dragon quest zeitalter daemonen

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dragon quest zeitalter daemonen
Seminararbeit
Daedra und die Neun Göttlichen
Zum religiösen Inhalt in einem Fantasie Computer-Rollenspiel
Eingereicht am:
Verfasst von:
7. Dezember 2006
bei Prof. Dr. Karénina Kollmar-Paulenz
Institut für Religionswissenschaft
Vereinsweg 23
3012 Bern
Oliver Steffen
Unterdorfstr. 39
3072 Ostermundigen
Tel: 031/931 76 83
[email protected]
0
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1 Forschungsstand oder Forschungsnotstand?
2
. . . . . . . . . . . .
3
1.2 Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
1.3 Zur Beobachterperspektive bei Computerspielen . . . . . . . . . . .
6
2 Das Spiel The Elder Scrolls IV: Oblivion
. . . . . . . . . . . . . . 11
2.1 Computer Fantasie-Rollenspiele . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.2 Technische Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.3 Das Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.4 Die Hauptmission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.5 Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
3 Vorgehensweise und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
4 Daedra und die Neun Göttlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
4.1 Die Neun Göttlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
4.2 Der Daedra-Kult . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
5 Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
5.1 „Religion“ als Thema der Geschichte der Hauptmission
. . . . . . . . 31
5.2 Elemente historischer Religionen . . . . . . . . . . . . . . . . 32
5.3 Immanenz und Objektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
5.4 Verknüpfung mit dem Moralsystem . . . . . . . . . . . . . . . 35
6 Zusammenfassung, Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . 38
7 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
1
1 Einleitung
Für die einen die „bedeutendste Kunstform des 21. Jahrhunderts“1 oder die „zehnte Kunst“2,
für die andern die Schuldigen für die Tragödien von Erfurt und Emsdetten: das junge Medium
der Bildschirmspiele3 im Urteil der Gesellschaft. Seit der kommerziellen Einführung des
simplen Tennisspiels „PONG“ (1972) durch die amerikanische Firma Atari ist ihre Geschichte fast ausschliesslich eine Erfolgsgeschichte. Zunächst für Spielhallen konzipiert, wurden Bildschirmspiele schon bald für eigens hergestellte Heim-Konsolen, später auch für die
„Bürokiste“, den Personal Computer (PC) von IBM, entwickelt. Klassiker wie Space Invaders
(Taito, 1979), PacMan (Namco, 1980), Super Mario (Nintendo, 1985), Zelda (Nintendo,
1986) und Tetris (Nintendo, 1988) zogen Millionen von Kindern und Jugendlichen in ihren
Bann und bescherten den Entwicklern Umsätze in Milliardenhöhe.4
Bildschirmspiele sind fester Bestandteil der Populärkultur geworden: Für das Jahr 2005 lag
der weltweite Umsatz mit Bildschirmspielen bei rund 30 Mrd. Euro.5 Die aktuelle Statistik
der ESA ergibt, dass in den USA 69% der Befragten Bildschirmspiele spielen, wobei das
Durchschnittsalter bei 33 Jahren liegt.6 Diese Tendenz ist steigend, auch in Deutschland:
Stand die Beschäftigung von 12- bis 19-Jährigen mit Bildschirmspielen 1998 noch an sechster
Stelle (48%) der Mediennutzung in der Freizeit, waren es 2003 schon 70%, womit der Computer den vierten Platz nach Fernsehen, Musik-CDs und Radio belegt.7 Für das Jahr 2006
wird die deutsche Spielergemeinde auf rund 20 Millionen geschätzt.8 Kein Wunder, dass
Kaufhäuser, Lebensmittelhersteller, Parteien und Banken Bildschirmspiele schon längst als
Werbemedium entdeckt haben.9
Diese Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen tauchen regelmässig in virtuelle Welten ein,
erleben mit den Sims Familien- und Nachbarschaftsdramen, erforschen mit Lara Croft Geheimgänge in antiken Sakralbauten, schütteln mit Tempo 180 die Polizei in GTA St. Andreas
ab oder schiessen sich an LAN10-Parties oder in Online-Spielen als tapfere Soldaten oder hinterhältige Terroristen gegenseitig zu Pixelbrei. Gerade Online-Computerspiele, in denen sich
die virtuellen Inkarnationen von einigen Dutzend bis zu mehreren Hunderttausend Spielern
treffen, haben längst eigene Szenen und Subkulturen mit eigenen Webseiten, eigener Mode
und Idolen entstehen lassen – v.a. in den USA, Deutschland, Schweden und Südkorea, wo
regelmässig nationale und internationale Wettkampfturniere mit der Vergabe von Meistertiteln für die erfolgreichsten Spieler durchgeführt werden. Schon fast groteske Züge nimmt
diese Entwicklung insbesondere in Südkorea an, wo Computerspiele als Kampfsportart ge1
Prof. Henry Jenkis, zitiert nach: Berndt, S. 9.
Nach den sechs klassischen griechischen und drei modernen Künsten; zitiert nach Steven Pole, Die Zehnte
Kunst, in: NZZ-Folio, S. 19.
3
In der Begrifflichkeit folge ich Jürgen Fritz, zitiert nach: Berndt, S. 33, der „Bildschirmspiele“ als Oberbegriff
für verschiedene Spielformen wie Computerspiele, Videospiele, Arcade-Spiele (Geräte in Spielhallen mit Münzeinwurf) und die tragbaren Videospiele (Game-Boy, Game-Gear, heute auch Mobiltelefone etc.) geprägt hat. Ab
dem nächsten Kapitel werde ich konkreter von „Computerspielen“ sprechen.
4
Berndt, S. 38-45; Maass/Pachinger, in: Maass/Schartner, S. 13f. Siehe auch den Dokumentarfilm: Highscore.
Die Geschichte der Computerspiele.
5
http://www.interconnections.de/id_37460.html (21.8.06).
6
Entertainment Software Association (ESA): Essential Facts about the Computer and Video Game Industry
(2006 Sales, Demographic and Usage Data), auf: www.theesa.com (14.9.06); befragt wurden 1700 repräsentative Haushalte.
7
Diese Daten wurden vom medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest im Rahmen der JIM-Studie (Jugend, Information, (Mulit-)Media) ermittelt, Berndt, S. 96f.
8
http://www.interconnections.de/id_37460.html (21.8.06).
9
Krotz, S. 25.
10
Abkürzung für local area network: mehrere Computer werden auf einem begrenzten Gebiet zu einem Netzwerk zur Übertragung digitaler Informationen zusammengeschlossen. Computerspieler nutzen die hohe Datenübertragungsrate von LANs um zu Dutzenden oder Hunderten während mehrerer Stunden oder Tage Computerspiele zu spielen (LAN-Party).
2
2
handelt werden: Virtuelle Duelle werden täglich über das Fernsehen ausgestrahlt; die Gewinner – einige wenige der zahllosen Teenager, die eine professionelle Spielerkarriere auf Kosten
von Ausbildung und Sozialleben anstreben – streichen Preisgelder von mehreren Hunderttausend Dollars ein und werden wie Popstars verherrlicht.11
Diese Zahlen und Fakten sollen verdeutlichen, dass das Phänomen der Bildschirmspiele
kaum folgenlos für Gesellschaft und Kultur bleiben wird. Dies beginnt bei der Wirkung auf
das Denken, Fühlen und Handeln der Spieler, geht über die Durchbrechung traditioneller Rollenverteilung in der Beziehung zwischen Jugendlichen und erwachsenen Erzieher, bis hin zu
möglichen tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen, die beispielsweise von Krotz
angetönt werden:
„Spielen ist ein Fall sozialen Handelns, und in unserem sozialen Handeln konstituieren wir Kultur
und Gesellschaft, soziale Beziehungen und Identität. Die Frage ist dann, ob sich soziales Handeln
durch das Potential des Computers und des Computerspielens langfristig verändert und was das
genau bedeutet – nicht durch irgendwelche Spielinhalte, sondern so, wie es der Papyros gegenüber
der Steintafel, die Druckmaschine im Verhältnis zur Handschriftenrolle oder das Radio als ein
ganz neues Medium bewirkt haben.“12
Der hohe Stellenwert von Computerspielen für die jüngere Generation sowie die Ungewissheit über die gesellschaftlichen Auswirkungen provozieren verständlicherweise Abwehrreaktionen und düstere Szenarien, die in Filmen wie Tron (USA 1982), War Games (USA 1983)
und eXistenZ (1998) reflektiert werden und in den Schreckenstaten von Littleton 1999, Erfurt
2002 und jüngst auch Emsdetten im November 2006 ihre Bestätigung zu finden scheinen: die
dramatischen Folgen der Auflösung der Grenzen zwischen virtueller und alltäglicher Realität.
Die ungezügelte Faszination für Bildschirmspiele einerseits, die gesellschaftlichen Vorurteile anderseits sowie die junge Forschung mit ihren noch vielen widersprüchlichen Resultaten machen eine tiefergehende wissenschaftliche Beschäftigung mit den verschiedenen Aspekten des neuen Mediums wünschenswert.
1.1 Forschungsstand oder Forschungsnotstand?
Computerspieleforscher sind sich weitgehend einig, „... dass Computerspiele in ihren komplexen Strukturen immer noch mit viel zu wenig Sachkenntnis und damit undifferenziert in
wissenschaftliche Diskurse eingebracht werden.“13 Dies liegt nur teilweise an der Ablehnung
des Mediums in Gesellschaft und Wissenschaft; die universitäre Erforschung von Bildschirmspielen bringt neue Herausforderungen mit sich, wie z.B. Probleme mit der Technik und
Kompatibilität von Hard- und Software, fehlendes Computer-Kenntnisse unter den Forschenden, zeitlicher und finanzieller Aufwand. Speziell für eine kulturwissenschaftliche Erforschung ergeben sich zudem methodische Probleme, da heutige Bildschirmspiele aufgrund
ihres multimedialen und hybriden Charakters nur bedingt mit bestehenden sprach- und medienwissenschaftlichen Methoden erfasst werden können.14
Trotzdem haben sich in den letzten Jahren Institute und Zeitschriften etabliert, die sich der
Erforschung von Bildschirmspielen widmen: Als Zeitschriften sind z.B. „dichtung digital“15
und das „Jahrbuch für Computerphilologie“16 zu nennen. Eine Reihe von Computerspieldesigner und –theoretiker betreiben ausseruniversitäre Online-Zeitschriften und –portale, um
11
Berndt, S. 53f.; Monika Halkort: Beruf: Computerspieler, in: NZZ Folio, S. 22-26.
Krotz, S. 31f.
13
Furtwängler, S. 83.
14
Gunzenhäuser, Computerspiele als Herausforderung an die Wissenschaften, in: Keitel, S. 107-114.
15
http://www.dichtung-digital.com.
16
http://www.computerphilologie.de.
12
3
verschiedene Aspekte des Mediums zu diskutieren, z.B. „Game Studies“17, „Ludology“18 und
„Gameology“19. Weiterhin gibt es Tagungen und Workshops verschiedener Disziplinen, die
sich mit Bildschirmspielen beschäftigen20. Schliesslich hat die Untersuchung von Bildschirmspielen auch in der Lehre von Hochschulen Einzug gehalten, und zwar in Form von interdisziplinären Forschungsgruppen wie die an der TU Chemnitz21, und jüngst wurden in den USA
und Deutschland die ersten Lehrstühle zur Untersuchung von Computerspielen eingerichtet.22
Diese neuen eher kulturwissenschaftlich orientierten Ansätze ergänzen die älteren, die
Computerspiele und ihre Wirkungen pädagogisch und psychologisch zu erfassen suchen. Jene
beschäftigen sich vorwiegend mit den Themen psychologische Auswirkungen auf die Spieler,
davon insbesondere mit der Frage der Gewalt; Gender; pädagogischer Nutzen; und Recht
(Vertriebsrecht, Strafrecht, Altersfreigabe und Indizierung).23 Die sich etablierenden kulturwissenschaftlichen Ansätze versuchen dagegen Computerspiele mit sprach-, film- und musikwissenschaftlichen Methoden zu erfassen und beschreiben das neue Medium als interpretationsbedürftige Zeichensysteme bzw. Texte im Spannungsfeld von gesellschaftlichen
Machtkonstellationen.24
Zwar ist, um auf das Thema dieser Arbeit zu kommen, bereits einiges zu Religion bzw. einzelnen Religionen und den neuen Kommunikationsmöglichkeiten des Computers geschrieben
worden, v.a. über die Aneignung des interaktiven Massenmediums Internet durch die Religionen.25 Gelegentlich werden hier Computerspiele am Rande erwähnt: Für Højsgaard etwa können manche Computerspiele (Myst, Black&White, Harry Potter) herangezogen werden, um
sich ein Bild über mögliche Entwicklungen ritueller Handlungen und religiösen Designs im
Cyberspace zu machen.26 Insgesamt aber ist das Verhältnis von Computerspielen und Religion kaum erforscht. Die vereinzelten Überlegungen und Ansätze dazu sollen kurz erwähnt
werden:
Zum einen gibt es den Diskurs um „okkulte“ Inhalte in Computerspielen. Hierbei handelt es
sich um eine Ausweitung der evangelikalen Kritik an pen-and-paper Rollenspielen auf Computer Rollenspiele und Computerspiele allgemein. Dieser Diskurs, der die Entwicklung christlicher Computerspiele gefördert hat27, wird schliesslich von manchen Theologen aufgegriffen.
17
http://www.gamestudies.org.
Bünger, S. 7.
19
http://www.gameology.org
20
Z.B. der zehnte internationale Kongress der Deutschen Gesellschaft für Semiotik (Thema: Body - Embodiment - Disembodiment) in Kassel, 19.-21.7.2002, siehe: Gunzenhäuser, Computerspiele als Herausforderung an
die Wissenschaften, in: Keitel, S. 113; siehe auch Bünger, S. 7.
21
Dort führte eine interdisziplinäre Forschergruppe „Neue Medien im Alltag: Von individueller Nutzung zu
soziokulturellem Wandel“ im April 2000 während zwei Jahren Studien zu Computerspielen durch. Siehe Keitel,
in: Keitel, S. 29.
22
Das Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der TU Ilmenau setzte im Frühjahr 2006 Bildschirmspiele als Schwerpunkt in der Neuausschreibung des Lehrstuhls „Multimedia Anwendungen“ und schrieb
eine „Medienprofessur für Computer- und Videospiele“ aus, um der Komplexität von Bildschirmspielen unter
sozial-, technik- und wirtschaftswissenschaftlichen Fragestellungen Rechnung zu tragen. Siehe:
http://www.interconnections.de/id_37460.html (21.8.06).
23
Einen kurzen Überblick bieten Keitel, in: Keitel, S. 21; und Bünger, S. 7.
24
Siehe z.B. Keitel, in: Keitel, S. 22-28.
25
Z.B. Siemann, Jutta: Jugend und Religion im Zeitalter der Globalisierung. Computer/Internet als Thema für
Religion(sunterricht), Hamburg u.a. 2002; Reinders, Angela: Zugänge und Analysen zur religiösen Dimension
des Cyberspace (Literatur – Medien – Religion, Bd. 16), Berlin 2006; Dawson, Lorne L./Cowan, Douglas E.
(Hg.): Religion online. Finding faith over the Internet, New York 2004; Bunt, Gary R.: Virtually Islamic. Computer-mediated communication and cyber Islamic environnments, Cardiff 2000; Antoni, Klaus: Cyber-Religion.
Selbstdarstellung japanischer Religionen im Internet (11. Deutschsprachiger Japanologentag in Trier 1999, Bd.
2, S. 667-676), Trier 2001; Campbell, Heidi: Exploring religious community online – we are one in the network,
New York 2005; Højsgaard, Morten T./Warburg, Margit: Religion & Cyberspace, NY u.a. 2005.
26
Højsgaard/Warburg, S. 41f.
27
Z.B. Kohlhöfer, Philipp: Zocken gegen Satan, in: Spiegel Online, 27. 10. 2005; Beten für die Bösewichte, in:
Spiegel Online, 5. 8. 2005; Kind, Rüdiger: Massaker am Golgatha Hill, in: Spiegel Online, 17. 10. 2002; Harder,
18
4
Kritisiert werden etwa christlich verzerrte Grundmuster, z.B. pervertierte Erlösermythen in
Computerspielen.28 Anderseits wird der Vorwurf des „Okkultismus“ (für pen-and-paper Rollenspiele, bedingt auch für Computer Rollenspiele) relativiert29; die grosse Beliebtheit solcher
Computerspiele unter Jugendlichen ist für manche Theologen auch Anlass, „Bereitschaft zur
Busse“30 zu zeigen, bzw. nach kirchlichen Versäumnissen zu fragen. Pragmatischer sind hingegen die Überlegungen zum Einsatz von Computerspielen im Religionsunterricht.31
Beschäftigen sich theologische Arbeiten häufig noch mit den Inhalten von Computerspielen, erkunden Kulturwissenschaftler vermehrt auch die religiösen Dimensionen der Struktur
und Wirkung derselben: Z.B. machen Neitzel und Bartels auf die göttliche Macht des Spielers
in sogenannten god-games und auf das hinduistische Konzept des Avatar32 als deren Gegenentwurf aufmerksam.33 Bei anderen Autoren werden Parallelen von Computerspielen zur Religion nur angetönt, beispielsweise die Funktion des Bösen in einem Videospiel34 oder die
„Magie der virtuellen Welt“35. Die einzige mir bekannte Arbeit, die solche Parallelen explizit
untersucht, ist „Deus Ex Machina“36 der amerikanischen religious-studies-Studentin Amanda
Phillips: Neben den religiös-mythologischen Inhalten der Videospiel-Reihe Metroid (Nintendo, 1986ff.) untersucht sie die Parallelen von spielerischer Tätigkeit und religiösem Ritual,
sowie diejenigen von spielerischer Erfahrung und religiösem Erlebnis.
1.2 Fragestellung
Computerspiele können also wie jedes Medium Träger von religiösen Symbolsystemen und
Mittel zur Sinnproduktion sein. Im Gegensatz zum derzeit erforschten Internet, welches für
religionswissenschaftliche Fragestellungen aufgrund seiner Fähigkeit, religiöse Themen explizit zu kommunizieren, interessant ist, haben Computerspiele meistens nicht den Anspruch
der Vermittlung religiöser Sinnsysteme, sondern dienen in erster Linie zur Unterhaltung. Sobald aber Lebenswelten simuliert werden, die strukturell ähnlich funktionieren wie unsere
Alltagswelt, sind Religionen bzw. religiöse Ideale und Gehalte oft narrative, funktionelle und
ästhetische Bestandteile des Spiels.
Ob, wie stark und welche religiösen Gehalte transportiert werden, ist zunächst abhängig
vom Genre eines Computerspiels. In Sportspielen werden wir kaum religiöse Inhalte finden.
Auch reine Denk- und Geschicklichkeitsspiele sind für eine solche Untersuchung weniger
Bernd: In Nomine Satanis. Verführen Fantasy-Rollenspiele und Computer-Games zu Magie und Okkultismus?,
in: Skeptiker, 2/2002.
28
Siehe: Manfred L. Pirner: Messias spielen. Der Erlösermythos als Computerspiel, in: Religion heute (2001),
Nr. 48, S. 260-262.
29
Knopf, Tillmann: Fantasy-Rollenspiele. Eine neue Herausforderung für Religionsunterricht, Jugendarbeit und
Erwachsenenbildung. Analyse und Ansätze für den Umgang mit dem Problemkreis (www. ...).
30
Pirner, S. 260.
31
Gärtner, Stefan: „Entdecke, wer du wirklich bist“. Postmoderne Religiosität in Religionsunterricht am Beispiel
des Computerspiels „Black & White“, in: Religionsunterricht an höheren Schulen (RHS), J. 46 (2003), Nr. 5, S.
296-301; Sabrina Kästner: „Die Lara Croft ist viel cooler als der Super Mario. Computerspiele im Religionsunterricht – Orientierungsstufe“, in: Religion heute (1999), Nr. 38, S. 116-128; Vogel, Walter: Religion digital.
Computer im Religionsunterricht, Wien 1997.
32
Dieser Sanskrit-Begriff wird in der Multimedia-Branche seit den 1980er Jahren für virtuelle computeranimierte Persönlichkeiten verwendet, die beispielsweise Beratungsfunktion in virtuellen Kaufhäusern haben oder als
virtuelle Stars mit eigener Musik in die Hitparaden aufsteigen können. Im engeren Sinn bezeichnet der Begriff
die virtuelle Repräsentation bzw. den elektronischen Stellvertreter des Nutzers auf dem Bildschirm, im Fall von
Spielen ist es der von einem Spieler gesteuerte Held in einem Computerspiel. Siehe Bartels, S. 69-74; Pluta, S.
95-98.
33
Neitzel, Britta: Die Frage nach Gott oder Warum spielen wir eigentlich so gerne Computerspiele, in: Ästhetik
und Kommunikation 32 (2001/2), Nr. 115, 61-67; Bartels, Klaus: Körper ohne Gewicht. Über Götter, Spieler
und Avatare, in: Ästhetik und Kommunikation 32 (2001/2), Nr. 115, 69-74.
34
Seesslen, in: Maass/Schartner, S. 75.
35
Furtwängler, S. 84.
36
Phillips, Amanda: Deus Ex Machina. Hermeneutics, Religions Experience, and Video Gaming, 2006.
5
geeignet. Anders sieht es bei Spielgeschichten aus: Adventures, Rollenspiele, aber auch Strategiespiele und Ego-Shooter können solche Spielgeschichten enthalten. Die Rolle der Religion wird tendenziell stärker, je detaillierter und komplexer die virtuell gestaltete Welt ist.
In meiner Untersuchung betrachte ich ein aktuelles Spiel der Gattung Fantasie-Rollenspiele.
Solche Spiele sind für ihren Reichtum an Mythen und Magie bekannt. Das zu untersuchende
Spiel The Elder Scrolls IV: Oblivion (Bethesda, 2006) setzt im Gegensatz zu anderen Rollenspielen nicht auf Action und ist als Einzelspieler-Spiel auch nicht auf Interaktion der Spielenden angelegt; das Besondere bei Oblivion ist die detaillierte und konsistente Spielwelt. Ziel
der Arbeit ist es, zu ermitteln, wie „Religion“ als Inhalt in diesem Spiel dargestellt wird.
Im nächsten Kapitel geht es zunächst darum, Oblivion unter terminologischen, technischen,
spielerischen und narrativen Aspekten zu betrachten sowie seine Rezeption vorzustellen. In
Kapitel drei folgt eine Beschreibung der Vorgehensweise. Da „Religion“ in Oblivion am augenfälligsten in Form von „Religionen“ erscheint, soll das Kapitel vier ein Porträt der zwei
wichtigsten liefern, die Religion der Neun Göttlichen sowie der Daedra-Kult: Welches sind
die theologischen, individuellen, rituellen, ethischen und organisatorischen Elemente, die diese zwei Religionen im Sinne einer religionswissenschaftlichen Definition zu „Religionen“
macht? In Kapitel fünf folgt die Analyse: Welche Aussagen lassen sich über historische Religionen als Vorbilder machen? Wodurch zeichnen sich die Religion der Neun und der DaedraKult auf der spielerischen Ebene37 besonders aus, gerade auch im Vergleich zu realen Religionen? Weiter interessiert ihre Funktionen im spielerischen wie im narrativen Kontext: Was
leisten die Religionen für die Spielfigur38? Welche Rolle spielen sie in der Geschichte der
Hauptmission39, die in Oblivion erzählt wird? Sind die Religionen in irgendeiner Weise auch
mit der metaspielerischen Ebene40 verbunden?
Diese Seminararbeit ist aufgrund der praktisch nicht-existenten Forschungslage ein Experiment: Sie soll einerseits ein religionswissenschaftlicher Beitrag zur Erforschung von Bildschirmspielen sein; anderseits ein Ausloten der Möglichkeiten religionswissenschaftlicher
Beschäftigung mit diesem bisher vernachlässigten Thema. Daneben bietet mir die wissenschaftliche Beschäftigung mit Computerspielen die Möglichkeit, eigene Erfahrungen und
Eindrücke, die ich als Liebhaber von Computerspielen über Jahre hinweg gesammelt habe,
aufzuarbeiten und mich kritisch damit auseinanderzusetzen.
1.3 Zur Beobachterperspektive bei Computerspielen
Ein Computerspiel kann grundsätzlich auf zwei Arten untersucht werden: Durch die Beobachtung von und Interviews mit Spielenden, und durch das eigene Spielen. In dieser Arbeit
untersuche ich den religiösen Inhalt in Oblivion ausschliesslich durch den Akt des Spielens
selbst. Dass ich bei dieser Tätigkeit Akteur und Beobachter gleichzeitig bin, wirft Fragen bezüglich des Erkenntnisprozesses und der Wissenschaftlichkeit auf, kurz: Welche Position hat
hier der Beobachter, und ist diese mit wissenschaftlicher Arbeit zu vereinbaren? Diese Frage
37
Als „spielerische Ebene“ bzw. ludische Ebene bezeichne ich alles, was auf dem Spielebildschirm (wo die
Spielfigur handelt) abläuft und nicht Erzählung ist: Dazu gehören die funktionellen Spielelemente (Figuren,
Gegenstände, Gruppierungen), Raum und Zeit, die Spielästhetik, sowie die Geräusche und die Musik.
38
Den Begriff „Spielfigur“ brauche ich in Abgrenzung zum „Spieler“, um den durch den Spieler gewählten und
bedienten virtuellen Charakter zu bezeichnen.
39
Ich brauche „Mission“ als Äquivalent zu dem nur unter Spielern eingedeutschen englischen Wort quest. Eine
Mission ist meistens in mehrere Teilaufträge unterteilt und mit einer Geschichte verbunden; durch die Erfüllung
dieser Aufträge wird die Geschichte weitererzählt.
40
Neben einer narrativen und eine spielerischen oder ludischen Ebene unterscheide ich eine metaspielerische
Ebene. Während die Erzählung und das Spielen, verstanden als Handlungen des Spielers durch die Spielfigur,
vorwiegend auf dem Spielebildschirm abläuft, zähle ich das auf Knopfdruck aufrufbare Menü sowie die Aktionen des Spielers darin und die dadurch vermittelten Systeme zur metaspielerischen Ebene. Auf dieser Ebene
rüstet der Spieler seine Spielfigur aus, organisiert das Inventar, orientiert sich auf der Karte, liest im Tagebuch,
sieht die Spielerstatistik ein, verteilt Erfahrungspunkte auf die Fähigkeiten seiner Spielfigur etc.
6
war unter Computerspieleforschern bis jetzt nur am Rande expliziter Gegenstand von theoretischen Überlegungen41, und mehrere von mir angefragte Medienwissenschaftler und Computerspieleexperten konnten hierzu nichts beitragen. Im Versuch, den Beobachterstatus theoretisch zu erfassen, nehme ich Bezug auf zwei kulturwissenschaftliche Verfahren: die Hermeneutik und die teilnehmende Beobachtung. Die Position eines beobachtenden Computerspielers42 bewegt sich meiner Auffassung nach irgendwo zwischen der eines Lesers im hermeneutischen Sinn und der eines teilnehmenden Beobachters im ethnologischen Sinn.
Die Frage nach der Beziehung von Computerspiel und Text erörtert z.B. Neitzel:
„Nach Günther Müller (von dem die Unterscheidung zwischen ‚Erzählzeit’ und ‚erzählter Zeit’
stammt) vervollständigt sich eine literarische Erzählung erst, wenn sie gelesen wird, und auch das
Videospiel kann erst zu einem Spiel werden, wenn es gespielt wird. [...] Im Computerspiel sind es
die ständigen Eingaben, die der Spieler vornehmen muss, um den Computer zum Prozessieren des
Ablaufs aufzufordern. Denn erst im Spiel werden die möglichen Handlungen aktualisiert, die einzelnen Objekte miteinander verbunden und in eine chronologische Abfolge überführt. [...] Wenn
sich im Spiel also von einem implizierten Autor sprechen lässt, dann wird diese Position von einem Abbild des Spielers eingenommen, denn er ist derjenige, der die Geschehnisse zusammenfügt. Diese Autorenschaft des Spielers wird vom Spiel impliziert. Ebenso wie der implizierte Autor in der Literatur im Prozess des Lesens aus dem Text gebildet wird, ist der implizierte Autor eines Videospiels durch das Spiel eingesetzt und wirkt am Spiel mit. Und ebenso wie der implizierte
Autor in der Literatur den Text nicht hervorbringt, bringt der implizierte Autor des Videospiels
zwar bestimmte Abläufe hervor, nicht aber im Sinne eines realen Autors den ganzen Text.“43
Die Auffassung, dass der Spieler das Spiel wie der Leser den Text durch seine Tätigkeit bis zu
einem bestimmten Grad konstruiert, ist in der kulturwissenschaftlichen Computerspieleforschung verbreitet.44 Einige der Forscher fordern denn auch, Computerspiele als Text zu analysieren; dies setzt allerdings voraus, dass Computerspiele zunächst „vertextet“ werden, was
zwar auch gemacht wurde45, an dessen Zweckmässigkeit und Angemessenheit aber auch gezweifelt wird:
„Letztendlich bleibt es trotz aller Bemühungen fraglich, ob das Computerspiel in seiner psychologischen Dynamik ohne selbsterworbene Erfahrungen „er-fasst“, „be-griffen“ und also verstanden
werden kann. Wie die Beschriebung eines Geruches nur unvollständig das „Geruchserlebnis“ ersetzen kann, so kann auch die umfassendste Dokumentation das „Spielerlebnis Computerspiel“
letztlich nicht ersetzen.“46
Diese Aussage spielt offensichtlich auf Dimensionen von Computerspielen an, die bei den
traditionelleren Medien nicht gegeben sind: nämlich die Multimedialität und Interaktivität.
Multimedia ist kein scharf definierter Begriff, impliziert aber zumindest die gemeinsame
Anwendung mehrerer Medien (Text, Grafiken, Fotos, Videosequenzen, Ton, Musik) zur
Übermittlung von Informationen durch ein einziges Verarbeitungssystem. Oft gilt auch die
41
Z.B. Gunzenhäusers allgemeine Aussage für die Gegenstände der Kulturwissenschaften: „Die Cultural Studies
haben selbst Teil an den Phänomenen, die sie untersuchen. Das vermindert den wissenschaftlichen Abstand zum
Untersuchungsgegenstand, lässt ihn aber extrem wandelbar und opak erscheinen“ (Gunzenhäuser: Spielkultur,
in: Keitel, S. 65). Und P. Vorderer differenziert zwei gleichzeitige Rollen des Rezipienten, nämlich die eines
Beobachters und die eines Teilnehmers. Der Zeuge/Beobachter fühlt anders als der Teilnehmer (siehe: Vorderer,
P.: Interactive entertainment and beyond, in: Zillmann, D. & Vorderer, P. (Hg.): Media entertainment. The psychology of ist appeal. Mahwah 2000, S. 21-36, hier: S. 31, zitiert nach Bünger, S. 89.
42
Der Einfachheit halber gebrauche ich in dieser Arbeit ausschliesslich die maskuline Form für die Nutzerin
oder den Nutzer von Computerspielen.
43
Neitzel, S. 65.
44
Z.B. Süss, in: Keitel, S. 36; Gunzenhäuser: Spielkultur, in: Keitel, S. 52; Krotz, S. 30; Bünger, S. 75.
45
Z.B. Krambrock, Ursula: Computerspiel und jugendliche Nutzer (Europäische Hochschulschriften, Reihe XI:
Pädagogik, Bd. 739), Frankfurt a.M., 1998.
46
Krambrock, S. 17. Ähnlich äussert sich Keitel, in: Keitel, S. 27.
7
Interaktivität als Teil der Multimedia.47 Interaktivität bedeutet die aktive Teilnahme eines Benutzers an einer Anwendung in Form eines Dialogs. Zur Bedienung von Computerprogrammen ist Interaktivität heute Standard und hat die weniger benutzerfreundlichen kommandoorientierten Systeme fast vollständig verdrängt.
Wenn wir die Multimedialität und Interaktivität in ihren strukturellen Aspekten betrachten,
können wir sie eher als quantitative denn als qualitative Erweiterung von Printmedien beschreiben. Ein Computerspiel spielen wäre somit qualitativ nicht anders als ein Buch lesen,
nur dass der Konstruktionsprozess nicht nur ein Sinnesorgan, sondern aufgrund der Multimedialität mehrere Sinne involviert. Durch die Interaktivität ist die implizierte Autorenschaft,
wie Neitzel sie annimmt, beim Spielen zudem direkter und geht weiter als beim Lesen. In
heutigen Computerspielen bedeutet dies jedoch selten, dass ein Spieler die Narration eines
Spiels auf eine völlig individuelle Weise beeinflussen kann48; Interaktivität ist in jedem Fall
an die Vorgaben des Programms gebunden und damit begrenzt.49 Multimedialität und Interaktivität können somit als quantitative Erweiterungen eines Printmediums gesehen werden. In
diesem Zusammenhang ist die Beschreibung von Computerspielen als „Hypertext“ treffend.50
Allerdings stellt dieser Hypertext qualitativ andere Rezeptionsanforderungen an seine Benutzer. Der wohl wichtigste Unterschied zur Rezeption von Texten ist die „Immersion“: „Immersion bedeutet das Eintauchen in einen Raum oder in ein Geschehen, das völlige, distanzlose Aufgehen in einer Computerspielwelt, das Vergessen des Interface.“51 Dass Computerspiele, wie auch Bücher oder Filme, intensive Identifikationserlebnisse ermöglichen, wurde
von Experten schon früh erkannt.52 Doch die genauere Betrachtung der computerspielbezogenen Identifikation lässt eine andere Qualität erkennen. Nach Jürgen Fritz ist diese „Teilhabe“
keine unbedingte Wirkung von Computerspielen, sondern ihr Auftreten und Grad hängt von
mehreren Faktoren in der Beziehung von Spieler und Spiel ab. Um diese zu erfassen, beschreibt er vier Funktionskreise: den pragmatischen Funktionskreis (sensumotorische Synchronisierung), den semantischen Funktionskreis (Bedeutungsübertragung), den syntaktischen
Funktionskreis (Regelkompetenz) und den dynamischen Funktionskreis (Selbstbezug).53
Der semantische und der dynamische Funktionskreis beschreiben die sozial und kulturell
bedingte Art und Intensität der Bedeutungsübertratung und des Selbstbezuges, die bei der
Identifikation mit Inhalten und Figuren eine Rolle spielen. Dies ist Teil der oben erwähnten
individuellen Konstruktion und Interpretation des Spiels als Text und findet auch bei der Lektüre eines Buches oder dem Schauen eines Filmes statt. Der erste und dritte Funktionskreis
dagegen sind exklusive Elemente von Computerspielen: Die Spielfigur muss durch körperliche Aktivität mit Joystick, Maus und Tastatur bewegt werden. Die sensumotorische
Synrchonisierung tritt auf der Grundlage von Rückmeldungen durch das Programm ein und
führt zur Erweiterung des eigenen Körperschemas. Die Regelkompetenz wiederum beschreibt
kognitive Prozesse während des Spielens: der Spieler muss sich die Regeln des Spiels aneignen und anwenden können, um das Spielziel zu erreichen. Im weiteren Sinn gehören dazu
auch Problemlösungsprozesse bzw. das Durchdenken von Handlungsalternativen.54
Zusätzlich zum Einbezug des Körpers und einer qualitativ unterschiedlichen Kognition
kommt eine ebenfalls unterschiedliche emotionale Dimension in der Rezeption von Computerspielen. Diese Dimension berücksichtigt Bünger in ihrer Definition von Immersion: Mit
47
Siehe z.B. „Multimedia“, in: Brockhaus in Text und Bild 2005, elektronische Ausgabe, Mannheim 2005.
Ausnahmen sind z.B. die Spielgeschichten von Warren Spector, in denen der Spieler moralisch unterschiedliche Ausgänge herbeiführen kann. Siehe: Mikael Krogerus: Die Game-Boys, in: NZZ-Folio, S. 33-35.
49
Siehe auch: Süss, in: Keitel, S. 40.
50
Keitel, in: Keitel, S. 23. Spiele sind Hypertexte, da sie im Gegensatz zu traditionellen Texten nicht linear, sondern räumlich gestaltet sind und nach aktivem Eingreifen (Interaktivität) durch den Benutzer verlangen.
51
Gunzenhäuser: Spielkultur, in: Keitel, S. 63. Immersionseffekte werden gezielt durch unterschiedliche Spielelemente erzeugt, z.B. durch Geschwindigkeit, Grafikpracht, narrative Komplexität, sprachliche Referenz u.a.
52
Bünger, S. 83.
53
Fritz, in: Fritz, S. 29-35.
54
Siehe hierzu: Bünger, S. 118.
48
8
Schreier und Rupp 2002 grenzt sie den Begriff gegen den Identifikationsprozess ab, wie er bei
der Lektüre von Büchern oder beim Sehen von Filmen vorkommt: Während dort eine emotionale Beteiligung an den Figuren stattfände, ermögliche Immersion in Computerspielen
„ein intensives Erleben von eigenen Emotionen, nicht die Teilnahme an den Emotionen einer Figur. Die Spielfigur wird überhaupt nicht als Charakter mit psychischem Innenleben begriffen. Der
Computerspieler trägt durch sie vielmehr eigene Persönlichkeitsanteile in das Spiel, so kann er
sich bewähren und Leistung erbringen. Die für Identifikation konstitutive Perspektivenübernahme
und das Fremdverstehen liessen sich mit dem Streben nach Erfolg und Kontrolle nicht vereinbaren
55
und wären der lustvollen Rezeption eines Computerspiels wohl eher abträglich.“
Damit einher geht die verbreitete Ansicht, dass Gefühle beim Computerspielen generell weniger komplex sind, da weniger an die Narration gebunden, sondern an die spielerische Tätigkeit.56 Fritz schreibt von einem „befriedigenden Gefühl von Kompetenz und Wirkkraft“, das
sich bei der geglückten Aktivierung der Funktionskreise einstellt.57 Solche Gefühle drehen
sich um den eigenen Erfolg oder Misserfolg in der Spieltätigkeit, also um Lust und Frust.58
Noch weiter gehen jene, die das Vorhandensein von Gefühlen in den spielerischen Phasen
bezweifeln: Um Erfolg haben zu können, müssen Emotionen während dem Spiel weitgehend
kontrolliert, d.h. zurückgehalten werden; sie entladen sich erst nach der Anspannungsphase
oder nach dem Spiel.59
Der Umstand der erweiterten körperlichen, emotionalen und kognitiven Teilnahme des Rezipienten eines Computerspiels bringt uns zur Erwägung des zweiten genannten Verfahrens,
der „teilnehmenden Beobachtung“. Dieses ethnologische Konzept ist seit Jahrzehnten Gegenstand theoretischer Überlegungen und daher variantenreich.
Wenn ein Beobachter eine Datenerhebung in einem Computerspiel durchführen will, muss
er das Spiel mit derselben Seriosität spielen wie ein reiner Benutzer. Verschieden sind nur die
Absichten: während der Benutzer das Spiel gewinnen will, strengt sich der Beobachter an um
an die relevanten Daten zu gelangen. Somit können wir die Teilnahme des Beobachters als
„dicht“ (Splitter 2001) oder „vollständig“ (Spradley 1980) beschreiben. Beide Autoren meinen damit eine weitestgehende körperliche, emotionale und intellektuelle Partizipation des
Feldforschers am „Gegenstand“, in ihrem Fall am sozialen Leben der Beobachteten, ohne jedoch die wissenschaftlichen Absichten und Distanz dabei aufzugeben.60
Eine solche Beobachterposition bringt erkenntnistheoretische Schwierigkeiten mit sich, und
auch diese wurden in der Ethnologie reflektiert: Schon in den 1950er Jahren formulierte Benjamin Paul die Widersprüchlichkeit der teilnehmenden Beobachtung:
„Participation implies emotional involvement; observation requires detachment. It is a strain to try
to sympathize with others and at the same times strive for scientific objectivity.“61
55
Bünger, S. 86f.
Bünger, S. 117.
57
Fritz, in: Fritz, S. 29 und 33.
58
Bünger, S. 87.
59
Berndt, S. 123; Bünger, S. 80f.; Fritz, in: Fritz, S. 13.
60
Spradley, James P.: Participant Obervation, New York 1980, S. 58-62, zitiert nach: DeWalt/DeWalt, S. 19-21;
Splitter, Gerd: Teilnehmende Beobachtung als Dichte Teilnahme, in: Zeitschrift für Ethnologie (2001), 126, 1, S.
1-25, hier S. 19, zitiert nach: Hauser-Schäublin, S. 38f. Auf die Wichtigkeit der körperlichen Erfahrung für den
ethnologischen Erkenntnisgewinn hat zudem Robert Desjarlais hingewiesen: Desjarlais, Robert: Body and Emotion. The Aesthetics of Illness and Healing in the Nepal Himalayas, Philadelphia 1992, zitiert nach: DeWalt/DeWalt, S. 9f.
61
Paul, Benjamin: Interview Techniques and Field Relationships, in: Kroeber, Alfred L. (Hg.): Anthropology
Today, Chicago 1953, S. 430-51, hier S. 69 (!), zitiert nach: DeWalt/DeWalt, S. 23. Siehe auch: HauserSchäublin, S. 38; DeWalt/DeWalt, S. 18.
56
9
Dieser Widerspruch kann nicht aufgelöst, aber durch das Auffinden des richtigen Verhältnisses verkleinert werden: Ein zuviel an Distanz kann bei einem Computerspiel dazu führen,
dass man spielerische, narrative und metaspielerische Details übersieht, andere Lösungsvarianten ausser Acht lässt, oder vielleicht die Steuerung nicht adäquat beherrscht. Bei einem Zuviel an Nähe (oder Immersion) droht hingegen das, was Ethnologen going native nennen: In
diesem Fall setzt sich der Spieltrieb durch und man verhält sich wie ein gewöhnlicher Spieler,
der eine andere, spiel-pragmatischere Sicht auf das Spiel hat als ein Beobachter, der gezielt
Fragen beantworten will. Eine „dichte“ oder „komplette“ Teilnahme ist zudem problematisch,
wenn die Erkenntnis auf Erlebnissen basiert, die nur schwierig in Worte gefasst werden können.62 Bei der Analyse von Computerspielen ist diese Situation allerdings weniger akut, denn
es gibt trotz der Pluralität von Lösungswegen und der computerspieltypischen Rezeption eine
unveränderliche objektive Basis für die Datenerhebung, die bei Bedarf mehrmals durchforscht
werden kann. Auf diese Weise können emotionale Erlebnisse, Vorlieben etc. wie beim Lesen
eines Textes bis zu einem bestimmten Grad relativiert werden.
Die Grenzen der Adaption des Konzeptes auf die Analyse von Computerspielen zeigen sich
dort, wo man die teilnehmende Beobachtung explizit von einer sozialen Basis abhängig
macht, nämlich wenn es um die Untersuchung von menschlichem Verhalten geht.63 Dies kann
für Online-Spiele bedingt durchgehen, nicht aber für ein Einzelspieler-Spiel wie Oblivion.
Umgekehrt fallen mit der sozialen Basis auch die Probleme weg, die damit verbunden sind:
verschiedene Arten von menschlichen Beziehungen (Sexualität, Macht), Bedrohung und Gefährdung der Forschenden, Misstrauen, Erwartungen der Beobachteten, Verletzung von Privatsphäre sowie die Rolle die der Feldforscher aufgrund seines Geschlechts, Klasse und seiner
Ethnizität innehat.64 Ein weiterer Nachteil wird ebenfalls ausgemerzt: das Notizen-machen,
das im Feld mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein kann, weshalb sorgfältige Vorund Nachbereitungen notwendig sind; bei der Analyse von Computerspielen dagegen unterbricht der Beobachter das Spiel, um sich Notizen machen und Überlegungen anstellen zu
können.
Auf den Punkt gebracht unterscheidet sich das Spielen von Computerspielen von der Lektüre oder dem Schauen eines Films nicht in erster Linie durch den quantitativ unterschiedlichen „Konstruktionsprozess“, sondern durch die Rezeption der Benutzer, die zwar nicht in
den narrativen, aber in den spielerischen Phasen eines Spiels qualitativ unterschiedlich ist.
Was diesen ludischen Aspekt betrifft, ist der Beobachter weniger ein erweiterter „Konstrukteur“, sondern ein „Teilnehmer“ auf der körperlichen, emotionalen und kognitiven Ebene. Die
Analyse eines Computerspiels kann also auch als eine Art „teilnehmende Beobachtung“ verstanden werden, wobei „Teilnahme“ nicht als eine sozial basierte Teilnahme im ethnologischen Sinn zu verstehen ist, sondern als Interaktivität beim Spielen. Der Widerspruch zwischen Teilnahme und Beobachtung ist hier trotz einer „dichten“ oder „kompletten“ Teilnahme
weniger ausgeprägt, da zumindest die körperliche und emotionale Beziehung zum Gegenstand
sehr viel weniger komplex ist als im Falle der Teilnahme an sozialen Aktivitäten. Wenn also
„Wissenschaftlichkeit“ bedeutet, Erkenntnisse durch einen möglichst hohen Grad an intersubjektiver Empirie und einen möglichst kleinen Grad an persönlicher emotionaler Beteiligung
zu gewinnen, ist die „spielende Beobachtung“ weniger „wissenschaftlich“ als die Lektüre eines Textes, aber „wissenschaftlicher“ als die teilnehmende Beobachtung der Ethnologen.
62
DeWalt/DeWalt, S. 17; Hauser-Schäublin, S. 38f.
Hauser-Schäublin, S. 34.
64
Hauser-Schäublin, S. 39-41; DeWalt/DeWalt, S. 25f.
63
10
2 Das Spiel The Elder Scrolls IV: Oblivion
2.1 Computer Fantasie-Rollenspiele
Computer Rollenspiele (computer role-playing games, CRPG) bezeichnet zunächst eines von
mehreren Genres vom Computerspielen, die von ca. 10% der Computerspieler gespielt werden65. Ihre Ursprünge liegen in den so genannten pen-and-paper Rollenspielen. Solche Spiele,
die von einem menschlichen „Erzähler“ mit Hilfe von Regelbüchern geleitet werden, gibt es
in verschiedenen Variationen seit den 1950er Jahren. Häufig, aber nicht nur, sind Rollenspiele
in einem fantastischen Szenario angesiedelt, konkret in einer fantasievollen mythischen Vergangenheit, die sich häufig an Tolkiens „Herr der Ringe“ orientiert. Jeder Beteiligte spielt
einen selbst gewählten Charakter, der in diesem Spiel Abenteuer besteht und sich dabei weiterentwickelt, indem er Erfahrungspunkte sammelt und Erfahrungsstufen erklimmt. Ab den
1980er Jahren begann die Umsetzung bekannter pen-and-paper Rollenspiele wie Das
Schwarze Auge (DSA) oder Dungeons & Dragons auf den Computer. Zur gleichen Zeit fingen Programmierer damit an, Rollenspielwelten ausschliesslich für den Computer zu entwerfen.66 Waren sie zunächst noch reine Textspiele, die über das Eintippen von Befehlen gespielt wurden, ermöglichte die technische Entwicklung schon bald, die fantastischen Rollenspielwelten auch visuell und auditiv umzusetzen und unmittelbarer zu bedienen.
Heute sind Computer Rollenspiele hybride Genres, die meistens die Bereiche Action, Geschicklichkeit, Rätsel lösen und Charakterentwicklung (bei Multiplayer-Rollenspielen im Internet kommt die Interaktion mit menschlichen Mitspielern dazu) kombinieren und diese in
eine narrative Rahmenhandlung einbetten. Der Spieler erkundet diese Welt und interagiert mit
dieser Welt mit Hilfe seines virtuellen Repräsentanten, des Avatar, den er mit Maus und Tastatur (oder Joystick) steuert. Computer Rollenspiele zeichnen sich gegenüber anderen Genres
allgemein durch grössere Eingriffsmöglichkeiten und Wahlfreiheit aus, was die Spielfigur und
den Handlungsverlauf der Narration(en) betrifft.
2.2 Technische Angaben
The Elder Scrolls IV: Oblivion ist der vierte Teil einer Einzelspieler Computer FantasieRollenspieleserie mit dem Namen The Elder Scrolls (TES). Das im Frühjahr 2006 erschienene Oblivion wurde von den amerikanischen Spieleentwickler Bethesda Softworks für PC und
die Spielkonsole XBox 360 entwickelt.67 Zum Lieferumfang der PC-Version gehören die
DVD mit der Spielsoftware, eine Landkarte von Cyrodiil (Abb. 1) und das Handbuch. Für
einen Aufpreis gibt es eine Sonderausgabe, die neben den genannten Gegenständen auch die
Film-Dokumentation Making of Elder Scrolls IV: Oblivion, einen Almanach über die Geschichte und Geografie der Spielwelt Tamriels sowie einen „Septim“, eine metallene Münze
in der Währung des Kaiserreichs Tamriel enthält.
Ich untersuche Oblivion in der Version 1.1.511, d.h. das Originalprogramm wurde von mir
durch die Installation des auf der Webseite von Bethesda erhältlichen offiziellen German Update 1.168 aktualisiert. Das Spiel wird von der deutschen USK (UnterhaltungssoftwareSelbstkontrolle) ab 12 Jahren freigegeben, von der PEGI (Pan European Game Information)
65
Entertainment Software Association: Essential Facts about the Computer and Video Game Industry (2006
Sales, Demographic and Usage Data), auf: www.theesa.com für die USA; und Berndt, S. 67 für Deutschland.
66
Krambrock, S. 30; Gunzenhäuser, Massenhafte Immersion, in: Keitel, S. 85-87.
67
Gegenstand der Diskussion ist hier ausschliesslich die PC-Version.
68
Als „Update“ wird ein Programm bezeichnet, das eine bestehende Software aktualisiert und verbessert; konkret werden spielerische und metaspielerische Programmierfehler ausgebessert und die Kompatibilität für neuere
Hardware (z.B. Grafikkarten etc.) erweitert.
11
ab 16 Jahren (ausser für Grossbritannien und Finnland, wo das Alter tiefer angesetzt wird, und
für Deutschland, das nicht Mitglied von PEGI ist), mit dem Vermerk: „Gewaltdarstellungen
oder verherrlicht/verharmlost Gewalt“.69
2.3 Das Spiel
Wie die Vorgängerspiele Arena (1994), Daggerfall (1996) und Morrowind (2002) hat auch
Oblivion ein offenes Ende und schöpft aus demselben narrativen Spieluniversum, welches für
seinen Detailreichtum, Komplexität und Realismus bekannt ist. Oblivion erzählt nicht eine
Geschichte in einer entsprechend gestalteten Welt, sondern das Spiel bietet eine Welt mit einem ausgefeilten komplexen geografischen, historischen, politischen und kulturellen Hintergrund, in welchen mehrere Geschichten eingebettet sind. Der Spieler kann diese Geschichten
durch seine Spielfigur chronologisch oder simultan entwickeln, er muss es aber nicht. Dieses
Hintergrundwissen über den Planeten Nirn wird teilweise in Gesprächen mit den über 1000
Charakteren70 vermittelt, die die Städte und Dörfer Cyrodiils bevölkern; dichter und gezielter
kann sich der Spieler jedoch in den mehr als 400 virtuellen Büchern informieren, die in Buchhandlungen, Bibliotheken, Privathäusern, Ruinen und Höhlen zu finden sind. Darüber sind
manche Gegenstände wie Waffen, Rüstungen, Kleider, sowie Gebäude, geografische Regionen und Naturschauplätze mit der Elder Scrolls Überlieferung verbunden und funktionieren
daher als visuell erfahrbare Aspekte der Wissenskultur. Wie intensiv sich der Spieler das Universum von Elder Scrolls aneignen will, bleibt ihm überlassen – das Spiel setzt diesbezüglich
keine Kenntnisse voraus, doch wächst das Verständnis von Spielereignissen, je mehr Hintergrundwissen vorhanden ist.
Abb. 1: Der Ort des Geschehens: Die kaiserliche Provinz
Cyrodiil, Schmelztiegel des
Kontinenten Tamriel, der
wiederum einer von mehreren Kontinenten des Planeten
Nirn ist, der wiederum eine
von mehreren Existenzsphären ist.
69
Zum Thema Prüfung und Indizierung von Bildschirmspielen, siehe: Berndt, S. 75; Petzold, S. 47. Für Informationen zu PEGI: http://www.pegi.info/pegi/index.do.
70
Ich brauchen den Begriff „Charakter“ in Anlehnung an die im Englischen gebräuchliche Bezeichnung nonplayer character (NPC), um virtuelle Figuren zu bezeichnen, die vom Computerprogramm gesteuert werden.
12
Als Rollenspiel besteht Oblivion aus folgenden Elementen: 1) die Spielfigur, durch deren Augen der Spieler die Spielwelt wahrnimmt (Ego-Perspektive) und durch die er interagiert; 2)
Charakteren, die der Spielfigur Aufträge, Informationen oder Tauschgeschäfte anbieten; 3)
ein begrenzter Raum, die Provinz Cyrodiil (Abb. 1) mit natürlichen Gebieten wie Wälder,
Wiesen, Berge, Seen, Flüsse, Höhlen und mit Örtlichkeiten wie Städte, Burgen, Dörfer, Ruinen, Häuser, Schreine u.a., die Teil einer Narration sein können, aber nicht müssen; 4) eine
Spielzeit mit einer historischen Vergangenheit: Das Spiel beginnt am „27. der letzten Saat im
Jahr 433 von Akatosh“71 in der Dritten Ära; Jahre, Monate, Wochentage, Stunden (1 Stunde
Spielzeit entspricht zwei Minuten Realzeit) und Minuten werden werden gleich gerechnet,
haben aber andere Namen.
Als Handlungen von Spieler bzw. Spielfigur lassen sich nennen: 1) das Ausrüsten der Spielfigur mit Kleidung, Waffen, Rüstungen, Schmuck, die z.T. magische Wirkungen haben; 2)
das Entdecken und Erkunden von Örtlichkeiten und Räumen; 3) Reaktionsgeschwindigkeit
voraussetzende Handlungen wie das Rennen und Kämpfen mit verschiedenen Waffen; 4) Geschicklichkeit voraussetzende Handlungen wie Zielen, Schleichen, Schlösser knacken, Stehlen, Charakteren überreden, Fallen entschärfen; 5) das Ausüben von Magie zur Erlangung
verschiedener Vorteile wie die Genesung der Spielfigur, die Erweiterung ihrer Fähigkeiten,
die Beherrschung von freundlichen und feindlichen Lebewesen etc.; 6) das Sammeln verschiedener Ingredienzien von besiegten Kreaturen und von Pflanzen und deren Verarbeitung
zu Tränken von unterschiedlichen Wirkungen; 7) das Anhäufen von Reichtum durch das
Sammeln von Schätzen, den Handel mit wertvollen magischen und nicht-magischen Gegenständen, sowie die Investition des Kapitals in Häuser und Geschäfte; 8) die Entwicklung der
Fähigkeiten der Spielfigur durch o.g. Handlungen oder Unterweisung; 9) das Erleben von Geschichten durch das Absolvieren von Missionen, die wiederum die o.g. Elemente beinhalten.
2.4 Die Hauptmission
Zu Beginn wählt der Spieler Rasse, Geschlecht, Aussehen und „Klasse“ (Berufung, die das
Verhalten des Spielers bis teilweise vorbestimmt) der Spielfigur, die er spielen möchte. Das
Spiel beginnt im Gefängnis in der Kaiserstadt. Es folgt ein Tutorial, bei dem der Spieler einerseits in die Geschichte der Hauptmission von Oblivion eingeführt wird, und anderseits die
Steuerung der Spielfigur und das Menü kennen lernt. Die Geschichte beginnt mit dem Mord
an Kaiser Uriel Septim VII. durch zunächst Unbekannte mit unbekanntem Motiv. Dies geschieht durch ein zufälliges Ereignis direkt vor den Augen der Spielfigur; der sterbende Kaiser überreicht ihr ein Amulett und bittet sie, seinen unehelichen Sohn, den einzig verbliebenen
Erben, zu finden und die drohende Gefahr aus dem Daedrareich Oblivion72 abzuwenden.
Von diesem Punkt an ist der Spieler frei zu tun, was er will. Er kann der Bitte des verstorbenen Kaisers nachkommen und umgehend mit der Suche nach dem Sohn beginnen; oder er
kann mit seiner Spielfigur das riesige Cyrodiil, die Städte und Dörfer, Wälder, Wiesen und
Ruinen auf eigene Faust erkunden und dabei jede Menge Banditen und Monster bekämpfen
und Schätze bergen. Er kann sich auch umhören, Gerüchten nachgehen, geachteten und weniger geachteten Gilden beitreten und die damit verbundenen zahlreichen Nebenmissionen verfolgen. Bei all diesen Handlungen trainiert die Spielfigur ihre Fähigkeiten und entwickelt sich
stufenweise zu einem mächtigen und kampferprobten Magier, Kämpfer oder Dieb. Abhängig
davon, wie der Spieler sich verhält, erlangt die Spielfigur Ruhm, Ansehen und Reichtum, oder
sie wird als Krimineller von den Wachen verfolgt und immer wieder gebüsst.
Die Geschichte, die in der Hauptmission nach und nach erzählt wird, ist die eines uralten
Bundes zwischen Göttern und Menschen, der durch den Mord am Kaiser und seinen Erben
71
So der Kaiser im Intro zum Spiel.
Das Spiel wird nach der Existenzsphäre der Daedra benannt. Ich schreibe Oblivion kursiv, wenn ich auf das
Spiel referiere, nicht aber, wenn ich mich auf die Parallelwelt der Daedra beziehe.
72
13
gefährdet ist: Alessia, die erste Kaiserin Cyrodiils, verbündete sich in der Ersten Ära mit den
guten Aedra-Gottheiten, welche die bösen, dämonenartigen Daedra nach Oblivion verbannten. Im Gegenzug musste der Kaisertitel stets an einen Erben vom Blute Alessias weitergegeben werden, denn nur ein solcher war fähig, das von den Göttern gegebene „Amulett der Könige“ zu tragen und durch das Krönungsritual die Drachenfeuer weiterbrennen zu lassen – ist
dies nicht gewährleistet, könnten die Aedra die Tore Oblivions nicht mehr geschlossen halten
und eine vernichtende Invasion stünde ganz Tamriel bevor. Genau dies ist die Absicht der
„Mythischen Morgenröte“, eines Daedra-Kultes, dessen Anhänger den Kaiser und seine Erben ermordet haben. Die Spielfigur soll nun, unterstützt von kaisertreuen Gruppen, den Anhängern dieses Kultes das Handwerk legen und den unehelichen Sohn des Kaisers finden,
damit dieser die erloschenen Drachenfeuer wiederentfachen und Tamriel vor der Zerstörung
retten kann.
2.5 Kritik
Oblivion erhielt 2005 an der amerikanischen Videospiele-Messe E3 jede Menge Auszeichnungen73 und wurde von zahlreichen Redakteuren von Computerspiel-Magazinen als das
im Moment beste seiner Art gelobt. Besonderes Aufsehen erregte die Grafik des Spiels, die
mit gelungenen Licht- und Schatteneffekten sowie Emotionen ausdrückenden photorealistischen Gesichtern einen hohen Grad an Realitätsnähe erzeugt. Als spannend empfunden wurden auch die abwechslungsreichen Missionen; die dynamisch auf Ereignisse reagierende Musik; das realistische physikalische Verhalten von Gegenständen und Körpern; sowie die insgesamt über 50 Stunden Sprachausgabe, für die in der englischen Version Schauspieler wie Patrick Steward, Terence Stamp, Lynda Carter und Sean Bean verpflichtet wurden.74
Weniger „gross und grossartig“75 ist das „ganz grosse Stück Rollenspielgeschichte“76 bei
den Hardware-Anforderungen: Damit das Spiel bei voller Grafikpracht flüssig läuft, muss ein
Rechner mit einem schnellen Prozessor und einer leistungsfähigen Grafikkarte her, wie es sie
derzeit nur in so genannten High-End-PCs gibt, PCs in den obersten Preisklassen. Gegenstand
der Kritik ist weiterhin das eher unübersichliche Menü; die deutsche Textübersetzung, wo
sich teils englische Begriffe und unlesbare Programmiercode-Zeilen eingeschlichen haben;
die Generik, d.h. die kapazitätsbedingte ästhetische Ähnlichkeit unterschiedlicher Räumlichkeiten; sowie einige so genannte bugs, Fehler wie Abstürze, unlogische Details (z.B. Regen
durch die Dächer), Aussetzer der KI etc., die es in jeder Software gibt und die später durch
gratis herunterladbare Ausbesserungsprogramme (Patches und Updates) ausgemerzt werden.77
Ambivalent bewertet wird, wie bei allen Elder Scrolls Titel, die räumliche Grösse und der
hohe Grad an spielerischer Freiheit, die nur punktuell mit narrativen Eregnissen korrespondieren: Was von Anhängern hoch geschätzt wird, empfinden andere als zielloses Umherwandern
in einer zwar ästhetisch schönen und realistisch animierten, aber grossenteils inhalts- und
sinnleeren Spielumgebung. Anderseits erhält Oblivion genau hier bessere Noten als der Vorgänger Morrowind, der rote Faden sei stets klar, man werde genug geleitet, ohne die Handlungsfreiheit einzubüssen.78
73
Siehe: http://planetelderscrolls.gamespy.com/View.php?view=Awards.List&category_select_id=1&game=4,
17.4.06; und: The Making of The Elder Scolls IV: Oblivion.
74
Siehe: http://www.monitor.ca/monitor/issues/vol13iss10/feature2.html (3.7.06); GameStar, 5/2006, S. 102109; und: The Making of The Elder Scrolls IV: Oblivion.
75
Markus Schwerdtel, zitiert nach: GameStar 5/2006, S. 107.
76
Olaf Bernhard, http://www.chip.de/artikel/c1_artikel_19187835.html?tid1=9228&tid2=0 (17.4.06).
77
Siehe: http://www.monitor.ca/monitor/issues/vol13iss10/feature2.html (3.7.06); GameStar, 5/2006, S. 102109; http://www.chip.de/artikel/c1_artikel_19187835.html?tid1=9228&tid2=0 (17.4.06).
78
GameStar, 5/2006, S. 102-109; siehe auch:
http://www.chip.de/artikel/c1_artikel_19187835.html?tid1=9228&tid2=0 (17.4.06); und:
http://pc.gamespy.com/pc/the-elder-scrolls-iv-oblivion/558955p1.html, (17.4.06).
14
3 Vorgehensweise und Quellen
In dieser Arbeit untersuche ich „Religion“ in Oblivion durch die Methode des Spielens. Während sich religiöse Inhalte in den Künsten der Magie, Astrologie, Alchemie, in einigen der
Gilden sowie in der Politik Cyrodiils finden lassen, wird „Religion“ am augenfälligsten als
„Religionen“ vermittelt, wobei ich zur Eingrenzung auf die zwei wichtigsten fokussiere, nämlich die Religion der Neun Göttlichen sowie den Daedra-Kult. Daneben gibt es eine Reihe
weiterer, weniger bedeutender Kulte und Institutionen, darunter etwa „Denominationen“ und
Orden der Religion der Neun und des Daedra-Kults, sowie eigens für gewisse Missionen kreierte Kulte und Prophezeiungen. Einzelne Aspekte dieser Religionen werden im Kapitel 5 kurz
vorgestellt, sofern sie für das Verständnis der Analyse notwendig sind.
Aufgrund der Grösse der Spielwelt Oblivions ist es notwendig, die Untersuchung weiter
räumlich und textuell einzugrenzen. Ich beschränke mich daher auf 1) die Besichtigung der
Sakralbauten (Kapellen, Statuen, Schreine); 2) die Gespräche mit den Charakteren aller Städte
bzw. mit den Charakteren bei den Daedra-Schreinen; 3) die Durchsicht der Bücher in den drei
grossen Buchhandlungen Cyrodiils sowie in den Bibliotheken der öffentlichen Gildenhäuser;
4) die Absolvierung der daedrischen Missionen, der Wegschrein-Mission, der vier Gildenmissionen (Kämpfergilde, Magiergilde, Diebesgilde, Dunkle Bruderschaft) und der Hauptmission; für die Frage nach der Beziehung der Religionen zum narrativen Kontext betrachte
ich ausschliesslich die Geschichte der Hauptmission. Aus der Betrachtung ausgeschlossen
sind damit eine Vielzahl von gildenunabhängigen Missionen sowie Örtlichkeiten ausserhalb
der Städte (Dörfer, Höhlen, Minen, Ruinen), die nicht Teil einer der oben genannten Missionen sind. Diese spielerischen und narrativen Aspekte habe ich nur betrachtet, wenn sich ein
Hinweis auf religiöse Inhalte ergeben hat.
Die Datenerhebung erfolgt technisch durch die Steuerung der Spielfigur. Die Spielfigur jedoch ist Teil der Spielwelt von Oblivion und entwickelt gemäss der Spielweise des Spielers
unterschiedliche Fähigkeiten und einen bestimmten Ruf. Dies kann die Erhebung beeinflussen
(z.B. Verweigerung von Informationen aufgrund eines schlechten Rufs, Verweigerung eines
Gildeneintritts; Gespräche drehen sich vermehrt um die Taten der Spielfigur etc.). Um die
Datensammlung so reibungslos wie möglich zu gestalten, habe ich die moralisch relevanten
Missionen mit einer je eigenen Spielfigur gespielt. Rasse, Geschlecht, Aussehen und Klasse
der Spielfigur sind dabei irrelevant, da sie die Inhalte nicht verändern, höchstens die Strategie
bestimmen, wie ich als Spieler diese Daten freischalte. Für die Datenerhebung führte ich ein
Tagebuch, in dem ich die für die Fragestellung relevanten Aussagen während einer ersten
explorativen Phase des Spielens chronologisch erfasste. Zugang zu solchen Aussagen gewährten mir Begriffe, die ich als „religiös“ eingestuft habe. Die nachfolgende Auflistung präsentiert eine nach Kategorien gegliderte Auswahl der „religiösen“ Terminologie in Oblivion:
1) Menschliche Akteure: Schamane, Schamanenpriester, Heilige, Ketzer, Novize, Heiden,
Priester, Priesterin, Geistlicher, Prophet, Avatar, Mananaut, Naga thugs.
2) Nicht-menschliche Akteure: Gott, Göttin, Götter, Geist, Ahnen, Dämon, Teufel, Schutzpatron.
3) Bauten und Gegenstände: Tempel, Schrein, Kloster, Reliquie, Kapelle.
4) „Theologische“ Konzepte: Religion, Doktrin, Glaube, Seele, erleuchtet, Heil, Heilsbotschaft, heilig, Paradies, profan, gottlos, pietätlos, Opfer, Gnade, Sünde, Laster, Sühne.
5) Religiöse Organisation: Kult, Orden, Kapitel.
6) Religiöse Praxis: Zeremonie, Liturgie, Verehrung, Anbetung, Gebet, Segen, Segnung,
Mysterien, Vision, Mystik.
Es versteht sich von selbst, dass diese Auflistung das Ergebnis einer kulturell geprägten
Kommunikation zwischen mir als Spieler und dem Spiel bzw. den Programmierern ist. Demnach widerspielgeln diese Begriffe nicht nur den christlichen Hintergrund des Designer15
Teams, das sich zum grössten Teil aus weissen US-Amerikanern79 zusammensetzt, sondern
auch mein eigenes Religionsverständnis als Spieler und Beobachter. Dieses religiöse Vorwissen ist es, das darüber entscheidet, welche Begriffe als „religiös“ kategorisiert werden und
welche nicht bzw. wie ausgedehnt und vielfältig Religion im Spiel erfahren und beobachtet
werden kann. So ist es denkbar, dass andere Spieler die Begriffe oder Kunstbegriffe wie Avatar oder Mananaut nicht unbedingt als „religiös“ klassifizieren; umgekehrt könnten Angehörige anderer Kulturen Begriffe ihrer Religion wiederfinden, die mir aus Unkenntnis entgangen
sind. Dennoch lässt sich sagen, dass sich dieses Spiel in erster Linie an ein westlichchristliches Publikum richtet, das „Religion“ im Sinne der Programmierer zu deuten versteht.
Dieser sprachliche Zugang führt dann zu Aussagen, die unterschiedlichen medialen Charakters sind. Hier unterscheide ich im Sinne von Fritz Stolz die unterschiedlichen Darstellungsebenen Sprache, Bild, Handlungen und Musik für die Übermittlung religiöser Botschaften.80
Stolz’ Konzept ist für die Beschreibung der Religionen hilfreich, da es dem multimedialen
Charakter eines Computerspiels entgegenkommt; auf eine genauere Untersuchung des Zusammenhangs der verschiedenen Ebenen verzichte ich aus Platzgründen.
Um das zeitintensive Abtippen der sprachlichen Quellen zu vermeiden, bot es sich an, die
entsprechenden Passagen aus der Datei „oblivion.esm“ im Verzeichnis „\data“ zu kopieren,
die sämtliche spielimmanente Texte enthält. Zu dieser ersten Spielphase gehört schliesslich
das Anlegen einer Vielzahl von Speicherständen, auf die später zurückgegriffen werden kann.
Auf diese explorative Phase folgte eine erste Systematisierung der Daten: Die Aussagen
wurden nach Religion und Perspektive gegliedert, dann, für die Rekonstruktion der Religionen, nach den fünf Aspekten bzw. Bedeutungsnuancen, durch die sich ein Religionsbegriff
gemäss H. K. Haussig teilweise oder zur Gänze auszeichnet: 1) der theologisch-glaubensmässige bzw. objektiv-glaubensmässige Aspekt (Glaubenssätze, z.B. Aussagen über Natur Gottes,
des Menschen etc.); 2) der emotionale bzw. subjektiv-glaubensmässige Aspekt (individueller
Aspekt der Religion, Frömmigkeit, Ergriffensein, Lauterkeit der religiösen Überzeugungen
oder Handlungen); 3) der kultisch-rituelle Aspekt (kultische Handlungen: Gebet, Opfer, Fasten, Speisegebote etc.); 4) der allgemeine bzw. ethische Verhaltensaspekt (sittliches und moralisches Verhalten; regelt das Zusammenleben in der Gemeinschaft; konkrete soziale Verbote, Gebote, Aufforderungen etc.); 5) der soziologische Aspekt (Fragen der Organisation der
Religion).81
Der Grossteil der Daten wurde in der explorativen Phase gesammelt. In dieser Phase aber,
sowie in der anschliessenden Gliederung der Daten haben sich Unklarheiten und neue Fragen
ergeben, die in einem zweiten Spielprozess geklärt wurden: In diesem Durchgang griff ich auf
die Specherstände zurück, um gezielt entsprechende Passagen zu wiederholen sowie Standbilder zu machen.
Im Fall von Oblivion bilden Begriffe und textliche Aussagen für den Zugang zur Religion
die mit Abstand wichtigste Darstellungsebene. Der religiöse Charakter visueller Elemente
kann meistens nur in seinem sprachlichen Kontext erkannt werden. Noch mehr gilt dies für
die vereinzelten religiösen Handlungen und die Geräusche, welche nur eine untergeordnete
Rolle spielen. Da die sprachlichen Quellen im Spiel in ästhetischer und funktionaler Hinsicht
differenziert sind, sollen sie kurz erläutert werden. Wir können vier Kategorien unterscheiden,
nämlich Bücher, Charaktere, Meldungen und das „intuitive Wissen“ der Spielfigur.
Es gibt eine grosse Anzahl von virtuellen Büchern, die die Spielfigur an vielen Orten in Cyrodiil antrifft, v.a. aber in den Buchhandlungen (Abb. 2) und in den Bibliotheken der einzelnen Gilden. Liest der Spieler diese zwischen zwei und sechzig Seiten starken Bücher (9 Buchseiten entsprechen einer A4 Seite), wird ihm ein detailliertes Bild über Tamriel vermittelt. In
zahlreichen Erzählungen, Biografien, Sachbüchern, Chroniken, Schöpfungsmythen, Legen-
79
Siehe: The Making of The Elder Scrolls IV: Oblivion.
Stolz, S. 55-72.
81
Haussig, H. K.: Der Religionsbegriff in den Religionen, Berlin 1999, S. 35f.
80
16
den, Heldengeschichten, Expeditionenberichte und Historiografien werden die verschiedenen
Kulturen und Gesellschaften, ihre Geschichte und aktuellen Probleme beschrieben.
Religion bzw. religiöse Themen werden in diesen zahlreichen Büchern relativ häufig aufgegriffen. Einzelne Bücher widmen sich hauptsächlich oder sogar ausschliesslich der Religion. Das Spektrum der Perspektive ist dabei weit gefasst, so dass ich die für die Fragestellung
relevanten Bücher in folgende Kategorien einteilen konnte: 1) traditionelle Innenansicht: darunter fallen a) Mythen, Geschichten und Legenden über die göttliche Intervention in menschliche Geschicke, geschrieben in Prosa oder Poesie; b) „heilige“ Schriften, Gesetzestexte, Ritualtexte, Prophezeiungen; c) „theologische“ Erörterungen und Chroniken über den Prozess
der Ausdehnung einer Religion. 2) Aussenansicht, die sich wiederum unterteilen lässt in a)
informative Texte (die Zeitung „Rappenkurier“) und b) „religionswissenschaftliche“ Texte,
die die verschiedenen Religionen Tamriels systematisch und historisch aufarbeiten und sich
dabei einer „wissenschaftlichen“ (differenzierten und wertneutralen) Sprache bedienen.
Abb. 2: Lesbare Bücher in der Buchhandlung „Erstausgabe“ in der Kaiserstadt.
Abb. 3: Konversation mit einer Bewohnerin von Chorroll.
Die Spielfigur kann mit jedem Charakter in Cyrodiil kommunizieren, mit Ausnahme derjenigen, die von vornherein als Feinde gelten. Die Kommunikation erfolgt über das „Aktivieren“ der betreffenden Person, und dann über die Auswahl vorgegebener Themen. Standardmässig erscheint das Thema „Gerüchte“ sowie, bei Stadtbewohnern, die Meinungen zur
betreffenden Stadt. Spezielle Charaktere können zudem über spezielle Themen Auskunft geben: die Stadtwachen über die Örtlichkeiten einer Stadt, die Händler über ihre Angebote, die
Grafen und Herzöge über Politik und erwerbbare Immobilien, die Bettler über vertrauliche
Informationen in heiklen Missionen, Gildenangehörige über ihre Gilde etc. Viele Charakteren
sind zudem potentielle Auftragsgeber oder weisen auf andere Charaktere hin, die Aufträge
bereithalten. Die Antworten der Charakteren sind gesprochen, erscheinen aber bei wahlweise
auch als Untertitel (Abb. 3). Auch ohne direkte Kommunikation kann der Spieler Informationen von Charakteren erhalten, einerseits indem er einem Gespräch zwischen zwei Charakteren lauscht, anderseits indem er einen Charakter anpeilt, welcher darauf mit einer kurzen Äusserung reagiert, meistens ein Gruss.
Das Thema Religion kann in Gesprächen mit Charakteren selten direkt thematisiert werden.
Bei Begrüssungen, Abschied, der Frage nach „Gerüchten“ und der Meinungen über die
betreffende Stadt tauchen Aussagen über die Religion aber regelmässig auf.
Meldungen erscheinen in verschiedenen Situationen und haben verschiedene Funktionen.
Zum einen erscheinen Meldungen während den Ladevorgängen bei einem Szenenwechsel,
z.B. von der Wildnis in eine Stadt; von der Stadt in ein Haus etc. Diese Meldungen haben einen Umfang von wenigen Sätzen und informieren über einen bestimmten Aspekt der Welt
von Oblivion (Abb. 4). Sie können Informationen über bestimmte Persönlichkeiten beinhal17
ten, geschichtliche Hintergründe, Aufforderungen an die Spielfigur und den Spieler etc. Solche Meldungen haben damit nicht nur informative Funktion, sondern sollen die Wartezeit
während dem Laden verkürzen. Zweitens sind Meldungen Teil einer spezifischen Narration,
etwa wenn die Spielfigur im Verlauf einer Mission eine Entdeckung oder Erfahrung macht,
die der Spieler audiovisuell nicht nachvollziehen kann. Zum dritten gibt es die automatischen
Tagebucheinträge der Spielfigur. Sie sind nicht nur schriftlich fixierte Erfahrungen und Erlebnisse, die als Gedächtnisstütze während längeren Missionen dienen, sondern sie enthalten
stets auch Hinweise der Spielfigur auf das weitere Vorgehen, das für den Spieler nicht in jedem Fall klar ist (nach dem Muster: „Jetzt sollte ich nach x gehen und dort mit y sprechen.“).
In allen drei Arten von Meldungen kommen mitunter religiöse Themen zur Sprache.
Abb. 4: Eine Meldung beim Ladevorgang.
Abb. 5: Das „intuitive Wissen“ der Spielfigur als Text unten rechts.
Die Spielfigur ist, was ihre Umgebung betrifft, beinahe allwissend. Im Zentrum ihres Blicks
existiert ein nicht zur Spielwelt gehörendes kleines Kreuz (cursor), welches das Aktivieren
von Gegenständen und Charakteren sowie das Zielen im Kampf erleichtert. Peilt der Spieler
mit dem Kreuz einen Gegenstand oder einen Charakter auf kurze Entfernung an, erscheint
automatisch dessen Benennung am rechten unteren Bildschirmrand. Auf diese Weise erfährt
der Spieler, dass es sich etwa bei einem unspektakulären Kasten um einen „Reliquienschrein“
handelt, bei einem simplen steinernen Rechteck um einen „Altar“, bei einer weissblättrigen
Blüte im Wasser um einen „Heiligen Lotus“ (Abb. 5) etc. Gegenstände, die auf diese Weise
nicht textlich erfasst werden können, haben keine spielerische Funktion.
Weitere Quellen, die ich verwende, sind drei reale Bücher, welche religiösen Inhalte vermitteln, und zwar auf je eigene Weise: Zum einen das Handbuch, das in erster Linie spieltechnische Informationen für den Spieler bereithält. Als zweites den in der Sonderausgabe
von Oblivion mitgelieferten Almanach für Tamriel82; dieses Buch ist Teil der Spielwelt, es
richtet sich nicht an den Spieler, sondern an die Charakteren in Tamriel, mit dem erklärten
Ziel, die verschiedenen Rassen der verschiedenen kulturellen Regionen auf die Einheit des
Kaiserreichs einzuschwören. Schliesslich arbeite ich auch mit dem offiziellen Lösungsbuch83
zum Spiel um die Datensammlung zu ergänzen. Weiterhin habe ich drei Filme zwischen 3
und 40 Minuten Länge beigezogen: Der kurze Trailer, der für Oblivion werben soll; die Demonstration von Produktionsleiter Todd Howard auf der E3-Messe; sowie The Making of The
Elder Scrolls IV: Oblivion.
82
Bethesda Softworks: A Pocket Guide to The Empire and its Environs. Being a Description of the Lands and
the Chief Features of their Histories, 2006.
83
Bethesda Softworks: Elder Scrolls IV: Oblivion. Official Game Guide for PC and Xbox 360, Roseville (Prima
Games) 2006.
18
4 Daedra und die Neun Göttlichen
4.1 Die Neun Göttlichen
Die Religion der Neun Göttlichen (Nine Divines) ist mit dem Kaiserreich Tamriel historisch
und symbolisch eng verknüpft und daher die dominante Religion im Reich. In Cyrodiil trifft
die Spielfigur die Gotteshäuser und Gläubigen v.a. im städtischen Umfeld an.
1) Theologie
Theologische Aussagen sind naturgemäss sprachlicher Art, zu finden in Büchern und vereinzelt auch in Meldungen. Eher selten werden sie visuell umgesetzt.
Ein wichtiges Werk für die Theologie der Neun Göttlichen ist die „Anuad in Kurzform“,
ein Schöpfungsmythos, der die Entstehung der Götter und des Planeten Nirn, seiner Kontinente und Rassen aus einer ursprünglichen Dualität behandelt. Nirn wird als physischer und
zugleich spiritueller Ort verstanden, welcher auch „Mundus“ oder „the Gray Maybe“ genannt
wird.84 Die Götter entstanden aus dem vermischten Blut der Ur-Brüder Anu und Padomay,
„daher ihre Fähigkeit, sowohl Gutes als auch Böses zu tun, und ihr größeres Interesse für irdische Angelegenheiten als das der Daedra, die keine Verbindung mit der Schöpfung haben.“
In Cyrodiil werden neun Aedras verehrt, die das Pantheon der Neun Göttlichen bilden. Diese haben ihren Sitz in Aetherius, einem Kollektiv himmlischer Sphären85, und weisen je eigene Charakteristiken auf: Akatosh ist der Drachengott der Zeit und Erster der Aedra; Julianos
ist der Gott der Weisheit und der Logik; Stendarr ist der Gott der Gnade; Mara ist die Muttergöttin und Göttin der Liebe; Dibella ist die Göttin der Schönheit; Arkay ist der Gott des Zyklus von Geburt und Tod; Kynareth ist die Göttin der Luft; Zenithar ist der Gott der Arbeit und
des Handels; Tiber Septim ist der Gott des Krieges und der Herrschaft.86 Visuell dargestellt
werden diese Gottheiten als überlebensgrosse Statuen im Baumgartenbezirk der Kaiserstadt
und teilweise neben den Kapellen, sowie auf mit buntem Glas gestalteten hohen Fenstern in
den Kapellen Cyrodiils. Die Statuen und Fenster bilden in weite Kleidung gehüllte Männer
und Frauen verschiedenen Alters ab, ausgestattet mit symbolisch passenden Attributen.
Abb. 6: Die Statue des Zenithar, Gott der Arbeit, im Baumgartenbezirk der Kaiserstadt.
Abb. 7: Die Fenster von Akatosh und Arkay, in der Kapelle von Arkay.
84
Pocket Guide, S. 1
Pocket Guide, S. 4. Für eine informative bildliche Darstellung aller Neun: http://til.gamingsource.net.
86
Official Game Guide, S. 343.
85
19
Die „Liturgie der Wiederanfachung der Drachenfeuer“, die auszugsweise im Buch „Untersuchungen der St. Alessia“ zitiert wird, vermittelt den Entstehungsmythos des ersten Kaiserreiches und berichtet über die urzeitliche Beziehung von Menschen und Aedra:
„Und Akatosh nahm aus seiner Brust eine Hand voll seines brennenden Herzbluts und übergab
dieses Alessia mit den Worten, ‚Auch dies soll ein Zeichen unserer miteinander verbundenen Geschlechter und unseres Glaubens sein. Solange Ihr und Eure Nachkommen das Amulett der Könige tragt, solange soll dieses Drachenfeuer brennen – eine ewige Flamme – als Zeichen für alle
Menschen und Götter, dass unsere Treue gilt. Ich schwöre Euch und allen nach Euch kommenden
Generationen, dass, solange die Drachenfeuer brennen, das Blut meines Herzens die Tore von
Oblivion verschlossen hält.’“
Über diese spezielle Beziehung hinaus achten die Götter auf die Handlungen aller Menschen
und verlangen die Verrichtung guter Taten, wie es manche Meldungen nahelegen, z.B. „Die
Neun lieben die Bösen nicht und verachten ihre Gebete an den Kapellenaltären“; und: „Verruchte Bösewichter! Wenn ihr an den Kapellenaltären um Heilung, Gesundung oder Wiederherstellung betet, werden die Neun den Ruhm Eurer guten Taten gegen die Schande Eurer
Schlechtigkeit abwägen.“
Der Mensch anderseits kann sich immer wieder frei für oder gegen die Neun, für oder gegen das Gute bzw. Böse entscheiden. Dies liegt in der Natur des Ortes, wo er lebt: In Mundus,
dem Zentrum der spirituellen Welt. Dieser Ort wird auch „Arena“ genannt, „for forces are
eternally at struggle. Wealth and subjugation, love and loss, life and death and undeath, inviolate laws of nature, and conversely, magickal means of breaking those laws.”87 Es sind speziell die göttlichen Kräfte, die im Menschen ihren Kampf austragen: „In the same way mortals
are infused with the Nine Divines and other aetherial spirits through virtue and creation, we
also share a relationship with the Royality of our baser vagaries“88, womit die dämonischen
Gottheiten, die Daedras, gemeint sind.
Jenseitsvorstellungen in der Religion der Neun werden kaum diskutiert. In der Schlussszene
der Hauptmission lässt der sich für Cyrodiil aufgeopferte Martin den Spieler zwar wissen,
dass er „den Platz an der Seite meines Vaters und meiner Vorväter“ einnimmt; doch in der
darauf folgenden Mission-beendet-Meldung wird diese Aussage aus der objektiven Sicht des
Erzählers relativiert: „Niemand weiß, ob er tot ist oder zu seinem Ahnen Tiber Septim aufgestiegen ist.“ Dass jedes höhere Lebewesen eine Seele besitzt, die nach dem körperlichen Tod
fortlebt; dass manche Seelen aufgrund unabgeschlossener Lebensgeschäfte oder tragischer
Todesumstände an Örtlichkeiten und Gegenstände in der irdischen Welt gebunden bleiben
können; dass Seelen in pervertierter Form als Geister und Gespenster wiederkehren und dabei
auch einstige Körper animieren (Skelette, Zombies) – all dies ist in Cyrodiil nicht ein Glaube
und kaum Gegenstand theologischer Überlegungen, sondern in erster Linie eine für die Spielfigur visuelle und mitunter ungesunde Erfahrung.
2) Individuelle Glaubenssaussagen
Individuelle Aspekte von Frömmigkeit lassen sich in vielen Gesprächen mit Charakteren oder
weniger häufig auch in Büchern finden. Die folgende Auswahl soll die Diversität des individuellen Aspekts veranschaulichen.
Aussagen von Charakteren betreffen meistens die Beziehung zwischen Göttern und Menschen, z.B. Vorstellungen über das Eingreifen der Götter auf das Schicksal der Menschen
(„Ganz gleich, was Ihr denkt: Die Götter haben Euch nicht ohne Grund zu ihrem Gesandten
gemacht.“), über die Treue („Ich bin nach Bravil gekommen, weil Mara mich gerufen hat.
87
88
Pocket Guide, S. 2
Pocket Guide, S. 3
20
Bravil ist nicht meine Heimat. Ich vermisse Schwarzmarsch. Aber ich werde hier dienen, solange Mara mich braucht.“) und über den von Göttern gespendete Schutz, Segen und Trost
(„Mara führt und schützt Bravil, und genauso schützt sie alle guten Familien.“). Weiter gibt es
Glaubensbekenntnisse („Ich glaube an die verändernde Macht ehrlicher Arbeit. Ich verehre
Euren Beruf des Abenteurers. Durch Eure Arbeit und ihre Früchte preist Ihr Zenithar.“; oder:
„In Chorrol leben wir Hochlandvolk nach den Lehren unserer Götter. Unser Leben wird von
den 10 Geboten bestimmt.“) und Jenseitsvorstellungen („Mir eilen keine Trophäen meiner
Triumphe voraus. Aber ich habe gut gelebt und mein Geist sollte schnell zur Ruhe kommen.“)
Solche Aussagen sind vermehrt vom Kapellen-Personal und Kapellengängern zu hören.
Daneben gibt es Unzufriedene, die beklagen, dass die Götter zu wenig für die Menschen tun
(„Ich wünschte, die Neun Göttlichen würden den Armen Almosen und Trost bieten, wie es
der Tempel tat.“), oder dass sie die Götter in ihrem Wirken nicht verstehen („Wenn all dies
[Daedra-Angriff auf die Stadt Kvatch] ein Göttlicher Plan ist, bin ich mir nicht sicher, ob ich
etwas damit zu tun haben will.“) Die Neun tauchen auch bei Preisungen und Dank („Und ich
diene den Neun. Ihre Namen seien gepriesen“) sowie bei Ausrufen in emotional extremen
Situationen auf („Bei den Neun Göttlichen!“; „Beim Blut der Götter“! etc).
Amüsant zu lesen sind die Städteführer der explizit frommen Autorin Alessia Ottus. Zu jeder der acht Städte hat sie einen Führer geschrieben, die durch und durch von ihrem erzkonservativen Glauben an die Neun getränkt ist; die Beschreibung von Institutionen und Menschen einer Stadt besteht in der Beurteilung ihrer Haltungen gegenüber der Religion der
Neun: „Gräfin Arriana ist eine fromme, rechtschaffene Anhängerin von Akatosh, die durch
ihr Gebet in der Kapelle von Stendarr ihrem Volk ein gutes Beispiel gibt.“ („Stadtführer
Chorrol“); oder: „Sie [die Stadt Bravil] ist die am meisten von Verbrechern, Säufern und
Skooma-Essern geplagte, und die bei Tiervölkern und anderen Ausländern beliebteste Stadt.
Bravil fehlt nur noch ein Zirkel von Daedra-Anbetern, um zum vollkommenen Sündenpfuhl
zu werden... und viele Gerüchte lassen darauf schließen, dass noch schlimmere, verdorbenere
Riten von Bravils schlimmen Heiden heimlich praktiziert werden.“ („Stadtführer Bravil“).
Frau Ottus residiert mit ihrer Familie in der Kaiserstadt und kann dort angetroffen werden; die
für ein interessantes Gespräch über Religion aussichtsreiche Kandidaten enthüllen jedoch
nicht viel mehr, als dass Akatosh zu uns spricht, Mara unser Herz mit Liebe überschüttet und
die Spielfigur zum Tempel des Einen gehen soll um ihren Glauben zu erneuern.
3) Rituale
Bei rituellen Handlungen, hier im weitesten Sinne als repetitive verbale und/oder gestikulierte
Handlungen mit transzendentem Verweis verstanden, umfassen alle vier Ebenen der Sprache,
des Visuellen, der Geräusche und der Handlung.
Das einfachste Ritual besteht darin, dass verschiedene Charaktere der Spielfigur verbal den
Segen eines Gottes wünschen, wie: „Der Segen von Akatosh sei mit Euch“ oder „Mögen die
Neun Eure Träume segnen.“ Oft wird die Wahl des Gottes folgerichtig der religiösen Ausrichtung des Charakters angepasst: Marborel beispielsweise, Prior der Weynon-Priorei, einem
dem Gott Talos geweihten Orden, wünscht beim Abschied Talos’ Segen. In die gleiche Richtung zielt die Anrufung der Götter mit der Bitte um Beistand („Götter, verleiht mir Kraft!“)
oder Aufmerksamkeit („Alessia, erhöre unsere Gebete.“), oder das Lobpreisen der Götter
(„Die Neun seien gepriesen!“)
Ein Ritual, das in der Hauptmission des Spiels nur erwähnt wird, ist die Wiederentfachung
der Drachenfeuer anlässlich der Kaiserkrönung. Dieses Ritual, das den Bund zwischen Götter
und Menschen weiterführen soll, wird im „Tempel des Einen“ in der Kaiserstadt abgehalten.
Dies ist ein einräumiger runder Kuppelbau römischen Baustils, in dessen Zentrum, eine von
weissen Säulen umgebene schalenförmige Vertiefung im Boden, die Drachenfeuer brennen
sollten.
21
Abb. 8: Der Tempel des Einen in der Kaiserstadt.
Abb. 9: Der Tempel des Einen, Innenansicht.
Während sich im Tempel des Einen keine Rituale beobachten lassen, kann der Spieler dies in
den als „Kapellen“ bezeichneten Gotteshäuser aller anderen Städte tun. Die Kapellen weisen
einen gotischen Baustil mit einigen der typischen Elementen (Strebewerk, Gewölberippen,
Schlusssteine, Spitzbögen, Rosetten) auf. Portale auf drei Seiten gewähren Zutritt zum Eingangsbereich, von dort führen Treppen in das Schiff hinunter, welches unmerklich in den
Chor wechselt; zwischen Eingangbereich und Schiff führen weitere Treppen tiefer zur unterirdischen Gruft sowie zum Wohnbereich des Kapellenpersonals. Der Hauptaltar steht im
Zentrum des Chors, ein mit rotem Tuch bedeckter Oktaeder, der in der Mitte eine ebenfalls
achteckige Vertiefung aufweist. An den Wänden um diesen Hauptaltar stehen neun weitere
kleinere Altäre, jeder einem der Neun Göttlichen gewidmet, direkt unter der Glasscheibe mit
dem Bildnis der entsprechenden Gottheit.
Abb. 10: Die Kapelle des Arkay in Cheydinhal.
Abb. 11: Die Priesterin am Altar der Neun in der Kapelle des Arkay.
Tagtäglich kommen Charaktere morgens und abends in die Kapellen, um sich segnen zu lassen oder die Kapellengruften zu besuchen. Dieses „Beten“ und „Sich-segnen-lassen“ ist eine
einzige Handlung, die darin besteht, dass sich der Charakter vor einen Altar stellt und mit
ausgestrecktem Zeigefinger der rechten Hand auf den Altar deutet. Darauf erklingt ein Knall
und ein weiss glühender Funke aus der Richtung des Altars fliegt auf den Charakter zu und
kreist ihn spiralförmig ein (Abb. 12 und 13). Die auf diese Weise gesegnete Figur weist für
22
eine gewisse Zeit ein dezentes Glühen auf. Anschliessend setzt sich der Gesegnete für eine
Weile auf einen der Holzbänke im Mittelschiff.
Abb. 12: Eine Gläubige holt sich den Segen am Nebenaltar des Stendarr in der Kapelle des Arkay.
Abb. 13: Die Spielfigur erhält den Segen am Altar der Neun, Kapelle des Arkay.
Teilweise lassen sich auch die Priesterinnen und Priester der verschiedenen Kapellen bei diesem Ritual beobachten, wobei diese Handlung in ihrem Fall zusätzlich zu den audiovisuellen
Effekten durch eine Gestik des Streckens der Hände in die Höhe begleitet wird. Die meiste
Zeit aber stehen sie stumm vor dem Hauptaltar, andere kultische Handlungen oder Rituale wie
Gottesdienste oder Predigten gibt es keine; das Kapellenpersonal verlässt früh morgens die
Privaträumlichkeiten, steht den ganzen Tag im Chor oder im Schiff herum und verschwindet
abends wieder in den Privaträumlichkeiten.
Dass auch die Spielfigur an diesen Altären beten kann, wird immer wieder kommuniziert,
am häufigsten durch die Meldungen während den Ladevorgängen, die dem Spieler / der Spielfigur die Vorzüge des Betens vermitteln.89 Technisch gesehen handelt es sich bei dem „Beten“ um das Aktivieren des entsprechenden Altars, faktisch das Drücken derjenigen Taste, die
auch verwendet wird um Türen zu öffnen, Gegenstände aufzuheben oder mit Charakteren zu
sprechen. Der auf das Beten folgende Segen wird im Falle der Spielfigur zusätzlich zu den
audiovisuellen Effekten von einer Meldung begleitet: „Frohlocket! Euer Glaube hat Eure
Gebrechen von Euch genommen“. Dieser Segen wird nur einmal pro Tag vergeben; aktiviert
der Spieler den Altar ein zweites Mal ohne den nächsten Tag abzuwarten, erscheint die Meldung: „Ihr habt Euren Segen heute bereits empfangen.“ Wie von den Meldungen angetönt, hat
das Beten konkrete Auswirkungen auf die Charakterwerte: Es stellt die durch eventuelle magische Angriffe gesenkten acht Attribute wieder her, füllt die Lebensenergie auf und kuriert
alle Krankheiten, die sich die Spielfigur durch Kontakt mit verseuchten Feinden allenfalls
zugezogen hat.
Das Beten an den kleineren Altären bringt zunächst keinen Segen, sondern nur eine kurze
götterspezifische Meldung („Kynareth ist mit dir“; „Segnungen von Stendarr“; „Dibella liebt
dich“ etc.). Segnen lassen kann sich die Spielfigur an solchen Altären erst, wenn sie die Wallfahrt zu einem der Wegschreine einer entsprechenden Gottheit abgeschlossen hat. Insgesamt
sind 29 solcher Wegschreine in der Wildnis von Cyrodiil verstreut, jedem der Neun Götter
sind drei oder vier davon gewidmet. Diese Wegschreine weisen wie der Tempel des Einen
eine römische Architektur auf: Ein kreisrunder Steinsockel mit Vertiefung in der Mitte (Altar?) ist umgeben von römischen Säulen, die eine Kuppel stützen.
89
Z.B. „Betet in der Kapellen der Neun um Eure Körper von den Gebrechen zu befreien“; oder: „Ihr wollt, dass
Eure Wunden und Krankheiten geheilt und Eure Attribute wiederhergestellt werden? Geht in Skingrad zur Kapelle des Julianos und betet am Altar der Neun.“
23
Abb. 14: Einer der Wegschreine der Neun.
Betet die Spielfigur an einem dieser
Schreine, erscheinen die gewohnten audiovisuellen Effekte sowie eine götterspezifische Meldung (z.B.: „Erkennet die Wahrheit. Achtet das Gesetz. Betet an meinem
Altar in den Kapellen, um meinen Segen zu
erhalten“ beim Wegschrein von Julianos).
Die Spielfigur erhält dabei nicht nur denselben Segen wie am Hauptaltar in den Kapellen, sondern zusätzlich einen Spezialsegen, faktisch die Erhöhung eines oder
zweier Charakterwerte. Wenn von jedem Gott mindestens ein Wegschrein aktiviert worden
ist, erscheint die Meldung „Frohlocket! Ihr habt die Pilgerfahrt der Neun Wegschreine vollendet und die neue Kraft der Pilgergunst erworben“ und die Spielfigur erhält die Kraft
„Pilgrim’s Grace“, welche einmal täglich alle 8 Attribute für fünf Minuten um 10 Punkte erhöht.
Das Spiel selbst enthüllt nichts über den Wortlaut solcher Gebete, weder in verbaler noch in
auditiver Form. Im Almanach jedoch finden wir eingangs ein Beispiel dafür:
„Come to me, AKATOSH, for without you, my resolution falters, and my pen is still and dry,
tough all the seas were full of ink, and the sky my parchment of dawn.
Come to me, TALOS, for without you, my Lord and Emperor springs from rootless dust, and
the Empire is scattered before the winds of war and ignorance.
Come to me, JULIANOS, for without you, my wit is weak to sort the wheat from the chaff, and
my eyes should neither know the true from the false, nor sense from folly, nor justice from prejudice and interest.
Come to me, KYNARETH, for without you, I might not know the mysteries of the world, and
so blind and in error, I might consume and profane the abundance of your bountiful treasures.
Come to me, ZENITHAR, for without you, like a child, I might fiddle and fret, when only
through struggle and labor may I craft a work worthy of your name and the name of my patron.
Come to me, STENDARR, for without you, I might be deaf to the manswarm murmurings of
thy people, and forgetting their need for comfort and wisdom, I might indulge myself in vain
scribblings.
Come to me, MARA, for without you, I might forget the ways of our fathers, and preening by
the light of latest fashion, my words might tremble like the thin reeds of novelity in the tempest of
enthusiasms.
Come to me, DIBELLA, for without you, my words must lie dull and leaden without the gilding
of grace and sagacity to enchant the reader’s ear and eye.
Come to me, ARKAY, for without you, there is neither breath nor beginning, nor can any man
live, love, or learn without the spark of your spirits.”90
Weniger ausgeprägt als das Beten und Segnen ist der Reliquienkult und die Bestattung, die
beide auf der sprachlichen und visuellen Ebene ihren Ausdruck finden, v.a. als Friedhöfe,
Grabsteine und teilweise mit Grabbeigaben versehene Tumben. Zudem sind sie Teil verschiedener Narrationen, weisen aber kein aktionales Moment auf. Aus Platzgründen kann hier
nicht näher darauf eingegangen werden.
90
Pocket Guide, S. II
24
4) Ethik und Moral
Der Verhaltensaspekt in der Religion der Neun Göttlichen erfährt die Spielfigur ausschliesslich über die Ebene der Sprache.
Das Buch „Die Zehn Gebote der Neun Göttlichen“ listet die Gebote der Aedra, die sich direkt an die Gläubigen richten. Gemäss der Einleitung „hat Akatosh in Seiner Weisheit erlaubt,
dass diese zehn einfachen Gebote mit mächtiger Klarheit und genauer Definition offenbart
werden“:
„1. Stendarr sagt: Seid freundlich und großzügig zu den Leuten von Tamriel. Beschützt die
Schwachen, heilt die Kranken und gebt den Armen.
2. Arkay sagt: Ehret die Erde, ihre Wesen sowie die Geister, lebend und tot. Verteidigt und hütet die Gaben der irdischen Welt und entweiht nicht die Geister der Toten.
3. Mara sagt: Lebt besonnen und friedlich. Ehret eure Eltern und bewahrt den Frieden und die
Sicherheit des Hauses und der Familie.
4. Zenithar sagt: Arbeitet hart, dann werdet ihr belohnt. Gebt euer Geld weise aus, dann werdet
ihr bequem davon leben können. Stehlt niemals, sonst werdet ihr bestraft.
5. Talos sagt: Stärkt euch für den Krieg. Begegnet Feinden und Verderbtheit mit Mut und verteidigt das Volk von Tamriel.
6. Kynareth sagt: Gebraucht die Geschenke der Natur mit Klugheit. Respektiert ihre Macht und
fürchtet euch vor ihrem Zorn.
7. Dibella sagt: Öffnet euer Herz für die edlen Geheimnisse der Kunst und der Liebe. Würdigt
das Geschenk der Freundschaft. Sucht Freude und Inspiration in den Mysterien der Liebe.
8. Julianos sagt: Erkennt die Wahrheit. Beachtet das Gesetz. Sucht im Zweifelsfall Rat von den
Weisen.
9. Akatosh sagt: Dient und gehorcht eurem Kaiser. Studiert die Bünde. Betet die Neun an, tut
eure Pflicht, und beachtet die Weisungen der Heiligen und der Priester.
10. Die Neun sagen: Seid vor allem gut zu einander.“
Aus den Aussagen von zwei „lebenden Heiligen“ lässt sich eine konkretere Vorstellung gewinnen, was die Befolgung solcher Gebote bedeutet:
„Ich bin Olava die Schöne, die lebendige Heilige von Mara. Es ist nicht meine Aufgabe zu predigen, sondern den anderen die Gebote von Mara als Beispiel vorzuleben. Es ist meine Aufgabe, die
Menschen in Bravil zu kennen und zu lieben, als ob sie meine eigenen Kinder wären. Falls Ihr jemals Kinder hattet, wisst Ihr, was für eine Herausforderung das ist.“
„Ich bin Errandil, ein lebendiger Heiliger von Arkay und der wichtigste Kreuzritter der Kapelle
gegen die schändliche Praktik der Nekromantie.“
Ansonsten wird die Spielfigur von Charakteren und Meldungen direkter oder neutraler aufgefordert, allgemein gute Taten zu vollbringen, rechtschaffen und tugendhaft zu sein, um die
Gunst und den Segen der Neun an den Wegschreinen zu erlangen: „Gesuchte Verbrecher!
Eure Gebete in der Kapelle um Heilung und Wiederherstellung werden möglicherweise um
Eurer Sünden willen nicht erhört! Sorgt dafür, dass kein Kopfgeld mehr auf Euch ausgesetzt
ist, und bittet um Vergebung!“; oder: „Die Wegschreine der Neun in der Wildnis bringen Segen über die Rechtschaffenen und Gläubigen.“
5) Organisation
Die Institutionalisierung der Religion der Neun Göttlichen zeigt sich visuell in den Kapellen.
Diese werden von einem kleinen, hierarchisch gegliederten Kapellenpersonal betrieben, üblicherweise bestehend aus einem „Primas“, einem „Priester“und einem „Heiler“. Alle diese
25
Funktionen können von Frauen wie von Männern übernommen werden. An Informationen
über das Amt des Primas haben wir nur deren eigenen Aussagen: Sie sind die Diener Gottes,
sprechen mit der Stimme der betreffenden Gottheit, werden gewählt (obwohl nicht klar wird,
von wem); ein Primas kann gleichzeitig ein „Hohepriester“ sein; ein Primas kann Unterweisung anbieten; ein Primas hat die Funktion, Priester und Heiler zu überwachen. Darüber hinaus treffen wir auch andere Titel an: in der Kapelle von Zenithar gibt es keinen Primas, dafür
einen „Patriarchen“; und der Primas von Julianos wünscht mit „Eure Eminenz“ angesprochen
zu werden.
Über die Priesterinnen und Priester ist nicht viel in Erfahrung zu bringen, ausser dass sie
magische Produkte und Unterweisung in magischen Künsten anbieten. Dabei handelt es sich
um Zauber aus der Schule der Wiederherstellung91, die auf das Kurieren von Krankheiten,
Gifte, Verletzungen und Lähmungen spezialisiert ist, sowie aus der Schule der Illusion, die
u.a. auf Beherrschung und Vertreibung von Untoten abzielt. Weiter unterrichten sie Wortgewandtheit und Überredungskunst. Dasselbe gilt für die Heilerinnen und Heiler der Kapellen.
Nicht zum festen Kapellenpersonal, aber doch zur lokalen Ausgestaltung der Religion der
Neun gehören „Heilige“. Die Informationen über sie sind dürftig. Meist wird nur erwähnt,
dass es sie gibt, z.B. von Akatosh im neunten Gebot der Neun Göttlichen oder im Stadtführer
Kaiserstadt von Alessia Ottus. Konkreter erfahren wir, dass die erste Kaiserin Cyrodiils, Alessia, eine Heilige war, sowie auch die Brüder des Propheten Marukh, der in der Ersten Ära das
Pantheon der Neun kodifizierte. Audiovisuell erfahrbar sind schliesslich die zwei „lebendigen
Heiligen“ Errandil in Chorrol und Olava in Bravil – was man ihnen allerdings nicht anmerken
würde, erwähnten sie es nicht.
Schliesslich betreiben die Kapellen auch Missionierung. In der Kapelle des Talos (Tiber
Septim) in Bruma sprechen Primas und Priesterin vom Ziel und von den Schwierigkeiten der
Mission:
„Ich bin hier, um den fehlgeleiteten Nord aus Bruma den Weg zum wahren Glauben zu weisen.
Sie müssen ihre heidnischen Götter aufgeben und stattdessen die Neun verehren.“
„Wir versuchen, den Nord den Trost der Kapelle hierher zu bringen, aber die Nord in Bruma behalten lieber ihre heidnischen Götter und ihre unzivilisierten Praktiken bei.“
Und in Skingrad beschweren sich Dunkelelfen, die ihre Heimat Morrowind aus religionspolitischen Gründen verlassen haben, über die Missionsbemühungen:
„Unsere Dunkelelfen haben Morrowind verlassen, um der Kirche und dem Staat zu entkommen,
und sie mögen es gar nicht, wenn die Kaiserlichen so heilig und patriotisch auf sie einreden.“
4.2 Daedra-Kult und Oblivion
Die Verehrung der Daedra-Gottheiten, im Spiel selbst als „Kult“ bezeichnet, ist weniger ausgeprägt als die Religion der Neun Göttlichen: Es gibt hier keinen eigenen Schöpfungsmythos,
keine Gebote und die spärlichen Aussagen in Büchern betreffen meist die soziale Organisation der Daedra, nicht aber den Kult und seine Anhänger. Dies passt zum Charakter dieser Religion: Einerseits ist sie in sich differenziert; anderseits ist sie in Cyrodiil zwar nicht verboten,
aber kaum toleriert und wird daher abseits der Öffentlichkeit ausgeübt, oft in der schwer zugänglichen Wildnis.
91
Magie ist im Elder Scrolls Universum ein autonomer Bereich und wird in sechs Schulen geteilt: Beschwörung,
Illusion, Zerstörung, Wiederherstellung, Mystik und Veränderung. Jede dieser Schulen verfügt über eigene Experten, Schriften und Zaubersprüche; sie alle werden unter dem Dachverband der Magiergilde betrieben.
26
1) Theologie
Gemäss dem Schöpfungsmythos „Anuad“ entstanden die Daedra aus dem Blut des eifer- und
rachsüchtigen Padomay, der mit seinem Bruder Anu um die Schöpfung kämpfte. Die Daedra
sind eine in sich differenzierte Klasse von Gottheiten (siehe soziologischer Aspekt). Für alle
Daedra gilt, dass sie von Daedra-Fürsten (auch Fürsten der Leere genannt) geführt werden
und nicht sterben können: „Wir sterben nicht. Wir fürchten den Tod nicht. Zerstöre den Körper, und der Animus wird in die Dunkelheit geschleudert. Doch der Animus kehrt zurück.“
(Buch: „Geist der Daedra“). Einer Meldung zufolge gibt es „sechzehn Daedra-Prinzen; jeder
von ihnen hat seine eigene Oblivion-Ebene.“ Das spärliche Wissen über diese Prinzen speist
sich in erster Linie aus den Aussagen einzelner Daedra-Anhänger über ihre Gottheit sowie aus
den Aussagen der Daedra-Fürsten über sich selbst. Diese Aussagen, sowie die äussere Gestalt
der Gottheiten, die teilweise auf ihren Charakter schliessen lässt, ist am besten vor Ort an den
entsprechenden Schreinen in Erfahrung zu bringen:
Der Schrein von Hermaeus Mora zeigt ihn als ein tintenfischartiges Wesen mit vier Krabbenscheren. Über sich sagt er: „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind für mich eins.“
Azura gilt als „Königin von Morgen- und Abenddämmerung“; sie wir als zierliche Frau mit
einem Stern und einem Halbmond in ihren Händen dargestellt.
Der Daedra Clavicus Vile ist ästhetisch als gehörnter Kobold in Begleitung eines überdimensionalen Hundes erkennbar. Er hat die Charakteristik eines gerissenen Geschäftsmannes.
Hircine ist eine Menschengestalt mit einem Hirschkopf und einem Wolf im Gefolge. Er
wird als Jäger dargestellt.
Der kräftige Mann mit einer Klinge im Anschlag ist Malacath. Er ist der Schutzherr aller
wilden und hässlichen Kreaturen.
Mephala ist eine furchterregende blutdürstende Gottheit mit vier Armen. Sie gilt als
„Netzknüpferin“, die die „Sterblichen an ihren Fäden tanzen“ lässt.
Boethia ist ein Mann in einen Umhang gehüllt und mit einer riesigen Axt ausgestattet. Seine Getreuen müssen sich im Kampf mit anderen Anhängern bewähren.
Die Statue von Molag Bal zeigt eine muskulöse menschliche Gestalt mit Drachenkopf. Der
Daedra gilt als „Peiniger der Menschen“.
Namira hat die Gestalt einer Frau, zu deren Füssen kleine Teufelchen tanzen. Sie liebt Dunkelheit, Elend und Schmutz.
Sanguine ist eine muskulöse, teufelähnliche Gestalt mit einem Humpen in der Hand und
Fuss auf einem Totenschädel. Sanguine wird als ausgelassener Feierer, Tänzer und Liebhaber
charakterisiert.
Abb. 15: Der Schrein von Sanguine.
Abb. 16: Der Schrein von Meridia.
27
Meridia wird als junge Frau dargestellt, die einen Gegentand (eine Blüte?) hochhält; sie gilt
als „Herrin der Unendlichen Energien“, liebt das Leben und verabscheut Nekromantie.
Peryites wird als Drache dargestellt. Von ihm ist keine weitere Charakterisierung in Erfahrung zu bringen.
Die junge Frau mit einem Stab in der Hand ist Vaermina. Von ihr wird gesagt, dass sie die
Sterblichen in ihren Träumen besucht und ihnen Visionen bringt.
Der Schrein von Nocturnal zeigt eine Person in einen Umhang gehüllt, die Armen ausgebreitet, mit je einem Vogel auf jedem Handrücken. Die „Herrin der Nacht“ nimmt ihren Anhängern die Angst vor der Dunkelheit und gibt ihnen „Augen, die Geheimnisse der Nacht zu
durchschauen.“
Sheogorath ist ein alter Mann mit Stock und in Pluderhose gekleidet. Er gilt als wahnsinnig
und ärgert die Sterblichen mit seinen makaberen Spässen.
Der sechszehnte Daedra ist Mehrunes Dagon, Prinz der Zerstörung. Sein Schrein ist in einer
Höhle versteckt, die von Anhängern des Kults der Mythischen Morgenröte bewacht wird und
nur im Verlauf der Hauptmission zugänglich ist.
Der Sitz dieser Daedra-Prinzen ist die Sphäre von „Oblivion“ (engl. „Vergessenheit“), die
gemäss Almanach als gefährlichster Ort der „äusseren Bereiche“ gilt und eine Gegenwelt zu
Aetherius darstellt, dem Sitz der Aedras. Trotzdem findet der Kontakt der Menschen mit
Oblivion dauernd statt, denn Oblivion beginnt dort, wo Mundus endet: im Traum.92 Oblivion
muss vom Spieler infolge der Hauptmission mehrere Male besucht werden. Es ist eine Höllenwelt, die sich ästhetisch durch einen rötlichen Himmel, Lavaseen, unablässige Blitze und
Donner auszeichnet. Die Landschaft ist karg und öde, bis auf einige Pflanzen, die Gift ausspeien oder die Spielfigur angreifen. Immer wieder sind brennende und umgekehrt aufgehängte Leichen zu sehen.
Abb. 17 und 18: Die Ebenen von Oblivion.
Die Architektur der dort anzutreffenden Türme zeichnet sich durch scharfe, teilweise blutverschmierte Stacheln und Spitzen aus. Türme, Gänge und Hallen tragen Namen wie „Erdrutsch“, „Tsunami“, „Blutfest“, „Korridore der dunklen Erlösung“, „Turm des Todes“,
„Fleisch-Hafen“ etc. Bevölkert wird Oblivion einerseits von niederen Daedra; deren äussere
Erscheinung ist vielfältig, von teufelähnlichen Gestalten (Klauenhände, spitze Ohren und
Zähne, Schwanz) über tierische Wesen bis zu Elementarwesen. Anderseits trifft die Spielfigur
in Dagons Oblivion-Ebene auf dessen Kampfgeister, die Dremoras, dargestellt als schwer gepanzerte und bewaffnete humanoide Gestalten.
92
Pocket Guide, S. 3f.
28
2) Individuelle Glaubensaussagen
Aussagen über den subjektiven Glaubensaspekt lassen sich nur äusserst selten finden. Die
meisten Gespräche mit Daedra-Anhängern dreht sich um die Natur der Gottheit, sind oft verworren oder ablehnend. Anhänger von Vaermina berichten etwa über die Angst, die ihnen die
Daedra genommen habe („Ich habe alles Gesehen. Nachdem Ihr durch Vaerminas Augen gesehen habt, kann Euch nichts mehr erschrecken“; oder: „Ich habe meine Ängste überwunden.
Nichts kommt dem Schrecken gleich, die Vaermina mir in meinen Träumen gezeigt hat.“).
Ein Anhänger von Clavicus Vile meint: „Ich habe mich mit Fürst Vile angelegt und meine
Seele verloren. Ein geringer Verlust, denke ich.“
3) Ritual
Die Daedra-Fürsten werden von ihren Anhängern in den unwirtlichen Gegenden Cyrodiils
verehrt. Auf der visuellen Ebene gehört zu jeder Kultstätte die grosse steinerne Statue des jeweiligen Daedra, brennende Kerzen auf einem Stein neben der Statue, ein Rednerpult, sowie
einige Sitzbänke, die auf die Statue ausgerichtet sind. Dies alles steht im Freien.
Die Anhänger vor Ort weisen abgesehen davon, dass sie alle bewaffnet sind, bis auf eine
Ausnahme keine Einheitlichkeit punkto Rasse, Aussehen oder Kleidung auf. Wenn sie nicht
auf den Bänken sitzen oder herumstehen, üben sie ihre stumme Verehrung aus: Die Gestik
beinhaltet das Falten der Hände im Schoss oder vor der Brust (Abb. 19); das Stehen vor dem
Rednerpult, wobei in zeitlichen Abständen mehrmals ein Arm mit geballter Faust hochgehalten wird; ein Niederbeugen vor den Kerzen, bei dem mit Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger der rechten Hand die Stirn (beinahe?) berührt wird (Abb. 20); sowie ein Niederbeugen vor
der Statue mit ausgestrecktem Arm, der den Boden berührt – was im Wissen um die Wichtigkeit des Opferns vermutlich eine Opfergestik bedeutet, obwohl effektiv kein Gegenstand niedergelegt wird.
Abb. 19: Der Vorsteher der Azura-Anhänger mit gefalteten Händen.
Abb. 20: Eine Anhängerin Azuras bei der Verehrung der Daedra-Fürstin.
Daedra-Gottheiten sind dafür bekannt, dass sie nicht einfach angebetet, sondern von ihren
Anhängern beschworen werden. Dies ist ein Ritual, bei dem der Beschwörer der Gottheit einen ihr gefälligen Gegenstand als Opfer darbringt. Die Spielfigur muss zunächst in Erfahrung
bringen, welches der richtige Gegenstand ist, und allenfalls zu welcher Tageszeit er geopfert
werden muss. Diese Auskünfte erteilt üblicherweise der Vorsteher des Anhängerzirkels, dessen Vertrauen erst gewonnen werden muss – was in den meisten Fällen durch Überredungskunst und Bestechung geschieht. Der Gegenstand passt zum Charakter der Gottheit und ist
29
manchmal schwer zu beschaffen. Sobald die Spielfigur zur richtigen Zeit mit dem richtigen
Gegenstand an Ort und Stelle ist, geht das „Opfer“ auf dieselbe Weise vor sich wie das „Beten“: Der Spieler aktiviert die Statue, worauf eine Meldung erscheint: „Möchtet Ihr am Altar
von [Name des Daedra-Fürsten] [Name der Opfergabe] opfern?“ Wenn dies der Wille des
Spielers ist, spricht die Daedra-Gottheit auditiv zur Spielfigur. Das Gespräch resultiert stets in
einem Auftrag, den die Spielfigur für die Gottheit erfüllen muss. Die Erfüllung des Auftrags
bringt der Spielfigur die (symbolische) Gunst der Gottheit und deren Anhänger sowie einen
seltenen, teils legendären magischen Gegenstand (Waffe, Rüstung oder Schmuckstück) ein.
Verschiedene Bücher beleuchten das Ritual der Beschwörung von Daedras weiter: So soll
es üblich sein, dass vor jedem Gespräch der „Priester“ sich zum Glauben an die Kraft des
Daedra bekennt, während der Daedra versichert, ihm nichts Böses zu tun (Buch: „Azura und
der Kasten“). Das Buch „Die dunkelste Dunkelheit“ stellt fest, dass auch niedere Daedra von
Gläubigen und Hexenmeistern beschworen werden, um ihnen als Diener und Werkzeuge (da
sie auch an Werkzeuge oder Waffen gebunden werden können) zu dienen.
4) Ethik und Moral
Der Daedra-Kult liefert keine allgemein verbindliche Ethik. Ein Daedra-Anhänger braucht
keine Gebote zu befolgen, sondern nur seinem Gott zu gefallen. Dies wird individuell zwischen Anhänger und Gottheit ausgehandelt und zeigt sich in den Diensten, die der Daedra
verlangt. Programmatisch ist der Spruch eines Anhängers: „Daedra-Fürsten verlangen nach
Opfer und Dienstleistungen. Wenn Ihr Euch nicht fügen wollt, dann vergesst es einfach.“ Die
Dienste implizieren oft, aber nicht in jedem Fall, den blutigen Kampf. Manchmal geht es um
die Wiederbeschaffung von seltenen Gegenständen, die einem Daedra-Fürsten gestohlen wurde, oder um die er seine Sammlung erweitern will. Andere Daedra sind Schelme, die von der
Spielfigur die Störung der Etikette an fürstlichen Banketten oder das Wahr-werden-Lassen
einer Prophezeiung bei abergläubischen Dorfbewohnern verlangen. Um wieder andere
Daedra-Fürsten zufrieden zu stellen muss die Spielfigur jedoch gegen menschliche oder kreatürliche Feinde (z.B. Totenbeschwörer, Vampire, Untote) kämpfen, Unschuldige in den
Wahnsinn treiben oder ermorden und ganze Dorfclans gegeneinander aufwiegeln – teilweise
ohne Begründung oder augenscheinlichen Nutzen für den Daedra, sondern schlicht weil es
ihm oder ihr gefällt.
5) Organisation
Der soziologische Aspekt weist ein schwaches Profil auf. Das Buch „Moderne Ketzer“ enthüllt nur, dass die Gemeinschaft von Daedra-Anbeter als „Zirkel“ bezeichnet wird; weitere
Bücher besagen zudem, dass die Beschwörer von Daedra einfache Gläubige, Hexenmeister
oder Priester sein können. Was die Spielfigur erfahren kann ist, dass die Anhängerschaft eines
jeweiligen Fürsten nur in seltenen Fällen die Zahl drei übersteigt, dass es eine Art nicht näher
bezeichneten „Vorsteher“ gibt, der über das Prozedere bei der Beschwörung Auskunft gibt,
und dass der Daedra-Kult in Cyrodiil gesellschaftlich abgelehnt wird und vermutlich daher
nicht institutionalisiert ist – etwa im Gegensatz zur Provinz Morrowind, wo, nach dem Buch
„Die dunkelste Dunkelheit“, die Verehrung der Daedra Teil der dort ansässigen Tribunalreligion ist.
30
5 Analyse
In diesem Kapitel sollen die Religion der Neun und der Daedra-Kult analysiert werden. Es
haben sich vier Befunde herauskristallisiert:
5.1 „Religion“ als Thema der Geschichte der Hauptmission
Im zweiten Kapitel wurde bereits erwähnt, dass die Geschichte der Hauptmission die der Gefährdung eines alten Bundes zwischen Menschen und Götter (Aedras) gegen die Daedra und
Oblivion ist. Die Erzählung ist somit von Anfang an eine religiöse und von der Religion der
Neun Göttlichen und dem Daedra-Kult nicht zu trennen.
Die ausserhalb der Hauptmission sonst nur angetönten Spannungen zwischen den beiden
Religionen treten hier offen zutage und werden mit der Macht- und Herrschaftspolitik, letztlich mit dem Schicksal ganz Tamriels verknüpft. Dabei handelt es sich letztlich nicht um einen Glaubenskrieg im historischen Sinn, wo eine religiöse Ideologie einen politischen Machtkonflikt vom Zaun reisst oder verschärft, sondern um einen in der letzten Szene objektivierten
Konflikt zwischen zwei transzendenten göttlichen Mächten (Aedra und Daedra, im engeren
Sinn Akatosh und Mehrunes Dagon), in dem die Menschen vermittelnde Funktion haben.
Abb. 21: Gut gegen Böse: Der aedrische Drachengott Akatosh (rechts) im Kampf gegen den DaedraFürsten Mehrunes Dagon.
„Religion“ scheint hier die narrative Funktion zu haben, Spannung und Dramatik zu
erzeugen: In dieser Welt ohne Atomwaffen
oder Klimaveränderung kommt die globale
existenzielle Bedrohung durch transzendente Mächte, die durch die Religionen
immanent gemacht werden. Was Politiker
und Wirtschaftkapitäne für unsere Welt
sind, sind die Gläubigen der beiden Religionen für Tamriel. Sie entscheiden durch
ihre Handlungen über „Ordnung“ und „Chaos“, was sich im Extremfall auf ganze Erdteile
auswirkt; in Oblivion sind die Anhänger der Religion der Neun und des Daedra-Kults die
Wegbereiter dafür, dass sich Ordnung und Chaos, Gut und Böse in personifizierter und purer
Form im direkten Kampf gegenübertreten (Abb. 21): Während die Anhänger Dagons ihren
Daedra-Fürsten ins „Diesseits“ Cyrodiils zu bringen versuchen, in der Hoffnung auf eine neue
Weltordnung mit Dagon als transzendetem und Mankar Camoran als weltlichem Herrscher,
versuchen die Anhänger der Neun und des Kaisers eben dies zu verhindern, um die alte Ordnung aufrechtzuerhalten; als dies misslingt, besteht die einzige Möglichkeit, Dagon aufzuhalten darin, den Aedra-Gott Akatosh inkarnieren zu lassen.
Oblivion erzählt aber nicht nur ein Bedrohungsszenario in der Sprache und Ästetik religiöser Mythen, sondern die Geschichte weist selbst ein religiöses, konkreter ein biblisches Thema auf: Der Bund zwischen Gott (Akatosh) und den Menschen bzw. dem fürstlichen Repräsentanten der Menschen. Der alte israelitisch anmutende Bund ist durch die Ermordung des
Kaisers gefährdet; in der Schlussszene wird dieser Bund aufgelöst, als der letzte Repräsentant
der kaiserlich-göttlichen Blutlinie, Martin, sich mit Gott Akatosh vereinigt und auf diese Weise den Daedra-Fürsten Mehrunes Dagon im Zweikampf besiegt. Es folgt die Schlusssequenz,
mit den gesprochenen Worten:
31
„Das Amulett ist zerschmettert, Dagon besiegt. Mit dem Blut des Drachens und dem Amulett der
Könige haben wir die Tore von Oblivion versiegelt. Für immer. Der letzte der Septims geht nun in
die Geschichte ein. Ich gehe frohen Herzens, denn ich weiss, dass mein Opfer nicht umsonst ist.
Ich nehme den Platz an der Seite meines Vaters und meiner Vorväter ein. Das dritte Zeitalter ist zu
Ende, und das nächste bricht heran. Die nächste Schriftrolle der Alten soll von Euch geschrieben
werden. Die Gestaltung der Zukunft, das Schicksal des Kaiserreichs, all dies liegt nun in Euren
Händen.“
Martin hat mit seinem Opfer und seinem göttlichen Blut den alten Bund überflüssig gemacht,
denn mit dem Sieg über Dagon und dem Verschliessen der Oblivion-Portale hat er die Menschen Tamriels von dem Bösen (den Daedra) für immer erlöst. Ob dies im Sinne eines neuen
Bundes interpretiert werden kann, bleibt offen.
5.2 Elemente historischer Religionen
Dies bringt uns zur Frage nach den historischen Vorbildern der beiden Religionen auf der
spielerischen Ebene. Die Qualität der Antwort auf diese Frage hängt in grossem Umfang von
der Vollständigkeit der spielerischen Leistung sowie vom Hintergrundwissen des Beobachters
ab. Klar ist, dass sowohl die Neun Göttlichen wie auch der Daedra-Kult Parallelen zu und
sogar exakte Übereinstimmungen mit mehreren historischen Religionen aufweisen. Eine Erkundigung bei den Entwicklern zu ihren diesbezüglichen Inspirationsquellen konnte aufgrund
des grossen Zahl von Zuschriften nicht beantwortet werden. Es ist aber offensichtlich, dass
die Spieldesigner für die Konstruktion der Religionen Inhalte von verschiedenen historischen
Religionen teils unverändert übernahmen, teils fantasievoll abänderten. Auf diese Weise sind
Fantasie-Religionen entstanden, die sowohl an ihren strukturellen Merkmalen (Gottheiten,
Gläubige, religiöse Spezialisten, Interaktion Gott-Mensch, heilige Orte) wie auch an den
sprachlichen und visuellen Inhalten vom westlich-christlichen Spieler im Rezeptionsprozess
mühelos als „Religion“ identifiziert werden können. Im folgenden sollen diesbezüglich einige
Tendenzen festgestellt werden:
Die Religion der Neun Göttlichen trägt in ihrem sprachlichen und visuellen Aspekt die
Charakterzüge westlich-abendländischer Religionen. Wir können sie als eine Mischung aus
griechisch-römischem Polytheismus und katholischem Christentum verstehen. Das Pantheon
besteht aus neun Gottheiten, die für verschiedene kosmologische Konzepte (Zeit, Zyklus von
Geburt und Tod), menschliche innere und äussere Phänomene (Weisheit, Liebe, Schönheit),
Naturelemente (Luft) sowie Bereiche gesellschaftlicher Beziehungen (Handel, Krieg) zuständig sind. Diese Gottheiten werden wie diejenigen des griechischen oder römischen Pantheons
in Menschengestalt in entsprechend antiker Kleidung dargestellt. Auch die Architektur des
Tempel des Einen und der Wegschreine ist römisch.93 Der Sitz der Neun Göttlichen, Aetherius, ist offensichtlich eine sprachliche Abwandlung von Äther, die höchste griechische Himmelssphäre, wo sich auch der Bergpalast der Götter auf dem Olymp befindet.94
Typisch christliche Elemente finden wir zunächst in einigen allgemeinen Begriffen, durch
die sich die Anhänger der Religion der Neun ausdrücken: Ketzer, Heide, Dämon, Kapelle,
Prophet, Religion, Doktrin, pietätlos, Sünde, Sühne, Liturgie. Als christlich identifizierbar
sind weiterhin die „Zehn Gebote“; die Kapellenhierarchie, die sich katholischer Titel bedient
93
In der Dokumentation The Making of The Elder Scrolls IV: Oblivion finden wir diesbezüglich einen seltenen
Hinweis: Man sieht zwei Designer von Bethesda Softworks mit Digitalkameras durch Washington D.C. ziehen
und verschiedene Gebäude, Mauern, Risse in Mauern, Muster in Marmor- und Pflasterböden etc. fotografieren,
die als Vorlage für ihre Entsprechungen in der virtuellen Welt von Oblivion dienen. Der Tempel des Einen sowie
die Wegschreine im Spiel sind beinahe vollständig von einem real existierenden Gebäude römischer Architektur
übernommen, zu welchem allerdings keine weiteren Aussagen gemacht werden.
94
Grant, F. C.: Weltbild, in: RGG, (elektronische Ausgabe), S. 35142.
32
(Priester, Patriarch, Primas, Eminenz); sowie der Mönchsorden „Orden des Talos“, deren
Mitglieder u.a. von „Kapitelsaal“, „Priorei“ und „Prior“ sprechen. Auf der visuellen Ebene
erinnern die gotische Architektur der Kapellen sowie die dunkelbraune Kutte und Tonsur der
Mönche des Talos an Aspekte des katholischen Christentums.
Der Daedra-Kult gleicht in seiner Abgeschlossenheit, seiner religionspolitischen Randstellung, in der Ausrichtung auf eine zentrale Kultgottheit sowie teilweise in der Charakteristik
der Gottheiten den antiken Mystierienkulte. Am augenfälligsten entspricht der Feste liebende
Sanguine (man beachte den Namen) dem mit orgiastischen Feiern in Verbindung gebrachten
Dyonysos/Bacchus. Abgesehen von Parallelen zu den Mysterienkulten finden sich auch Hinweise auf indische religiöse Traditionen: Die Blut dürstende Daedra-Göttin Mephala scheint
in ihrem Charakter wie in ihrer äusseren Erscheinung ein Abbild der indischen Göttin Kali zu
sein (Abb. 22); auch Mehrunes Dagon, Fürst der Zerstörung, wird mit vier Armen dargestellt.
Abb. 22: Die Daedra-Göttin Mephala gleicht mit
vier Armen, ausgestreckter Zunge und Totenkopfkette der indischen Kali.
Bei all diesen Feststellungen handelt es
sich um Tendenzen. Sie werden durch zahlreiche religiöse Elemente relativiert, die
diesen Tendenzen widersprechen: So wird
die christliche Begrifflichkeit im Spiel oft
nicht exklusiv mit der Religion der Neun in
Zusammenhang gebracht, sondern als Metasprache zur Erfassung religiöser Phänomene schlechthin gebraucht, z.B. heilig,
Heilige, Prophet, Gott, Teufel, Schutzpatron, Opfer, Orden. Auch gibt es christliche Begriffe, die ausschliesslich für andere religiöse
Richtungen, nicht aber für die Religion der Neun verwendet wird, z.B. Paradies (als Belohnung für die Anhänger des Kultes der Mythischen Morgenröte). Umgekehrt werden vereinzelt
auch ausserchristliche Begriffe auf die Religion der Neun angewendet, z.B. Avatar oder Mana
bzw. das daraus gebildete Kunstwort Mananaut. Ähnliches treffen wir auf der spielerischästhetischen Ebene an: Der Drache ist Staatsemblem und religiöses Symbol des Göttlichen
Akatosh, während er in der griechisch-römischen und christlichen Mythologie gottfeindliche
und bedrohliche Kräfte verkörpert95.
Andere Elemente wiederum sind in mehreren historischen religiösen Traditionen verbreitet
und lassen sich, auch aufgrund ihrer oberflächlichen Umsetzung, nicht eindeutig zuordnen:
der Schöpfungsmythos (Entstehung der Welt aus einer personalisierten Dualität); Herrscherkult96; Spezialisten als Vorsteher einer religiösen Gemeinschaft; die Pilgerfahrten, Gebet und
95
Siehe Eliade, Mircea: Drache, in: RGG (elektronische Ausgabe), S. 7236-7239.
Der Herrscherkult wird in Oblivion nicht offen kommuniziert, doch verschiedene Elemente des Spiel charakterisieren den Kaiser als verehrungswürdiges göttliches Wesen: Die Widmungen im Almanach: “Dedicated To our
Revered Father and Generous Patron, His Majesty the Emperor Uriel Septim VII” und „Uriel VII., Blessed of
Heaven, Emperor, and Father and Son of Emperors, Inspiration of Faith and Safeguard of Justice, Praise with
Great Praisings! May the Light of Your Wisdom and the Glory of Your Reign Illuminate this Humble Work of
Hand and Heart!“; der Treueschwur der Klingen (Leibgarde und Geheimagenten des Kaisers): „Alle Klingen
schwören, dem Kaiser als sterblichem Repräsentanten der Linie des Drachen des göttlichen Talos zu dienen“
sowie ihre Wallfahrten zum Schrein Tiber Septims und dessen Rüstung, die als Reliquie gilt. Der Herrscherkult
ist zudem aufs engste mit der Religion der Neun verbunden. Die Institution des Kaisers ist historisch-mythisch
mit den Aedras verankert: Alessia ist einen Bund mit Akatosh eingegangen, Tiber Septim hat in Sancre Tor den
Segen von Akatosh empfangen, und Uriel Septim VII. hat nach eigenen Aussagen sein Leben lang den Neun
gedient. In den Adern der Kaiser von Cyrodiil fliesst seit Alessia das göttliche Blut des Drachengottes Akatosh;
entsprechend ist das kaiserliche Emblem, das auf dem Boden und an den Türem im Kaiserpalast zu finden ist,
ein religiöses: Der Drache im Rhombus. Sichtbarer Ausdruck der Göttlichkeit des Kaisers ist das Amulett der
96
33
Segnung; der Reliquienkult; Heilige; Altäre und Schreine, der theologische Dualismus von
Gut und Böse sowie die Freiheit des Menschen, sich für das eine oder das andere zu entscheiden; die Vorstellungen von einer transzendenten Sphäre für gutartige und eine für bösartige
Gottheiten („Himmel“ und „Hölle“); Bestattung der Toten; die Vorstellung von einer Seele
und der Weiterexistenz nach dem körperlichen Tod, um einige zu nennen. Diese Relativierungen vermögen den oben ausgeführten Gesamteindruck jedoch nicht zu ändern.
5.3 Immanenz und Objektivität
“You’d have to be an idiot to be an atheist in THAT world!”97 Mit diesen Worten bringt ein
Teilnehmer in einem Forum ein wichtiger Charakter der Religionen in Oblivion auf den
Punkt: Sie beziehen sich nicht auf eine unverfügbare transzendente Realität, sondern auf eine
transzendente Realität, die immanent und verfügbar gemacht werden kann, und zwar auf spielerischer wie auf metaspielerischer Ebene.
Während der Daedra-Kult auschliesslich objektiver Natur ist (direkte hörbare Kommunikation mit der Gottheit, Erlangung von materiellen Objekten für die Dienstleistungen), ist die
Religion der Neun Göttlichen für den Spieler nicht nur auf der objektiven, sondern auch auf
der „subjektiven“ Ebene der Spielfigur erfahrbar: Das Beten an den Altären und Wegschreinen bewirkt einen für die Spielfigur audiovisuell erfahrbaren Segen, der dann nur für den
Spieler objektiv „messbar“ (im Menü einsehbare veränderte Charakterwerte, visuell sichtbares Symbol im Menü und am Bildschirmrand, neue Spezialkraft im Zauber-Menü) wird. Die
direkte und objektiv erfahrbare Beziehung zwischen Götter und Menschen kulminiert
schliesslich in der Schlussszene, wo Martin, der Thronerbe, mit dem Drachengott Akatosh vor
den Augen der Spielfigur verschmelzt.
Der objektive und immanente Aspekt der Religion der Neun wirkt aber auch auf einer subtileren Ebene, die sich an Spieler und Spielfigur98 gleichzeitig richtet: gemeint sind jene Meldungen, die die Beziehung zwischen Spielfigur und Götter kommentieren, einerseits indirekt
(z.B. „Kynareth ist mit dir“), was auf einen allwissenden Erzähler schliessen lässt, der von
den Göttern in der dritten Person spricht; zum anderen direkt (z.B. „Erkennet die Wahrheit.
Achtet das Gesetz. Betet an meinem Altar in den Kapellen, um meinen Segen zu erhalten“),
was darauf schliessen lässt, dass hier nicht mehr ein Erzähler, sondern die Gottheit selbst
spricht. Im Falle des Daedra-Kultes sind die Meldungen schlichter und ausschliesslich in der
dritten Person gehalten, z.B. „Möchtet Ihr am Altar von [Name des Daedra-Fürsten] [Name
der Opfergabe] opfern?“
Religion ist in Oblivion also nicht eine Frage des Glaubens, sondern der jederzeit wiederholbaren konkreten Erfahrung. Dies wirft die Frage auf, inwiefern wir es hier mit Religionen
zu tun haben. Die Sammlung von Aspekten, die Haussig für Religionen auflistet, kollidiert
mit diesem Befund nicht; wenn wir Religion aber als Symbolsystem verstehen, das sich auf
eine transzendente nicht verfügbare Realität richtet und somit Glaube voraussetzt, wären die
Könige und die Drachenfeuer im Tempel es Einen, beides göttliche Gaben; auf der Ebene der Handlung ist es
das nicht weiter erklärte Krönungsritual, das den Bund mit Akatosh erneuert und die Tore von Oblivion verschlossen hält. Da der Kaiserkult eng mit der Religion der Neun verbunden ist, wird diese Religion zur Staatsreligion in Cyrodiil, wobei andere Kulte nicht verboten sind.
97
http://www.gatago.com/alt/atheism/12501542.html, 23.8.06.
98
Auf den gezielten Einsatz sprachlicher Referentialität in Computer Rollenspielen zur Erzeugung von Immersionseffekten haben Alan Tea und Benny Lee hingewiesen (siehe: Reference and Blending in a Computer Roleplaying Game, in: Journal of Pragmatics 36 (2004), S. 1609-1633): Sie postulieren, dass das eigentliche Spiel
weder in der Spielwelt, noch in der realen Welt stattfindet, sondern in einer vermischten (blended) Welt. Wenn
eine Konversation zwischen der Spielfigur und einem Charakter stattfindet, haben wir es mit einem vermischten
Spielfigur/Spieler zu tun, der mit einem vermischten Charakter/Erzähler (bzw. Programmierer) kommuniziert,
und der Ort dieser komplexen Struktur ist ein „vermischter Austausch“ (blended exchange), bzw. eine „vermischte Welt“. Durch zwei Spielfiguren kommunizieren also nicht nur die Spielfiguren, sondern auch Erzähler
und Spieler.
34
Religion der Neun und der Daedra-Kult keine Religionen. Aus Computerspiel-logischer Sicht
können wir dies als zwingendes Element von Spielen verstehen: Spiele erhalten ihren Reiz
durch unmittelbare Feedbacks (Output), die der Spieler seiner interaktiven Tätigkeit (Input)
klar zuordnen kann. Solche Feedbacks machen spielerisch dann Sinn, wenn der Spieler aus
ihnen einen Vorteil für den Fortschritt im Spiel gewinnen kann. Blieben solche Feedbacks
aus, hätten die Religionen in Oblivion vielleicht noch eine ästhetische und narrative Funktion,
könnten aber auf dem Weg zum Spielziel nichts beitragen.
Für den Theologen und Rollenspielexperten Tillmann Knopf, der pen-and-paper Rollenspiele analysiert hat, machen sowohl die Objektivität der Religion wie ihre Vereinfachung
einen wesentlichen Anteil des Reizes für die Nutzer von Rollenspielen aus:
„Religion und Mythologie im Rollenspiel ist meist relativ einfach und überschaubar. Götter existieren tatsächlich und sie wirken nachweisbar – so kann etwa ein Priester in vielen Rollenspielwelten mit Hilfe seines Gottes Wunder wirken.“99
Dieser Umstand wird von Knopf als Kompensation des Erlebnisses der Gottesferne in unserer
Realität gedeutet. Denkbar ist aber auch, dass die Objektivität und Immanenz nicht nur als
Mangel von Religiosität in der realen Welt, sondern umgekehrt auch als „Verweltlichung“
von Religion in der virtuellen Welt gesehen werden kann: Eine auf Mausklick funktionierende Religiosität in der virtuellen Welt widerspiegelt demnach eine an Beherrschbarkeit, Kausalitätsdenken und Konsum gewohnte Gesellschaft.
5.4 Verknüpfung mit dem Moralsystem
Oblivion weist eine Vielzahl von Weltdeutungssystemen auf, theistische wie atheistische, religiöse und „wissenschaftliche“, an denen der Spieler partizipieren kann. Sie haben alle unterschiedliche, teilweise sogar gegensätzliche ethische Wertvorstellungen. Das Spiel scheint auf
den ersten Blick eine Religions- und Meinungsfreiheit sowie eine moralische Relativität zu
vermitteln. Dies zeigt sich programmatisch in den Antwortmöglichkeiten, die der Spieler auf
die „Gretchenfrage“ des alten Kaisers zu Beginn des Spiels hat: „Kennt Ihr die Neun, wie sie
unser Schicksal mit unsichtbarer Hand leiten?“ Der Spieler kann eine der folgenden drei Antworten auswählen: 1) „Die Neun führen und beschützen uns.“; 2) „Ich bin auf die Götter nicht
gut zu sprechen.“; 3) „Ich weiss nicht. Ich denke nicht darüber nach.“ Bezeichnend ist, dass
die Wahl der Antwort keinen Einfluss auf den weiteren Spielverlauf hat, nicht einmal einen
Einfluss auf die Antwort des Kaisers, der sich in jedem Fall mit denselben Worten als treuer
Diener der Neun Göttlichen bekennt – religiöse Vorlieben und die damit verbundene Ethik
scheinen auch in Oblivion Privatsache zu sein, solange sie nicht mit dem kaiserlichen Gesetz
kollidieren.
Eine genauere Betrachtung zeigt jedoch, dass Oblivion durchaus Moral vermittelt, und dass
dieses Moralsystem mit den Inhalten der Ethik der Religion der Neun korrespondiert. Die Taten, die der Spieler seine Spielfigur ausführen lässt, wird vom Programm auf einer metaspielerischen Ebene moralisch bewertet, und zwar durch die in der jederzeit einsehbaren Spielerstatistik gelisteten Kategorien „Ruhm“ und „Infamie“. Diese werden durch Zahlenwerte angegeben, zu Beginn des Spiels betragen sie 0. Die Werte steigen üblicherweise durch die Absolvierung von Missionen: Die Aufträge der Diebesgilde und der Dunklen Bruderschaft bringen
Infamie. Um die Missionen zu erfüllen, muss die Spielfigur das kaiserliche Gesetz brechen:
Diebstahl, Einbruch, Körperverletzung und Mord sind an der Tagesordnung. Ruhm erhält die
Spielfigur dagegen durch den Dienst in der Kämpfer- und der Magiergilde; durch die Absolvierung der gildenunabhängigen Missionen; und durch die Aufträge der Hauptmission. Diese
Missionen bestehen darin, vom Programm festgelegte feindliche Kreaturen und humanoide
99
Knopf, S. 25.
35
Feinde zu jagen, bedürftigen Menschen in irgendeiner Art beizustehen, Korruption unter den
Wachen und Hehlerei unter den Händlern aufzudecken etc.
Diese Handlungen, die zu Ruhm führen, sind zwar nicht vordergründig religiös, und umgekehrt bringt die Anbetung der Aedra in den Kapellen keinen Ruhm; doch wenn wir die enge
Verzahnung der Religion der Neun mit weiten Bereichen des alltäglichen individuellen und
politischen Lebens in Cyrodiil in Erwägung ziehen, die sich im Kaiserkult (siehe Fussnote 96)
und im Inhalt der „Zehn Gebote“ zeigt, wird klar, dass alles, was mit der Erhaltung von Hierarchie und Ordnung bzw. mit der Ausmerzung von Unrecht und Unordnung zu tun hat, nicht
nur aus der Sicht der Politik und des kaiserlichen Rechts, sondern auch aus der Sicht der Neun
Göttlichen korrekt ist.100 Unmissverständlich zeigt sich das im Gebetsritual in den Kapellen:
Die Meldung „Gesuchte Verbrecher! Eure Gebete in der Kapelle um Heilung und Wiederherstellung werden möglicherweise um Eurer Sünden willen nicht erhört! Sorgt dafür, dass kein
Kopfgeld mehr auf Euch ausgesetzt ist, und bittet um Vergebung!“ ist Programm: Wenn die
Infamie der Spielfigur höher ist als der Ruhm, wird von den Göttlichen kein Segen gespendet.101 Ähnlich werden auch die Pilgerfahrten zu den Wegschreinen der Neun durch den
Ruhm geregelt: Segen erhält nur diejenige Spielfigur, die ihren Ruhm seit dem letzten Besuch
eines Wegschreins gesteigert hat, sonst erscheint die Meldung: „Sucht grösseren Ruhm, um
für würdig befunden zu werden.“ Umgekehrt scheint die Moral der Spielfigur für die Beschwörung der Daedra-Fürsten nicht relevant zu sein; die Bedingung ist hier eine entsprechend hohe Erfahrungsstufe, die durch das Training der Hauptfertigkeiten vergrössert wird.
Die Kategorie „Ruhm“ kann somit verstanden werden als Projektion der Ethik der Religion
der Neun auf die metaspielerische Ebene. Umgekehrt werden das kaiserliche Gesetz und die
Religion der Neun durch die Verknüpfung mit dieser Kategorie moralisch positiv aufgeladen
– und zwar von „oben“, d.h. durch „allmächtige“ Programmierer, die ihre Macht auf der Metaspielebene einbringen. Relativiert wird dieser Befund einzig durch die Praxis des Programms, alle abgeschlossenen Aufträge von Daedra-Fürsten ebenfalls konsequent mit
„Ruhm“ zu belohnen. Solche Aufträge widersprechen zwar der Ethik der Neun Göttlichen
nicht in jedem Fall; teilweise haben die Daedra-Fürsten und die Vertreter der Religion der
Neun sogar dieselben Feinde (z.B. die Totenbeschwörer). Doch spätestens wenn die daedrischen Missionen den Mord an Unschuldigen und Rechtschaffenen fordern, ist der Zuwachs an
Ruhm nur schwer nachvollziehbar.102
Auf der narrativen Ebene ist der Daedra-Kult jedoch das „infame“ Gegenstück zur Religion
der Neun: Einerseits basieren die Infamie-bringenden Gilden der Diebe und der Dunklen Bruderschaft auf der daedrischen Religion.103 Anderseits wird die in der Hauptmission auf der
100
Besonders aufschlussreich sind die Gebote fünf („Talos sagt: Stärkt euch für den Krieg. Begegnet Feinden
und Verderbtheit mit Mut und verteidigt das Volk von Tamriel.“) und neun („Akatosh sagt: Dient und gehorcht
eurem Kaiser. Studiert die Bünde. Betet die Neun an, tut eure Pflicht, und beachtet die Weisungen der Heiligen
und der Priester.“), welche hierarchischen Gehorsam und Kampf fordern, und somit als Rechtfertigung gelesen
werden kann, dass die Spielfigur auch bei „ruhmreichen“, „moralisch guten“ Missionen jede Menge Blut vergiessen muss.
101
Aktiviert ein Spieler mit entsprechender Spielfigur einen Altar, erscheint eine in diesem Kontext verwirrende
Meldung unzutreffenden Inhalts: „Du bist heute gesegnet worden“.
102
Über die Gründe dieser Praxis kann nur spekuliert werden: War es schlicht ein Versehen der Programmierer?
Oder soll „Ruhm“ doch nicht das Monopol der Religion der Neun sondern aller Religionen sein? Aber dann ist
nicht ersichtlich, weshalb nicht auch die Aufträge der Dunklen Bruderschaft zu Ruhm führen, denn auch diese
trägt die Charakteristiken einer Religion: Die Anhänger der Dunklen Bruderschaft verehren den „fürchterlichen
Vater“ Sithis und die „unheilige“ Mutter der Nacht, indem sie fünf Gebote befolgen und Auftragsmorde ausführen. Die verrichteten Rituale zielen auf die Kontaktaufnahme mit der Mutter der Nacht, sowie auf die Säuberung
der Gemeinschaft vor Verrätern.
103
Die Diebesgilde verehrt die Daedra-Göttin Nocturnal, was sich laut ihres Anführers Graufuchs beim Abschiedssegen „Mögen die Schatten Euch verbergen“ ausdrückt. Die Beziehung der Bruderschaft zum DaedraKult ist dagegen historisch und spekulativ: Die Meuchelmördergilde spaltete sich vom religiösen Orden Morag
Tong ab, deren Anhänger die Daedra-Gottheit Mephala anbeten. Im Buch „Brüder der Dunkelheit“ wird über
eine mögliche Identifikation von Mephala und der Mutter der Nacht spekuliert.
36
Seite der Aedra kämpfende Spielfigur für jede Teilmission gegen die Daedra und die Anhänger Mehrunes Dagons mit „Ruhm“ belohnt.
Die enge Verknüpfung der Religionen mit der metaspielerischen Moral kann durchaus politische Brisanz entwickeln: Wenn die Beobachtung des vorwiegend westlich-abendländischen
Charakters für die Religion der Neun Göttlichen sowie des eher „orientalischen“ Charakters
(Mysterienreligionen, indische Religionen) für den Daedra-Kult zutrifft, ist der oben ausgeführte Dualismus ein Indiz für einen orientalistisch anmutenden Kontrast: westlichabendländisch-ruhmreich-moralisch versus „orientalisch“-infam-unmoralisch.104
Die Verknüpfung der Religionen in Oblivion mit dem metaspielerischen Moralsystem sowie ihre moralische Gegenüberstellung kann unter einem pädagogischen und einem psychologischen Aspekt gesehen werden: demjenigen der Erziehung und demjenigen der Konfrontation und Umgang mit eigenen Ängsten. Die naheliegendste Antwort ist, dass Spiele auf ihre
Nutzer eine erzieherische Funktion ausüben. Die Diskussion in der Computerspieleforschung
fokussiert in diesem Zusammenhang eher auf den Spielprozess selbst, weniger auf die Inhalte
eines Spiels. Sofern Computerspiele aber durch ihre Inhalte eine erzieherische Funktion ausüben, wird diese im Fall von Oblivion durch die Ethik der Religion der Neun bestimmt, die
wiederum christlich-konservativ geprägt ist. Das denkbar simpelste Modell einer Erziehung
ist die Zweiteilung der (virtuellen) Welt in absolute Gegensätze wie z.B. gut-böse oder richtig-falsch. Dieses Gut-Böse-Schema, das nicht nur in Oblivion, sondern auch in auffällig vielen anderen Computerspielen vorkommt, wird in der Forschung diskutiert: Neben der Beobachtung, dass es häufig mit einer narrativen Plattheit zusammengeht105, wird zuweilen befürchtet, dass es zu einem bipolaren Denken der Jugendlichen führen könnte.106 Dass solche
virtuellen Gut-Böse-Dualismen auf die christliche Tradition zurückgehen, wurde nicht nur
erkannt107, sondern auch ihre Nutzbarmachung für den Religionsunterricht reflektiert.108
Öfters wurde dem Bösen dabei auch eine psychologische Funktion zugeschrieben: Es sei
ein Ausdruck des Verborgenen und Verdrängten und provoziere den spielerischen Umgang
damit. Das Böse muss daher klar als Böses ausgewiesen und erkannt werden. Nur so haben
die Nutzer die Möglichkeit, ihre Ängste und Zweifel in Form digitalisierter Monster und Ungeheuer zu bewältigen. Umgekehrt bieten viele Computerspiele, gerade Rollenspiele, dem
Spieler auch die Möglichkeit, das Böse zu verkörpern und auszuleben.109 In Oblivion wird
sowohl die Benennung des Bösen sowie die Partizipation daran durch die beiden Religionen
und dem metaspielerischen Moralsystem geregelt.
104
Konkreteres lässt sich hierzu vom spielimmanenten Gegensatz zwischen der Kämpfergilde und der ebenfalls
Söldnerdienste anbietenden „Dunkelforstrotte“ in der Stadt Leyawiin aussagen: Die sonst nicht religiöse Züge
aufweisende Dunkelforstrotte wird durch eine Aussage eines ihrer Kommandanten in die Nähe des Islam gerückt: „Die Rotte bietet ausgesuchten Klienten professionellen Jihatt.“ Die Nähe zum islamischen Konzept jihad,
das im populären Gebrauch mit „heiliger Krieg“ gleichgesetzt und als „Terrorismus“ verstanden wird, ist nicht
zu übersehen. Brisant ist dies deshalb, weil die Dunkelforstrotte keine eigene missionsunabhängige Funktion hat,
sondern eigens als existenzbedrohende Gegenspielerin zu der „Ruhm“ bringenden, d.h. religiös und gesetzlich
korrekten Kämpfergilde kreiert wurde: Dies beginnt beim negative Assoziationen weckenden Namen „Dunkelforstrotte“, geht über die soziale Zusammensetzung ihrer Mitglieder, die ausnahmslos „Ausländer“ sind (katzenartige Khajits und echsenartige Argonier aus anderen Provinzen), bis hin zu fragwürdigen und unethischen Praktiken der Söldner, die der Spieler im Verlauf der Mission entdeckt: Drogenkonsum (die Kämpfer der Rotte konsumieren vor jedem Einsatz einen halluzinogenen „Hist-Saft“), Perversion der Natur (der Hist-Saft wird durch
die maschinelle Ausbeutung eines Hist-Baumes im Keller des Söldnerhauses gewonnen), sowie die Tötung Unschuldiger (unter Einfluss des Hist-Saftes töten die Kämpfer der Rotte auch Unschuldige). Vor diesem Hintergrund wirkt die vorgängige Aussage des Rotte-Söldners über den „Jihatt“, die populäre Lesart von jihad vorausgesetzt, wie eine makabere Offenbarung. Der Spieler setzt diesem Treiben durch seine Spielfigur ein Ende, indem er die Kämpfer der Rotte tötet und die Maschine um den Hist-Baum zerstört.
105
Siehe dazu: Lange, Andreas: Storykiller. Vgl. auch Krambrock, S. 98; Bünger, S. 117.
106
Berndt, S. 118f.
107
Z.B. von der Heidelberger Psychologin Janette Schmid, zitiert nach: Harder.
108
Z.B. Kästner, S. 117.
109
Knopf, S. 25; Seesslen, in: Maass/Schartner, S. 75; Janette Schmid, zitiert nach: Harder.
37
6 Zusammenfassung, Fazit und Ausblick
Disese Arbeit hatte zum Ziel, das Einzelspieler Computer Fantasie-Rollenspiel The Elder
Scrolls IV: Oblivion (Bethesda 2006) auf seinen religiösen Inhalt zu untersuchen. Die Frage
war, auf welche Weise „Religion“ auf den verschiedenen medialen Ebenen dargestellt wird
und wie ihre Beziehung zur Narration, sowie zur Spiel- und Metaspielebene aussieht. Da „Religion“ in der Spielwelt von Cyrodiil hauptsächlich als Religionen vermittelt wird, lag mein
Fokus auf der Religion der Neun Göttlichen sowie dem Daedra-Kult.
Das Porträt in Kapitel vier zeigt diese beiden Religionen als für ein Computerspiel erstaunlich detaillierte Symbolsysteme, die über mehr oder weniger profilierte Theologien, individuelle Glaubenssaussagen, Rituale, Verhaltensanweisungen und Organisation verfügen. Diese
Aspekte zeigen sich auf mehreren medialen Ebenen, am deutlichsten auf jener der Sprache: In
Büchern, Gesprächen, Meldungen und dem „intuitiven Wissen“ der Spielfigur werden die
Religionen mit einer hauptsächlich, aber nicht ausschliesslich christlichen Terminologie
kommuniziert. Die religiösen Inhalte aller weiteren Darstellungsebenen werden zum grossen
Teil durch die Sprache als religiös definiert. Die Ebene des Visuellen vermittelt die Architektur der Sakralbauten, religiöse Gegenstände, die Götterstatuen, z.T. die Kleidung religiöser
Spezialisten, die Effekte des Segens u.a. Dem Konzept von Fritz Stolz folgend habe ich zudem die Ebene der Handlung als separate Ebene betrachtet: Hier haben sich eine sehr begrenzte Anzahl von Ritualhandlungen (Opferhandlungen, Segen, Beten) feststellen lassen.
Die Ebene der Geräusche weist mit Ausnahme des auditiven Effekts des Segens und der
Kommunikation mit den Daedra-Göttern keine religiösen Elemente auf, und die Musik spielt
in Oblivion keine religiöse Rolle.
Die Analyse hat ergeben, 1) dass „Religion“ das Thema der Erzählung der Hauptmission
ist: Die Bedrohung und Rettung des zivilisierten Tamriels geschieht durch transzendente
Mächte, die durch die Religionen immanent gemacht werden. Als historischer Hintergrund
wirkt zudem das biblische Thema des Bundes zwischen Menschen und Göttern; 2) dass sich
die Religionen strukturell wie inhaltlich weitgehend an historischen Vorbilder orientieren: die
Religion der Neun an den griechischen und römischen Religionen sowie am Katholizismus;
der Daedra-Kult eher an den Mysterien- und indischen Religionen; 3) dass die Religionen
durch Immanenz und Objektivität charakterisiert sind. Inwiefern wir es hier mit „Religionen“
zu tun haben, und ob dieser Umstand computerspieltechnisch bedingt ist, religiöse Bedürfnisse befriedigt oder die technisch-rationale Gesellschaft widerspiegelt, muss hier unbeantwortet
bleiben; 4) und dass die Ethik der Religion der Neun mit dem metaspielerischen Moralsystem
verbunden ist, so dass beinahe jede Handlung der Spielfigur eine religiöse Relevanz erhält.
Auf diese Weise kommt eine absolut geltende christlich-konservative Ethik ins Spiel, charakterisiert durch Sozialdienst, Hierarchiegläubigkeit und Aufopferung im Kampf gegen das auf
narrativer und metaspielerischer Ebene klar bezeichnete Böse.
„Religion“ nimmt im Rollenspiel Oblivion somit eine bestimmende Stellung ein: Sie manifestiert sich als Religionen mit bestimmten Funktionen und Ästhetik auf der Spielebene, ist
nicht nur Teil, sondern treibende Kraft in der Hauptmission auf der narrativen Ebene, und sie
entscheidet von einem universalistischen Standpunkt aus über „gut“ und „böse“ durch das
Moralsystem auf der Metaspielebene.
In dieser Arbeit wurde der Diskurs um die Rolle der „Religion“ bzw. Religionen in Oblivion
aus Platzgründen ausgeschlossen. Für eine vollständigere Analyse müsste ein solcher Diskurs,
an dem sich die Spieler, vielleicht aber auch die Programmierer und Vertreter religiöser
Gruppen beteiligen, durch Interviews und durch die Konsultierung von Internet-Foren rekonstruiert werden.
Für die weitere religionswissenschaftliche Beschäftigung mit Computerspielen wäre neben
der Betrachtung der Spielinhalte und des dazugehörenden Diskurses auch die Untersuchung
der Struktur, des Spielprozesses und der Rezeption auf ihre religiösen Relevanz hin interes38
sant, und zwar auch in weiteren Genres wie Strategiespiele, Ego-Shooter, Adventures etc.
Erste Überlegungen von Kulturwissenschaftlerinnen und –wissenschaftler haben auf das Bedürfnis des „Gott spielens“ im Zusammenhang mit den sogenannten god-games (meistens
Strategiespiele) hingewiesen, die sich durch eine besondere Perspektivität und beinahe Allmacht des Spielers auszeichnen. Solche Spiele können zudem explizit religiöse Inhalte aufweisen, wie die Spiele Populous oder Black&White von Peter Molyneux. Auch das Konzept
des Avatar als virtuelle Inkarnation des Spielers mit übermenschlichen Kräften könnte analytisch vertieft werden. Schliesslich wurde bereits auf die „fundamentale theologische Botschaft“110 von Computerspielen hingewiesen, die im Sinne von Niklas Luhmann Komplexität
reduzieren und eine sinnvolle, nach klaren Regeln funktionierende Weltsicht vermitteln, in
welcher der Spieler je nach Verhalten belohnt oder bestraft wird.
Bei der Rezeption wäre (auf einer diskursiven Ebene) der Frage nachzugehen, inwiefern
Computerspiele tatsächlich „Religion“ bzw. religiöse Erlebnisse vermitteln. Die Diskussion
um den „Okkultismus“ in Rollenspielen sowie die aufstrebende Produktion von christlichen
Computerspielen zeigt, dass zumindest aus der Sicht einiger Gruppierungen Computerspiele
in religiöser Hinsicht viel mehr sind als bloss Spiele. Dies ist auch das Credo einer entstehenden Gattung von Computerspielen, die den Anspruch haben, Körper und Geist im Hinblick
auf eine spirituelle Entwicklung zu trainieren, und zwar durch die Interaktion mittels einer an
drei Fingern angeschlossenen Biofeedback-Hardware.111
Bei der Betrachtung des Spielprozesses in Verbindung mit der Rezeption ergeben sich Parallelen zur klassischen Religiosität und religiösen Funktionen, die für eine Untersuchung
denkbar wären: Bilden Spiele eine Gegenwelt (Stolz), die direkt durch Wahrnehmungsveränderung herbeigeführt wird (Furtwängeler)? Ist das Spielen ein Ritual, das religiöse Funktionen
übernimmt (Phillips)? Können wir in diesem Zusammenhang das Spielen als Übergangsritual
begreifen, bzw. als Schwellenphase, eine Communitas (Van Gennep, Turner), wo gesellschaftliche Regeln aufgehoben sind, mit anschliessendem Wiedereintritt bei verändertem sozialem Status? Befriedigt das Spielen von Computerspiele religiöse Bedürfnisse (Knopf)?
Inwiefern muss oder kann ein Spieler an ein Spiel „glauben“, damit das Spiel virtuelle „Realität“ werden und Sinn erzeugen kann? Ist der Spielprozess eine Körperdisziplinierung und
Konzentrationsübung, die darauf hinausläuft, „mit dem Spiel eins zu werden“112? Anders gefragt: Versuchen sich die Nutzer von Computerspielen einen „mystischen“ Zustand vollständiger Immersion oder flow herbeizuspielen? Können Computerspiele ihre Nutzer psychisch
(und physisch) in einer Weise verändern, die sich auch auf religiöse Vorlieben oder Ansichten
auswirkt?
Auch der soziale Aspekt von Computerspielen müsste weiter betrachtet werden: Neben
dem bereits erwähnten Diskurs um die religiösen Inhalte meine ich damit die religiösen Dimensionen der Identitätsbildung von und Beziehungen unter Spielern, die durch Spiele, insbesondere Online-Spiele, geregelt werden.
Bei all dem muss bedacht werden, dass der „Spielcharakter“ von Computerspielen stets
vordergründig bleibt und es normalerweise weder die Absicht der Programmierer ist, eine
Religion oder religiöse Bewegung zu lancieren, noch die Absicht der Spielenden, eine Religion auszuüben. Dennoch weist das Spielen von Computerspielen Parallelen zu religiösen
Handlungen auf, so dass wir die Beschäftigung mit dem neuen Medium möglicherweise als
eine neue, unsichtbare Religiosität im Sinne Thomas Luckmanns verstehen können.
110
David Thomas von der Denver Post, zitiert nach: Kohlhöfer: Zocken gegen Satan.
Nach meinen Kenntnissen gibt es mindestens eine solche Produktefamilie, The Journey to Wild Divine: „The
Journey to Wild Divine is a unique program for mind, body & spirit that links biofeedback hardware with your
computer to create an enlightening experience of wellness. Discover a world of towering palaces and sumptuous
gardens, where you’ll use biofeedback to learn & practice breathing, meditation and yoga techniques to renew
your sense of balance“, siehe: http://www.wilddivine.com (6.12.06).
112
Der Regisseur David Cronenberg, zitiert nach: Berndt, S. 53f.
111
39
7 Bibliografie
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