Das Sterben der Bienen?

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Das Sterben der Bienen?
Das Sterben der Bienen?
Ein dramatisches Bienensterben in den USA in
Deutschland und auch bei uns erinnert
Biologen wieder an Einsteins apokalyptische
Prognose: „Wenn die Biene von der Erde
verschwindet, dann hat der Mensch nur noch
vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine
Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine
Tiere mehr, keine Menschen mehr.“
Drei Texte aus der Presse zeigen die Situation,
mögliche Ursachen und Konsequenzen auf.
Die Biene, das Geld und der Tod
Die industrielle Landwirtschaft nutzt die Biene als
Bestäuberin. Die Völker werden weltweit
versandt. Nun hat eine Seuche in den USA die
Imker aufgeschreckt. Ist die Biene ein Opfer der
Globalisierung?
Von Jennifer Lachman, New York :
Die ersten Alarmmeldungen kamen aus
Pennsylvania. Seit Monaten grassiert dort ein
mysteriöses Bienensterben mit gravierenden
Folgen. Weil ihm plötzlich 85 Prozent seiner
3.000 Bienenvölker fehlten (und damit 450.000
Dollar Einkommen), wandte sich der Berufsimker
David Hackenberg im Oktober vergangenen
Jahres verzweifelt an die Bienenforscherin Diana
Cox-Foster von der Pennsylvania State University
und an den Bienenexperten Pennsylvanias, Dennis
van Engelsdorp. Bald hörten die beiden von
Verlusten aus mehreren US-Staaten. Im Januar
gründeten sie ein Netzwerk, um die Ursachen der
neuen Krankheit aufzuspüren, die erst einmal
einen Namen bekam: Colony Collapse Disorder
(CCD), zu Deutsch Völkerkollapsstörung. Das
seltsame Leiden lässt scheinbar gesunde Völker
binnen weniger Tage spurlos verschwinden. Im
Stock
zurück
bleiben
die
Königin,
Nahrungsvorräte,
Brut
und
einzelne
Arbeiterinnen, die gleich an mehreren Infektionen
leiden – als sei ihr Immunsystem kollabiert.
Die Sorge um die Bienen ist gross, und die Suche
nach den Ursachen begann. Besonders heikel für
die Tiere ist die Winterpause. Da kann schon eine
natürliche Ursache wie dunkler Honig dem Stock
gefährlich werden. Dunkler Wald- oder
Tannenhonig ist ballaststoffreich, das wird für
Bienen zum Problem – sie müssen mehr koten.
Das tun die reinlichen Wesen normalerweise
draußen. Bei langer Kälte geht dies jedoch nicht,
dann koten sie im Stock. Wehe, eine Biene ist
krank: Ihre Keime verteilen sich, das Volk gerät in
Gefahr. Dass Bienenstöcke plötzlich leer sind, sei
ein altbekanntes Phänomen, »Kahlfliegen heißt
der Fachausdruck«. Der Hintergrund: Bienen sind
treue Staatsdiener bis in den Tod. Wenn ihr Ende
naht, fliegen sie weg. Ihr letzter Dienst entlastet
das Volk von der Leiche und möglichen Keimen.
Falls kranke Tiere nicht weichen, prügeln ihre
Artgenossen sie aus dem Stock.
Die Datenlage ist miserabel, die Zahl potenzieller
Krankheitserreger riesig: Viren, Bakterien, Pilze
und parasitierende Tiere. Deren Zusammenspiel
ist weitgehend unbekannt. Hinzu kommen
menschenbedingte
Stressfaktoren:
Pestizide,
agrarische Monokulturen, veränderte Einsatz-,
Zucht- und Haltungsbedingungen für die
Insektenvölker. Längst werden Bienenköniginnen
künstlich besamt und zu Tausenden gezüchtet.
Bienentod durch Gentechnik und
Gift
Deutscher Berufs- und Erwerbsimker Bund e.V.
Präsident Manfred Hederer
Die industrialisierte Landwirtschaft ist zum
größten
Feind
der
Bienen
geworden.
Rücksichtslose Ertragsoptimierung heißt deren
Parole. So werden unzählige Insekten regelmäßig
von riesigen Erntemaschinen zerhäckselt. Viel
schlimmer ist allerdings der Großeinsatz von
Giften.
Mehr
als
39.000
Tonnen
Pflanzenschutzmittel werden pro Jahr auf den
Äckern versprüht. Die Langzeitfolgen sind bisher
nicht bekannt. Bienenexperten warnen schon
länger vor allem vor dem Pestizid GAUCHO
(Wirkstoff Imidacloprid), das 2004 in Frankreich
verboten
wurde,
nachdem
das
dortige
Völkersterben auf das Gift zurückgeführt werden
konnte. In Deutschland wird das Präparat aber
noch immer im Raps-, Zuckerrüben- Obst-,
Gemüse- und Maisanbau eingesetzt.
Gentechnik auf dem Vormarsch Neben den
belastenden Chemikalien droht den Bienen noch
weiteres
Ungemach:
Zunehmend
werden
gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut.
Bisher gibt es in Deutschland zwar „nur“ GenMais und den auf einer Fläche von 34 Hektar. Das
Anbaugebiet soll aber schon in diesem Jahr auf
knapp 2000 Hektar vergrößert werden.
Wie sich die Gen-Pflanzen auf die Gesundheit der
Bienen auswirken werden, ist noch völlig offen.
Sehr deutlich zeichnen sich aber schon jetzt die
wirtschaftlichen und juristischen Probleme für die
Imker ab. Zum einen müssen sie nachweisen, dass
ihr Honig frei von Gen-Pollen ist. Diese Analysen
müssen
bezahlt
werden.
Schwierige
Haftungsfragen Zum anderen kommen sie in
Schwierigkeiten, wenn es um Haftungsfragen
geht. Die Bienen können die Gen-Pollen auf
gentechnikfreie Felder übertragen und die Saat
verunreinigen. Da wird die Standortfrage der
Imkerei
zum
Kernproblem.
Ein
Durchschnittsimker deckt mit seinen Völkern
zwischen 30 und 70 Quadratkilometer ab.
Und das ist eigentlich ein Segen für alle. Denn die
fleißigen Bienen werden dringend als Bestäuber
gebraucht. Summen sie nicht mehr durch die
Felder und Wissen, gibt es keinen Ertrag. Die
Folgen treffen dann auch die Bauern. Sie müssen
empfindlichen Einbußen hinnehmen - und letzten
Endes werden auch die Verbraucher das zu spüren
bekommen.
Bienensterben in der Schweiz
weniger dramatisch als befürchtet
Um das genaue Ausmass festzustellen, startete der
Imkerverband VDRB dieses Jahr eine Umfrage
unter den rund 13.000 Mitgliedern. Das Resultat:
«Es war nicht so schlimm, wie es ausgesehen
hat», erklärte VDRB-Präsident Richard Wyss auf
Anfrage der AP. Es habe zwar Verluste gegeben,
sie seien aber nie so schlimm gewesen wie
beispielsweise in Amerika. «Wir hatten im letzten
Winter
in
der
Schweiz
leicht
überdurchschnittliche Verluste», sagte Wyss.
Suche nach Ursachen in den Anfängen: Am
Zentrum
für
Bienenforschung,
das
zur
Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux
(ALP) gehört, geht man nach heutigem
Wissensstand von einer Kombination mehrerer
Faktoren aus: Von Krankheiten und Schädlingen,
wie etwa der Varroa, und von einer Kombination
der beiden Ursachen. Auch Stress, wie zum
Beispiel ein ungeeignetes Nahrungsangebot oder
anderen Umweltfaktoren, kommt in Frage.
Es geht aber nicht nur um das Aussterben einer
Tierart, oder das Wegfallen von Honig: Rund ein
Drittel der menschlichen Nahrung ist gemäss
Studien direkt oder indirekt von der Bestäubung
durch Bienen abhängig. «Solange wir nicht mehr
wissen, brauchen wir besonders gut ausgebildete
Imker, die sich intensiv mit der Problematik
beschäftigen», erklärte Burkhardt.