnet einem Dominikaner, deren Ergebnisse er selbst in den
Jahren um 1900 der gelehrten Welt mitgeteilt
hat, war es zumindest in Fachkreisen klar,
dass die fromme Tradition von der Rosenkranzspende der Mutter Gottes an den hl.
Dominikus endgültig in das Reich der Legende gehört. Daran ändert auch nichts, dass
diese Überlieferung wiederholt in päpstlichen
Rosenkranz-Enzykliken, in der Brevierlesung
des Rosenkranzfestes, in zahllosen Andachtsbüchern und auf vielen Altarbildern ihren
liturgischen, literarischen und künstlerischen
Niederschlag gefunden hat. Erst Papst Paul
VI. hat in seinem Apostolischen Schreiben
über die Marienverehrung vom 2. Februar
1974 darauf verzichtet, den hl. Dominikus
mit den Anfängen des Rosenkranzes in Verbindung zu bringen.
In den letzten Jahrzehnten sind wichtige
Beiträge zur Entstehungsgeschichte des
heutigen Leben-Jesu-Rosenkranzes erschienen. Die materialreiche Quellenuntersuchung
des Essener Jesuiten Karl Joseph Klinkhammer und die Trierer Dissertation von Rainer
Scherschel haben eindrucksvoll die Grundthese von Thomas Esser OP († 1926) bestätigt:
Zwar gab es zu Lebzeiten des Ordensstifters
Dominikus schon den Brauch, eine Reihe
von 150 oder 50 Ave Maria zu beten und
diese Mariengrüsse auch mit Hilfe einer
Perlenschnur zu zählen. Aber wenn man im
Sinne der oben angeführten kirchenamtlichen
Definition den Rosenkranz als Meditation der
«Mysterien unserer Erlösung» versteht, war
der «Ave-Fünfziger» (50 Ave Maria) oder der
«Marienpsalter» (150 Ave Maria) noch nicht
der eigentliche Rosenkranz. Begreift man
den Rosenkranz richtig als christozentrisches
Meditationsgebet, sind seine Anfänge dort zu
suchen, wo man begonnen hat, das Wiederholungsgebet des Ave Maria konsequent mit
Betrachtungspunkten aus dem Leben Jesu,
den sogenannten Geheimnissen oder Gesätzen, zu verbinden. Erst die Kombination
dieser beiden Grundbausteine markiert die
Geburtsstunde des Leben-Jesu-Rosenkranzes.
[…]
21
Albrecht Dürer, Das Rosenkranzfest (1506),
Prag, Nationalgalerie (aus: Wikimedia commons), Links im Hintergrund: Der Hl. Dominikus
22
23
Der Name «Rosenkranz»
Das Grundgerüst des [Leben-Jesu-] Rosenkranzes, die Reihe von 50 Ave Maria, fanden die
Trierer Kartäuser zu Beginn des 15. Jahrhunderts schon voll ausgebildet in der Gebetstradition vor. Adolf von Essen [+1439] empfahl
den Ave-Fünfziger dem jungen Novizen
Dominikus [von Preussen, +1460] als tägliche
Gebetsübung. Aus dem Mund seines Priors
wird Dominikus auch manche der ebenfalls in
der Tradition schon vorhandenen werbenden
Rosenkranz-Exempla gehört haben, welche
die wunderbaren Wirkungen dieses Gebetes
rühmten und durch einprägsame Erzählungen
von der bessernden Kraft der Ave-Reihe für
ihre Verbreitung warben. Auch den besonderen Namen für die 50 aneinandergereihten
Mariengrüsse brauchten die Trierer Kartäuser
nicht zu erfinden. Der Versuch Klinkhammers,
Adolf von Essen als denjenigen zu erweisen,
dem der Name «Rosarium – Rosenkranz» zu
danken sei, ist abwegig. Wie die Schriften des
Dominikus von Preussen klar erkennen lassen,
war nämlich damals in der Trierer Kartause
die Legende vom Mönch und den Rosenkränzen bestens bekannt. Es handelt sich
dabei um ein erstmals in einer Sammlung von
Marienlegenden aus der zweiten Hälfte des
13. Jahrhunderts nachweisbares Exemplum,
das ganz darauf angelegt ist, anhand einer
einprägsamen Geschichte das Aufkommen
des Namens «Rosenkranz» für den Ave-Fünfziger zu erklären. Diese Beispielerzählung
führt bezeichnenderweise in zisterziensisches
Milieu. Sie berichtet von einem Konversen, der vor seinem Eintritt bei den «grauen
Mönchen», also den Zisterziensern, ein höchst
liederliches Leben geführt hatte. Doch bei
aller Verkehrtheit habe er die Mutter Gottes
in Ehren gehalten und es sei seine Gewohnheit gewesen, eine bestimmte Marienstatue
täglich mit einem Kranz von frischen Blättern
und Blumen zu schmücken. Die Gottesmutter
habe, so erzählt die Legende weiter, ihrem
Sorgenkind schliesslich die Gnade der Bekehrung erwirkt, so dass der junge Mann bei
den Zisterziensern eintrat. Nur eines missfiel
ihm dort: Der streng geregelte Tagesablauf
liess ihm keine Zeit, seiner himmlischen
Dame den gelobten Blumenkranz weiterhin
täglich zu bringen. Ein alter Mönch half dem
Konversen aus dieser Verlegenheit. Er solle,
so riet der Pater ihm, täglich über das in der
Regel vorgeschriebene Pflichtgebet hinaus 50
Ave Maria beten und diesen aus Mariengrüssen geflochtenen Kranz anstelle des Kranzes
aus wirklichen Blumen der Jungfrau Maria
anbieten. So verfertigte von da an der Bruder
«der vrouwen crentzelin» und erreichte durch
das Gebet von 50 «Gegrüsset seist du, Maria»
zur vollsten Zufriedenheit seiner himmlischen
Frau, «daz der rosen crantz – was volkumen
und gantz». […]
24
25
Die christozentrische Dynamik des Ave Maria
Wenn schliesslich [bei den Trierer Kartäusern im 15. Jahrhundert] im Rosenkranz der
Englische Gruss mit der gegliederten Leben-­
Jesu-Betrachtung verschmolz, so konnte dies
nur geschehen, weil die im Ave Maria selbst
enthaltene christozentrische «Sinnspitze»
beachtet und betont wurde. In seinem von der
Liturgie vorgegebenen rein biblischen Wortlaut bestand das Ave Maria ursprünglich bloss
aus dem Gruss Gabriels (Lk 1, 28) und dem
Lobpreis der Elisabeth (Lk 1, 42). Es begann
marianisch und gipfelte im Lobpreis Christi:
«gebendeit ist die Frucht deines Leibes!» Das
Christuslob erhielt zusätzliches Gewicht,
wenn man ausdrücklich denjenigen beim
Namen nannte, der gebenedeit wird: Jesus
Christus. […]
Die Beschränkung auf 15 Mysterien
Die Reduktion von 150 beziehungsweise 50
auf 15 war eine Konzentration, die theologisch die richtigen Schwerpunkte setzte. Die
drei Teile des Rosenkranzes in seiner Vollgestalt (Marienpsalter) lenken nämlich den Blick
auf die beiden Angelpunkte des Heilswerkes
Christi: die Inkarnation und das Pascha-Mysterium. Der Betrachtung der Menschwerdung
gelten die fünf «Mysterien» des «freudenreichen Rosenkranzes». Dabei werden diejenigen
Ereignisse ausgewählt, die auch liturgisch
begangen werden: Verkündigung (25. März),
Besuch bei Elisabeth (2. Juli), Geburt (25. Dezember), Darstellung im Tempel (2. Februar),
Wiederauffinden des zwölfjährigen Jesusknaben (Lk 2,41-52; ehemals Evangelium am
Sonntag nach Erscheinung des Herrn).
Die Menschwerdung war die Voraussetzung
für das österliche Heilswerk Christi, das theologisch gewichtiger ist und im Rosenkranz
folglich auch breiter entfaltet wird. Denn mit
den Augen des Glaubens betrachtet ist die
Rettung der Welt durch Tod und Auferstehung
Christi gewirkt worden. Auch der Römische
Kanon nennt beim Gedächtnis des Erlösungswerkes Christi nur diese österliche Mitte: das
heilbringende Leiden («beata passio»), die
Auferstehung («ab inferis resurrectio») und die
glorreiche Himmelfahrt («in coelos gloriosa
ascensio»). Im Rosenkranz entsprechen diesem zweipoligen Pascha-Geschehen die fünf
Gesätze des «schmerzhaften» und die fünf
Mysterien des «glorreichen Rosenkranzes».
Was die Auswahl der «mysteria dolorosa» der
Passionsbetrachtung betrifft, dürfte liturgischer Einfluss auch hier wirksam gewesen
sein. Die spätmittelalterliche Frömmigkeit hat
das Gedächtnis an bestimmte Ereignisse des
Leidens und Sterbens Jesu mit den Horen des
Stundengebets verknüpft. Namentlich tat dies
das ungemein volkstümliche, auch in volkssprachlichen Fassungen verbreitete Votiv­
offizium vom Heiligen Kreuz, Patris Sapientia.
Danach sollte man sich zur Zeit der Matutin
(Metten) die Ölbergszene vergegenwärtigen,
als Jesus gefangen genommen wurde. Der
«schmerzhafte Rosenkranz» greift dieses
Motiv im ersten Gesätz auf: «Jesus, der für uns
Blut geschwitzt hat.» Zur Primzeit bedachte
man die Verurteilung und Misshandlung Jesu.
Im «schmerzhaften Rosenkranz» entspricht
dem das zweite Gesätz (Geisselung). Die Terz
verband das Motiv der Dornenkrönung (3.
Gesätz) und des Kreuztragens (4. Gesätz). Zur
Zeit der Sext, um die Mittagsstunde, gedachte man der Erhöhung Christi am Kreuz (5.
Gesätz).
Die Mysterien des «glorreichen Rosenkranzes»
sind wieder eindeutig liturgisch verankert:
Auferstehung (Ostern), Himmelfahrt, Geistsendung (Pfingsten), Aufnahme Mariens (15.
August) und das im Grunde gleiche Motiv
ihrer Krönung (5. Gesätz). Leider hat sich der
in der Ulmer Rosenkranzbruderschaft um
1483 geübte Gebetsbrauch nicht durchgesetzt.
Dort betrachtete man im letzten Gesätz die
Wiederkunft Christi. Die sinnvolle und – wie
deutlich geworden sein dürfte – theologisch
durchdachte Beschränkung auf 15 Gesätze,
hatte den Nachteil, dass die Meditation des
öffentlichen Wirkens Jesu ausfiel. Doch die
vom Psalter herkommende Zahl von 15 mal
10, also 150 Ave Maria, gab dem Rosenkranz
in seinen drei Teilen sein Mass und seine Vollgestalt, die man nicht überschreiten wollte.
26
27
Förderung durch Papst Pius V.
Im Kontext der dominikanischen Propagierung
des Rosenkranzes durch die Rosenkranz­
bruderschaften ist schliesslich auf die Förderung dieses Gebetes durch den aus dem Dominikanerorden hervorgegangenen Papst Pius V.
(1566–1572) hinzuweisen. Er führte nach dem
Sieg über die Türken in der Seeschlacht im
Golf von Lepanto am 7. Oktober 1571 das Fest
«Maria della Vittoria», das «Rosenkranzfest»,
ein, weil er überzeugt war, dass das eifrige
Rosenkranzgebet der Gläubigen der katholischen Seite den Sieg über die türkische Flotte
erwirkt hatte. Bereits zwei Jahre zuvor hatte
dieser Papst in dem Breve Consueverunt vom
17. September 1569 die Tradition von der
angeblichen Stiftung des Rosenkranzes durch
den hl. Dominikus sich zu eigen gemacht und
ausführlich dargelegt. Von da an betrachteten
die Dominikaner erst recht die Förderung des
Rosenkranzes als ein zentrales Anliegen ihrer
Predigttätigkeit und Seelsorgearbeit. […]
Aus: Urs-Beat Frei, Fredy Bühler:
Der Rosenkranz. Andacht – Geschichte – Kunst,
Bern 2003, S. 23–47)
3.Konzert
Sonntag, 6. Oktober 2013, 19 Uhr
Die Glorreichen Mysterien
Anaïs Chen, Violine
Generalbass:
María González, Cembalo und Orgel
Johannes Keller, Cembalo und Orgel
Juan Manuel Quintana, Viola da gamba
Sonata XI in G-dur «Die Auferstehung»
Sonata
Surrexit Christus Hodie
Adagio
Sonata XII in C-dur «Die Himmelfahrt»
Intrada
Aria Tubicinum
Allamanda
Courente
Double
Sonata XIII in d-moll «Die Niederkunft des
Heiligen Geistes»
Sonata
Gavotte
Guigue
Sarabanda
Sonata XIV in D-dur «Die Aufnahme der
Jungfrau»
Praeludium
Ciacona
Guigue
Sonata XV in C-dur «Die Krönung der Jungfrau Maria»
Sonata
Aria
Canzon
Sarabanda
Passacaglia in g-moll
«Der Schutzengel»
28
29
Es ist anzunehmen, dass Biber’s Sonaten in
engem Zusammenhang stehen mit der Salzburger
Rosenkranz-Bruderschaft. Der Widmungsträger der
Handschrift (s.o.), der Erzbischof Maximilian Gandolph von Kuenberg (1686 zum Kardinal erhoben),
war bekannt für seine Verehrung der Jungfrau
Maria und des Rosenkranzes. Die sehr einflussreiche Salzburger Bruderschaft bestand zwar schon
seit der 1. Hälfte des 17, Jahrhunderts, verdankte
dem Erzbischof aber entscheidende Impulse für ihre
Bedeutung und Ausweitung.
Das Aufsagen der Rosenkranz-Dekaden wurde bei
der Meditation über jedes Mysterium von entsprechenden Texten begleitet. Man nimmt heute an,
dass Bibers Sonaten für eben diesen Zweck gedacht
sind – eine Art klingende Begleitung der dazugehörigen Meditationen. Funktion und Wirkung der
Rosenkranz-Sonaten werden besser verständlich vor
dem Hintergrund von Geschichte und Wesen der
Rosenkranz-Bruderschaften.
Stephan Jäggi
Die Rosenkranzbruderschaften vom
Spätmittelalter zur Konfessionalisierung
Bruderschaften sind in erster Linie «Gebetsgemeinschaften des wechselseitigen Gebetsbeistandes und des gemeinschaftlichen
Gebetsgedächtnisses.» (Lexikon für Theologie
und Kirche, Band 2, 718) Häufig steht im
Zentrum der Aktivitäten die Organisation des
Totengedächtnisses für die Mitglieder; auch
die spätmittelalterliche Bussbewegung hat
sich im Bruderschaftswesen markant niedergeschlagen. Zu den rein religiösen konnten
gesellschaftliche, kulturelle und sozial-karitative Aktivitäten treten. Bruderschaften wurden
sowohl von Klerikern als auch von Laien
gebildet.
Das spätmittelalterliche Bruderschaftswesen
zeichnet sich durch seine vielfältige Gliederung aus. Da es ein weitgehend städtisches
Phänomen war – in den ländlichen Gebieten
sind kaum Bruderschaften festzustellen –
spielte die Verankerung der Bruderschaften in
der städtischen Wirtschaft eine bedeutende
Rolle: Viele waren mit Zünften und Handwerken verbunden. Zudem gab es Standesbruderschaften (zum Beispiel des Klerus),
30
sozial-karitativ ausgerichtete Bruderschaften
(zum Beispiel Heilig-Geist-Bruderschaften
an den Spitälern) sowie viele Andachtsbruderschaften, die häufig auf Heilige (Maria,
Anna, Sebastian usw.) oder Glaubensinhalte
(Corpus-Christi-Bruderschaften, Bussbruderschaften) ausgerichtet waren. Angesichts der
vielen Neugründungen kann man bezüglich
des 15. Jahrhunderts von einer Blütezeit des
Bruderschaftswesens sprechen. Es war in
der Bevölkerung gut verankert, da es deren
religiöse Bedürfnisse in den geläufigen Frömmigkeitsformen (Gottesdienste, Prozessionen,
Gebet, Totengedächtnis, Wallfahrten usw.)
zum Ausdruck brachte. Manche Bruderschaft
entwickelte sich zu einem bedeutenden
Wirtschaftsfaktor oder zum Fixpunkt geselliger Zusammenkunft. Obwohl viele Bruderschaften mit einem Kloster, insbesondere dem
Mendikantenorden, oder anderen kirchlichen
Institutionen verbunden waren, war doch die
Mehrheit laikal organisiert und geleitet.
Die Reformation versetzte dem Bruderschaftswesen in den deutschsprachigen Gebieten
Europas einen schweren Schlag. In den reformierten Territorien verschwanden die Bruderschaften in ihrer spätmittelalterlichen Form
völlig, während in den katholischen Gegenden
zumindest kaum Neugründungen festzustellen sind. Anders sieht dies in den romanischen
Ländern aus, wo sich vor allem in Spanien und
Südfrankreich die Bussbruderschaften weiter
ausbreiteten.
Rosenkranzbruderschaften vor der Reformation
Die vorreformatorische Verbreitung der Rosenkranzbruderschaften geht im wesentlichen
auf den aus der Bretagne stammenden Dominikaner Alanus de Rupe (Alain de La Roche,
ca. 1428–1475) zurück. Sich auf angebliche
Visionen um Maria und den Ordensgründer
Dominikus berufend, propagierte Alanus in
seinen Predigten und seiner Lehrtätigkeit in
Nordfrankreich, Flandern und Norddeutschland das Rosenkranzgebet und die Organisation einer Rosenkranzbruderschaft. Dabei
hat Alanus die Rosenkranzbruderschaft nicht
eigentlich «erfunden», sondern konnte sich an
31
den bereits bestehenden, allerdings im Verlauf
des 15. Jahrhunderts an Wirkung verlierenden
marianischen Bruderschaften der Dominikaner
orientieren. Die erste Gründung einer Rosenkranzbruderschaft scheint dabei zwischen 1464
und 1470 in Douai erfolgt zu sein, indem Alanus offenbar das tägliche Rosenkranzgebet bei
einer bereits bestehenden Marienbruder­schaft
eingeführt hat. Dabei dachte der Dominikaner
nicht an eine lokal begrenzte Bruderschaft,
sondern propagierte eine universale, dem Rosenkranzgebet gewidmete Bruderschaft, deren
Mitglieder der geistlichen Verdienste des Dominikanerordens teilhaftig werden sollten, sofern
sie die Auflage des regelmässigen Rosenkranzgebetes erfüllten. Weitere Leistungen, insbesondere finanzieller Art, waren nicht vorgesehen.
Auch in Rostock, wo Alanus 1473 promovierte,
soll kurze Zeit später die Rosenkranzbruderschaft eingeführt worden sein.
Grössere Ausstrahlung entwickelte jedoch die
von Jakob Sprenger, einem Schüler von Alanus
de Rupe, 1475 in Köln eingeführte Bruderschaft. Die Überlieferung führt die Einführung
darauf zurück, dass damit für die Aufhebung
der Belagerung von Neuss (am 27. Juni 1475)
durch Herzog Karl den Kühnen von Burgund
gedankt werden sollte; die formelle Errichtung
der Bruderschaft erfolgte am 8. September
1475 und wurde am 10. März 1476 durch den
päpstlichen Legaten bestätigt. Das Mitgliederverzeichnis ist nicht im Original erhalten,
doch sollen sich als erste Kaiser Friedrich III.
mit seiner Familie sowie andere hochrangige
Adlige und Kirchenfürsten eingetragen haben.
Dies dürfte mit dazu beigetragen haben, dass
die Bruderschaft bereits vier Monate nach
der Einführung über 5000 und nach wenigen
Jahren über 100‘000 Mitglieder gezählt habe.
Die Bruderschaftsstatuten wurden im Sommer
1476 erstmals in Basel gedruckt. Sie weisen die
folgenden Bestimmungen auf:
–– Regelung der Einschreibung in die Bruderschaft (in Köln oder Augsburg);
–– jedes Mitglied verpflichtet sich, in der Woche drei Rosenkränze zu je 50 Ave Maria
und fünf Vater unser zu beten;
–– Unterlassung des Gebets bedeutet keine
Sünde;
32
––
Zweck der Bruderschaft ist die Teilhabe
an den Gebeten der Mitglieder;
–– mit der Verrichtung des Rosenkranzgebets sind Ablässe verbunden;
–– wenn ein Mitglied für eine arme Seele im
Fegefeuer betet, wird diese der Gebete
aller Bruderschaftsmitglieder teilhaftig;
–– der Kölner Dominikanerkonvent feiert
viermal im Jahr Vigil und Seelamt für die
Verstorbenen der Bruderschaft;
–– Bestätigung der Bruderschaft durch den
päpstlichen Legaten für Deutschland.
Im Gegensatz zu den organisierten Bruderschaften, mit denen soziale Auslese, Gruppenzwang und öffentliche Repräsentation
assoziiert waren, verstand Jakob Sprenger die
Rosenkranzbruderschaft als Reformbruderschaft: Hier konnten sich alle Interessierten
einschreiben lassen, also auch Mittellose und
Frauen, die zum bisherigen Bruderschaftswesen in den Städten keinen Zugang gefunden hatten. Die Bruderschaft trat als soziale
Gruppe nicht öffentlich in Erscheinung, da
die einzige Gemeinsamkeit der Mitglieder im
selben, individuell verrichteten Gebet bestand.
Zur Anziehungskraft der Bruderschaft dürfte
die Aussicht auf die damit verbundenen,
ausschliesslich durch das Gebet (und nicht
durch finanzielle Leistungen) erwerbbaren
Ablässe beigetragen haben: Seit 1484 wurde
den Mitgliedern der Bruderschaft einmal im
Leben und in der Todesstunde ein vollkommener Ablass bewilligt. Dazu kamen verschiedene kleinere Ablässe bei besonderen
Gelegenheiten. Andere Ablässe, die zum Teil
schon von Alanus de Rupe behauptet wurden
(so der Ablass von 60 000 Jahren für das Beten
des Rosenkranzes), müssen als unecht gelten,
dürften aber trotzdem ihre Wirkung bei der
Rekrutierung von Mitgliedern ausgeübt haben.
Die Bewegung hat zunächst im Rheingebiet
und in Flandern gewirkt; aber auch in Norddeutschland, Schlesien, am Oberrhein, in
Bayern, Schwaben und Franken entstanden
Rosenkranzbruderschaften. So wurde bereits
1476 als Filiale von Köln die Bruderschaft in
Augsburg eingeführt; es folgten Bamberg vor
1479, Bayreuth 1490, Nürnberg vor 1505.
Italien, vor allem der Norden, kann ebenfalls
33
als Verbreitungsgebiet der Rosenkranzbruderschaft gelten.
Von grosser Bedeutung für die Verbreitung
der Bruderschaftsidee in Verbindung mit
dem Rosenkranzgebet wurde der Buchdruck:
Theologische Abhandlungen von Dominikanern (zum Beispiel das Quodlibet de veritate
fraternitatis Rosarii seu Psalterii BMV des
Michael Francisci, das um 1476 erstmals in
Basel gedruckt wurde) und anderen Theologen sowie Gebetbücher und Lieder dienten
der Propagierung der Idee. Das gilt nicht nur
für Deutschland, sondern gleichermassen für
Italien, wo zum Beispiel der 1480 in Venedig gedruckte Statuto della confraternita del
Rosario eine weitere Verbreitung erfuhr. Die
Ikonographie des Rosenkranzes wurde in
Deutschland und Italien in zahlreichen mit
Holzschnitten illustrierten Publikationen weiter entwickelt, um schliesslich in vielfältigen
Formen (Tafelbilder, Altäre, Skulpturen) ihren
Ausdruck zu finden.
Im Gebiet der heutigen Schweiz kann man
zwei Verbreitungsgebiete der spätmittelalterlichen Rosenkranzbruderschaft feststellen.
Das eine war Basel, wo offenbar sowohl das
Dominikanerkloster als auch das Steinenkloster der Dominikanerinnen Rosenkranzbruderschaften einführten. Zu einem zweiten
Schwerpunkt wurde das Dominikanerkloster
Bern, das sich der 1484 in Colmar eingeführten Rosenkranzbruderschaft anschloss. Hier
wurden nicht nur in der Stadt selbst, sondern
auch auf dem Land Mitglieder aufgenommen,
so im Berner Oberland, das ein wichtiges
Terminiergebiet der Berner Dominikaner war,
sowie im Mittelland und im Seeland. Kunstgeschichtlichen Ausdruck fand die Rosenkranzverehrung in den erhalten gebliebenen
Malereien von 1495 am Lettner der Berner
Predigerkirche, wo zwei aus weissen Blumen
geflochtene und mit jeweils fünf roten Rosen
besteckte Kränze dargestellt sind.
Mit der Reformation verschwanden diese
ersten Ansätze von Rosenkranzbruderschaften in der Eidgenossenschaft. Ihre Träger, die
34
städtischen Dominikanerkonvente, wurden
aufgehoben, die religiösen Bruderschaften
beseitigt und das Tragen von Gebetsschnüren
in der Öffentlichkeit unter Strafe gestellt. 1528
verbot der Berner Rat auch die Rosenkranzbruderschaften im oberen Simmental. […]
Rosenkranzbruderschaften im Zeitalter der
Konfessionalisierung
Parallel zur Einführung der Rosenkranzbruderschaft in den Pfarreien erfolgte vielerorts
die Errichtung von Rosenkranzaltären in den
Pfarrkirchen. Meist von den Bruderschaftsmitgliedern selbst gestiftet, wurden die Altäre
zum Fokus der gemeinschaftlichen Devotionsformen wie Gottesdienste und Andachten.
Manchmal begnügte man sich mit der Stiftung
von Gemälden oder liess eine Rosenkranzmadonna als Prozessionsfigur herstellen. Auch
Skulpturen und Wandmalereien haben sich
erhalten. Die Altäre folgen durchwegs einer
einheitlichen Ikonographie, die bereits in den
Errichtungsbullen der Bruderschaft festgelegt wurde: Zentraler Teil des Altars war die
Darstellung der Muttergottes mit den Dominikanerheiligen Dominikus (der den Rosenkranz
überreicht erhält) und Katharina von Siena.
Darum wurde ein Kranz von 15 Medaillons
mit der Darstellung der Rosenkranzgeheimnisse angeordnet. […]
Durch eine möglichst starke Verbreitung der
Bruderschaften gerade auch auf dem Land
strebte die Kirche nach dem Konzil von Trient
und insbesondere in der ersten Hälfte des 17.
Jahrhunderts eine Durchdringung des Volkes
mit einer neuen Gebetskultur in Verbindung
mit der bereits bestehenden und weit verbreiteten Marienverehrung an. Verbunden damit
war die Förderung eines häufigeren Sakramentenempfangs (Beichte und Eucharistie). Mit
der Unterstützung des nachtridentinischen
Reformklerus scheinen diese Ziele vielerorts
erreicht worden zu sein.
Aus: Urs-Beat Frei, Fredy Bühler:
Der Rosenkranz. Andacht – Geschichte – Kunst,
Bern 2003, S. 91–99)
35
Die Geigerinnen:
Eva Saladin
Eva Saladin (Niederlande/Schweiz, 1987)
erlernte das Geigenspiel in Arnhem (NL) bei
Anna Wiersum und Aimée Broeders. Von 2005
bis 2011 studierte sie im Bachelor (Diplom
mit Auszeichnung) und Master auf moderner
Geige bei Kees Koelmans und Barockgeige bei
Lucy van Dael am Konservatorium Amsterdam. Danach studierte sie Barockgeige bei
Leila Schayegh und David Plantier an der
Schola Cantorum Basiliensis, und schloss das
Studium 2013 mit Auszeichnung ab. Auch
beschäftigte sie sich intensiv mit historischer
Improvisation in der Klasse von Rudolf Lutz.
Sie experimentiert mit den verschiedenen
überlieferten Stilen und Techniken und
erforscht die Entwicklungsgeschichte der
Edition von Violinliteratur.
Regelmässige Zusammenarbeit mit La Cetra
Barockorchester Basel, Il Profondo (CH),
Profeti della Quinta (IS/CH), De Nieuwe
Philharmonie Utrecht (NL), Ensemble Odyssee
(NL), Stile Galante (IT). Sie machte mehrere
CD-Aufnahmen und spielte an Festivals und
in Konzertreihen wie Oude Muziek Serie Nederland, Grachtenfestival Amsterdam, Freunde
alter Musik Basel, Festival St. Michel-en-Thierache, La Folia Rougemont, Alte Musik Tage
Berlin.
Foto: Johannes Keller
Instrumente:
––
Sonaten I, III und V, Pasacaglia: Joseph
Odoardi, 1770. Eigentum der holländischen Stiftung «Nationaal Muziekinstrumentenfonds».
–– Sonate II und IV: Unbekannt, vermutlich
2. Hälfte 18. Jahrhundert.
Mit herzlichem Dank an Esther und Marlen
Saladin.
36
37
Foto: Bertrand Pichène
Katia Viel
Nach einem Studium am Konservatorium
in Toulouse studierte Katia Viel ab 2008 am
Conservatoire de Genève in der Violinklasse
von Patrick Genêt, parallel Barockvioline bei
Florence Malgoire im Centre de Musique
Ancienne.
Nach einem Erasmus Austauschjahr am Flämischen Königlichen Konservatorium in Brüssel
und dem Bachelor in Moderner Violine began
sie im September 2012 ein Master- Studium
in Barockvioline in der Klasse von Amandine
Beyer an der Scola Cantorum Basiliensis, wo
sie sich auch für Bratsche und Barockgesang
engagiert.
An Sommerkursen und Projekten arbeitete
sie mit Musikern zusammen wie S. Kuijken
(Académie de Musique Baroque d’Ambronay),
H. Niquet, T. Koopman, L. Garcia Alarcon, P.
Agnew, P. Herreweghe, K. Benzouidenhout, ­
L. Fleisher u.A.
2012 nahm sie als erste Violine an der Academia Giovanile Montis Regalis teil, wo sie
unter der Leitung von Enrico Onofri, Amandine Beyer, Olivia Centurioni und Luigi Mangiocavallo auftrat. Auch bei Konzerten mit dem
Ensemble Elyma, dem Parlement de Musique,
der Camerata Geneva, der Chapelle Rhénane, dem Orchestre de la Montis Regalis , der
Opéra Studio de Genève und dem Orchestre
de chambre de Toulouse war sie beteiligt.
Sie ist ebenfalls Gründungsmitglied des Ensemble Abchordis, welches seinem Publikum
unveröffentlichte Werke italiensicher Komponisten des 18. Jahrhunderts nahebringt.
38
39
Instrumente:
––
––
––
französische Geige anonyme
von etw.1750 (1., 5. Sonate und
Passacaglia)
französische Geige anonym um 1800 (2. und 4. Sonate)
chinesische Geige, 1998 (3. Sonate)
Anais Chen
Foto: Susanna Drescher
Anaïs Chen hat in Zürich und Detmold
moderne Violine studiert und sich in Berlin
und Basel auf Barockvioline spezialisiert,
wo sie jeweils mit Auszeichnung abschloss.
Sie ist Preisträgerin mehrerer internationaler
Wettbewerbe (u.a. Premio Bonporti mit dem
Ensemble Daimonion, Telemann Wettbewerb
Magdeburg, Biber-Wettbewerb St. Florian,
Concorso di Musica antica Genova Nervi). Sie
war Mitglied der Schweizerischen Studienstiftung und erhielt einen Werkjahrespreis der
Dienemann-Stiftung Luzern.
2010 bis 2012 kam sie einer Lehrtätigkeit als
Dozentin für Barockvioline an der Hochschule
für Musik Karlsruhe nach.
Im Rahmen einer internationalen Tätigkeit als
Solistin, Kammermusikerin und Konzertmeisterin wird sie von Ensembles wie La Fenice
(Jean Tubéry), La Cetra, Freitagsakademie
Bern, Gli Angeli Genève, Il Profondo, Kesselberg Ensemble, Il concerto delle viole und
weiteren eingeladen.
Sie widmet sich dem von ihr und der Cembalistin María González gegründeten Ensemble
Daimonion (www.ensembledaimonion.
com) und dem Duo L’Istante (www.listante.
com) mit dem Cembalisten Johannes Keller,
mit welchen sie zu zahlreichen Festivals und
Konzertreihen eingeladen wird.
Instrumente:
––
––
––
40
anonym süddeutsch um 1800
Daniel Frisch 2013, nach Pietro Guarneri Daniel Frisch 2003, 7/8-Geige nach Gebrüder Amati
41
Unser nächstes Konzert:
Freitag, 6. Dezember 2013
20.15 Uhr
Kartäuserkirche im Basler
Waisenhaus, Wettsteinplatz
Licht des
Ostens
Vokalmusik des Mittelalters
In diesem Programm präsentieren wir
eine Vielfalt musikalischer Stile im mittelalterlichen Osteuropa am Beispiel der
katholischen Länder Tschechien und Polen
einerseits und der orthodoxen Länder Ukraine und Russland andererseits. Durch die
Auswahl der Stücke soll das Licht des Ostens leuchten: nicht nur, weil die Musik auf
unseren Standort bezogen aus dem Osten
kommt, sondern auch, weil diese so unterschiedlichen Klänge sich auf den beziehen,
der das Zentrum dieser beiden Strömungen
darstellt: Jesus Christus – «Osten ist sein
Name» erklingt in einem unserer Gesänge.
Ensemble STELLA MARIS:
Veronika Holliger Jenšovská
Tetyana Polt-Lutsenko
Witte-Maria Weber
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Der «Verein zur Förderung von Basler
Absolventen auf dem Gebiet der Alten Musik»
hat es sich zur Aufgabe gemacht, junge
Musikerinnen und Musiker auf ihrem Weg
«vom Studium aufs Podium» zu begleiten
und sie durch Konzert-Engagements, ProjektAufträge und andere sinnvolle Maßnahmen
zu unterstützen. Damit können sie, nach
Abschluss ihrer Ausbildung, ihre beruflichen
Erfahrungen und ihre Chancen im Musikleben
erweitern, was heute notwendiger ist als je
zuvor.
Auch bei den «Festtagen Alte Musik in Basel»,
die der Verein alle zwei Jahre durchführt, tragen
diese Nachwuchs-Begabungen wesentlich zur
Farbigkeit und Frische des Programms bei. Oft
müssen sie den Vergleich mit den namhaften
internationalen Alte Musik-Ensembles
keineswegs scheuen.
So lautet das Motto des Vereins und all seiner
Aktivitäten:
«Alte Musik in jungen Händen»!
Verein zur Förderung von
Basler Absolventen
auf dem Gebiet der Alten Musik
Dornacherstrasse 161 A
4053 Basel
Telefon 0041 61 361 03 54
oder [email protected]
www.festtage-basel.ch
Werden Sie Mitglied!
Wechsel der A und D Saite für die Sonate Nr. 11
Unterstützt von:
Irma Merk Stiftung
August Pickhardt-Stiftung
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44