Werden wir verspottet und verhöhnt?

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Werden wir verspottet und verhöhnt?
4. Ausgabe 09 / 7 Jahrgang
Informationsblatt der Transparenz für die Basis (TfB), der freien und unabhängigen Liste im Betriebsrat. Die Beiträge in
unserem Blatt werden auf Wunsch ohne die Namen der Autoren eingestellt. Es wird kein Autor den wütenden Reaktionen
und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt. Alle Autoren sind der Redaktion bekannt.
Werden wir verspottet und verhöhnt?
Die Kolleginnen und Kollegen der Berliner S-Bahn sind empört über die Aussagen von Dr. Heinemann in
der 6. Ausgabe der Paula7. Müssen wir beim Geschäftsführer Realitätsverlust oder so eine Art Wahrnehmungsstörung vernehmen? Wie kann man bei der Beurteilung der Situation der Berliner S-Bahn nur
einer solchen Fehleinschätzung unterliegen.
Die Geschichte der Berliner S-Bahn ist geprägt von einem ständigen Auf und Ab, Stagnation und Expansion, Streckenstilllegungen und Streckeneröffnungen, Netzteilung und Lückenschließung. Doch der momentane Zustand der S-Bahn hat einen noch nie in der Geschichte unseres Unternehmens da gewesenen
Tiefpunkt erreicht und wird von unseren Kolleginnen und Kollegen als demotivierend, verlogen, katastrophal, desaströs, beispiellos und betriebsgefährdend bezeichnet. Der Wechsel in der Geschäftsführung,
Peter Büsing hat das schändliche Erbe seines Vorgängers Ullrich Thon übernommen, war mehr als überfällig. Dass Thon gehen musste, weil er bei der S-Bahn gescheitert war, schreibt Dr. Heinemann in besagter Ausgabe selbstverständlich nicht. Eine Farce, ein Schlag mitten ins Gesicht der Kolleginnen und Kollegen, so sehen wir die Lobeshymne von Heinemann.
Sicherlich sollte man vorsichtig sein, der Person Ulrich Thon allein die Verantwortung zu geben. Doch
niemand bei der Berliner S-Bahn bestreitet, dass Thon eine zentrale Rolle bei der Reduzierung des Fahrzeugparks, auf heute 630 Vz und beim Abbau der Werkstattkapazitäten, gespielt hat. Ohne seine Helfershelfer, auf die wir noch zu sprechen kommen, hätte auch Thon nicht einen solchen Schaden anrichten
können.
Wo liegen die Ursachen für den beispiellosen Niedergang der Berliner S-Bahn? Zum einen sind es die
Börsenpläne der DBAG und die daraus resultierenden völlig überzogenen Gewinnforderungen. Wie verlogen argumentiert der Konzern bei der Darstellung der Gewinnabführung der S-Bahn an die „Mutter“?
Ohne mit der Wimper zu zucken wird uns weiß gemacht, dass diese Gewinnabführung zur Tilgung der
Kredite zur Beschaffung der BR 481 erforderlich ist. Obwohl in der Unternehmensbilanz diese Tilgung vor der Gewinnabführung richtigerweise dargestellt wurde, wird
von der Geschäftsführung gelogen, dass sich
die Balken biegen. Lügen über Lügen! Für
wen, für den Boss? Nicht mit uns! Die mit
öffentlichen Mitteln bezuschusste S-Bahn
Berlin GmbH erhält offensichtlich Vorgaben
zur Gewinnabführung an die DBAG. Ein
hundertprozentiges Staatsunternehmen in
einer Position, die sie möglicherweise wissentlich, also vorsätzlich und schamlos, zur
eigenen Gewinnmaximierung für den Börsengang der AG ausnutzt und Strafzahlungen einfach einkalkuliert. Eine weitere Ursache für den Niedergang der Berliner S-Bahn, sehen wir im völlig überzogenen Personalabbau in praktisch allen Bereichen des Unternehmens. Wo sind unsere Fachleute geblieben? Wir wiesen wiederholt auf
diese Umstände hin, wurden verlacht und verhöhnt. Jetzt offenbart sich täglich die Unfähigkeit und Ratlosigkeit der Geschäftsführung. An vielen wichtigen Schaltstellen unseres Unternehmens wurden auf
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Geheiß von Thon und Prechtl in großem Umfang vermeintliche Fachleute eingesetzt, die sich jetzt als
absolute Fehlbesetzung erweisen. Unser Unternehmen verlor durch diese „Gleichschaltung“ in großem
Umfang Wissen, Erfahrung und Kompetenz. Kurzfristig haben diese Herren eine Gewinnmaximierung
erreicht, im Gegenzug jedoch unsere Arbeitsplätze, man könnte auch sagen – das gesamte Unternehmen aufs Spiel gesetzt.
Unsere S-Bahnerinnen und S-Bahner, also die wirklichen Fachleute, wiesen wiederholt auf die sich zuspitzende Situation, auf die vorhersehbaren Probleme hin. Die Verantwortlichen taten das als „Wahrnehmungsstörungen“ ab, um damit ihren rigiden Sparkurs zu rechtfertigen. Wir Kolleginnen und Kollegen
bezeichnen das jedoch als „Fahren auf Verschleiß“. Die Berliner S-Bahn kann mit dem gegenwärtigen
Beförderungsangebot den vertraglich vereinbarten Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Hier das
bisherige Zwischenergebnis :
EBA ordnet vorübergehende Außerbetriebnahme weiterer S-Bahn-Fahrzeuge an
06/2009 - 30.06.2009
Am 29.06.09 führte das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) umfangreiche Kontrollen bei der S-Bahn
Berlin GmbH durch. Dabei musste festgestellt werden, dass Zusicherungen der S-Bahn Berlin
GmbH nicht eingehalten wurden. Die S-Bahn Berlin GmbH hatte sich bereits Mitte Mai 2009 gegenüber dem EBA verpflichtet, die Räder der S-Bahn Züge alle 7 Tage zu überprüfen.
Aufgrund der hohen Sicherheitsrelevanz ordnete das EBA daraufhin an, dass umgehend alle Züge
außer Betrieb zu nehmen sind, an denen die erforderlichen Prüfungen nicht ordnungsgemäß
durchgeführt wurden.
Nach erfolgter ordnungsgemäßer Prüfung können die betroffenen S-Bahn Züge wieder in den Betriebsdienst zurückkehren.
Das Eisenbahn-Bundesamt weist darauf hin, dass die S-Bahn Berlin GmbH gesetzlich verpflichtet
ist, die Sicherheit des Betriebs jederzeit zu gewährleisten. Es liegt jetzt in der Hand der S-Bahn Berlin
GmbH schnellstmöglich für die Sicherheit zu sorgen.
Hintergrund:
Am 01.05.2009 kam es in Berlin-Kaulsdorf zu einem Unfall, bei dem ein Rad eines S-Bahn Zuges zerbrochen ist.
Ralph Fischer (v.i.S.d.P.)
Telefon: (0228) 98 26-257
(0228) 98 26- 0
E-Mail: [email protected]
Tja, so etwas kommt heraus, wenn ein Bauer die Geschicke der Berliner S-Bahn leitet.
Unser Chef, nein, nicht der kleine Dr. Heinemann, sondern der Graf von der Schulenburg, immerhin ein
Diplomlandwirt, gibt der S-Bahn vor was sie machen darf und auch was sie nicht machen darf. Vielleicht
besitzt dieser Herr Graf eine gewisse Qualifizierung und hat auch Ahnung davon wie man eine Kuh zur
Schlachtbank führt und vielleicht sogar wie sie zu melken ist. Vielleicht sieht er die Berliner S-Bahn auch
als eine Art goldene Kuh zur Gewinnmaximierung an. Der erforderliche Sachverstand, den man voraussetzen sollte um ein Verkehrsunternehmen zu führen, ist diesem Herrn jedenfalls nicht zu attestieren. Ohne Skrupel diktierte dieser Bauer, besessen von Profitgier und Angesichts seiner Tantiemen wohl in einen
Rausch verfallen, der Geschäftsführung der Berliner S-Bahn ein Handlungsverbot. Das Ergebnis liegt auf
dem Tisch. Das EBA musste die Notbremse ziehen, um eine weitere Gefährdung unserer Fahrgäste zu
verhindern.
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Was passiert, wenn man versucht, die Wahrheit
unter der Decke zu lassen?
Die Antwort auf diese Frage gab das Eisenbahnbundesamt am 26.06.09 in Form einer teilweisen Stilllegungsverfügung für Fahrzeuge der Baureihe 481.
Dem EBA wurde zugesichert, dass alle Achsen nach spätestens 1,2 Millionen Kilometern Laufleistung
ausgetauscht werden. Durch welchen Zufall auch immer, das EBA ist darauf gestoßen, dass genau dieses
bescheinigte Verfahren nicht zur Anwendung kommt. Im EBA-Deutsch klingt es dann so:
Die S-Bahn Berlin GmbH hatte dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA) in der Vergangenheit mitgeteilt, dass
alle Räder an S-Bahn-Zügen spätestens nach 1.2 Mio. km getauscht werden. Es hat sich jedoch gezeigt,
dass auch Fahrzeuge mit einer Radlaufleistung von mehr als 1.2 Mio. km im Einsatz sind. Aus Gründen
der Sicherheit sind daher weitere Regelungen notwendig. (Zitat von der Homepage des EBA)
Die Folgen dieser Unehrlichkeit der Unternehmensführung der S-Bahn „durften“ die Fahrgäste und die
Mitarbeiter ab Betriebsbeginn des 27.06.09 erleben. Ab diesem Zeitpunkt mussten 50 Viertelzüge abgestellt werden bei denen Achsen betrieben wurden, die teilweise weit mehr als die benannte Laufleistung
von 1,2 Mio. km auf dem Kerbholz haben.
Es war für S-Bahner an der Basis nur noch eine Frage der Zeit, wann das EBA auch andere, ihnen zugesicherte Fristen und deren Einhaltung überprüft. Dieses war offensichtlich am 29.06.09 der Fall, denn erstmals wurde nach der Abarbeitung der Sicht- und Klangproben gefragt und es traten genau die Probleme
zu Tage, die von den Mitarbeitern schon immer angesprochen wurden. Die Werke bemühen sich diese,
wie auch andere Fristen einzuhalten, aber stehen vor dem objektiven Problem, dass die Anzahl der Arbeitsstände bei weitem nicht ausreicht. So ist eine fristgemäße Abarbeitung aller Aufträge eine Illusion.
Auf Grund der Ergebnisse geschah dann am Abend des 29.06.09 der Super-GAU. Alle Fahrzeuge bei
denen nicht nachgewiesen werden konnte, dass die Fristen eingehalten wurden, sind mit Betriebsbeginn
am 30.06.09 abgestellt worden.
Das bedeutet, dass Verstärkerzüge nicht mehr fahren können und Stammzuggruppen mit bedeutend geringerer Wagenanzahl unterwegs sind.
Wie konnte es dazu kommen?
Seit Wochen und Monaten sind die Probleme an den Achsen der Baureihe 481 bekannt. Durch eine
schadhafte Radscheibe entgleiste am 01.05.09 der 481 501 in Kaulsdorf. Nach der Untersuchung dieses
Ereignisses wurden Restriktionen beschlossen, die zur sicheren Betriebsführung strikt einzuhalten sind.
Die Einhaltung gestaltete sich durch den Sparkurs als nicht umsetzbar, wurden doch die Werke Friedrichsfelde, Erkner und Bernau geschlossen und die Zahl der Mitarbeiter in der Instandhaltung gleichzeitig
stark verringert. Das Werk Schöneweide, ehemals als Hauptwerkstatt so leistungsfähig, dass neben SBahnen auch noch U-Bahnen und Straßenbahnen behandelt werden konnten, kam ebenfalls auf die
Streichliste.
Trotz dieser objektiven Probleme wurde dem Eisenbahnbundesamt, den Mitarbeitern und der Öffentlichkeit vorgegaukelt, dass eine Wiederherstellung des normalen S-Bahn-Verkehrs möglich ist. Man hat seitens der Unternehmensführung „Selbstverpflichtungen“ abgegeben, von denen man wusste, dass man sie
nicht einhalten kann. Das Wort „Selbstverpflichtung“ ist schon eine Irreführung, denn es handelt sich um
ein „Betreiben der Fahrzeuge mit Auflagen“, da sonst die sofortige Stilllegung erfolgt wäre.
Wie die zuständige Behörde reagiert hätte, wenn man von Anfang an mit offenen Karten gespielt, ihr erklärt hätte, dass man sich bemüht, zeitnah alle Auflagen abzuarbeiten aber keine unrealistischen Termine
benannt hätte, lässt sich jetzt nicht mehr herausfinden.
Tatsache ist aber, dass, wie man oben zitierter Meldung des EBA entnehmen kann, sehr stark darauf reagiert wird, wenn nur besänftigende Phrasen kommen, die den Eindruck vermitteln sollen, dass man alles
im Griff hat.
Dem ist nicht so!
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Bis heute ist kein Konzept erkennbar, wie dem Kunden wieder ein ordnungsgemäßer S-Bahn-Verkehr
angeboten werden kann. Selbst fast 100 Zeit- und Leiharbeitnehmer im Bereich der Instandhaltung haben
nicht zu einer merklichen Entspannung der Lage geführt.
Spätestens seit 2005 (!) sind die Verantwortlichen bei der S-Bahn darauf hingewiesen worden, welche
Gefahren aus ihrem Wirken für das Unternehmen S-Bahn, die Mitarbeiter und dem Kunden drohen. Der
Betriebsrat der S-Bahn Berlin GmbH bezeichnete den Stellenabbau im Vorfeld schon als Existenz gefährdend.
Kein Mitarbeiter der S-Bahn freut sich, dass sich nun bewiesen hat, dass er Recht hatte. Eher ist das Entsetzen groß, dass alle Warnungen in den Wind geschlagen wurden.
Am Zustand der Radsätze hätte auch im Jahre 2005 nichts mehr geändert werden können, da es sich offensichtlich um einen Konstruktionsmangel handelt, der mindestens bundesweit, wenn nicht sogar weltweit zuschlagen könnte. Den Beginn der Abstellungen machte der ICE nach seiner Entgleisung in Köln,
nun sind wir an der Reihe.
Wir hoffen, dass andere Unternehmen wie die BVG, die mit den U-Bahn-Baureihen H und HK sowie der
Straßenbahnbaureihe GT6 ebenfalls Fahrzeuge aus dieser Produktion betreibt, von Auswirkungen in dieser Größenordnung verschont bleiben.
Die Probleme bei der Abarbeitung der Folgen sind aber hausgemacht. Mit der ehemaligen Anzahl von
Arbeitsständen und Mitarbeitern hätte man die Zahl der täglich überprüften Fahrzeuge verdoppeln können. Tja, hätte! Das Unternehmen S-Bahn Berlin GmbH sowie der Gesellschafter Deutsche Bahn AG ist
nun gefordert. Die Mitarbeiter sind gewillt, alles für das Unternehmen und den Kunden zu tun, was in
ihrer Macht steht. Man muss sie aber auch lassen und nicht weiter blockieren.
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