1. Tausend Zeichen für die Gräfin Das Schloss

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1. Tausend Zeichen für die Gräfin Das Schloss
1. Tausend Zeichen für die Gräfin
Das Schloss stand an einem gefährlich in den Abgrund ragenden Überhang, und man sollte
meinen, dass niemand, der bei Sinnen war, einen Schritt in dieses düstere, wackelige und
schon länger nicht gelüftete Gemäuer setzen würde. Wahrscheinlich läge man damit nicht
einmal falsch, kann man doch davon ausgehen, dass die seit unzähligen Jahrzehnten einzige
und unangefochtene Bewohnerin und Herrscherin dieses Mauerwerks, die Gräfin Pilaf de
Urzici, ganz sicher nicht zu dieser Gruppe von Menschen gehörte.
Zwei Dinge liebte die Gräfin über alles, und zwei Dinge hasste sie abgrundtief! Ich, der ich
sie studiert und mich gar in ihr Leben eingeschlichen habe, kenne sie so gut wie meine
Zehennägel, aber Sie, liebe Leserin, möchte ich erst auf die Probe stellen, ihr
Einfühlungsvermögen testen und sie vorwärmen für das, was kommt! Welche Dinge mochte
die Gräfin wohl und welche nicht?
1. Sich selbst
2. Bordeaux, Lakritz und ihre Ruhe
3. Ziegenblut, aus einer frisch verendenden Ziege sprudelnd
4. Sterben
2. Silks Tausender
Das dumpfe Pochen riss die Gräfin Pilaf aus ihrem Wachtraum, in dem sie ein junges Zicklein
rettete, das sich in einem Krötenschutzzaun verfangen hatte. Wie lange hatte sie es nicht
gehört, dieses Pochch Pochch, Guss auf Guss, den Hammer an der Pforte, den Besucher, die
nie kamen, auf den Kopf des Prinzen niedersausen lassen mussten, um ihm dieses ...
herzerfrischende Geräusch zu entlocken. Sie sah auf die Uhr. Es war die präferierte Zeit fürs
Abendbrot, wer hatte die Dreistigkeit, sie ausgerechnet heute, wo sie sich mal wieder mit
einem kleinen Säurebad entleiben wollte, aus ihrem Tagesrhythmus bringen zu lassen.
„Guten Tag, gnädige Frau! Mein Name ist Silk. Pankratius Silk, von Silk und Partner, sie
kennen mich sicher noch nicht, unser Unternehmen ist noch jung. Wenn Sie einen Blick auf
unser Gründungsdatum werfen ...“
Es war der Gräfin vor ihr selbst unbeschreiblich peinlich, dass sie den komisch gekleideten
Fremden so lange hatte reden lassen.
Wie sollte sie mit der Situation umgehen?
3. Ein Tausender für die Wirtschaft
Ohne länger als fünf Sekunden zu überlegen, knallte Sie ihm die ornamentverzierte
Eichenholztür aus dem 14. Jahrhundert vor der polierten Nase zu und wunderte sich dabei,
dass der erwartete Knall ausblieb. Stattdessen hörte sie ungebrochen den nervtötenden und
jeder Wiedergabe strotzenden Sermon des hartnäckigen Vertreters für WAS-AUCHIMMER!, es interessierte sie nicht mehr als ein nasser Furz, lediglich die Frage, wie sie
diesen lästigen, nach Jahren der Ruhe ungefragt auftauchenden Quälgeist loswerden könnte,
belegte nunmehr die wenigen aktiven Zellen innerhalb ihrer Hirnschale. Sie benötigte weitere
fünf Sekunden, um festzustellen, dass der schmächtig grinsende, schwitzende und überaus
akkurat, wenngleich in gewagte Farben gekleidete Herr, seinen dickbeschuhten Fuß in ihrer
massigen Burgtür abgestellt hatte.
In Bruchteilen von Minutenbruchteilen schloss sie rasiermesserscharf, dass dies für sie, aber
vor allen Dingen für den unerwünschten Gast, nur eines zur Konsequenz haben konnte:
4. Tausend Zweifel der Gräfin
Das stimmt doch hinten und vorne nicht!
Die Gräfin stutzte ob jener Irritation. Herr Johann hatte sie provoziert und nun beim
Nachrechnen stellte sie nicht nur einen, sondern viele Fehler im System fest. Kann es sein,
dass er immer so schlampig mit Zahlen umgeht? Ist ihm die Geschichte um die Iden und
Kalenden keine Leere, sie meinte, Lehre gewesen? Ging er gar mit jeder seiner Geschichten
und vielleicht auch mit seinen Fünfzigern so inkonsequent um? Etwa auch mit ihr?
Himmelherrgott, die Gräfin war konsterniert. Natürlich hielt sich selber ihrer Zwanghaftigkeit
wegen für ziemlich albern, diese Erkenntnis hinderte sie jedoch nicht daran, die nun folgende
Liste aufzustellen:
Silks Tausender: BS+LZ 1023, Z 858, W 162
Wirtschaftstausender: BS+LZ 1036, Z 894, W 141
Gräfins Tausender: BS+LZ 1032, Z 873, W 161
Oder hatte sie wohlmöglich die Überschriften mitgezählt? Jetzt stürzte sie sich erneut in die
Rechnungtabellen und wurde gewahr, dass sie diesen Benutzerfehler begangen hatte.
Wie beschämend!
5. Johanns Tausi
Der Fuß des verschwenderischen Vertreters baumelte lose am Gürtel der Gräfin, die wieder
zurück in ihr Gemach treppaufwärts wandelte und sich zum wiederholten Male die Frage nach
der Vergeudung junger Burschen stellte. Ein kurzer, aber verhärmter Blick auf die
vorangeschrittene Zeit, vervollständigte das Gefühl der drängenden Eile. Anstatt also das
sonntägliche Vollbad in säurehaltigen Ingredienzien zu genießen, entschloss sich die liebe
Gräfin, den verzweifelten Raum der Wissbegierde aufzusuchen, um dem wohlweißlichen
Eulenmann nach seiner Meinung zu befragen. Der Fuß würde ihm willkommen sein und seine
sonst so verschluckte Zunge lösen!
Gevatter Johann wohnte umfangreich im obersten Turm des staubigen Schlosses und
unterhielt dort mehrere Räumlichkeiten nebst Dienstleuten. Sein gefürchtetes Zimmer der
Wissbegierde zählte seit neuerer Zeit theoretisch zu einer der touristischen Hauptatraktionen,
die diese ansonsten strukturschwache Region aufweisen konnte.
Wie immer fand sie den Aufstieg beschwerlich und sie verfluchte ihn, der sich ausgerechnet
in einer so schwindelnden Höhe niedergelassen hatte, bis ihre Furcht vor dem Federvieh in
empörende Wut umschlug.
6. Matzes Tausender
Endlich angekommen in den oberen Etagen seiner Gruseligkeit Johann, schöpfte die Gräfin
erst einmal in der dünnen Luft ein wenig Atem. Einer der Dienstburschen huschte aus der
Ecke auf sie zu und erschreckte sie mit einer Tasse Pfefferminztee zu Tode. „Matze! Bist du
des Wahnsinns? Wieso trägst du eine grüne Strumpfhose?“ Der treue Matze diente schon seit
Ewigkeiten der orakelnden Eule und griff auch sogleich an den Gürtel der Gräfin, um diesen
kleinen Leckerhappen abzutransportieren. Er schnappte sich den fahlen Fuß und war fort. Der
Gräfin blieb nichts anderes übrig, als sich in quälender Geduld zu üben und aus lauter
Verzweiflung den frischen Pfefferminztee zu schlürfen. Eine halbe Stunde später erschien
Matze erneut, wieder aus derselben dunklen Ecke, und führte sie stumm in die stinkenden
Privaträume des Meisters. Johann fläzte befriedigt auf einer Chaiselongue und pulte sich
Fußnägel aus den Zähnen heraus. „He da! Was macht die Liebe Gräfin? Irgendwelche
Fragen?“
7. Tausend Stiche
Hätte die Gräfin jemals die Ungezwungenheit eines Kindes empfunden, sie hätte sie abgelegt.
In ihrer Erinnerung gab es keine Kindheit, nur ein immerwährendes Verfallen, ihres und das
der Burg, im Einklang wie Synchronschwimmerinnen der Zeit. Einmal hatte sie jedem ihrer
Körperteile einen Teil der Burg zugewiesen, und seiter versuchte sie, an ihrem Körper die
Akupunkturpunkte ihrer Burg zu lokalisieren.
Eines Tages nahm sie sich die Zeit, nackt im Spiegelkabinett die Einstiche zu zählen, und sie
kam auf 984. Sechzehn Stiche fehlten noch, am sechzehnten Oktober, sechzehn Tage vor
ihrem Geburtstag, den sie traditionell, wie sollte es anders sein, zusammen mit ihrer Burg
feierte. Sechzehn Einstiche wollte sie sich noch zufügen, und keinen mehr, so beschloss sie es
an diesem grauenvoll verhagelten Freitagabend, kurz bevor es an der Tür geklopft hatte, denn
die Gräfin wollte ab jetzt alles 1000 mal machen! Und sich NIE WIEDER einen Fehler
erlauben, so wie damals, bei ihrem letzten Geburtstag.
8. Tausend Qualen für Silk
Wie sehr brannte die Wut in ihm. Er dürstete nach Rache, schrecklich dürstete es ihn, er stieß
sich von der glitschigen Burgmauer ab und hüpfte auf dem verbliebenen Bein ins Gehölz.
Nach einigem Suchen hatte er den passenden Krückstock gefunden, kam nun besser voran.
Der Regen nieselte von oben herab, legte sich wie ein feuchter Umschlag um seine zerfetzte
Wunde, vermischte sich mit Blut und Wundwasser und hinterließ beim Humpeln
unregelmäßige Tropfen auf dem Waldboden.
In Streifen schneiden, werd ich ihr Fleisch, erst der Länge nach, später dann dreh ich es auf
Lockenwickler und hänge es zum Trocknen übers Feuer. Die Gräfinstreifen werden
zusammen mit dem Ragout aus ihrer Zunge im Sud ihrer gedämpften Eierstöcke ein Festmahl
geben und ich werde es mit dem scheußlichen Johannes teilen!
Silk strauchelte durch die Finsternis des Waldes und fand seinen Unterschlupf. Zitternd vor
Schmerz und Kälte ließ er sich auf sein feuchtes Lager nieder. Lange, sehr lange lag er noch
wach und sann nach.
9. Tausend Eulenfedern
Die Eule plusterte sich indessen auf, drehte ihren Kopf einmal um seine Achse und fiepte
gierig, als Matze ihr den Fuß vorwarf. Dennoch war sie ganz Ohr für die drei Fragen der
Gräfin. Drei Fragen war Johann gewillt, zu beantworten, nicht mehr und nicht weniger, bis
die Tausend voll seien, und die Gräfin wäre erlöst. „Nun höre meine drei Fragen, flatterndes
Scheusal:
1. Trage ich die Gabe der Gnade in mir, denn ich habe den garstigen Vertreter am Leben
gelassen?
2. Ist das abbe Bein Strafe genug für dessen ungenügende mathematische Korrektheit?
3. Ist Königswasser wirklich gut für die Haut, nein warte, wieviele Fragen hab ich eigentlich
noch?
Antworte, oder du lässt 1000 Federn, Untier!“
Die Eule schüttelte den Kopf, um eine zähe Sehne aus dem Fuß zu lösen und gurrte
schmatzend: „Hahahahaha! Frau Gräfin, ihr habt es immer noch nicht gelernt, die falschen
Fragen zu stellen! So stellt wenigstens die richtigen Fragen an den Falschen! Findet Silk, und
ihr werdet mit Antworten überhäuft werden!“
10. Tausend Wege
So kam es, dass sich die Gräfin der Fragen wegen auf die Suche nach Silk begab, während
ungekehrt eben jener mit lodernden Augen und der mörderischen Absicht gezückter Messer
den Spuren der Gräfin nachstellte.
Und beide ahnten nicht, dass das weise, aber durchtriebene Eulentier seinen Diener Matze
geschickt hatte, damit dieser mit Kamera und Ü-Wagen die Begegnung live ins
Eulenwohnzimmer übertrüge. Nach einem anstrengenden Tag liebte Johann es, sich bei
Doku-Soaps zu entspannen.
Die aalige Art der Eule, Fragen zu beantworten, brachte die Gräfin fast zur Weißglut. So
tauchte sie zischend in einen See. Dämpfe stiegen auf und bildeten einen Nebel, in dem Silk
sich um Orientierung zu bemühen suchte.
Erfüllt von Wut drehte und schlug er um sich, seine Messer durchstießen den Nebel – und
sein Fuß den Spiegel des Sees. In der Ausbildung ward ihm jedoch Schwimmen – zumindest
das einbeinige – noch nicht beigebracht und so sank er hilflos in die Tiefen des Wassers.
Die Gräfin sah ihn vorbeisinken. Beängstigt, dass die Antworten auf ihre existenziellen
Fragen unwiderruflich im dunklen Nass verloren gingen, ergriff sie vorsichtig Silks Arme und
hob ihn zurück an den schummrigen Tag.
11. Tausend Elchen gleich
Doch siehe da, der Arm war lose! Die Gräfin hielt ihn aus dem kühlen Nass und zwang sich,
genauer hinzuschauen. Wie ehedem der Fuß des Silks grob abgetrennt von ihrem Gürtel hing,
so hing nun sein Arm, ihm erschütternd ähnlich, von den spitzen Fingern der angeekelten
Gräfin. Die Finger waren bläulich gekrümmt, die langen Fingernägel ins faulige Fleisch
verkrallt, nur sein mittlerer zeigte drohend gen Himmel.
Jenes schallende Silk-Gelächter bedrängte die Gräfin aufs Äußerste, sie griff sich an ihre
Ohren, faltete diese gleich geschlossene Muscheln und röhrte wie eine Elchkuh. Der Silk stob
aus dem Wasser, einhändig mit einem Dolche drohend und stürzte nach vorne.
„So haltet ein, Amputierter, Ihr! Von Nutzen groß ist jene Gräfin hier, sie röhrt, drum hört sie
nicht, Oh Wicht, halt ein und tu, als ließt Du sie im Nu in Ruh!“
Der scheußliche Johann persönlich donnerte es von seiner ach so hohen Sänfte und der Silk
ließ seine Waffe sinken, just sich selbst und verschwand in der brodelnden See.
12. Tausend Fragen
Wo war Matze in der halben Stunde gewesen, wenn er doch nicht bei der Eule war? War der
Fuß, den er ihr verfütterte, wirklich der von Silk? War der Silk wirklich ein menschliches
Wesen, oder ein Dämon aus der Unterwelt?
Zwei der drei Fragen konnte das Männchen in der grünen Strumpfhose beantworten, doch 997
weitere vernebelten ihm den Kopf. Doch noch heute würde er es herausfinden, und sich mit
etwas Glück aus dem schrecklichen Bann der Eule befreien können, und vielleicht würde er
am Ende auch ein Stück der Gräfin abbekommen, nicht immer nur Hilfsvampire und
Nachtwanderer.
Er stand lange am See und suchte nach Zeichen, ehe er sich entschied, sie aus der Kiste zu
lassen. Es war eine aufgespießte Fledermaus, die in regelmäßigen Abständen hilflos vor sich
hin flatterte. Matze leckte ein wenig an ihrem Blut, band dann das fiepende Tier auf ein
bereitstehendes Floß, legte ein paar Seerosen dazu und rief in die Dunkelheit:
„Bist du’s, so nimm dies als mein Geschenk! Ich will dein Diener sein!“
13. Tausend Stiche II
Als Matze das schneidende Geräusch hinter sich wahrnahm, war es bereits zu spät. Erst
schwankte er ein wenig, fühlte noch diese befremdliche Berührung an seiner rechten Wade.
Dann fiel er einfach in den feuchten Sand.
Bald darauf erstarb das Motorsägengeräusch. Der Silk beugte sich zu ihm herab und die Häme
quoll ihm aus den Augen. Er zeigte auf den frischen Fuß, rief:
Bestrumpfter Diener, Du, wenn Du mir von Nutzen sein willst, dann nähe Diesen, ehemals
Deinen, an meinem Stumpfe an, damit ich wieder auf zwei Beinen und behände in die Nacht
hinauslaufen kann, um der Gräfin habhaft zu werden.
Matze Bewusstsein trübte sich, doch er trotzte jenem unaussprechlichen Schmerz und zückte
sein Reisenähzeug.
Als er fertig war und zum wartenden Silk aufschaute, startete dieser erneut das motorisierte
Sägewerkzeug, machte sich sogleich an Matzes Arm zu schaffen. Diesmal verlor Matze sein
Bewusstsein tatsächlich und so konnte er den lautlosen Flug der Eule nicht verfolgen.
Die Fledermaus war gerettet.
14. Tausend Tränen
Tief unter der Burg, in den endlosen labyrinthischen Gängen aus den Tagen des Altvorderen,
schlug ein granitenes Herz vor sich hin und pumpte schwarz glitzerndes Wasser durch
bleierne Rohre bis in die Dusche des höchsten Turmzimmers, in dem Prinzessin Xenia
kummervoll ein tränenschweres Lied intonierte, an dem eine einsame Fledermaus verendete:
O blasser Tod! O blasser Tod!
Erlöse mich von meinem Sein
Ich will es niemandem geben
Nur dem Einen
Nur dem Einen, der niemals
Niemals zu mir kommen wird!
Ihre Tränen vermischten sich mit dem schwarzen Wasser und flossen durch verwundene
Kanäle zurück ins Herz der Burg, das den plötzlichen Zustrom von Wärme und Traurigkeit
gierig in sich aufsog wie ein Verdurstender das Nass. In ebendiesem Moment durchzuckte die
Gräfin eine brennende Seligkeit, ein freiendes Glück und der spontane Wunsch, die weiche
Haut Xenias zu berühren.
Beherzt packte sie die Eule und stopfte sie in ihre mitgeführte Reisetasche. Dieses eine Mal
sollte sie ihr nicht die Show stehlen!
15. Das Grauen erwacht
Als die Burgturmuhr dreizehnmal schlug, passierten sieben Dinge gleichzeitig:
- Die Mauern der Burg, die zum Leben erwacht war, begannen zu beben, während aus der
Tiefe ein unheilvolles Pochen erklang
- Xenias Turm wurde gebeutelt, aber sie hielt stand und kämpfte sich zum Fenster vor, nur
von einem Handtuch umwickelt
- Die Eule erstickte in der Reisetasche an ihrem eigenen Erbrochenen, nachdem sie ein darin
befindliches Fläschchen vermeintlichen Liebestranks geleert hatte. Ihr Geist entwich gen
Himmel
- Matzes Fluch war gebrochen, er verwandelte sich in eine Seepferdchen und schwamm
munter davon
- Der Silk vergaß seinen Blutdurst und begann leise zu schluchzen
- Die Gräfin zuckte mit jedem Pochen der Burg zusammen, wobei ihr viele kleine
Fledermäuse aus dem Mund entfleuchten
- In der Ferne wurde der Raubritter Friedrich-Wilhelm aus seinem Räuberschlaf aufgeschreckt
Soviel war klar: Etwas Mächtiges, Unheimliches war erwacht! Mussten die Helden der
Geschichte zusammenhalten, um ihm zu begegnen?
16. Die 1000ste Stunde
In der tausendsten Stunde des hundertsten Jahres nach der grausligen Geburt der Gräfin in
Sturm und Hagel in einer Höhle im finsteren Wald zwischen der alten, verfluchten Burg und
dem stinkenden Sumpf der Krake war nun unter Grollen und Donnern, Knirschen und Poltern
und Lärmen und stinkendem Knallen die Burg erwacht! Begleitet wurde das schaurige
Geschehnis von einem Sonnenuntergang, der aus allen Qualen der Hölle aufzulodern schien.
Xenia begann, sich ein wenig zu fürchten, nicht vor den Farben des Sonnenuntergangs,
sondern eher vor dem ihr durch den Zusammensturz der Gemäuer drohenden Erlöschen ihres
jugendlichen Lebens.
In dem ganzen chaotischen Durcheinander trafen sich plötzlich drei Gestalten im Licht eines
Glühwurms und sahen sich in die scharfen Augen, ganz als ob sie nie etwas anderes getan
hätten, und sie verstanden sich wortlos und reichten sich die Hände, während das Tönen und
Grummeln im Hintergrund durch eine Musik übertönt wurde, die pathetischer nicht hätte sein
können!
17. Die drei Fragezeichen!!!
Unter donnernden Paukenschlägen reichten sich Friedrich-Wilhelm, Silk und Gräfin die
haarigen, drahtigen und knochigen Hände, und schworen sich kopfnickend und starr blickend
ewige Treue im Kampfe gegen das schaurige, alte, zum Leben erwachte Grauen aus der
urzeitlichen Finsternis. Sie waren noch immer am Schäkern, als plötzlich ein nachgerade
unerhört lauter Knall das permanente nicht ganz so laut tönende laute Knallen übertönte. Sie
zuckten zusammen und guckten sich um: Offensichtlich war die Burg explodiert! Dabei
wollten sie doch noch die Prinzessin retten!
Ein Beobachter mit literarischem Nachtsichtgerät hätte über den hellen Köpfen der drei
Helden zu dieser Stunde drei dünnhäutige Fragezeichen ausmachen können, die im Schock
der Erkenntnis über das aus den finsteren Tiefen der urzeitlichen Hölle (auf der die Burg von
todgeweihten Sklavenarbeitern eines diabolischen Kardinals unter unbeschreiblichen Qualen
errichtet worden war) aufgetauchten Wesens ebenfalls beiläufig explodierten!
18. Das 1000-Tonnen-Monster!
Die Felsenkrake quälte ihre 1000 Tonnen ans fahle Mondlicht und sah sich neugierig um. Als
sie die drei todgeweihten Helden erblickte, grunzte sie schauderhaft und nahm ihnen das
Todgeweih ab. Allen Beteiligten wurde klar, dass sie jetzt gefressen, osmotisch absorbiert
oder sonstwie unangenehm einverleibt werden würden, worauf die Welt in ewige Dunkelheit
gestürzt würde. Diese Grauen aus der Vorzeit haben ja immer so einen pathetischen
Beigeschmack des Obskuren!
Die Krake grunzte, strich mit einigen ihrer Arme über das sabbernde Maul, und wollte gerade
ansetzen, drei Seelen auf einmal aufzusaugen, als aus den Trümmern der Burg drei alte
Bekannte herbeiflatterten: Es war die Eule, deren Geist vom Eulengott zurückgeschickt
worden war, um noch etwas zu erledigen, desweiteren Matze in der Gestalt eines wilden und
kampferprobten Seepferdchens, und außerdem die mächtige Prinzessin Xenia mit wild im
Wind flatternden Hexenhaaren, die durch den Tod der Burg ihre Zauberkräfte wiedererlangt
hatte.