rESWT-Schmerztherapie in der Orthopädie

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rESWT-Schmerztherapie in der Orthopädie
rESWT-Schmerztherapie in der Orthopädie & Sportmedizin
rESWT-Schmerztherapie in der Orthopädie & Sportmedizin
Entwicklung & Einsatz
H Lohrer, J Schöll, S Arentz
Orthopädische Abteilung im Sportmedizinischen Institut Frankfurt/Main e.V.
Einführung
Die Extrakorporale Stosswellentherapie ist nunmehr 50 Jahren in der Urologie zur
nicht invasiven Behandlung von Nierensteinen bekannt. Erst seit rund 10 Jahren
sind darüber hinaus erfolgreiche Behandlungen verschiedener orthopädischer
Krankheitsbilder mit dieser Methode beschrieben. Neben den „Standardindikationen“ (Fasciitis plantaris, EHR, Tendinosis calcarea und Tendopathien der Rotatorenmanschette) sind mit neuen technologischen Entwicklungen auch spezifische
degenerative Sportschäden eine Indikation für die Anwendung der Radiale Extrakorporale Stosswellentherapie. Evaluierte Daten bezüglich der Behandlungsenergien, der Behandlungsfrequenz und zur Nachbehandlung liegen noch nicht vor. Experimentelle Grundlagen zur Wirkung fehlen noch weitgehend. So sind derzeit auch
Ansätze zum reflextherapeutischen Einsatz der Radialen Extrakorporalen Stosswellentherapie bei triggerpunktinduzierten Schmerzbildern in der Diskussion.
Lithotrypsie (Moll et al. 1990)
Durch Harnsteine hervorgerufene Schmerzen gehören seit jeher zu den am meisten
gefürchteten Erkrankungen des Menschen. Ursache dafür ist, dass die steininduzierten Schmerzen vom Träger eines Steines als nahezu unerträglich empfunden
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werden. Deshalb verwundert es nicht, dass bereits seit dem Altertum zahlreiche
medizinhistorische Dokumentationen zur Therapie des Steinleidens belegt sind.
Wegen der ausgeprägten Risiken, die der ursprünglich gebrauchte Steinschnitt mit
sich gebracht hatte (Sepsis, Blutung, Fistel, Inkontinenz) und der hohen Todesrate,
warnte bereits Hippokrates von Kos (460 bis 377 v. Chr.) vor diesem Eingriff. Seit
dieser Zeit wurde deshalb nach Methoden zur intrakorporalen Steinzertrümmerung
gesucht. Es verwundert deshalb nicht, dass bereits etwa 275 v. Chr. Ammonius
Lithotomus von Alexandria versucht hat die Steine durch eine Sonde zu zerkleinern,
um sie so besser durch einen Steinschnitt entfernen zu können.
Bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts wurden dann zahllose verschiedene
Varianten der mechanischen Steinzertrümmerung beschrieben. Als wesentlicher
Fortschritt ist der Einsatz der transurethralen Lithotripsie zu nennen. So konnte im
Wechsel des 19. zum 20. Jahrhunderts die Letalität von 30 bis 40 % (offene Operationen) auf 5 % (Lithotripsie) gesenkt werden.
Seit 1950 werden Steinzerstörungen durch Stosswellen beschrieben. Diese werden
zunächst perkutan und ureterorenoskopisch durchgeführt.
1980 wird der erste Patient mit einem extrakorporalen Lithotripter behandelt. Damit
ist die Behandlung des Harnsteinleidens eine konservative Methode mit entsprechend niedrigerem Risiko für den Patienten geworden. Technische Verbesserungen
der Geräte haben es ermöglicht, dass die Methode mittlerweile praktisch flächendeckend, weltweit verfügbar ist . Bisher sind mindestens zwei Millionen Patienten
mit derartigen extrakorporalen Lithotripsien erfolgreich behandelt worden.
Ermutigt durch die guten Ergebnisse und die niedrige Nebenwirkungsrate der extrakorporalen Lithotripsie bei Nephrolithiasis wurde in den Folgejahren die Technologie auch bei anderen Steinleiden eingesetzt. So haben SAUERBRUCH at al. 1986
über die Behandlung von Gallensteinen und 1987 über die Zertrümmerung von
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Pankreassteinen mit der Extrakorporalen Stosswellentherapie berichtet. IRO et al.
hat 1992 diese Technologie bereits bei 51 Patienten mit Speichelsteinen angewandt.
Urologische Technologie zur Behandlung der Pseudarthrose
Bei der zunehmenden Popularität der risikoarmen Extrakorporalen Stosswellentherapie in der Urologie war zu erwarten, dass sich auch andere medizinische Fachrichtungen bald mit dieser innovativen Technologie beschäftigen würden.
Experimentelle urologische Grundlagenforschungen wurden vor allem mit dem Ziel
durchgeführt, den Effekt der hochenergetischen Extrakorporalen Stosswelle auf
diejenigen Gewebe zu klären, die neben dem Stein während einer Extrakorporalen
Lithotripsie im Fokus oder im fokusnahen Bereich liegen. Besondere Aufmerksamkeit wurde dabei dem Knochen geschenkt, da er, wie der zu behandelnde Stein
hohe Impedanzsprünge an seiner Oberfläche in vivo aufweist. Bei der Untersuchung
von Nebenwirkungen konnte so zunächst in vitro und im Tiermodell gezeigt werden, dass die hochenergetische Extrakorporale Stosswelle neben einer aseptischen
Knochenmarknekrose und einer Osteozytenschädigung auch eine Osteoneogenese
induziert (GRAFF 1988).
Die Ähnlichkeit der Stosswelleninduzierten Osteoneogenese am intakten Knochen
mit der Physiologie der Frakturheilung motivierten zu weiteren Experimenten. Diese
zeigten eine Stimulation der Fraktur- (HAUPT et al. 1990) bzw. Pseudarthroseheilung (JOHANNES et al. 1992) im standardisierten Modell nach hochenergetischer
Extrakorporaler Stosswellenapplikation.
Erste klinische Erfahrungen zur Therapie der Pseudarthrose mit hochenergetischer
Extrakorporaler Stosswellentherapie wurden von VALCHANOV (1991) berichtet.
Dabei wurden die urologischen Lithotriptoren eingesetzt, die eine Allgemeinnarkose
des Patienten erforderlich machten.
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Der Aufwand für dieses Verfahren war darüber hinaus durch die Notwendigkeit der
Immersionslagerung im Wasserbad erhöht. Mit den spezifischen orthopädischen
Gerätevariationen zur fokussierten Extrakorporalen Stosswellentherapie, die seit
Mitte des vergangenen Jahrzehntes routinemäßig im klinischen Einsatz sind, konnte
sich die Methode für diese therapeutisch außerordentlich problematische Indikation
zu einem Standardverfahren entwickeln. (ROMPE et al. 1997, VOGEL et al. 1997).
Die Kalkschulter – Schmerzfreiheit durch Zertrümmerung?
Die Möglichkeit, röntgendichte Konkremente bei der Urolithiasis durch extrakorporale Stosswellen desintegrieren zu können, eröffnete die Möglichkeit die Methode
auf pathologische Neokalzifikationen am Stütz- und Bewegungsapparat zu übertragen. Die Tendinosis calcarea der Rotatorenmanschette wurde von LOEW & JURGOWSKI (1993) erstmalig beschrieben. Seither sind zahlreiche Untersuchungen
publiziert, die den therapeutischen Nutzen belegen (HELLER & NIETHARD 1998).
Für diese Indikation wurden vorwiegend höhere Energien eingesetzt. Die röntgenologisch nachweisbare Auflösung des Kalkdepots scheint dabei die therapeutische
Sicherheit zu erhöhen (GERDESMEYER 2003). Sie ist jedoch nicht conditio sine qua
non für das Erzielen eines guten Behandlungsergebnisses.
Insertionstendinosen – therapeutische Stosswelleneffekte am tendoossären Übergang
Enthesiopathische Neokalzifikationen der Ursprungssehne der Faszia plantaris waren ein Grund dafür bereits früh die Möglichkeiten der Extrakorporalen Stosswellentherapie beim plantaren Fersenspornleiden zu prüfen. Die ursprüngliche, mechanistische Vorstellung war dabei, den Fersensporn mittels der Extrakorporalen
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Stosswellentherapie zu beseitigen. Ein Einfuß der Stosswellen auf einen bestehenden plantaren Fersensporn konnte aber bisher nie nachgewiesen werden. Dennoch
zeigten bereits erste Anwendungsbeobachtungen (DAHMEN et al. 1995) und später
publizierte kontrollierte Untersuchungen (ROMPE et al. 2002) eine hohe Wirksamkeit der Extrakorporalen Stosswellentherapie beim plantaren Fersensporn.
Diese Diskrepanz kann dadurch erklärt werden, dass nur etwa 10 % der röntgenologisch identifizierten Fersensporne symptomatisch sind (RUBIN & WITTON 1963).
Offenbar wirkt die extrakorporale Stosswelle auch im tendoossären Übergang, wo
hohe Impedanzsprünge bestehen, und wo bei der Fasciitis plantaris die pathologisch und symptomatisch relevanten Schädigungen liegen.
Nachdem eine Zerstörung von Gewebe, wie sie bei der hochenergetischen Stosswelle vorkommt, für degenerativ verändertes Sehnengewebe schon theoretisch
nicht als sinnvoll anzusehen ist, wurden die therapeutisch applizierten Energien
zunehmend gesenkt. Heute werden diese Indikationen ausschließlich niederenergetisch behandelt. Mittlerweile ist die Behandlung der chronischen Fasciitis plantaris
die wissenschaftlich am besten belegte Indikation zur Extrakorporalen Stosswellentherapie (HELLER & NIETHARD 1998). Bei einer durchschnittlichen Erfolgsrate
von 81 % (OGDEN et al. 2002) ist sie sowohl konservativen (HAMMER et al. 2002)
als auch operativen Behandlungsmöglichkeiten überlegen. Es verwundert deshalb
nicht, dass für diese Indikation bereits eine FDA-Zulassung erfolgt ist.
Analog zur Fasciitis plantaris besteht bei der Epikondylopathia humeri radialis (sogenannter Tennisellbogen) eine degenerative Läsion der Ursprungssehnen der
Handgelenks- und/oder Fingerextensoren. Auch diese Läsion ist in der orthopädischen Praxis außerordentlich häufig und häufig resistent gegenüber konservativer
und operativer Therapie. So liegt es nahe, dass die Epikondylopathia humeri radialis
bereits früh in die Behandlungsversuche mit Extrakorporaler Stosswellentherapie
einbezogen wurden (DAHMEN et al. 1995).
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Weitere Untersuchungen sind auch im kontrolliert randomisierten klinischen Experiment in ausreichender Zahl, in der Regel mit niederenergetischen Stosswellen
durchgeführt worden (HELLER & NIETHARD 1998). Dabei zeigt die Epikondylopathia humeri radialis im Vergleich zur Fasciitis plantaris eine niedrigere Erfolgsquote
von etwa 60 %.
Auch die seltenere Epikondylopathia humeri ulnaris wurde regelmäßig mit der Extrakorporalen Stosswelle behandelt.
Saubere klinische Studien liegen für dieses Krankheitsbild nicht vor. Die Behandlungsergebnisse werden aber allgemein als schlechter im Vergleich zur Epikondylopathia humeri radialis angesehen.
Geräteentwicklung
Gerätetyp
Kosten
(€)
Urologische Geräte 0,5 - 1 Mio
(Fokussierte)
Orthopädische
Geräte
1. Generation
(Fokussiert)
Orthopädische
Geräte
2. Generation
(Unfokussiert
bzw. Radial)
Tab. 1:
80
55 - 150 T
22 T
MobiOrtung
Gelität
wicht
(kg)
250
- fest
Röntgen
1500
installiert oder Ultraschall
80
– bedingt
Ultraschall
200
mobil
30
mobil
Energie
Analgesie
hoch
Vollnarkose
hoch
bis
nieder
meist Lokalanästhesie
Biofeedback nieder
keine
Eigenschaften der verschiedenen Gerätetypen in der Extrakorporalen Stosswellentherapie
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Die ersten Erfahrungen bei der Anwendung der Extrakorporalen Stosswellentherapie in der Orthopädie (Pseudarthrosen) wurden mit konventionellen urologischen
Großgeräten gesammelt. Diese Behandlungen waren äußerst aufwendig. Neben
einer Immersion der zu behandelnden Region im Wasserbad waren eine röntgenologische Ortungstechnik und eine Vollnarkose des Patienten erforderlich. Die Therapie erfolgte in diesen Fällen stationär.
Mitte der 90er Jahre wurde die erste Generation spezifisch orthopädischer Geräte
zur Extrakorporalen Stosswellentherapie eingeführt. Dabei handelte es sich um
hochenergetisch fokussierende Apparate. Zur Ortung wurden nach wie vor radiologische Systeme (C-Bogen) eingesetzt. Die Applikation der Stosswelle erfolgt jetzt
direkt durch eine am Gerät angebrachte, fixe Wasservorlaufstrecke, die mit einem
Silikonkissen zurückgehalten und mittels handelsüblichem Ultraschallgel in die Haut
des Patienten eingekoppelt wird. Eine Regional- oder Lokalanästhesie war in jedem
Fall erforderlich.
In einer weiteren Entwicklungsstufe wurde das Ortungssystem vereinfacht, indem
ein Ultraschallsonografiegerät mit dem Stosswellenfokus kongruent geschaltet war.
Zusätzlich verfügten diese Geräte über ein variables Energiespektrum (nieder-,
mittel-, hochenergetisch). Damit war eine erhebliche Vereinfachung der Therapie
erreicht. Eine ambulante Behandlung war jetzt durchgängig, auch in der niedergelassenen Praxis möglich.
Bis zu diesem Zeitpunkt wurde als Voraussetzung für den Einsatz der damals
hochenergetischen, fokussierten extrakorporalen Stosswelle ein kleiner Schmerzherd gefordert, dessen Durchmesser 5-10 mm nicht übersteigen sollte. Größere
Schmerzareale waren in dieser Entwicklungsstufe keine Indikation (DAHMEN et al.
1995).
Eine neue technologische Variante der Energieerzeugung führte zu einer weiteren
erheblichen Vereinfachung der Stosswellenapplikation.
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Mit der radialen Stosswelle wurde ein völlig neuartiges Konzept eingeführt. Das
Prinzip wurde erneut aus der Urologie übernommen (HAUPT 1997).
In einem niedrigen Energiebereich werden wegen der sphärischen Ausbreitung der
Stosswelle vergleichsweise größere Zielvolumina behandelt. Eine zusätzliche bildgebende Ortung ist deshalb nicht mehr erforderlich. Die Applikation erfolgt „biofeedbackgesteuert“. Eine Anästhesie ist in der Regel nicht mehr erforderlich.
Nebenwirkungen der Extrakorporalen Stosswellen Therapie
Die Extrakorporale Stosswellentherapie ist eine extrem komplikationsarme therapeutische Methode. SIEBERT (1996) berichtet, dass bei „... allen weltweit durchgeführten Stosswellenbehandlungen in der Urologie und Orthopädie ... keine bedeutenden Nebenwirkungen gefunden werden konnten“.
Konkret haben sich SISTERMANN & KATTHAGEN (1998) mit den Nebenwirkungen
mittel- und hochenergetischer extrakorporaler Stosswellen prospektiv auseinandergesetzt. Bei 542 Behandlungen fanden sie in 39,8 % kleinere und oberflächliche
Hämatome. Hyperventilationstetanien und Blutdruckanstiege auf über 200 mm Hg
waren bei 0,7 beziehungsweise 0,6 % der behandelten Patienten aufgetreten.
Größere Komplikationen und Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.
Dennoch geben die Autoren eine Reihe absoluter und relativer Kontraindikationen
für die hoch- und mittelenergetische Extrakorporale Stosswellentherapie an.
Absolute Kontraindikationen
Applikationen im Lungen und Thoraxbereich
Relative Kontraindikationen
Hypersensitiver Carotissinus, Carotisstenose
Gerinnungsstörungen
Acetyisalicylsäure Einnahme
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Absolute Kontraindikationen
Antikoagulantieneinnahme
Relative Kontraindikationen
HWS- Syndrome, Tinnitus (bei Bauchlagerung)
Applikation im Verlauf vaskulärer oder Rotatorenmanschettenriss
nervaler Strukturen
Schwangerschaft
Aneurysma
je nach Gerätetyp:
Allergie gegen Lokalanästhetika und/oder Anal-
- Körpergröße <140 cm
getika (nur bei Verwendung von Lokalanästhe-
- Körpergewicht > 135 Kg
sie oder Analgesie)
Qsteomyelitis; Infektpseudarthrosen
Herzschrittmacher
Knochentumoren
Herzrhythmusstörungen
Beschuß von Wachstumsfugen
Insulin-, Schmerzmittelpumpe
Tab. 2:
Absolute und relative Kontraindikationen orthopädischer Extrakorporaler Stosswellentherapie im hoch- und mittelenergetischen Bereich (nach SISTERMANN &
KATTHAGEN 1998)
Für die niederenergetische Extrakorporale Stosswellentherapie und die Radiale
Extrakorporale Stosswellentherapie sind Nebenwirkungen und Komplikationen noch
seltener zu erwarten. Konkrete Daten liegen diesbezüglich bislang nicht vor.
Aus der Abschätzung der Nebenwirkungen aus eigenen Behandlungsfällen bei Radialer Extrakorporaler Stosswellentherapie ergibt sich eine Häufigkeit von 70 %.
Dabei handelt es sich ausschließlich um geringfügige Nebenwirkungen wie Hautrötungen. Nachdem eine (Lokal)Anästhesie bei der Radialen Extrakorporale Stosswellentherapie grundsätzlich nicht erforderlich ist, sind allergische Nebenwirkungen bei
dieser Methode nicht zu erwarten.
Tendopathien – Domäne der Radialen Stosswellentherapie
Die Ursachen der zunehmenden Verbreitung der Radialen Extrakorporalen Stosswellentherapie liegen zum einen in der leichten Handhabung der verhältnismäßig
kleinen Geräte.
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Zum anderen sind es die niedrigen Anschaffungs- und Folgekosten der Geräte,
denen die Radiale Extrakorporale Stosswelle zu verdanken hat, dass allein in
Deutschland mittlerweile etwa 850 Behandlungseinheiten zu finden sind. Im Vergleich dazu beträgt die Zahl der fokussierten orthopädischen Großgeräte etwa 300.
Lediglich für die Pseudarthrosetherapie scheint die Radiale Extrakorporale Stosswellentherapie der fokussierten Extrakorporale Stosswellentherapie aus theoretischer Sicht unterlegen, da für diese Indikation allgemein hohe Behandlungsenergien gefordert werden. Vergleichende Studien zu dieser Fragestellung sind bisher
allerdings nicht durchgeführt worden.
Für die degenerativen Erkrankungen der Sehnenursprünge zeigen bisher angestellte
Vergleiche keinen Unterschied in den Behandlungsergebnisssen zwischen der Radialen Extrakorporalen Stosswellentherapie und der niederenergetisch fokussierten
Extrakorporalen Stosswellentherapie (GREMION et al. 2000, SCHÖLL & LOHRER
2000).
Die zu behandelnden Weichteilläsionen sind bei einer effektiv zu erwartenden Eindringtiefe der radialen Stosswelle durch Veränderung des Anpressdruckes des Applikators und dadurch bedingter Kompression des darunter liegenden Weichteilgewebes praktisch in jedem Fall im Fokus.
Ein zusätzlicher Vorteil der radialen Stosswelle liegt darin, dass das Zielvolumen auf
Grund der spezifischen Physik ihrer Ausbreitung größer ist. Dies ermöglicht die
leichte Behandlung von flächig (und nicht punktuell) sich darstellenden Schmerzherden. In Pilotversuchen konnten so bei sportassoziiert auftretenden Tendopathien
(Achillodynie, Patellaspitzensyndrom, Tibiakantensyndrom) gute Behandlungsergebnisse erzielt werden (LOHRER et al. 2003).
Vielversprechende Ansätze scheinen sich durch den Einsatz der Radialen Extrakorporale Stosswellentherapie bei lokalen Muskelhärten im Leistungs- und Hochleistungssport (ARENTZ et al. 2003) und bei triggerpunktassoziierten
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Krankheitsbildern (DREISILKER 2003) zu ergeben.
Betreuung im Hochleistungssport – Einsatz bei Olympia
Bereits seit 1996 werden im Sportmedizinischen Institut Frankfurt am Main Leistungssportler mit extrakorporalen Stosswellen behandelt. Dabei wurde die fokussierte Stosswelle ab 1998 nahezu vollständig von der Radialen Extrakorporalen
Stosswellentherapie abgelöst.
Sowohl 1996 in Atlanta/USA als auch 2000 in Sydney/Australien verfügte die deutsche Olympiamannschaft über die Möglichkeit mit extrakorporalen Stosswellen
behandelt werden zu können. Während die im Umfeld des Hochleistungssportes
besonders bei internationalen Großereignissen im Vordergrund stehende Infiltrationstherapie im Rahmen möglicher Nebenwirkungen mit der sportlichen Leistungsfähigkeit interferieren können, zeichnet sich die Extrakorporale Stosswelletherapie
besonders durch ihre Ungefährlichkeit und Nebenwirkungsfreiheit aus . Darüberhinaus werden mit der Stosswelle Konflikte mit den geltenden Dopingbestimmungen
zuverlässig vermieden. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang der Hinweis darauf, dass eine sportliche Belastung unmittelbar nach der Behandlung mit extrakorporalen Stosswellen nicht zu empfehlen ist. In einem Zeitraum von mehreren Stunden nach einer Behandlung besteht erfahrungsgemäß eine reduzierte Schmerzhaftigkeit, die bei sportlicher Belastung die Verletzungsgefahr erhöhen könnte.
Quo vadis Radiale Extrakorporale Stosswellentherapie
Bereits jetzt zeichnet sich ein Stillstand oder Rückgang des Einsatzes fokussierter
Extrakorporaler Stosswellen Therapiegeräte ab, während die Radiale Extrakorporale
Stosswellentherapie expandiert.
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Weitere Indikationen werden in der Zukunft das Behandlungsspektrum verbreitern.
Vor allem sind dabei die Möglichkeiten der Radialen Extrakorporalen Stosswellentherapie bei generalisierten orthopädischen Krankheitsbildern (myofasziale Schmerzsyndrome) und bei triggerpunktassoziiert auftretenden Beschwerden vergleichend zu prüfen.
Damit ergeben sich gegebenenfalls neue Ansätze zur Erklärung der Wirkungsweise
der Stosswellen bei der orthopädischen Applikation. Zumindest für diese Anwendungen wäre weniger eine direkte mechanisch induzierte, als vielmehr eine reflektorisch gesteuerte Aktivität zu diskutieren.
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