Lehrgang: Spezifische Lernförderung

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Lehrgang: Spezifische Lernförderung
Lehrgang: Spezifische Lernförderung
„Rechnen- Dyskalkulie“
Mag. Dr. Brigitta Amann
Schulpsychologie Bludenz
Oktober 2008
1
Inhaltsverzeichnis
Entwicklungsorientierte Modelle des Rechenerwerbs ...................................... 3
Numerische und arithmetische Kompetenzen von Kleinkindern....................................... 4
Numerische und pränumerische Basisfertigkeiten........................................................... 11
Rechnen............................................................................................................... 16
Aufbau des Rechenwissens .............................................................................................. 23
Kognitive Komponenten..................................................................................... 28
Gedächtnis........................................................................................................................ 28
Modelle der Zahlenverarbeitung ........................................................................ 39
Dehaene (1992, 1999) – Triple Code Modell .................................................................. 39
Das McCloskey Modell.................................................................................................... 44
Abstrakte Zahlenrepräsentationen im Gehirn .................................................................. 48
Spezielle cerebrale Schaltkreise für die Zahlenverarbeitung ........................................... 51
Schwierigkeiten im Rechenerwerb ....................................................................... 56
Dyskalkulie....................................................................................................................... 56
Symptomatik .................................................................................................................... 58
Prävalenz .......................................................................................................................... 59
Persistenz.......................................................................................................................... 59
Alltagsrelevanz und langfristige Konsequenzen .............................................................. 60
Geschlechtsunterschiede .................................................................................................. 60
Ursachen........................................................................................................................... 63
Kognitive Komponenten und Dyskalkulie....................................................................... 64
Aufmerksamkeit ............................................................................................................... 66
Intelligenz......................................................................................................................... 66
Räumliche Fähigkeiten..................................................................................................... 67
Lesen, Leseschwierigkeiten (Dyslexie) und Rechenschwierigkeiten .............................. 71
Rechenangst und Einstellungen ....................................................................................... 78
Neuropsychologische Dyskalkulie-Modelle ..................................................... 81
Rourke (1993) NLD und RS ............................................................................................ 81
Geary: 3 Dyskalkulietypen............................................................................................... 82
Theoretische Konzepte zum Rechnen Lernen ................................................. 84
Prävention und Förderung ................................................................................. 88
Von der Stufe des „zählenden Rechnens“ zur Abrufbarkeit der Basisfakten .................. 89
Aufbau und Verinnerlichung Mathematischer Operationen nach Aebli.......................... 92
Programme zur Rechenförderung ..................................................................... 93
Numeracy Recovery (Ann Dowker) ................................................................................ 93
Das „Innsbrucker Programm“ zur Rechenförderung (Kaufmann et al. 2003) ................. 94
Das kognitiv-neuropsychologisch orientierte Interventionsprogramm von Pia Handl .... 95
Mathematics Recovery (Wright, et al. 2000, 2002) ......................................................... 97
Number Worlds ................................................................................................... 98
Implizites und explizites Wissen.................................................................................... 100
Repräsentationen in den verschiedenen „Welten“ ......................................................... 103
Zur Methode................................................................................................................... 104
Anhang: .......................................................................................................................... 105
Literaturverzeichnis ...........................................................................................108
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Kinder wachsen in eine Welt hinein, die voll ist von Zahlen. Sie lernen wie von selber Größen, Mengen
und Anzahlen zu unterscheiden. „Wer hat das größere, oder wo ist mehr?“ solche Fragen beantworten schon Kleinkinder relativ mühelos. Sie beginnen zu zählen, erkennen einfache Zahlen, sie spielen
mit Würfeln und Geld. Fernsehkanäle haben Zahlen, das Telefon hat Ziffern, Dominos und Würfel haben Muster – Zahlen haben viele Gesichter. Und es gibt einfache alltägliche Sachverhalte, die Kinder
in die Welt der Zahlen und hineinführen. Es wird getauscht, gefeilscht, gehandelt – „Wer hat mehr? Ich
tausche eins von mir gegen eins von dir. Deins ist größer – dafür ist meins schöner.“ Werte werden
verglichen, einfache Operationen schon ausgeführt (+ 1 - 1 = 0).
Schrittweise erobern Kinder das Gebiet der Mathematik. Doch wann beginnt dieser Prozess? Was ist
die Grundlage dieses Wissens? Liegen dem Rechnen allgemeine kognitive Funktionen, wie logisches
Denken, Gedächtnisfunktionen (Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis) und räumliches Vorstellungsvermögen, zugrunde? Oder kommen Kinder mit einer speziellen Rechenfähigkeit zur Welt?
Was ist letztendlich der Grund, wenn Kinder das Rechnen eben nicht Erlernen?
Diese und ähnliche Fragen beschäftigen die Wissenschaft schon lange und speziell in den letzten
Jahren haben sich einige sehr interessante Erkenntnisse auf diesem Gebiet gewinnen lassen.
Der folgende theoretische Teil der Arbeit beschäftigt sich im ersten Teil zunächst mit dem Erwerb der
Rechenkompetenzen, versucht zu strukturieren und einen Überblick über die Zusammenhänge zu
geben.
Der zweite große Abschnitt beschäftigt sich mit den beeinträchtigten Rechenkompetenzen und
schließlich folgt im dritten theoretischen Abschnitt eine Auseinandersetzung mit dem Unterricht von
Mathematik.
Entwicklungsorientierte Modelle des Rechenerwerbs
Der Begriff „Numerosität“
Die kennzeichnende Bedeutung aller numerischen Ausdrücke ist ihre Bezeichnung für die Größe einer
Menge. Diese Bezeichnung für die Größe bzw. Anzahl einer Menge wird „Numerosität“ oder „Kardinalität“ genannt. Butterworth (2005) verwendet den Begriff „Numerosität“ als kognitiven Gegenpol zum
von Mathematikern geprägten Begriff „Kardinalität“. Der Mengenbegriff ist das Besondere an Zahlen. Numerosität ist ein abstrakter Begriff – er ist weder ein physikalisches Objekt noch eine spezifische Eigenschaft eines Objektes wie Farbe oder Form. Numerosität ist vielmehr eine Eigenschaft einer Menge, die jede Art von Elementen einbezieht: physikalische Objekte, Töne, Handlungen oder
abstrakte Dinge, wie Wünsche.
Das Wahrnehmen der Mengen hängt natürlich von der Beschaffenheit der Elemente ab. So können
Würfelmuster wesentlich leichter erfasst werden als Punktemuster in zufälliger Anordnung.
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Das Wissen um die Numerosität beinhaltet einfache logische Schlussfolgerungen, wie: zwei Mengen
sind gleich groß, wenn jedem Element der Menge A ein und genau ein Element der Menge B zugeordnet werden kann (eins-zu-eins Zuordnung), ohne dass eines überbleibt.
Butterworth (2005) führt eine Übersicht an, was Kinder verstanden haben müssen, um das Konzept
der Numerosität erfasst zu haben.
1. Kinder haben die eins-zu-eins Zuordnung verstanden
2. Kinder verstehen, dass eine Menge von Dingen eine Anzahl hat und diese Anzahl sich verändert, wenn man damit manipuliert: Sie wird größer, wenn man etwas dazugibt, kleiner, wenn
man Elemente wegnimmt, … Mengen können die gleiche Größe – Numerosität haben, oder
die größere (kleinere) Numerosität als eine andere.
3. Kinder verstehen, dass Mengen nicht unbedingt sichtbare Dinge sein müssen. - Es können
auch auditive, taktile oder abstrakte Elemente (Wünsche) sein.
4. Kinder können kleine Mengen bis zu 4 Elementen simultan erfassen, ohne verbales Zählen
(=Subitizing).
(Butterworth, 1999)
Es herrschen viele Grundsatzdiskussionen, ob Kinder die Bedeutung der Numerosität verstehen, weil
sie eine angeborene spezifische Kapazität für Größen besitzen, oder ob es eine eher allgemeine Fähigkeit ist, mit Mengen und Größen umzugehen.
Entscheidende Erkenntnisse kommen von Menschen mit Dyskalkulie, die ein selektives Defizit dieser
Kapazität haben, was ihre Möglichkeiten Arithmetik zu lernen, massiv beeinträchtigt. Wenn es auch
einigermaßen gesichert scheint, dass etwas wie ein Konzept der Numerosität notwendig ist, um erfolgreich Mathematik zu lernen, so ist er noch lange nicht so sicher, wie diese Konzepte erworben werden. Der folgende erste große Abschnitt meiner Arbeit soll sich nun mit der Entwicklung der numerischen und arithmetischen Fähigkeiten befassen.
Numerische und arithmetische Kompetenzen von Kleinkindern
( Gelmann, 1990. Geary 1996. Wynn 1992, 1998)
Zahlreiche Philosophen und Psychologen haben sich schon über die Ursprünge des numerischen
Wissens Gedanken gemacht.
„Was macht den menschlichen Geist fähig, Mengen und Zahlen zu verstehen?“
Die empiristische Sicht, wie wir unser mathematisches Wissen erwerben, ist, dass wir alles Wissen
über numerische Beziehungen aus der Beobachtung erwerben.
Die gegenteilige Sicht, der nativistische Ansatz, nimmt an, dass das Verständnis für Zahlen oder zumindest vieles vom Verständnis für Zahlen, angeboren ist.
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Piaget (1952) beschreibt notwendige Voraussetzungen, um bestimmte logische Prinzipien zu verstehen, weil Arithmetik ein Teil eines logischen Systems ist, welches sich stufenweise durch eigene Erfahrung entwickelt. Das oben beschriebene Konzept der Numerosität würde für Piaget auf basaleren
Kapazitäten, wie Transitivität und Anzahlerhaltung aufbauen.
Andere Autoren beschreiben mehrere allgemeine kognitive Fähigkeiten, wie das Arbeitsgedächtnis
(Ashcraft, 1995), räumliches Denken (Rourke, 1993) und sprachliche Fähigkeiten (DeStefano, 2004),
die notwendig sind, um Rechnen zu können.
Gegensätzlich zu dem was Piaget und andere unter Entwicklung des Rechnens verstehen, gibt es
Beobachtungen, die zeigen, dass schon sehr kleine Kinder auf numerische Eigenschaften reagieren,
ohne abstraktes Denken, Sprache oder viele Möglichkeiten, Dinge in der Umwelt zu erforschen.
Studien der letzten 20 Jahre haben eindeutig gezeigt, dass Säuglinge und Babies schon sensitiv auf
Mengen reagieren.
Um mit so kleinen Kindern arbeiten zu können, wird in diesen Studien die „Habituations-Methode“ angewandt. Kinder neigen dazu, Dinge, die sie interessieren, die neu oder unerwartet sind, länger anzusehen, als „gewöhnliche“ Dinge.
In den Habituationsstudien wird den Kindern beispielsweise jeweils ein Bildschirm gezeigt, auf welchem 2 Punkte zu sehen sind. Anschließend wird die dargebotene Anzahl der Punkte verändert. Es ist
möglich, anhand der Blickreaktion der Kinder abzuleiten, ob diese für die Veränderung der Menge
sensibel sind, weil sie den verändert wahrgenommenen Bildschirm länger ansehen.
Die im folgendenen beschriebenen Studien beschäftigen sich mit der Fähigkeit, Anzahlen wahrzunehmen und diese zu unterscheiden.
Die Versuche von Starkey & Cooper (1980) wurden mit 5 Monate alten Kindern durchgeführt. Diese
wurden in der Versuchsanordnung zuerst an einen Bildschirm mit 2 (oder 3) Lichtpunkten gewöhnt.
Nach der Habituierung wurde ihnen ein Bildschirm mit 3 (oder 2) Punkten gezeigt, worauf die Kinder
deutlich längere Blickzeiten zeigten. Aufgrund dieser Versuche kann angenommen werden, dass Kinder mit 5 Monaten in der Lage sind, kleine Mengen von 2 und 3 Elementen zu unterscheiden. Ein
zweites Experiment dieser Autoren zeigte, dass Kinder dieses Alters noch nicht in der Lage sind, zwischen 4 und 6 Punkten zu unterschieden. Säuglinge reagieren also auf die Anzahl der Lichtpunkte
und nicht auf das Verhältnis „ mehr – weniger“.
Dieselben Ergebnisse konnten in einer separaten Untersuchung mit 1 bis 3 Tage alten Säuglingen
erzielt werden (Antell & Keating, 1983).
Eine weitere Studie (Starkey, Spelke & Gelman, 1990) gewöhnte 7 Monate alte Kinder an Bildschirme
mit 2 – 3 Bildern von verschiedenen, variierenden Haushaltsgegenständen (Orange, Schlüsselbund,
Banane, Schwamm, etc.). Die Abbildungen unterschieden sich in Größe und Farbe. Nach der Habituierung wurden den Kindern neue Bilder mit anderen Gegenständen in unterschiedlicher Anordnung in
jeweils geänderter Anzahl (3 – 2) dargeboten. Kinder im Alter von 7 Monaten blickten signifikant länger auf die Bildschirme mit den neuen Abbildungen in geänderter Mengenanzahl.
Das bedeutet, dass Kinder sensibel auf die Anzahl der Menge reagieren (unabhängig von Erscheinungsform).
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Eine Reihe von Experimenten von Loosbroeck & Smitsman (1990) beschäftigte sich mit Kindern im
Alter von 5, 8 und 13 Monaten. Diesen Kindern sind Bildschirme mit 2, 3 oder 4 sich bewegenden Items gezeigt worden. Die Anzahlbestimmung der Items konnte nur durch das Beobachten der Bewegungen auf den Bildschirmen über eine kurze Zeitspanne erfolgen.
Alle Kinder konnten kleine Anzahlen zwischen 2 und 3 Items und sogar zwischen 3 und 4 Items diskriminieren, die älteren zwei Gruppen sogar zwischen 4 und 5.
Starkey (1990) gewöhnte 6 bis 9 Monate alte Kinder entweder an 2 oder 3 Fotos auf Bildschirmen, wie
auch schon oben beschrieben. Nach der Habituierungsphase wurde den Kindern eine schwarze Platte
auf dem Bildschirm gezeigt aus welcher entweder 2 oder 3 Trommelschläge ertönten. Es wurde festgestellt, dass die Kinder nur dann länger auf die schwarze Platte schauten, wenn dieselbe Anzahl von
Trommelschlägen gespielt worden ist, wie zuvor Bilder gezeigt worden sind.
Eine andere Versuchsanordnung dieser Autoren gewöhnte die Kinder an zwei Bildschirme, auf einem
waren zwei auf dem anderen drei verschiedene Objekte zu sehen. Kurz nach dem Einblenden der
Dias wurden aus dem Lautsprecher, der zwischen den beiden Bildschirmen stand, entweder zwei oder
drei Töne gespielt. Die Kinder blickten je nach dem ob zwei oder drei Töne gespielt worden sind, entsprechend auf jenes Bild, auf dem dieselbe Anzahl von Objekten gesehen worden war.
Wynn (1996) untersuchte die Fähigkeit von Kindern die Anzahl einer Serie von aufeinander folgenden
Handlungen zu bestimmen.
Handlungen unterscheiden sich in verschiedenen Aspekten von Objekten oder Tönen. Während Objekte längere Zeit kontinuierlich bestehen, und sich an speziellen Orten im Raum befinden, existieren
Töne nur über bestimmte Zeitabschnitte. Also dienen in diesem Zusammenhang laut Wynn räumliche
Informationen für das Erfassen von Objekten und zeitliche Informationen zur Teilung bestimmter Töne.
Physikalische Handlungen hingegen unterscheiden sich von Objekten und Tönen. Sie existieren nicht
kontinuierlich andauernd über einen Zeitabschnitt und können nur über zeitliche Information voneinander getrennt werden. Und es braucht räumliche Informationen, um sie wahrnehmen zu können. Die
Wahrnehmung von Handlungen braucht die Integration von räumlicher Information über einen Zeitabschnitt.
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Abbildung: „Skizze der Apparate und Testsituation von Wynn (1996)“
aus: Wynn: Numerical competence in infants (1998) S. 8
Wynn arbeitete mit 6 Monate alten Kindern und gewöhnte die eine Hälfte an eine Versuchsanordnung
in der eine Puppe 2 mal hüpfte, die andere Hälfte an 3 Sprünge. In der Testphase reagierten die Kinder mit Erstaunen auf eine Änderung der Anzahl von Sprüngen.
Um sicher zu gehen, dass die Kinder nicht nur auf die Dauer der Handlung reagierten, wurde die Geschwindigkeit der Sprünge variiert, dass die Kinder teilweise mehr Sprünge innerhalb derselben Gesamtdauer der Handlungsfolge beobachten konnten.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Kinder sensibel auf die Anzahl der Sprünge reagierten, unabhängig
vom Tempo der Sprünge oder der Dauer der Handlungen.
Zusammenfassung
Eine Zusammenfassung dieser Studien ergibt, dass schon sehr kleine Kinder in der Lage sind, in
relativ abstrakter Form Anzahlen wahrzunehmen und diese zu unterscheiden.
Kinder können sich Zahlen oder Mengen als Objekte oder visuelle Muster vorstellen, unabhängig von
deren Größe, Farbe oder Anordnung.
Sie können Anzahlen aus Items in sequentieller oder simultaner Darbietung bestimmen, egal ob visueller oder auditiver Stimulus.
Und diese Kinder waren in der Lage Zuordnungen von verschiedenen Itemgruppen zu treffen, z.B.: sie
konnten visuellen Stimuli auditive Stimuli zuordnen.
Aus diesen Ergebnissen kann die Schlussfolgerung gezogen werden (Wynn 1998), dass Kinder über
einen relativ abstrakten Mechanismus Anzahlen zu bestimmen und zu vergleichen verfügen.
Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit den arithmetischen Fähigkeiten von Kindern.
Diese Fähigkeiten verlangen mehr numerisches Wissen als bloßes unterscheiden können zwischen
verschiedenen Anzahlen. Die Fähigkeit zwischen verschiedenen Zahlen unterscheiden zu können,
beinhaltet kein schlussfolgerndes Denken über die Zahlen.
Numerisches Schlussfolgern ist einerseits das Erkennen numerischer Relationen, wie: „ 5 ist größer
als 3 oder 2 setzt sich zusammen aus 1 und 1“, andererseits die Fähigkeit mit diesen Repräsentationen mental zu operieren. .
Es gibt einige empirische Beweise dafür, dass Kinder die Ergebnisse bestimmter arithmetischer Operationen mit kleinen Anzahlen von realen Objekten bestimmen können.
Wynn (1998) startete ein Experiment, bei welchem Kindern im Alter von 5 Monaten eine 1 + 1 Handlung gezeigt worden ist.
Dieser Versuchsgruppe (1 + 1) wurde zunächst eine kleine Bühne gezeigt, auf welcher ein Gegenstand platziert worden ist. Anschließend ging eine Trennwand hoch, um den Gegenstand zu verdecken. Danach wurde von der Seite ein zweiter Gegenstand auf die Bühne gebracht und ebenso hinter
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der kleinen Trennwand platziert. Die Kinder konnten diese Handlung gut mitverfolgen, das Resultat
der Handlung aber zunächst nicht überprüfen.
Dann wurde erst die Trennwand fallengelassen, sodass die Kinder das Resultat sehen konnten, welches entweder 2 Gegenstände (1 + 1 = 2 richtiges Ergebnis) oder 1 Gegenstand (1 + 1 = 1 unmögliches Ergebnis) war.
Eine andere Versuchsgruppe sah Rechenhandlungen, die 2 - 1 entsprachen, mit jeweils richtiger oder
unmöglicher Lösung (1 oder 2).
Die Blickzeiten der Kinder wurden gemessen, als die Trennwand fallen gelassen worden ist.
Tatsächlich blickten die Kinder deutlich länger auf die Bühne, wenn die Ergebnisse wider ihre Erwartung (unmöglich) waren.
Um sicher zu gehen, dass die Kinder nicht nur irgendeine Änderung der der Ausgangsituation erwarteten, wurde der Versuch noch präzisiert, indem man den Kindern bei der Aufgabe 1 + 1 die Antworten
2 und 3 zur Auswahl gab, wobei sie wieder konsequent auf die falsche Antwort mit längeren Blickzeiten reagiert haben.
Experiment 1 + 1 = 2 oder 1
Experiment 2 – 1 = 1 oder 2
Abbildung: „Ablauf der Ereignisse in den Experimenten „1 + 1“ und „2 - 1“
aus: Wynn: Numerical competence in infants (1998) S. 12
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Es kann also angenommen werden, dass Kinder schon im Alter von 5 Monaten in der Lage sind, exakte Resultate von einfachen arithmetischen Operationen zu berechnen.
Subitizing - Mengenunterscheidung
Butterworth (2005) stellt die Frage, ob es ein oberes Limit für das Konzept der Numerosität bei Kindern gibt. Butterworth meint, dass etwa bei 3 Elementen das Maximum der Möglichkeit von sehr kleinen Kindern Elemente zu erfassen erschöpft ist. Die Versuche von Starkey und Cooper (1980) zeigen
zwar, dass Kinder 3 von 4 Elementen unterscheiden können, dennoch ist nicht gesichert, ob die 4 Elemente nicht einfach nur als „viele“ gespeichert haben. Es ist wahrscheinlich, dass das simultane
Wahrnehmen kleiner Mengen, eine natürliche Grenze darstellt, bevor Zählen möglich ist. Bei Erwachsenen liegt die Grenze der simultanen Mengenerfassung (= Subitizing) bei 4 Einheiten. Butterworth
(2005) vermutet, dass auch Babies schon eine ähnliche Fähigkeit im visuellen Verarbeitungssystem
entwickelt haben. Auf Mengen, die größer sind als 4, reagieren Kinder nur sensibel, wenn das Verhältnis bei 2:1 liegt (z.B. 8:16), aber noch nicht bei einem Verhältnis von 3:2 (Xu & Spelke, 2000., Xu,
Spelke & Goddard, 2005). Erwachsene und sogar auch Affen können größere Mengen im Verhältnis
3:2 oder sogar 5:4 unterscheiden. Die Fähigkeiten von Kleinkindern große Mengen im Verhältnis 3:2
zu unterscheiden, entwickelt sich im Alter zwischen 6 und 9 Monaten (Xu et al. 2005). Xu et al. (2005)
schlussfolgern aus einer Reihe von Untersuchungen an kleinen Kindern, dass sich die Sensitivität für
größere Mengen mit dem Alter entwickelt oder verfeinert und nicht grundsätzlich aus formaler Arithmetik oder verbalen Mechanismen stammt. Trotzdem kann die Erfahrung mit verbalem Zählen oder formaler Arithmetik diese Fähigkeit schärfen.
Xu und Spelke (2000) nehmen zwei Mechanismen für die Repräsentation von Zahlen an:
1. dass Kinder kleine Anzahlen (Kinder: 3 Elemente, Erwachsene 4 Elemente) einzeln wahrnehmen
und durch Mechanismen wie „Objekt-basierende“ Aufmerksamkeit verarbeiten (Subitizing). Bei kleinen Anzahlen wird jedes Element einzeln und nicht als Menge mit einer bestimmten Größe gespeichert.
2. Es besteht zunächst unabhängig davon ein Mechanismus für große Mengen, der darauf spezialisiert ist, ungefähre Repräsentationen abzubilden.
Ähnliche Annahmen bezüglich zweier Repräsentationssysteme beschreiben sowohl Seron und Fayol
(2004) als auch Griffin & Case (1997) unabhängig voneinander (siehe später). Diese zwei zunächst
unabhängigen Repräsentationsmechanismen finden über die Sprache und das Zählwissen eine Brücke zueinander, bis sie später eine einzige, für den Menschen typische sprachabhängige Begrifflichkeit für Zahlen werden (Xu & Spelke, 2000). – Vergleiche: das Modell der mentalen Zahlenlinie von
Griffin und Case (1997) - später in dieser Arbeit beschrieben.
Xu et al. (2005) schreiben, dass diese beiden Kernrepräsentationssysteme zwei wesentliche Bausteine sind, mit welchen Kinder ihre Zahlrepräsentation bilden, die das verbale Zählen und die symbolische Arithmetik untermauern.
Autoren wie Piazza, Mechelli, Butterworth und Price (2002) stellen die Annahme in Frage, ob es sich
bei Zählen und Subitizing um zwei qualitativ völlig unterschiedliche Prozesse handelt, und versuchen
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anhand einer PET-Studie auf neuronaler Ebene festzustellen, ob diese beiden Prozesse unabhängige
oder überlappende Funktionen zeigen.
Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Zählen und Subitizing ein gemeinsames Netzwerk
zugrunde liegt, welches extrastriatale mitteloccipitale und intraparietale Gebiete umfasst.
Der Unterschied zwischen Zählen und Subitizing liegt darin, dass Zählen zusätzlich erhöhte Aktivierung im occipitoparietalen Netzwerk hervorruft, während Subitizing diese Aktivierung nicht provoziert.
Weiters stellt diese Forschergruppe um Piazza die Hypothese auf, dass die linksparietale Aktivierung,
die sich beim leisen Zählen zeigt, den subvokalen Abruf der Zahlwortreihe abbildet. Diese Aktivierung
ist bei Subitizing nicht zu finden. Die beiden Funktionen gemeinsame Aktivierung der rechtshemisphärischen Parietalhirnregion könnte für den Abruf der der Repräsentation der Größe verantwortlich sein
(Piazza et al, 2002 zitieren Chochon et al. 1999)
Überblick
Folgende Auflistung bietet einen Überblick über angeborene basale Fähigkeiten im Umgang mit Mengen, beziehungsweise über die Entwicklung sehr früher kognitiver Konzepte. Diese Fähigkeiten bilden
das Grundgerüst, für die sich später ausbildenden komplexeren Fähigkeiten des Vorschulalters, wie:
Zahlen, Zählen, Rechnen und schließlich die schulisch erworbenen Fertigkeiten.
Anzahlbestimmung (Präverbales Zählen) bis max. 4 Elemente: ab dem Alter von 6 Monaten entwickelt sich die Fähigkeit bis zu 4 Elemente (eher 3 Elemente) präverbal zu erfassen (Subitzing) oder
ein kleine Anzahl von Aktionen aufzuzählen (Starkey, 1992., Sharon & Wynn, 1996, Feigenson et al.,
2004).
Mit dem Spracherwerb und dem Erlernen der Zahlwortreihe lernen die Kinder, dass die geordnete
Folge von Zahlworten für das Abzählen, Vergleichen und einfache Arithmetik verwendet werden kann.
Mengenunterschiede: Befunde verschiedener Autoren weisen darauf hin, dass das unterscheiden
von Mengen von bis zu vier Elementen angeboren ist (Gelman, 1990).
Größere Mengen, die geschätzt werden müssen, können zunächst (6 Monate) nur über das Verhältnis
2:1 unterschieden werden (Xu & Spelke, 2000., Xu, Spelke und Goddard, 2005), ab ca. 10 Monate im
Verhältnis 2:3 (Feigenson et al., 2004).
Rangordnungen: Die Fähigkeit Größer-Kleiner Relationen herzustellen entwickelt sich bis zum 18.
Lebensmonat (Cooper, 1984).
Einfache Additionen und Subtraktionen (+-1, +-2): Wynn (1992) fand heraus, dass Kinder von 6
Monaten die Fähigkeiten für einfache Additionen und Subtraktionen von +/- 1 haben.
Später ab ca. 4a:
Additionen und Subtraktionen bis 4 Elemente (+-4)
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Im Alter von 4 Jahren sind sie in der Lage mit bis zu 4 Objekten additiv und subtrahierend zu operieren (Geary, 1994; Starkey, 1992).
Numerische und pränumerische Basisfertigkeiten
Schon Piaget hat sich mit der Entwicklung des Rechnens auseinandergesetzt. Er hat bestimmte
Schlüsselfunktionen und Entwicklungsstufen beschrieben, welche Kinder begreifen und sukzessive
durchlaufen müssen, um Verständnis für mathematische Operationen entwickeln zu können. Jedes
neue Wissen baut auf den Erfahrungen auf, die bisher gemacht worden sind. Kinder „assimilieren“
neue Erfahrungen und setzen sie zu den bestehenden Schemata in Beziehung. Mentale Repräsentationen (Schemata) werden dadurch immer differenzierter und höher entwickelt. Piaget betont, dass
Kinder ihre mentalen Konzepte reflektieren und diese auch von Zeit zu Zeit aktiv anpassen, wenn
neue Erfahrungen dies erfordern (Akkomodation).
Viele Autoren bauen auf Piagets Erkenntnissen auf, wie Aebli H. (1975) oder Case R. und Griffin S.,
deren Grundgedanken später genauer beschrieben werden.
Über die Fähigkeiten von Kleinkindern Anzahlen zu bestimmen, deren Veränderungen wahrzunehmen
und einfache arithmetische Operationen zu verstehen, wurde oben berichtet. Fayol und Seron (2004),
nehmen zwei numerische Repräsentationssysteme im Gehirn an: Eines, welches sich auf diskrete und
exakte Repräsentationen bezieht, für kleine Anzahlen – und ein anderes, welches Schätzungen liefert,
es dient der Repräsentation großer Zahlen (siehe auch Feigenson, Dehaene und Spelke, 2004).
Die Autoren vermuten, dass diese Repräsentationsmechanismen auch dann aktiviert werden, wenn
symbolische Arithmetik erworben und angewandt wird, sie wollen aber nicht behaupten, daß die präverbalen Repräsentationen nicht durch den Erwerb der symbolischen Codes modifiziert werden.
Wobei der verbale Code laut Fayol & Seron (2004) vor dem arabischen Code erworben wird und infolgedessen, den Erwerb des späteren arabischen Codes fazilitiert. Dennoch wird der arabische Code
sehr rasch unabhängig vom sprachlichen Code. Ungefähr in der 2. Schulstufe können Kinder eine
direkte Beziehung zwischen dem arabischen Code und der analogen Repräsentation entwickeln. Die
Größen können dann durch den arabischen Code ohne sprachliche Rekodierung abgerufen werden.
Der Weg vom Wissen, dass Zahlworte etwas mit Mengen zu tun haben, bis zu einem kardinalen Verständnis ist ein langer. Der empiristische Ansatz geht davon aus, daß Kinder die Assoziation von
Zahlwort und Menge beobachten. Gelmann & Gallistel (1978) nehmen angeborene Zählprinzipien an,
die die Grundlage für die Zählaktivitäten liefern.
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Fayol (2002) betonen zwei große Hürden während des Erwerbs der Bedeutung der Zahlworte:
1. Das Zahlwort an sich deutet nicht auf die kardinale Größe hin, es ist ein relativ abstrakter Code
2. der kardinale Wert ist eine Frage der Kategorisierung
Bei analogen Repräsentationen deutet die Veränderung der Größe, Länge, des Volumens auf die
Veränderung der Menge hin. In der Zahlwortreihe bestimmt lediglich die Position der Reihenfolge die
Zunahme der Menge. Diese Zuordnung von Reihenfolge und Sprache zu einer Menge (Kardinalität)
muss exakt und automatisch erfolgen. Für Kinder zwischen 18 Monaten und 4 Jahren ist diese Zuordnung eine sehr große Herausforderung.
Eine weitere Schlüsselfunktion ist das Erkennen der Gleichheit in numerischem Sinne. Die Kinder
müssen in der Lage sein, bestimmte Mengen als gleich zu erkennen, obwohl sie sich in verschiedenen
Dimensionen unterscheiden – bis auf eine: die Kardinalität. Die Fähigkeit der Kategorienbildung unterliegt einer Entwicklung, sodass bislang laut Seron & Fayol (2004) nicht ganz geklärt ist, ob die angeborenen Zählprinzipien (Gelmann & Gallistel, 1978) oder der entwicklungsbedingte Erwerb der Kardinalität im Vordergrund steht.
Fayol und Seron (2004) beobachten, dass der Zeitraum zwischen dem Erwerb der ersten Zahlworte
und deren Zuordnung zu einer bestimmten Menge bei Kleinkindern relativ viel Zeit in Anspruch nimmt.
Sie vermuten, dass deshalb soviel Zeit verstreicht, weil die Kinder diese Zuordnung vorerst nicht direkt
treffen, sondern diese über ein Bindeglied des numerischen Konzeptes stattfindet, welches Kinder
über den Gebrauch ihrer Finger entwickeln. Sie zitieren Butterworth (1999), der beschreibt, dass Kinder aller Kulturen ihre Finger zum Zählen benutzen, bevor sie systematisch in der Schule Arithmetik
gelehrt werden. Fayol et al. (2004) führen sowohl neuroanatomische wie neuropsychologische Befunde an, die belegen, dass Fingermotorik und arithmetisches Wissen enge funktionelle Zusammenhänge zeigen. Unabhängig von diesen Beweisen für ihre Annahme, geben einige Charakteristika der
Repräsentation von Zahlen durch die Finger ihrerseits dieser Annahme großes Gewicht.
Die Finger repräsentieren wie die Sprache ebenso Mengen in einer relativ abstrakten Form; drei Finger können drei Spielzeugautos genauso wie drei Elemente einer Anordnung darstellen. Finger sind
eine ikonische Darstellungsform für Mengen, sie stellen eine „eins-zu-eins Relation“ her. Weiters vergrößern Fingermuster die Spanne der direkten Erkennung von Anzahlen, die ansonsten bei 3-4 Elementen liegt. Ein weiterer Vorteil der Fingerrepräsentation ist die Möglichkeit durch Bewegen der Finger additive oder subtraktive Handlungen darzustellen. Wenn die Kinder zählen können und Additionen durch „weiterzählen“ lösen, können die Finger als Ankerpunkt dienen, um die Spur nicht zu verlieren.
Aus diesen Gründen ist es für die Autoren Seron und Fayol (2004) durchaus denkbar, daß den Fingern und Händen eine sehr wichtige Rolle zukommt, um ein Verständnis für ein Zahlkonzept zu entwickeln. Auch lässt sich an den Fingern sehr gut die Struktur der Fünf und der Zehn erkennen.
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Sharon Griffin und Robin Case (1997, 2001) gehen davon aus, dass Mathematik Lernen ein sich fortlaufend entwickelnder Prozess ist, dem Wissensstrukturen zugrunde liegen. Diese Wissensstrukturen
nennen sie zentrale konzeptuelle Strukturen. Die zentralen konzeptuellen Strukturen sind sehr elementare Schemata, die sehr breit in der Anwendung sind und eine zentrale Rolle in der Weiterentwicklung der Rechenfertigkeit haben. Sie sind elementar, indem dass höhere Rechenfertigkeiten von den
darunter liegenden Schemata abhängen, beziehungsweise sich erst entwickeln können, wenn die
Kernschemata vorhanden sind. Fehlen diese, besteht eine deutliche Barriere weiterzulernen. Deshalb
muss der Unterricht darauf achten, ob entsprechende Konzepte vorhanden sind, und diese gezielt
unterrichten.
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Welche Konzepte werden nun von Griffin und Case als zentral erachtet?
Die Autoren beziehen sich auf Gelman (1987), der beschreibt, dass Kinder im Alter von 4 Jahren kleine Objektmengen abzählen können und verstehen, dass das zuletzt genannte Zahlwort, die Menge
aller Objekte bezeichnet. Weiters zitieren Griffin und Case (1997) Starkey (1992), der zeigt, dass Kinder mit 4 Jahren gute Fähigkeiten besitzen über Mengen und Größenverhältnisse zu urteilen. Kinder
können Antworten geben, welche Menge mehr oder weniger ist, und sie verstehen, welche Konsequenzen Operationen wie Additionen und Subtraktionen (es wird mehr oder weniger) haben.
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Abb.: Initial Counting Schema und Initial Quantity Schema (S. Griffin, Handbook: Kindergarten Level S.12)
Obwohl die Kinder im Vorschulalter in der Lage sind, richtig abzuzählen und größenmäßige Vergleiche
anzustellen, sind sie noch nicht soweit, beide Kompetenzen in einer gemeinsamen Struktur zu integrieren (Griffin & Case, 1997; Griffin, Case & Siegler, 1994). Wenn Kinder dieses Alters gefragt werden:
„Welche Zahl ist größer, 5 oder 4?“ so sind sie noch nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten,
obwohl sie korrekt bis 4 und 5 zählen können. Ebenso können sie Mengen von 4 und 5 klar unterscheiden. Es scheint laut Griffin und Case (1997), „als ob dieses Wissen in zwei verschiedenen Akten
gespeichert sei, welche noch nicht verknüpft werden können“. (vergleiche auch: Seron und Fayol,
2004., Xu, Spelke und Goddard, 2005)
Diese Verknüpfung beider Konzepte findet im Alter zwischen 4 und 6 Jahren statt, mit dem Resultat,
dass sich eine neue zentrale Struktur entwickelt. Dieses intuitive Wissen ist die Voraussetzung für arithmetischen Wissenserwerb in der frühen Grundschulzeit und wird somit als „Prototyp“ der zentralen
konzeptuellen Struktur betrachtet.
Etwa im Alter von 6 Jahren formen sich einige Konzepte rund um die mentale Zahlenlinie, die Ideen in
Bezug auf das Zählen und Größenschätzen beinhalten (genauer siehe Kapitel: Number Worlds).
Zwischen 6 und 8 Jahren entwickelt sich laut Griffin und Case (1997) dann aus dieser mentalen Zahlenlinie eine zweite Dimension, die benötigt wird um den dekadischen Aufbau des Zahlensystems zu
verstehen. Die quantitativen Systeme werden genauer und besser verstanden, sodass die Beziehungen zwischen Zahlen hergestellt werden können, wie das Verhältnis zwischen Zehnern und Einern.
Ebenso ermöglicht die Fähigkeit, auf zwei Zahlenlinien zu fokussieren, das Vergleichen von Größen
und Differenzen zu verstehen. Auch kann eine Zahlenlinie als Objekt dienen, auf welchem ein Operator (eine innere zweite Zahlenlinie) agiert, mit dessen Hilfe die Distanz zweier Punkte berechnet werden kann (Okamato, 1992 in Griffin und Case, 1997).
In weiterer Folge können numerische Beziehungen zweier quantitativer Skalen formuliert und explizit
dargestellt werden, genauso wie ein gutes Verständnis für Operationen auf konzeptueller Ebene erlangt wird.
Folgende Basisfertigkeiten werden aus Voraussetzung für den ungestörten Erwerb mathematischer
Kompetenzen betrachtet. Pränumerische und numerische Fertigkeiten bilden die Grundbausteine für
den weiteren Wissensaufbau in Mathematik und erlauben schon im Vorschulalter eine gewisse Vorhersage von schulischen Rechenfertigkeiten.
Überblick
Im folgenden Abschnitt wird zuerst versucht, ein Überblick über die pränumerischen Fertigkeiten und
numerische Basisinhalte zu erstellen, um die Schlagworte besser zuordenbar zu machen.
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Wichtige Schritte im Rechenerwerb
Vergleiche (Komparative): größer- kleiner, dicker-dünner, mehr-weniger, länger-kürzer
Seriation: Fähigkeit, Elemente/Gruppen nach zu- abnehmender Größe/Mächtigkeit zu ordnen
Mengenvergleiche – Invarianz: Erkenntnis, dass das räumliche Verändern/ die räumliche Anordnung
der Elemente keinen Einfluss auf die Anzahl der Elemente hat.
1:1 Zuordnungen: Möglichkeit des Mengenvergleichs aufgrund der Zuordnung eines Elements der
Menge A zu einem Element der Menge B.
Klassifikationen - Kategorienbildung: Fähigkeit, Elemente nach bestimmten Merkmalen zu ordnen
(alle Blumen; alle roten, runden Teile)
Subitizing: simultanes perzeptives Erfassen kleiner Mengen (bei Erwachsenen 4 Elemente, bei Kleinkindern nur 3 Elemente (Starkey & Cooper, 1980))
Zählfertigkeiten: Zahlwortreihe vorwärts, rückwärts, Vorgänger- Nachfolgezahl, weiter zählen, Zahlen
ordnen und vergleichen
Zählprinzipien: Eindeutigkeitsprinzip, Prinzip der stabilen Anordnung, Kardinalprinzip; Abstraktionsprinzip, Prinzip der Irrelevanz der Anordnung
Arabisches Zahlwissen: arabische Zahlen (bei Schulanfängern bis 10) kennen, Zuordnen von Zahlen zu gesprochenen Zahlworten, Mengen und umgekehrt
Rechenfertigkeiten (mit konkretem Material): z.B.: Würfelbilder erkennen und zusammenzählen,
einfache Rechengeschichten lösen
Zahlbegriff: Unter dem Wort Zahlbegriff werden verschiedene Kompetenzen subsumiert, wie Zählfertigkeiten, Transformationsfähigkeit (arabisch, verbal und bildlich), Zählprinzipien, Zahlgefühl und Integration von Ordinal- und Kardinalsystem.
.
Krajewski (2003) konnte zeigen, dass bereits ein halbes Jahr vor der Einschulung die Mathematikleistungen der Kinder in der 1. und 2. Grundstufe durch ihre Leistungen im mengen- und vor allem im
zahlenbezogenen Vorwissen vorhergesagt werden konnte. Die Aufgaben zum zahlenbezogenen
Zählwissen waren Aufgaben bezogen auf Zählfertigkeiten (vorwärts/rückwärts/weiter zählen, Vorgänger, Nachfolger, Zahlen ordnen), arabisches Zahlwissen (Zahlen erkennen zwischen 1 und 19, Geldwerte erkennen), und Rechenfertigkeiten (einfache Textrechnungen mit Operationen im Zahlenraum
10). Ca. 60% der rechenschwachen Schüler konnte richtig identifiziert werden.
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Gaupp, Zoelch & Schuhmann-Hengsteler (2004) gingen in ihrer Untersuchung davon aus, dass rechenschwache Kinder Defizite in den numerischen Basiskompetenzen zeigen und überprüften, ob
diese, beziehungsweise welche dieser numerischen Basiskompetenzen, bis in die 3. und 4. Grundschulstufe gestört bleiben. Diese Forschungsgruppe stellte fest, daß der Vergleich von Zahlen im 2
und 3-stelligen Bereich, das Lokalisieren von Zahlen auf einem unskalierten Zahlenstrahl, das Schätzen von Objektmengen, sowie das Zählen in Schritten bei rechenschwachen Kindern dieses Alters im
Vergleich zu gleich alten Kindern deutlich schwerer fällt. Andere numerische Kompetenzen, wie einfaches Zählen, Lokalisieren von Zahlen auf einem skalierten Zahlenstrahl und Zahlen lesen, schreiben
und vergleichen im einstelligen Zahlenraum fallen für beide Gruppen vergleichbar aus.
Rechnen
Die Entwicklung des Rechnens ist kein einheitlicher (not a single) Prozess, sondern umfasst die Entwicklung vieler, verschiedener Komponenten (z.B.: numerisches Wissen, Faktenwissen, prozedurales
und konzeptuelles Wissen). Die Entwicklung all dieser Komponenten kann individuell unterschiedlich
rasch vorangehen oder möglicherweise gestört sein, sodass sich dann aus dem Entwicklungsstand
dieser unterschiedlichen Komponenten das Profil der Rechenfähigkeit ergibt. Zum Beispiel kann die
Fähigkeit zum Addieren eines Kindes auf konzeptueller Ebene ausgereift sein (Verständnis der Additionsgleichung und Wissen um die Größen) oder rein auf prozeduralen Ebene gegeben sein (Fertigkeit,
richtig zu addieren), neben der numerischen Fertigkeit des Zahlenvergleichs, welche wiederum ihr
individuelles Niveau erreicht (z.B.: Verständnis für 2-stellige Zahlen).
Aus diesem Grund ist es riskant zu sagen, ein Kind ist schlecht im Rechnen, weil es sich immer um
Schwächen in einem oder mehreren Teilbereichen (Komponenten) des Rechnens handelt.
Ein wichtiger Teilbereich bezieht sich auf das Zählen und Abzählen. Diese Fertigkeiten werden zunächst beschrieben, bevor andere Komponenten beschrieben werden.
Zählfertigkeiten
Die Zählfertigkeiten, ein Teil des zahlbezogenen Vorwissens, gelten neben dem mengenbezogenen
Vorwissen als die bedeutsamste Prädiktorvariable (Krajewski, 2003) im Kindergartenalter zur Früherkennung einer Rechenschwäche. Wie bereits oben erwähnt, sind viele quantitative Grundlagen bereits
angeboren oder entwickeln sich bereits im frühen Kindesalter. Dieses implizit quantitative Wissen wird
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nach und nach durch explizit quantitatives Wissen erweitert. Zählfertigkeiten bilden sozusagen den
Übergang vom impliziten zum expliziten Wissen. Sie beeinflussen laut Gallistel & Gelman (1991) und
Fuson (1988) die Entwicklung des kindlichen Zahlen- und Rechenverständnis, indem sie deren
Grundgerüst darstellen und die Aufmerksamkeit der Kinder auf zahlrelevante Informationen lenken.
Aufbauend auf dem präverbalen Zählmechanismus entwickelt sich das Wissen um die Zählprinzipien
(Gelman & Gallistel, 1978). Das Wissen um die Zahlwortsequenz ist wiederum Voraussetzung für die
Prinzipien des Zählens. Die Zählprinzipien steuern die Entwicklung des verbalen Zählens.
Die ersten 3 Prinzipien legen fest, wie richtig gezählt wird („How-to-count“). Die letzteren zwei Prinzipien bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die ersten drei Prämissen angewendet werden dürfen („What-to-count“).
„How-to-count Prinzipien“
o
Eindeutigkeitsprinzip: Jedem Objekt der zu zählenden Menge wird ein und nur ein Zahlwort
zugeordnet (1:1 Zuordnung).
o
Prinzip der stabilen Ordnung: Die beim Zählen benutzen Zahlwörter müssen in einer stabilen
– stets gleichen- Reihenfolge/Ordnung vorliegen.
o
Kardinalitätsprinzip: Das letzte Zahlwort, das beim Zählen benutzt wird, gibt die Anzahl der Elemente der gezählten Menge an. Das Wissen um dieses Prinzip beinhaltet das Feststellen
der Anzahl der Menge ohne den Zählprozess zu wiederholen, auch auf Nachfrage.
„What-to-count Prinzipien“
o
Abstraktionsprinzip: Die ersten drei Zählprinzipien werden auf beliebige Zählsituationen angewandt (unterschiedliche physikalische Erscheinungen, mentale Repräsentationen, Aktionen, z.B.: Autos, Wünsche, Klatscher).
o
Prinzip der Irrelevanz der Anordnung: Die Anordnung der Objekte ist für den Zählakt irrelevant
(unterschiedliche Anordnungen! Zählrichtung). Die Kinder verstehen, dass die Verschiebung
der Elemente, die Zählrichtung u.ä. weniger wichtig ist, als die Tatsache, dass jedes Element
gezählt worden ist.
Volles Verständnis für das Zählen bedeutet auch, dass Kinder verstehen, dass der kardinale Wert
einer Zahl alle Einheiten darunter mit einschließt. Z.B.: die Zahl „8“ repräsentiert 8 Elemente und
alle kleineren Einheiten wie (1 und 7, oder 2 und 6) sind darin beinhaltet. Dieses Grundverständnis der Mengeninklusion (Piaget) ist ein Grundelement zum weiteren Verständnis von Addition
und Subtraktion.
Wynn (1992) und Fuson (1988) betonen, dass sich die konzeptuelle Kompetenz langsam, schrittweise
entwickelt. Wichtig zur Überprüfung dieser sind unterschiedliche Kontexte und Aufgabenschwierigkei-
17
ten. Sie betrachten die Begriffe: „Sequenz, Zählen und Kardinalität“ als zentral. Frühes Zahlenwissen wie „Subitizing“ (Wahrnehmungsmäßiges schnelles Bestimmen einer Menge) scheint laut (Wynn
1992, 1995) eine große Bedeutung für die Zählentwicklung zu haben. Autoren wie Fuson (1988) Baroody (1991) und Resnick (1989) stimmen zu, betonen aber auch den soziokulturellen Einfluss für das
Zählen Lernen.
Häufig lassen sich bei Kindern mit Rechenschwäche schon bei Schuleintritt unreife Zählmechanismen
oder –prinzipien beobachten. Beispielsweise beobachten Geary et al. (2001), dass viele dyskalkulische Kinder die Zahlenfolge rein phonologisch wiedergeben.
Briars & Siegler (1984) beobachten ähnliches, indem Kinder zwar die Zahlwortabfolge beim Zählen
richtig wiedergeben, aber noch glauben, dass die Reihenfolge der zu zählenden Objekte eine Rolle
spielt.
Koontz und Berch (1996) fanden heraus, daß dyskalkulische Kinder beim Erkennen von Punktemustern mit 3 Elementen länger brauchen als Kontrollkinder. Sie vermuten, dass die rechenschwachen
Kinder die 3 Punkte abzählten, anstelle von simultanem Erfassen (Subitizing).
Fuson (1988) beschreibt den Erwerb der Zahlwortreihe als einen Vorgang, der nicht immer linear verlaufen muss und verschiedene Fähigkeiten integriert:
Erwerb der Zahlwortreihe (nach Fuson 1988)
o
Ganzheitssauffassung der Zahlwortreihe. Die Zahlwortreihe wird wie ein Lied oder Gedicht rezitiert. Einzelne Zahlwörter werden als Ganzheit aufgefasst (Z.B fünf-sechs-sieben). Elemente
werden noch nicht abgezählt, die Zahlwörter haben noch keine kardinale Bedeutung
o
Unflexible Zahlwortreihe. Die Zahlwörter werden als einzelne Einheiten aufgefasst. Sie Zahlwortreihe wird immer von der eins aus rezitiert. Vorgänger und Nachfolgezahl können nicht
spontan genannt werden. Es gelingt den Kindern Elemente abzuzählen unter Herstellung einer 1 zu 1 Zuordnung und kleine Mengen herauszuzählen (z.B.:„Gib mir drei“).
o
Teilweise flexible Zahlwortreihe. Die Zahlwortreihe kann von jedem beliebigen Zahlwort aus
aufgesagt werden. Es gelingt Vorgänger- und Nachfolgezahl zu nennen. Die Zahlwortreihe
rückwärts gelingt zum Teil. Fuson merkt an, das die Entwicklung der Zahlwortreihe rückwärts
erst 2 Jahre nach der Zahlwortreihe vorwärts beginnt.
o
Flexible Zahlwortreihe. Jedes Zahlwort wird als Einheit erkannt. Es kann von jeder Zahl aus
beliebig viele Schritte weiter gezählt werden („Zähle von 14 drei Schritte vorwärts“).
o
Vollständig reversible Zahlwortreihe. Es kann von jeder Zahl aus vorwärts und rückwärts gezählt werden. Richtungswechsel, sowie Vorgänger und Nachfolger erfolgen schnell und ohne
Mühe.
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Johansson (2005) überprüfte die Rolle der Zählkompetenzen in Bezug auf die arithmetischen Fertigkeiten. Seine Studienergebnisse zeigen, dass die Zählkompetenzen sehr gute Vorhersagewerte haben bezüglich der Richtigkeit von arithmetischen Operationen und der Lösungsstrategien haben. Johansson hat 4 bis 8 jährige Kinder gefragt, vorwärts und rückwärts zu zählen, und danach hat er ihnen
einfache arithmetische Rechnungen gestellt und sie interviewt in Bezug auf die verwendeten Lösungsstrategien. Bei der zweiten Studie fragte er die Kinder nach der Lösung von „Doppelungen“
(z.B.: 2 + 2 =?). Die Lösung von „Doppelungen“ scheint eine Verbindung zwischen Zählkompetenzen
und richtig gelösten arithmetischen Rechnungen zu sein. Seine Ergebnisse lassen darauf schließen,
dass Zählen eine erste Rechenstrategie darstellt. Die Kinder entdecken mit zunehmender Zählkompetenz Regelmäßigkeiten in der Zahlwortreihe, die dazu benutzt werden können, neue und bessere Rechenstrategien zu entwickeln.
Neben dem Erwerb der Zahlwortreihe und den Zählkompetenzen erlernen Kinder während der Volksschulzeit die dekadische Struktur des arabischen Zahlensystems.
Der Erwerb dieses Zehnersystems hängt in starkem Maße vom Unterricht und der sprachlichen Struktur der Zahlwortreihe ab. In vielen europäischen Sprachen, wie Englisch, Französich und Deutsch entsprechen die Zahlworte (z.B.: „dreizehn“) nicht der darunterliegenden Zehnerstruktur des arabischen
Zahlensystems, anders als in den meisten asiatischen Ländern. In asiatischen Sprachen verläuft das
Zählen ganz systematisch nach dem Zehnersystem (z.B.: zehneins, zehnzwei, zehndrei für 11, 12,
13). Diese exakte Entsprechung zwischen Zahlwort und Struktur der zugrunde liegenden Menge,
kombiniert mit effektiven Unterrichtspraktiken führt dazu, dass die meisten asiatischen Grundschulkinder das Zehnersystem zumindest rudimentär erfassen (Geary, 2000). Dieses Wissen reduziert die
Anzahl der Zähl- und Transkodierfehler deutlich und hilft komplexe arithmtische Aufgaben besser zu
lösen (Geary, 2000). Da in den meisten europäischen Sprachen diese Entsprechung eben fehlt, ist
das Unterrichten des dekadischen Systems um vieles schwieriger. Viele europäische und amerikanische Kinder können deshalb das Zahlwort „dreizehn“ nur schwer schreiben und nicht mit dem Wert
„13“ in Verbindung bringen. Sie verstehen „Dreizehn“ einfach als eine Menge mit dreizehn Objekten,
können dieses Zahlwort aber nicht mit einer Menge von 10 Einern (= 1 Zehner) und 3 Einern verbinden (Geary, 1994). Häufige Zählfehler und Transkodierfehler sind in der ersten Grundschulzeit deshalb keine Seltenheit. Im Laufe der Grundschulzeit werden diese Fähigkeiten (Zählen, Zählkonzepte
und Transkodieren) jedoch auch von europäischen und amerikanischen Kindern erlernt. Dennoch
schreibt Geary (2000), ist es nicht wahrscheinlich, dass alle Kinder das Zehnersystem bis zum Ende
der Grundschule voll verstanden haben.
Zusammenfassung Zählen:
Erste Schritte beim Zählen werden schon sehr früh gemacht. Kinder lernen quasi spielend die ersten
Zahlworte, lernen Dinge mit Zahlworten zu benennen, Mengen abzuzählen, erwerben also Zählkompetenzen und –Prinzipien. Über die Zählfertigkeiten erweitert sich die Fertigkeit des Abzählens. Zäh-
19
len, Sequenz und Kardinalität sind wichtige Erkenntnisse in diesem Bereich (Wynn, 1992, 1995, Baroody, 1991, Fuson, 1988). Über die Rolle des Subitizing wird in diesem Zusammenhang diskutiert.
Dieser gesamte Entwicklungprozess muss nicht immer linear verlaufen (Fuson, 1988, Wynn, 1992).
Zählen gilt als wichtige Prädiktorvariable für den späteren Rechenerwerb (Krajewski, 2003) oder wird
als ein Schritt im Prozess des Rechnen Lernens betrachtet (Johansson, 2005).
Bei rechenschwachen Kindern werden schon sehr früh Rückstände in den Zählkompentenzen bzw. im
Verständnis der Zählprinzipien beobachtet (Briars & Siegler, 1984, Geary et al., 2001). Auch finden
sich Studien (Koontz und Berch, 1996), die Defizite im Subitizing feststellen, in dem Sinn, dass rechenschwache Kinder sehr kleine Mengen nur durch Abzählen erfassen können (ab 3 Elementen).
Neben dem Erwerb des Zählens und Abzählens wird auch die Struktur des dekadischen Zahlenaufbaus erworben. Da in den meisten europäischen Sprachen das gesprochene Wort sich nicht mit der
Zehnerstruktur („dreizehn, dreiundzwanzig“ statt „zehndrei, zwanzigdrei“) deckt, ist es laut Geary
(2000, 1994) für die meisten europäischen Kinder schwierig, diese Struktur zu erfassen. Asiatische
Kinder, deren Sprache sich eins zu eins mit der Struktur des Zahlenaufbaus deckt, erwerben deshalb
dieses Verständnis vergleichsweise früher und sicherer.
Komponenten des Rechnens
Folgender Abschnitt versucht nun, diese verschiedenen Komponenten des Rechnens kurz zu skizzieren. Das Wissen über diese verschiedenen kognitiven Komponenten stammt aus unterschiedlichsten
Studien mit cerebralgeschädigten Erwachsenen, mit rechenschwachen Kindern, gesunden Erwachsenen oder aus faktorenanalytischen Berechnungen dieser Ergebnisse.
Temple (1991) konnte nachweisen, dass bei Kindern verschiedene Komponenten rechnerischer Fertigkeiten differenziert sind und spezifisch beeinträchtigt sein können. Sie stellte die unabhängigen
Komponenten „Faktenwissen“ (z.B.: 4+6=10, 3*3=9) und „prozedurales Wissen“ (Ausführung der
Rechenschritte komplexer Rechungen) fest. Temple (1991) konnte ebenso nachweisen, dass schon
während der Erwerbsphase Faktenwissen unabhängig vom prozeduralen Wissen repräsentiert ist.
Konzeptuelles Wissen hingegen ist abstraktes mathematisches Wissen und Denken, welches auf
dem Verständnis um die mathematischen Vorgänge basiert (Hittmair-Delazer, Semenza, & Denes,
1994).
Anhand eines Fallbeispiels (Patient mit erworbener Rechenschwäche nach links parietalem Tumor)
belegen Delazer & Benke (1997), dass arithmetische Fakten unabhängig vom konzeptuellen Wissen
abrufbar sind. Beide Komponenten, Faktenwissen und konzeptuelles Wissen, funktionieren unabhängig von einander.
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Konzeptuelles Wissen beinhaltet das Verstehen von Verhältnissen und Beziehungen zwischen arithmetischen Operationen, genauso wie die Fähigkeit zur Ableitung von Rechenergebnissen aus bekannten Fakten, besonders wenn Standardprozeduren umständlicher wären. Die Ableitung von Ergebnissen meint das Anwenden von arithmetischen Prinzipien um exakte Ergebnisse zu erhalten, oder die Ableitung von Schätzergebnissen. Jedenfalls kann aus neuropsychologischen forschungsergebnissen abgelietet werden, dass arithmetische Fakten entweder direkt aus dem Langzeitgedächtnis
abgeleitet werden oder mittels Ableitungsstrategien (auch Back-up Strategien) hergeleitet werden.
Diese beiden Wege sind separat im Gehirn verankert (Delazer, et al., 2005). Ein weiterer Aspekt des
konzeptuellen Wissens ist laut Dowker (1998) das Verständnis von Textaufgaben oder realen mathematischen Problemen und die Fähigkeit die richtige arithmetische Prozedur für die Fragestellung
auszuwählen.
Prozedurales Wissen umfasst laut Dowker (1998) beispielsweise das Erinnern und Anwenden erlernter Prozeduren, wobei die Beibehaltung der richtigen Abfolge der Rechenschritte ohne die Spur zu
verlieren gemeint ist. Im Falle einer schriftlichen Operation spielt auch die Einhaltung der räumlichen
Anordnung der Ziffern eine Rolle. Es kann nur in vertrauten Kontexten angewandt werden (Domahs &
Delazer, 2005).
Prozedurales Wissen und auch andere Komponenten variieren mit der Form der Präsentation (auditiv
oder visuell, numerisch oder konkret).
Nicht zuletzt ist auch die Transformation (Transkodieren) von einem Format in ein anderes (verbal,
numerisch oder konkret) eine wichtige Subkomponente arithmetischer Fähigkeiten.
Power & Dal Martello (1990, 1997) beschreiben einen Algorythmus, wie Kinder aus Zahlworten arabische Zahlen transkodieren. Ihre Erkenntnisse haben die Autoren aus Fehlerstudien gewonnen. Wenn
also Kinder gebeten werden, eine Zahl wie „vierhundertfünfunddreißig“ aufzuschreiben, dann wandeln
sie diese zunächst in eine semantische Repräsentation um. Der erste Verständnisprozess ist die Umwandlung in „c4 mal c100“ und „c3 mal c10“ und „c5“. Cn ist die semantische Repräsentation der jeweiligen Menge n (n=natürliche Zahl). Diese natürliche Zahl ist mit einem Multiplikanden c10 oder
c100 einer Zehnerpotenz zu multiplizieren. Nun sind zwei Regeln erforderlich: 1. werden die Multiplikationen mit der Zehnerpotenz vorgenommen „c4 mal c100“ ist „4*100“ oder „400“ in der Reihenfolge
der Dekade. Wenn diese Operation nicht korrekt durchgeführt wird, kann „vierhundert“ auch als „4100“
transkodiert werden. 2. Die zweite Operation ist das „Überschreiben“. Bei dieser Operation werden die
Nullen überschrieben und die Zahlen verkettet. Das heißt, dass bei diesem Beispiel „400“ und „30“
und „5“ miteinander verkettet werden indem die Nullen überschrieben werden zu „435“. Es geschehen
besonders oft Fehler beim Überschreiben, wenn eine Null eingefügt werden muss. Als Beispiel, wenn
„hundertfünf“ geschrieben werden muss, wird sehr oft anstelle einer Null einzufügen „1005“ geschrieben. Die Kinder schreiben einfach alle Worte hintereinander anstelle eine Null einzufügen (Power &
Dal Martello, 1990, 1997 in Kaufmann und Nuerk 2005).
21
Das Zahlenwissen oder numerische Wissen (Number Knowledge) meint laut Dowker (1998) die Fähigkeit, Zahlen in verschiedenen Formen zu erkennen und diese der Größe nach ordnen zu können.
Das Schätzen meint erstens das größenmäßige Abwägen über die Richtigkeit eines Rechenergebnisses (= vergleichendes Schätzen), und zweitens das quantitative Schätzen. Das quantitative Schätzen
meint die Produktion von richtigen Zahlengrößen in Bezug auf realistische Objekte oder Ereignisse.
Dehaene (1992) beschreibt in seinem Triple Code Modell die Unterscheidung zwischen verbalauditiver, arabisch-visueller und analoger Repräsentation (Schätzen) der Zahlenverarbeitung. Sowder
(1992b) zitiert in Maracuso und Sokol (1998) beschreibt, dass das erfolgreiche vergleichende Schätzen ein gut entwickeltes Zahlgefühl erfordert. Das Zahlgefühl ist gut entwickeltes konzeptuelles Verständnis der Größe von Zahlen und die Beziehung dieser in arithmetischen Operationen.
Dehaene und Cohen (1991) führen doppelte Dissoziationen zwischen dem exakten Rechnen von einfachen arithmetischen Rechnungen (z. B.: 2 + 2 =) und dem vergleichenden Schätzen (z. B.: 2 + 2 =
9) an. Verschiedene Patienten mit erworbener Dyskalkulie konnten entweder die Aufgaben zum exakten Rechnen bewältigen, aber die zum Schätzen nicht, oder umgekehrt.
Faktenwissen hingegen meint die Erinnerung arithmetischer Fakten (abrufbare Ergebnisse) aus verschiedenen Kategorien (vor allem Addition und Multiplikation, weniger Subtraktion und Division, denen
primär andere Mechannismen zugrunde liegen (Dehaene und Cohen, 1997., Dehaene et al., 2003)).
Sokol, McCloskey, Cohen and Aliminosa (1991) beschreiben eine Patientin nach linkshemisphärischem Insult, die zwar die Rechenprozeduren richtig durchführen konnte, aber die Multiplikationsfakten aus dem Gedächtnis nicht mehr richtig abrufen konnte. Sie nehmen an, dass es eine klare Trennung zwischen Faktenwissen und prozeduralem Wissen gibt. Genauso lässt sich auch zwischen Sprache und Faktenwissen, welche sehr viele Verbindungen zeigen, unterscheiden. Gespeicherte Fakten
für Additionen und Subtraktionen waren bei Patient I.H. (Capelletti et al., 2001) noch beinahe vollständig abrufbar, obwohl nach einer neurologischen Erkrankung (semantische Demenz) seine Sprache
schwer beeinträchtigt war.
Aus neuropsychologischen Forschungen lässt sich belegen, dass die Fähigkeit Zahlen zu verstehen
und zu rechnen dissoziierbar ist von der Sprache (Cohen, Dehaene, Cochon, Leherica, & Naccache,
2000., Gelman & Butterworth, 2005), vom semantischen Gedächtnis für nicht numerische Information
(Cappelletti et al., 2001) und vom Arbeitsgedächtnis (Butterworth, Cipolotti & Warrington, 1996).
FACTBOX – Komponenten des Rechnens
Zählfertigkeiten: Wissen um Zählsequenz und Zählprinzipien
Zahlenverständnis: auch Zahlenwissen, numerisches Wissen, Zahlbegriff
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Verständnis für Zahlen in ihrer Reihenfolge, Größe und den Relationen. Inkludiert ordinales und kardinales Verständnis
Transkodieren: Umwandeln der Zahlen von einem Format in ein anderes (verbal, schriftlich).
Faktenwissen: Abruf gespeicherter arithmetischer Fakten aus dem Langzeitgedächtnis (automatisierte Antworten)
Prozedurales Wissen: „Knowing how to“ - Wissen um die sequentiell richtige Ausführung der Lösungsschritte einer Rechnung; kann nur bei vertrauten Aufgabenstellungen angewandt werden
Konzeptuelles Wissen: „Knowing why“, Verständnis für arithmetische Operationen und Regeln; abstraktes mathematisches Denken, welches flexibel auch bei neuen Aufgabenstellungen angewandt
werden kann. „Arithmetical reasoning“
Ableitungen: Vereinfachung einer Aufgabe durch „Abkürzungen“ oder Zerlegung einer Aufgabe in
einfachere Teilaufgaben; beruht auf Wissen und Verständnis, z.B.: 9 + 8 = wird zerlegt in 9+1+7= und
schließlich gerechnet 10+7=
Zahlengefühl: „Number Sense“, Vorstellen des Sinns und der Größe von Zahlen
Aufbau des Rechenwissens
Steffe et al. (1992) und Wright et al. (2000, 2002) beschreiben einen Aufbau des Rechenwissens in
Form eines Netzwerks, welches die Zählfertigkeiten, die Zahlenidentifikation, Mengenrepräsentationen, Wissen um das dekadische System und frühe arithmetische Strategien teilweise hierarchisch
(horizontal) aufbauend gegliedert, teilweise parallel (vertikal) verlaufend darstellt (siehe später Seite
x).
Teil A
Teil B
Teil C
Frühe arithmetische Strategien
Zahlwortreihe vorwärts
(ZWRV) und Zahlwort danach
Andere Aspekte des frühen
arithmetischen Lernens
Dekadisches System
Zahlwortreihe rückwärts
(ZWRR) und Zahlwort bevor
Zahlenidentifikation
Abbildung: Übersicht: „Netzwerk des gestuften Aufbaus des Rechnen Lernens“ in Wright 2000 S. 10
23
Die frühen arithmetischen Strategien, wie sie von Wright et al. (2000) beschrieben werden, zeigen
einen stufenweisen Aufbau. Additionen beginnen beim reinen Zählen beider Addenden, entwickeln
sich zum „Weiterzählen“ des 2. Addenden und verändern sich bis zur Verwendung von Ableitungsund Abrufstrategien.
Auch das Verständnis für das dekadische System entwickelt sich stufenweise und ist abhängig von
der Entwicklung der arithmetischen Strategien.
Parallel dazu entwickeln sich auf einer zweiten Säule die Zählfertigkeiten, zuerst vorwärts Zählen und
dann rückwärts, kontinuierlich aufbauend in der Größe der Zahlwortreihe. Logischerweise ist die Identifikation von Zahlen an diese Zählfertigkeit gebunden.
Auf einer dritten Säule bewegt sich das Wissen um die Möglichkeiten der visuellen Abbildung von
Mengen (z.B.: Punktmuster), die Fingerbilder und die Fähigkeit des raschen Kombinierens und Teilens
von Zahlen.
Grob vereinfacht zusammengefasst, findet sich großer Konsens darüber, dass die Mehrheit der Additionen mit einer der 5 Basisstrategien gelöst wird (Baroody, 1987; Carpenter & Moser, 1984; Siegler,
1986; Siegler & Robinson, 1982; Siegler & Shrager, 1984; Svenson & Sjöberg, 1983; in Geary, Brown
& Samaranayake, 1995):
1. Visuelle oder auditive Strategien:
•
Fingerzählen
Kinder benützen die Finger als Repräsentation der Items und zählen diese visuell oder taktil ab.
•
Finger- Fingermuster
Die Kinder benützen die Finger als Repräsentation der Items, zählen diese aber nicht mehr ab.
•
Verbales Zählen
Die Kinder zählen auditiv laut oder leise.
2. Zerlegung einer Aufgabe in einfachere Aufgaben (Siegler,1987; in Geary, Brown / Samaranayake) oder Ableitungsstrategien
z.B.: 9 + 8 = wird zerlegt in 9 + 1 + 7 = und schließlich gerechnet 10 + 7 = 17
3. Abrufstrategien – „direkter Abruf“
Die Antwort auf eine Additionsaufgabe wird direkt aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen (Siegler &
Shrager, 1984 in Geary, Brown & Samaranayake 1991).
In Bezug auf die Entwicklung der Fähigkeiten der Addition ist der Abruf von Fakten (z.B.: 3 * 3 = 9) die
höchst entwickelte und am meisten bevorzugte Strategie, weil der Faktenabruf wenig Zeit benötigt und
wenig Kapazität des Arbeitsgedächtnisses beansprucht.
Aufgrund der noch feineren Gliederung, die sehr plausibel und gleichzeitig für die Praxis von großer
Relevanz ist, möchte ich an dieser Stelle noch die Stufen der frühen arithmetischen Lernstrategien
nach Wright, R., Martland, J., Stafford, A. & Stanger, G. (2002) anführen. Sowohl zur Diagnose, als
auch zur Förderung ist auf genaue Kenntnis der Lernstrategien nicht zu verzichten.
24
Stufen früher arithmetischer Lernstrategien (Wright et al. 2000, 2002)
Stufe 0: „Entstehendes“ Zählen
kann (sichtbare Items) noch nicht zählen. Das Kind weiß entweder die Zahlwortreihe nicht, oder hat
Schwierigkeiten die Zahlworte mit den Items zu koordinieren.
Stufe 1: Perzeptives Zählen
kann wahrgenommene/sichtbare Items zählen, aber nicht mehr in verdeckter Form. Das Kind ist noch
abhängig vom Sehen, Hören oder Fühlen der Items.
Stufe 2: Figuratives Zählen = „Sum Prozedur“
kann Items verdeckter Mengen zählen, aber die Zählaktivität beginnt immer von vorne.
Wenn z.B. zwei verdeckte Mengen gegeben sind, und das Kind zuerst die Anzahl jeder Menge und
dann die Anzahl aller Items zusammen nennen soll, beginnt das Kind wieder bei „eins“ zu zählen
(counting from „one“) anstelle weiterzuzählen (counting-on).
Stufe 3: Beginnende Zählsequenz = „Min Prozedur“
Das Kind verwendet weiterzählen (counting-on) anstelle von der „eins“ zu zählen (counting from
“one“), um eine Addition oder eine Ergänzungsaufgabe (z.B. 6 + x = 9) zu lösen.
Das Kind kann die „counting down from“ Strategie für Subtraktionen verwenden (z.B. 17 – 3: als
16,15,14- Antwort 14), aber die „counting down to“ Strategie noch nicht, um Ergänzungssubtraktionen
zu lösen (z.B. 17 – x = 14 als 16,15,14 – Antwort 3).
Stufe 4: Zählsequenz Zwischenstufe
Das Kind zählt herunter (counting down to) um eine Ergänzungssubtraktion (fehlender Subtrahend) zu
lösen (z.B.:17 –x = 14 als 16,15,14- Antwort 3).
Das Kind wählt zwischen der effizienteren Strategie „count-down-from“ und „count-down-to“ aus.
Stufe 5: Sichere Zählsequenz = „Direkter Faktenabruf“
Das Kind verwendet eine Reihe von so genannten Ableitungsstrategien.
Diese Stufe beinhaltet sowohl die Verwendung von „Zählstrategien“ als auch anderen „nicht zählenden Strategien“ (Ableitungsstrategien).
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•
Verwenden von gespeicherten arithmetischen Fakten bei Additionen und Subtraktionen: 7 + 3 =
10 also 7 + 4 = 11 (+1); 9 – 4 = 5 weil 8 – 4 = 4 (+1)
•
Kompensation: 6 + 4 = 5 + 5;
•
Kommutativität: 9 + 2 = 2 + 9
•
Subtraktion als Umkehroperation der Addition: 4 + 4 = 8 also 8 – 4 = 4
•
Wissen über die Zehn in einer Zehnerzahl: 17 = 10 + 7;
•
Wissen über die Zehnerpotenz: 30 + 50 = 80 weil 3 + 5 = 8
Butterworth (2005) unterscheidet zwischen „Counting from first“ und “Counting on from larger“. Der
Unterschied zwischen diesen beiden Stufen besteht darin, dass das lernende Kind bei zweiterer Strategie den größeren Addenden voranstellt und nur den kleineren “weiterzählt“. Dieser Lernschritt bedeutet auch, dass das Kind verstanden hat, dass es egal ist, in welcher Reihenfolge die Addenden
summiert werden (Kommutativität).
Viele Autoren beschäftigen sich mit der Frage, wie dieser Übergang von den „zählenden Strategien“
zum Faktenabruf stattfindet und in welcher Form diese Fakten dann gespeichert werden.
Ein interessantes Phänomen in Bezug auf die Frage der Speicherung ist der „Problem-size effect“,
der bedeutet, dass bei einstelligen Operationen die Antwort umso länger dauert, je größer das Ergebnis ist (Ashcraft et al., 1992). Der Faktor der „Problemgröße“ ist viel stärker als der der Häufigkeit der
Aufgabe (Butterworth, Girelli, Zorzi, & Jonckheere, 2001). Weiters schreibt Butterworth (2005), dass
Kinder, die noch zählende Strategien verwenden, in der Regel auch noch keinen Faktenabruf verwenden. Deshalb meint Butterworth (2005), es wäre sehr wahrscheinlich, dass Kinder während des Stadiums des „counting on from larger“ diese Gedächtniseinträge für die Fakten erwerben. Er nimmt an,
dass die Gedächtniseinträge in dieser Form (größerer Addend plus kleinerer Addend) zunächst ausgerechnet und dann abgespeichert werden. Bestätigung finden diese Annahmen in einer Studie von
Butterworth (2001), die zeigte, dass Erwachsene beim Faktenabruf sehr viel schneller sind, wenn die
Additionen in oben genannter Form dargeboten werden (größerer Addend plus kleinerer Addend). Die
Häufigkeit bestimmter Aufgaben im Arbeitsbuch war kein guter Prädiktor für die Lösungszeiten (Butterworth, 2001).
Zwei Argumente sprechen für die Tatsache, dass Fakten in Bezug auf die Problemgröße gespeichert
werden: 1. der Problemgrößeneffekt und 2. das Faktum, dass die Häufigkeit der Aufgaben kein Prädiktor für die Lösungszeit ist.
Ähnliche Ergebnisse zeigte auch die Studie von (Butterworth, Marchesini, & Girelli, 2003) mit 6 -10
Jahre alten Kindern bei Multiplikationen. Größerer Multiplikand mal kleinerer Multiplikator (Größer *
Kleiner) wurden wesentlich schneller gelöst als kleinerer mal größerer, auch wenn in der Schule klei-
26
nerer mal größerer zuerst gelernt wird. Z.B.: 2 * 6 wird vor 6 * 2 unterrichtet, weil die 2er Reihe vor der
6er Reihe unterrichtet wird. Auch in Italien wird in dieser Reihe vorgegangen. Wenn die Kinder wie bei
Butterworth et al. 2003 überprüft werden, wird deutlich, dass Kinder zunächst die Form des Abrufs
bevorzugen, die der Form des Unterrichts entspricht. Später beginnen sie aber, die ihre Speicherung
im „Größer * Kleiner“ Format zu organisieren. Die Ergebnisse von Butterworth (2003) belegen erneut,
dass arithmetische Fakten numerisch organisiert gespeichert werden. „Arithmetische Fakten sind
mehr als auswendig gelernte Fakten.“ (Butterworth, 2005)
Die Sicherheit mit der die Kinder die Fakten aus dem Langzeitgedächtnis abrufen können, beeinflusst
die Auswahl der Additionsstrategien der Kinder. Bezogen auf das Strategie-Choice-Modell (Geary et
al. 1995) bestimmen die assoziative Stärke zum Ergebnis und das Vertrauen in die Richtigkeit des
Ergebnisses den Zugriff auf den zur Verfügung gestellten Fakt.
Macaruso and Sokol (1998) zitieren Geary et al. (1987), indem sie die Beobachtungen beschreiben,
dass „normal“ entwickelte Kinder zwischen 2. und 4. bis 6. Schulstufe vom Zählen zum direkten Faktenabruf wechseln. Rechenschwache Kinder verbleiben hingegen bei der Strategie des Zählens. Rechenschwache Kinder der 2. Schulstufe zählen wesentlich langsamer, produzieren mehr Fehler und
wenden Zählen häufiger an als „normal“ entwickelte Zweitklässler. Geary (1990) zeigt in einer Folgestudie, dass rechenschwache Zweitklässler, wenn sie Fakten aus dem Gedächtnis abrufen, mehr Fehler produzieren und weniger systematische Lösungszeiten zeigen als die „normal“ entwickelte Kontrollgruppe. Geary (2004) schreibt, dass rechenschwache Erst- und Zweitklässler über unreifes Zählwissen verfügen, was heißt, dass diese Kinder Zählfehler am Beginn der Sequenz schwerer identifizieren und das „Order irrelavance Prinzip“ noch nicht verstanden haben. Der Shift von zählenden Strategien zu Abrufstrategien findet nicht zwischen erster und zweiter Klasse statt.
Auch Ann Dowker bestätigt (1998) eindeutige Zusammenhänge zwischen dem Rechenniveau (Additionen und Subtraktionen) und der Verwendung von Ableitungsstrategien. Je besser das Rechnen, umso mehr Ableitungsprinzipien werden gewusst und verwendet. Ebenso korreliert das Schätzwissen
sehr hoch mit der Verwendung von Ableitungsstrategien.
Zusammenfassung
Es besteht große Übereinstimmung darüber, dass der Aufbau des Rechenwissens in einem (nur teilweise) hierarchisch gegliederten Netzwerk dargestellt werden kann. Manche Fertigkeiten, wie z.B.:
Zahlindentifikation, Zahlenaufbau oder visuelle Einträge, entwickeln sich parallel zu den Entwicklungsstufen des arithmetischen Wissens.
27
Die Basisstrategien (Baroody, 1987; Carpenter & Moser, 1984; Siegler, 1986; Siegler & Robinson,
1982; Siegler & Shrager, 1984; Svenson & Sjöberg, 1983; in Geary, Brown & Samaranayake, 1995)
für Additionen werden vielfach in ähnlicher Art und Weise beschrieben. Sie lauten wie folgt:
Visuelle und auditive Strategien (Fingerzählen, Finger- Fingermuster, Verbales Zählen), Zerlegung
einer Aufgabe in einfachere Aufgaben oder Ableitungsstrategien und Abrufstrategien.
Aus den „zählenden Strategien“ entwickeln sich allmählich Einträge im Langzeitgedächtnis, aus welchen dann die Fakten abgerufen werden können. Butterworth (2005) meint, dass während des Stadiums des „counting on from larger“ (weiterzählen vom größeren Addenden an) diese Fakten erworben
und auch in dieser Form (größerer Addend plus kleinerer Addend) abgespeichert werden. Genauso
lässt sich auch aus Studienergebnissen von Butterworth et al. (2003) darauf schließen, dass auch
Multiplikationsfakten in diesem Format (größerer Multiplikand mal kleinerer Multiplikator) im Langzeitgedächtnis gespeichert sind.
Das Strategie-Choice Modell von Geary et al. (1995) besagt, dass zwischen verschiedenen zur Verfügung stehenden Strategien nach der Assoziationsstärke zu einer bestimmten Strategie ausgewählt
wird. Zusätzlich gibt das Konfidenzkriterium, ein interner Standard, durch welchen ein Kind abwägt, ab
wann es der Richtigkeit des Ergebnisses traut, Informationen zur Entscheidung, welche Strategie gewählt wird. So kann ein Rechenergebnis aus dem Gedächtnis abgerufen werden, oder eine andere
Strategie bevorzugt werden. Die Verwendung von Zählprozeduren führt automatisch zu deren Auslöschung, weil der Faktenabruf zur dominaten Lösungsprozdur wird (Geary et al., 1995).
Kognitive Komponenten
Gedächtnis
Mentale Arithmetik ist eine Aufgabe, die einerseits klar definiert ist durch Regeln, Fakten und Prinzipien, auf der anderen Seite ist Arithmetik eine sehr komplexe Aufgabe, die sehr hohe Anforderungen
an das Arbeitsgedächtnis stellt. Die aktuelle Forschung befasst sich damit, wie Arithmetik (4 – 2, oder
2 x 6) in Bezug auf Operation, Aufgabe und Individuum repräsentiert und verarbeitet wird.
Sowohl das Langzeit als auch das Kurzzeit- bzw. Arbeitsgedächtnis scheinen wesentlich an Rechenprozessen beteiligt. Um die Studien nachvollziehen zu können, möchte ich zunächst eine kurze Einführung in die Gedächtnismodelle geben. Zuerst die grobe Einteilung der Gedächtnissysteme und danach das Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley und Hitch (1974) und Baddeley 2002 .
Das Lehrbuch für Psychologie Zimbardo (1988) beschreibt grob vereinfacht drei Gedächtnissysteme:
28
¾
das sensorische Gedächtnis, welches flüchtige Impressionen sensorischer Reize (Bilder, Töne, Gerüche, Strukturen) für 1 bis 2 Sekunden aufbewahrt
¾
das Kurzzeitgedächtnis, welches Erinnerungen an Informationen für höchstens 20 Sekunden
aufbewahrt. Diese Informationen sind begrenzt auf circa 7 Items, wenn den Informationen
nicht besondere Aufmerksamkeit zukommt, oder sie durch ständige Wiederholung in Erinnerung behalten werden. Das Kurzzeitgedächtnis wird auch Arbeitsgedächtnis genannt.
„Das Arbeitsgedächtnis umfasst alle Strukturen und Prozesse, die in Aufgaben der vorübergehenden Speicherung und Verarbeitung von Informationen dienen.“
¾
Das Langzeitgedächtnis, welches Informationen für den Abruf zu einem späteren Zeitpunkt
aufbewahrt. Diese Informationen machen unser Weltwissen aus.
Die Komponente des Kurzzeitgedächtnisses haben vor allem Baddeley und Hitch (1974) und Baddeley (1986, 2000a) sehr genau untersucht und funktionell untergliedert. Ihre Erkenntnisse haben bis
heute die Forschung gerade in Bezug auf Arithmetik stark beeinflusst.
Eine kurze Einführung in das Kurzzeitgedächtnismodell von Baddeley
Baddeley & Hitch (1974) haben sich mit dem funktionellen Aufbau des Kurzzeitgedächtnisses befasst
und im Wesentlichen drei Komponenten beschrieben:
1.
Zentralexekutive „Central Executive“
2.
Artikulatorische (phonologische) Schleife „Articulatory Loop“
3.
Visuell-räumlicher Notizblock „Visuo-spatial Sketchpad“
Jeder dieser Komponenten sind bestimmte Funktionen zugeordnet, wobei die Zentralexekutive die
übergeordnete Komponente darstellt und die anderen beiden Systeme als eine Art „Zwischenregister“
zu verstehen sind.
Abbildung: Baddeley 2002, S. 86
Das Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley und Hitch (1974).
29
In Bezug auf das oben genannte Modell des Arbeitsgedächtnisses von Baddeley (Baddeley 1986,
Baddeley und Hitch 1974) gelten folgende Annahmen:
Zentralexekutive (Central Executive)
Diese agiert als Aufmerksamkeitssystem mit begrenzter Kapazität. Die Zentralexekutive initiiert und
kontrolliert mentale Prozesse. Und sie ist verantwortlich für das Planen und Strukturieren der Aktivitäten.
Folgende Subprozesse können genannt werden (Baddeley 2002):
1. Die Zentralexekutive hat die Eigenschaft Aufmerksamkeit zu fokussieren.
Alle komplexeren Aufgaben hängen von der Kapazität der Zentralexekutive ab, weil sie den Fokus der
Aufmerksamkeit steuert.
2. Eine weitere Eigenschaft der Zentralexekutive ist das Teilen der Aufmerksamkeit (Baddeley,
1996). Anhand von Experimenten, speziell an Alzheimer Patienten, konnte die Funktion der Zentralexekutive Aufmerksamkeit zwischen den Subsystemen (Visuell-räumlicher Notizblock und phonologischer Schleife) aufzuteilen, Bestätigung finden.
3. Ein drittes Merkmal der Zentralexekutive ist die Fähigkeit, Aufmerksamkeit umzuschalten und
zu kontrollieren. Diese Funktion wird in der Regel dem Frontalhirn zugeordnet (Shallice, 1988). Es
wird vermutet, dass die Phonologische Schleife am Prozess der Kontrolle über die Aufmerksamkeit
beteiligt ist. Diese Frage ist noch nicht endgültig geklärt (Baddeley, 2002).
Der Abruf von Information aus dem Langzeitgedächtnis wird ebenso der Zentralexekutive zugeordnet
(Gathercole und Pickering, 2001, 2000).
Überprüfung: Drei relativ bekannte Methoden die Zentralexekutive zu überprüfen sind: „Hörgedächtnis
von Sätzen („listening recall“), Zählgedächtnis („counting recall“) und Zahlenspanne rückwärts („backwards digit recall“)“. Beim Hörgedächtnis werden Sätze vorgesprochen, welche der Proband als richtig
oder falsch beurteilen soll. Dann soll das letzte Wort des Satzes memoriert und wiederholt werden.
Die Anzahl der vorgesprochenen Sätze steigt natürlich bis zur Fehlergrenze an. Beim Zählgedächtnis
werden Punktemuster, die zu zählen sind, vorgegeben, die dann anschließend per Punktezahl wiederholt werden sollen. Die Anzahl der Punktemuster steigt wieder an. Zahlenspanne rückwärts misst
die Anzahl der richtig rückwärts wiederholten Zahlenreihen.
Gathercole und Pickering (2001, 2000b) beschreiben, dass Kinder, die in der Schule deutliche Lernschwierigkeiten haben, messbare Defizite im Arbeitsgedächtnis allgemein und im speziellen in der
Zentralexekutive (backwards digit recall) zeigen.
Artikulatorische Schleife (Articulatory Loop) oder phonologische Schleife
Die artikulatorische Schleife besteht aus:
Phonologischem Speicher, welcher sprachbasierte Informationen für circa 2 Sekunden speichert, und
Artikulatorischen Kontrollprozessen; welche auf der inneren Sprache basieren.
Die artikulatorische Schleife stellt verbales Material und den sprachlichen (phonologischen) Kode bereit und erhält diese Information aufrecht. Die Informationen im phonologischen Speicher sind raschem Zerfall ausgesetzt, wenn sie nicht in einem „subvokalen Wiederholungsprozess“ (rehearsal
process) aufrechterhalten werden. Entwicklungsmäßig ist der phonologische Speicher schon mit 3
30
Jahren entwickelt, der subvokale Wiederholungsprozess tritt nicht vor dem 7. Jahr in Erscheinung
(Gathercole und Pickering, 2000).
Hasselhorn und Schumann-Hengsteler (2002) messen der phonologischen Schleife auch eine besondere Bedeutung beim Erwerb neuer Wörter zu. Sie glauben, dass die kurzzeitige Repräsentation neuer phonologischer Strukturen im Kurzzeitgedächtnis Voraussetzung für den Aufbau stabiler Repräsentationen im Langzeitgedächtnis sind.
Baddeley, Gathercole und Papagano (1998) stützen eben diese Annahme, dass die phonologische
Schleife ein System ist, welches den Spracherwerb unterstützt. Sie nehmen direkte Verbindungen
zwischen der Funktion der phonologischen Schleife und dem Erlernen von Worten an. Sie glauben,
dass die primäre Funktion dieser Schleife die Verarbeitung von neuem sprachlichem Input ist. Diese
Aussagen stützen auch Gathercole und Pickering (2001). Kinder mit gravierenden Schwierigkeiten in
der phonologischen Schleife sind beeinträchtigt neue Worte in der Mutter- als auch einer Fremdsprache zu erwerben. Aus einem phonologischen Defizit könne sich ein Defizit des Spracherwerbs, eine
Sprachentwicklungsstörung entwickeln (Baddeley, Gathercole und Papagano, 1998).
Überprüfung: Eine klassische Methode die phonologische Schleife zu überprüfen ist das Nachsprechen von Zahlenreihen oder Nonsens-Wortreihen in ansteigender Anzahl bzw. Silben-Anzahl.
.
Kinder mit spezifischer Beeinträchtigung der Sprache, zeigen gerade beim Wiederholen von NonsensWorten große Defizite. Gathercole und Baddeley (1990) messen einen Entwicklungsrückstand im
Nonsens-Worte Nachsprechen von 4 Jahren bei 8 jährigen SchülerInnen mit Sprachentwicklungsverzögerung.
Visuell-räumlicher „Notizblock“ oder Speicher (Visuo-spatial Sketch Pad)
Der visuell-räumliche Speicher speichert und verarbeitet räumliche und visuelle Informationen. „Es gibt
gute Beweise für eine Trennung von räumlichen und verbalen Prozessen aus Studien zum normalen
Gedächtnis und aus der neuropsychologischen Forschung.“ (Baddeley, 1986) Er nimmt an, dass die
Verarbeitung, Speicherung und Schaffung von visuell-räumlichen Vorstellungen in einem System, das
visuell-räumlicher Notizblock genannt wird, stattfindet. Baddeley schreibt, dass das visuelle Gedächtnis bis jetzt nur teilweise erforscht ist. Einige Subregionen sind bereits erforscht, aber noch nicht genau wie diese zusammenarbeiten. Fest steht, dass ein temporärer Speicher für visuelle Informationen,
wie es der visuell-räumliche Notizblock ist, räumliche und visuelle Informationen festhält und diese
manipuliert. Dieses System spielt auch eine wichtige Rolle beim räumlichen Orientieren und bei der
Lösung von visuell-räumlichen Problemen (Baddeley 2002).
Es scheint eine Schnittstelle zu sein zwischen visueller und räumlicher Information, die entweder
durch die Sinne oder das Langzeitgedächtnis zugänglich ist. Eine Reihe verschiedener Informationen,
motorischer, taktiler oder haptischer Natur, werden mit der visuellen Information verbunden.
Überprüfung:
Eine Methode zur Überprüfung der räumlichen Notizblocks ist eine so genannte „corsi-block-tapping“
Aufgabe, oder auch dynamische Matrizen genannt. Der Versuchsleiter berührt dabei in einer bestimm-
31
ten Reihenfolge eine Würfelanordnung, welche vom Probanden zu wiederholen ist. Die Schwierigkeit
wird durch die Komplexität der Muster erhöht.
Der visuelle Notizblock wird durch die Wiederholung einer vorgezeigten Würfelmatrix („pattern span“
oder „static mazes“) gemessen. Das Muster von schwarzen und weißen Zellen wird in der Schwierigkeit erhöht, bis der Proband die Muster nicht mehr wiederholen kann (Baddeley, 2000, Gathercole und
Pickering, 2001).
Die Neuropsychologische Forschung bestätigt durch funktionale Bildgebung die Annahme, dass der
visuell-räumliche Notizblock ein Multikomponentensystem ist. Der Occipitallappen zeigt Aktivierung bei
visuellen Mustern, parietale Regionen repräsentieren räumliche Aspekte und frontale Regionen scheinen verantwortlich für die Koordination und Kontrollfunktion (Smith & Jonides, 1996 in Baddeley,
2002).
Der episodische Puffer
Eine weitere Aufgabe der Zentralexekutive ist das Formen einer Schnittstelle zwischen den einzelnen
Subsystemen und dem Langzeitgedächtnis (Baddeley, 1996, 2002). Lange wurde dieser Funktion
keine Beachtung geschenkt. Offensichtlich wird diese Tatsache in der Beobachtung, dass die Kurzzeitgedächtnisspanne für unverbundene Worte etwa 5 Items beträgt, die Gedächtnisspanne bei Sätzen aber etwa 16 Worte umfasst. Ebenso reagiert das Gedächtnis sensibel bei unverbundenen Worten, wenn diese semantisch ähnlich sind. Auch die Vorstellbarkeit oder die Häufigkeit spielt beim Gedächtnis eine Rolle. Die Vorstellbarkeit oder Häufigkeit von Worten stehen natürlich in Verbindung mit
dem Langzeitgedächtnis (Baddeley, 2002).
Das Wiederholen von Prosa zeigt ebenso, dass das Kurzzeitgedächtnis mehr als ca. 5 Worte speichern kann. Laut Baddeley (2002) spiegelt das Speichern von Prosa den Chunking-Prozess. Beim
Chunking ist der Abruf deutlich gesteigert durch das Ansammeln und Verbinden von Items zu größeren Einheiten, z.B.: Worte zu Phrasen, wodurch wesentlich ökonomischer gespeichert werden kann
(siehe Miller, 1956; Miller & Selfridge, 1950).
Das dreigeteilte Modell von Baddeley & Hitch (1974) ist nicht in der Lage für Chunking oder die oben
genannten Beispiele eine Erklärung zu bieten.
Eine weitere Frage, die durch das dreigeteilte Modell von Baddeley und Hitch (1974) unbeantwortet
bleibt, ist, wie die beiden Subsysteme „phonologische Schleife“ und „visuell-räumlicher Notizblock“
zusammenspielen. Selbst wenn diese Gedächtnisspeicher unabhängig sind, bleibt ungeklärt, wie die
Informationen verbunden werden. Weiters zeigen sich deutliche Einflüsse des Langzeitgedächtnisses
(LZG) auf das Arbeitsgedächtnis. Quasisensorisches Wissen aus dem LZG, wie die Vorstellung von
bestimmten Szenen (Markt, Klang einer Telefonkonversation) beeinflusst die Gedächtniskapazität.
Baddeley (2002) hat auf Grund all dieser unbeantworteten Fragen sein Arbeitsgedächtnismodell weiterentwickelt und eine vierte Komponente in sein Modell aufgenommen. Diese Komponente nennt sich
episodischer Puffer (Baddeley, 2000a, 2001, 2002). Von diesem episodischen Puffer wird angenommen, dass er für ein Gedächtnissystem steht, welches multimodale Codes verwendet. Der episodische Puffer wird in dem Sinn verstanden, das verbundene Episoden oder Szenen in einem Puffer
gehalten werden, welcher mit begrenzter Kapazität eine Schnittstelle zwischen verschieden codieren-
32
den Systemen darstellt. Einige dieser Funktionen wurden im Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley
und Hitch (1974) definitiv der Zentralexekutive zugeordnet.
„Die Zentralexekutive wird jetzt neu definiert als reines Aufmerksamkeitssystem, dessen Funktion außerhalb der Erinnerungsfunktion liegt (Baddeley & Logie, 1999), wohingegen der episodische Puffer
rein mnestischen Charakter hat.“ (Baddeley, 2002).
Abbildung: Baddeley., A. (2002) S.93
Das aktuelle Modell des Arbeitsgedächtnisses, ergänzt durch Verbindungen zum Langzeitgedächtnisses (LZG)
durch beide Subsysteme (visuell-räumlicher Notizblock und phonologische Schleife) und dem neu hinzugefügten
Subsystem, dem episodischen Buffer (Baddeley, 2000a).
Folgende zwei Funktionen werden nun dem episodischen Puffer zugeordnet:
1. Er wird als Verbindung zwischen den zwei untergeordneten Systemen und verbalen und visuellen LZG gesehen. Die Verbindung funktioniert in alle Richtungen, die untergeordneten Systeme „füttern“ das LZG. Das LZG wiederum unterstützt durch implizites Wissen aus sprachlichem und räumlichem Wissen die Bildung von Mustern, die den Abruf erleichtern.
2. Der episodische Puffer verknüpft Informationen aus dem LZG mit den untergeordneten Systemen.
Zwischen den untergeordneten Systemen: „ Visuell-räumlicher Notizblock, Episodischer Puffer und
Phonologischer Speicher“ sind keine Pfeile eingezeichnet, um darzustellen, dass die Verbindung zwischen diesen von der Zentralexekutive abhängt. Diese Annahme wird laut Baddeley (2002) noch weiter überprüft, eventuell sind diese Untersysteme doch direkt miteinander verbunden.
Überprüfung:
33
Baddeley hat mit seinen Kollegen eine Überprüfung gefunden, die sich „Constrained Sentence Span“
(Satzspanne) nennt. Das Ziel war, ein Messinstrument zu finden, welches die Gedächtnisspanne in
ihrer Leistung durch das Nutzen von verbaler, semantischer und visuell-räumlicher Information beeinflusst. Die oben genannten Autoren haben Sätze gebildet, die aus einem eingeschränkten Wortschatz
mit einfacher Satzstruktur jeweils in der Länge variieren. Durch das Nachsprechen dieser Sätze wird
die Gedächtnisspanne ermittelt.
Neuropsychologisch wird diese episodische Pufferfunktion durch fMRI - Studien dem Frontallappen
zugeordnet (Prabhakaran et al., 2000).
Die Rolle der Gedächtnisleistungen in der Arithmetik
Zentralexekutive
Initiiert & leitet V erarbeitung
Abruf aus dem LZG
B erechnung & D urchführung der Prozeduren
Ü bertrag/ A usborgen
B ehalten der Zwischenergebnisse
*Ü berwacht das Beibehalten der Spur
Artikulatorische Schleife
Phonologische Repräsentation
Aufzählung des artikulatorischen
Codes
z.B .: K ZG Spanne
Zählen
*Behalten der Zwischenergebnisse
V isuell-räum licher
N otizblock (Speicher)
V isuelle & räumliche
Repräsentation
A ufrechterhaltung und
M anipulation der visuellen und
räumlichen Codes
z.B.: räum liche Rotation
*Visuelle Charakteristik des
Problem s
Inform ation über die Position
Abbildung: Ashcraft, 1995, S.17.: Adaptation von Baddeley´s Modell (1986) des Arbeitsgedächtnisses in Bezug
auf Mathematisches Denken
* Sternchen bedeuten Annahmen von Ashcraft
Rechnen beinhaltet direkten Zugriff auf das arithmetische Wissen zu den verschiedenen Operationen
(Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division). Einfache einstellige Rechnungen, wie z.B.: „9 + 4,
oder 5 * 3“, werden durch direkten Zugriff auf gespeicherte Fakten oder eine Kombination aus Fakten
und einer gespeicherten Rechenprozedur zur Lösung führen. Mehrstellige Operationen, wie „43 + 68,
oder 34* 15“, benötigen den Abruf von Fakten plus die Prozeduren für mehrstellige Operationen, die
34
den Übertrag oder das Borgen, berücksichtigen. Rechenprozesse sind fehleranfälliger und langsamer,
wenn die Zahlen größer sind (= „problem-size effect) und wenn die Rechnungen mit Übertrag zu lösen
sind.
Die Beteiligung des Arbeitsgedächtnisses am Rechnen hilft diese Effekte zu erklären. Zu diesem
Zweck und zum besseren Verständnis von Rechenvorgängen werden nun die einzelnen Komponenten des Arbeitsgedächtnisses ihrer Beteiligung an den Rechenprozessen im Folgenden genau beschrieben.
Zentralexekutive und Rechnen
Die Zentralexekutive ist, wie oben bereits beschrieben, verantwortlich für das Planen und Sequenzieren von Aktivitäten. Diese teilt auch die Aufmerksamkeitsressourcen den einzelnen Prozesses und
Subsystemen des Gedächtnisses zu.
Bei einer Additionsaufgaben wie z. B.: 36 + 54, würde die Zentralexekutive verantwortlich sein für das
Halten der Spur im Sinne der Prozedur, welche Teile der Addition bereits durchgeführt worden ist und
welche noch nicht.
Weiters ist die Zentralexekutive zuständig für den Abruf von Informationen aus dem Langzeitgedächtnis (Gathercole und Pickering, 2001), wie dem Abruf über das Wissen um bestimmte Rechenprozeduren und dem Faktenwissen (3x3=9). Die Aufmerksamkeitsanforderungen des Faktenabrufs für die
speziellen Aufgaben scheint den Verbrauch an Ressourcen der Zentralexekutive direkt zu beeinflussen (DeStefano & LeFevre; 2004).
Weniger gut verfügbare Informationen, welche weniger stark assoziiert sind, (schwierigere Aufgaben)
nehmen vermutlich mehr Kapazität der Zentralexekutive ein (Lemaire, Abdi, Fayol, 1996). Dieser
Sachverhalt ist von Bedeutung, da die Zentralexekutive, wie die anderen Gedächtniskomponenten,
nur begrenzte Kapazität hat.
Zahlreiche Studien (Bull, Johnston & Roy, 1999., Bull und Scerif, 2001., Adams und Holmes, 2004.)
bringen die rechnerischen Fertigkeiten ganz klar in Zusammenhang mit den Funktionen der Zentralexekutive. Sie messen hohe Korrelationen zwischen den rechnerischen Fertigkeiten und verschiedenen Messwerten zentralexekutiver Funktionen.
Phonologische Schleife und Rechnen
Von der artikulatorischen Schleife, spezialisiert auf sprachliche Inhalte, wird angenommen, daß sie in
Zählprozesse, wie Abzählen und das Aufzählen der Zahlwortreihe, involviert ist. Aufgaben, die durch
Zählprozesse gelöst werden, verbrauchen Ressourcen aus der artikulatorischen Schleife. Dazu gehört
das Halten der Spur beim Abzählen, welche Items schon gezählt sind und welche nicht, und das Halten der Spur in der Zahlwortsequenz.
Die phonologische Schleife, die auf sprachliche Information spezialisiert ist, speichert in der Arithmetik
die Operanden und die Zwischenergebnisse (DeStefano und LeFevre, 2004).
35
Hasselhorn und Schumann-Hengsteler (2002) meinen, dass die phonologische Schleife beim mentalen Addieren und Subtrahieren dann besonders genutzt wird, wenn die Aufgaben über den reinen Abruf von einfachen Fakten hinausgehen.
In so genannten „dual-task“ Aufgaben, bei welchen Kinder neben dem Lösen von Additionen noch ein
Wort vor sich hin sprechen mussten, zeigt sich ein deutlicher Leistungsabfall (Adams und Hitch,
1998), im Gegensatz zu anderen Zusatzaufgaben. 7 und 11 jährige Kinder zeigten in der Studie von
Adams und Hitch (1998) diesen deutlichen Leistungsabfall bei verbalen Zusatzaufgaben, was darauf
hinweist, dass die phonologische Schleife beim Rechnen von Additionen sowohl bei 7 als auch bei 11
jährigen Schülern involviert ist.
Visuell-räumlicher Notizblock und Rechnen
In Bezug auf Rechnen nimmt Ashcraft (1995) nach dem Modell von Baddeley (1974, 1986) an, dass
der visuell-räumliche „Notizblock“ bei allen Aufgaben, bei welchen Ziffern in Reihen- und Zeilenpositionen bearbeitet werden müssen, eine Rolle spielt.
Der visuell-räumliche Notizblock kann in der Arithmetik auch dazu dienen, das Problem und seine Lösung visuell zu repräsentieren (DeStefano und LeFevre, 2004).
McKenzie, Bull & Gray (2003) untersuchten die kognitiven Prozesse beim Rechnen in verschiedenen
Altersstufen. Sie fanden, dass im Gegensatz zu Erwachsenen, die beim Kopfrechnen mehr auf phonologische als auf visuelle Codes (z.B. Logie, Gilhooly & Wynn, 1994) zurückgreifen, Kinder andere Strategien zum Rechnen verwenden. Abhängig vom Alter unterscheiden sich die Rechenstrategien beim
Kopfrechnen. Da die Angaben, wie Kinder Rechnen noch relativ unverlässlich sind, haben oben genannte Autoren bei Kindern die Methode der konkurrierenden Störung (concurrent disruption), oder
auch „dual-task“ Methode. Kinder im Alter von 6 bis 7 und 8 bis 9 Jahren wurden mit einfachen arithmetischen Aufgaben unter verschiedenen konkurrierenden Bedingungen getestet. Die jüngeren Kinder (6 bis 7 Jahre) wurden signifikant durch visuell-räumliche Zusatzaufgaben im Rechnen gestört,
während die älteren Kinder sowohl Störungen durch visuell-räumliche Zusatzaufgaben als auch durch
sprachliche Zusatzaufgaben zeigten.
Die Autoren folgern, dass jüngere Kinder den visuell-räumlichen Notizblock als mentalen Notizblock
für das Halten und Manipulieren eines Bildes der notwendigen Information verwenden, weil der subvokale Rehearsalprozess noch nicht so weit entwickelt ist, dass verbale Strategien funktionieren.
Ab einem Alter von 9 Jahren, wenn Kinder die Rehearsal-Strategie spontan anwenden, verlassen sich
die Kinder zunehmend mehr auf verbale Strategien, welche von der phonologischen Schleife unterstützt werden. Ab diesem Alter verwenden die Kinder sowohl visuell-räumliche als auch verbale Strategien zum Kopfrechnen (McKenzie et al. 2003).
Weitere Zusammenhangsstudien:
36
Grube und Barth (2004) untersuchten Zusammenhänge zwischen den Gedächtnisspannen (GS) vorwärts (Zahlen Nachsprechen vorwärts) und rückwärts (Zahlen Nachsprechen rückwärts), sowie den
Leistungen im Basisrechnen (Faktenabruf von Additionen und Subtraktionen) und etwas weiter gefassten arithmetischen Rechenleistungen (DEMAT 3 Vorform). Sie finden durch die Untersuchungsergebnisse die Bestätigung, dass sowohl die phonologische Schleife (Zahlen Nachsprechen vorwärts)
und die Zentralexekutive (Zahlen Nachsprechen rückwärts) des Arbeitsgedächtnisses, als auch die
Basisfertigkeiten in Addition und Subtraktion bedeutsamen Einfluss auf die Rechenleistungen haben.
Ein interessantes Detail dieser Studie ist die bedeutsame Korrelation von GS rückwärts und dem Basisrechnen im Gegensatz zur Korrelation der GS vorwärts, die nicht bedeutsam ist. Die Autoren gehen
davon aus, dass die Leistungsfähigkeit der Zentralexekutive wesentlich entscheidender für das Basisrechnen ist, als die der phonologischen Schleife, weil der Abruf von arithmetischen Fakten in engem
Zusammenhang zur Leistungsfähigkeit der Zentralexekutive gesehen wird.
Die Zahlenspanne (vorwärts und rückwärts) aus dem HAWIK zeigte in der Untersuchung von Dowker
(1998) eine enge Beziehung zum Schätzen, mit sonst aber keiner Komponente ihrer Rechenmesswerte (Arithmetik rechnen, Fakten ableiten).
Gathercole & Pickering (2001) untersuchten unterschiedliche Gedächtniskomponenten und deren Zusammenhang zu schulischen Leistungen bei 7 bis 8 jährigen Schülern. Die beiden Autorinnen bemerkten bei Schülern mit speziellem Förderbedarf spezifische Defizite in den Leistungen der Zentralexekutive (Zahlen Nachsprechen rückwärts). Das Zahlen Nachsprechen rückwärts erlaubt eine genaue Vorhersage der Kinder mit speziellem Förderbedarf ein Jahr zuvor. Alle anderen Gedächtniskomponenten, die sich auf die phonologische Schleife und das visuell-räumliche Gedächtnis bezogen,
zeigten nicht so starke Effekte.
Holmes und Adams (2004) untersuchten den Einfluss des Arbeitsgedächtnisses auf Mathematik bei
einschulenden Kindern (5 Jahre) systematisch. Sie fanden signifikante Zusammenhänge zwischen
den einzelnen Komponenten des Arbeitsgedächtnisses (Phonologische Schleife, Zentralexekutive und
Visuell-räumlicher Notizblock) und der rechnerischen Leistung von Kindern. Die höchsten Korrelationen fanden sich zwischen den Leistungen der Zentralexekutive und Mathematik. Die verschiedenen
Messwerte des Arbeitsgedächtnisses erklärten insgesamt 32% der Varianz in der Rechenleistung.
Den größten Anteil daran hatten die Werte der zentralexekutiven Funktionen, gefolgt von visuellräumlichen und dann erst phonologischen Funktionen. Die Autoren diskutieren, dass der Einfluss der
phonologischen Schleife auf das Rechnen wahrscheinlich erst, wenn die Kinder älter sind, zum Tragen kommt.
Sie nehmen an, dass die Messung der Zentralexekutiven Funktionen zur Vorhersage der schulischen
Leistungen in Mathematik einen wertvollen Beitrag leisten können.
Zur Vorhersage einer Rechenschwäche konnten Gedächtnisfähigkeiten laut Krajewski (2003) allerdings nur einen unspezifischen Beitrag leisten. Sie hat die Gedächtnisleistungen mittels Zahlenspanne, Nachklopfen und Anzahlerfassung (Punktemuster) operationalisiert.
37
Kritik: Studien, wie die von Holmes und Adams (2004), Gathercole und Pickering (2001) belegen,
dass die Komponenten des Arbeitsgedächtnisses, die in diesem Alter mit Rechnen stark zusammenhängen vor allem in den Zentralexekutiven Funktionen und visuell-räumlichen Funktionen zu finden
sind. Krajewski hatte keine dieser Gedächtnisfunktionen überprüft, weshalb die geringen Zusammenhänge nicht verwunderlich sind.
Zusammenfassung
Das Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley (1986, 2000a) und Baddeley und Hitch (1974) hat bis
heute einen wertvollen Beitrag zum funktionellen Verständnis des Arbeitsgedächtnisses beigetragen.
Die Komponenten:„Visuell-räumlicher Notizblock, Episodisches Gedächtnis und Phonologische Schleife“, die funktionell von der Zentralexekutive abhängen, steuern unterschiedliche Teilfunktionen des
Arbeitsgedächtnisses. Diese drei Subkomponenten stehen über die Zentralexekutive miteinander in
Verbindung und haben direkte Verbindungen zum Langzeitgedächtnis.
In Bezug auf das Rechnen leistet jede dieser Subkomponenten des Arbeitsgedächtnisses einen spezifischen Beitrag. Den größten Zusammenhang oder Einfluss auf die arithmetischen Rechenleistungen
scheinen die zentralexekutiven Funktionen zu haben. Die Zentralexekutive initiert und leitet die Verarbeitung der Zahlen und Rechenprozduren. Sie hilft beim Abruf der Fakten aus dem Langzeitgedächtnis und zeigt sich mitverantwortlich für das Behalten der Zwischenergebnisse (Ashcraft, 1995). Grube
et al. (2004) finden sehr starke Zusammenhänge zwischen Funktionen der Zentralexekutive und dem
Basisrechnen, mehr als Funktionen der phonologischen Schleife.
Die artikularische Schleife hilft bei der Aufzählung aller artikulatorischen Codes, z.B.: „Zählen“ und
spielt laut Ashcraft auch eine Rolle beim Behalten der Zwischenergebnisse, speichert die Operanden
und liefert beim Abzählen die Zahlwortreihe und behält beim Zählen die Spur (Ashcraft, 1995). Jedenfalls zeigen sogenannte „dual-task“ Aufgaben bei Kindern (7 und 11 Jahre), dass sowohl beim Addieren als auch Subtrahieren die phonologische Schleife massiv involviert ist (Adams und Hitch, 1998).
Der visuell-räumliche Notizblock zeigt seine Beteiligung bei allen Aufgaben, bei denen Ziffern in Reihen- und Zeilenpositionen bearbeitet werden müssen. Vor allem jüngere Kinder zeigen massive Störeffekte, wenn sie zu den arithmetischen Aufgaben noch visuell-räumliche Zusatzaufgaben bearbeiten
sollen. Mc Kenzie et al. (2003) vermuten, dass Kinder in diesem Alter eventuell den visuell-räumlichen
Notizblock als mentalen Notizblock verwenden, um Aufgaben in Form eines Bildes zu speichern und
als solches bearbeiten.
38
Modelle der Zahlenverarbeitung
Dehaene (1992, 1999) – Triple Code Modell
Stanislav Dehaene hat ein Modell für die Kodierung und Verarbeitung von Zahlen aufgestellt, welches
auf Funktionseinheiten basiert, die jeweils spezifischen Regionen des Gehirns zugeordnet sind.
Der Begriff Modul stammt aus der Kognitionspychologie und bedeutet eine umschriebene Funktionseinheit, die eigenständig bestimmte Aufgaben des Denkens automatisiert und mit hoher Geschwindigkeit ausführt.
Dehaene (1992,1999) beschreibt im „Triple Code Model“ drei Module von denen er annimmt, dass sie
für unterschiedliche Bereiche der Zahlenverarbeitung zuständig sind:
1. Auditiv-sprachliche Repräsentation
2. Visuell-arabische Repräsentation
3. Analoge Repräsentation von Größen (Schätzen)
Diese drei Module werden als autonome Funktionseinheiten betrachtet, die jeweils an spezifischen
Regionen des Gehirns lokalisiert sind. Zahlen scheinen mental in drei verschiedenen Codes repräsentiert zu sein (verbal, arabisch und als Größe). Jede Verarbeitungsprozedur ist an ein spezifisches Einund Ausgabesystem gebunden. Über Transkodierungsprozesse sind die drei Module miteinander verbunden.
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Abbildung: „Triple-Code-Model“ nach Dehaene (1992) aus von Aster (2001) Handbuch Zareki S.8
In der auditiv-sprachlichen Repräsentation werden gesprochene, gehörte, „ausgeschriebene“ oder
gelesene Zahlwörter („dreizehn“) transformiert oder verarbeitet. Das Modul bezieht sich auf Zahlenverarbeitung (Input) und Produktion (Output).
Phonologische Wortformen ohne numerische Bedeutung sowie arithmetische Fakten sind hier enthalten. Ebenso sind hier Zählprozesse und –prozeduren verankert.
Die visuell-arabische Repräsentation ist für das Lesen und Schreiben von Zahlen in Ziffern-Form
(13) verantwortlich. Sie verfügt über eine stellenwertspezifische Syntax, die von der sprachgebundenen Form differiert.
40
Die analoge Repräsentation von Größen ist für das Erfassen von Mengen in ihrer Mächtigkeit, sowie
für Überschlagsrechnen (Schätzen) und die Beurteilung von numerischen Beziehungen zuständig.
Laut Dehaene (1992) kann jeder Mensch eine Zahl auf einer inneren Vergleichsgröße einordnen
(mentale Abbildung eines Zahlenstrahls) und so Schätzungen und Überschlagsrechnungen durchführen und numerische Beziehungen von Zahlen feststellen.
Abbildung: Dehaene 1997, S.221. „ Schematische anatomische und funktionale Darstellung des Triple-Code Modells (adaptiert von Dehaene und Cohen, 1995)
Visuell-arabischer Code: lokalisiert um linken und rechten inferioren ventralen occipito-temporalen
Gebiet, in welchem Zahlen als Kette von Ziffern repräsentiert sind.
Diese Repräsentation unterstützt mehrstellige Operationen und Gleichheitsentscheidungen (z.B.: 12
ist eine gerade Zahl, weil 2 am Schluss steht.).
Analoger- oder Mengencode: dem rechten und linken Parietalhirn zugeordnet, in welchem Zahlen in
einer Zahlenlinie angeordnet sind. Diese Repräsentation unterstützt semantisches Wissen über: Numerische Größen, inklusive Nähe (z.B. 8 ist in der Nähe von 9) und größer/kleiner Relationen (Z.B.: 8
ist kleiner als 9).
Verbaler Code: wird den linkshemisphärischen perisylvischen Gebieten zugeordnet, in welchen Zahlen als eine Reihe von Worten gespeichert sind. Diese Repräsentationsform ist der primäre Code für
den Zugang zum verbalen Gedächtnis für auswendig gelernte arithmetische Fakten (4 + 6 = 10, 3 * 3
= 9).
Dehaene (1997) beschreibt zwei grundlegende Wege durch welche einfache einstellige arithmetische
Aufgaben gelöst werden.
41
1. Der direkte Weg funktioniert so, dass die Operanden (4 * 8) in verbale Repräsentationen (vier
Mal acht) übersetzt werden. Dieser verbale Code versucht dann einen verbalen Eintrag für
diesen auswendig gelernten Fakt im verbalen Gedächtnis (vier Mal acht ist 32) zu finden. Die
kritischen Punkte für diesen verbalen Weg sind: visuelle Identifikation, visuell-verbale
Transkodierung, und verbaler Faktenabruf. Dieser Weg läuft völlig ohne die Bedeutung der
Zahlen zu beachten ab. Dieser direkte Weg wird laut Dehaene et al. (1997) für einfache arithmetische Aufgaben, wie einstellige Multiplikationen und einstellige Additionen verwendet.
2. Beim zweiten Weg, dem indirekten semantischen Weg, werden die Operanden als quantitative Repräsentationen kodiert. Semantisch bedeutungsvolle Operationen werden dann auf dieser internen Größe durchgeführt und anschließend in Zahlworte übersetzt. Zum Beispiel die
Rechnung: „15-2“ wird auf der Zahlenrepräsentationslinie bei der 15 begonnen und davon
zwei abgezogen, sodass dann 14 und schließlich 13 erreicht wird. Dieses Ergebnis wird anschließend verbal bezeichnet. Dehaene et Cohen (1997) nehmen an, dass dieser Weg dann
eingeschlagen wird, wenn kein Fakt zur Verfügung steht, wie es oft bei Subtraktionen der Fall
ist.
Genaue Untersuchungen haben gezeigt, dass die Größenrepräsentation auch dann aktiviert wird,
wenn diese für die Rechnung gar nicht gebraucht wird (u.a. Dehaene und Akhavein, 1995; Dehaene et al., 1993). Das bedeutet, dass obwohl jedes anatomische Gebiet seine genaue Funktion
hat, trotzdem bei normalen Rechnungen doch zumeist schnelle mehrschichtige Interaktionen zwischen den anatomischen Kreisläufen statt stattfinden (Dehaene et al. 1997).
Dehaene (1999) versuchte die wichtigsten, an der Zahlenverarbeitung beteiligten, zerebralen Areale
graphisch darzustellen, die er später durch bildgebende Verfahren teilweise belegen konnte (Dehaene, Spelke, Pinel, Stanescu und Tsivkin. 1999).
Beide Hemisphären können mit arabischen Zahlen umgehen, aber nur die linke hat Zugang zur linguistischen Repräsentation der Ziffern und zum verbalen Gedächtnis für einfache arithmetische Fakten.
Beim Schätzen und exakten Berechnen sind laut Untersuchungen von Dehaene (Dehaene et al.
1999) jeweils unterschiedliche Areale beteiligt, womit die Annahme der „Analogen Repräsentation von
Größen“ und die „auditiv-sprachliche Repräsentation“ Bestätigung gefunden hat.
42
Beteiligte Hirnareale beim Schätzen und exakten Rechnen (Dehaene et al., 1999; aus von Aster,
2001a, S.428)
V.Aster (2002) untersuchte Aktivitätsmuster bei Kindern und fand bei Schulkindern dieselben Aktivierungsmuster für das exakte Rechnen wie bei Erwachsenen. Das Schätzen allerdings fand er bei den
Kindern, anders als bei Erwachsenen, in denselben sprachregulierenden Hirnarealen Aktivierung wie
das exakte Rechnen. Der Autor (v.Aster 2002) vermutet, dass das neuronale Netzwerk für die mentale
Zahlenlinie, welche das Schätzrechnen ermöglicht, bei Kindern der 3.-5. Schulstufe erst ausgebildet
werden muss.
Zusammenfassung
Das Triple-Code-Modell gehört wohl zu den bekanntesten Modellen der Zahlenverarbeitung. Es geht
von der Annahme aus, dass 3 verschiedene Module im Wesentlichen an der Zahlenverarbeitung beteiligt sind. Diese drei Funktionseinheiten beziehen sich auf das Schätzrechnen (analoge Mengenrepräsentationen) die arabische Zahlendarstellung oder -verarbeitung und die verbale Repräsentation
und Verarbeitung für Zahlen. Jedes Modul erfüllt speziell zugeordnete Funktionen, die aber auch miteinander verknüpft sind und gleichzeitig arbeiten. Dehaene hat durch zahlreiche Untersuchungen
nach den neuroanatomischen Grundlagen dieser Funktionseinheiten geforscht und cerebrale Lokalisationen für diese unterschiedlichen Funktionsmechanismen gefunden.
Stroop-Aufgaben
Andere Autoren beschäftigen sich mit der Frage, inwieweit das arabische Format die analoge Repräsentation (mentale Zahlenlinie) aktiviert und Zahlen deshalb ganzheitlich verarbeitet werden. Für diese
Frage wurde von Dehaene, Bossini und Giraux (1993) von der „Stroop-Aufgabe“ Gebrauch gemacht.
Für diese Aufgabe werden den Versuchspersonen zwei Zahlen gezeigt, von denen sie die numerisch
größere identifizieren sollen. Gleichzeitig variiert die physikalische Größe der dargebotenen Zahlen,
43
sodass sie entweder mit der Mächtigkeit der Zahl übereinstimmt oder sich widerspricht. Die Autoren
beobachteten einen Kongruenzeffekt, was bedeutet, dass die irrelevante Dimension (z.B. physikalische Größe) automatisch mitverarbeitet wird. Deshalb schlussfolgerten die Autoren, dass der Zugriff
auf die numerische Information bei arabischer Zahleninformation (und umgekehrt) beim Erwachsenen
automatisch erfolgt.
Girelli, Lucangelli and Butterworth (2000) verwendeten diese Stroop-Aufgaben, um die entwicklungsbedingten Veränderungen in der automatischen und intentionalen Verarbeitung von arabischen Zahlen zu untersuchen. Sie stellten diese Aufgaben zum Mächtigkeitsvergleich von Zahlenpaaren in unterschiedlicher physikalischer Größe Kindern und Jugendlichen unterschiedlichen Alters und stellten
fest, dass der Größen-Kongruenzeffekt zwischen numerischer und physikalischer Größe nur bei älteren Kindern und Erwachsenen zu messen ist. Kinder von 6 Jahren rufen noch nicht automatisch die
analoge Zahlenrepräsentanz ab, wenn sie mit arabischen Zahlen konfrontiert werden. Wiederum liegt
der Schluss nahe, dass die Zahlenverarbeitung sich stufenweise mit Zunahme der numerischen Kompetenzen entwickelt. Fayol & Seron (2004) nehmen an, dass sich die präzise Beziehung zwischen
dem arabischen Code und der analogen Repräsentation rasch im Alter zwischen 6 bis 9-10 Jahren
entwickelt.
Kritik:
Da sich, wie oben erwähnt, eine präzise Beziehung zwischen numerischem Code und der inneren
Repräsentanz entwickelt, stellt sich mir die Frage, inwiefern es gerechtfertigt erscheint von zwei unabhängigen Modulen (Funktionseinheiten) zu sprechen.
Das McCloskey Modell
Dieses Modell ist im eigentlichen Sinne kein „neuropsychologisches Modell“, da es auf die entsprechenden Lokalisationen im Gehirn weniger eingeht. Es ist aber auf funktionaler Ebene den bisher genannten Modellen sehr ähnlich, so dass es Sinn macht das Modell von McCloskey an dieser Stelle
anzuführen.
Das Modell von McCloskey, Caramazza & Basili (1985; in McCloskey, 1991) über numerisch/rechnerische Prozesse unterscheidet grundsätzlich zwischen 3 funktionell unabhängigen Mechanismen, nämlich dem Verständnis von Zahlen (arabisch, verbal), der Produktion von Zahlen (arabisch, verbal) und der Durchführung von einfachen Rechnungen, welche durch eine interne semantische Repräsentation miteinander verbunden sind .
44
Abbildung: McCloskey, 1992, S.113.: Das McCloskey Modell
Schematische Darstellung der Hauptverarbeitungskomponenten nach McCloskey, Caramazza & Basili (1985):
Modell der numerischen Verarbeitung und des Rechnens
Das numerische Verständnis von Zahlen wandelt numerische Inputs in internale, semantische Repräsentationen (Größenvorstellungen) für die weitere Verwendung in darauf folgenden kognitiven Prozessen, wie das Durchführen von Berechnungen, um.
Numerische Produktionsmechanismen übersetzen dann die interne semantische Repräsentation von
Zahlen in die entsprechende Form des Outputs (arabisch oder verbal). Die semantische internale
Repräsentation bildet sozusagen den Flaschenhals für jede numerische Operation.
Beim McCloskey Modell finden die Berechnungen unabhängig vom Ein- und Ausgabemodus statt.
45
Semantische Repräsentationen
Von den internen semantischen Repräsentationen wird angenommen, dass sie in abstrakter Form die
Größe einer Zahl angeben und den Bezug zur 10 oder 10er Potenz.
Bei den Additionen wird zusätzlich zur Unterscheidung zwischen Verständnis- und Produktionsmechanismen noch zwischen einer Komponente zur Verarbeitung von arabischen Zahlen (Zahlen in Ziffernform z.B. 362) und einer Komponente zur Verarbeitung von verbalen Zahlen (Zahlworten, wie z.B.
dreihundertzweiundsechzig) differenziert.
Arabische und verbale Mechanismen
Innerhalb der arabischen und verbalen Zahlververständnis- und Zahlproduktionsmechanismen unterscheidet das McCloskey Modell zwischen lexikalischen und syntaktischen Verarbeitungsmechanismen.
Die lexikalische Verarbeitung beinhaltet Verständnis und Produktion der einzelnen Elemente einer
Zahl in ihrer Wortbedeutung (z.B. die Zahl 3 oder das Wort „drei“).
Die syntaktische Verarbeitung beinhaltet die Verarbeitung der Beziehung zwischen den Elementen
(z.B. Anordnung der Worte) um die Zahl als Ganzes zu Vergleichen oder zu Produzieren.
Die Übersetzung der verbalen Zahl „Sechshundert vierzig“ in eine semantische Repräsentation (Größenvorstellung) benötigt die lexikalische Verarbeitung der Worte „sechs, hundert, vierzig“ genauso wie
die syntaktische Verarbeitung, dass sechs gefolgt von zwei Nullen sechs mal hundert in der semantischen Repräsentation bedeutet.
Schlussendlich unterscheidet McCloskey innerhalb der lexikalischen Verarbeitung für verbales Verstehen und Produzieren zwischen einem phonologischen Verarbeitungsmechanismus für gesprochene Zahlen und einem graphematischen Verarbeitungsmechanismus für geschriebene Zahlen.
Z.B. das gesprochen produzierte Wort „sechs“ benötigt den Abruf der phonologischen Repräsentation
(sex) eines phonologischen Abruflexikons, wohingegen das geschrieben produzierte Wort sechs die
graphemische Repräsentation „s e c h s“ aus einem graphemischen Lexikon abruft.
Rechenmechanismen
Um Rechnungen durchführen zu können, benötigt es zusätzlich zum Zahlenverständnis und zur Zahlenproduktion arithmetik-spezifische kognitive Prozesse.
Im speziellen sind dies beim Modell von McCloskey
1.
eine Komponente zum Verständnis der Operationszeichen ( + )
2.
Verständnis der Signalworte für Operationen (plus)
3.
den Abruf arithmetischer Fakten
4.
und das Wissen um die Durchführung der Rechenprozeduren
Angenommen das Problem lautet beispielsweise:
62 * 58 =
In Bezug auf das oben genannte Modell würde die Verarbeitung des Operationszeichens „* “ zu einer
Aktivierung der Multiplikationsprozedur führen. Diese Prozedur, die einen genau geordneten Plan für
46
die Lösung einer Multiplikation zur Verfügung stellt, wird als erstes die rechten Ziffern fokussieren (in
diesem Beispiel 2 und 8).
Jetzt wird der Zahlenverständnisprozess aktiviert, um die Ziffern in eine abstrakte interne Repräsentation umzuwandeln. Diese Repräsentation gemeinsam mit der Repräsentation der Operation wird dann
als Input für den Faktenabrufprozess genommen, welcher dann gegebenenfalls eine abstrakte interne
Repräsentation des Produkts retourniert. Die Multiplikationsprozedur wird dann die Einerziffer abrufen,
um diese dann in arabischer Form in die rechte Kolumne zu schreiben. Hierfür ist eine Übersetzung
der internen Repräsentation in die arabische Ziffer notwenig, die dann niedergeschrieben wird.
Die Multiplikationsprozedur wird auf diese Weise fortgesetzt bis alle Teilprodukte berechnet sind. An
dieser Stelle wird die Additionsprozedur abgerufen, um die Teilprodukte zusammenzuzählen, zu
schreiben und zu kontrollieren.
Zusammenfassung
Das McCloskey Modell beschreibt Prozesse der numerischen Kognition beim Rechnen. Der numerische Input gleich welcher Modalität wird zunächst in einen abstrakten semantischen Code übersetzt.
Dieser abstrakte Code (oder auch abstrakte, interne semantische Repräsentation genannt) wird durch
Signalworte und semantische Informationen weiterverarbeitet. Rechenprozesse und numerische Prozesse wie Größenvergleiche werden mit dem semantischen Code durchgeführt. Wenn die Berechnung fertig ist, wird der abstrakte Code in den passenden Output-Code übersetzt.
Eine wichtige Aussage des McCloskey Modells ist, dass die verschiedenen Prozesse des Rechnens
(Enkodieren, Berechnen und Transkodieren in den Output-Modus) unabhängig voneinander stattfinden, das heißt zum Beispiel, dass die Eingabemodalität keine Rolle für die Berechnung und die Ausgabemodalität spielt.
Kritische Betrachtungen
Autoren wie Giaquinto (1995) bemängeln am Modell von McCloskey das Fehlen einer Komponente,
die man als „Konzeptuelles Wissen“ bezeichnet. Dieses konzeptuelle Wissen unterscheidet sich vom
Faktenwissen und prozeduralen Wissen grundsätzlich dadurch, dass Verständnis der arithmetischen
Operationen und Regeln gefordert wird. Das „Wissen Warum“ steht beim konzeptuellen Wissen im
Vordergrund, welches im Modell von McCloskey keine Erwähnung findet.
DeStefano und LeFevre (2004) nehmen an, dass verschiedene Codes bevorzugt verwendet werden,
um unterschiedliche arithmetische Operationen zu lösen. Aus diesem Grund ist das McCloskey Modell
möglicherweise nicht ausreichend, um alle arithmetischen Prozesse abzudecken. Sie führen ein Beispiel von Lee und Klang (2002) an, um zu zeigen, dass unterschiedliche Prozeduren unterschiedliche
Repräsentationssysteme bevorzugen. Lee und Kang ließen die koreanischen Probanden Multiplikations- und Subtraktionsaufgaben ausrechnen. Zusätzlich wurden phonologisch- und visuell-räumlichladende Aufgaben gestellt. Die Multiplikationsaufgaben wurden nur von der phonologischen Zusatzaufgabe gestört, die Subtraktionsaufgaben nur von der visuell-räumlichen. DeStefano und Lefevre
(2004) schreiben, dass die mentalen Codes, die für die Arithmetik verwendet werden, von der Präsentationsform der Rechnung und von unterschiedlichen Gedächtnisfunktionen abhängen.
47
Oben genannte Autoren gehen davon aus, dass die internen Codes nicht nur von der Aufgabenstellung abhängen, sondern auch oder viel mehr vom Format der Präsentation. Die Verarbeitungsprozesse des Encodierens und Berechnens interagieren miteinander. So gibt es deutliche Unterschiede zwischen verbaler und schriftlicher Präsentation in den Verarbeitungsmechanismen, auch die Darbietungszeit beeinflusst diese. Kurze Darbietungen und komplexe Aufgaben beanspruchen jedenfalls
phonologische Ressourcen und die vertikale Darbietung (im Gegensatz zur horizontalen Darbietung)
provoziert eher visuell-räumliche Arbeitsgedächtnisressourcen.
Berichte von Dehaene (2004), der verschiedenste neuropsychologische Dissoziationen zusammenfasst (siehe später) zeigen deutlich, wie spezifisch verschiedene Teilfunktionen des Rechenprozesses
verankert sind und wie viele Teilprozesse aber auch bei funktionierenden Rechenprozessen zusammenspielen. Insofern scheint mir das Modell von McCloskey relativ zu simpel, wenn es „Rechenmechanismen“ so plakativ unabhängig von der Modalität (verbal, numerisch, analog) beschreibt.
Abstrakte Zahlenrepräsentationen im Gehirn
Obwohl höhere Mathematik zweifelsohne eine spezifisch menschliche Fähigkeit ist, so gilt doch die
Annahme, dass die Grundlage des Rechnens so etwas wie ein „Zahlensinn“ oder „Zahlgefühl“ bildet.
Dieser Zahlensinn, der das Verständnis für Mengen und deren Beziehungen darstellt, ist etwas sehr
grundlegendes, universales, der sogar schon bei kleinen Kindern und Tieren ausgebildet ist.
Der Zahlensinn ist eine Grundfertigkeit, welche unabhängig von der Sprache funktioniert. Es besteht
die Hypothese, dass Menschen und Tiere in gewisser Weise eine sehr basale gemeinsame Grundlage
für Arithmetik haben, auf der die spezifisch menschlichen mathematischen Leistungen dann aufbauen
(Dehaene, 2003; Dehaene-Lambertz und Cohen, 1998).
Ohne jetzt die numerischen oder arithmetischen Fähigkeiten von Tieren im Detail zu beschreiben,
möchte ich zwei wesentliche Parallelen in Bezug auf die Zahlenrepräsentation anführen:
1. Der numerische Distanzeffekt (numerical distance effect)
Der Distanzeffekt, der bei Menschen und Tieren gefunden wird (Dehaene et al., 1998; Spelke et Dehaene, 1999), bezieht sich auf die Feststellung, dass die Fähigkeit zwischen zwei Anzahlen (Mengen)
zu unterscheiden umso besser ist, je größer der Abstand zwischen den zwei Zahlen (Mengen). Das
heißt zum Beispiel, dass es leichter ist, zwischen 6 und 12 Elementen zu unterscheiden, als zwischen
6 und 8.
48
Der Distanzeffekt besteht bei realen Größen und Mengen, beim Menschen auch bei Zahlen. Diese
Tatsache legt nahe, dass das menschliche Gehirn arabische Zahlen automatisch vom symbolischen
Code in eine analoge Mengenrepräsentation übersetzt (Dehaene et al., 1998, Dehaene, 1999).
2. Der Größeneffekt (number size effect)
Der Größeneffekt bezieht sich auf die Tatsache, dass bei gleicher numerischer Distanz, die Unterscheidung zwischen zwei Anzahlen schwieriger wird, je größer die Zahlen. Das heißt zum Beispiel bei
einer Distanz von zwei, ist es schwerer 10 von 12 zu unterscheiden, als 3 von 5.
Bei bestimmten Aufgaben verwenden also auch Menschen dieselben Repräsentationsmechanismen
wie Tiere. Diese Repräsentationsmechanismen sind geprägt von Unschärfe, von Schätzungen, die
ungenauer werden, je größer die Zahlen.
Affen können Zahlen nur in annähernder Weise speichern und verarbeiten. Aus diesem Grund wird
angenommen, dass dieser „Schätzkode“ der natürliche Kode ist, Zahlen im Gehirn ohne Kenntnis der
Sprache zu kodieren (Dehaene et al., 1999).
Annahmen in Bezug auf die mentale Zahlenlinie
Genau mit dieser Frage, wie gewisse kontinuierliche Reize, Empfindungen im Gedächtnis repräsentiert werden, haben sich schon Gründungsväter der experimentellen Psychologie beschäftigt. Ernst
Weber beschrieb schon 1831 seine Erkenntnisse, die wir heute das Weber´sche Gesetz nennen, wie
folgt: „Über einen großen dynamischen Spielraum, geltend für viele Parameter, steigt die Schwelle der
Diskrimination zwischen zwei Stimuli linear mit der Stimulusintensität.“ oder: „Die Steigerung eines
Stimulus, um eine gerade noch merkbare Änderung hervorzurufen, ist konstant.“ Später (1860) zeigte
Gustav Fechner, dass das Weber´sche Gesetz die Begründung sein könnte, dass externe Stimuli in
einer logarithmischen internalen Repräsentation skaliert werden.
Später diskutierte Stevens, ob eine Potenzfunktion dieser internalen Skala nicht besser entspricht als
eine logarithmische Funktion. Shepard (1975) führte eine multidimensionale Skaliermethode ein, um
das internale Kontinuum auf geometrische Art abzubilden.
Weber und Fechner konzentrierten sich in ihren Studien hauptsächlich auf perzeptive Kontinua, wie
Lautstärke, Stevens und Shephard zeigten, dass abstraktere Parameter, wie der Zahlensinn, auch
dem Weber´schen Gesetz folgen.
49
Abb: Feigenson et. al. (2004) S. 309. Zwei Modelle der mentalen Zahlenlinie
a)
ein lineares Modell
b)
ein logarithmisches Modell
Darstellung der mentalen Aktivierung als Funktion der Anzahl (Größe).
Zwei konkurrierende Modelle der Zahlenlinie, die dasselbe Verhalten abbilden.
Die oben abgebildeten Darstellungsmöglichkeiten werden noch immer heftig diskutiert, obwohl sie
beide in der Lage sind, dasselbe Verhalten abzubilden. In beiden Modellen werden größere Mengen
(Anzahlen) so dargestellt, dass sie sich mit Zunahme der Größe mehr und mehr mit den benachbarten
Größen überschneiden. Diese Variabilität steigert die Wahrscheinlichkeit eine Zahl mit der benachbarten Zahl zu verwechseln (Feigenson et al., 2004).
Dehaene (2003) schreibt, dass er und Changeux (1993) ein einfaches neuronales Netzwerk für die
Abbildung der Größen vermuten, welches Zahlen logarithmisch kodiert, um eine Explosion des Speicherplatzes für eine interne Repräsentation zu verhindern.
Diese Annahmen bestätigen sich an Versuchen mit Affen (Nieder und Miller, 2002), die zwei kleine
Mengen zwischen 1 und 5 Elemente unterscheiden sollten. Die Ergebnisse der Mengendiskrimination
sprechen klar für eine logarithmische Funktion und unterstützen somit das Weber- Fechner´sche Gesetz. Da Affen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in der Lage sind, die Zahlen 1 bis 5 exakt zu kodieren (z.B.: sprachlich) und dadurch einen linearen Code bilden, müssen sie die Größen in einer
„Schätzskala“ kodieren. Diese Skala, die Zahlen nur ungefähr abbildet, ist für Dehaene (Dehaene,
2003; Dehaene et al.1999) der natürliche Weg, Zahlen ohne Sprache zu repräsentieren.
Der SNARC – Effekt
Der SNARC – Effekt (Spatial Numerical Association of Response Code) reflektiert das Phänomen,
dass kleine Zahlen eher mit der linken Hand in Verbindung gebracht werden im Gegensatz zu größeren Zahlen, die eher mit der rechten Hand in Verbindung stehen (Dehaene et al., 1993). Das klassische Untersuchungsdesign lässt Probanden zuerst mit der rechten dann mit der linken Hand und (umgekehrt) Zahlenpaare auf Größe, u.ä. unterscheiden. Es zeigt sich, dass bei kleineren Zahlen die linke, bei größeren die rechte Hand schneller reagiert.
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Diese Tatsache führt zu der Annahme, dass die mentale Zahlenlinie in einer links-rechts Orientierung
abgebildet ist.
Dieser Effekt ist mit Sicherheit kulturabhängig, da die Schreibrichtung, in westlichen Kulturen linksrechts, in arabischen Ländern rechts-links, die Repräsentationsrichtung beeinflusst (Dehaene et al.
1993). Auch zeigen neuere Untersuchungen, dass der SNARC – Effekt bei anderen ordinalen Informationen, wie Monatsnahmen oder Buchstaben, vorhanden ist (Gevers et al., 2004).
Spezielle cerebrale Schaltkreise für die Zahlenverarbeitung
Viele Untersuchungsergebnisse stützen die Annahme, dass die inferioren parietalen Cortexgebiete
einen wesentlichen Beitrag zur biologisch determinierten numerischen Repräsentation leisten (Spelke
und Dehaene, 1999; Dehaene, 2003; Dehaene et al. 1998, Dehaene et al., 2004).
Hirnschädigungen genau dieser Gebiete in der linken Gehirnhälfte führen zu sehr selektiven Ausfällen
des Verständnisses und der Verarbeitung von Zahlen. Umgekehrt können auch gravierende Schädigungen in der Sprachverarbeitung bei Läsionen dieser Areale auftreten bei völlig intakter Zahlenverarbeitung. Das heißt, dass neben der Dissoziation dieser beiden Fähigkeiten bemerkenswert scharf
umschriebene Schädigungen auftreten können.
Forschungsergebnisse aus verschiedensten Teilen der Welt mit verschieden Kulturen, Unterrichtsmethoden und Rechenarten zeigen mit hoher Übereinstimmung, dass die inferiore Parietalhirnregion immer entscheidend für das Rechnen ist. Andere Autoren beschreiben diese inferiore Parietalhirnregion
genauer als intraparietalen Sulcus der Parietalhirnregion (Dehaene et al., 2003; Dehaene et al., 2004).
Lernen, Kultur und Unterricht scheinen diese Lokalisation nicht zu beeinflussen (Spelke und Dehaene,
1999).
Die inferiore Parietalhirnregion scheint sehr speziell für die Zahlenverarbeitung verantwortlich zu sein,
da einige Kinder mit schwerer Rechenstörung trotz guter Begabung, normaler sprachlicher Entwicklung und speziellem Unterricht nicht in der Lage waren, so etwas wie ein Konzept für Zahlen zu entwickeln. Wenige genaue Daten zur Gehirnforschung liegen bei Kindern mit Rechenstörung vor, doch
zumindest bei einer vorliegenden Studien konnte dieses Defizit mit einer frühen Gehirnschädigung der
linken inferioren Parietalhirnregion gebracht werden (Levy, Reis & Grafman,1999).
Studien, die die Durchblutung des Gehirns während spezieller Aktivitäten darstellen, geben ebenso
Auskunft über Lokalisation der Zahlenverarbeitung im Gehirn.
Roland und Fridberg (1985) stellten fest, dass Personen während wiederholter Subtraktion beidseitige
Aktivierung des inferioren parietalen und präfrontalen Cortex zeigten. FMRI-Studien von 1995 konnten
diese Ergebnisse bestätigen. Positronen Emissions Tomografie - Studien zeigten bei Aufgaben zum
Zahlenvergleich und bei Multiplikationen, dass die Aktivierung genau auf die intraparietale Region eingeschränkt werden konnte (Dehaene & Cohen, 1997; Dehaene et al. 1998).
51
Mehrere Studien belegen diese inferiore parietale Aktivität für Aufgaben zur Distanzunterscheidung
zweier Zahlen und bei Multiplikationsaufgaben, die Notation (arabisch oder geschriebene Worte) oder
Darbietungsform (auditive oder visuelle Darbietung) spielt dabei aber keine Rolle.
Dehaene et al. (1998) folgern, dass der Distanzeffekt und Größeneffekt beide auf dieses inferiore parietale Gebiet zurückgeführt werden können.
Weiters beschreiben diese Autoren, dass obwohl die Aktivierung immer beidseits ist, der linke inferiore
parietale Lappen bei Multiplikationen stärker aktiviert wird, der rechte hingegen während des Zahlenvergleichs. Subtraktionen hingegen rufen beidseitige Aktivitätssteigerungen hervor. Studien an cerebralgeschädigten Patienten können dies bestätigen.
Trotz dieser Spezialisierung ist es wichtig, dass ein biparietales Netzwerk allen Aufgaben zugrunde
liegt. „Dieses Netzwerk ist die Grundlage des Zahlengefühls.“ (Dehaene et al., 1998).
An cerebralgeschädigten Patienten lässt sich sehen, dass Algebra-Wissen (a + b = c, also c – b = a)
bei beeinträchtigtem Zahlenwissen noch intakt sein kann (Hittmair-Delazer, 1995; Dehaene, 1992),
was wieder annehmen lässt, dass dieses Wissen separat verarbeitet wird. Auch lässt sich ein Beispiel
von einem Patienten mit Schädigung der Basalganglien und intaktem inferioren Parietalhirn anführen,
der keine Malreihen mehr aufsagen konnte, aber Zahlen vergleichen, einfache Additionen und Subtraktionen, neben Bisektionsaufgaben lösen konnte (Dehaene & Cohen, 1997).
„Der intraparietale Cortex ist nur ein Teil von vielen cerebralen Codes für Zahlen, aber er ist der entscheidendste Teil – die Repräsentation der kardinalen Bedeutung, auf der die gesamte Arithmetik
aufbaut.“ (Dehaene et al 1998).
Übersicht: Schematische Darstellung der Zahlenverarbeitung im Gehirn
52
Abbildung: Dehaene, 2003, S. 494: „Dreidimensionale Repräsentation der beteiligten parietalen Regionen.“
Die Färbungen zeigen die parietale Aktivierung in mindestens 40% der Studien in einer Gruppe.
Abkürzungen: HIPS: bilaterales horizontales Segment des intraparietalen Sulcus
AG: Gyrus Angularis
PSPL: Bilateraler posteriorer superiorer Parietallappen
1. Der intraparietale Sulcus und der „Zahlensinn“
Bei sehr einfachen Rechenaufgaben, wie Zahlenvergleich, spielt ein bilaterales horizontales Segment
des intraparietalen Sulcus eine entscheidende Rolle (Dehaene et al., 2004). Diese Aktivierung zeigt
sich sehr selektiv bei semantischen Distanzaufgaben zwischen Zahlen, nicht aber bei deren Notation.
Diese Region ist amodal und nicht spezialisiert auf für eine spezielle Form der Notation (Eger et al.,
2003, Naccache et al., 2001).
Die Aktivierung dieses intraparietalen Sulcus zeigt sich besonders stark rechts bei Schätzaufgaben
(Dehaene et al, 2004).
Bei Rechenaufgaben wie 3 * 7 oder 7 - 4 zeigen neue Methoden zur Darstellung der neurologischen
Aktivierung, dass neben parietaler auch präfrontale und zinguläre Gebiete aktiviert sind.
Die intraparietale Aktivierung findet immer statt, die präzentralen und inferioren frontalen Aktivitäten
sind oft mitaktiviert. Speziell Zeitdruck beeinflusst die Aktivitäten des inferioren frontalen Gyrus. Von
den präfrontalen Regionen wird angenommen, dass sie die fortlaufenden Operationen im Arbeitsgedächtnis koordinieren (Dehaene et al, 2004).
2. Posteriore dorsale Parietalhirnaktivierung (oder posteriorer superiorer Parietallobulus)
53
Wenn Zählaktivitäten verlangt sind, welche zu räumlichen Bewegungen in Beziehung stehen, stehen
posteriore dorsale parietale Aktivitäten im Vordergrund. Dieses bilaterale System unterstützt die Orientierung der Aufmerksamkeit auf die mentale Zahlenlinie, genauso wie es eine zentrale Rolle in einer
Vielzahl visuell-räumlicher Aufgaben spielt (Dehaene, 2003). Dehaene (2003) nimmt an, dass dieses
System neben der Aufmerksamkeit, die sich auf räumliche Orientierung bezieht, auch Aufmerksamkeit
auf andere mentale Dimensionen, die analog zur räumlichen sind (Zeit, Zahlen) lenkt.
Genaue Analysen von FMRI Studien zeigen, dass diese oben genannte Aktivierung des Aufmerksamkeitssystems beim Subitizing (Wahrnehmen kleiner Einheiten als Ganzes) nicht benötigt wird.
Subitizing und Schätzen aktivieren direkt das System für das Schätzrechnen, ohne das serielle Zählen
zu beanspruchen (Dehaene et al, 2004).
3. Gyrus Angularis
Es ist zwischen der intraparietalen Aktivierung für Zahlenverarbeitung und der Aktivität des linken Gyrus Angularis zu unterscheiden, welche besonders bei Multiplikationen benötigt wird. Die Funktion des
Gyrus Angularis wird mehr mit linguistischer als mit numerischer Verarbeitung in Verbindung gebracht.
Diese Gehirnregion wird beim Zahlen Benennen oder Phoneme Erkennen aktiviert (Simon et al.,
2002). Vereinfacht könnte man sagen, dass der linksseitige Gyrus Angularis bei arithmetischen Operationen, die sprachliches Faktenwissen erfordern, aktiv wird und andere Aufgaben, die eher die mentale Zahlenlinie beanspruchen, im intraparietalen Sulcus Aktivierung zeigen (Dehaene et al., 1995,
Dehaene, 1992).
Dehaene et al. (2004), S. 220: „Schematisches Diagramm der Informationsverarbeitungsprozesse, die bei arithmetischen Aufgaben mit arabischen Zahlen beteiligt sind.“ Dieses Diagramm zeigt eine Zusammenfassung Dehaene et al.´s (2004) von ähnlichen Diagrammen.
Obwohl immer noch nicht alles zufrieden stellend geklärt ist, zeigen Diagramme dieser Art verschiedene neuropsychologische Dissoziationen, die an Erwachsenen Patienten mit cerebralen Läsionen beobachtet werden.
54
„Läsion 1: zeigt eine Alexie; hat die Unfähigkeit Zahlen zu lesen und multiplizieren zur Folge, aber nicht Zahlen
Vergleichen oder Subtrahieren
Läsion 2: zeigt eine phonologische Dyslexie; hat die Unfähigkeit Zahlen zu lesen zur Folge, aber nicht Multiplizieren, Subtrahieren oder Vergleichen
Läsionen 3 und 4: zeigen die häufig zu beobachtenden Doppeldissoziationen zwischen Multiplikation und Subtraktion bei Patienten, die Zahlen lesen können. Gleichzeitig können assoziierte Defizite im Vergleich und nichtsymbolischen Zahlenverarbeitung vorhanden sein.
Läsion 5: könnte folgendes Bild erklären: Patienten können arithmetische Probleme mündlich nicht lösen, dafür
aber schriftlich.
Abkürzungen:
Left AG: linker Gyrus Angularis; FuG: Gyrus fusiformis; HIPS: horizontales Segment des intraparietalen Sulcus;
IFG: inferiorer Gyrus frontalis“
Die oben gezeigte Abbildung zeigt eine Zusammenfassung mit einer schematischen Darstellung aller
genannten Verarbeitungssysteme. Anhand von Beispielen von cerebralen Läsionen wird gezeigt, welche funktionalen Ausfälle Läsionen verschiedener Gehirnregionen zur Folge haben. Umgekehrt wird
durch Darstellungen dieser Art auch klar, welche Funktionszusammenhänge beim Rechnen bestehen.
Zusammenfassung
Der Einfachheit halber möchte noch einmal die Aussage Dehaenes wiederholen, die da lautet: „Der
intraparietale Cortex ist nur ein Teil von vielen cerebralen Codes für Zahlen, aber er ist der entscheidendste Teil – die Repräsentation der kardinalen Bedeutung, auf der die gesamte Arithmetik aufbaut.“
(Dehaene et al. 1998).
Dazu kommt noch ein für die linguistischen Anteile der Zahlenverarbeitung notwendige Funktionskreis
im linken Gyrus Angularis. Dieser ist für sprachliche Informationen (Zahlen lesen), wie auch den Faktenabruf verantwortlich. Ev. Sprachliches Kurzzeitgedächtnis (Kaufmann und Nuerk 2005).
Die bilaterale posteriore dorsale Parietalhirnaktivierung zeigt sich für die Aufmerksamkeitsfokussierung auf numerisch räumliche Informationen. Zählen in Kombination mit Bewegung, spezifisch räumliche Informationen, Aufmerksamkeitsfokussierung auf den Zahlenstrahl und ähnliche Funktionen werden dieser Region zugeordnet (Dehaene, 2003).
Mit Sicherheit sind noch viele andere Funktionskreise bei diversen Operationen und numerischen Fähigkeiten involviert, die weder alle genannt noch in übersichtlicher Form dargestellt werden können.
Um die Übersichtlichkeit zu wahren, möchte ich mich auf diese 3 oben beschriebenen Funktionskreise
beschränken.
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Schwierigkeiten im Rechenerwerb
Für die Tatsache, dass Kinder Schwierigkeiten im Erwerb des Rechnens haben, sozusagen eine Störung der numerischen Entwicklung, wird im englischsprachigen Raum der Begriff „Developmental
Dyscalculia“ verwendet.
Das UK Department for Education and Skills (DfES) definiert diese Entwicklungsstörung folgendermaßen:
„Es ist ein Zustand, der die Fähigkeit arithmetische Fertigkeiten zu erlernen betrifft. Dyskalkulische
Lerner können Schwierigkeiten im Verständnis einfacher mathematischer Konzepte haben, einen
Mangel an intuitivem Verständnis für Zahlen zeigen, und haben Probleme, Zahlenfakten und Prozeduren zu lernen.
Auch wenn sie eine richtige Antwort geben oder eine Methode korrekt anwenden, so werden sie es
mechanisch und ohne Verständnis tun.“ (DfES, 2001)
Diese Definition betont das intuitive Verständnis für Zahlen, welches die Idee des Mengenverständnisses beinhaltet. Die anderen Probleme, die dyskalkulische Kinder zeigen, sind Folgeerscheinungen
dieses mangelnden Verständnisses.
Im deutschsprachigen Raum ist die Definition nach ICD 10 die unter Psychologen und Medizinern am
häufigsten verwendete Definition.
Dyskalkulie
Nach dem ICD 10 liegt eine Rechenstörung (F81.2) dann vor, wenn diese umschriebene Entwicklungsstörung der schulischen Fertigkeit „Rechnen“ nicht durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder unangemessene Beschulung erklärbar ist. Entwicklungsstörung meint, dass diese „krankheitswertige Störung“ in früher Kindheit begonnen hat und stetigen Verlauf zeigt.
Betroffen sind vorwiegend die einfachen Rechenoperationen: „Addition, Subtraktion, Multiplikation und
Division“, weniger die höheren mathematischen Fähigkeiten.
Kennzeichnend ist die entgegen der sonstigen Intelligenzleistung deutlich niederere Rechenleistung.
Generell beobachtet man bei umschriebenen Entwicklungsstörungen als sekundäre Problematik häufig Verhaltens- und emotionale Störungen (Aufmerksamkeitsstörungen, Aggressionen, sozialer Rückzug, Angst/ Depressionen).
Das ICD 10 (International Classification of Diseases) ist ein Klassifikationsschema, welches die Zuordnung von verschiedenen Symptomen zu bestimmten Krankheitsbildern erlaubt und somit bestimmte „krankheitswertige“ Diagnosen aufgrund festgelegter Kriterien möglich macht.
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Andere Autoren, vor allem im pädagogischen Umfeld, verwenden zur Bezeichnung von hartnäckigen
und tief greifenden Schwierigkeiten im Rechenerwerb den Begriff „Rechenschwäche“. Sie gehen
beim Begriff „Rechenschwäche“ schlicht (in Analogie zur Lese-Rechtschreibschwäche) von sehr
schwachen rechnerischen Leistungen unabhängig von der Begabung aus. Diese Autoren unterscheiden den Begriff „Rechenschwäche“ vom Begriff „Dyskalkulie“, welcher klassischerweise über die Begabungsdiskrepanz definiert wird.
Landerl et al. (2004) fassen zusammen, dass …“dyskalkulische Kinder allgemeine Defizite in der Zahlenverarbeitung haben. Dazu gehören unter anderen:
o
die Verarbeitung von verbalen und semantischen numerischen Informationen,
o
Punkte Zählen,
o
das Aufzählen von Zahlwortreihen,
o
und das Schreiben von Zahlen.“
Landerl et al. (2004) beschreiben Dyskalkulie als ein Defizit des Konzepts der Numerosität. „Dyscalculia as a deficit in the concept of numerosity and its processing“. Sie betonen Forschungsergebnisse,
insbesonders neuropsychologische Forschungsergebnisse, die auf ein „Number Module“ hin deuten,
welches sich mit numerischen Repräsentationen befasst (Butterworth, 1999).
Das Muster von Defiziten ist einerseits zu breit und andererseits zu spezifisch um durch allgemeine
Begriffe wie mangelnde räumliche, verbale oder Gedächtnis-Leistungen erklärbar zu sein. „Dyskalkulie
kann am besten als Defizit der Repräsentation und Verarbeitung von spezifisch numerischer Information definiert werden.“ (Landerl et al.2004).
An dieser Stelle sei kurz der Begriff „Akalkulie“ erwähnt, der die erworbene Rechenstörung, beispielsweise durch eine cerebrale Läsion, meint.
In der Neuropsychologie ist laut Heubrock und Petermann (2000) der Begriff „Dyskalkulie“ für die entwicklungsbezogene Rechenstörung üblich. Im anglo-amerikanischen Raum werden die Begriffe „arithmetic disabilities“ oder „ mathematical disabilities“ angewandt. Rouke (1989) verwendet den Begriff
„Nonverbal Disabilities“ (siehe später). Manche Autoren betonen der Entwicklungs-Aspekt mit der
Verwendung des Begriffs „developmental dyscalculia“.
In der folgenden Arbeit wird der Begriff Dyskalkulie und Rechenschwäche synonym verwendet. Es
handelt sich dabei immer um tiefgreifende und hartnäckige Schwierigkeiten im Rechenerwerb. Zwischen Rechenschwäche und Rechenstörung findet sich ein Unterschied in der Ausprägung der
57
Schwierigkeiten, der aber auf die Qualität der Schwierigkeiten keine Auswirkungen zeigt. Um die Entwicklung des mathematischen Verständisses, dessen Defizite, die Ursachen, neurologische Korrelate
und mögliche Interventionen zu erforschen, spielt die Begabungsdiskrepanz und der Schweregrad der
Störung eine untergeordnete Rolle.
Symptomatik
Grundsätzlich muss gesagt werden, dass Arithmetik keine einfache Einheit darstellt, sondern aus verschiedenen Komponenten besteht: Wissen um arithmetische Fakten, prozedurales Wissen, konzeptuelles Wissen - wie die Verwendung arithmetischer Prinzipien (z.B.: Kommutativität oder Vertauschung), Schätzen, Anwendung arithmetischen Wissens in Textaufgaben oder praktischen Situationen. Infolge dessen liegt bei der „Rechenschwäche“ zumeist auch keine singuläre Störung oder
Schwäche der Fähigkeit „Arithmetik zu rechnen“ vor. Vielmehr handelt es sich bei der Rechenschwäche um eine Störung einer oder mehrerer dieser Komponenten (A. Dowker, 2004).
Es herrscht große Übereinstimmung darüber, dass ein zentrales Merkmal der Rechenschwäche die
Schwierigkeit des Lernens und Abrufens von arithmetischen Fakten ist (Geary, 1993; Geary, 2004;
Dowker, 2004). Weitere Merkmale betreffen die Probleme bei der Durchführung der Rechenprozeduren durch „unreife“ Problemlösestrategien, mit langen Lösungszeiten und oder hohen Fehlerzahlen
zur Folge. Weitere typische Schwierigkeiten betreffen ganz allgemein das Lösen von Textaufgaben,
das Verständnis der dekadischen Struktur und die Ausführung von mehrstufigen Operationen (Dowker, 2004).
Diese Komponenten können sogar unabhängig voneinander gestört sein, mangelhafte Faktenabruf
und die prozeduralen Schwierigkeiten werden von Temple (1991) als dissoziierbar beschrieben.
Das Erscheinungsbild der Rechenschwierigkeiten kann sich auch mit dem Alter der Kinder verändern.
Rechenschwache Kinder zeigen in der 1. Schulstufe signifikante Schwierigkeiten des Zählprinzips
„Order Irrelevance“, Schwierigkeiten im Fakten-Abruf, und gehäuft Fehler in der Zählprozedur. Die
Fehler in der Zählprozedur waren in der 1. Schulstufe allerdings häufiger als in der 2. Schulstufe (Geary, Hamson und Hoard, 2000). Während normal entwickelnde Kinder zwischen 1. und 2. Schuljahr
vom zählenden Rechnen mit Hilfe der Finger zu verbalen Zählstrategien und Faktenabruf wechseln,
findet bei rechenschwachen Kindern dieser Wechsel nicht statt. Sie verbleiben beim Rechnen mit den
Fingern (Geary, 2004). Während der gesamten Volksschulzeit scheint sich die Fähigkeit Fakten aus
dem Langzeitgedächtnis abrufen zu können für die meisten Kinder nicht substanziell zu verbessern
(Geary, 2004).
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Prävalenz
Die Angaben zur Prävalenz schwanken in einem Bereich zwischen 3 und 8% (Badian 1998; Esser und
Schmidt. 1994; Lewis et al. 1994; Hein et al. 2000; Shalev et al., 2001; Geary, 2004).
Die Angaben zur Prävalenz schwanken nicht zuletzt dadurch, dass unterschiedliche Kriterien oder
Messinstrumente zur Operationalisierung der Rechenschwäche herangezogen werden.
Lewis, Hitch and Walker (1994) verwenden beispielsweise ein Diskrepanzkriterium, welches zumindest einen Intelligenzquotienten von 90 oder mehr verlangt (Raven-Test) und auf der anderen Seite
muss der Rechentest unter einem Score von 85 Standardwerten liegen (Young`s Group Mathematics
Test). Sie kommen auf insgesamt 3.6 Prozent der Kinder mit schweren Rechenschwierigkeiten bei
normaler Begabung, davon haben 2,3 Prozent Schwierigkeiten auch im Lesen und Schreiben.
Gross-Tsur, Manor & Shalev (1996) zogen als Kriterium für die Dyskalkulie das Ausmaß der Beeinträchtigung heran. Sie operationalisierten dies durch den Gesamtskalenwert einer umfangreichen individualisierten Testbatterie, der zumindest dem Mittelwert oder weniger für 2 Jahre jüngere Kinder entsprechen musste. Sie klassifizierten 6,2 Prozent der Kinder als rechenschwach und erhoben nachträglich die Begabung durch den WISC-R. Die Begabungswerte zeigten eine Streuung zwischen 80 und
129, der Durchschnittswert lag bei 98,2.
Laut Schwenk und Schneider (2003) tritt bei 20 bis 60% der Kinder Dyskalkulie gemeinsam mit Legasthenie auf. Lewis, Hitch & Walker (1994) liegen mit ihren Annahmen bei 40 %, dass Dyslektiker
auch Rechenstörungen haben.
Gross-Tsur, Manor und Shalev (1996) fanden bei 17 Prozent der Kinder mit Dyskalkulie gleichzeitig
auch eine Dyslexie und 26% der Kinder hatten zusätzlich auch Symptome eines Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndroms (ADHS).
Geary (1993) gibt bei 43% der rechenschwachen Kinder auch schlechte Leseleistungen an. Umgekehrt zeigen laut Geary (1993) 56% der leseschwachen Kinder schlechte Leistungen in Rechnen.
Persistenz
Rechenstörungen zeigen wie viele frühe Lernschwierigkeiten eine deutliche Tendenz zur Chronifizierung (Esser und Schmidt, 1993; v. Aster, 1996. Klicpera und Gasteiger-Klicpera, 1995).
Shalev, Manor, Auerbach und Gross-Tsur (1998) stellten bei einer follow-up-Studie fest, dass bei 47%
der Kinder nach 3 Jahren immer noch eine Störung im Rechnen fortbesteht.
59
Eine 6 Jahres Studie von Aster et al. (1997) bestätigt diese Ergebnisse, weil sich nur 4 von 10 rechenschwachen Kindern in den mathematischen Leistungen verbessern konnten.
Alltagsrelevanz und langfristige Konsequenzen
Kinder mit umschriebenen Entwicklungsstörungen liegen mit ihren schulischen Leistungen deutlich
hinter den Erwartungen ihrer intellektuellen Begabung. Vielfach wird eine Ausbildung nicht erfolgreich
abgeschlossen (vgl. Maughan, 1995), ein akademischer Beruf kommt seltener in Frage. Empirische
Daten belegen eine Tendenz, eher handwerkliche Berufe zu ergreifen, in der Hoffnung den Teilleistungsschwächen durch die Berufswahl zu entgehen (vgl. Esser et al. 2002).
Rechenstörungen beeinträchtigen die Lebensqualität, da sie den alltäglichen Umgang mit Zahlen beim
Kochen, Bezahlen und Schätzen von Einkaufsgut, Erledigen von Bankgeschäften, Schätzen von Entfernungen und Zeiten usw. betreffen.
Der Einfluss auf das Lohnniveau ist bei Rechenstörungen größer als bei Störungen im schriftsprachlichen Bereich (Paglin und Rufolo. 1990). Paglin und Rufolo beschreiben eine lineare Beziehung zwischen den Löhnen und Berufen, die einen College-Abschluss erfordern. Je mehr Mathematikbezug
die Berufe hatten, umso höher waren die Gehälter.
Geschlechtsunterschiede
In der Vergangenheit waren die Burschen in ihrer Rechenleistung den Mädchen konsequent überlegen (Cockcroft, 1982). Dies mag laut Butterworth (2005) auch damit zu tun haben, dass die Einstellungen zu den Rechleistungen lange Zeit unterschiedlich waren. Es galt für Mädchen beinahe als unschick, gute Rechenleistungen zu zeigen, oder es war zumindest gleichgültig, wenn Mädchen schlechter in Rechnen waren. Heute haben die Mädchen Burschen in den rechnerischen Leistungen beinahe
eingeholt.
Profil schreibt in Zuge der „Pisa-Debatte“: „Insgesamt weisen Burschen in der Mehrheit der Länder
bessere Mathematikfähigkeiten auf als Mädchen. In Österreich, den USA und den Niederlanden gibt
es keine größeren Unterschiede. Bloß in Island können Mädchen besser rechnen als Burschen.“
Spelke (2005) sammelt die häufigsten Vorurteile und Annahmen in Bezug auf Mathematik und Geschlechtsunterschiede, die da lauten: „Burschen haben eine größere natürliche Begabung für Mathematik und Wissenschaft.“ „Burschen zeigen von Beginn an ein größeres Interesse an mechanischen
Systemen und Objekten.“ „Burschen zeigen räumliche und numerische Fähigkeiten, die ihnen bessere
Voraussetzungen für mathematische Leistungen mitgeben.“ und „Burschen zeigen eine breitere Variabilität in ihrer mathematischen Begabung.“ Spelke schreibt, dass die Forschungsergebnisse der kog-
60
nitiven Entwicklung bei kleinen Kindern, Vorschülern und Schülern aller Alterstufen klare Beweise gegen diese Annahmen liefern. Mathematisches und wissenschaftliches Denken entwickelt sich aus biologischen Kapazitäten, die für Mädchen wie für Burschen gleich sind. Aus diesen Kapazitäten entwickeln Frauen und Männer dasselbe Talent für Mathematik und Wissenschaft.
Diverse Autoren messen immer wieder Vorteile des einen oder anderen Geschlechts, die sich aber im
Laufe der Entwicklung wieder verschieben bzw. umdrehen, so dass insgesamt kein Konsens über einen Vorsprung für ein Geschlecht gefunden werden kann.
Die TIMSS Studie 2003 zeigte in England keine Geschlechtsunterschiede in Bezug auf Mathematik in
der 4. Schulstufe. In anderen Staaten, wie USA, Niederlande, Schottland und Italien waren Burschen
besser als Mädchen. In Singapur, Moldavien und auf den Philippinen waren die Mädchen besser als
die Burschen. In der 8. Schulstufe zeigte sich in der TIMSS Studie 2003 dasselbe Bild wie in der 4.
Schulstufe. Es zeigte sich kein allgemeiner Unterschied zwischen den Geschlechtern. Es gab lediglich
Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern, die sich in Summe aber wieder ausglichen.
Weiters beschreibt eine Studie von Zulauf, Schweiter und v.Aster (2003) einen Vorsprung der Mädchen in Bezug auf mathematische Fähigkeiten im frühen Vorschulalter, der sich im Laufe der Vorschulzeit zu Gunsten der Burschen, erklärt durch spezifisches Interesse an matherelevanten spielerischen Tätigkeiten, verändert.
Die Studie von Krajewski (2003) zeigte einen Vorsprung der Jungen im zahlenbezogenen Vorwissen
im Kindergarten und auch bessere Rechenleistungen im ersten Schuljahr bei Jungen. Der Leistungsunterschied lies sich aber Ende des zweiten Schuljahres nicht mehr nachweisen. Mädchen zogen zu
diesem Zeitpunkt mit den Jungen gleich und zeigten vor allem bessere Lese- und noch deutlich bessere Rechtschreibleistungen Ende der 2. Klasse.
In Bezug auf Rechenstörungen beschreiben einige Autoren diese Störung als nicht geschlechtsspezifisch (Gross-Tsur et al., 1996, Lewis et al., 1994).
Einige Autoren vertreten die Auffassung, dass Mädchen und Frauen über ungünstigere Selbstkonzepte in Bezug auf Mathematik verfügen und häufiger unter spezifische Mathematikängsten leiden (Ashcraft & Kirk, 2001; Ashcraft 2002). Angst führt zu einer geringeren Kapazität des Arbeitsgedächtnisses
und folglich zu geringen Rechenleistungen (Ashcraft et al. 1998).
Ashcraft et al. (1998) finden vor allem bei den hoch Mathematik-ängstlichen Personen überproportional viele Frauen. Sie vermuten, dass Frauen mehr beeinflusst werden von negativen Einstellungen
rundherum und dass sie auch eher bereit sind, diese zuzugeben.
Krajewski konnte jedoch keine Zusammenhänge zwischen den tatsächlichen Leistungsunterschieden
der Geschlechter und der Selbsteinschätzung (Selbstkonzept) feststellen.
61
Fennema (1989) wiederum beschreibt, dass Burschen bessere Rechner sind, besonders bei schwierigen Aufgaben. Sie beschreibt zwar auch, dass es unterschiedliche Ergebnisse gibt, aber wenn ein
Geschlecht besser abschneidet, dann in der Regel die Burschen. Sie beschreibt, dass Burschen mehr
Vertrauen in sich haben, Mathematik zu lernen, dass Burschen Mathematik für nützlicher erachten
und dass sie Erfolge mehr auf sich selbst bezogen attribuieren. Fennema stellt auch fest, dass die
Kommunikation zwischen Burschen und Mädchen mit den Lehrern anders verläuft. Man beachte die
Ergebnisse sind gut 15 Jahre her, möglicherweise hat sich dies in der Zwischenzeit schon sehr verändert. Burschen interagieren mehr mit den Lehrpersonen als Mädchen, Lehrer initiieren mehr Kontakte
zu Burschen als zu Mädchen. Burschen werden häufiger diszipliniert und auch gelobt. Lehrpersonen
helfen Burschen, wenn diese um Hilfe bitten, schneller als Mädchen. Burschen werden auch häufiger
für die Qualität ihrer Arbeit getadelt als Mädchen.
Fennema fasst zusammen, dass Geschlechtsunterschiede in der Mathematikleistung bestehen, zu
dem, dass affektive Variabeln, die wichtig für das Lernen sind unterschiedlich sind und Lehrpersonen
unterschiedlich mit Schülern und Schülerinnen interagieren. Auf jeden Fall kommt bei Fennema (1989)
eine bessere Leistung für Burschen dabei heraus.
Ann Dowker (2004) zitiert eine Studie zu Geschlechtsunterschieden in Mathematik, die den Hauptunterschied zwischen beiden Geschlechtern im Faktenabruf sieht. Eine Studie von Royer et al. (1999)
belegt, dass sowohl Burschen als auch erwachsene Männer mathematische Fakten schneller abrufen.
Ann Dowker vermutet aber, dass hinter dem Faktenabruf aber auch konzeptuelles Verständnis steckt,
welches den Fakten Bedeutung gibt. Oder dass eine Abneigung gegenüber dem Gegenstand Mathematik weniger Üben zur Folge hat und schließlich den Faktenabruf negativ beeinträchtigen kann. Es
gibt noch keinen Nachweis, dass wirklich das Speichern von Fakten tatsächlich bei Frauen schlechter
ausgebildet ist oder dass basales Rechnen wirklich schwächer wäre.
Studien von Geary et al. (2000) und Casey et al. (1995) gehen von deutlichen Geschlechtsvorteilen in
Mathematik für Burschen aus. Casey nimmt an, dass die räumlichen Fähigkeiten für einen Gutteil dieses Geschlechtsvorteils verantwortlich sind. Die Studie von Geary et al. (2000) führt den Vorteil im
Rechnen, gemessen durch verbale Rechenaufgaben, ebenfalls auf bessere räumlichen Fähigkeiten
und bessere rechnerische Flüssigkeit zurück.
Zusammenfassung:
Neuere Studien in Bezug auf die Rechenleistungen ergeben kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Ältere Studien hingegen sehr deutliche Differenzen zwischen den Geschlechtern, die allermeistens zu Gunsten der Burschen ausfielen. Butterworth (2005) führt diese Unterschiede auf verschiedene Einstellungen zurück, die noch vor 20 Jahren viel deutlicher ausgeprägt waren als heute.
Spelke (2005) schreibt, dass biologisch keinerlei Unterschiede zwischen den neurologischen Voraussetzungen zum Rechnen lernen vorhanden sind, sodass keine biologische Begründung für einen Geschlechtsunterschied vorliege.
62
Dennoch gibt es Autoren, die von einem Geschlechtsvorteil für Burschen ausgehen, Geary (2000) und
Casey et al (1995) nennen Vorteile in den räumlichen Fähigkeiten als Ursache für die besseren rechnerischen Fähigkeiten.
Ursachen
Es herrscht große Einigkeit darüber, dass eine genetische Disposition für umschriebene Entwicklungsstörungen besteht. Gross-Tsur, Shalev, Manor und Amir (1995) fanden bei 42% der rechenschwachen Kinder bei Angehörigen ersten Grades Lernstörungen. Geschwister können bis zu 60 %
(Warnke und Roth. 2002) ebenfalls betroffen sein, Eltern zu gut einem Drittel. Geary (2004) zitiert
Shalev et al. (2001), die sich mit familiären Mustern der Lernstörung in Rechnen befasst. Shalev e
al.´s (2001) Ergebnisse zeigen, dass Familienmitglieder ersten Grades (Eltern und Geschwister) 10
mal das größere Risiko aufweisen, wieder eine Rechenstörung zu entwickeln, als die Normpopulation.
Jacobs und Petermann (2003) verdeutlichen, dass die Rechenstörung multikausal verursacht ist.
Neben genetischen Faktoren begünstigen laut oben genannten Autoren auch neuropsychologische
Störungen, Hirnreifestörungen, psychosoziale, sowie didaktische Faktoren eine Dyskalkulie.
Dowker (2004) beschreibt überlappende Faktoren wie individuelle Charakteristiken aus unüblichen
Mustern der Hirnentwicklung, unangemessene oder unpassende Beschulung und einen Mangel an
Erfahrung mit mathematischen Inhalten im vorschulischen Alter.
Ungünstige Einflüsse im Bereich Eltern-Kind oder Lehrer-Kind Interaktion treten dann meist hinzu.
Geary (Geary, 2004; Geary et al. 2000) nimmt an, dass die Schwierigkeiten vieler rechenschwacher
Kinder Fakten aus dem Langzeitgedächtnis abzurufen, auf kognitive Defizite zurückzuführen sind und
nicht auf mangelnde Übung, geringe Motivation, ein niederes Konfidenzkriterium oder niedere Begabung.
Landerl et al. (2004), Dehaene et al. (2003) sprechen von einer zugrunde liegenden angeborenen Störung im Verstehen numerischer Konzepte, im speziellen des Zahlbegriffs, ein Inhalt, welcher unabhängig von anderen Fähigkeiten ist. Sie gehen vom Existieren eines „Zahlenverarbeitungsmoduls“
aus, welches sich im Parietallappen befindet (Butterworth, 1999). Die Ursache für eine Dyskalkulie ist
laut oben genannten Autoren am ehesten in einer Störung dieses Moduls anzunehmen.
Dehaene et al. (2003), die bei vielen dieser Kinder ein Kerndefizit des numerischen Wissens aufgrund
einer Schädigung im Parietalhirn vermuten, verweisen auf zahlreiche medizinische Befunde, die als
Gerstmann Syndrom beschreiben werden. Auch Einzelfallstudien beschrieben von Levy et al. (1999)
und Isaacs et al. (2001) zeigen in bildgebenden Verfahren Auffälligkeiten bei Erwachsenen Dyskalkulikern im linken inferioren Parietallappen (intraparietaler Sulcus).
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Viele andere Studien befassen sich mit „zugrunde liegenden“ Defiziten, wie Leseschwächen, Gedächtnisschwächen, räumliche Schwierigkeiten und Aufmerksamkeitsschwächen. Folgende Beschreibungen sollen einen kurzen Überblick über neuere Forschungsergebnisse zeigen, wenngleich auch
sehr deutlich zu erkennen ist, dass die Ergebnisse zum Teil widersprüchlich oder uneinheitlich sind.
Generell zeigt sich ein Tenor, dass verschiedene kognitive Fähigkeiten gleichzeitig mit der Fähigkeit
zu Rechnen beeinträchtigt sein können, ein kausaler Zusammenhang aber nicht nachgewiesen werden kann. Aus diesem Grund ist vom Begriff Ursachen Abstand zu nehmen.
Kognitive Komponenten und Dyskalkulie
Arbeitsgedächtnis und Dyskalkulie
Rechenschwache Kinder zeigen laut Hitch (1978), Geary, Brown & Samaranayake (1991), Geary
(1992), Ashcraft (1995) und Gathercole & Pickering (2001) deutlich verringerte Leistungen des Arbeitsgedächtnisses.
Bull und Johnston (1997) stellten bei rechenschwachen Kindern neben spezifischen Defiziten im
räumlichen Arbeitsgedächtnis auch generelle Defizite in der Verarbeitungsgeschwindigkeit dar. Dies
führt dazu, dass rechenschwache Kinder die Basisfakten (2+2=4, 3*4=12) schlechter automatisieren,
deshalb länger auf unreifere Zählstrategien zurückgreifen müssen und dadurch gleichzeitig das Arbeitsgedächtnis vermehrt belasten.
Zahlreiche neuere Studien (Landerl, Bevan & Butterworth 2004, Siegel & Ryan, 1989) beleuchten die
Defizite der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses genauer und stellen Unterschiede in der Gedächtnisleistung für numerische und nicht numerische (sprachliche) Inhalte fest. Siegel und Ryan (1989) und
McLean & Hitch (1999) fanden schlechtere Ergebnisse bei Aufgaben zur Zahlenspanne (Zahlen
Nachsprechen), aber nicht bei nicht-numerischen Gedächtnisinhalten (z.B.: Pseudowörter Nachsprechen). Diese Autoren schlossen aus diesen Ergebnissen, daß dyskalkulische Kinder nicht generell
über einen geringeren phonologischen Gedächtnisspeicher verfügen, sondern ein spezifisches Defizit
im Arbeitsgedächtnis für numerische Inhalte zeigen.
Eine andere Studie von Geary, Hoard and Hamson (1999) untersuchte bei Dyskalkulikern und Kontrollkindern Zahlen Nachsprechen vorwärts und rückwärts. Ihre Ergebnisse sprechen für gleiche Leistungen beim Zahlen Nachsprechen vorwärts (Funktion der phonologischen Schleife), aber schlechteren Leistungen von Dyskalkulie-Kindern beim Zahlen Nachsprechen rückwärts, welche der Zentralexekutive zugeordnet werden.
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Neuropsychologische Studien (Thioux, Seron & Pesenti, 1999) zeigen, daß das semantische Gedächtnissystem für numerische und nicht numerische Inhalte in verschiedenen Gehirnregionen lokalisiert ist. Funktionale und anatomische Dissoziationen machen es sehr unwahrscheinlich, dass dasselbe semantische Defizit Rechen- und Leseschwächen zugrunde liegt (Landerl et al. 2004).
Die Ergebnisse der Untersuchung von Landerl, Bevan und Butterworth (2004) zeigten, dass die Dyslexie-Kinder (mit und ohne Dyskalkulie) bei Aufgaben zum Zahlen Nachsprechen vorwärts und rückwärts schlechtere Leistungen zeigen im Vergleich zu Kontroll- und reinen Dyskalkulie-Kindern. Die
Dyskalkulie-Kinder waren in den Aufgaben zum Zahlen Nachsprechen (vorwärts oder rückwärts) vergleichbar mit den Kontrollkindern.
Zusammenfassung:
Oben genannte Studienergebnisse zeigen ein sehr uneinheitliches Muster von Defiziten. Das Muster
reicht von spezifischen Beeinträchtigungen der Zentralexekutive (Zahlen Nachsprechen rückwärts) bei
Geary et al. (1999) über spezifische Defizite der phonologischen Schleife speziell für Zahlen (Siegel et
al. 1989., McLean, 1999) (beim Zahlen Nachsprechen vorwärts) und schließlich zu keinen messbaren
Defiziten beider Gedächtnisfunktionen (Landerl, Bevan, Butterworth, 2004).
Dennoch scheinen Defizite im Arbeitsgedächtnis mit Schwierigkeiten im Rechnen einher zu gehen.
Dass alle Komponenten des Arbeitsgedächtnisses in unterschiedlichem Ausmaß bei Rechenprozessen involviert sind, ist unbestritten. Deshalb scheint es nur zu plausibel, dass Störungen in den einzelnen Komponenten sich negativ aufs Rechnen auswirken (vgl. Geary, 1993). Beispielsweise sind Beeinträchtigungen der Zentralexekutive mit deutlich schulischen Schwierigkeiten in Rechnen verknüpft
(Gathercole und Pickering, 2001., Bull & Scerif, 2001., Bull, Johnston & Roy, 1999., Holmes & Adams,
2004).
Die Entscheidung für die Aussagekraft der Ergebnisse liegt in der Genauigkeit der Untersuchung. Es
ist von großer Wichtigkeit, ob zur Rechenfähigkeit auch die Lesefähigkeit mit erhoben worden ist, um
zwischen Kinder mit zusätzlichen Schwierigkeiten im Lesen oder spezifischen Schwierigkeiten im
Rechnen zu unterscheiden. Dazu kommt die möglichst genaue Beschreibung der Rechenart, des Vorgabemodus und des Alters der Kinder (Adams & Hitch, 1998). Je nach Alter, Vorgabemodus und Aufgabe ändern sich die Rechenstrategien, sodass unterschiedliche Komponenten des Kurzzeitgedächtnisses größere Wichtigkeit erhalten. Deshalb ist es durchaus möglich, dass sich vordergründig widersprechende Aussagen im Detail bewahrheiten.
Und unabhängig von der Wichtigkeit des Kurzzeitgedächtnisses für das Rechnen lassen sich keine
ursächlichen Schlüsse aus den beeinträchtigten Leistungen des Kurzzeitgedächtnisses auf das Rechnen ziehen Landerl et al. (2004). Adams und Hitch (1998) stellen die These auf, dass die beeinträchtigten Leistungen des Arbeitsgedächtnisses viel eher symptomatischen als ursächlichen Charakter
haben.
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Langzeitgedächtnis und Rechenschwierigkeiten
Geary (1993) belegt unter anderem die Schwierigkeit der Repräsentation und des Abrufs arithmetischer Fakten aus dem Langzeitgedächtnis.
Geary et al. (1991, 1993) vermuten eine Parallelität zwischen der Schwierigkeit, Fakten im Langzeitgedächtnis abzuspeichern und bestimmten phonologischen Defiziten bei Leseschwierigkeiten. Auch
arithmetische Fakten werden in einem spezifischen semantischen Netzwerk gespeichert; die geringe
Effizienz beim semantischen Faktenabruf sieht Geary (1993) als gemeinsames Defizit von LeseRechtschreibschwäche und Rechenschwäche.
Im Gegensatz dazu gibt es laut Landerl et al. (2004) wenige Studien, die belegen, dass leserechtschreibschwache Kinder mit Defiziten im semantischen Lexikon für sprachliche Inhalte ebenso
Schwierigkeiten in der Speicherung von Zahlenfakten haben.
Whalen und seine Mitarbeiter (Wahlen, McCloskey, Lindenmann & Bouton, 2002) haben von zwei
hirngeschädigten Patienten berichtet, die nicht mehr in der Lage waren, die phonologische Repräsentation für arithmetische Problemstellungen zu finden. Dennoch konnten sie die richtigen Antworten auf
die Aufgaben finden. Diese Ergebnisse schließen zwar nicht aus, daß arithmetische Fakten in phonologischer Form gespeichert sind, aber sie zeigen, daß die phonologische Form nicht die einzige Speicherung sein kann (Fayol & Seron, 2004).
Aufmerksamkeit
Viele Autoren sehen einen Zusammenhang zwischen Aufmerksamkeit und Lernstörungen. Defizite in
der Inhibition können die Leistungen des Arbeitsgedächtnissen negativ beeinflussen.
Schwenk und Schneider (2003) belegen in ihrer Studie den Zusammenhang von spezifischen Defiziten im rechnerischen Bereich und Aufmerksamkeitsproblemen.
Badian (1983) beschreibt sogar bei 42 % der Kinder mit Dyskalkulie Aufmerksamkeitsdefizite.
Faraone et al. (1993) fanden bei ADHS Kindern gehäuft zusätzlich eine Dyskalkulie.
Intelligenz
Die intellektuelle Begabung wird sehr oft in direkten Zusammenhang mit „Rechnen können“ gebracht.
Es gilt bei Laien die weit verbreitete Meinung: „Wer gut rechnen kann, ist intelligent und umgekehrt“.
66
Kognitive Determinanten wie Begabung werden als geeignete Prädiktoren für alle Schulleistungen
betrachtet. Stern (1997a) weißt darauf hin, dass substantielle Zusammenhänge zwischen intellektueller Begabung und mathematischen Fähigkeiten bestehen, die sich schon in der Vorschulzeit beobachten lassen. Zielinski (1998) beschreibt mittelhohe Korrelationen (.50 bis .70) von allgemeiner Intelligenz und Schulleistungen und folglich gilt die Begabung als guter Prädiktor für Schulleistungen.
Die Begabung (operationalisiert durch die Subtests: Klassifikationen, Ähnlichkeiten und Matrizen des
CFT 1) verliert als Prädiktor aber deutlich an Gewicht, wenn die spezifischen Vorkenntnisse (mengenund zahlenspezifischer Art) herausgerechnet werden (Krajewski 2003). Der direkte Einfluss von Begabung auf die Rechenfertigkeiten der 1. Klasse liegt dann nur mehr zwischen .26 und .30. Dennoch
spielt die Begabung laut Krajewski beim Aufbau des mengenspezifischen Vorwissens eine entscheidende Rolle und beeinflusst somit indirekt wieder die Rechenleistung.
Dowker (1998) misst in ihrer Studie über die Unterschiede der normalen Rechenentwicklung klare Zusammenhänge zwischen Rechenkönnen und Begabung. Rechnen und das Verwenden von Ableitungsstrategien zeigen enge Zusammenhänge sowohl zum Verbalen- als auch zum Handlungsteil
des HAWIK, mehr noch zum Verbalteil.
Zusammenfassung
Rechnen und Begabung zeigen den oben genannten Studien nach deutliche Zusammenhänge. Unklar ist, ob Begabungswerte als Prädiktoren für den Rechenerwerb herangezogen werden können.
Krajewski (2003) verneint diese Funktion, mengen- und zahlenspezifische Merkmale zeigen bessere
Vorhersagewerte, Zielinski (1999) gibt an, dass Begabungsmessungen gute Pradiktoren für schulische Leistungen sind. Interessant sind die Ergebnisse von Dowker (1998), die enge Zusammenhänge
zwischen dem HAWIK und besonders zwischen dem Verbalteil und dem Rechnen Können und dem
Verwenden von Ableitungen beschreibt.
Räumliche Fähigkeiten
Räumliche Defizite, die sich in mangelndem Vorstellungsvermögen oder mangelnden visuellkonstruktiven Fähigkeiten zeigen, finden im Zusammenhang mit Schwierigkeiten im Rechnen vor allem in deutschsprachiger Literatur für Pädagogen großen Niederschlag.
Barth (2003) beschreibt als wesentliche kognitive Basiskomponente des mathematischen Lernens
visuell-räumliche (konstruktive) Verarbeitungsprozesse neben dem Sprachverständnis und sprachbezogenen Verarbeitungsprozessen (Barth führt an: Gaddes, 1991, Lorenz, 2003; Kaufmann, 2003).
Heubrock und Petermann (2003) beschreiben in ihrem Lehrbuch der Klinischen Kinderneuropsychologie die räumlich-konstruktive Dyskalkulie als charakteristischste Dyskalkulie. Diese Form der Entwicklungsdyskalkulie ist laut obiger Autoren der Folge einer räumlich-konstruktiven Störung. Das spezifische Defizit liegt in der Einschätzung räumlicher Verhältnisse zwischen einzelnen Elementen, wie
67
z.B. die Winkel der Uhrzeiger. Laut obiger Autoren ist es auch möglich, dass ein Bezugssystem zum
Erfassen verschiedener Größenordnungen und Mengen auch in Bezug zum Zahlensystem (Zehner,
Einer) fehlt. Auch die häufig erwähnten Schwierigkeiten beim Erfassen von präpositionalen Beziehungen (z.B.: vor, über, unter, nach, hinter, neben) in Textaufgaben können im Defizit der mentalen Analyse dieser räumlichen Beziehungen begründet sein.
Wissenschaftliche Studien dazu finden sich in den aktuellen Veröffentlichungen allerdings relativ selten. Geary, Hamson und Hoard (2000) untersuchen diese räumlichen Fähigkeiten bei Kindern anhand
des Labyrinth-Tests aus dem HAWIK-III. Sie finden keine Gruppendifferenzen zwischen folgenden 4
Gruppen: „Kinder mit allgemeinen Lernschwierigkeiten, mit Leseschwierigkeiten, mit Rechenschwierigkeiten und mit kombinierten Schwierigkeiten im Lesen und Rechnen“. Allerdings zeigen sich diese
geringen Gruppendifferenzen erst dann, wenn die „Begabung“ (Mosaiktest und Wortschatztest aus
dem HAWIK III) herausgerechnet ist.
Kritik:
Es ist in Frage zu stellen, ob Begabung durch zwei Subtests aus dem HAWIK III ausreichend differenziert erhoben worden ist, so dass von „Begabung“ gesprochen werden kann. Der Untertest „Mosaiktest“ erfasst räumlich-konstruktive Fähigkeiten und der Wortschatztest die Fähigkeit der semantischen
Speicherung für Worte. Der Einfluss dieser beider Komponenten oder zumindest der räumlichkonstruktiven Komponente aufs Rechnen könnte gerade auch als Beweis dienen, dass ein großer Zusammenhang zwischen Rechnen und diesen oder einer dieser Komponenten (räumlich-konstruktive
Fähigkeiten) besteht.
Geary (1993), der rechenschwache Kinder 3 Defizitgruppen zuordnet, bringt eine von den drei Gruppen in Zusammenhang mit der Fähigkeit, die numerische Information räumlich zu repräsentieren. Ein
visuell-räumliches Defizit soll sowohl die spaltenweise Ausrichtung komplexer Rechnungen erschweren, als auch das Verständnis für das Stellenwertsystem. Geary bemängelt das Fehlen von entsprechenden Studien, die die visuell-räumlichen Fähigkeiten von Kindern mit Rechenschwäche systematisch erheben. Er schreibt, dass die visuell-räumlichen Systeme viele mathematische Kompetenzen
unterstützen, wie z.B.: Gebiete der Geometrie oder komplexe Textaufgaben (Dehaene et al. 1999;
Geary, 1996; Geary, 2004) und Defizite in diesem Bereich deshalb spezifische Lernprobleme verursachen können.
Gathercole und Pickering (2000) haben versucht, bei 6 und 7 jährigen Kindern verschiedene Komponenten des Arbeitsgedächtnisses, unter anderem das visuell-räumliche Gedächtnis, zu erheben. Sie
verwendeten zur Erhebung des visuell-räumlichen Gedächtnisses statische und dynamische Matrizen
sowie statische und dynamische Labyrinthe.
Die Ergebnisse der einzelnen Untertests korrelierten nicht sehr hoch untereinander und zeigten generell hohe Zusammenhänge mit den Messwerten der Zentralexekutive. Da die Ergebnisse ihrer Studie
deshalb in Bezug auf visuell-räumliches Gedächtnis wenig aussagekräftig sind, kommen die Autorin-
68
nen zum Schluss, dass der „visuell-räumliche Notizblock“ im Alter von 6 bis 7 Jahren noch nicht voll
entwickelt sein könnte oder dass der visuell-räumliche Notizblock in diesem Alter von der Zentralexekutive abhängig ist.
Baddeley (2002) beschreibt einige Studien, die sich mit Menschen mit Williams Syndrom beschäftigen. Er fasst zusammen, dass diese Krankheit zu einer genetisch vererbten Lernschwierigkeit führt,
gekennzeichnet durch relativ gute sprachliche Fähigkeiten und ein gutes sprachliches Kurzzeitgedächtnis, bei stark beeinträchtigten räumlichen Fähigkeiten, messbar an der „Corsi-Tapping-Spanne“.
Diese räumlichen Schwierigkeiten zeigen sich auch an verbal-räumlichen Aufgaben. Sätze mit räumlichen Begriffen wie: „ober, unter, innerhalb, außerhalb“ konnten von den Williams Syndrom Patienten
wesentlich schlechter verifiziert werden als Sätze mit nicht räumlichen Inhalten, wie Negationen oder
Passivformen.
Abbildung: Baddeley, (2002) S.88; Verarbeitung von räumlichen syntaktischen Formulierungen von Williams Syndrom Kindern (WS), Kindern mit minimaler cerebraler Dysfunktion (MLD) und normal entwickelten Kindern (TD)
Erklärung: Williams Syndrom Patienten (WS) zeigen deutlich beeinträchtigte räumliche Arbeitsgedächtnisleistungen im Vergleich zu normal entwickelten Kindern und Kindern mit MLD.
Bahr (1997) zitiert Robert Case, der eine Verbindung zwischen numerischem und räumlichem Wissen
sieht. Er sagt, dass Mathematiker oft beschreiben, dass ihre Ideen und Einfälle stark räumlich repräsentiert sind. Erwachsene mit cerebralen Läsionen, welche das räumliche Verständnis beeinträchtigen, haben laut Case oft auch Schwierigkeiten mit Zahlen. Kinder, die beim Lesen keine Schwierigkeiten haben, aber beim Rechnen, zeigen laut Case oft geringere räumliche Fähigkeiten.
Eine Untersuchung von McKenzie, Bull & Gray (2003) zeigt deutlich, dass Kinder im Alter zwischen 6
und 7 Jahren beim arithmetischen Rechnen stark den visuell-räumlichen Notizblock benutzen, um
bildhafte Einträge im Gedächtnis zu halten und zu manipulieren. Ältere Kinder (8 bis 9 Jahre) verwen-
69
den zunehmend zum visuell-räumlichen Notizblock auch verbale Strategien (z.B.: rehearsal Strategien) zum arithmetischen Rechnen.
Oben genannte Autoren folgern aus diesen Annahmen, dass rechenschwache Kinder davon profitieren könnten, wenn man ihre visuell-räumlichen Gedächtnisfähigkeiten überprüft, um in der Förderung
gezielt darauf reagieren zu können. Sie meinen, dass das Lehren von alternativen Rechenstrategien
eine Möglichkeit sein könnte, den Kindern zu helfen. Weiters können Unterrichtsmaterialien mit visuellem und phonologischem Inhalt von Bedeutung sein. Die Visualisierung der arithmetischen Informationen kann eine große Hilfe sein, die Lösung zu finden. Besonders Mädchen scheinen von dieser Visualisierungsmethode zu profitieren, während Jungen sie ohnehin eher spontan anwenden (Lewis,
1989).
Aufgrund des SNARC – Effekts (Dehaene et al., 1993) lässt sich ableiten, dass die mentale Zahlenlinie in einer links-rechts Anordnung abgebildet ist. Eine Studie von Berch et al. (1999) zeigte, dass der
SNARC – Effekt beim Vergleichen von Zahlenpaaren sich circa in der 3. Schulstufe entwickelt. Da der
Vergleich von Zahlenpaaren relativ komplex ist, ist es gut möglich, dass SNARC auch schon bei jüngeren Kindern sichtbar wird.
Eine Autorengruppe um Bachot (2005) beschäftigte sich mit der Frage des Zusammenhangs von visuell-räumlichen und numerischen Schwierigkeiten. Es gilt als wahrscheinlich, dass visuell-räumliche
Systeme, wie beispielsweise das visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis bei der numerischen Verarbeitung unterstützen. Und es ist auch möglich, dass visuell-räumliche und numerische Fähigkeiten einen
noch basaleren Ursprung haben (Bachot et al., 2005). Um diese Hypothese zu prüfen, untersuchte die
oben genannte Forschergruppe den SNARC – Effekt bei Kindern zwischen 7 und 12 Jahren mit visuell-räumlichen Defiziten anhand einer Zahlenvergleichsaufgabe (größer oder kleiner als 5). Die Untersuchungskinder zeigten alle normale verbale Begabungswerte (WISC-R und III) und Defizite im visuell-räumlichen Bereich (Mosaiktest und andere Verfahren) und eine Dyskalkulie. Es wurde die Frage
gestellt, welchen Einfluss die visuell-räumlichen Schwierigkeiten auf die Entwicklung der mentalen
Zahlenlinie haben.
Entsprechend den Annahmen zeigte sich der SNARC – Effekt nur bei der Kontrollgruppe. Ebenso
zeigten nur die Kinder der Kontrollgruppe einen zuverlässigen Distanzeffekt bis zu einer Distanz 3. Es
liegt also die Vermutung nahe, dass Kinder mit normaler verbaler Begabung, aber visuell-räumlichen
Schwierigkeiten, Probleme haben, eine interne mentale Repräsentation der Zahlenlinie aufzubauen.
Die Autoren vermuten, dass auch das visuell-räumliche Gedächtnis in diesem Zusammenhang eine
Rolle spielt, da die Kinder tatsächlich auch bei der visuell-räumlichen Gedächtnisaufgabe schlechter
abgeschnitten haben. Welche Rolle das visuell-räumliche Gedächtnis (Notizblock) nun bei den visuellräumlichen Defiziten und den abnormalen Repräsentationen der mentalen Zahlenlinie spielt, ist noch
nicht geklärt.
Jedenfalls sind die Ergebnisse dieser Studie ein interessanter Hinweis darauf, dass rechenschwache
Kinder mit visuell-räumlichen Defiziten Probleme haben, die Zahlen in einer entsprechenden mentalen
Repräsentation (Zahlenlinie) zu speichern.
70
Die Ergebnisse decken sich auch mit den Annahmen von Landerl et al. (2004), dass das zentrale
Merkmal einer Rechenschwäche ein Defizit im Konzept der Numerosität und deren Verarbeitung liegt.
Zusammenfassung:
Die in der deutschen Literatur für Pädagogen häufig angeführten räumlichen Defizite in Zusammenhang mit Rechenschwäche finden sich wenige wissenschaftliche Belege. Geary (1993) beschreibt
einen Dyskalkulie-Typ, den er auf räumliche Defizite zurückführt. Kinder dieses Dyskalkulie-Typs zeigen deutliche Schwierigkeiten, die numerischen Informationen räumlich abzuspeichern (z.B.: die spaltenweise Ausrichtung der Informationen, Stellenwertsystem).
Gathercole und Pickering (2000) konnten keine Belege für räumliche Gedächtnisdefizite bei rechenschwachen Kindern finden, nachdem sie die Begabung (operationalisiert durch den HAWIK Subtests:
Mosaiktest und Wortschatz) herausgerechnet haben. Die Autorinnen vermuten, dass im Alter von 6
bis 7 Jahren der visuell-räumliche Notizblock noch nicht voll ausgebildet sei und deshalb für das
Rechnen noch nicht so eine große Rolle spielt.
McKencie et al. (2003) zeigen, dass Kinder in diesem Alter vermehrt die Ressourcen des visuellräumlichen Notizblocks nutzen, um zu rechnen. Mit zunehmendem Alter zwischen 8 und 9 Jahren,
nehmen dann verbale rehearsal - Strategien zu.
Bahr (1997) und Robin Case sehen wiederum deutliche Zusammenhänge zwischen Rechenfähigkeiten und räumlichen Fähigkeiten im positiven wie im negativen Sinne. Gute Rechner verwenden vermehrt räumliche Denkstrategien und rechenschwache Kinder fallen durch ihre schwachen räumlichen
Leistungen auf.
Trotz der Uneinheitlichkeit der vorliegenden Studien gehen Bachot et al. (2005) von der Annahme
aus, dass es Zusammenhänge zwischen visuell-räumlichen und numerischen Problemen gibt und
fanden Bestätigung für diese Zusammenhänge bei Kindern im Alter von 7 bis 12 Jahren.
Es zeigte sich kein SNARC – Effekt bei Kindern mit visuell-räumlichen Schwierigkeiten und Dyskalkulie im Gegensatz zur Kontrollgruppe bei gleicher verbaler Begabung. Die Autoren sehen die Annahme
bestätigt, dass bei den Kindern mit visuell-räumlichen Defiziten die mentale Zahlenlinie nicht normal
entwickelt wird.
Lesen, Leseschwierigkeiten (Dyslexie) und Rechenschwierigkeiten
Die Angaben über die Häufigkeiten von Leseschwierigkeiten bzw. Dyslexien schwanken zwischen 4
und 15% (Klicpera und Gasteiger Klicpera, 1993). Die Auftretenswahrscheinlichkeiten sind also annähernd gleich hoch wie für Rechenschwierigkeiten.
71
Wie im Kapitel Prävalenz erwähnt, zeigen etwa 40% der Kinder mit Dyslexie auch Schwierigkeiten mit
dem Rechnen (Lewis, Hitch & Walker, 1994). Andere Angaben (Schwenk und Schneider, 2003;
Gross-Tsur, Manor und Shalev, 1996; Geary, 1993) schwanken in einen Bereich zwischen 20 und
60% der Komorbidität von Dyslexie und Dyskalkulie.
In diesem Sinne ist es notwendig, die wichtigsten Eckpfeiler des Lese/Rechtschreiberwerbs zu erläutern, um die Zusammenhänge der Symptomatik beider Störungsbilder verstehen zu können.
Das nächste Unterkapitel ist ein kurzer Ausflug in den Bereich Schriftspracherwerb, insbesonders
phonologische Bewusstheit.
Schriftspracherwerb
Schwierigkeiten im Lese-Rechtschreiberwerb lassen sich auf Defizite in der sprachgebunden Informationsverarbeitung (visuell und phonologisch) zurückführen.
Schwächen in der visuellen Informationsverarbeitung treten vor allem dann auf, wenn die zu verarbeitenden Informationen einen Bezug zur Schriftsprache (z.B.: Buchstabenketten unterscheiden) haben
(Warnke, 1992).
Besondere Bedeutung zur Vorhersage vom Lesen- und Schreibenlernen haben mehrere spezifische
Fertigkeiten, die unter dem Sammelbegriff „phonologische Informationsverarbeitung“ zusammengefasst werden (Schneider 1997). Genauer ist darunter die Nutzung von Informationen aus der Lautstruktur von gesprochener und geschriebener Sprache gemeint.
Phonologische Informationsverarbeitung bedeutet beim Lesen den indirekten Zugang vom schriftlichen Symbol (Buchstabe, Bild) zur entsprechenden lautlichen Information (lautliche Rekodierung).
Aus der lautlichen Struktur, welche zu einem Wort zusammengefügt wird (Lautsynthese), wird dann
vom semantischen Langzeitgedächtnis die entsprechende Bedeutung abgerufen.
Leseanfänger verwenden im deutschsprachigen Raum normalerweise die Technik der Lautsynthese,
aber auch geübte Leser benötigen diese Strategie, um beispielsweise ein unbekanntes Wort zu erlesen.
Im vorschulischen Bereich kann diese Fähigkeit durch das Vorsprechen von Lauten, welche dann vom
Kind zu einem Wort zusammengefügt werden sollen, erfasst werden. (Quellen). Neben der phonologischen Synthesefähigkeit fließt in diese Leistung auch die Merkfähigkeit für die einzelnen Laute mit ein.
Die phonologische Rekodierfähigkeit kann sehr gut über Leistungen beim Lesen von Pseudowörtern
erfasst werden, weil in diesem Fall das Erlesen der Wörter nur durch exaktes Zuordnen von Lauten zu
Buchstaben möglich ist.
72
Laut Wimmer (1993a) besteht für deutschsprachige Kinder mit Leseschwierigkeiten das Problem nicht
so sehr durch mangelhaften Zugriff zum Phonem (Schwierigkeiten in der Graphem-Phonem Zuordnung), sondern viel mehr durch die Beeinträchtigung der Schnelligkeit dieses Prozesses.
Wagner und Torgesen (1987) sehen in der Geschwindigkeit zum Benennen von Farben, Objekten und
Buchstaben ebenfalls ein Indiz für die phonologische Rekodierfähigkeit. In diesen Aufgaben wird der
schnelle Zugriff bzw. der schnelle Abruf des jeweiligen Sprechwortes verlangt. Neben der phonologischen Komponente kommt bei diesen Aufgaben auch eine visuelle und eine artikulatorische Komponente hinzu. Der visuelle Stimulus muss zuerst wahrgenommen werden, dann wird die entsprechende
Wortform im phonologischen Lexikon aktiviert, um schlussendlich richtig artikuliert zu werden. Zahlreiche Studien belegen Zusammenhänge zwischen der Fähigkeit zum schnellen Benennen, als Maß für
das phonologische Rekodieren, und dem späteren Schriftspracherwerb. Denckla und Rudel (1974)
haben als erste Aufgaben zum schnellen Benennen verwendet, bei welchen Kinder Farben, Buchstaben, Zahlen, Objekte (jeweils 5 Items in verschiedener Anordnung) so schnell wie möglich benennen
sollten. Leseschwache Kinder erwiesen sich als deutlich langsamer im Vergleich zu durchschnittlichen
Lesern. Das Grundmuster dieses Tests wurde von vielen Folgestudien übernommen, die ähnliche Ergebnisse hervorbrachten.
Beim Erlernen des Schreibens sollte die Fähigkeit vorhanden sein, das gesprochene Wort durch phonologische Informationsverarbeitung in Phoneme zu segmentieren (Lautanalyse). Diese Phoneme
werden dann beim lauttreuen Schreiben in der richtigen Reihenfolge in die entsprechenden Grapheme
übertragen.
Die phonologische Bewusstheit meint also die Einsicht der Kinder in die Lautstruktur der gesprochenen Sprache, um beispielsweise Silben, Reime oder gar einzelne Laute (Phoneme) in Wörtern herauszuhören.
Um Einblick in diese Dinge zu erhalten, müssen Kinder ihre Aufmerksamkeit von der Bedeutung der
Mitteilung wegnehmen, um auf die formale Struktur der Sprache achten zu können.
Die analysierbaren lautlichen Einheiten bleiben bei Kindern ohne Schriftspracherfahrung (Kinder vor
Schuleintritt) auf Silben, Reime und betonte oder prominente phonologische Merkmale eines Wortes
beschränkt, was auch phonologische Bewusstheit im weiteren Sinn genannt wird (siehe Janson,
Mannhaupt, Marx, und Skowronek 1998) . Mit Schuleintritt verbessern und verfeinern sich diese Fertigkeiten bis zur exakten Analyse eines jeden Lautes eines Wortes (phonologische Bewusstheit im
engeren Sinne).
Aufgaben zum rhythmischen Gliedern in Silben (Silben klatschen) und Vergleichen von Reimen sind
Teile zahlreicher Testverfahren zur Früherkennung von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten (z.B.: Bielefelder Screening BISC, Breuer Weuffen, HASE-Test).
Lesen und Schreiben erfordert neben dem Analysieren und Rekodieren auch das kurzfristige Bereithalten der Information (Laute, Buchstaben und größere Einheiten) durch das Kurzzeitgedächtnis
(Baddeley & Gathercole, 1992). Die Informationen müssen so lange zur Verfügung stehen, bis der
Lese- oder Schreibvorgang eines Wortes abgeschlossen ist. Dieses Bereithalten gelingt natürlich nur
73
dann, wenn die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses (Gedächtnisspanne) für sprachliche Informationen nicht überschritten wird.
Die Gedächtnisspanne kann mit Aufgaben zum Nachsprechen von Wörtern, Buchstaben unterschiedlicher Anzahl, oder aber mit dem Nachsprechen von Pseudowörtern unterschiedlicher Länge erhoben
werden (z. B. Mottier-Test, Pseudowörter-Nachsprechen aus dem BISC, Zahlen Nachsprechen aus
dem HAWIK III).
Schneider & Näslund (1992, 1993) belegen den signifikanten Zusammenhang zwischen der im Vorschulalter erhobenen Gedächtnisspanne und den schulischen Lese-Rechtschreibleistungen.
PET (Psycholinguistischer Entwicklungstest, Angermeier, 1968), HASE-Test (Schöler, H., Westraverlag, 2002)
Mottier Test – aus dem Züricher Lesetest und Artikel
Auswirkungen von Dyslexien/Leseschwierigkeiten auf das Rechnen
Menschen mit Dyslexie (Leseschwierigkeiten) zeigen mit großer Häufigkeit in Bezug auf Rechnen
Schwierigkeiten im Abruf von Zahlenfakten, wie zum Beispiel die Fakten der Malreihen.
Miles (1993) stellte fest, dass 96% einer Stichprobe von 80 DyslektikerInnen im Alter von 9 bis 12 Jahren, die 6er, 7er und 8er Malreihen nicht ohne zu stottern aufsagen konnten.
Kay und Yeo (2003) beschäftigen sich mit den Mathematik-Schwierigkeiten von Kindern mit Dyslexie.
Sie betonen, dass Kinder mit Dyslexie oft Schwierigkeiten mit dem Langzeitgedächtnis für Fakten (z.B.
Malreihen), neben Arbeitsgedächtnisproblemen, seriellen Schwierigkeiten und sprachlichen Schwierigkeiten, einschließlich der mathematischen Sprache, haben.
Dyslexie-Kinder scheinen „langsam zu denken“ wenn sie mathematische Probleme lösen, weil sie die
Fakten nicht direkt abrufen können.
In einer weiteren Studie beschreibt Yeo (2001), dass viele dyslektische Kinder eigentlich nur mit den
Aspekten der Mathematik Schwierigkeiten haben, die das verbale Gedächtnis involvieren. Ein kleiner
Teil der dyslektischen Kinder zeigt aber fundamentalere Schwierigkeiten mit dem Zahlensinn. Diese
Kinder vergleichen Zahlen nur als Begriffe für Mengen, die gezählt werden und verstehen sie nicht auf
abstrakterer Ebene oder begreifen die Beziehungen zwischen den Zahlen nicht. Yeo vermutet, dass
sie Aufmerksamkeit der Kinder so vom Zählvorgang beansprucht ist, dass für andere Aspekte der
Zahlen keine Kapazitäten mehr frei sind.
Die Gedächtnisspanne für Zahlen (Zahlennachsprechen vorwärts und rückwärts aus dem WISC) wurde in einer Untersuchung von Landerl et al. (2004) in vier Gruppen (Kinder mit LeseRechtschreibschwäche LRS, Kinder mit Rechenschwäche RS, Kinder mit beiden Schwächen
74
LRS+RS und Kontrollkindern) erhoben. Es zeigte sich ein Trend zu niedereren Leistungen in den
Aufgaben zur Gedächtnisspanne in den Gruppen von LRS und LRS+RS Kindern.
Die RS Kinder und Kontrollkinder lagen annähernd gleich auf, so dass laut diesen Untersuchungsergebnissen nicht von einem Defizit der Gedächtnisspanne für Zahlen bei rechenschwachen Kindern
ausgegangen werden kann.
Dyslexie und Dyskalkulie
Die Untersuchung von Landerl at al. 2004 belegte, dass Kinder mit Dyskalkulie ohne LeseRechtschreibprobleme in den Bereichen der phonologischen Informationsverarbeitung und des phonologischen Arbeitsgedächtnisses keine Defizite zeigen. Ebenso bleiben verbale und nonverbale Begabung sowie die psychomotorischen Fertigkeiten unbeeinflusst.
Kinder mit Dyskalkulie und Lese-Rechtschreibschwäche gemeinsam weisen im Allgemeinen
die Defizitmuster beider Entwicklungsstörungen auf.
Das bedeutet laut Landerl. et al. (2004): Sowohl für rechenschwache als auch lese-rechtschreibrechenschwache Kinder gelten folgende Befunde in Bezug aufs Rechnen:
¾
Generelle Defizite in der Zahlenverarbeitung:
o
Zugriff auf verbale und semantische numerische Information
o
Punkte zählen, tendenziell Subitizing
o
Zahlenfolgen rezitieren
o
Zahlen ordnen
o
Zahlen schreiben
Die Studie von Geary, Hamson & Hoard (2000) zeigt folgende Ergebnisse an kognitiven Defiziten bei
Kindern mit Rechenschwäche, Leseschwäche und kombinierten Schwächen in Lesen und Rechnen:
1. Rechenschwache Kinder zeigen in der 1. Schulstufe signifikante Schwierigkeiten des Zählprinzips „Order Irrelevance“, Schwierigkeiten im Fakten-Abruf, und gehäuft Fehler in der Zählprozedur. Die Fehler in der Zählprozedur waren in der 1. Schulstufe allerdings häufiger als in
der 2. Schulstufe.
2. Kinder mit Leseschwierigkeiten zeigen keine auffälligen Schwierigkeiten mit Zahlen, Zählen
und basalen arithmetische Kompetenzen. Es gibt Vermutungen, dass der Faktenabruf erschwert wird durch mangelnde Hemmung irrelevanter Assoziationen. Das hervorstechendste
Merkmal der leseschwachen Gruppe ist das langsame Tempo des Benennens von bekannten
Worten (bei Verarbeitung im Kurzzeitgedächtnis).
3. Die „Doppel-Defizit Gruppe“ (Rechnen und Lesen) zeigt laut Geary et al. (2000) ein breites
Bild von Defiziten beim numerischen Wissen, Zählen und arithmetischen Defiziten. Ebenso
75
sind Defizite im Zahlen nachsprechen und in der raschen Aktivierung von bekannten Worten,
wenn diese im Kurzzeitgedächtnis verarbeitet werden beobachtbar.
Shalev, Manor & Gross-Tsur (1997) schreiben, dass Kinder mit Mathematik- und Leseschwierigkeiten
sind tiefergehender beeinträchtigt als Kinder mit spezifischen Schwierigkeiten in Mathematik. Es betrifft Subtraktionen, Divisionen und verbale Begabungswerte. Die Werte des HAWIK Handlungsteils
sind auch durchgehend niederer, werden aber statistisch nicht signifikant. Bemerkenswert ist jedenfalls, dass das Muster der numerischen Beeinträchtigung für beide Gruppen dasselbe ist. Die Autoren
dieser Studie sehen keinen Grund einen Unterschied zwischen diesen Gruppen in Bezug auf numerische Verarbeitung zu machen, obwohl die „Doppel-Defizit“ Kinder tendenziell schwerer beeinträchtigt
sind als nur spezifisch rechenschwache Kinder.
Zusammenfassung
Zusammenfassend möchte ich den Satz von Landerl et al. wiederholen: „Kinder mit Dyskalkulie und
Lese-Rechtschreibschwäche gemeinsam weisen im Allgemeinen die Defizitmuster beider Entwicklungsstörungen auf.“ Kinder mit isolierter Rechenschwäche und Kinder der „Doppel-Defizit“-Gruppe
zeigen die gleichen Bilder der Rechenschwäche, es macht also keinen Sinn zwischen diesen beiden
Gruppen in Bezug auf die Rechenschwäche einen Unterschied zu machen (Shalev et al. 1997). Kinder der Doppel-Defizit Gruppe sind in der tendenziell schwerer betroffen (Shalev et al. 1997).
Weitere Störungen, die mit Rechenschwäche in Zusammenhang gebracht werden
(nach Slomka, 1998, S. 154. Heubrock und Petermann, 2000, S.236; v.Aster 2001, Jacobs und Petermann, 2003)
Oben genannte Autoren nehmen an, dass die gesunde Entwicklung vieler Wahrnehmungsbereiche
die Voraussetzung für die Entwicklung kognitiver Basisfertigkeiten im numerischen und pränumerischen Bereich ist. Sie zeigen Stützfunktion und Störungen in diesen Bereichen können die
Rechenfähigkeit negativ beeinflussen.
•
Visuelle Wahrnehmungsstörungen (visuell-räumlich, Figur-Hintergrund)
•
Visuomotorische Störungen
•
Visuell-sequenzielle Störungen
•
Störungen der sprachlichen Verarbeitung (auditives Gedächtnis, verbal-sequentielle Verarbeitung)
•
Störungen der Reihenfolgeanalyse (Serialität)
•
Störungen des Sprachverständnisses (präpositionale Begriffe)
•
Störungen des abstrakten Denkens
76
Ursächliche Zusammenhänge sind jedoch sehr schwer zu belegen, da keine dieser Störungen bei
Rechenschwierigkeiten vorliegen muss. Lediglich die gehäufte Beobachtung dieser zusätzlichen Störungen wird beschrieben.
Letztendlich konnte zu keiner dieser Störungen ein kausaler Zusammenhang zur Dyskalkulie nachgewiesen werden.
Dowker (2004) formuliert die Zusammenhänge zwischen räumlichen oder verbalen Schwierigkeiten
und Rechnen folgendermaßen: „ …obwohl diese Schwierigkeiten als Warnsignale dienen sollten, dass
diese Kinder Rechenschwierigkeiten zeigen können, dürfen sie nicht als definitive Prädiktoren weder
für das Auftreten noch für den Typ der Rechenschwäche genommen werden.“
El-Naggar (1996) beschreibt in ihrem Buch über Kinder mit Rechenschwierigkeiten charakteristische
Probleme dieser Kinder. Aber: Nicht alle Kinder zeigen alle diese Probleme; oder nicht alle Kinder mit
diesen Problemen haben auch Rechenschwierigkeiten.
Typisch für Kinder mit Rechenschwäche werden bei El-Naggar folgende Schwierigkeiten aufgelistet:
Beeinträchtigtes Kurzzeitgedächtnis, Schwierigkeiten mit dem Langzeitgedächtnis, Orientierungsschwierigkeiten, Visuo-perzeptive Schwierigkeiten, sequentielle Schwierigkeiten, räumliche Schwierigkeiten, Schwierigkeiten mit der mathematischen Sprache, Mangel an Problemlösestrategien, motorisch-perzeptive Schwierigkeiten
Zusammenfassung
Die Reihe der zusätzlich beobachteten Störungen ist lang. Sie reicht über räumliche, verbale, visuoperzeptive, sequentielle, verbal-räumliche, und motorisch-perzeptive Defizite noch hinaus.
Diese zusätzlichen Schwierigkeiten erschweren der Erwerb des Rechnens können aber weder verallgemeinert noch in ursächlichen Zusammenhang mit dem Rechnen gebracht werden (Dowker, 2004).
Vor allem die deutschsprachigen Autoren führen in den Förderprogrammen und -möglichkeiten immer
auch ein spezielles Training dieser Wahrnehmungsbereiche an. Eine konsequente Forschung in Bezug auf den Erfolg der Wahrnehmungsförderung auf das Rechnen ist aber bis heute ausgeblieben
oder negativ ausgefallen (Quellen: Suchodoletz, 2003).
77
Rechenangst und Einstellungen
Salopp gesprochen gilt die Annahme, dass Personen mit schlechten Rechenleistungen Angst vor
Rechnen haben und umgekehrt, dass Personen mit hoher Angst vor Mathematik auch schlechtere
Leistungen in Rechnen zeigen. Die Feststellung, dass die Rechenangst die Leistung des Arbeitsgedächtnisses negativ beeinflusst, erklärt einerseits schlechtere Rechenleistungen.
Und es trifft auch der nahe liegende Sachverhalt zu, dass Personen mit Rechenangst Mathematik
vermeiden, das heißt, sich weniger mit Mathematik befassen, in Amerika weniger Mathematik-Kurse
belegen, schlechtere Noten erhalten und letztendlich deshalb auch tatsächlich schlechtere Mathematikkompetenzen zeigen (Ashcraft et al., 1998; Dowker 2000).
Allgemein lässt sich festhalten, dass je komplexer, oder schwieriger die arithmetischen Aufgaben, umso deutlicher wird der Leistungsabfall in Zusammenhang mit Rechenangst.
Beispielsweise wird die Leistung bei zweistelligen Additionen (24+37), bei denen Überträge auch noch
im Gedächtnis gehalten werden müssen, bei hoch ängstlichen Personen im Vergleich zu wenig ängstlichen Personen schlechter (Faust, 1994). Ein Leistungsabfall lässt sich auch sehr deutlich anhand
von längeren Lösungszeiten messen (Faust, Ashcraft & Fleck, 1996).
Personen mit höheren Werten in Rechenangst zeigen in der Studie von Ashcraft und Kirk (2001) deutlich niederere Arbeitsspeicherkapazitäten als Personen mit niederem Angstniveau. Die Autoren betonen, dass der reduzierte Arbeitsspeicher ein „online“ Effekt ist, welcher den Informationsprozess für
arithmetische Aufgaben reduziert, weil bei hoher Angstreaktion weniger Arbeitsspeicherkapazität „übrig“ bleibt. Das Arbeitsgedächtnis für nicht numerische Inhalte (Buchstaben) bleibt bei mathematikängstlichen Personen hingegen unbeeinflusst.
Oben genannte Autoren nennen den „Funktionsort“ für diesen „online“ Effekt die Zentralexekutive des
Arbeitsgedächtnisses. Die Zentralexekutive kontrolliert die Durchführung der Rechenprozedur und ist
der Ort, wo auch negative Gedanken und Sorgen registriert werden.
Ashcraft, Kirk und Hopko (1998) nehmen an, dass Rechenangst die effiziente Arbeit des Arbeitsgedächtnisses stört und folglich auch mathematische Prozesse, die vom Arbeitsgedächtnis abhängen. In
Bezug auf die Annahmen von Geary (1991), der eine Verschiebung der Rechenstrategien im Laufe
des Rechnen Lernens beschreibt, vermutet die Autorengruppe um Ashcraft (1998) folgendes: „Kinder,
die ihre Arbeitsspeicherkapazitäten zwischen Rechenangst und Problemlösung teilen müssen, überladen ihre Speicherkapazitäten dermaßen, dass komplexere Arithmetik nicht erfolgreich erlernt bzw.
bewältigt werden kann.“
Eine Autorengruppe um Hopko (Hopko et al. 2002) untersuchte den Einfluss genereller Angst und
spezifischer Rechenangst auf mathematische Leistungen. Sie stellte fest, dass nur die Rechenangst
78
negativen Einfluss auf die Rechenleistungen (Fehlerraten) hatte, insbesonders auf schwierige Aufgaben und Aufgaben, die viele Arbeitsgedächtnisressourcen benötigen.
Zusammengefasst beeinflusst die Rechenangst die aktuell („online“) ablaufenden, aufgabenbezogenen Aktivitäten des Arbeitsgedächtnisses, reduziert die Leistungen und beeinflusst die Genauigkeit.
Einstellungen
Ashcraft, Kirk und Hopko (1998) schreiben in ihrem Artikel zu den kognitiven Konsequenzen der Rechenangst bezüglich der Einstellungen, dass die Einstellung zu Mathematik und die Rechenangst, wie
zu erwarten, sehr hoch korrelieren. Bei Jugendlichen korreliert die positive Einstellung zu Mathematik
mit geringer Angst vor Rechnen mit – 0.75 und die Selbsteinschätzung in Rechnen korreliert mit –
0.71 mit Rechenangst. Fennema (1989), zitiert bei oben genannten Autoren, beschreibt in ihrem Model zum „autonomen Lernverhalten“ sehr einleuchtend eine Synthese von Rechenangst und Einstellung. Fennema nimmt drei Faktoren als Vorläufermerkmale für das Lernverhalten in Mathematik an:
„Einstellung zu Mathematik – „internal belief systems", Mathematikangst und externe Ressourcen (wie
Eltern, Lehrer, Mitschüler)“. Wenn die internen und externen Ressourcen negativ sind und die Rechenangst hoch, dann wird das „autonome Lernverhalten“ sehr reduziert. Mit autonomem Lernverhalten sind Verhaltensweisen gemeint, die unterstützend für den Lernerfolg wirken, wie: „Selbstständigkeit, Aufmerksamkeit im Unterricht, Erledigung der Hausaufgaben oder Belegen von MathematikKursen“. Mit Lernerfolg meint Fennema (2002) das Lösen von unbekannten neuen Aufgaben. Ist das
autonome Lernverhalten negativ beeinflusst durch oben genannte Faktoren, so resultieren geringere
Mathematik-Kompetenzen auch in Tests und in den Abschlüssen.
Es lässt sich auch diesem Modell entnehmen, dass soziokulturelle und emotionale Faktoren, neben
den erlebten Defiziten in der Rechenkompetenz zur Entwicklung von Rechenangst beitragen (Ashcraft, 1998).
An dieser Stelle möchte ich das Modell zum „autonomen Lernverhalten“ von Fennema (2003) kurz
skizzieren:
79
Abbildung: Fennema (in Baroody and Dowker, 2003), S.213: Das Modell des autonomen Lernverhaltens
Aus einem Bedingungsgeflecht von externen/sozialen Einflüssen, internen „Belief Systems“ und dem
autonomen Lernverhalten ergibt sich nach dem Modell von Fennema das Niveau der mathematischen
Fähigkeiten bei schwierigen Aufgaben, sowohl in positiver wie in negativer Hinsicht.
Das Modell zum autonomen Lernverhalten wurde ursprünglich geschaffen, um Geschlechtsunterschiede im Lernen von Mathematik zu erklären. Die externalen und sozialen Faktoren beeinflussen die
Entwicklung des autonomen Lernverhaltens direkt und indirekt durch die Ausbildung von internalen
Glaubenssätzen. Die externalen Faktoren sind neben Schule, Klassenzimmer und Eltern vor allem die
Lehrpersonen. Die affektiven Variablen der internalen Glaubenssätze beziehen sich auf das Vertrauen
in das eigene Können, die wahrgenommene Nützlichkeit von Mathematik und die Attributionen zu Mathematik.
Alle guten Rechner beschreiben sich selbst als sehr unabhängige, selbstständige Lerner. Das autonome Lernverhalten meint in Bezug auf das Problemlösen, dass selbstständig über das Problem – die
Rechnung nachgedacht wird, indem der „Lerner“ sich aktiv dafür entscheidet nachzudenken, persistiert und schließlich zur Lösung kommt. Autoren wie Grieb und Easly (1984) glauben, dass selbstständiges Lernen notwendig ist, das konzeptuelle Netzwerk für Mathematik zu entwickeln, welches
Voraussetzung ist, höhere Mathematik zu betreiben.
Dieser Fragebogen wurde mit 10 Mädchen und 10 Buben im Alter von 6 Jahren und 10 Mädchen und
10 Buben im Alter von Jahren durchgeführt.
Folgende Hypothesen wurden in der Studien verfolgt: Rechenangst nimmt mit zunehmendem Alter zu
und Mädchen zeigen mehr Rechenangst als Buben. Kinder, die im Rechentest gut abschneiden, stufen sich selbst hoch in der Skala Selbsteinschätzung ein, haben positive Einstellungen zu Mathematik
und stufen sich nieder ein in: Unglücklich sein mit schlechten Rechenleistungen und Rechenangst.
80
Die TIMSS-Studie (2003) beschreibt bei Kindern der 4.Schulstufe in Bezug auf Einstellungen zu Mathematik, dass der beste Prädiktor für Selbstzutrauen in Mathematik die Freude an Mathematik ist. Die
Freude an Mathematik wiederum hängt vom Selbstzutrauen in Mathematik ab. Diese beiden Faktoren
hängen laut TIMSS auch von Unterrichtsstil ab, je mehr im Unterricht gerechnet und vorgetragen wird,
umso mehr Selbstzutrauen und Freude am Rechnen entstehen. Auch beeinflusst die Wahrnehmung
des Schulklimas die Freude und das Selbstzutrauen positiv. Ebenso haben der Einsatz eines Lerncomputers, sowie gute Ressourcen zuhause positiven Einfluss auf diese beiden Variablen. Burschen
geben mehr Selbstzutrauen und Freude mit Mathematik an. Ein interessantes Detail, für welches keine schlüssige Erklärung vorliegt, ist die Tatsache, dass Kinder deren Muttersprache nicht die Unterrichtssprache Englisch war, mehr Freude an Mathematik bekundeten. In der 8. Schulstufe kommt zu
den beiden Variblen Selbstzutrauen und Freude der Motivationsfaktor positiv beeinflussend hinzu.
Zusammenfassung
Autoren wie Ashcraft (1998) beschreiben, dass die Einstellung zum Rechnen und die tatsächliche
Leistung in Mathematik zusammenhängen. Jugendliche, die sich selbst gut in Rechnen einschätzen
mögen Rechnen bzw. zeigen wenig Angst vor Rechnen. Eine positive Einstellung zu Rechnen geht
mit geringer Rechenangst einher.
Fennema (1989, 2003) erklärt in ihrem Modell zum „autonomen Lernverhalten“ wie aus internen und
externen Ressourcen Glaubenssätze zustande kommen, die das autonome Lernverhalten direkt beeinflussen. So können aus einer Summe von Faktoren negative Einstellungen zu Rechnen, negative
Selbsteinschätzungen, Rechenangst etc. entstehen, sodass das autonome Lernverhalten schlussendlich den kognitiven Output in Mathematik massiv negativ beeinflusst.
Studien von Dowker und Thomas (2002) zeigen, dass Kinder im Alter von 6 und 9 Jahren, die sich
selbst als gut in Rechnen einschätzen, Mathe mögen und tatsächlich gut in Rechnen sind. Rechenangst/sorge und Unglücklich sein mit schlechten Rechenleistungen hängen zusammen und sind in
diesem Alter noch nicht mit der tatsächlichen Rechenleistung oder mit der Selbsteinschätzung, dem
Alter oder dem Geschlecht verbunden.
Neuropsychologische Dyskalkulie-Modelle
Rourke (1993) NLD und RS
Die von Rourke und seinen Mitarbeiten (1993) in den 70iger und 80iger Jahren in Kanada durchgeführten Untersuchungen führten zur Definition von zwei unterschiedlichen Syndromen mit Rechenstörungen:
81
Subtyp I – Nonverbal Learning Disability Syndrom (NLD)
Subtyp II – Reading and Spelling (RS)
Beim NLD bestehen neben den Schwierigkeiten beim Rechnen auch Probleme bei der Durchführung
visuell-räumlicher und taktil-kinästhetischer Aufgaben. Weiters sind internalisierende psychische Störungen (Ängste Depressionen…) für diese Gruppe typisch.
Den Schwächen im nonverbalen Bereich stehen Stärken im sprachlichen und schriftsprachlichen Bereich gegenüber.
Der Typ RS zeigt ein genau umgekehrtes Muster von Stärken und Schwächen. Den Schwächen im
sprachlichen Bereich stehen Stärken im non-verbalen visuell-räumlichen, kinästhetischen Bereich gegenüber.
Rourke (1993) ordnet die beiden Syndromgruppen jeweils hemisphärenspezifischen Reifungsdefiziten
zu. Der Subtyp RS entspricht einem linkshemisphärischen Reifungsdefizit, der Subtyp NLD einem
rechtshemisphärischen.
Gross-Tsur et al (1995) beschreiben ein dem NLD ähnliches Symptommuster unter der Bezeichnung
„Developmental Right Hemisphere Syndrome“.
Kritik:
Das Problem solcher syndromatischen Konzepte besteht in der mangelnden Spezifität. Weder Defizite
der rechts- noch linkshemisphärischen Basisfunktionen vermögen die Teilleistungsschwächen im
Rechnen ausreichend zu erklären. Sprachliche und/oder non-verbale Defizite erlauben keineswegs
die Vorhersage einer schulischen Rechenschwäche. Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass
längst nicht alle Kinder mit NLD eine Rechenschwäche entwickeln und umgekehrt Kinder mit Rechenschwäche oft keinerlei Auffälligkeiten im Bereich nonverbaler oder sprachlicher Verarbeitungsleistungen haben (v.Aster, 1994).
Weil keine Kausalzusammenhänge dieser Basalfunktionen zu Rechenschwierigkeiten bestehen, sind
Fördermaßnahmen, die auf diesen Annahmen beruhen, in Frage zu stellen (v.Aster, 2001). Eine unterstützende Wirkung neben spezifischer Förderung im Bereich Rechnen, ist allerdings bzw. bestenfalls anzunehmen.
Geary (1993) stellt ein weiteres Modell für Rechenstörungen auf, welches sowohl kognitive Funktionseinheiten beschreibt, aber auch lokalisationsspezifische Zuordnungen trifft.
Geary: 3 Dyskalkulietypen
Neuropsychologisch belegt kann man laut Geary (1993, 2004) Rechenstörungen in drei Dyskalkulievarianten unterteilen:
1. Typ I - Störung des semantischen Gedächtnisses
2. Typ II - Störung der prozeduralen Operation und die
3. Typ III - Raumanalytische Störung
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Der Typ I kann nur wenige arithmetische Fakten aus dem Langzeitgedächtnis abrufen, er macht verhältnismäßig viele Fehler oder seine Abrufzeiten für die Lösung sind extrem lange oder unterschiedlich.
Geary (1993) weißt darauf hin, dass bei diesen Kindern besonders häufig auch Leseschwierigkeiten
komorbid auftreten.
Lokalisation: linkshemisphärisch, möglicherweise posteriore Regionen für eine spezielle Form der Abrufschwierigkeit und präfrontale Regionen, mögliche subcorticale Involvierung - Basalganglien
Kinder des Typs II verwenden oft unreife (nicht altersgemäße) Rechenstrategien. Es kommt häufig zu
prozeduralen Fehlern. Eine Reifungsverzögerung der zugrunde liegenden mathematischen Konzepte
ist für diesen Typus verantwortlich.
Lokalisation: unklar, linkshemisphärische Dysfunktion und auch präfrontal (besonders für das Sequenzieren verantwortlich)
Zum Typ III gehören Schwierigkeiten, die sich aus der räumlichen Anordnung der Zahlen in Spalten
ergeben. Es kann zu Verschiebungen der Ziffernspalten beim Untereinanderschreiben von Zahlen
oder zu Zahlendrehern kommen. Ebenso sind Falschbewertungen des Ziffernwertes innerhalb einer
mehrstelligen Zahl ein typischer Fehler dieses Subtyps (Verständnis des dekadischen Systems).
Lokalisation: rechtshemisphärisch posterior und parietale Regionen links
Kritik:
Für korrektes Rechnen ist ein Zusammenspiel aus Funktionen beider Hemisphären notwendig. Da
auch nicht von einem dualen Mechanismus „Rechnen Können“ oder „nicht Können“ ausgegangen
werden kann, sondern von diversen Komponenten die bei Rechenschwierigkeiten in unterschiedlichem Ausmaß beeinträchtigt sind, ist es besonders schwer, für verschiedene Erscheinungsformen der
Dyskalkulie eng umschriebene Regionen in Verbindung mit einer Hemisphäre zu nennen. Zwischen
den Arbeiten Geary´s 1993 und 2004 besteht besonders der Unterschied, dass die Lokalisationen der
unterschiedlichen Funktionsausfälle differenzierter beschrieben werden und dass Geary selbst von
einer primären links - oder rechts - Zuordnung Abstand nimmt.
Shalev et al. (1995) weisen darauf hin, das beide Hemisphären für die Durchführung von Rechenoperationen notwendig sind. Ausgeprägtere Rechenstörungen jedoch bei linkshemisphärischen Läsionen
sichtbar werden.
Neuropsychologische Studien an Patienten mit cerebralen Läsionen, lassen den Schluss zu, dass
Zahlenwissen dissoziierbar ist vom semantischen Gedächtnis (Cappelletti, Butterworth & Kopelman,
2001). Weiters geht aus neuropsychologischen Studien hervor, dass nicht-numerische und numeri-
83
sche Informationen an verschiedenen Orten des Gehirnes lokalisiert sind (Thioux, Seron & Pesenti,
1999).
Heubrock und Petermann (2003) führen das Konzept von Rourke (1993), Casey & Rourke (1991) der
Non Verbal Learning Disabilities (NLD) genauer aus. Sie beschreiben die räumliche-analytische
Dyskalkulie als eine von vier Subtypen der NLD. Dieser Typ der Dyskalkulie wird von Heubrock und
Petermann (2003) als charakteristische Rechenschwäche bezeichnet.
Theoretische Konzepte zum Rechnen Lernen
Drill Theorie
Diese Theorie beruht auf assoziativen Lernkonzepten, weshalb die Instruktionen sich darauf konzentrieren, dass die Rechenfertigkeiten erlernt und behalten werden. Die grundlegenden Annahmen dieser
Theorie beruhen auf folgenden Prämissen:
1. Kinder lernen, indem sie Fertigkeiten und Wissen der Erwachsenen übernehmen,
2. gelernt wird durch Assoziationen und Verknüpfungen von Lerninhalten,
3. Verständnis ist nicht unbedingt notwendig, um solche Verknüpfungen zu bilden, und
4. Der effizienteste Weg, diese Verknüpfung von Lerninhalten zu schaffen, ist Drill und direkte Instruktion.
Die Zahlenfakten, wie 5 + 5 = 10, oder die Prozedur des Übertrags oder Ausborgens wird laut DrillTheorie am schnellsten durch genau dosierte Instruktion und Übung erreicht. Selbst erfundene Strategien wie in diesem Beispiel Zählen oder schlussfolgernd-vergleichende Strategien werden eher als
Hindernis betrachtet (siehe Baroody, 2003).
Theorie der Bedeutung
Die Unzufriedenheit mit dem traditionellen Mathematik-Unterricht und der dahinter stehenden Theorie
(Drill Theorie) führte dazu, dass etwa um 1935 schon das gegenteilige Modell der Bedeutung („Meaning Theorie“ von Browell) entstand. Browell´s Ansicht war, dass der Unterricht auf das Erzielen von
Verständnis und bedeutungsvollem Einprägen von Fertigkeiten fokussieren sollte. Drei Hauptfaktoren
unterstützen das Lernen von Arithmetik mit Verständnis.
1. Komplexität des arithmetischen Lernens
Entsprechend dieser Theorie verwenden Kinder zunächst sehr einfache Strategien für das Rechnen,
wie Zählen oder logischen Denken. Diese Methoden bereiten die Basis für reifes Verständnis, welches
das Wissen um die Basiskombinationen, das Wissen um arithmetische Prinzipien und das Verständnis
der mehrstelligen Operationen (siehe Baroody, 2003). Browell (1935) schreibt, dass Kinder zu Beginn
zählende Strategien brauchen, weil sie die einzigen Strategien sind, die sie in Zusammenhang mit
Operationen von Zahlen verstehen. Sobald Kinder bereit sind, sollten sie zu „fortgeschrittenere Strategien“ ermuntert werden. Das kann z.B. das Zerlegen einer Aufgabe in einfachere Teilaufgaben (7 +
84
5 = 5 + 5 + 2 = 12) sein. Schlussendlich gelangen die Kinder dann zu reifem, bedeutungsvollem Wissen, welches sie gut begriffen haben durch häufige Verifikation. Kinder beherrschen Rechnen erst
dann vollständig, wenn sie verschiedene Reifestadien mit den entsprechenden Strategien durchlaufen
haben.
2. Unterrichtstempo
Im herkömmlichen Unterricht nach der Drill-Theorie werden den Kindern bestimmte Inhalte erklärt oder gezeigt, zum Beispiel bestimmte Fakten, dann werden sie ein paar mal wiederholt. Danach wird
von den Kindern erwartet, dass sie diese Informationen rasch, wenn nicht sofort im Gedächtnis behalten.
Die „Theorie der Bedeutung“ gesteht den Kindern eine gewisse Zeit zu, ein Grundverständnis für bestimmte arithmetische Sachverhalte zu entwickeln. Rechenerwerb ist ein langsam fortschreitender
Prozess, der die Kinder bestimmte Regelmäßigkeiten entdecken lässt, bevor sie diese auswendig
wissen.
3. Betonung auf Beziehungen
Im Gegensatz zur Drill Theorie, die von gewissen Interferenzeffekten ausgeht, wenn ähnliche Aufgaben, wie „6 + 5 = und 7 + 4 =“ zur gleichen Zeit gelernt werden, unterstützt die „Theorie der Bedeutung“ genau das Ausnützen bzw. Bewusst Machen dieser Ähnlichkeiten und Beziehungen. Die Lehrpersonen sollen den Kindern helfen diese Beziehungen, wie „3 + 2 = 5 und 5 - 2 = 3“ zu entdecken,
damit die Basisfakten als systematisches Wissen gespeichert werden.
Inzidentelles Lernen
Diese Theorie ist als Analogie zu Piaget´s konstruktivistischer Theorie zu verstehen und ist eingebettet
in John Dewey´s frühe „progressiv-education movement“ (vgl. Baroody, 2003). Sie ist auch als Reaktion auf die Drill-Theorie entstanden. Kinder sollen frei sein, ihre Welt zu entdecken, Regelmäßigkeiten
zu erkennen und ihre eigenen Erfahrungen durch Konstrukte zu strukturieren. Die eigene Neugier wird
als Motor für inzidentelles Lernen betrachtet.
Brownell (1935) kritisiert die Theorie des inzidentellen Lernens heftig als unpraktikabel.
Sie sei erstens langsam und zeitintensiv. Weiters wären die arithmetischen Fertigkeiten, die durch
diese Umstände erworben werden, unvollständig, oberflächlich und mechanisch. Weiters wären die
Lehrpersonen überfordert, diese Situationen effektiv zu unterstützen. Brownell befürwortet direkte Instruktionen.
Das Modell des Cognitive Apprenticeship
Carsten Schulte (2003) beschreibt dieses Modell zum Lehren und Lernen (Collins, A. et al. 1989) mit
folgenden Prämissen:
•
„Lernen ist ein aktiver und individueller Aneignungs- und Konstruktionsprozess; ausgehend
vom Vorwissen, der Motivation und dem Engagement des Lernenden.“
•
„Konzepte werden effektiver erlernt und verstanden, wenn sie zusammen mit ihrer Anwendung gelehrt werden.“ Schulte sieht darin gleichzeitig Nutzen und Grenze des Konzepts. „Die
Anwendung bettet das Konzept in den (praktischen) Kontext ein.“ Dadurch wird „träges Wissen“ vermieden.
85
•
„Anspruchvollere Aufgaben sind lernwirksamer als einfache Übungsaufgaben nach dem Drill
& Practise-Schema.“
Hiermit gibt das Modell des Cognitive Apprenticeship ein klares Statement ab gegen das Drill Modell zu Gunsten eines kognitiven Erfassens und Erarbeitens des Lerninhaltes. Praxis und Theorie
brauchen eine enge Verknüpfung.
Aus diesen z.T. schon frühen Ansätzen theoretischer Überlegungen zur Mathematik-Didaktik haben
sich laut Baroody (2003) vier Zugänge entwickelt, Mathematik zu unterrichten. Es herrschen große
Meinungsunterschiede darüber, welche die beste Methode sei, Baroody (2003) nennt dies überspitzt
„math wars“. Eine Entscheidung darüber soll noch offen bleiben, dennoch ist diese Einteilung Baroodys (Baroody, with Coslick, 1998 in Baroody 2003) sehr brauchbar, um Unterrichtsmethoden auf einer
Metaebene zuordnen und vergleichen zu können.
1. „Skills Approach“ - Mathematische Fertigkeiten im Vordergrund
Dieser Ansatz, der das Speichern von mathematischen Fertigkeiten durch einfaches auswendig Lernen in den Vordergrund stellt, ist vergleichbar mir Brownell´s (1935) Drill Theorie. Dieser Zugang basiert auf der Annahme, dass mathematisches Wissen eine Sammlung von nützlichen Informationen
über Fakten, Regeln Formeln und Prozeduren darstellt. Das Ziel des Mathematik-Unterrichts ist den
Kindern zu zeigen, wie sie Mathematik ausführen müssen („how to do“). Der prozedurale Aspekt wird
betont, z.B.: wie mehrstellige Additionen durchzuführen sind). Der beste Weg dies zu erreichen, ist
Frontalunterricht mit direkter Erklärung und viel Übung. Weil die Erklärung und Übung hauptsächlich
sehr abstrakt und symbolisch ist, bleibt Mathematik für viele Kinder wenig gehaltvoll.
Die verwendeten Methoden sind: Erklärungen und Vorzeigen des Lehrers; Schulbücher mit größtenteils symbolischen Darstellungen; Kinder arbeiten alleine, still und schriftlich; kein bis wenig Gebrauch
von handelnden Materialien.
2. Konzeptueller Ansatz
Hier konzentriert sich der Arbeit auf bedeutungsvolles Einprägen von Fertigkeiten, in Analogie zu
Brownell´s (1935) „meaning theorie“. Mathematik wird als Netzwerk von Fertigkeiten und Konzepten
betrachtet. Es wird den Kindern zugetraut, dass sie verstehen können, was sie tun. Es werden Regeln, Fakten, Formeln und Prozeduren auf bedeutungsvolle Weise gelehrt und gelernt, was bedeutet,
dass sowohl konzeptuelles als auch prozedurales Wissen gelehrt wird.
Unterrichtsbücher beinhalten oft Abbildungen von konkreten Beispielen, die Rechenvorgänge darstellen, welche die Kinder dann in der Praxis nachahmen und ausprobieren sollen. Die Kinder sollen bewusst bestimmte Rechenwege selber suchen, wobei auch mehrere Wege richtig sein können. Gemeinsam mit der Lehrperson werden dann die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Lösungswege
diskutiert.
3. Problemlösungsansatz
Dieser Ansatz legt den Schwerpunkt auf die Entwicklung des mathematischen Denkens, vergleichbar
mit Brownell´s (1935) „inzidentellem Lernen“.
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Diese Theorie geht davon aus, dass Mathematik eine Art zu denken ist, ein Frageprozess, der nach
Lösungen für bestimmte Fragestellungen sucht. Die Kinder besitzen auf der einen Seite noch unfertiges Wissen in Bezug auf Mathematik und müssen ihr Denken noch weiterentwickeln, auf der anderen
Seite werden die Kinder als sehr neugierige Wesen betrachtet, die ihr eigenes Verständnis noch aktiv
konstruieren müssen.
Das Ziel des Mathematikunterrichts ist die Mathematik Lernenden in mathematisches Fragen eintauchen zu lassen, um höheres oder reiferes Wissen zu entwickeln. Die Lehrerinnen führen und leiten die
SchülerInnen als erfahrene Partner durch diesen Prozess, ohne sie durch zeitliche Vorgaben einzugrenzen.
Es werden kaum Lehrbücher verwendet. Die SchülerInnen werden ermuntert, ihre eigenen Konstrukte
zu entwickeln und erst später diese aufzuschreiben.
4. Nachforschender Ansatz („Investigative Approach“)
Der „Nachforschende Ansatz“ fokussiert auf das bedeutungsvolle Erinnern von Fertigkeiten und der
Beachtung der Entwicklung des mathematischen Denkens. Es ist also eine Kombination aus Brownell´s (1935) Bedeutungs- und inzidenteller Theorie. Wie im konzeptuellen Ansatz wird Mathematik als
Netzwerk von Fertigkeiten und Konzepten betrachtet (Baroody, 2003). Und wie beim problemlösenden
Ansatz ist Mathematik eine Art nachzuforschen und Wissenskonstruktion. Den Kindern wird zugetraut,
selbst durch aktives Entdecken Verständnis für mathematische Inhalte zu erwerben, aber sie werden
dabei begleitet, geführt und unterstützt. Neben dem Schaffen von Lernsituationen helfen die Lehrpersonen den SchülerInnen, die wichtigsten Fakten, Prozeduren, Regeln und Formeln mit gutem Verständnis zu lernen.
Die Lehrperson spielt die Rolle eines Mentors, der sie führt und eine soziale Atmosphäre schafft, die
offen ist für Fragen, Nachdenken und Reflexion.
Als Methoden werden verschiedenste Techniken angewandt, die den SchülerInnen helfen Dinge zu
entdecken, Vermutungen zu äußern und darüber zu sprechen. Projekte, Alltagsprobleme, wissenschaftliche Experimente, Mathematikspiele und ähnliches fordern Kinder auf, Mathematik anzuwenden
und zu benützen. Gruppenarbeit ist eine wertvolle Methode Austausch und Diskussionen anzuregen.
Neue Technologien zu verwenden ist ein zentrales Anliegen vieler Aufgaben.
Die Markus-Studie (2000) zur Qualität des Mathematik-Unterrichts berichtet jenseits der Mathematik-Didaktik über 3 Hauptmerkmale leistungsstarker Klassen. Diese Hauptmerkmale liegen allesamt im
Wirkungsbereich der Lehrpersonen.
1. Die Klassenführung ist überdurchschnittlich effizient. Das heißt, es besteht große Klarheit
über die Regeln, die in der Klasse herrschen, die Lehrkraft ist jederzeit über das Geschehen in der Klasse im Bilde; Störungen sind selten und es herrscht ein konzentriertes Arbeitsklima. Die effiziente Klassenführung wird als notwendige aber nicht hinreichende Vorrausetzung für den Unterrichtserfolg beschrieben.
2. Dazu kommt eine hohe Unterrichtsqualität, was für den Mathematik-Unterricht bedeutet:
Der Lehrer/ die Lehrerin erklärt verständlich, begeistert, betont die Notwendigkeit zur An-
87
strengung, erwartet hohe Leistungen und nimmt sich Zeit für die Sorgen und Fragen der
SchülerInnen.
3. Anspruchvolle Formen des Unterrichts kommen bei leistungsstarken Klassen etwas häufiger vor. Das bedeutet, dass nicht vorrangig auf das Üben von Fertigkeiten und Routinen
Wert gelegt wird, sondern dass auch Aufgaben eingesetzt werden, die eine Anwendung
des Gelernten auf neue Inhalte erfordern.
Laut Markus-Studie liegt gerade im Bereich des anspruchvollen Übens ein vielversprechender
Ansatz für die Verbesserung des Unterrichtserfolgs. Eine Mischung aus intelligentem, verständnisvollem Üben und das herkömmliche Festigen und Sichern von Fertigkeiten scheint
den Unterrichtserfolg zu optimieren.
Peter May (2000) beschreibt in seiner Studie zu den Bedingungen für den Lernerfolg im Förderunterricht, dass weder die Zahl der Förderstunden, noch der Ort der Förderung, noch die Sozialform, noch
die genaue Funktion der Förderlehrerin entscheidend für den Lernerfolg sind. Vielmehr ist die Intensität des Lernens in dieser Unterrichtszeit für den Lernerfolg entscheidend.
Als entscheidende Merkmale für den Lernerfolg bestätigten sich: die effektive Nutzung der Lernzeit,
affektive Unterstützung, günstige Lernatmosphäre in der Klasse und konzentrierte Arbeitshaltung. Eine Schlüsselrolle zur Steuerung des Unterrichtsgeschehens kommt der Lehrperson zu. „Lehrer, die im
Klassenunterricht der Grundschule direktiver unterrichten, eine höhere Aufmerksamkeit für die Abläufe
in der Klasse zeigen und ihre Zuwendung an die Schüler gezielt auf die förderbedürftigen Kinder ausrichten, erzielen im allgemeinen bessere Lernergebisse.“ (May, 2000, S. 10)
Schlussbemerkung
Neben der unterschiedlichen Unterrichtsdidaktik hat die Lehrperson direkt großen Einfluss auf den
Unterrichtserfolg. Es ist also schlussendlich ein Konglomerat aus Inhalt, Didaktik, Methodik, effizienter
Nutzung der Lernzeiten, motivationaler Faktoren wie: „affektive Unterstützung, Arbeitshaltung, Konzentration, Leistungsbereitschaft der Kinder“, Zuwendung zu den lernschwachen Kindern und vielem
mehr, was letztendlich den Erfolg des Unterrichts ausmacht. Insofern ist es schwierig zwei Klassen
bezüglich ihres Lernerfolgs zu vergleichen, und daraus Rückschlüsse auf die Ursachen zu ziehen, weil
eben ein ganzes Paket an Variablen für diesen Lernerfolg verantwortlich ist.
Prävention und Förderung
88
Von der Stufe des „zählenden Rechnens“ zur Abrufbarkeit der Basisfakten
Zentrales Merkmal für Kinder mit Rechenschwäche ist der mangelnde Zugriff auf arithmetische Fakten
und der entwicklungsmäßige Rückstand in Bezug auf rechnerische Fertigkeiten (Geary et al. 1992,
Geary et al. 2000, Geary, 2004). Das bedeutet, dass wir bei vielen Kindern der Grundschule lange
über die 1. Schulstufe hinaus Zählstrategien, wie „counting on“ oder gar „counting all“ beobachten
können (H.D. Gerster, 1999. Gray, 1991).
Laut H:D. Gerster springen viele dieser Rechenschwachen Kinder nicht über die Hürde des „Zählenden Rechnens“, vernetzen die Fakten im Langzeitgedächtnis nicht und können Beziehungen zwischen
Zahlensätzen nicht benutzen. Sie können Ableitungsstrategien nur schwer erkennen, weil ihnen Beziehungen zwischen einzelnen Aufgaben nicht klar werden (3+4=7 also 3+14=17 also 4+14=18 usw.).
Die Aufmerksamkeit des Kindes ist sehr auf die Zählprozedur gerichtet, so dass der Zusammenhang
zwischen Aufgabe und Ergebnis auf der Strecke bleibt (H.D. Gerster, 1999). Da unser Kurzzeitgedächtnis nur eingeschränkte Ressourcen zur Verfügung hat (7 +/- 2 Informationen) vervielfacht sich
die Fehlerwahrscheinlichkeit bei mehrstelligen Multiplikationen und Additionen, wenn die Basisfakten
nicht im Langzeitgedächtnis abgespeichert sind.
Gerster (2000) nennt als Ursachen für das Stehen bleiben beim „Zählenden Rechnen“ Defizite in der
gliedernden Mengenauffassung und fehlende Strategien zu Vernetzung. Er betont die Wichtigkeit der
Bedeutung der Informationen bei der Speicherung im Gedächtnis. Die Analyse und Strukturierung von
Rechenaufgaben steht bei der Vernetzung von neuer mit bereits vertrauter Information im Vordergrund.
Deshalb müssen Beziehungen zwischen Rechenaufgaben auch bewusst gelehrt, besprochen und
transparent gemacht werden, um den Kindern die Zusammenhänge aufzuzeigen.
Methoden:
o
Diskussionen (Beschreiben, Erklären, Entscheiden, Abwägen, Schätzen)
z.B.:
Wie viele wirst du haben, wenn du x dazugeben hast?
Wie hast du das gerechnet?
Wie viele fehlen dir noch auf 10?
Wer hat mehr?
Viele etablierte Trainingsprogramme legen Wert auf die Diskussion der Rechenvorgänge, der
Prozesse und die unterschiedlichen Möglichkeiten eine Aufgabe zu lösen. Gerade Unterrichtsansätze, die Wert auf entdeckendes Lernen (Nachforschender Ansatz, Problemlösender Ansatz),
oder Lernen von Konzepten legen, können auf den Austausch unter den Kindern als Lernmedium
nicht verzichten.
o
Visualisierungen (zum Aufbau innerer Bilder):
¾
Sicherer Aufbau von strukturierten Mengenbildern (Fingerbilder, Würfelbilder, Zehnerraster, Zahlenlinie; Hundertertafel etc,)
89
Würfelbilder
Visualisierungsmöglichkeiten der Zahl 13 (Strukturierte 10 in 2x5 plus 3 Einer)
Visualisierung einer Zerlegung der Zahl 7
Beispiel für die Visualisierung einer Additionsaufgabe
Autoren wie Lorenz (2003), Gerster (1999), Grissemann und Weber (2000), Buchner, Wright et al.
(2000), Gaidoschik (2001) u.v.a. legen Wert auf Visualisierung der Zahlen, des Zahlenstrahls, um
den Aufbau der Zahlen mit seiner Zehnerstruktur den Kinder klar zu machen und dabei zu helfen
dies zu verinnerlichen. Einige der gebräuchlichsten Visualisierungen werden oben abgebildet, die
alle demselben Ziel (der Verinnerlichung einer Zahlenvorstellung) dienen, aber unterschiedliche
Aspekte der Zahlendarstellung betonen. Die Autoren sind sich einig, dass sorgfältig ausgewählt
90
werden muss, welche Darstellungsform eingeführt und vertraut gemacht wird. Der Hintergedanke
dieser bildlichen Darstellungsformen ist der, dass Kinder diese Bilder im Gedächtnis speichern
und abrufen, um mental mit diesen Vorstellungen zu operieren. Zu viele Darstellungsformen verwirren rechenschwache Kinder eher. Dennoch braucht es die Vertrautheit mit mehreren unterschiedlichen Darstellungsformen, um die Einsicht zu gewinnen, wo auf einer Metaebene die Gemeinsamkeiten des Zahlenaufbaus liegen. Griffin (2000) nennt diese Einsicht die zentrale innere
Struktur, die die mentale Zahlenlinie bildet.
o
Leerer Zahlenstrahl (siehe Wright et al. 2000 und J.H. Lorenz, 2003)
Beispiele zur Anwendung des Zahlenstrahls
Dieser zunächst leere Zahlenstrahl dient dazu, dass Kinder ihren Rechenweg zeichnerisch darstellen. Diese Darstellung des Rechenweges und der Zahlbeziehungen dient als Grundlage zur
Diskussion wie eine Aufgabe gelöst werden kann. Der Schüler kann seine Strategie begründen,
neue Wege können aufgezeigt und plausibel gemacht werden.
Mittels dieser Methode wird auch das Abschätzen eines Rechenergebnisses leichter möglich.
Diese Methode verlangt natürlich eine gewisse Zeit bis die Schüler damit vertraut sind, sie zeigt
tiefer liegende Schwierigkeiten mit dem Zahlenaufbau und dem grundsätzlichen Verständnis von
Größen und Operationen deutlich und macht klar auf welchem Niveau sich das Kind befindet.
Beispiele:
o
Strukturierte Rechenfolgen
91
z.B.:
2+3=5
3+2=5
1+4=5
4+1=5
0+5=5
5+0=5
Autoren wie H.D. Gerster (1999) betonen die Wichtigkeit auch oder gerade rechenschwachen Kindern
Einsicht in die Strukturen des Rechnens zu geben. Eine hilfreiche Methode dafür ist die Strukturierung
von Rechenblöcken, wie sie im üblichen Unterricht zu Übungszwecken häufig eingesetzt werden.
Gerster argumentiert, dass Kinder großen Nutzen ziehen, wenn diese Übungsblöcke Ableitungen und
Zusammenhänge nahe legen und den Kinder bewusst gezeigt wird, dass bestimmte Zusammenhänge
das Rechnen erleichtern. Gerade schwache Rechner (Gerster, 1999) nützen diese Vorteile nicht spontan und brauchen Hilfe, diese zu entdecken und zu nützen.
Aufbau und Verinnerlichung Mathematischer Operationen nach Aebli
Nach Äbli ist die Operation das logisch-strukturelle Konzept einer Handlung. Durch die Synthese von
Operationen im numerischen Bereich können jeweils neue Operationen aufgebaut werden.
1. Am Anfang steht die effektive Durchführung einer Handlung, in welcher das logischstrukturelle „Skelett“ (Konzept/Schema) enthalten ist. Zunächst wird die Handlung anhand
konkreten Materials durchgeführt, später mit manipulierbaren Gegenstandssymbolen.
Auch auf dieser Stufe gibt es Verinnerlichungsansätze, wenn Teilschritte vorausgedacht, oder
Operationsschritte zurückgedacht werden. (Ein Kind isst Smarties: 5-1-1=3)
Beim Einführen der Grundoperationen kann die Handlung mit Material vollzogen werden, das
Strukturierungshilfen bietet (Fünfer-, Zehner- Hunderterstruktur – Zehnerstreifen, etc.).
♣♣♣♣♣ = ♣♣♣
2. Darauf folgt die bildliche Darstellung der Operation. Die Darstellung beruht zumeist auf einer
zeichnerischen Abbildung der Mengengestalten und einer Andeutung der Operation durch
graphische Zeichen. Der Verinnerlichungsprozess bezieht sich nun auf die Vorstellung der
zwei- auf die dreidimensionale Ebene und darauf, dass die Operationsabläufe vorgestellt werden müssen. Es kann aber auch bedeuten, dass mental vorgestellte Operationen gezeichnet
werden.
ΟΟΟΟΟ = ΟΟΟ
3. Nun folgt die zeichenmäßige Darstellung der Operation in Form einer Zifferngleichung. Die
ziffernmäßige Darstellung erfordert vom Kind die geistige Umsetzung der symbolischen Darstellung in einen anschaulichen Bedeutungskontext.
Allmählich werden die Zeichen zu Bedeutungsträgern, indem auf die anschauliche Repräsentation langsam verzichtet wird. Dennoch muss lange Zeit von einer Ebene (konkret) zur
nächsten (bildlich) und übernächsten (symbolisch) auf und ab gewechselt werden, bis den
92
Kindern dieser Zusammenhang leichtläufig von der Hand geht. Die Operation muss so lange
in verschiedensten Handlungsumhüllungen angeboten und durchgearbeitet werden, bis sie
losgelöst von Material und Lage durchgeführt werden kann.
5-2=3
4. Der letzte Schritt macht die Operation beweglich und übertragbar. Es handelt sich um eine
letzte operative Entschlackung.
Die Übung zur Automatisierung kann beginnen, um das Kurzzeitgedächtnis während komplexerer Rechenoperationen zu entlasten.
Rein mechanisch-assoziative Automatisierungsprozesse ohne strukturelle Einsichten sind
möglich, gleichen aber sinnleeren Gedächtnisleistungen.
Programme zur Rechenförderung
Numeracy Recovery (Ann Dowker)
Das „Numeracy Recovery“ – Programm von Ann Dowker wurde im Rahmen eines Projekts zur Förderung von rechenschwachen Kindern im Herbst 1998 in 6 Schulen in der Nähe von Oxford gestartet.
Kinder, die von ihren Lehrpersonen als rechenschwach eingestuft worden sind, wurden während eines
Schuljahres für circa 30 Wochen (1/2 Stunde / Woche) einzeln gefördert. Die Evaluation dieser Studien brachte signifikante Leistungszuwächse in Mathematik (WISC Subtest Mathematic und BAS Basic Number Skills) zutage.
Das Förderprogramm umfasst folgende Schwerpunkte:
1. Zähl-Prinzipien und – Prozeduren
Als ein wichtiges Zählprinzip wird das Order-Irrelevanz-Prinzip verständlich gemacht. Kinder üben anhand von kleinen Mengen (4 Elemente) abzuzählen, die Anzahl zu bestimmen und zu sehen, dass die
Anzahl der Items nicht von der Zählrichtung, Anordnung etc. abhängt. Wiederholtes Addieren und
Subtrahieren um 1 wird mittels kleinen Plättchen geübt. Übungen zum Zahlwort davor und danach
werden verbal gestellt: „Welche Zahl kommt vor 9?“, „Welche Zahl kommt nach 14?“.
2. Transkodieren – geschriebene Symbole für Zahlen
Beim Transkodieren üben die Kinder Zahlen zu lesen und zu schreiben. Kinder, die beim Transkodieren von zweistelligen Zahlen Probleme haben, werden angeleitet, Objekte in Zehnergruppen zu ordnen und dann diese in 10 er Schritten zu erfassen: „10, 20, 30,...“ und aufzuschreiben. Auch andere
veröffentlichte Übungen fanden in diesem Unterpunkt Verwendung (genannt: Burges, 1995).
3. Verständnis vom Stellenwert in Operationen und Arithmetik
Dieser Punkt beinhaltet die Fähigkeit, Zehner und Einer zu addieren (20 + 3), Zehner zu Zehner zu
addieren (20 + 30) und mit gemischten Zahlen (23 +34) zu operieren. Auch gehört das Verglichen von
Zahlen dazu: „13 und 16“ (gleicher Zehner), „23 und 43“ (gleiche Einer) oder „27 und 31“ (gemischte
Zehner und Einer).
93
4. Verstehen und Lösen von Textaufgaben
Kinder werden Additionen und Subtraktionen in Textaufgaben gezeigt, welche dann besprochen werden: „Mit welchen Zahlen muss gerechnet werden?“, „Was muss man mit den Zahlen tun?“, „Was
glaubst du, muss man addieren oder subtrahieren?“, „Kommt am Schluss mehr oder weniger heraus?“, …
Kinder werden ermutigt, Plättchen zur Berechnung zu benutzen oder die Rechnung zu notieren.
5. Übersetzung zwischen konkretem, verbalem und numerischem Format
Eine Rechnung wird auf verschiedene Arten dargestellt, um zu zeigen, dass immer das gleiche Ergebnis herauskommt.
Dann werden die Kinder ermutigt, Textaufgaben sowohl schriftlich als auch konkret abzubilden, genauso wie schriftliche Aufgaben konkret darzustellen und umgekehrt (Katie hat fünf Apfel. Sie isst
zwei, deshalb hat sie jetzt noch drei. - Schreibe diese Rechnung auf.)
6. Anwendung von Ableitungsstrategien
Den Kindern wird anhand von Paaren mit arithmetischen Gleichungen gezeigt und erklärt, wie diese
zusammenhängen, bzw. was für Ableitungsstrategien angewandt werden können (16 + 4 = 20, 20 – 4
= 16). Wenn die Kinder noch mehr Erklärung brauchen, werden die Aufgaben mit sehr einfachen Zahlen im einstelligen Bereich, konkret mit Objekten darstellt oder auf der Zahlenlinie gezeichnet. Die Kinder sollen dann selbst andere Beispiele durchführen. Auch bei diesem Unterpunkt wurden bereits veröffentliche Übungen (genannt: Burges, 1995) zusätzlich angewandt.
7. Schätzen
Den Kindern wird eine Reihe von Rechnungen unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades gezeigt, die
Tom und Mary ausgerechnet haben. Die Kinder sollen auf einer 5-teiligen-Skala beurteilen, ob die
Antworten von Tom und Mary zwischen „sehr gut“ bis „sehr dumm“ liegen. Die Kinder sollen begründen, warum sie glauben, dass die Antwort richtig bzw. falsch war.
8. Einprägen von arithmetischen Fakten
Einfache Additions- und Subtraktionsakten werden immer wieder während der Stunden und über die
Stunden hinweg wiederholt. Zahlreiche Spiele finden auch zum Erlernen dieser Fakten Verwendung
(Preston, 1998, Scarry, 1998).
Vor der Förderung wurden alle ausgewählten Kinder auf diesen 8 Unterpunkten eingeschätzt, damit
eine gezielte individuelle Förderung durchgeführt werden konnte. Ebenso wurde eine Einschätzung
mittels Standard-Rechentest durchgeführt. Nach der Förderung wurde anhand der oben genannten
Standard - Verfahren (BAS, WISC Subtest Arithmetic) der Stand im Rechnen erneut erhoben. Wie
bereits erwähnt, konnten die Kinder ihr Rechenkönnen signifikant verbessern.
Alle Lehrpersonen haben sich sehr begeistert über die Förderung geäußert. Die Möglichkeit zur Einzelförderung wurde sehr begrüßt, die Lehrpersonen fanden, dass die Kinder diese Art der Förderung
sehr genossen haben und schöne Lernerfolge zu beobachten waren.
Das „Innsbrucker Programm“ zur Rechenförderung (Kaufmann et al.
2003)
94
Eine sehr interessante Studie (Kaufmann, Delazer, Pohl, Semenza & Dowker, 2003) zur Rechenförderung im Kindergartenalter, welche im Raum Innsbruck durchgeführt worden ist, zeigte, dass durch
spezifische Förderung numerischer Inhalte, wie konzeptuelles Wissen, sehr gute Lernzuwächse im
Rechenwissen erzielt werden.
Die Studie verglich eine Untersuchungsgruppe, die Rechenförderung durch ein spezifisch numerisches Programm erhielt, mit einer Kontrollgruppe, die eher allgemeine Rechenförderung erhielt. Das
spezifisch numerische Programm versuchte durch nachforschendes (selbstentdeckendes) Lernen
(vgl. Baroody, 2003) numerische Konzepte zu vermitteln, wohingegen das Programm der Kontrollgruppe auch auf prozedurale Fertigkeiten fokussierte.
Die Untersuchungsgruppe wurde während eines Zeitraums von ca. 6 Monaten im letzten Kindergartenjahr ca. eine Viertelstunde/Tag durch die Kindergärtnerinnen gefördert.
Monatlich wurden diese Kindergärtnerinnen von den Psychologinnen der Forschergruppe betreut bzw.
supervidiert, um eine optimale Umsetzung der Förderung zu gewährleisten. Die Untersuchungsgruppe
zeigte vor allem beim Zählen und beim Kopfrechnen signifikante Lernzuwächse, obwohl Kopfrechnen
nicht explizit trainiert worden ist.
Die Autoren vermuten, dass durch das Vermitteln der konzeptuellen Inhalte ein flexibler Umgang mit
rechnerischen Inhalten erzielt werden kann, der dann bei verschiedenen Rechenkontexten angewandt
wird.
Im Folgenden sind die Inhalte des erfolgreichen Rechenprogramms aufgelistet:
•
Zählen und Zählsequenzen
•
Zählprinzipien
•
Arithmetische Symbole (Arabische Zahlen und Operationszeichen)
•
Mengenvergleiche
•
Schätzen
•
Textaufgaben
•
Schlussfolgern
Ein wichtiges Prinzip des Förderprogramms ist, dass die Kinder die Rechenaufgaben gemeinsam erarbeiten, mitunter mit Hilfe von Zählobjekten oder der Finger, dann miteinander besprechen, diskutieren und Zusammenhänge selbstständig entdecken.
Die Autorinnen führen die signifikante Überlegenheit der Untersuchungsgruppe gegenüber der Kontrollgruppe darauf zurück, dass durch die spezielle Unterrichtsmethode des selbst Entdeckens und
Erforschens eine gute Verbindung von prozeduralem und konzeptuellem Wissen erworben worden ist.
Dieses tiefe Verständnis von numerischen Beziehungen führt zu großer Flexibilität in der Anwendung.
Das kognitiv-neuropsychologisch orientierte Interventionsprogramm von
Pia Handl
Pia Handl (2000) hat im Rahmen ihrer Diplomarbeit ein kognitiv-neuropsychologisch orientiertes Trainingsprogramm zur Förderung rechenschwacher Kinder entwickelt und dieses auch evaluiert.
95
Eine Versuchsgruppe von insgesamt 6 rechenschwachen Kindern der 3. Schulstufe wurde während
eines Semesters intensiv im Einzelsetting mit einem „maßgeschneiderten Trainingsprogramm“ gefördert. Jedes Kind erhielt im Schnitt 40 Fördereinheiten zu je 25 Minuten. Bei der Kontrollgruppe handelte es sich um 18 Kinder der regulären Volksschule, 3. Schulstufe, in derselben Gegend.
Der Aufbau des Programms lautet folgendermaßen:
•
Zählen-Zählprinzipien
•
Operationszeichen
•
Automatisierungstraining – Partnerzahlen
•
Etablierung und Automatisierung der Additionsfakten
Platzhalterrechnungen, Zahlenzerlegungen
•
Etablierung und Automatisierung der Subtraktionsfakten
Umkehraufgaben
•
Aufbau und Etablierung der räumlichen Orientierungs- und Vorstellungsfähigkeit im dekadischen Positionssystem
Transkodieren, Zählsequenzen (Zweier- und Dreierschritt), Zehnerüberschreitung und –
unterschreitung, komplexe mehrteilige Aufgaben
•
Etablierung und Automatisierung der Multiplikationsfakten
•
Prozedurales Wissen für Divisionsfakten
Umkehraufgaben
Das Förderprogramm orientiert sich im wesentlich aus den oben beschriebenen Modulen, die hierarchisch aufeinander aufbauen. Jedes Kind konnte seinem Tempo und seinem Lernzuwachs entsprechend lange bei einem Modul verbleiben, bis es zum nächsten, teilweise überschneidend fortschritt.
Das konzeptuelle Wissen wurde immer parallel gefördert. Die Module wurden immer nach dem Schema vergleichbar mit den Stufen von Hans Aebli (1975, 1985) auch in: Milz, I. (1997), Buchner C.
(1999), Grissemann, H., Weber, A. (2000) erarbeitet: Von der anschauungsgebundenen, handelnden
Ebene zur bildlichen Darstellungsform, über die Darstellung in Ziffern und Operationszeichen zur Automatisierungsstufe.
Die Autorin nennt als Schwerpunkte des Programms den neuropsychologischen Hintergrund, der sich
vor allem auf die Förderung des numerischen und pränumerischen Basiswissens bezieht. Es werden
Teilfunktionsstörungen mitberücksichtigt und Wahrnehmungsstörungen im Rahmen des Unterrichts
durch die Klassenlehrerin mitgefördert. Neben der Sicherung des Basiswissens wird immer wieder
Automatisierungstraining zur Sicherung der Fakten durchgeführt. Das gesamte Training orientiert sich
immer am Stand des Kindes, der Ausgangspunkt und Leitfaden für die spezifische Förderung darstellt.
Anschauungsmittel werden konsequent aber sorgfällig ausgewählt einsetzt, so verwendet Pia Handl:
„Köpfe, Lego/Dulpo-Steine, die Hundertertafel, Cuisenaire-Stäbe, etc.“ um nur einige zu nennen.
96
Das Ergebnis der Evaluationsstudie zeigt deutliche Lernzuwächse bei den Trainingskindern, sie konnten sich in vielen Bereichen deutlich steigern und in manchen Teilbereichen sogar das numerischrechnerische Wissensniveau (Lesen und Schreiben von Operationszeichen, Rückwärtszählen, Zählen
in Zweierschritten, schriftliches Addieren) der Kontrollkinder erreichen.
Mathematics Recovery (Wright, et al. 2000, 2002)
Das “Mathematics Recovery Program” ist in Australien von Wright et al. (2000, 2002) entstanden. Dieses Förderprogramm wird in England, Australien und Amerika angewandt. Die vorliegende Studie bezieht sich auf ein Projekt zwischen 1992 und 1997 in Australien, wo eigens instruierte Lehrpersonen
zusätzlich in den Klassen mit rechenschwachen Schülern (6 und 7 Jahre) intensive individuelle Förderung durchgeführt haben. Das Förderprogramm wurde 30 Minuten/ Tag über einen Zeitraum von 12
bis 14 Wochen durchgeführt.
Das theoretische Grundgerüst sind die „Stufen der frühen arithmetischen Lernstrategien“, welche bereits weiter oben ausführlicher beschrieben worden sind. Das arithmetische Lernen wird in 5 Stufen
gegliedert: vom beginnenden Zählen, zum perzeptiven Zählen, zum figurativem Zählen und Addieren,
zur „Counting-on“ Strategie, zum sicheren Addieren.
Beim Förderprojekt sind die Kinder vor und nach der Förderung diagnostisch eingeschätzt worden.
Auf der Grundlage dieser Eingangsdiagnostik wurde dann bei der Förderung individuell aufgebaut.
Um ein Beispiel zu nennen: Ein Kind, welches auf der Stufe eines beginnenden Rechners eingestuft
worden ist, fokussiert zunächst auf folgende Lernziele:
1. die Zahlwortsequenz bis 20
2. die Ziffern von 1 bis 10
3. Zählen sichtbarer Items
4. Räumliche Muster (Darstellungsformen von Zahlen in Dominomuster, oder Punktehaufen)
5. Fingermuster (Erkennen und Bilden von Mustern bis 5)
6. Zeitliche Muster (Abzählen von Bewegungs-, und Geräuschsequenzen)
Das gestufte Programm definiert für ein Kind der nächsten Stufe ganz andere Lernziele im hierarchischen Aufbau der verschiedenen Säulen:
I.
Arithmetische Strategien, dekadisches System
II.
Zählen vorwärts, rückwärts, Ziffern (Transkodieren),
III.
andere Aspekte - Visualisierungen (Fingermuster, Zerlegungen und Ergänzung von Zahlen im Zehnerraster, Hundertertafel).
Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die Kinder signifikante Verbesserungen in den fokussierten Lehrzielen erreichen konnten, sie konnten in manchen Gebieten sogar auf altersentsprechendes
Niveau aufschließen.
Die Lehrpersonen äußerten sich äußerst positiv über das Projekt, sie hatten den Eindruck durch die
genaue Diagnostik über den Stand der Kinder in Rechnen besser bescheid zu wissen. Weiters konnten sie die Techniken und Ideen des Programms gut umsetzen und gaben an, das erworbene Wissen
der Einzelförderung auch in Zukunft im Klassenunterricht sinnvoll einsetzen zu können.
97
Kritik:
Die verwendeten Verfahren zur Erhebung des Lernerfolgs gingen Hand in Hand mit der Förderung
und messen natürlich den vorhandenen Trainingseffekt. Dass der gemessene Lernerfolg sich auf
Rechnen allgemein auswirkt und überträgt ist zwar anzunehmen aber nicht eindeutig überprüft worden.
Number Worlds
(Sharon Griffin, 2001, Clark University)
Im folgenden Abschnitt wird das Mathematik Programm „Number Worlds“ von Sharon Griffin (Clark
University N.H.) und dessen wichtigste theoretische Grundlagen kurz skizziert. Dieses Programm,
welches für den Mathematik Unterricht auf verschiedenen Schulstufen (Kindergarten, 1.Schulstufe, 2.
Schulstufe) konzipiert ist, scheint sich sowohl durch das theoretische Grundgerüst als auch durch den
konkreten Aufbau grundlegend von den (wenigen) bisher bekannten Förderprogrammen zu unterscheiden.
Sharon Griffin und ihr Kollege Robin Case bezeichnen sich selbst als „Neo-Piagetaner“ die auf Piaget´s Theorien aufbauen und diese weiterentwickelt haben.
In Bezug auf das theoretische Konzept ordnet Sharon Griffin ihr Programm dem entwicklungsorientierten Ansatz zu. Es basiert auf sorgfältiger Forschung, welche mathematischen Konstrukte Kinder entwickeln, wenn sie in einem Umfeld aufwachsen, welches „gut genug“ (good enough) ist, dieses
Wachstum zu ermöglichen. In kleinen Schritten unterliegt die Entwicklung einem natürlichen Fortschritt.
Sie beschreiben, dass Kinder ihr quantitatives Wissen und Zählwissen, die beiden ersten Konstrukte,
ständig weiter entwickeln und ihr Wissen mehr und mehr integrieren, so dass schlussendlich ein einziges komplexes Netzwerk entsteht.
Sie nennen dieses Netzwerk „zentrale konzeptuelle Struktur“ wegen der zentralen Rolle, die dieses im
mathematischen Denken der Kinder einnimmt.
Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die einzelnen Wissenselemente dieses Netzwerks,
wie es etwa im Alter von einschulenden Kindern besteht.
98
“Mental Counting Line” (Die mentale Zählstruktur) oder „Zentrale konzeptuelle Struktur“
S. Griffin in „Teacher’s Guide“3. Version. 2001 S. 20
Die obersten zwei Reihen nennen sich Zahlwortreihe und Reihe der Zählobjekte (in ordinalem Sinne). Die Zahlworte sind nun als einzelne Worte gespeichert, die in jeder Richtung sofort abgerufen
werden können.
Die zweitunterste Reihe „quantities“ (Quantitäten) genannt, meint ein Schema für ein
Mengenverständnis in kardinalem Sinne.
Die mittlere Reihe zeigt ein „neues Element“: die Darstellung der Zahlen in Form von Fingerbildern.
Griffin betont die Wichtigkeit der Fingerrepräsentationen für Kinder beim Addieren und Subtrahieren
Lernen. Die Finger sind deshalb so praktisch, weil sie „immer zur Hand sind“ und weil sie für beide
Aspekte (ordinal und kardinal) der Zahlenrepräsentation verwendet werden können. Einerseits dienen
sie für das Zählen (indem man einen Finger nach dem anderen hochhält) und andererseits für die
Darstellung einer Menge (indem man die Finger simultan in einem Standardmuster hochhält).
Wenn Kinder im Schulalter ihre mathematischen Strukturen zu einer einzigen und universellen Struktur weiter entwickeln, verstehen sie, dass Additionen und Subtraktionen ohne eine konkrete Darstellung gelöst werden können, einfach durch das vorwärts- oder rückwärts Zählen der Zahlwortreihe.
Weiters lernen sie, dass „eins mehr“ (oder „eins weniger“) eine automatische Vergrößerung (Verkleinerung) der Menge um eins mit sich bringt, ohne dass sie eine Abbildung für diese Operation brauchen. Sie entdecken, dass formale Mathematik im Kopf stattfinden kann, unter eigener Kontrolle.
Wenn sie diesen Schritt von der Abhängigkeit von äußeren, beobachtbaren Vorgängen zur abstrakteren inneren Ebene geschafft haben, beginnen Kinder ihre Zählfertigkeiten in verschiedensten Kontexten anzuwenden. Auch der Vergleich zweier Objekte in verschiedensten Dimensionen wird möglich
(Höhe, Länge, Gewicht, Lautstärke), was durch die Klammern am Rand der Abbildung dargestellt ist.
99
Schließlich lernen die Kinder die geschriebenen Ziffern und Zahlen, wie in der untersten Reihe dargestellt. Geschriebene Zahlen stehen als Symbole für Zahlworte sowohl in ordinaler Verwendung als
„Zähler“ als auch gleichzeitig als kardinale Mengenbezeichnung, was dazu führt, dass die Elemente zu
einer neuen kognitiven Struktur zusammengeführt werden.
Implizites und explizites Wissen
(aus S.Griffin 2001)
Auch wenn Kinder am selben Mathematikunterricht teilnehmen, so profitieren trotzdem längst nicht
alle im selben Maße davon. Obwohl sie oft sogar noch beim ersten Hinsehen das Material und die
Aufgabe gleich gut verstanden haben, so kann das eine Kind „hinter“ das Material sehen und dieses
auf neue Situationen anpassen und verwenden und das andere nicht. Einige Kinder scheinen einen
besseren Zahlensinn, ein besseres intuitives Wissen zu haben als andere, obwohl sie dasselbe explizite Wissen zeigen.
Schlagworte
Implizites Wissen: Zahlensinn, Gefühl für die Zahlen, intuitives Wissen
Explizites Wissen: Wissen um den Lösungsweg, in Worten erklärbarer Rechenvorgang
J. Sowder (zitiert in Griffin 2001, S.22) zeigt, dass der Zahlensinn von Kindern nicht angeboren sein
muss, er kann auch gefördert und entwickelt werden, wenn entsprechende Maßnahmen im Unterricht
gesetzt werden.
Sie beschreibt, dass Kinder mit gutem Zahlensinn über eine große Bandbreite von Möglichkeiten verfügen wie sie quantitative Situationen repräsentieren und sie bewegen sich innerhalb dieser mit Leichtigkeit auf und ab.
Sie wählen diejenige Repräsentationsform aus, die das aktuelle Problem am besten darstellt, um es
zu verstehen und damit zu arbeiten.
Diese Fähigkeiten können im Unterricht durch die Verwendung von verschiedenen Repräsentationsformen für arithmetische Aufgaben gefördert werden.
Ein weiteres Merkmal für Kinder mit gutem Zahlensinn ist das gute Gefühl für die Größe der Zahlen
und die Veränderung dieser Größe durch die Operation. So können sie, obwohl sie vor simplen Rechenfehlern genauso wenig gefeit sind wie andere Schüler, zumindest beurteilen, ob das Ergebnis
wahrscheinlich ist oder nicht (Schätzen).
Das „Number Worlds“ Programm von Sharon Griffin beinhaltet ein vielfältiges Angebot an gängigen
Repräsentationen für Zahlen und deren Gebrauch für arithmetische Aufgaben.
Die Repräsentationsformen sind sowohl, wie in vielen anderen Förderprogrammen, konkrete Materialen als auch Zahlendarstellungen in linearer Form entlang einer Zahlenlinie, an der sich die Kinder
entlang bewegen können.
100
So erfahren Kinder den linearen dekadischen Zahlenaufbau und bilden laut Griffin ein intuitives Wissen über Zahlen und deren Nachbarn ähnlich wie über die eigene Nachbarschaft zuhause.
Laut Griffin sind Brettspiele der beste umweltbedingte Prädiktor für Erfolg in Mathematik. Deshalb
verwendet sie viele Brettspiele im Unterricht damit alle Kinder, unabhängig von ihrer Lernumwelt, von
diesen Spielen profitieren können.
Ein sehr beliebtes Spiel aus „Number Worlds“ ist zum Beispiel das Spiel „Drachensuche“. Bei diesem
Spiel legen die Kinder durch würfeln einen Weg zurück, der zur Drachenhöhle führt. Auf dem Weg
sind immer wieder markierte Felder, auf welchen die Kinder eine bestimmte Anzahl von Wasserkübeln
aufsammeln können (Kärtchen geben die Anzahl an). Haben die Kinder 10 Kübel auf ihrem Weg bis
zur Drachenhöhle aufgesammelt, können sie in der Drachenhöhle das Feuer des Drachen löschen.
Wenn nicht, werden sie vom Drachen gefangen und bleiben so lange Gefangene bis das nächste Kind
mit 10 Wasserkübeln das Feuer löscht und die Gefangenen befreit. Die Rechengleichungen für die
Wasserkübel werden auf Arbeitsblättern notiert und in der Gruppe diskutiert.
Bei jedem Spiel ist genau festgehalten, welche Lernziele angestrebt werden, welche Fragen die Diskussion anregen können und welches Vokabular für die Rechenoperationen in diesem Kontext normalerweise gebraucht wird.
Die genaue Übersetzung dieser Spielanleitung (Aktivitätskarte: Bilderland Nr.8) finden sie im Anhang.
„Der Zahlensinn kann unterrichtet werden.“
Eine Serie von Studien belegt, dass Kinder aus unterprivilegierten Schichten, welche weniger gute
Voraussetzungen zum Rechnen Lernen mitbringen, durch die Arbeit mit „Number Worlds“ im Kindergartenalter ihren Rückstand im numerischen Wissen dauerhaft gut aufholen konnten. Die Studie von
Griffin, Case & Siegler (1994) belegt durchschnittliche bis gut durchschnittliche Leistungen dieser Kinder in der 1. Klasse in einer Follow-up Studie. Sowohl die schriftlichen Rechentests als auch die Einschätzung des Zahlenwissens durch die Lehrer waren besser. Weitere sehr positive Evaluationsstudien werden am Ende dieses Kapitels genauer beschrieben.
„Wie der Zahlensinn unterrichtet werden kann.“
Drei Unterrichtsprinzipien sind die Schlüsselpunkte zum Zahlensinn:
1. Es wird eine Vielzahl von Aktivitäten angeboten, um Querverbindungen und Zusammenhänge
klar zu machen.
2. Die Konzepte werden in der Gruppe ausprobiert und diskutiert.
3. Eine angemessene Abfolge der konzeptuellen Inhalte wird sichergestellt.
101
Griffin formuliert folgende Unterrichtsziele, die sich am Entwicklungsprozess der Kinder orientieren.
1. Probleme lösen
Die meisten Aktivitäten, die das Programm beinhaltet, bieten den Kindern die Möglichkeit, eine Reihe
von visuell-räumlichen Abbildungen des Zahlensystems kennen zu lernen. Die Reihenfolge, in welchen die Kinder mit den verschiedenen Darstellungsformen vertraut gemacht werden, hängt vom
Komplexitätsgrad der Abbildungen ab.
Diese Aktivitäten werden in einen spielerischen Kontext verpackt, der es notwendig, macht sich mit
dem Zahlensystem auseinander zu setzen, um das Spielziel erfolgreich zu erreichen. Der spielerische
Charakter motiviert die Kinder stark aktiv an den Problemlöseprozesses teilzunehmen.
2. Kommunikation
Kommunikation ist ein sehr lebendiges Element dieses Programms. Die meisten Spiele werden gemeinschaftlich in kleinen Gruppen durchgeführt. Um die Spiele durchführen zu können, ist es oft notwendig, über die Vorgänge zu sprechen. Und die Kinder beobachten einander genau, weil sie wissen
wollen, wer gewinnt und stellen Fehler sehr schnell klar. Zudem wird zwischendurch und am Ende
eines Spieles gemeinsam reflektiert, Gewinner werden ermittelt, verschiedene Lösungswege verglichen, diskutiert und auf Effektivität überprüft, ohne vorschnelle Bewertung über richtig oder falsch.
Bei jedem Spiel finden sich für die Lehrperson wichtige Hinweise, welche neuen mathematischen Begriffe hinter sich hinter den Aktivitäten verbergen (z.B.: größere Zahlen sind „weiter weg, höher oben,
weiter rundum“). Wichtige Fragen werden beispielhaft angeführt, um nutzvolle Diskussionen anzuregen, z.B.: Wo bist du jetzt? Wo wirst du nach deinem Spielzug sein? Wer ist näher am Ziel? Wie viele
brauchst du noch? Wie bist du darauf gekommen?).
3. Schlussfolgernd Denken
Das schlussfolgernde Denken ist selbstverständlich Teil des problemlösenden Ansatzes und der
Kommunikationsstrukturen, dass es kaum notwendig scheint, dieses Unterrichtziel noch einmal anzuführen. Dennoch das Number Worlds Programm legt großen Wert darauf, dass das implizite Wissen
mit dem expliziten Wissen gut verknüpft wird. Durch die Aktivitäten sollen die Kinder eine innere Repräsentation entwickeln, eine Art räumliche Struktur, die der impliziten Repräsentation entspricht. Diese
räumliche Repräsentation soll den Kindern helfen sich in der Vorstellung vorwärts und rückwärts zu
bewegen, um sich auf expliziter Ebene, die stark sprachlich strukturiert ist, besser auszudrücken.
Weiters wird bei Number Worlds großer Wert auf die Vorhersage von Ergebnissen und Erklärungen
gelegt, besonders bei Aufgaben die kurz darauf selbst gelöst werden, um die eigenen Aussagen dann
zu überprüfen.
4. Gerechtigkeit (passend für alle)
Die meisten Spiele können auf verschiedenen Niveaus gespielt werden. D.h. es gibt höhere Anforderungen für weiter entwickelte Kinder und einfachere Anforderungen für die weniger starken Kinder,
sodass alle Kinder vom selben Spiel auf ihrem Niveau profitieren können.
Es ist beabsichtigt allen Kindern die Möglichkeit des Fortschritts auf vielen Ebenen in passendem Niveau zu geben.
102
Repräsentationen in den verschiedenen „Welten“
„Repräsentation der Zahlen in verschiedenen Welten“ aus S. Griffin Abb.5 S.26 (2001)
•
Objektland (Object Land): Konkrete Darbietung, zeichnerische Darbietung, Punktebilder
•
Bilderland (Picture Land): Darstellung in Standard-Würfelbildern
Punkte auf dem Würfelbild gelten als Symbole für andere Objekte
•
Linienland (Line Land): Zahlen entlang einer Linie (wie eine Leiter oder Rutsche)
Sprachliche Ausdrücke für Distanzen werden verwendet, Zahlen können einen bestimmten
Platz und eine Anzahl von Bewegungen bedeuten
•
Himmelland (Sky Land): Graphische Darstellung als vertikale Skala,
größere Zahlen sind höher oben; auch kontinuierliche Größen können mit Skalen gemessen
werden.
•
Eventuell: Kreisland (Circle Land): Graphische Darstellung in runder Form (Kreisdiagramm)
Das Number Worlds Programm versucht einerseits explizites Wissen zu fördern und andererseits die
notwenigen Voraussetzungen dazu aufzubauen. Weiters konzentriert es sich auf handelnde Aktivitäten für die Kinder, durch welche sie mathematische Konzepte erfahren können. Die wissenschaftliche
103
Orientierung ermöglicht eine breite Basis für ein Grundgerüst an Basisvoraussetzungen und ermöglicht auf diesem Fundament einen fein abgestuften Aufbau des Wissens.
Die Einführung in verschiedene „Welten“ von Repräsentationsformen ermöglicht die Erkenntnis:
1. von einer visuellen Darstellungsform zur anderen wechseln zu können und
2. von implizitem Wissen zu explizitem (schriftlichen) Wissen überblenden zu können.
Der sprachliche Kontext ändert sich von Welt zu Welt, zwischen welchen wiederum flexibel bewegt
werden kann.
„Dieser flexible Umgang von visueller und sprachlicher Repräsentation und implizitem und explizitem
Wissen maximiert die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder einen guten Zahlensinn entwickeln“ (Griffin
2001, S.21).
Zur Methode
Der tägliche Mathematik-Unterricht beginnt mit einer Aufwärmphase zwischen 5 und 10 Minuten. Das
kann z.B. eine kurze Übung zum Zählen sein (z.B.: „Catch the Teacher“). Allermeistens werden sie mit
der ganzen Klasse im Kreis sitzend durchgeführt. Dann kommt ein Arbeitsblock der zwischen 20 und
40 Minuten, je nach Alter, dauert. Es gibt Aktivitäten, die mit der ganzen Klasse gemeinsam durchgeführt werden können und Aktivitäten für die kleine Gruppe zu je 4 Kindern. In der Kleingruppe arbeiten
die Kinder miteinander, wenn eine zweite Lehrperson vorhanden ist, ist es sehr angenehm, um die
Kleingruppen intensiver betreuen zu können. Die Gruppen spielen bzw. führen unterschiedliche Aktivitäten durch. Dies geht leichter, je besser die Kinder mit den Spielen vertraut sind.
Nach der Gruppenarbeit gibt es eine Schlussphase, die den Kindern die Möglichkeit gibt, ihre Handlungen zu reflektieren und diskutieren. Die Schlussphase wird immer in der Großgruppe gemacht.
Nach Großgruppenaktivitäten beschreiben freiwillige Kinder, was sie getan haben und was sie gelernt
haben. Nach der Kleingruppenarbeit beschreibt ein Reporter jeder Gruppe diese Dinge. In dieser
Phase, sowie während der ganzen Arbeit, führt die Lehrperson durch gezieltes und vorsichtiges Fragen auf die Kernpunkte der Inhalte hin, um das Verständnis zu verbreitern.
Es gibt einige Spielmaterialien, wie Steckbretter, Spielbretter, Häuserreihen mit Hausnummern von 1100, Würfel, Spielfiguren, usw. die sorgfältig verwahrt werden und immer wieder benützt werden können. Die ständige Wiederholung der Spiele unterstützt die Möglichkeit das Wissen zu erwerben. Viele
Spiele und Aktivitäten haben Variationen und Steigerungsstufen, sodass die Kinder ihre Konzepte und
Fertigkeiten auch ständig verbessern und erweitern können.
104
Anhang:
105
8
Drachensuche 1: Triff den Drachen
BILDERLAND
Lernziele
ƒ Kleine Mengen zu einstelligen Zahlen dazugeben
Materialien
ƒ Drachensuche-Spielbrett
ƒ Spielfiguren, eine für jedes Kind
ƒ Drehscheibe (oder Punktwürfel)
ƒ Drachensuche-Additionskarten von +1 bis +4
ƒ Bilderland Arbeitsblatt 1 (Spielstandformular für mehrere Spieler) für die Herausforderung
ƒ Lernkettenglieder
Vorbereitung
ƒ Vergewissern Sie sich, dass der Kartenstapel nur Additionskarten von +1 bis
+4 enthält. Die Subtraktionskarten und die höheren Additionskarten werden in
einer späteren Spielversion benötigt.
Aktivität
Erzählen Sie den Kindern eine Geschichte über einen feuerspeienden Drachen, der das Dorf, in dem
die Kinder leben, in Angst und Schrecken versetzt. Erklären Sie, dass die Kinder die Helden sind, die
ausgewählt wurden, um den Drachen zu suchen und sein Feuer zu löschen.
Erklären Sie die Spielregeln.
ƒ Die Kinder bewegen abwechselnd die Drehscheibe (oder den Würfel) und bewegen ihre Spielfigur
entsprechend viele Felder weiter auf dem Spielbrett.
ƒ Die Sternfelder sind Brunnen, wo die Kinder Eimer voll Wasser schöpfen können.
ƒ Wenn ein Kind auf einem Brunnen landet, nimmt es eine Drachensuchkarte vom verdeckten Stapel
(vor Spielbeginn mischen!).
ƒ Die Zahl auf der Karte sagt, wie viele Wassereimer das Kind beim Brunnen schöpfen kann und wie
viele Lernkettenglieder – also Wassereimer – es wegnehmen kann.
ƒ Die Kinder zählen ihre Wassereimer zusammen, sobald sie sie „geschöpft“ haben.
Damit das Feuer des Drachens gelöscht werden kann, braucht ein Held mindestens 10 Wassereimer.
ƒ Wenn ein Held mit weniger als 10 Wassereimern ins Drachengebiet eindringt, wird er zum Gefangenen des Drachen und kann nur von seinen Mitspielern gerettet werden.
106
ƒ Das erste Kind, das die Höhle des Drachen mit mindestens 10 Wassereimern erreicht, löscht das
Feuer des Drachens, befreit die Gefangenen und gewinnt das Spiel.
Dialog
Ermutigen Sie die Kinder, sich auf die Zahlen und Mengen zu konzentrieren, wenn sie die Wassereimer zusammenzählen. Sie könnten fragen
ƒ Wie viele Eimer hast du gehabt, bevor du diese Karte abgehoben hast?
ƒ Wie viele Eimer glaubst du, dass du insgesamt haben wirst, nachdem du diese Eimer dazugegeben hast?
ƒ Wie viele Eimer brauchst du noch, um das Feuer des Drachens zu löschen?
Herausforderung
Schreiben Sie formal mit, wie viele Eimer jedes Kind sammelt, und zwar auf Packpapier oder auf dem
Spielstandformular für mehrere Spieler. Legen Sie für jeden Spieler eine Spalte an, und beginnen Sie
jeweils mit dem ersten Spieldurchgang jedes Kindes. Wenn das Kind während seinem ersten Durchgang auf einem Brunnen landet, schreiben Sie 0 + X (Anzahl der gesammelten Eimer) = X. Wenn das
Kind nicht auf einem Brunnen landet, schreiben Sie 0 + 0 = 0. Bitten Sie die Kinder im Verlauf des
Spiels, vorherzusagen, wie viele Eimer Wasser sie haben werden, indem sie die Additionsgleichung
lösen. Lassen Sie sie ihre Lernkettenglieder zählen, um ihre Antwort zu überprüfen.
Zusätzliche Herausforderung
Wenn die Kinder mit dem Spiel soweit vertraut sind, spielen Sie das Spiel ohne Lernkettenglieder, und
übergeben Sie die Verantwortung des Protokollierens an die Kinder selber oder an einen speziell ernannten Protokollführer. Lassen Sie die Kinder die Eimerkarten sammeln und behalten, sodass überprüft werden kann, ob alle Summanden richtig aufgeschrieben und keine ausgelassen wurden. Fragen
Sie die Kinder in Abständen, wie viele Wassereimer sie gerade haben, wie viele sie noch brauchen,
um das Feuer des Drachens zu löschen und wie sie das herausgefunden haben. Achten Sie darauf,
ob es Kinder gibt, die ihre Zahlenkarten in gut addierbare Gruppen ordnen, zum Beispiel Einser mit
Einsern und Zweier mit Zweiern, oder Gruppen von fünf zusammen.
Wenn die Kinder schon mit höheren Additionsgleichungen zurechtkommen, beenden Sie das Spiel:
Alle von den Gefangenen des Drachens gesammelten Wassereimer werden zurückgegeben. Erklären
Sie, dass Sie das Feuer des Drachens für längere Zeit löschen möchten, und dass alle Spieler ihre
Wassereimer zusammenlegen sollen um damit die Höhle des Drachen zu überfluten. Lassen Sie die
Kinder ihre Eimer in 10er-Gruppen zusammenlegen, damit sie feststellen können, wie viele Eimer sie
insgesamt haben, um die Drachenhöhle zu überfluten. Lassen Sie die Kinder die Ketten in Zehnerschritten zählen und dann die restlichen Kettenglieder dazuzählen, oder, wenn die Gesamtsumme der
Eimer jedes Kindes schriftlich festgehalten wurde, können Sie diese Aufzeichnungen verwenden um
die Endsumme zu berechnen.
107
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