DA Heckl - Erich-Thienhaus-Institut

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DA Heckl - Erich-Thienhaus-Institut
Klavier in der Popularmusik
Untersuchung zur Klangästhetik und Mikrofonierung eines Flügels
in Rock, Pop und Jazz
Diplomarbeit
Hochschule für Musik Detmold – Erich-Thienhaus-Institut
Vorgelegt von:
Mathias Heckl
Lagesche Straße 174, 32756 Detmold
am 20.8.2012
Erstgutachter: Prof. Michael Schubert
Zweitgutachter: Dipl.-Ing. Martin Schneider
Inhaltsverzeichnis
Exposé
I
6
Einleitung und Vorbemerkungen
Danksagung
8
Bemerkungen zur Literatur
8
Kompaktlösungen zur Flügelmikrofonierung
9
II
Über die Klangästhetik
1 Hörerwartungen und Produktionsmethoden in klassischer und Popularmusik
11
2 Klaviereinsatz in verschiedenen Genres – Jazz, Pop,
Rock/Metal
13
2.1 Jazzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.2
2.3
Popbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Rock- und Metalbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
3 Die Beispieltracks und die Rolle des Klavierparts in ihnen
17
3.1
3.2
Jazz – „Dream 5“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Pop – „Wall To Wall“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3.3
Rock – „Flying High Means Falling Deep“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
III
Versuch
4 Einleitung
20
4.1
das Testsignal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
4.2
4.3
Referenzbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Probleme während der Aufnahmesession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
4.4
4.5
Untersuchung der Repetiergenauigkeit des CEUS-Flügels . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Mikrofonwahl und Vorgehensweise bei den Aufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
5 Versuch 1: Untersuchung verschiedener Mikrofonpositionen mithilfe des Testsignals in Studioumgebung
5.1
Vorstellung typische Mikrofonpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
5.1.1 Zwei oder drei Mikrofone parallel zur Tastatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
5.1.2
5.1.3
5.2
24
Zwei oder drei Mikrofone im Inneren des Flügels . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Zwei Mikrofone in der Beuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
5.1.4 Zusätzliche bzw. ergänzende Mikrofone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Versuchsaufbau und -durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
5.2.1
Mikrofonierung entlang der Dämpferreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
5.2.2
5.2.3
5.3
Mikrofonierung im Innenraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Mikrofonierung in der Beuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Auswertung des Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
5.3.1 Generelle Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
5.3.2
5.3.3
Mikrofonierung entlang der Dämpferreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Mikrofonierung im Innenraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
5.3.4
5.3.5
Mikrofonierung in der Beuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Resonanzloch und von unten auf den Resonanzboden zeigend . . . . . . . . . 44
6 Versuch 2: Mikrofonpositionen mit geschlossenem Deckel
44
6.1 Versuchsaufbau und -durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
6.2
IV
Auswertung des Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
6.2.1 Generelle Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
6.2.2
Position 1: Parallel zur Dämpferreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
6.2.3
6.2.4
Position 2: „innere“ Beuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Position 3: hinteres Ende des Flügels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
6.2.5
Grenzflächenmikrofone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Produktion
7 Jazz
7.1
7.2
52
Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
8 Pop
8.1
8.2
55
Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
9 Rock
57
9.1 Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
V
Resumé
10 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse
60
10.1 Versuch 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
10.2 Versuch 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
10.3 Produktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
VI
Anhang
Liste der erwähnten Produktionsbeispiele
A
Dokumentation der Versuche
A
Literatur
F
Exposé
Einen Flügel zu mikrofonieren stellt nicht im Bereich der klassischen Musik eine Aufgabe mit hohem
Grad an Komplexität dar. Aufgrund der physikalischen Ausmaße des Instruments und der Vielzahl
seiner klanglichen Variationen gibt es verschiedenste Möglichkeiten der Mikrofonpositionierung, die
alle ihre Vor- und Nachteile innehaben. Da im Bereich der U-Musik andere klangästhetische Vorstellungen vorherrschen, als in der klassischen Musik, findet man auch der Musikrichtung entsprechend
andere Mikrofontypen und -positionen.
Die Mikrofonierung eines Flügels zum Zwecke der Verstärkung bei Konzerten beinhaltet zusätzlich zur Frage der klanglich geeigneten Mikrofonwahl und -positionierung das Problem der hohen
Rückkopplungsgefahr. Speziell bei lauten Konzerten in den Bereichen der Rock- und Popmusik
ist die Schwelle zur Rückkopplung schnell erreicht, weshalb es Usus ist, den Deckel eines Flügels
in Beschallungssituationen geschlossen zu halten. Die sich daraus ergebenden Veränderungen und
Problematiken im klanglichen Verhalten eines Klaviers erfordern eine genaue Betrachtung und eine
andere Herangehensweise zur Mikrofonierung als in Studiosituationen.
Die vorliegende Diplomarbeit untersucht, welche klanglichen Eigenschaften verschiedene grundsätzliche Mikrofonpositionen zur Abnahme eines Flügels besitzen, und wie stark sich Variationen
von Details der Mikrofonierung auf den aufgezeichneten Klang auswirken. Es soll eine Vergleichbarkeit hergestellt werden – nicht nur zwischen den grundsätzlichen Ansätzen der Mikrofonierung,
sondern auch zwischen den Varianten innerhalb einer spezifischen Mikrofonpositionierung. In Hinblick auf die Problematik bei Livekonzerten werden auch, und speziell, Mikrofonierungspositionen
bei geschlossenem Deckel untersucht. Es soll herausgefunden werden, welche Mikrofonpositionen innerhalb des stark eingeschränkten Platzes möglich sind und welche den besten Kompromiss zwischen
der Notwendigkeit, den Deckel zu schließen und der daraus resultierenden klanglichen Qualitätseinbuße bilden.
Ein weiterer Aspekt dieser Arbeit ist die Anwendung der verschiedenen Mikrofonpositionen in
der Studiopraxis. Es wird untersucht, welche Mikrofonpositionen für verschiedene klangästhetische
Vorstellungen innerhalb der Popularmusik grundsätzlich mehr oder weniger geeignet sind, und ob
sich diese Einordnungen auf spezifische Genres bzw. Aufgabenbereiche des Klavierparts innerhalb
eines Arrangements übertragen lassen. Zu diesem Zweck beschäftigt sich die Arbeit auch mit der
Klangästhetik des Klaviers in den drei Hauptgenres der U-Musik: Jazz, Pop und Rock bzw. Metal.
Dabei wird gezielt auf moderne Klanglichkeit (etwa ab der Jahrtausendwende) eingegangen.
Nicht Teil dieser Arbeit ist die Untersuchung von Unterschieden zwischen verschiedenen Mikrofonmodellen verschiedener Hersteller. Unterschiede in Mikrofontypen werden nur für „Kugel“ und
„Niere“ aufgrund ihrer grundsätzlich verschiedenen Eigenschaften in Frequenzgang und Richtcharakteristik aufgezeigt. Die letztliche Wahl eines bestimmten Mikrofons eines bestimmten Herstellers
bleibt Geschmacksfrage und liegt jenseits der hier aufzuzeigenden Eigenschaften der verschiedenen
Mikrofonpositionen. Lediglich Grenzflächenmikrofone bilden eine Ausnahme; sie wurden aufgrund
der häufigen Verwendung bei geschlossenem Flügeldeckel in den Versuch mit einbezogen.
Ebensowenig wird in dieser Arbeit auf die Abnahme von (Upright-) Pianos eingegangen. Verschiedene Ansätze einer Mikrofonposition mögen sich durchaus auf ein Piano übertragen lassen,
jedoch wird im Studioalltag normalerweise ein Flügel verwendet. Situationen, in denen ein Pia6
no verwendet wird, sind meist Effekt-Anwendungen (z.B. Barpiano) vorbehalten, bei denen ein
entsprechender Klang erwünscht ist.
7
Teil I
Einleitung und Vorbemerkungen
Danksagung
Der Autor möchte allen Menschen danken, die helfend an dieser Arbeit mitgewirkt haben. Besonderer Dank geht an:
Michael Schubert, für die Betreuung dieser Arbeit und die Organisation des Flügeltransports
aus dem Brahmssaal ins Erich-Thienhaus-Institut
Martin Schneider, für die Betreuung dieser Arbeit, das zur Verfügung stellen des Equipments
und für stets geduldigen Rat, auch zu später Stunde
Sebastian Müller und Marian Boldt, für das zur Verfügung stellen des Jazz- und Poptracks
Sebastian Müller und Timo Dusel, für das erneute Einspielen der Klavierparts des Jazz- und
Poptracks
Der Band Storage 5, für das zur Verfügung stehen zur Produktion des Rocktracks
Gliederung
Die vorliegende Diplomarbeit gliedert sich in mehrere Hauptabschnitte
Teil I dient der Einführung und erläutert Rahmenbedingungen.
Teil II gibt einen Einblick auf die Klangästhetik eines Flügels in den drei Hauptgenres der
Popularmusik Jazz, Pop, Rock/Metal. Es werden Beispiele genannt und die groben historischen
Kontexte aufgezeigt.
Teil III fokussiert auf den akustischen Aspekt der Flügelmikrofonierung und beinhaltet die Beschreibung und Auswertung der Versuche. Es werden die drei gängigsten Mikrofonpositionen in
mehreren Variationen untersucht und ausgewertet. Zusätzlich werden ergänzende Mikrofonpositionen und solche bei geschlossenem Deckel beleuchtet. In einem Vorversuch wurde die Reproduzierbarkeit des verwendeten Musikmaterials durch das CEUS-System untersucht, sowie eine klangliche
Referenz durch Aufnahmen im Raum gebildet.
Teil IV beschäftigt sich mit der Anwendung der drei grundsätzlichen Mikrofonpositionen innerhalb dreier beispielhafter Produktionen und untersucht, inwieweit die Resultate des Versuchs auf
verschiedene Klangvorstellungen anwendbar sind.
Die Arbeit schließt mit einem Resumé.
Die beiliegende DVD beinhaltet alle Takes der Versuche sowie die jeweils drei Versionen der
Beispieltracks mit unterschiedlichen Mikrofonierungen des Flügels. Zu einfachen Handhabung wurde
das Material in einer Pro Tools-Session aufbereitet.
Bemerkungen zur Literatur
Vorhandene Literatur lässt sich zum größten Teil in zwei Themenbereiche unterteilen:
8
1. Physikalische und akustische Aspekte eines Flügels: Hier werden auf theoretischer Basis Themenbereiche wie Frequenzgang, Abstrahlverhalten, Impulsverhalten und Eigenschaften der
verbauten schwingenden Elemente – also Saiten, Brücke und Resonanzboden – behandelt.
2. Veröffentlichungen zu Mikrofonpositionen – meist in diversen Recording-Magazinen.
Die Schwierigkeit bei der Literaturrecherche lag darin, dass es zum eigentlichen Thema nur wenig
Literatur auf geeignetem Niveau gibt. Das Gros der gefundenen Literatur, die sich auf Mikrofonierung bezieht, sieht als Zielgruppe den Stereotyp „Homerecording“, der keinen oder nur geringen
Wert auf eine differenzierte und fundierte Erläuterung der verschiedenen Möglichkeiten einer Mikrofonpositionierung legt. Dementsprechend werden unterschiedliche Mikrofonpositionen – wenn
überhaupt – nur ansatzweise (und somit für die Zwecke dieser Arbeit unzureichend) beschrieben
und erläutert.
Lediglich der ausführliche Bericht im Magazin „Sound On Sound“[1] stellt eine erfreuliche Ausnahme dar: Mikrofonpositionen werden objektiv untersucht und verglichen, sämtliche Takes sind als
.wav-Dateien vorhanden und somit nachvollziehbar. Desweiteren enthält der Bericht eine ordentliche Dokumentation. Schwächen des Artikels zeigen sich in der unmöglichen exakten Reproduktion
eines Signals ohne Instrument mit entsprechendem Reproduktionssystem. Um dieser Problematik
entgegen zu wirken, wurden mehrere Mikrofone gleichzeitig in verschiedenen Positionen aufgestellt,
was wiederum eine Toleranz des Frequenzgangs der einzelnen Kapseln mit sich bringt. Weiterhin
fehlen wissenschaftliche Angaben zu Frequenzgängen und Pegeln, was auf die beabsichtigte Zielgruppe zurück zu führen ist.
Literatur zur Akustik des Flügels im physikalischen Sinn ist für diese Diplomarbeit zwar grundlegend interessant und wichtig, fällt aber in die eigentliche Untersuchung nur sehr beschränkt mit
ein. Der Autor setzt die grundlegenden Bedingungen daher voraus.
Kompaktlösungen zur Flügelmikrofonierung
Das in mehreren Magazinen[2, 3] zu dessen Vorstellung beschriebene Earthworks PM40-System
soll an dieser Stelle knapp angesprochen werden, da es ein interessantes Prinzip einer einfachen
Mikrofonierung eines Flügels darzustellen scheint. Mittels einer Teleskopstange, die an den Rasten des Flügels befestigt wird, werden zwei Mikrofonkapseln mit Kugelcharakteristik parallel zur
Dämpferreihe positioniert. Die Kapseln befinden sich an Schwanenhälsen, sodass das Einstellen einer exakten Position problemlos möglich ist. Aufgrund der Größe der Kapseln, bzw. des gesamten
Systems, ist eine Anwendung auch bei geschlossenem Deckel möglich.
Sound on Sound liefert zum Bericht Klangbeispiele. Das darin hörbare Ergebnis des EarthworksSystems scheint für Liveanwendungen sehr geeignet zu sein. Beim Hören der weiteren beiliegenden
Klangbeispiele bestätigte sich jedoch der Eindruck, den der Autor des Sound On Sound-Artikels
schon beschrieb: Das System rauscht und ist somit für Studioanwendung nur bedingt geeignet. Es
sei jedoch angemerkt, dass auch die anderen Vergleichsbeispiele ein ähnliches Grundrauschen mit
sich brachten, weshalb angenommen werden kann, dass dieses Problem in der Signalkette auftrat
und nicht hauptsächlich von den Kapseln stammt.
9
Neben Earthworks bieten auch diverse andere Hersteller ähnliche Kompaktkits an, wie beispielsweise DPA das 4099P-System aus der d:vote-Serie[4] oder Audix das SCX25A-PS[5]. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei immer um an Schwanenhälsen oder ähnlichen flexiblen Halterungen
montierte Kapseln mit einer Befestigungsmöglichkeit im Inneren des Flügels. Sie bieten teilweise interessante, teilweise aber auch sehr teure Ansätze, mit dem engen Raum eines geschlossenen
Flügeldeckels umzugehen.
10
Teil II
Über die Klangästhetik
1
Hörerwartungen und Produktionsmethoden in klassischer
und Popularmusik
Der hauptsächliche Unterschied zwischen Produktionen klassischer und Popularmusik liegt in der
klanglichen Direktheit der Aufnahmen sowie in der Art der Durchführung einer Produktion.
Die Hörerwartung an eine Aufnahme im Bereich der klassischen Musik ist die eines Konzertbesuchs. Die moderne Produktionstechnik erlaubt zwar einige Verbesserungen im Detail (beispielsweise kann eine solistische Geige gegenüber einem im Tutti spielenden Orchester besser hörbar gemacht
werden), jedoch liegt dem Hörereignis immer die Prämisse zu Grunde, eine realistische Abbildung
eines Ensembles in der für das aufgeführte Material passenden Umgebung zu bieten.
Entsprechend werden Aufnahmen von klassischer Musik mit Hauptmikrofonie durchgeführt, die,
im Sinne eines Ohrenpaars des Zuhörers, das gesamte Ensemble innerhalb des Aufführungsraums
ausgewogen darstellt. Stützmikrofone dienen der Möglichkeit, einzelne Instrumente im Detail bearbeiten zu können, sowie durch die nähere Position „greifbarer“ zu machen. In der endgültigen
Mischung entsteht so eine Verbindung aus dem in den Raum gebetteten Signal des Hauptmikrofons
mit Anteilen der Stützmikrofone, um etwas mehr Struktur und Detail hinzu zu fügen. So können durch Stützmikrofone beispielsweise Bogengeräusche der Streicher in die Mischung eingebracht
werden, um diese etwas differenzierter und direkter klingen zu lassen.
Ein klassisches Ensemble ist als musikalische Einheit zu sehen, die gemeinsam musizieren muss,
um ein bestmögliches Ergebnis zu liefern. Daher wird in der klassischen Musik grundsätzlich ohne
Overdubbing gearbeitet; es ist undenkbar, eine Symphonie in Einzelparts hintereinander aufzunehmen, da das Orchester interagiert und die direkte Verbindung zwischen den einzelnen Stimmen
braucht. Folglich sind während einer Produktion auszubessernde Stellen mit dem gesamten Ensemble zu wiederholen und werden im Abschnitt des Editing mit teils großem Aufwand in den Ablauf
geschnitten.
Die bereits erwähnte Räumlichkeit ist unmittelbarer Bestandteil des Hörereignisses und muss
daher, so gut dies in der entsprechenden Situation möglich ist, schon bei der Aufnahme mit vorhanden sein. Künstlicher Hall wird normalerweise nur ergänzend und korrigierend eingesetzt, um
beispielsweise einen zu trockenen Studioraum nach Konzertsaal klingen zu lassen, oder um die
Klangfarbe des vorhandenen Halls zu verbessern bzw. zu ergänzen.
Die Popularmusik lebt von nahen und direkten Schallereignissen. Vor Allem moderne Produktionen sind so gemischt, dass beispielsweise ein Sänger dem Zuhörer quasi „auf dem Schoß sitzt“.
Durch gezielten Einsatz von Kompressoren werden Artikulationsgeräusche (beispielsweise das Einatmen des Sängers) intensiviert und tragen zum Eindruck der Nähe und Direktheit bei. Generell
wird in der Popularmusik (mit Ausnahme des Jazzbereichs, der nicht nur in dieser Hinsicht dem
Bereich der klassischen Musik ähnelt) sehr stark komprimiert; besonders in den letzten etwa zehn
Jahren ist ein regelrechter Lautheitskrieg entbrannt, der auf psychoakustische Erkenntnisse der
11
Marktforschung zurück zu führen ist1 .
Die Hörerwartung an einen Popsong ist die des leichten Zuhörens. Die Stimme ist immer mittig
und immer im Vordergrund; gepaart mit den einfachen Harmonien der Popwelt und dem Schlagzeugbeat bildet sie die Grundlage eines Songs. Popularmusik muss und will eingängig sein, daher ist die
Klanglichkeit immer mit dem Attribut „larger than life“ verbunden. So erstreckt sich beispielsweise
ein Schlagzeug mittlerweile über die volle Panoramabreite und Gitarren werden im Rockbereich
schon seit Jahrzehnten grundsätzlich gedoppelt. Auch das Editieren sämtlicher Instrumente zur
absoluten Fehlerfreiheit, inklusive samplegenauer Quantisierung ist Normalität. Die moderne Produktionstechnik erlaubt dabei immer ausgefeiltere Bearbeitung, und im Zusammenhang mit der
Lautheit und der Forschung wird die gemeine Hörerwartung immer weiter in Richtung „hell“, „aggressiv“, „fett“ und „perfekt ausgeführt“ getrimmt. Instrumente werden dementsprechend stark mit
EQ, Kompressor und Hilfsmitteln der Zeit- und Tonhöhenkorrektur bearbeitet.
Der hauptsächliche Unterschied in der Produktionsmethodik zur klassischen Musik ist der des
Overdubs sowie der extrem nahen Mikrofonierung. Um die Hörerwartung einer modernen Popproduktion zu erfüllen, müssen sämtliche Spuren mit so wenig Übersprechen und so perfekt wie
möglich aufgezeichnet werden. Da das Einspielen auf Klick zum Alltag gehört (auch hier bildet
der Jazzbereich wieder eine Ausnahme), ist es möglich, sämtliche Instrumente einzeln im OverdubVerfahren aufzunehmen, um eine bestmögliche Kontrolle des gerade eingespielten Materials, sowie
höchstmögliche Bearbeitungsfreiheit zu erreichen. Die extrem nahe Aufzeichnung der Schallquellen
erzeugt nicht nur den gewünschten Eindruck der Nähe und Direktheit, sondern bietet auch eine
Abkopplung der Räumlichkeit, sodass diese im Nachhinein flexibel und je nach Bedarf künstlich
erzeugt und gestaltet werden kann. Auch die Bearbeitung des Signals selbst profitiert von der Nahabnahme. Starkes Ändern der Klangfarbe mittels EQ eines räumlichen Signals birgt immer das
Problem des dann „falsch“ klingenden Raums mit sich. Die nahe Abnahme eines Instruments ist
also auch als das Aufzeichnen einer „Grundlage“ für das weitere Bearbeiten zu sehen.
Da eine typische Produktion in der Popularmusik aus lauter Overdub-Spuren besteht, fällt dem
Vorgang der Mischung eine weitere Besonderheit zu: Der Tonmeister muss „die Mischung“ an sich –
im klassischen Bereich bereits durch das Hauptmikrofon im Grundsatz gegeben – durch den Einsatz
von Effekten und künstlichen Räumen herstellen. In gewisser Weise könnte man also schon hier von
Grundzügen des Sound Design sprechen.
Der Jazzbereich bildet gewissermaßen eine Symbiose beider Produktionswelten. Typischerweise
wird das Aufnehmen im Ensemble sowie das sehr reduzierte Bearbeiten aus dem Bereich der klassischen Musik übernommen. Gleichzeitig wird jedoch Nahabnahme, spurbezogene Kompression und
künstlicher Hall eingesetzt. Auch EQing ist größerer Bestandteil des Mischens als in der klassischen
Musik, jedoch stets unter der Vorgabe des natürlichen Klangs, in Relation zur Klangästetik der
Popularmusik.
1 Es gibt zwei grundlegende Erkenntnisse, die der Markt für sich zu nutzen versucht: 1. „lauter klingt besser“.
Aufgrund der Kurven gleicher Lautheit wird laute Musik als besser klingend empfunden. 2. „lauter bekommt mehr
Aufmerksamkeit“. Es ist nachgewiesen, dass ein Radiohörer oder TV-Zuschauer beim Zappen bei dem Kanal hängen
bleibt, dessen Signal lauter ist.
12
2
Klaviereinsatz in verschiedenen Genres – Jazz, Pop,
Rock/Metal
2.1
Jazzbereich
Wie bei anderen Instrumenten kann auch der Klavierklang im Jazzbereich als natürlich klingend
bezeichnet werden. Wie bereits in Abschnitt 1 in generellem Bezug erwähnt, wird zwar auch hier
Equalising verwendet, um die Klanglichkeit des Instruments über ein reines Entzerren hinaus zu
formen, jedoch ist das Eingreifen in den Gesamtklang bei weitem nicht so stark ausgeprägt, wie in
den anderen Bereichen der Popularmusik.
Der historische Kontext verdeutlicht diese Ansicht der Klangästetik: Jazz ist ursprünglich als
afroamerikanisches Pendant zur abendländischen klassischen Musik anzusehen und hat somit eine
Tradition des natürlichen und unverstärkten Klangs inne. Auch heutzutage werden E-Gitarren –
wenn überhaupt – nur sehr leicht „angezerrt“, ein Kontrabass wird nach wie vor oftmals einem
E-Bass vorgezogen, und Schlagzeug wird als Instrument mit vielen verschiedenen Klangfacetten
der einzelnen Trommeln und Becken angesehen. Dementsprechend wird es weitaus künstlerischer
und mit deutlich mehr Spielarten genutzt, als es bei Pop oder Rock der Fall wäre. Somit ist auch
das klangliche Ideal eines Klaviers durch Natürlichkeit vorgegeben und entspricht in dieser Hinsicht
dem Klangideal der klassischen Musikproduktion. Die Nähe und damit größere Direktheit oder
Intimität einer Jazzproduktion gegenüber einer aus der klassischen Musik wird durch Nahabnahme
erreicht; diese dient also nicht nur zur Abkopplung des abgenommenen Instruments vom Raum, und
in keinster Weise der Erstellung eines „Ausgangssignals“, das im Zuge der Mischung den jeweiligen
Bedürfnissen angepasst wird, wie es in Rock und Pop der Fall ist, sondern ist Teil der Klangästhetik.
Anders als in den Bereichen des Pop und Rock entsteht im Jazz durch die weniger dichten Arrangements und deren akribische Ausarbeitung eine regelrechte Dreidimensionalität sowie eine große
Transparenz – besonders in ruhigen Kompositionen. Während es im Pop- oder Rockbereich besonders bei dichten Arrangements mit einer hohen Anzahl an Parts und Instrumenten notwendig ist,
Klänge zu formen, Frequenzen Instrumenten „zuzuordnen“ und dadurch einen Gesamtklang regelrecht zusammen zu bauen, mischen sich die typischerweise drei oder vier Parts einer Jazzband allein
durch die Instrument-eigenen Frequenzgänge zu einem befriedigenden Ergebnis. Dementsprechend
besteht auch aus technischer Sicht nur wenig Notwendigkeit, den Instrumentenklang zu verformen.
Lediglich leichte Korrekturen sind vonnöten, um einen plastischen Klang einer Produktion zu erzielen.
In modernen Jazzproduktionen mit Klavierbeteiligung steht dieses meist im Vordergrund des
Hörereignisses. Speziell bei ruhigen Kompositionen bildet das Klavier einen breiten und dichten
Klangteppich, ein Bass beispielsweise ist oftmals nur füllend und hintergründig in der Mischung
vorhanden. Verschiedene Klanglichkeiten eines Klaviers sind hauptsächlich durch die Faktoren der
Produktion gegeben: Instrument, Spielweise des Pianisten, Mikrofonwahl und -Positionierung, genereller Klang der Mischung. Einheitliche Aussagen über den Klavierklang in Verbindung mit der
Aufgabe des Klaviers können daher nur bedingt getroffen werden. Festzustellen ist jedoch, dass die
Klanglichkeit der Stimmungsintention einer Produktion entsprechen kann. Das Album „Away For A
While“ von Trionescence beispielsweise wirkt introvertiert, ruhig, melancholisch. Das Klavier klingt
entsprechend weich. Demgegenüber steht beispielsweise das Album „Contact“ des Carl Winther
13
Trios, in dem das Klavier entsprechend der schnellen und vorwärts gerichteten Gangart härter und
heller klingt. Diese Unterschiede bewegen sich jedoch alle innerhalb des Rahmens des natürlichen
Klangs und sind nicht mit der stärkeren Bearbeitung in den folgenden Bereichen vergleichbar.
2.2
Popbereich
Die Popmusik ist der Bereich mit der größten Variation eines Klavierklangs. Je nach Unterbereich,
Künstler und Aufgabe des Klaviers kann dessen Klang sowohl an die Vorstellungen des Jazz als
auch an die davon weit entfernte Klanglichkeit des Rock grenzen. Nicht weniger üblich ist auch das
starke Verfremden des Klanges in Bereichen mit Einfluss der elektronischen Musik.
Bekannte Vertreter der Popmusik mit Klavier als Hauptinstrument sind u.a. Elton John, Tory Amos, Billy Joel oder auch Udo Jürgens. Aufgrund der Personalunion aus Sänger und Pianist
fungiert das Klavier bei diesen Künstlern als musikalischer Grundpfeiler eines Songs, ist dementsprechend prominent in einer Mischung vertreten, und deckt ein breites Frequenzspektrum ab.
Typischerweise wird hier – wie im Bereich des Rock und Metal auch (siehe Abschnitt 2.3) – der
Anschlag und der damit verbundene metallische Anteil des Klangs angehoben um einen direkten, sowie hellen und klaren Klangeindruck zu erzeugen. Das Klavier steht im Vordergrund und ist immer
hörbar. Jedoch erscheint das Hauptinstrument Klavier im Popbereich immer mit ausgeglichenerem
Frequenzgang als im Rockbereich, sodass im Kontext einer Mischung nicht nur die Frequenzanteile
des Anschlags zu hören sind, sondern auch der Bereich der Mitten. Ein Beispiel hierfür ist der Song
„This Train Don’t Stop There Anymore“ von Elton John aus dem Jahr 2001.
Die typische Rolle eines Klaviers in Popsongs ist die des „vorstellenden“ oder „einführenden“
Parts, vergleichbar mit der Rolle einer Westerngitarre im Singer-Songwriter-Bereich. So beginnt
ein Song oftmals nur mit Klavier und Gesang, nach einem Abschnitt setzen Rhythmusinstrumente
(Drums und Bass) ein, nach einem weiteren Abschnitt weitere Instrumente, die das Arrangement
immer weiter ausdehnen. Zum Ende des Songs hat sich ein dichter Klangteppich – beispielsweise
mit Streichern, Bläsern und vielen Backing Vocals – entwickelt, der sich um das Klavier fügt. Während bei den oben genannten Interpreten der älteren Generation das Klavier immer eine gewisse
Priorität innerhalb der Mischung hat, steht bei Künstlern der jüngeren Generation, die nur als Sänger, nicht jedoch als Pianist wahrgenommen werden, das Klavier nicht mehr so im Vordergrund. Es
füllt daher die Rolle als „Grundstein, der irgendwann durch das restliche Gebäude verdeckt wird“,
besser aus. Der im Vergleich zu anderen Harmonie- oder Melodieinstrumenten nun mittig gehaltene Frequenzgang dient dazu, das Klavier hintergründig, jedoch hörbar zu gestalten, um einen
Aufbau des Arrangements zu erleichtern. Ebenso wird oft auf eine Abbildung in stereo verzichtet und das Klavier nur mono, nicht selten auch seitlich, im Mix integriert. Ein Beispiel für diese
Herangehensweise zur Klangästetik findet sich im Song „Fallin’“ von Alicia Keys aus dem Jahr 2001.
Produktionen in den Bereichen Hip-Hop, Trip-Hop und elektronische Musik bedienen sich des
Klaviers oftmals als reines Effektinstrument, das zu diesem Zweck klanglich stark verändert wird.
Die Verwendung von Samples des R&B-Bereichs der 1960er- und ’70er-Jahre als Grundlage eines
Hip-Hop-Beats, oder das langsamere Abspielen (nicht nur eines Klaviers) bei Trip-Hop sind typische
Anwendungen. Beispiele hierfür sind: Freundeskreis - „Esperanto“ (Single-Veröffentlichung 1999) –
das zu Grunde liegende Sample ist aus „This Ain’t My Style“ von The Main Ingredient aus dem Jahr
14
1975 entnommen; die Anpassung von Tempo und Pitch ist nicht ungewöhnlich. Der Track „Danny
The Dog“ aus dem gleichnamigen Origian Motion Picture Soundtrack (2004) von Massive Attack
beinhaltet ein langsamer und damit tiefer abgespieltes Klavier (und auch Drums), das die düstere
und ruhige Ästhetik des Trip-Hop-Bereichs unterstützt. Im Bereich der elektronischen Musik bildet
der Track „Pjanoo“ von Eric Prydz ein Beispiel für die Verwendung eines Klaviersounds (in diesem
Fall synthetisch).
An den Jazzbereich grenzende Produktionen beinhalten einen natürlichen Klavierklang. Durch
das Vorhandensein eines Bandgefüges (in Abgrenzung zu künstlich zusammengesetzten ArrangementStrukturen anderer Popbereiche) gibt es außer der nahen Mikrofonierung, die einen hellen und direkten Klang mit sich bringt, keine Eingriffe in die Klanglichkeit, die das Klavier künstlich oder
verfremdet klingen lassen würden. Typischerweise bedient das Klavier den Part der Harmonisierung sowie des Auffüllens und wird – je nach spezifischer Aufgabe im Arrangement mal breiter,
mal schmäler – stereo abgebildet. Durch den eher mittigen Frequenzgang lässt sich das Klavier
in dieser Klanglichkeit sehr gut mit elektrischen, besonders aber akustischen Gitarren verbinden,
die stark von einer Betonung der hohen Frequenzen profitieren, da diese sie klarer, definierter und
vordergründiger erscheinen lässt. Ein Klavier mit betontem Anschlag klingt hart und metallisch;
eine für diesen Bereich unpassende Klanglichkeit. Im Song „Come Away With Me“ von Norah Jones
(Single-Veröffentlichung 2003) ist die beschriebene Aufteilung der Frequenzen zwischen Klavier und
Gitarren hörbar.
Im an Rockmusik grenzenden Bereich klingt ein Klavier zunehmend metallischer und härter. Der
Anschlag wird deutlicher, der gesamte Klang heller, damit direkter, und Grundtöne sind deutlich
abgesenkt. Ein interessantes Beispiel für eine Band im Übergangsbereich zu Rock ist die britische
Formation Keane. Das Klavier ersetzt die für diese Art der Musik eigentlich als obligatorisch zu
bezeichnende Gitarre, und wird auch dementsprechend behandelt. Im Song „Somewhere Only We
Know“ (2004) beispielsweise bekommt es der Hörer mit mehreren Monospuren Klavier zu tun: In
Strophen ist nur eine Spur eingesetzt, leicht nach rechts versetzt, während links Streicher eingesetzt
werden. In Refrains hingegen wurde das Klavier – nach typischer Manier der Gitarrenproduktion
im Rockbereich – mono gedoppelt und auf beide Seiten des Stereobilds verteilt, um die Steigerung künstlich zu unterstützen. Ein derartiges Vorgehen ist mit Gitarren im Rockbereich an der
Tagesordnung.
2.3
Rock- und Metalbereich
Die Klanglichkeit eines Klaviers im Bereich des Rock und Metal ist fast ausschließlich sehr hell
und metallisch. Ein sehr starkes Nachformen des Klangs – noch über den Grad der Bearbeitung
im Popbereich hinaus – ist Gang und Gäbe. Ein in den Tiefen stark begrenzter Frequenzgang ist
Normalität, ebenso wie das noch deutlichere Überbetonen des Anschlags und das Absenken der
Mitten. Die Gründe für diese Klangästhetik liegen in der Spielart der Instrumente, der generellen
Klangästetik des Rockbereichs sowie im insgesamt sehr engen Platz innerhalb eines Mixes.
Rock und Metal wird aufgrund der in diese Musikrichtung implizierten Rebellion und Verärgerung gegenüber der breiten Gesellschaft von lauten und laut gespielten Instrumenten bestimmt. Vor
Allem in den modernen härteren Unterkategorien ab Hardrock gilt die stark verzerrte E-Gitarre
als Hauptinstrument2 , dessen aggressiver Klang einen Großteil des Frequenzbereichs für sich be2 natürlich
gibt es hier auch Ausnahmen; als wichtigste sei „Symphonic Metal“ genannt, bei der es zwar eine
15
ansprucht. Somit müssen weitere, unwichtigere Instrumente stark im Frequenzganz ausgedünnt
werden, um hörbar zu sein, ohne zu vordergründig in die Mischung integriert werden zu müssen.
Auch Schlagzeug und E-Bass klingen lauter, aggressiver und direkter als in anderen Musikbereichen,
dementsprechend ergibt sich ein insgesamt heller und aggressiver Gesamtklang, in den ein Klavier
entsprechend eingefügt werden muss. Durch Überbetonung des Anschlags sowie das Ausdünnen in
tieferen Frequenzen wird diese Aufgabenstellung realisiert und das Klavier nicht nur hörbar gemacht, sondern auch der klanglichen Erwartung an ein laut gespieltes Instrument angepasst.
Im historischen Kontext zeigt sich schon bei den Beatles die deutliche klangliche Färbung eines
Klaviers in Richtung hell und metallisch (z.B. „Hey Jude“, Single-Veröffentlichung 1968). Diese
Klangästetik setzt sich in den 1970er und 1980er-Jahren beispielsweise durch Meat Loaf fort, dessen
Klavierklang eine weitere Steigerung der Helligkeit bedeutet. Schon die frühen Singles (z.B. „Bat
Out Of Hell“, Single-Veröffentlichung 1979) schlagen diese Richtung ein; spätere Tracks wie „I’d Do
Anything For Love“ (1993) zeigen die Ästhetik in noch krasserer Form. Erst in jüngeren Jahren
scheint der Trend wieder etwas zurück zu natürlicher klingenden Klavieren zu gehen. Die technische
sowie klangästhetische Entwicklung des gesamten Bereiches hin zu „fetter“ und „lauter“ (im gespielt
musikalischen Sinn, nicht im technischen Aspekt der Lautheit) bringt immer aggressiver klingende
E-Gitarren mit immer noch mehr Verzerrung und mehr Schub mit sich, sodass sich im Gegenzug
nun wieder ein Platz in den mittleren Frequenzen ergibt, in den das Klavier hineinstoßen kann. Je
nach Anforderung des Songs ist es also auch denkbar, ein Klavier verhältnismäßig weich und warm
klingen zu lassen.
In den letzten Jahren ist der Einsatz von Klavier im Rockbereich deutlich zurück gegangen.
Insgesamt sind Tasteninstrumente in dieser Musik nur noch selten und in vereinzelten Songs anzutreffen. Künstler wie Meat Loaf oder Bands wie Pink Floyd, zu deren festem Bestandteil ein
Tasteninstrument zählte, sind kaum noch zu finden. Im Mainstreambereich verwendet beispielsweise die US-amerikanische Band Evanescence nach wie vor Klavier in ihrer Musik3 .
In moderner Rockmusik beschränkt sich Klaviereinsatz hauptsächlich auf Balladen. Wird ein
Klavier in einem härteren bzw. schnelleren Song verwendet, so dient dies normalerweise dem Zweck
des Kontrasts. Eine ruhige Intro oder ein abgesetzter Zwischenteil kann durch ein Klavier gestaltet
werden; hier tritt es solistisch, oder zumindest mit einem exponierten Part auf. Während des restlichen Songverlaufs verfällt die Wichtigkeit des Klaviers – es dient dann entweder zum Füllen und
Färben des Arrangements, oder aber es wird komplett aus diesem herausgenommen. Ein Beispiel
für einen derartigen Klavierpart bildet der Song „Your Star“ von Evanescence aus dem Jahr 2006.
Hier kommt dem Klavier am Anfang, sowie in der Überleitung in den Zwischenteil, eine exponierte
Rolle zu. Im Rest des Songs bleibt es zwar vorhanden, jedoch an manchen Stellen derart verdeckt,
dass es nur noch schwer wahrnehmbar ist.
Vereinzelt finden sich jedoch auch Songs und Bands, die das Klavier als vollwertigen Teil des
komplette Band mit normalerweise zwei E-Gitarren, Bass, Gesang, Schlagzeug und evtl. Keyboard gibt, jedoch ein
sehr großer Teil der Musik von einem Orchester, oftmals auch mit Chor, erzeugt wird. Von der musikalischen Seite aus
betrachtet ist es in diesem Bereich tatsächlich weniger tragisch, die E-Gitarren aus dem Arrangement zu entfernen,
als das Orchester, auch wenn dadurch das für diesen Bereich so wichtige Merkmal „E-Gitarre“ wegfallen würde.
Bekannte Vertreter dieses Genres sind Within Temptation (Niederlande) und Nightwish (Finnland).
3 wenn auch der Autor den Eindruck hat, dass dieser Fakt im jüngsten Album nur noch aus Imagegründen gewahrt
wurde. Fast alle Songs – ausgenommen die Balladen – kämen auch ohne Klavier aus.
16
Arrangements nutzen. So ersetzt beispielsweise die britische Band Muse in ihrem Song „Space
Dementia“ (2001) während der Strophen die Gitarre komplett durch Klavier. Interessant hierbei ist
besonders die Handhabung des Klaviers als Bestandteil der Mischung. In keinem anderen Bereich
der Popularmusik scheint ein derartiges Umgehen mit Klängen denkbar und möglich wie in dem
des Rock:
Während des gesamten Songs hört man ein „echt“ klingendes Klavier, das zwar laut gespielt
wird, jedoch in keinster Weise dem typischen hellen und metallischen Klang eines Rockklaviers
entspricht. Der Klang des Klaviers lässt im Gegenteil den Schluss zu, es wäre mit Haupt- und
Stützmikrofon nach „klassischem“ Prinzip aufgenommen worden.
Weiterhin gibt es (wie bei Keane, siehe Abschnitt 2.2) zwei Stereobreiten des Klaviers: In der
Intro sowie allen Vorspielen zu den eigentlichen Strophen ist das Klavier schmal und etwas indirekter
gehalten. In den Strophen selbst wird das Klavier schlagartig breiter und direkter, ist aber – anders
als bei Keane – nicht mono gedoppelt. Hier scheinen zwei verschiedene Mikrofonierungen angewandt
worden zu sein – einmal, wie bereits erwähnt, Haupt- und Stützmikrofonie; einmal eine breite und
nahe Aufstellung.
Als dritten Aspekt gibt es in den drei Hauptteilen des Songs drei verschiedene grundsätzliche
Klanglichkeiten der gesamten Mischung (betrachtet man die Refrains und Srophen ebenso als unterschiedlich, sind es vier): Die Intro ist ohne Klick aufgenommen und erinnert an das Vorspiel zu
einem romantischen Klavierwerk. Hier ist das Klavier mit einem übernatürlichen Halleffekt versehen, der die Töne je nach deren Stärke verschieden hell und deutlich nachklingen lässt. Sobald
mit dem eigentlichen Vor- bzw. Zwischenspiel vor den Strophen der Hauptteil beginnt, wird dieser Halleffekt beendet und das Klavier klingt trocken und nah. Der letzte Abschnitt ist geprägt
von Chaos; die Klanglichkeit ist von verzerrten Signalen, einem Synthie-Sweep-Sound und der nun
doch eingesetzten Gitarre – allerdings mittig und ungedoppelt – geprägt. Das Klavier behält hier
seine breite Form, tritt jedoch nach kurzer Zeit vollkommen in den Hintergrund zurück und wird
unwichtig.
Im Metalbereich verzichtet die deutsche Band In Legend (Beispielsong: „Pandemonium“, 2011)
gänzlich auf den Einsatz von Gitarren; das Klavier ersetzt deren Part. Entsprechend nahtlos gliedert
sich der Klavierklang in die gängige Erwartungshaltung ein: Nahe Mikrofonierung, heller Klang,
überdeutlicher Anschlag.
3
3.1
Die Beispieltracks und die Rolle des Klavierparts in ihnen
Jazz – „Dream 5“
Die Besetzung in diesem Track besteht aus vier Parts: Schlagzeug, E-Bass, Klavier, E-Gitarre.
Während Schlagzeug und Bass die jeweils typischen Rollen im Rhythmussegment übernehmen, fällt
der Gitarre zum größten Teil die Aufgabe der Melodieführung zu. Das Klavier nimmt hauptsächlich
den Part des Auffüllens und Harmonisierens ein.
Der erste Teil des Tracks dient der Vorstellung des Themas; die Instrumente nehmen ihre beschriebenen Rollen ein. Ab etwa 0:56 bis zum Neubeginn des Themas übernimmt das Klavier für
kurze Zeit die Melodie, während die Gitarre pausiert. Bei etwa 1:47 beginnt ein solistischer Zwischenteil, in dem zuerst der Bass einen neuen Pattern einführt, der sich als Ostinato durch den
gesamten Teil zieht. Das Klavier setzt kurze Zeit später mit einem Solo ein. Die Gitarre spielt in
17
diesem Abschnitt eine untergeordnete Rolle und fügt sich mit füllender, flächiger Spielweise hintergründig ins Arrangement ein.
Da der gesamte Track eher ruhig und flächig anmutet, ging der Autor von der Hörerwartung eines
weich und warm klingenden Klaviers aus. Mit Bass und Gitarre als mono abgenommenen und daher
im Mix „klein“ abgebildeten Instrumenten sollte das Klavier gemäß moderner Klangvorstellung den
vorhandenen Platz in der Stereobreite ausnutzen. Ziel es Klavierklangs sei also eine breite Fläche,
die als „Kleber“ für die restlichen Instrumente fungieren kann.
3.2
Pop – „Wall To Wall“
Dieser Track beinhaltet Drums, Bass, Gitarre, Klavier, Gesang und Trompete. Im ursprünglichen
Mix wurde der Klavierpart durch Synthiesounds angereichtert; im Zuge dieser Arbeit wurden diese
Spuren jedoch entfernt und nur das Klavier zum Vergleich gestellt.
Außer einem Solo nach dem ersten Refrain beschränkt sich das Klavier auf das rhythmische
Auffüllen zwischen schweren Zählzeiten, während die Gitarre auf diesen Akkorde setzt oder durch
Hooks zum Fluss des Arrangements beiträgt. Die Trompete dient zum Ergänzen der Zwischenspiele
sowie als Steigerungsmoment in den Pre-Chorusses und Refrains.
Aufgrund der Rolle des Klaviers im Arrangement ist von einer Hörerwartung auszugehen, die
das Klavier in gleiche Ebene wie die Gitarre setzt. Diese beiden Instrumente sollten sich in ihren
Frequenzgängen gut ergänzen und sich gegenseitig ausreichend Platz lassen, um hörbar zu sein. Da
die Gitarre nicht gedoppelt ist, sondern lediglich durch einen Chorus-Effekt verbreitert, sollte das
Klavier breit genug abgebildet sein, um die verbleibende Stereobreite auszufüllen. Gleichzeitig aber
schmal genug, um nicht die gesamte Aufmerksamkeit im Mix auf sich zu ziehen. Ein Pannen des
einen Instruments nach links und des anderen nach rechts erscheint nicht zeitgemäß (die Trompete
wurde aufgrund ihres einwerfenden Charakters halb links gepant). Eine Abbildung mit „Loch in
der Mitte“, um Platz für Bass, Bassdrum, Snaredrum und Gesang zu schaffen, ist denkbar.
3.3
Rock – „Flying High Means Falling Deep“
Dieser Track steigert sich in typischer Manier einer Rockballade von einer Intro mit solistischem
Instrument zu einem großen Orchesterarrangement. Neben den „üblichen Verdächtigen“ Schlagzeug, Bass, gedoppelte Gitarre und Gesang findet sich das Klavier, eine Sologitarre, Streicher und
Blechbläser.
Aufgrund der stetigen Steigerung der Intensität im Arrangement wird das Klavier sukzessive
aus dem Vordergrund in den Hintergrund gedrängt. Anfangs noch allein den Gesang begleitend,
teilt es sich ab der zweiten Hälfte der ersten Strophe diese Aufgabe mit Gitarre und Bass. Ab dem
„Wiederanfang“ in der zweiten Strophe ist es als hintergründig einzustufen, ab dem zweiten Refrain
genau genommen irrelevant.
Die Hörerwartung an diesen Klavierpart gibt vor, dass sich das Instrument nach seinem exponierten Anfangsauftritt unaufdringlich hintergründig in die Mischung einfügt. Durch die höhere
Wichtigkeit der Gitarren ist von einem Hörereignis weiter hinten im Raum auszugehen, durch die
Doppelung der Gitarren von einer relativ schmalen Abbildung, um im Stereobild an sie anzuschließen. Aufgrund der beschriebenen späteren Unwichtigkeit und der Platzierung im Raum müsste
das Klavier nicht zwingend so hart, hell und metallisch klingen, wie im Bereich des Rock zu er-
18
warten wäre. Stattdessen würde eine Anpassung des Klangs an das Orchester einen realistischeren
Gesamteindruck des Hörereignisses verschaffen, wie es in modernen Produktionen durchaus auch
denkbar ist.
19
Teil III
Versuch
4
Einleitung
Für die Aufnahmen wurde der programmierbare Flügel der Hochschule für Musik Detmold – ein
Bösendorfer CEUS – vom Kammermusiksaal ins Erich-Thienhaus-Institut gebracht. Das Klavier
in einem trockenen Aufnahmeraum zu mikrofonieren, anstatt im akustisch aktiveren Brahmssaal,
diente dazu, eine größtmögliche Nähe zur alltäglichen Studiopraxis herzustellen. Auch sollte vermieden werden, zu viel Raumklang mit aufzuzeichnen, um eine größtmögliche Vergleichbarkeit nur der
Mikrofonpositionen und deren Auswirkungen auf den aufgezeichneten Klang zu gewährleisten. Zwar
werden im Studioalltag des Popularmusikbereichs nicht unbedingt so trockene Räume verwendet,
wie der große Aufnahmeraum des ETI einer ist. Dennoch befindet man sich normalerweise immer
in einer Studiosituation mit entsprechend akustisch optimierten Räumen; der Aufnahmeraum des
ETI bietet hier die beste Annäherung.
4.1
das Testsignal
Ziel bei der Erstellung des Testsignals war es, innerhalb einer Spanne von etwa einer Minute Audiomaterial einen kurzen Abriss über verschiedene Spielweisen und Lagen zu schaffen. Das Signal
soll die Möglichkeit bieten, sich einen Eindruck über Klangfarbe, Klangfülle, Dynamik, Stereobild
und Räumlichkeit zu verschaffen.
Das resultierende kurze Stück Musik teilt sich in drei Abschnitte:
Im ersten Abschnitt werden laute Akkorde in verschiedenen Lagen gespielt, um maximalen Pegel
und maximale Intensität aufzuzeigen. Die Akkorde werden mit Staccati beendet, um Impuls- und
Klangverhalten im abgedämpften Ausklang aufzuzeigen und um die Räumlichkeit der Studioumgebung zu vermitteln.
Der mittlere Teil ist lyrisch gehalten, um Klangfarbe, Anschlag und Räumlichkeit der Abbildung
beurteilbar zu machen. Auch hier wird in verschiedenen Lagen gespielt. Die Dynamik reicht von f
am Anfang des Abschnitts bis p an dessen Ende.
Der dritte Abschnitt besteht im Wesentlichen aus einer langgezogenen Akkordbrechung. Ausgehend von d” ’ wird ein G-Dur-Akkord abwärts bis „ ,g arpeggiert, um den Verlauf der Stereobreite und
der Klangfarbe über die verschiedenen Register aufzuzeigen. Der zweite kurze „Nachschlag“ in der
rechten Hand soll die klangliche Balance im Ausklang herstellen, und diesen in seiner Klanglichkeit
aufzeigen.
4.2
Referenzbildung
Um die Umstände und Rahmenbedingungen der Aufnahmeumgebung einzufangen wurden im Vorfeld des Versuchs mehrere Referenzaufnahmen gemacht, die das Klavier im Raum darstellen sollen.
Um verschiedene Ansätze zur Referenzbildung zu bedienen wurden drei Takes mit denselben KM
183 gemacht, die auch für den eigentlichen Versuch verwendet wurden (siehe Abschnitt 4.5). Der
20
Flügel stand dabei an der südlichen Wand des großen Aufnahmeraums des ETI mit der Deckelöffnung nach innen; die drei Referenz-Takes wurden aufgenommen in Verlängerung der Deckelkante
(quasi wie ein Hauptmikrofon in klassischer Produktionsmethode), aus „Sicht“ eines in der Nähe
des Durchgangs sitzenden Zuhörers, und aus dem Platz des Pianisten:
• „Hauptmikrofon“
– Basisbreite: 17 cm
– Abstand zur Deckelstütze: 185 cm
– Höhe: 240 cm
• „Sitzender Zuschauer“
– Basisbreite: 17 cm
– Abstand zum Knauf: 300 cm bei 50° zur Achse der Tastatur
– Höhe: 125 cm
• „Pianist“
– Basisbreite: 17 cm
– Abstand zur Kante des geöffneten Klaviaturdeckels: 50 cm
– Höhe: 125 cm
Zur Feststellung des maximalen Schalldruckpegels im geschlossenen Innenraum des Flügels wurde
eine Kugelkapsel in der Mitte des Innenraums platziert und ein vorab per MIDI programmierter
Akkord in C-Dur über sechs Oktaven abgespielt. Das Ergebnis zeigte einen maximalen digitalen
Pegel von -5,8 dBFS bei 0 dB Vorverstärkung. In Bezug auf einen maximalen effektiven Schalldruckpegel von 135 dBSPL bei 0 dBFS für KM 183 D ergibt sich somit ein maximaler Schalldruck
im Innenraum bei geschlossenem Deckel von etwa 132 dBSPL unbewertet Spitzenwert.
Aus dem Referenzsignal wurde durch einfaches Anwenden eines Analyzers ein Verhältnis zwischen Peak und RMS gebildet, um einen Eindruck des Crest-Faktors zu gewinnen. Der Pegelunterschied zwischen Peak und RMS liegt bei den lauten Staccati bei etwa 7 dB, daraus folgt ein
Crest-Faktor von etwa 2,23. Bei leisen Stellen liegt der Pegelunterschied bei etwa 5 dB, daraus folgt
ein Crest-Faktor von etwa 1,99.
4.3
Probleme während der Aufnahmesession
Bedingt durch die Steuerung des CEUS-Flügels gibt es keine Möglichkeit, das Abspielen der gespeicherten Aufnahmen via MIDI-Befehl fern zu steuern. Es muss immer die entsprechende Taste
auf der Klaviatur gedrückt werden. Im Zuge dessen war es notwendig, das Aufnahmesystem in unmittelbarer Nähe des Klaviers aufzubauen, wodurch sich ein Problem mit Nebengeräuschen auftat.
Speziell der Lüfter des verwendeten Rechners ist relativ laut, sodass zwei Stellwände zur akustischen Trennung des Regiebereichs vom restlichen Raum aufgebaut werden mussten (siehe Abschnitt
21
4.5 und Abbildung 15). Die Trennung erwies sich als wirksam genug, um die Lüfter- und anderen
Nebengeräusche weit genug abzusenken, sodass sie auf den Aufnahmen nicht mehr störend hörbar
sind.
Bei der Mikrofonposition unter dem Flügel zeigte sich, dass der Rechner des Flügels selbst
Geräusche verursacht. Ein störender Einfluss dieser Geräusche ist jedoch auch nicht erkennbar.
Beide Störquellen liegen in ihren Pegeln unterhalb -60 dBFS.
Die vom ehemaligen Kommilitonen Bley in seiner Diplomarbeit[6] herausgestellten Unzulänglichkeiten in der Raumdämmung zeigten sich auch in dieser Aufnahmesession als problematisch.
Die Aufnahmen mussten wiederholt unterbrochen werden, da Geräusche von außerhalb des ETIs
(laute Menschen am Vorplatz des Konzerthauses, Vögel in den Bäumen hinter dem ETI) sowie
von beiden Seminarräumen im Obergeschoß (Klavier im kleinen Seminarraum, Probe der ETIBand im großen Seminarraum beim Öffnen dessen Tür) im Aufnahmeraum zu hören waren. Eine
vollkommene Absenz von Störgeräuschen kann daher nicht garantiert werden.
4.4
Untersuchung der Repetiergenauigkeit des CEUS-Flügels
Um die Repetiergenauigkeit des Flügelanschlags zu überprüfen wurde in einem Vorversuch das
Testsignal mehrmals hintereinander mit demselben Mikrofonaufbau abgespielt und aufgenommen.
Die Aufnahmen wurden sowohl subjektiv durch optische Untersuchung der Wellenform als auch
durch gleichzeitiges Abspielen zweier Signale, um die Genauigkeit der Wiedergabe anhand von
Phasenauslöschungen zu beurteilen, verglichen. Da eine exakte Reproduktion der relativen Startzeit
nicht möglich ist – diese wird durch die Anschlagsdauer der „Play“taste auf der Klaviatur beeinflusst
und ist somit aus menschlicher Natur nicht einheitlich gestaltbar –, wurde versucht, die jeweils
erste Note des Signals samplegenau an den gleichen Startpunkt in der DAW zu schieben. Über den
Anschlag lässt sich so eine ausreichend genaue Aussage in Puncto Timing und Lautstärke treffen.
Eine Aussage über die Genauigkeit des Pedaltritts ließ sich treffen, indem ein einzelner schneller
und harter Pedaltritt aufgenommen wurde. Dieser Versuch des „Dämpferplopps“ wurde mehrmals
abgespielt und aufgenommen. Ein Hörversuch, um die Phasenlage zweier Signale zueinander zu
vergleichen, ließ sich hier nicht durchführen, da die nur durch das Hochnehmen der Dämpfer angeregten Saiten näherungsweise chaotisch schwingen und somit einem Rauschsignal nahe kommen.
Es lässt sich also nur eine Aussage über den relativen Zeitpunkt des Pedaltritts sowie, abgeleitet
aus der Amplitude der dadurch verursachten Saitenschwingung, dessen Intensität treffen.
Die Firma Bösendorfer selbst nimmt auf ihrem Internetauftritt Bezug zur Genauigkeit der Reproduktion. Demzufolge arbeite das System in Hinsicht auf Timing und Dynamik sowohl des Pedals
wie auch der Tasten mit 250 internen Abstufungen. Eine Genauigkeit des Anschlagtimings sei bis
etwa 2 ms gegeben, was „mindestens um Faktor 10“ besser sei „als bei vergleichbaren Systemen.“[7]
Das eigene Ergebnis zeigte, dass der Flügel tatsächlich über keine exakte Genauigkeit in Puncto
Anschlagstiming und -stärke sowie des Pedaltretens verfügt.
Timingschwankungen spielten sich innerhalb eines Bereichs von +- etwa 80 Samples ab; bei
der verwendeten Samplingfrequenz von 44,1 kHz entspricht das etwa 3,7 ms. Geht man davon aus,
dass sich die Firma Bösendorfer in ihrer Aussage auf den Unterschied zwischen Aufnahme und
22
Wiedergabe bezieht, liegt dieser Wert innerhalb der somit „erlaubten“ Schwankung zwischen zwei
Wiedergaben um 4 ms.
Schwankungen der Anschlagsstärke spielen sich innerhalb von ca. zwei dB ab, jedoch zeigten
sich im Verlauf der Versuchsauswertung teils größere Unterschiede bei den schnellen lauten Staccati im ersten Teil des Testsignals. In einigen Fällen wurde der jeweils zweite Anschlag der lauten
„Staccato-Doppelschläge“ überbetont, als würde der zweite Impuls mit der kinetischen Energie des
zurückfallenden Hammers zeitlich übereinstimmen. In anderen Fällen schienen Impuls und zurückfallender Hammer einander entgegen zu wirken, und der zweite Anschlag wurde deutlich leiser
wiedergegeben. Diese Unterschiede wirken sich teilweise merklich auf die eingesetzten Grafiken aus
und sind dadurch zu erkennen, dass komplette Töne – also Grundton und Obertöne – mit anderem
Pegel gezeigt werden, anstatt nur einzelne Frequenzbereiche. Auch im Versuch der „Kammfilterfahrt“ (siehe Abschnitt 5.3.4) stellte sich eine schnelle Wiederholung via MIDI-Signal des gleichen
Tons als sehr problematisch heraus; die Dynamik reichte bei einem programmierten f von ff bis
mp, vereinzelt wurden Töne auch noch leiser, oder gar nicht angeschlagen. Hier zeigen sich deutlich
die Grenzen des Systems, jedoch muss angemerkt sein, dass der vorgenommene Versuch keinen Bezug zur vom Hersteller intendierten eigentlichen Anwendung des Abspielsystems hat. Entsprechend
muss dieses Verhalten nicht zwingend als „fehlerhaft“ im Sinne der Anwendung eingestuft werden.
Das Pedal scheint in der Wiedergabe „grober“ oder „motorischer“ (im Gegensatz zu „menschlich“) zu agieren, als in der Aufnahme gespielt. Der Autor hat den Eindruck, als würde das Pedal
härter und ruckartiger getreten. Dieser Eindruck ist jedoch rein subjektiv und lässt sich nicht objektiv feststellen.
Im direkten Nacheinanderhören mehrerer Takes zeigten sich die Abweichungen als praktisch
irrelevant. Lediglich verschiedene Betonungen der schnellen Staccati sind erkennbar. Vor Allem die
Timingschwankungen sind in sich fließend, also innerhalb einer gewissen Ablaufdauer sich kontinuierlich verändernd, sodass die feinen Unterschiede nicht nachvollziehbar oder gar als rhythmisch
verzerrt wahrnehmbar sind. Eine für die Beurteilung der verschiedenen Mikrofonpositionen und
-typen ausreichende Repetiergenauigkeit ist gegeben.
4.5
Mikrofonwahl und Vorgehensweise bei den Aufnahmen
Bei der Durchführung der Aufnahmen wurde vorrangig Equipment der Firma Georg Neumann
Berlin aus der Solution-D-Serie verwendet. Die Mikrofone (Kapseln KK 183, 184 und 120; digitale Ausgangsstufen KM D) wurden gematcht ausgesucht, durch ein DMI-8 vorverstärkt und über
ADAT in ein MOTU 8pre geführt, das mit einem MacBook Pro verbunden war. DAW war Avid
Pro Tools 10.
Ziel der Aufnahmen war es, die verschiedenen Mikrofonpositionen sowie deren Varianten als
solche vergleichbar zu machen, und dem Studierenden dieser Arbeit einen „was passiert, wenn...“Eindruck zu vermitteln. Daher wurde bei den Aufnahmen zum größten Teil ohne Soundcheck vorgegangen; nur die Ausgangspositionen wurden klanglich verifiziert, nicht aber die Varianten. Ein
Soundcheck jeder Variante brächte die Gefahr mit sich, die Objektivität zu verlieren, sowie eventuelle Problematiken – seien es solche des spezifischen Instruments, oder solche genereller Natur
– zu gering oder gar nicht zu beleuchten, da sie in der finalen Arbeit vielleicht nur nebensächlich
23
oder gar nicht erwähnt würden. Zusätzlich spielen auch subjektive Vorlieben und Abneigungen
eine nicht untergeordnete Rolle in der Klangeinstellung, genauso wie es immer gilt, sich auf das
jeweilige spezifische Instrument und dessen klanglichen „Fingerabdruck“ einzustellen. Dies galt es
zu vermeiden, um einen möglichst objektiven Vergleich realisieren zu können.
Die Varianten der verschiedenen generellen Mikrofonpositionen wurden nach Praxisnähe gewählt, daher wurden teilweise unterschiedliche Veränderungen der jeweiligen Ausgangsposition
vorgenommen. Auch wurden nicht alle möglichen Kombinationsmöglichkeiten der verschiedenen
Varianten untereinander realisiert, da dies den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Der Autor
behielt sich vor, nur subjektiv wichtig erscheinende Variationen zu untersuchen, um Unterschiede
zur Ausgangsposition aufzuzeigen.
Der Einfachheit und Vergleichbarkeit halber wurde in jeder der Aufstellungen dasjenige Mikrofon als „links“ definiert, welches die tieferen Register abnimmt. Dies entspricht der in der Popularmusik weit verbreiteten Klangvorstellung aus Sicht des Spielenden, der tiefe Register links und
hohe Register rechts hört. Daher bezieht sich die Bezeichnung „linkes Mikrofon“ (oder ähnlich) in
dieser Arbeit grundsätzlich auf das Mikrofon, welches das tiefe Register des Flügels abbildet; die
Bezeichnung „rechtes Mikrofon“ (oder ähnlich) entsprechend auf die Kapsel, die das hohe Register
abbildet.
5
Versuch 1: Untersuchung verschiedener Mikrofonpositionen
mithilfe des Testsignals in Studioumgebung
5.1
Vorstellung typische Mikrofonpositionen
Beim Studium der Literatur finden sich verschiedenste Vorschläge zur Positionierung eines Mikrofonpaares zur Abnahme eines Flügels. Die gängigsten Vorschläge sind die folgenden. Der Autor
beschränkt sich hier gezielt auf drei grundsätzliche Positionen und einige Variationen dieser, sowie
zwei Ansätze für ergänzende Mikrofonpositionen, da diese die „üblichen Verdächtigen“ der bewährten Studiopraxis darstellen.
Auf die Berücksichtigung koinzidenter Anordnungen wurde bewusst verzichtet, da klangliche
Unterschiede zwischen den Charakteristika „Niere“ und „Kugel“ ein wesentlicher Bestandteil des
Versuch sind. Der Autor erlaubt sich außerdem die Anmerkung, dass XY- oder MS-Stereophonie
aus der heutigen Studiopraxis fast gänzlich verschwunden sind und somit aus Gründen des Umfangs
dieser Arbeit außen vor gelassen werden können.
Als Grundlage der Recherche diente neben der persönlichen Erfahrung des Autors vor Allem
der „Piano Miking Summit“ des Sweetwater Forums[8], in dem viele Nutzer – vom Laien bis zum
Profi – ihre Vorschläge zur Mikrofonierung eines Flügels einbrachten. Wie zuvor bereits erwartet
kristallisierten sich auch hier die gleichen typischen Mikrofonpositionen heraus, die im folgenden
Unterabschnitt vorgestellt werden.
24
5.1.1
Zwei oder drei Mikrofone parallel zur Tastatur
Hierbei werden die Mikrofone parallel zu Tastatur und Dämpfern (vom Spieler aus betrachtet)
hinter den Dämpfern positioniert. Als Ausgangsposition zeigten die Mikrofone senkrecht auf die
Saiten oder seien in Richtung seitliche Ränder nach außen gedreht.
Ein Verschieben des Mikofonpaares parallel zu den Dämpfern ändere die klangliche Balance
zwischen höheren und tieferen Registern sowie die abgebildete Mitte des Klaviers.
Ein Ändern des Winkels der Mikrofone in Richtung höhere bzw. tiefere Lage verstärke diesen
Aspekt und habe Einfluss auf die Klangfarbe – „heller“ bzw. „dunkler“ respektive.
Ein Ändern der Mikrofonposition nach (vom Spieler aus betrachtet) hinten und in der Höhe
ändere außerdem die Klangfarbe. Je weiter weg von den Dämpfern, desto „dunkler“ sei der Klang.
Zu erwarten ist von dieser Mikrofonanordnung eine sehr differenzierte Abbildung der Tonhöhen
entlang der Stereobreite, sowie in unmittelbarer Nähe der Dämpfer (und somit des Anschlagpunkts
der Hämmer) ein in Relation heller und perkussiver Klang.
Herauszufinden ist außerdem, ob aufgrund der Nähe der Mikrofone zu den Dämpfern ein erhöhter
Anteil an Dämpfergeräuschen störend wirkt.
5.1.2
Zwei oder drei Mikrofone im Inneren des Flügels
Hierbei wird ein Mikrofonpaar im Innenraum des Flügels über den Saiten positioniert – ein Mikrofon über der Stelle, an der die Basssaiten mit den Saiten des tiefen mittleren Registers kreuzen und
ein Mikrofon über den Saiten des hohen mittleren Registers.
Durch das sich Kreuzen der tieferen Saiten in der Mitte des Klaviers ist zu erwarten, dass
die Abbildung der Tonhöhen entlang der Stereobreite – vor Allem auf der linken Seite – nicht so
deutlich ausfällt, wie bei einer Aufstellung der Mikrofone parallel zu den Dämpfern. Es ist dagegen
anzunehmen, dass der Klang „gemischter“ ist und sich somit mehr der Eindruck eines Gesamtklangs
ergibt; im Gegensatz zur detaillierteren Abbildung und Ortbarkeit eines einzelnen Tons beim ersten
erwähnten Mikrofonierungsverfahren.
Durch die Positionierung der Mikrofone näher zur Mitte der schwingenden Saiten ist außerdem
von einem „voluminöseren“ und „dunkleren“ bzw. „volleren“ Klang auszugehen, als bei der oben
erwähnten Mikrofonierungsmethode.
Um das „Loch in der Mitte“ zu vermeiden ist es je nach Breite des Aufbaus denkbar, ein drittes
Mikrofon – in der Mitte des Aufbaus oder aber ein Dreieck bildend – aufzustellen.
5.1.3
Zwei Mikrofone in der Beuge
„klassische“ Stützmikrofonierung. Hier treten meist eher schmale AB-Anordnungen auf; in Verbindung mit dem Gebrauch von unidirektionalen Mikrofonen wird auch viel mit Intensitätsstereophonie
– also nach außen gewinkelten Mikrofonkapseln – gearbeitet.
Der von dieser Position zu erwartende Klang sollte „natürlicher“ klingen als bei den extrem
nahen Positionen der beiden oberen Varianten, da die Mikrofone hier nicht nur die Saiten und
den Resonanzboden „sehen“, sondern mehr vom ganzen Klavier. Die Deckelposition spielt hier eine
25
größere Rolle, da die auftretenden Reflexionen auch in Richtung Mikrofonkapsel geworfen werden,
und dadurch Kammfiltereffekte verursachen.
Es gilt herauszufinden, welchen Unterschied verschiedene Positionierung entlang des Klavierrands (von nahe der Deckelstütze bis nahe der hinteren Rundung) ergeben.
5.1.4
Zusätzliche bzw. ergänzende Mikrofone
Ein Mikrofon im Resonanzloch — Diese Methode ist ein wenig „unorthodox“, tritt jedoch
immer wieder auf.
Aufgrund der Abnahme im nur resonierenden Bereich mit „Sicht“ auf den Resonanzboden und
nicht auf die Saiten ist ein voluminöser, bei ungünstiger Positionierung gar dröhnender Klang
zu erwarten, dem hochfrequente Anteile des Anschlags fehlen, da diese von der Saite stammen.
Somit eigne sich ein Signal dieser Mikrofonposition als Zumischsignal, um einen natürlicheren oder
dichteren Klangeindruck zu erzielen.
Mikrofonierung unterhalb des Flügels — Auch diese Mikrofonpositionierung findet sich häufig als Ergänzung zu einem oder zwei Mikrofonen, die den Flügel von oben abnehmen. Das Abnehmen des Resonanzbodens erhöhe den Anteil an „Holz“ im Klang und trage dadurch zu einem
natürlicheren Klangbild des Klaviers bei.
5.2
Versuchsaufbau und -durchführung
Mikrofonpositionen von unterhalb des Flügels sowie in das größte Resonanzloch zeigend wurden für
einige, mindestens jedoch für die ausgehenden Takes mitgeschnitten. Für eine detaillierte Auflistung
aller aufgezeichneter Takes siehe Anhang VI
5.2.1
Mikrofonierung entlang der Dämpferreihe
Zur Abnahme des Klaviers parallel zur Tastatur wurde von folgendem Aufbau ausgegangen (Kugelund Nierenrichtcharakteristik respektive):
• Breite: 35 cm
• mittlere Position: über c’
• Abstand zu den Dämpfern: 15 cm ab dem Rand der Dämpferreihe Richtung Innenraum des
Flügels
• Höhe: 30 cm über den Saiten
• Winkelstellung der Mikrofone 90°, also im Lot auf die Saiten zeigend
• Deckelstellung: voller Stock
Folgende Varianten wurden aufgebaut:
• Variation der Breite: 15 cm, 64 cm (mit zusätzlichem Mikrofon in der Mitte des Aufbaus)
• Variation der Höhe: 11 cm
26
Abbildung 1: Mikrofonaufbau entlang der Dämpferreihe
• Variation der Winkelstellung der Mikrofone: 40° nach außen, nach links und nach rechts
zeigend
• Variation der horizontalen Position: nach links bzw. rechts verschoben – neue mittlere Positionen ,es und c”
• Variation der vertikalen Position: genau über den Dämpfern
• Variation der Deckelposition: Deckel abgenommen4 , halber Stock, geschlossen
5.2.2
Mikrofonierung im Innenraum
Zur Abnahme des Flügels in dessen Innenraum wurde von folgendem Aufbau ausgegangen (Kugelund Nierenrichtcharakteristik respektive):
• Breite: 35 cm
• Mitte des Aufbaus: c’
• Höhe: 31 cm über den Saiten
• Winkelstellung der Mikrofone 90°, also im Lot auf die Saiten zeigend
• Deckelstellung: voller Stock
• Positionen der Mikrofonkapseln:
4 bei den durchgeführten Aufnahmen wurde der Deckel tatsächlich nicht vollständig abgenommen, dies wäre aufgrund des Gewichts nur in einem eigenen Aufnahmeabschnitt möglich gewesen. Das hätte jedoch ein Reproduzieren
der Mikrofonpositionen notwendig gemacht, wodurch eine Vergleichbarkeit nicht mehr ausreichend gewährleistet gewesen wäre. Stattdessen wurde der Deckel an die rückwärtige Wand gelehnt. Die Öffnung wurde dabei groß genug,
um Deckelreflexionen an der Stelle der Mikrofone ausschließen zu können.
27
Abbildung 2: Mikrofonaufbau im Innenraum
– links (tieferes Register): 48 cm ab Dämpferrand, über dem Saitenchor ,fis
– rechts (höheres Register): 24 cm ab Dämpferrand, über dem Saitenchor gis’
Folgende Varianten wurden aufgebaut:
• Variation der Breite – Abdecken des Innenraums mit drei Mikrofonen:
– links: 77 cm ab der hinteren Rast; 38 cm ab der linken Rast (Deckelanschlag)
– rechts: 14 cm ab Dämpferrand, über dem Saitenchor f”
– Hierbei zwei Variationen des Mittenmikrofons:
∗ „im Dreieck“: 26 cm ab Dämpferrand, über dem Saitenchor „a
∗ „in Linie“: 45 cm ab Dämpferrand, über dem Saitenchor ,a
• Variation der Höhe: 16 cm über den Saiten
• Variation der Winkelstellung der Mikrofone: 45° nach außen zeigend
• Variation der horizontalen Position: Neue mittlere Positionen ,c und c”. Daraus ergibt sich:
– links: 90 cm Abstand zur hinteren Rast; 40 cm Abstand zur linken Rast (Deckelanschlag)
– rechts: 48 cm ab Dämpferreihe, über dem Saitenchor ,a
und
– links: 29 cm ab Dämpferreihe, über dem Saitenchor dis’
– rechts: 9 cm ab Dämpferreihe, über dem Saitenchor a”
Breite des Aufbaus: 35 cm
• Variation der Deckelposition: Deckel abgenommen
28
5.2.3
Mikrofonierung in der Beuge
Abbildung 3: Mikrofonaufbau in der Beuge
Zur Abnahme des Flügels in der Beuge wurde von folgendem Aufbau ausgegangen (Kugel- und
Nierenrichtcharakteristik respektive):
• Breite: 35 cm
• Mitte des Aufbaus: Deckelknauf
• Höhe: 8 cm oberhalb der Rast
• Abstand: Kapseln bündig mit der äußeren Kante der Rast
• Winkel der Kapseln: 20°
Folgende Variationen wurden aufgebaut:
• Variation der Breite: 64 cm
• Variation der Höhe:
– 33 cm – Mitte zwischen Rast und Deckel
– 54 cm – unterhalb der Deckelkante
• Variation des Abstands: Kapseln 15 cm ab der Rast nach innen5
• Variation der Deckelposition: halbe Stütze
5 Auf
eine Vergrößerung des Abstands nach hinten bzw. außen wurde gezielt verzichtet; diese Position würde sich
mit den Inhalten der Diplomarbeit Romualdas Urbas überschneiden
29
5.3
5.3.1
Auswertung des Versuchs
Generelle Erkenntnisse
Unabhängig von der verwendeten Mikrofonposition vermittelten die Aufnahmen einige Erkenntnisse
über das generelle klangliche Verhalten eines Flügels. Unterschiede der Mikrofonpositionen ergeben
sich aus den folgenden Faktoren:
• „gesehener“ Saitenabschnitt der Mikrofonkapsel
• Position der Mikrofone zum Deckel, sowie dessen Stellung
• Position der Mikrofone zu den Resonanzlöchern
• Winkel der Mikrofonbasis zum Saitenverlauf
Die wahrgenommene Schwingungsform und damit das Frequenzspektrum einer Saite ändert sich je
nach Abhörpunkt. Während die Saite nahe ihrer Befestigung hell und obertonreich klingt, ist in
ihrer Mitte vor Allem der Grundton präsent und die Saite klingt „hohl“. Dies ist durch die einzelnen
Teilschwingungen eines Tons plausibel zu machen:
Ein Mikrofon genau auf den Mittelpunkt einer Saite gerichtet „sieht“ die maximale Amplitude
jeder (2n+1)-ten Schwingung. (2n)-te Schwingungen haben an dieser Stelle einen Knoten. Die
daraus resultierende aufgenommene Schwingung besteht also ausschließlich aus ungeradzahligen
Vielfachen des Grundtons und ist somit im Prinzip eine Rechteckschwingung. Dies erklärt den
„hohlen“ Klang.
Wird ein Mikrofon beispielsweise auf ein Sechstel der Saitenlänge gerichtet, nimmt es den dritten Teilton sowie dessen ungradzahlige Vielfache an deren Amplitudenmaxima auf, während der
Grundton schwächer ausgeprägt ist. Dadurch stellt sich der Klang als hell und obertonreich dar.
Abb. 4 zeigt anhand des Beispiels eines Gitarrentonabnehmers die „wahrgenommene“ Schwingung eines Klangs von der Mitte der Saite. Es ist klar zu sehen, dass ein Mikrofon, auf die Mitte
einer Saite gerichtet, keinen Unterschied aufzeichnet, egal wie stark geradzahlige Vielfache des Tons
ausgeprägt sind.
Diese wahrgenommene Klanglichkeit darf nicht mit der eigentlichen Schwingung der Saite und
damit ihrem eigentlichen Ton verwechselt werden. Sie sollte mehr als ein Filter verstanden werden,
das über den eigentlichen – von der Art und dem Ort des Anschlags abhängigen – Ton gelegt wird.[9]
Die durch den Deckel verursachten Reflexionen tragen deutlich zum Klangeindruck des Flügels
bei. Bei voller Stütze klingt das Klavier dichter und voluminöser, bei abgenommenem Deckel ist
der Klangeindruck offener und klarer. Vor Allem die verwendeten Kugeln zeigten einen deutlichen
Unterschied im Bassbereich: Bei abgenommenem Deckel ähnelt der Klang dem der verwendeten
Nieren, während bei voller Stütze ein deutlicher Anstieg im Bassbereich festzustellen ist, der bei
den Nieren aufgrund der seitlichen Dämpfung und des Frequenzgangs so nicht auftritt6 .
6 Natürlich nehmen auch Nieren im Bassbereich deutlich mehr seitliche Signale auf, als bei höheren Frequenzen.
Dennoch stellt sich eine annähernde Kugelcharakteristik erst bei Frequenzen ein, deren Wellenlänge zu groß ist, um
vom Deckel eines Flügels reflektiert zu werden. Eine genaue Untersuchung des „kleinen geöffneten Raums“, den ein
Flügel mit geöffnetem Deckel bildet, sowie der Eigenschaften von Deckelreflexionen bei verschieden großen Flügeln
und deren Auswirkungen auf den Klang bei der Verwendung von Nierenkapseln würde an dieser Stelle zu weit führen.
30
Abbildung 4: Aufgezeichnete Schwingung einer Saite[9]. Obere Reihe: Aufgezeichnete Schwingung
einer Saite bei sukzessivem Abfall der Obertöne. Untere Reihe: Aufgezeichnete Schwingung einer
Saite bei maximaler Amplitude der geradzahligen Vielfachen.
Abb. 5 zeigt das Frequenzspektrum über Zeit bei zwei verschiedenen Deckelstellungen (jeweils
linke Kugeln, Innenraum Ausgangsposition; volle Stütze und Deckel abgenommen). Bei voller Stütze
ist ein Anstieg des Frequenzbereichs zwischen 100 Hz und 500 Hz zu erkennen, der für den Eindruck
der Dichte verantwortlich ist. Der Bereich zwischen 500 Hz und 1 kHz ist schwächer ausgeprägt.
Hier kommt der Kammfiltereffekt durch Laufzeitunterschiede der Reflexion zum Tragen.
Die Wege der Reflexionen zu den Mikrofonkapseln und die Frequenzauslöschungen des daraus
resultierenden Kammfilters sind je nach Mikrofonposition unterschiedlich. Auch das gespielte Tonmaterial ist mit ausschlaggebend, da Ort der Schallentstehung für jeden Ton ein anderer ist und
sich somit die Laufzeiten ändern. In den meisten Fällen wirkt sich der Deckel klanglich vor Allem
auf das linke Mikrofon aus; die in das rechte Mikrofon einfallenden Reflektionen haben eine zu lange
Laufzeit und sind im Vergleich zum Direktschall zu leise, um einen ähnlich großen Einfluss zu haben.
Insgesamt ist der klangliche Unterschied – sowohl der drei generellen Mikrofonpositionen, als
auch deren Variationen – bei den verwendeten Kugeln deutlich ausgeprägter als bei den verwendeten Nieren. Hier kommen die verschiedenen Frequenzgänge eines Mikrofons in Abhängigkeit des
Einsprechwinkels zum Tragen (siehe Abb. 6 auf Seite 35). Besonders im Bassbereich machen sich
teils sehr starke Unterschiede bemerkbar. Die verwendeten Nieren sind hier etwas „unempfindlicher“, oder auch pflegeleichter.
Der Unterschied in der Hörbarkeit der Dämpfer an den verschiedenen Mikrofonpositionen ist
weniger ausgeprägt, als zuerst angenommen wurde. Zwar klingen Dämpfergeräusche bei Aufstellung der Mikrofone entlang der Dämpfer naturgemäß näher, jedoch nur unwesentlich lauter oder
deutlicher als bei Mikrofonierung im Innenraum des Flügels. Auch in der höchsten aufgenomme31
Abbildung 5: Frequenzspektrum über Zeit in Abhängigkeit der Deckelstellung. Oben: Deckelstellung
volle Stütze, unten: Deckel abgenommen.
32
nen Position in der Beuge – im vorgenommenen Versuch die Mikrofonposition mit dem größten
Abstand zu den Dämpfern – sind die Dämpfer immer noch deutlich zu hören. Die Referenzaufnahmen lassen vermuten, dass der verwendete Flügel lautere Dämpfergeräusche verursacht, als andere
dem Autor bekannte Instrumente. Ein subjektiver Vergleich des Pedals des CEUS-Flügels mit denen
der Steinway-Flügel im Aufnahmeraum 1 und im großen Seminarraum unterstützt diesen Eindruck.
Das Verschieben der Mikrofonpaare in Richtung der höheren oder tieferen Register bei gleichbleibender Basisbreite ändert nur wenig an der Stereobalance. Kompensiert man die veränderten
Laufzeiten durch anpassen der Mikrofonvorverstärkung oder der Wiedergabelautstärke, so besteht
der eigentliche Unterschied nur im abgebildeten Ausschnitt der Register. Natürlich klingt der gleiche Ton entsprechend der versetzten Aufnahmeposition ohne Kompensierung nach rechts oder links
verschoben, jedoch ist dieser Unterschied weniger ausgeprägt als der der generellen Klangfarbe, die
entsprechend der Mikrofonierung heller oder dunkler ausfällt.
Beim Vergleich zwischen Aufnahmen in breiter Aufstellung mit Mittenmikrofon und solchen
in schmälerer Basisbreite zeigte sich, dass bei der sehr nahen Klavierabnahme, wie sie generell im
Bereich der Popularmusik angewendet wird, zwischen zwei ästhetischen Grundsätzen unterschieden werden sollte. Eine breite, über alle Register verteilte Aufstellung mit drei Mikrofonen deckt
den gesamten Klangumfang des Klaviers ab; tiefe, mittlere und hohe Lagen können gleichwertig
abgebildet werden. Eine solche gleichmäßige Abbildung kann mit zwei schmäler angeordneten Mikrofonen nicht realisiert werden, da hier die relativen Abstände zu weiter entfernten Lagen zu groß
werden, um diese in ausreichendem Pegel aufzuzeichnen. Eine Aufstellung mit zwei Mikrofonen
führt zwangsläufig dazu, dass nur der Bereich detailliert abgebildet wird, der von den Mikrofonen
„gesehen“ wird. Dies beschränkt sich normalerweise auf drei bis vier Oktaven und ist bei Kugeln naturgemäß weniger stark ausgeprägt als bei Nieren. Töne außerhalb dieses Bereichs sind undefiniert
und klingen entfernt.
Es gilt also, eine Entscheidung zu treffen, ob das gesamte Spektrum des Flügels abgebildet und
wiedergegeben werden soll, bzw. muss, oder ob nur ein gewisser Ausschnitt aufzuzeigen ist. Eine sehr
breite Aufstellung mit nur zwei Mikrofonen hat das sogenannte „Loch in der Mitte“ zur Folge, das
oftmals nicht gefällt und in vielen Anwendungsfällen aufgrund eventuell vorhandener hart gepanter
Monosignale (beispielsweise eine gedoppelte Gitarre) als nicht sinnvoll erscheint. Gleichzeitig ist
von einem Panning der beiden Mikrofone jeweils nur zur Hälfte nach außen dringend abzuraten, da
die Ähnlichkeit der Signale zu groß ist um keine Phasenprobleme und dadurch klangliche Einbußen
zu verursachen. Abhilfe könnte hier eine Aufnahme in MS- oder XY-Stereophonie schaffen, da bei
diesen Verfahren keine Laufzeitunterschiede auftreten. Die Panoramabreite könnte nach Belieben
und Bedarf eingestellt werden.
Da der Eindruck von weit entfernten Registern abhängig vom Winkel des Mikrofonaufbaus zu
den Saiten ist, tritt er am stärksten bei Mikrofonierung parallel zur Dämpferreihe (90°-Winkel der
Mikrofon-Basis zu den Saiten) auf. Bei der Abnahme im Innenraum des Flügels (etwa 45°-Winkel
der Mikrofonbasis zu den Saiten) ist er immer noch wahrnehmbar, bei Aufbau der Mikrofone in
der Beuge ist er – je nach genauer Position der Mikrofone – nur noch schwach ausgeprägt, da die
Mikrofonbasis annähernd parallel zu den Saiten verläuft.
33
Auch die Auffächerung der Tonhöhen entlang der Stereobasis ist vom Winkel der Mikrofonbasis
zum Verlauf der Saiten abhängig und somit bei der Position entlang der Dämpferreihe naturgemäß
am deutlichsten. Tonhöhen sind fast bis auf den Einzelton einer genauen Position zwischen den
Lautsprechern zuzuordnen. Die Positionierung im Innenraum zeigt diesen Aspekt nicht ganz so
stark ausgeprägt, die Aufstellung in der Beuge verliert die „Aufreihung der Töne nebeneinander“
vollends. Hier lässt sich nur noch in Registern unterscheiden: Tief klingt links, mittig klingt mittig,
hoch klingt rechts. im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Position in der Beuge die höchste
„Flächigkeit“ des aufgezeichneten Signals erzeugt.
Bei der Auswertung der verschiedenen Höhen der Mikrofone stellte sich heraus, dass auch Abstände von 15 cm oder weniger zu den Saiten ein klanglich positives Ergebnis liefern können. Der
Klang des Klaviers und der Saiten wird mit abnehmender Höhe immer direkter, unmittelbarer und
härter. Gleichzeitig erhöht sich der Eindruck des „perligen“ Anschlags und des Dynamikumfangs,
was beispielsweise für Stücke mit intimer Stimmung vorteilhaft sein kann. Je näher man den Saiten ist, desto größer wird die abgebildete Stereobreite[10]. Eine Bevorzugung einzelner Saitenchöre
konnte bei den verwendeten niedrigen Mikrofonpositionen noch nicht festgestellt werden.
5.3.2
Mikrofonierung entlang der Dämpferreihe
Wie erwartet klingt diese Mikrofonposition aufgrund der Nähe zur Saitenbefestigung am hellsten
und Attack-reichsten. Speziell bei niedrigem Aufbau über den Saiten ist ein klarer definierter Anschlag der Hämmer auf den Saiten hörbar; je nach horizontaler Position näher an den Dämpfern oder
weiter in Richtung Innenraum sind Pedalgeräusche unmittelbarer oder etwas indirekter zu hören.
Wie bereits erwähnt, sind diese Unterschiede jedoch nur schwach ausgeprägt; eine Klangeinstellung
sollte sich daher nur nebensächlich mit Dämpfergeräuschen beschäftigen.
Neben der eigenständigen Klanglichkeit ist die sehr detaillierte Aufschlüsselung der Stereobreite
ein wichtiger Aspekt dieser Mikrofonierung. Da die Mikrofonbasis im rechten Winkel zum Saitenverlauf steht, ist eine sehr genaue Fixierung einzelner Tonhöhen auf feste Punkte der Lautsprecherbasis
möglich. Ein abgenommener Deckel verstärkt diesen Aspekt noch zusätzlich, da es keine Reflexionen mehr gibt, die auf die Mikrofone zurückfallen und die Ortung beeinträchtigen könnten.
Da sich die Mikrofone je nach horizontaler Position auf Höhe des Deckelrands oder – aus Sicht
des Spielers – gar davor befindet, hat die Deckelstellung einen geringeren Einfluss auf den Klang
als bei den anderen untersuchten generellen Mikrofonpositionen. Nichtsdestotrotz ist auch hier ein
deutlicher Unterschied zwischen abgenommenem Deckel und voller Stütze zu hören; speziell bei der
Verwendung von Kugeln muss auf der linken Seite (tieferes Register) mit einem erhöhtem Bassanteil
gerechnet werden. Auch wird sich die Klangbalance bei abgenommenem Deckel nach rechts verschieben, während sie bei aufgesetztem Deckel nach links wandert. Hier muss gegebenenfalls über
die Vorverstärkung ausgeglichen werden.
Kleinere Öffnungen des Deckels sind bei der Verwendung von Kleinmembranmikrofonen ohne
abgesetzte Kapsel („Stäbchen“) nur bedingt möglich: Der Platz für das Mikrofon über dem tieferen Register ist schon bei voller Stütze sehr begrenzt. Absetzbare Kapseln können hier eine Hilfe
sein, um eine bessere Position unter dem Deckel zu finden. Großmembranmikrofone beanspruchen
bauartbedingt durch die senkrecht eingebaute Kapsel weniger Platz, hier sollte das Platzproblem
34
geringer ausfallen.
Bei der Verwendung von Nieren zeigte sich, dass ein Winkeln der Kapseln parallel zu den
Dämpfern zur Gleichmäßigkeit des Klangs beiträgt. Entferntere Saiten in direkter Einsprechrichtung
werden klarer und lauter abgebildet, die näher zur Kapsel befindlichen Saiten werden durch die
Richtwirkung gedämpft. Abbildung 6 zeigt, dass auch ein Winkeln von Kugelkapseln keineswegs als
unsinnig einzustufen ist. Durch die bei hohen Frequenzen einsetzende Richtwirkung und die dadurch
schwächer werdende Präsenzanhebung kann die abgebildete Nähe eines Registers beeinflusst werden.
Abbildung 6: Frequenzkurven in Abhängigkeit des Einsprechwinkels. KM 183 (o.) und KM 184 (u.)
Die bereits in Abschnitt 5.3.1 erwähnte Abhängigkeit des Klangs gegenüber dem vom Mikrofon
„gesehenen“ Bereich der Saiten ist auch in dieser Positionierung erkennbar – jedoch nicht so deutlich, wie erwartet. Eine tiefere Mikrofonposition hätte hier ausgeprägtere Unterschiede ergeben.
Betrachtet man Abbildung 7, so lässt sich ein genereller Trend erkennen, nach dem in der ausgehenden Position (o.) Frequenzen unterhalb 1 kHz ausgeprägter sind, während in der Position direkt
über den Dämpfern Frequenzen oberhalb 1 kHz stärker vertreten sind. Vor Allem die Obertöne sind
in dieser Position präsenter.
Wird ein klarer, schlanker Klang bevorzugt, ist eine solche Position vorstellbar. Je weiter die
Mikrofone von den Dämpfern weg in Richtung Innenraum des Flügels platziert werden, desto voluminöser und „bauchiger“ wird der Klang. Die Grenze zur Mikrofonierung im Innenraum verläuft
hierbei fließend; speziell die Position des rechten Mikrofons wird sich aufgrund der kurzen Saiten
nur noch kaum oder gar nicht mehr unterscheiden.
35
Abbildung 7: Frequenz über Zeit an verschiedenen Mikrofonpositionen parallel zur Dämpferreihe.
36
5.3.3
Mikrofonierung im Innenraum
Diese Positionierung erreicht den dichtesten und intimsten Klang aller drei untersuchten Mikrofonierungen. Vor Allem die tiefen Register klingen durch die Positionierung des Mikrofons im mittleren
Abschnitt der Saiten deutlich voluminöser als bei anderen Aufstellungen (siehe Abschnitt 5.3.1).
Auch die Positionierung klar unter dem Deckel trägt zu dieser Klanglichkeit bei, da mehr Reflexionen in die Kapseln fallen als bei Aufstellung der Mikrofone in der Nähe des Deckelrands. Dementsprechend reduziert das Abnehmen des Deckels das Klangvolumen deutlich und schafft einen im
Verhältnis zu den anderen Positionierungen stärkeren Zuwachs an Klarheit und Offenheit im Klang.
Abbildung 8 zeigt den Vergleich der Frequenz über Zeit zwischen der ausgehenden Position
entlang der Dämpfer und der ausgehenden Position im Innenraum. Bei letzterer ist ein erhöhter
Anteil tiefer Frequenzen (ca. 100 Hz, ca. +10 dB; ca. 150 Hz, ca. +5 dB) festzustellen. Demgegenüber
steht eine Unterrepräsentierung mittlerer Frequenzen (ca. 600 Hz bis 1 kHz, ca. -8 dB) bei der
Position entlang der Dämpferreihe, die für deren klareren Klangeindruck verantwortlich ist.
Abbildung 9 zeigt den Vergleich der Frequenz über Zeit zwischen der ausgehenden Position im
Innenraum mit Deckelstellung volle Stütze und abgenommenem Deckel. Bei gleicher Lautstärke der
Melodietöne (erste drei: 196 Hz, 220 Hz, 248 Hz) sind tiefe Frequenzen bei abgenommenem Deckel
etwa 10 dB schwächer ausgeprägt als in der ausgehenden Position.
Die beiden Varianten der überbreiten Mikrofonierung wurden mit dem Ziel aufgezeichnet, einen
Vergleich der Aufstellungsmöglichkeiten eines Mittenmikrofons zu erhalten. Demnach wurde das
Mittenmikrofon augenscheinlich einmal „im Dreieck“ und einmal „in Linie“ zu den äußeren Mikrofonen aufgestellt. Für die erste Variante galt es, möglichst viel des Innenraums durch die Mikrofone
abzudecken, während für die zweite Variante die naheliegende Methode der Aufstellung in einer Linie zum Vergleich gezogen wurde. Die Positionen der beiden äußeren Mikrofone wurde dabei nicht
verändert.
Der Vergleich der beiden Varianten zeigt, dass von einer Mikrofonierung „im Dreieck“ abzuraten
ist. Durch das Abdecken des tiefen Registers durch zwei Mikrofone wirkt es überbetont; zusätzlich geht die Aufstaffelung im Panorama verloren, da das mittlere Register unterrepräsentiert ist.
Stattdessen wird unfreiwillig das tiefe Register zusätzlich in die Mitte gepant. Das Mittenmikrofon
in einer Linie deckt dagegen den Bereich des mittleren Registers besser ab, außerdem befinden sich
in dieser Position alle Mikrofone in etwa in der Mitte der Saiten, auf die sie zeigen. Somit entsteht
ein homogenerer Gesamtklang.7
Wie schon in der Mikrofonposition entlang der Dämpfer ist auch hier vor Allem beim linken
Mikrofon mit Platzproblemen durch den Deckel zu rechnen. Auch ein Winkeln der Mikrofonkapseln
nach außen zeigt eine ähnliche, wenn auch schwächere, Wirkung. Im Fall des durchgeführten Versuchs ist diese Wirkung jedoch nicht als so positiv einzuschätzen, wie bei der Positionierung entlang
der Dämpferreihe. Durch das Winkeln verlieren die hauptsächlich gespielten Töne an „Perligkeit“,
7 Der Autor möchte an dieser Stelle betonen, dass das Ergebnis dieses Vergleichs nur bedingt mit der „Linienaufstellung“ als solche zu tun hat. Diese hat zwar den Vorteil, dass die Abstände zwischen den Mikrofonen gleich
sind; das Mittenmikrofon beispielsweise über dem mittleren Register näher an den Dämpfern platziert könnte aber
genauso zu einem befriedigenden Ergebnis führen. Wichtig ist dem Autor das einfache Vorhandensein des mittleren
Registers, um es mittig pannen zu können, bzw. eine Kontrolle darüber zu haben.
37
Abbildung 8: Frequenz über Zeit. Oben: ausgehende Position Dämpferreihe; unten: ausgehende
Position Innenraum; jeweils linkes Mikrofon
38
Abbildung 9: Frequenz über Zeit, ausgehende Position im Innenraum. Oben: Deckel abgenommen;
unten: Deckel volle Stütze
39
nur die sehr weit außen liegenden Saiten klingen unnatürlich klarer und heller; der Gesamtklang
wird unausgewogener.
Zusätzlich macht sich bei den Nierenkapseln ein Zuwachs des Deckeleinflusses bemerkbar. Das
Signal des linken Mikrofons ist nun wesentlich basslastiger als zuvor; einzelne Grundtöne werden
mit bis zu +15 dB aufgezeichnet. In Verbindung mit dem rechten Mikrofon muss daher von einem
ungleichen Frequenzganz des aufgezeichneten Signals gesprochen werden; als Resultat ergibt sich –
vor Allem beim Abhören mit Kopfhörern – ein sehr unangenehmes Gefühl einer „Zweigeteiltheit“:
Einerseits scheint die Ortung der eigentlichen Tonhöhe nur wenig beeinflusst zu sein, andererseits
ist auf der linken Seite durch den verstärkten Bassbereich eine stark veränderte Räumlichkeit wahrzunehmen, die unangenehm wirkt.
5.3.4
Mikrofonierung in der Beuge
Die Aufstellung in der Beuge entspricht am ehesten der gewohnten Hörsituation, die ein Zuhörer
vor dem Flügel sitzend erleben würde. Demnach klingt diese Positionierung von allen untersuchten
am natürlichsten und wird deshalb auch im Bereich der Klassischen Musik vorrangig zur Stützmikrofonierung angewandt (wenn auch normalerweise in größerem Abstand als in diesem Fall).
Die vertikale Position der Mikrofone zwischen Rast und Deckel ist unbedingt zu hinterfragen, da
sie für die Laufzeit und das Pegelverhältnis der Deckelreflexionen ausschlaggebend ist, und somit
den durch Direktschall und Deckelreflexionen entstehenden Kammfiltereffekt direkt beeinflusst.
Um einen Eindruck zu gewinnen, wie sich die Notchfrequenzen durch Ändern der Mikrofonhöhe
entwickeln, wurde ein einfacher Versuch realisiert. Ein Einzelton (,h, 248 Hz) wurde wiederholt via
MIDI-Befehl in der gleichen Intensität angeschlagen, während ein Mikrofon sukzessive in der Höhe
verändert wurde. Die „Mikrofonfahrt“ wurde von direkt an der Rast bis auf Höhe der Deckelkante
und zurück durchgeführt; das Signal dabei aufgezeichnet. Eine Untersuchung des Signals mittels
Frequenzanalyse über Zeit diente zur Verifikation der zuvor errechneten Notchfrequenzen.
Einer groben geometrischen Kalkulation zufolge ist bei Positionierung des Mikrofons auf Höhe
der Rast ein Laufzeitunterschied von etwa 1,75 ms (Weg des Direktschalls: ca. 80 cm; Weg der
Deckelreflexion: ca. 140 cm) zu erwarten. Daraus ergibt sich eine rechnerische erste Notchfrequenz
von etwa 285 Hz. Bei Positionierung unterhalb des Deckels ist ein Laufzeitunterschied von etwa 0,3
ms (Weg des Direktschalls: ca. 120 cm; Weg der Deckelreflexion: ca. 130 cm) zu erwarten. Daraus
ergibt sich eine rechnerische erste Notchfrequenz von etwa 1,7 kHz.
Die Auswertung mittels Spektralanalyse (Abbildung 10) zeigt, dass die angenommenen Berechnungen stimmen. In der Grafik zeigt sich die erste Notchfrequenz deutlich als heller Bereich, der
sich von etwa 350 Hz an den äußeren Rändern bis etwa 2 kHz in der Mitte zieht. In tiefster Mikrofonposition (linker und rechter Rand der Darstellung) ist eine leichte Abschwächung des Grundtons
bei 250 Hz erkennbar (schnelleres Absinken der Frequenzintensität), Senken höherer Ordnung sind
deutlich bei 500 und 750 Hz erkennbar. Eine nächste deutliche Senke erster Ordnung zeigt sich bei 1
kHz (Samplebereiche 400000 bzw. 1400000). Die Senke in höchster Mikrofonposition liegt bei etwa
1,9 kHz.
Verschiedene Töne haben verschiedene Laufzeiten – sowohl des Direktsignals als auch der Reflexion über den Deckel – zur Mikrofonkapsel, weshalb Senken des Kammfiltereffekts ebenso von
der gespielten Musik abhängig sind wie von der Mikrofonposition.
40
Abbildung 10: Spektralanalyse Kammfiltereffekt-Versuch
41
Es bleibt zu betonen, dass nicht zuletzt diese Reflexionen den Klangeindruck eines Flügels entscheidend prägen, und deshalb bis zu einem gewissen Grad erwünscht sind. Die Hauptaufgabe des
Deckels besteht in der Bündelung des Schalls in den Zuschauerraum. Für einen wirklich natürlichen Klang ist also eine Mikrofonposition zu empfehlen, die außerhalb des Bereichs des direkten
Schalleinfalls der Saiten liegt und somit sozusagen den Deckeleinfluss maximiert. Führt man den
Gedanken weiter, hin zur natürlichen Räumlichkeit durch eine etwas entferntere Aufnahme, so ist
man endgültig im Bereich der E-Musik angelangt.
Unterschiede im Klang durch verschiedene Stellungen des Deckels zeigen sich auch bei Mikrofonierung in der Beuge. Der Deckel auf volle Stütze bewirkt die bereits erwähnten Kammfiltereffekte.
In Stellung halbe Stütze verändern sich die Laufzeitverhältnisse, zusätzlich wird ein erhöhter Anteil
der Deckelreflexionen zurück in den Innenraum des Flügels reflektiert. Im Falle des verwendeten
Flügels hat dies zur Folge, dass das entsprechende Klangbeispiel eine Betonung des Frequenzbereichs zwischen etwa 700 und 1400 Hz im Vergleich zum Beispiel mit Deckelposition volle Stütze
aufweist. Hier kommen erste Effekte der Raumresonanzen (siehe 6.2.1) zum tragen.
Im Zuge der Auswertung der verschiedenen Mikrofonpositionen in der Beuge stellte sich heraus,
dass die Resonanzlöcher die Gleichmäßigkeit des Klangs problematisch beeinflussen können. Durch
die Nähe vor Allem der rechten Kapsel zu den Resonanzlöchern verursachen diese starke Überbetonungen bei bestimmten Tönen (im konkreten Fall: besonders g”; auch ,g) bzw. in bestimmten
Tonbereichen. Diese Einwirkungen sind unbedingt zu vermeiden, da sie einzelne Töne zum Dröhnen bringen und dadurch sowohl das Klang- als auch das Stereobild regelrecht zerstören. Bei einer
Mikrofonpositionierung in der Beuge ist es deshalb ratsam, beim Soundcheck auf diese Problematik
zu achten.
Abb. 11 zeigt das Frequenzspektrum über Zeit eines chromatischen Laufs, per MIDI programmiert mit gleicher Anschlagsstärke und -dauer. Betonungen verschiedener Frequenzen in Abhängigkeit der Mikrofonposition sind deutlich erkennbar. Die Überhöhung von etwa +4 dB bei 800
Hz im linken Mikrofon stimmt mit dem Höreindruck aus dem Testsignal überein und bewirkt
den erwähnten Eindruck des zerstörten Panoramas – die Ortung des Tons wandert deutlich nach
links. Die Grafik zeigt außerdem, dass für die Position des rechten Mikrofons (fast direkt über dem
Resonanzloch) zwei überbetonte Bereiche existieren: einmal zwischen etwa 450 und 580 Hz, und
zwischen etwa 800 und 950 Hz. Für die Position des linken Mikrofons, etwas weiter vom Resonanzloch entfernt, existiert ein überbetonter Bereich zwischen etwa 600 und 800 Hz. Ein Betrachten der
Obertonstruktur zeigt außerdem, dass die Resonanzen tatsächlich nur bestimmte Frequenzen, nicht
aber ganze Tonstrukturen inklusive Obertöne zu beeinflussen scheinen.
Ein Verändern der Mikrofonhöhe bei gleicher Entfernung zur Rast ist nur bedingt eine Maßnahme, um den Einfluss der Resonanzlöcher zu minimieren. Der Versuch zeigte, dass erst mit
einer Positionierung direkt unter dem Deckel der Klang etwas ausgeglichener wird. Die damit einhergehende drastische Änderung der Mikrofonposition bewirkt jedoch einen anderen Klang, der
möglicherweise nicht angestrebt wird. Sinnvoller ist es daher, bei gleicher Höhe den Abstand zur
Rast nach hinten – also vom Flügel weg – zu verändern.
Auch ein Winkeln der Kapseln nach außen ist mit Vorsicht zu genießen, da man die rechte Kapsel damit stärker auf die Resonanzlöcher zeigen ließe, und sich der störende Einfluss noch erhöhen
42
Abbildung 11: Frequenzanalyse zum Einfluss der Resonanzlöcher. Oben: linkes Mikrofon. Unten:
rechtes Mikrofon.
43
würde.
Ein Verschieben des Mikrofonaufbaus in Richtung höheres bzw. tieferes Register zeigt einen
deutlicheren Unterschied als bei den anderen beiden generellen Positionen. Das jeweils „benachteiligte“ Register zeigt sich in den Versuchsaufnahmen als stark unterrepräsentiert und klingt sowohl
verwaschen als auch weit entfernt. Hier scheint eine genaue Vorüberlegung angebracht zu sein,
welcher Ausschnitt des Flügels unter Verwendung von zwei Mikrofonen abgebildet werden soll.
5.3.5
Resonanzloch und von unten auf den Resonanzboden zeigend
Diese Mikrofonpositionen stellten sich im Versuch als geeignet heraus, um dem Klavierklang, falls
gewünscht, zusätzliche Körperlichkeit zu verleihen. In dieser Hinsicht stellt sich vor Allem die Mikrofonierung von unten als hilfreich heraus. Das Abnehmen eines Resonanzlochs kann helfen, die
in einigen Musikstilen erwünschte „perlige Dichte“ eines Flügels weiter herauszustellen. Bei überbreiten Anordnungen mit drittem Mikrofon zur Stabilisierung der Mitte ist es denkbar, statt eines
Mikrofons in der Mitte des Aufbaus das Signal eines abgenommenen Resonanzlochs oder des Resonanzbodens von unten zu verwenden. Dadurch kannn Klang mit mehr „Holz“ oder „Körper“ versehen
werden und es sind weitere Klanglichkeiten erzeugbar.
6
6.1
Versuch 2: Mikrofonpositionen mit geschlossenem Deckel
Versuchsaufbau und -durchführung
Dieser Versuch sollte einen Eindruck über das Klangverhalten eines mikrofonierten Flügels mit
geschlossenem Deckel verschaffen. Im normalen Studioalltag ist ein geschlossener Deckel aufgrund
der klanglichen Qualitätseinbuße nicht praxisrelevant, jedoch ist es in Livesituationen normalerweise vonnöten, den Deckel geschlossen zu halten um Übersprechen und damit das Entstehen von
Feedbackproblemen zu vermeiden.
Durch das Schließen des Deckels entsteht im Innenraum des Flügels ein annähernd komplett
geschlossener, sehr kleiner Raum. Besonders im hinteren Bereich des Klaviers, weit von der zum
Spieler offenen Seite, sollten daher die bekannten Phänomene des Druckkammerprinzips auftreten.
Deshalb wurde das Vorhandensein von Schwingungsmoden mit einem Acht-Mikrofon überprüft,
jedoch konnte keine brauchbare Aussage aus diesen Aufnahmen abgeleitet werden.
Im Versuch wurden drei Mikrofonpositionen mit unterschiedlichen Deckelstellungen aufgezeichnet. Die Platzierung der Mikrofone wurde mit Hilfe von Absetzkabeln vorgenommen um nur die
Kapseln im Flügel platzieren zu müssen, was einen deutlichen Vorteil bei der Platznutzung mit sich
bringt. Die Kapseln wurden auf Schwanenhälse mit Magnethaltern gesetzt. Dabei wurde versucht,
so hoch wie möglich unter den Deckel zu kommen, um im eingeschränkten Raum so wenig Fokussierung auf Einzeltonhöhen wie möglich zu erhalten. Die resultierenden Kapselhöhen um etwa 5 cm
über den Saiten sind als akzeptabel einzustufen.
Wie bereits im Exposé erwähnt wurden in diesem Versuch auch Grenzflächenmikrofone verwendet.
44
Folgende Aufstellungen wurden untersucht:
• Mikrofone parallel zur Dämpferreihe
– Breite: 32 cm
– Positionen der Mikrofonkapseln:
∗ links: 30 cm ab Dämpferrand, über dem Saitenchor ,d
∗ rechts: 32 cm ab Dämpferrand, über dem Saitenchor gis’
– Winkelstellung der Mikrofone: 90°, also im Lot auf die Saiten zeigend
• Mikrofone in der Beuge
– Breite: 25 cm
– Positionen der Mikrofonkapseln:
∗ links: 4 cm ab Knauf Richtung rückwärtiges Ende des Flügels, 16 cm senkrecht ab
Rast
∗ rechts: 21 cm ab Knauf Richtung vorderes Ende des Flügels, 12 cm senkrecht ab
Rast
– Winkelstellung der Mikrofone: ca. 30° auf die Saiten zeigend, ca. 5° nach außen gewinkelt
• Mikrofone am hinteren Ende des Flügels
– Breite: 25 cm
– Positionen der Mikrofonkapseln:
∗ links: 64 cm ab linker Rast (Deckelanschlag); 28 cm im rechten Winkel ab hinterer
Rast
∗ rechts: 41 cm ab Knauf, 7 cm im rechten Winkel ab rechter Rast (Seite des Knaufs)
– Winkelstellung der Mikrofone: ca. 2°, quasi parallel zu den Saiten, kein Winkel nach
außen
• Grenzflächenmikrofone unter den Deckel geklebt
– Neumann GFM 132
– Positionen der Mikrofone:
∗ links: 62 cm ab vorderem Deckelrand, 38 cm ab linkem Deckelrand (Deckelanschlag)
∗ rechts: 29 cm ab vorderem Deckelrand, 84 cm ab linkem Deckelrand (Deckelanschlag)
Bei stets gleichbleibendem Mikrofonaufbau wurde in diesem Versuch nur die Deckelposition verändert, um deren Auswirkung auf den Klang zu dokumentieren. Dabei wurden alle möglichen Einstellungen der Stütze (Deckel geschlossen; kleinste, halbe und volle Stütze) untersucht, sowie eine
Variation mit geschlossenem Deckel bei aufgestelltem Notenpult und eine Variation mit zusätzlich
geschlossener vorderer Klappe.
45
6.2
6.2.1
Auswertung des Versuchs
Generelle Erkenntnisse
Der aus dem geschlossenen Innenraum heraus aufgenommene Klang eines Flügels ist keine Freude.
Keine der untersuchten Mikrofonpositionen vermag dem klanglichen Eindruck eines Klaviers, das
unter optimalen Bedingungen aufgenommen werden konnte, gerecht zu werden. Vor Allem die verwendeten Kugeln zeichnen überdeutlich die Problematik des geschlossenen kleinen Raums auf: der
Klang ist voluminös dröhnend und verwaschen. Man hört regelrecht den geschlossenen sehr kleinen
Raum. Immerhin lieferten die verwendeten Nieren ein etwas weniger schlechtes Ergebnis; zwar ist
auch hier die beherzte Nachbearbeitung mit EQ nicht zu vermeiden8 , jedoch werden die widrigen
Umstände weniger deutlich.
Die Versuchsvariante des geschlossenen Deckels mit geschlossener vorderer Klappe ist weitestgehend als Produkt der Neugierde einzuordnen und hat nur sehr geringe Praxisrelevanz – selbst
in einer Livesituation mit auswendig spielendem Pianisten liegt es nahe, die Klappe zu öffnen, um
ein direktes Hören des Gespielten durch den Spielenden selbst zu verbessern. Nichtsdestotrotz liefern die Aufnahmen dieser Konstellation zumindest eine relative Aussage über die Abschattung zu
Signalen von außen, die die verschiedenen Positionen erreichen. Ein subjektiv großer Unterschied
zeige somit auf, dass durch eine offene Klappe noch viel Schall von außen in den Innenraum eindringt; ein subjektiv kleiner Unterschied dementsprechend das Gegenteil. Hier ist wie zu erwarten
klar festzustellen, dass die Positionen parallel zu den Dämpfern und in der Beuge eine geringere
Abschattung inne haben als die Position im hinteren Ende des Flügels, denn diese ist am weitesten
von der vorderen Öffnung des Deckels entfernt.
Auch Variante des aufgeklappten Notenpults ist als Neugierde zu sehen. Unterschiede zwischen
dem aufgeklappten und abgenommenen Notenpult sind so marginal, dass sie keine Relevanz in einer Livesituation besitzen. Lediglich die Positionierung in der inneren Beuge klingt wahrnehmbar
kompakter. Zu Erklären ist dies durch die Winkelung der Kapseln: Vor Allem die rechte Kapsel
zeigt deutlich in Richtung vordere Deckelöffnung und nimmt damit Änderungen des Schallfelds
deutlicher auf als in den anderen Positionen.
Schon bei einer kleinen Öffnung des Deckels tritt eine starke Klangverbesserung auf, da der
Innenraum nicht mehr abgeschlossen ist und sich dadurch nicht mehr der Effekt der Druckkammer
ausbildet. Vor Allem die Positionen innerhalb der Beuge und am hinteren Ende des Flügels profitieren stark davon; lediglich bei der Position parallel zur Dämpferreihe ist der Unterschied etwas
geringer. Der Pegelunterschied zwischen geschlossenem Deckel und voller Stütze liegt bei etwa 8
dB (Peak) bzw. 6 dB (RMS). Aufgrund des stark veränderten Frequenzgangs liegt der subjektive
Lautheitsunterschied deutlich über dem RMS-Wert bei etwa 8 bis 9 dB.
Abbildung 12 zeigt den Vergleich der Frequenz über Zeit zwischen verschiedenen Deckelstellungen. Mikrofonposition am hinteren Ende. Es ist deutlich zu sehen, dass bei geschlossenem Deckel
die Obertöne verloren gehen. Die untersuchte Mikrofonposition im Speziellen scheint bei etwa 350
Hz eine durch die Deckelposition verursachte Auslöschung inne zu haben. Der Pegelunterschied
8 wie bereits behandelt werden auch unter optimalen Bedingungen die Signale mithilfe eines EQs bearbeitet.
Jedoch muss hier zwischen „geschmacks- bzw. mischungsdienlicher Nachbearbeitung“ und schlichter „Entzerrung“ im
eigentlichen Sinn unterschieden werden.
46
beträgt hier etwa 12 dB. Bei geschlossenem Deckel ist eine Betonung der Frequenzanteile unter 250
Hz um etwa 6 dB erkennbar.
Beim Öffnen des Deckels fallen die durch den geschlossenen Raum verursachten dröhnenden und
mulmigen Frequenzanteile schon früh stark ab; das Signal wird klarer, natürlicher, und besser zu
kontrollieren. Zwar ist ein Öffnen des Deckels bis mindestens halbe Stütze nötig, um einen „guten“
Klang zu erzielen. Jedoch zeigen die Aufnahmen, dass es Ziel des Tonmeisters sein sollte, den Deckel
– sofern die Umstände es zulassen – zumindest einen Spalt breit zu öffnen. So ist es beispielsweise
denkbar, ein Übersprechen durch akustische Stellwände zu reduzieren, um dadurch den Deckel auf
kleinste Stütze stellen zu können. Dies kann allerdings nur auf „leisen Bühnen“ funktionieren und
ist mit Vorsicht zu genießen.
6.2.2
Position 1: Parallel zur Dämpferreihe
Diese Position liegt geographisch in etwa zwischen den Positionen entlang der Dämpfer und im Innenraum aus dem ersten Versuch. Die Klanglichkeit ist somit durch die schwingenden Saiten und den
Resonanzboden geprägt, Einflüsse der Resonanzlöcher sind nicht festzustellen. Dementsprechend
lässt sich auch ein diesen ersten Positionen ähnlicher Klang ausmachen: Die Dämpfergeräusche sind
präsenter als bei den anderen beiden Positionen, ebenso ist die Klarheit der Töne am höchsten.
Die verwendeten Nieren zeichnen bei offener vorderer Klappe nur wenig der beengten Räumlichkeit und der damit einhergehenden Problematik auf – es ist anzunehmen, dass die Positionierung
der Kapseln senkrecht auf die Saiten zeigend zu diesem Eindruck beiträgt, da so nur wenig des
„Geschehens“ im restlichen Innenraum in die Mikrofone einfällt. Festzustellen ist allerdings ein mechanischer Nachklang der lauten Staccatos (hier ist das „Arbeiten“ des Flügels zu hören), der sich
mit der ohnehin notwendigen Entzerrung jedoch abschwächen lässt.
Wie bereits erwähnt ist der klangliche Unterschied bei kleinster Deckelöffnung kleiner als in
den anderen Positionen. Bei voller Stütze ist der Klang erwartungsgemäß dem der untersuchten
Position im Innenraum sehr ähnlich. Hier zeigt jedoch der sehr geringe Abstand zu den Saiten erste
Bevorzugungen einzelner Tonhöhen auf. Durch Winkeln der Mikrofonkapseln sollte dieser Effekt
verringert werden können. Neben einer Winkelung nach außen ist auch eine in Richtung hinteres
Ende, also von den Dämpfern weg zeigend, denkbar.
6.2.3
Position 2: „innere“ Beuge
Beim Aufbau dieser Variante stellte sich die Frage, inwieweit die zuvor aufgetretene Problematik
der einstreuenden Resonanzlöcher auch in dieser Position eintritt. Beide Mikrofone befinden sich
in direkter Nähe zum größten Resonanzloch, es war also im Vorfeld anzunehmen, dass auch hier
einzelne Töne hervorgehoben werden.
Beim Vergleich der beiden verwendeten Kapseln zeigt sich, dass die Nieren – wenn überhaupt
– nur in sehr geringem Maße Resonanzen bei einzelnen Tönen aufzeigen. Die Kugeln zeigen die
gleichen bevorzugten Töne wie in der Position der Beuge von außen, auch hier sticht vor Allem das
g” stark hervor.
Ein Ändern der Deckelstellung beeinflusst diese Resonanzen nicht.
47
Abbildung 12: Vergleich Frequenz über Zeit, Deckelpositionen. Oben: Deckel volle Stütze. Unten:
Deckel geschlossen
48
Abbildung 13: Mikrofonposition parallel zur Dämpferreihe
Abbildung 14: Mikrofonaufbau innere Beuge
49
Bei geschlossener vorderer Klappe steigert sich die Dichte des Klangs noch einmal weiter. Zusätzlich werden nun auch Dämpfergeräusche und das Arbeiten der Pedal- und Tastenmechaniken
stark hörbar.
6.2.4
Position 3: hinteres Ende des Flügels
Abbildung 15: Mikrofonaufbau hinteres Ende
Bei dieser Position wurden die Schwanenhälse auf den hintersten Teil des inneren Metallrahmens des Flügels gesetzt. Ausgehend vom Gedanken, nach dem im Bereich der klassischen Musik
ein Flügel auch von dessen hinterem Ende stützmikrofoniert werden kann, sollte diese Position aufzeigen, ob eine ähnliche Mikrofonierung auch bei geschlossenem Deckel funktionieren kann.
Der bei geschlossenem Deckel entstehende Klang ist in dieser Position sehr stark verwaschen.
Speziell die Kugeln zeichnen einen klanglichen Eindruck, als wäre das Signal von außerhalb des
Hallradius’ aufgenommen.
Ein Öffnen des Deckels verbessert den Klang deutlich (siehe Abb. 12); in Stellung mit voller
Stütze ergibt sich eine etwas spezielle Klanglichkeit, die Indirektheit auf der einen Seite mit Dichte
andererseits verbindet. Für spezielle Anwendungen – beispielsweise im Bereich der Filmmusik –
könnte eine solche Mikrofonierung interessant sein.
Das Schließen der vorderen Klappe bewirkt einen kaum mehr wahrnehmbaren Unterschied, die
höchstmögliche Abschattung durch den Deckel ist praktisch vollständig gegeben.
6.2.5
Grenzflächenmikrofone
Grenzflächenmikrofone sind eine im Livebereich oftmals eingesetzte Alternative zu „normalen“ Mikrofonen. Sie werden zur Anwendung unter den Deckel geklebt, der dann geschlossen wird. Damit
50
Abbildung 16: Grenzflächenmikrofone unter den Deckel befestigt
haben sie im beengten Raum eines geschlossenen Flügels den Vorteil, unabhängig von Raummoden
zu sein. Alle Frequenzen, die an der Wand reflektiert werden, haben dort ein Druckmaximum; somit
wird ein in dieser Hinsicht neutraler Frequenzgang erreicht.
Ein weiterer Vorteil der Befestigung bündig mit einer schallharten Fläche ist der Wegfall von
Reflexionen dieser Fläche. Im Falle des Flügels wird damit die größte und entscheidende Reflexionsquelle – nämlich der des sich parallel zu den Saiten befindlichen Deckels – eliminiert, das Signal
klart deutlich auf.
Ein Nachteil, der sich bei der Verwendung von Grenzflächenmikrofonen ergibt, ist der Aufwand
der Befestigung, die daraus resultierende niedrige Flexibilität in der Platzierung, und nicht zuletzt
die Tatsache, dass man die Mikrofone erst bei geöffnetem Deckel anbringen muss, und daher keinen
direkten Eindruck der genauen endgültigen Position der Kapseln bekommt. Hat man die Mikrofone
einmal angeklebt, überlegt man sich zweimal, sie wieder abzunehmen und neu zu befestigen. Daher
ist es ratsam, sich bei der Platzierung ein wenig Zeit zu nehmen und möglichst genau zu kalkulieren,
wo sich die Kapseln bei geschlossenem Deckel tatsächlich befinden werden.
Der klangliche Eindruck der Grenzflächenmikrofone bestätigt die theoretischen Überlegungen.
Es gibt keine überhöhten oder unterrepräsentierten Frequenzbänder, die auf Raummoden oder
Reflexionen zurück zu führen wären. Dadurch wirkt er Klangeindruck klar, die Musik „aufgeräumt“.
Erwartungsgemäß lässt der geöffnete Deckel das Signal zunehmend linkslastig klingen, ebenso
klingen die hohen Register zunehmend indirekter. Auch hier ist bei voller Stütze das Signal um
etwa 7 dB leiser als bei geschlossenem Deckel.
51
Teil IV
Produktion
Um die klanglichen Eindrücke des vorangegangenen Versuchs in einem praktischen Anwendungsfall zu überprüfen, wurde für die drei in Teil II erwähnten Hauptgenres der Popularmusik jeweils
eine Beispielproduktion durchgeführt. Jede Produktion beinhaltet drei unterschiedliche Mikrofonierungen des Flügels: Eine Position entlang der Dämpferreihe, eine im Innenraum, eine in der
Beuge. Die Mikrofonaufstellungen wurden aufgrund der in Abschnitt 3 herausgestellten Hörerwartungen gewählt, sodass jedem Track ein leicht unterschiedlicher Aufbau zukam. EQing wurde in
den Mischungen nur sehr rudimentär und mit jeweils einer positionsübergreifenden Einstellung pro
Produktion eingesetzt, um die spezifischen Eigenheiten der jeweiligen Mikrofonposition so gut als
möglich zu erhalten. Es wurden nur große Bandbreiten verwendet und versucht, einen bestmöglichen Kompromiss für alle Mikrofonpositionen zu bilden.
In den Auswertungen ließ sich feststellen, dass die im Versuch herausgestellten klanglichen Ergebnisse nur bedingt innerhalb einer Mischung anzuwenden sind. Die durch andere Instrumente
verdeckten oder zusätzlich betonten Frequenzen innerhalb einer Mischung lassen die verschiedenen
Mikrofonpositionen im Kontext eines Mixes teilweise als anders klingend erscheinen; insbesondere
die durch Schlagzeug verdeckten hohen Frequenzen scheinen einen deutlichen Einfluss auf den Höreindruck zu haben. Aus diesem Grund sind im folgenden erwähnte Frequenzbereiche als subjektive
Feststellungen einzustufen, die sich im Zusammenhang einer Mischung ergeben und lediglich durch
„Suchen“ mittles EQ herausgestellt wurden.
7
Jazz
7.1
Aufbau
Die in Abschnitt 3.1 erwähnte Vorstellung der Klanglichkeit wurde durch die Verwendung von drei
Mikrofonen in überbreiter Aufstellung realisiert. In allen drei Positionen betrug die Basisbreite
des Aufbaus 75 cm mit zusätzlichem Mittenmikrofon in einer Linie. In der Position parallel zu
den Dämpfern sowie im Innenraum des Flügels wurde der Deckel abgenommen, da dies – wie im
Versuch gezeigt wurde – einen klareren und aufgeräumteren Klang erzeugt. Um einen ausgewogenen
Frequenzgang und den erstrebten „warmen“ Klang zu erzielen wurden die Kugeln verwendet; alle
drei Kapseln zeigten (mit Ausnahme der Positionierung in der Beuge) senkrecht auf die Saiten.
Abbildung 17 zeigt die Mikrofonaufstellungen der drei Positionen.
Die genauen Daten der Aufstellungen sind:
• parallel zur Dämpferreihe:
– Verwendete Kapseln: Kugeln9
– Breite: 75 cm + Mitte
– Höhe: 27 cm
9 die
im linken Foto zu sehenden Nierenkapseln wurden nicht zur Aufnahme verwendet.
52
Abbildung 17: Mikrofonierungen Jazzproduktion
– Distanz zu den Dämpfern: 20 cm
– Mittlere Position: über Saitenchor c’
– Winkelung der Kapseln: 0°, also senkrecht auf die Saiten zeigend
• im Innenraum:
– Verwendete Kapseln: Kugeln
– Breite: 75 cm + Mitte
– Höhe: 27 cm
– Positionierung:
∗ links: 61 cm ab Dämpferreihe über Saitenchor „h
∗ Mitte: 40 cm ab Dämpferreihe über Saitenchor c’
∗ rechts: 18 cm ab Dämpfermitte über Saitenchor e”
– Winkelung der Kapseln: 0°, also senkrecht auf die Saiten zeigend
• in der Beuge:
– Verwendete Kapseln: Kugeln
– Breite: 75 cm + Mitte
– Höhe: 18 cm über der Rast
– Positionierung:
∗ links: 32 cm ab Knauf Richtung hinteres Ende des Flügels; bündig zur Rast
∗ Mitte: 5 cm ab Knauf Richtung Klaviatur; 10 cm senkrecht zur Rast nach außen
∗ rechts: 43 cm ab Knauf Richtung Klaviatur; 3 cm senkrecht zur Rast nach außen
Im Mixing wurden Mitten bei 313 Hz um 1,4 dB abgesenkt sowie Höhen bei 3,7 kHz um 2.0 dB
angehoben. Außerdem wurden die Tiefen mittels Low Shelf ab 196 Hz um 1 dB abgesenkt (Siehe
Abbildung 18).
Das Mittensignal wurde im Verhältnis zu den äußeren Signalen mit -1,5 dB gepegelt.
53
Abbildung 18: EQing des Klaviers, Jazzproduktion
7.2
Auswertung
Die Auswertung zeigt, dass die extrem breite Aufstellung mit Mittenmikrofon sehr dienlich für die
Zielsetzung ist. Das Klavier bildet sich breit ab, die Register sind gleichwertig vertreten. Daraus
ergibt sich der erwünschte flächige „sphärische“ Klang.
Klanglich unterscheiden sich die drei Positionen innerhalb der Mischung deutlich schwächer als
im Vergleich ohne Mischungskontext. Dennoch sind einzelne Unterschiede erkennbar; so unterscheidet sich vor Allem die Position der Beuge von den anderen beiden.
Der auffallendste Unterschied ist der, dass diese Mikrofonierung unabhängig des gespielten Materials klanglich immer sehr gleichbleibend ist, während sich die Klangfarbe bei den anderen beiden
Mikrofonierungen dem jeweilig gespielten Register anpasst. Aufgrund des erwähnten Einflusses der
Resonanzlöcher ist der Frequenzbereich der oberen Mitten deutlich stärker ausgeprägt, was zu einem leicht „näselnden“ Klang führt. Auch bewirkt der in dieser Position auf volle Stütze gestellte
Deckel einen kompakteren und dichteren Klang. Hierdurch wird das Klavier bei gleicher Lautheit
einerseits besser wahrnehmbar, andererseits könnte dieser Klang jedoch zu einer niedrigeren Transparenz der Mischung führen. Dieser Klangeindruck besteht sowohl im Anfangsabschnitt beim im
tiefen Register gespielten Thema, als auch im in höheren Lagen gespielten Zwischenabschnitt und
im Solo.
In Abgrenzung dazu unterscheiden sich die beiden anderen Positionen – parallel zur Dämpferreihe und im Innenraum – in erster Linie durch die Darstellung der oberen Mitten im Bereich
von etwa 2 kHz. Bei der Mikrofonierung entlang der Dämpfer ist dieser Bereich schwächer ausgeprägt, was im Kontext der Mischung zu einem wärmeren und weicheren Klang führt als in der
Positionierung im Innenraum. Diese wirkt innerhalb der Mischung hell und direkt. Vor Allem hohe
Register wirken dicht und „perlig“, lassen jedoch „Körper“ vermissen. Die tieferen Register wirken
54
zwar aufgeräumter als in der Aufstellung entlang der Dämpferreihe, jedoch auch indirekter.
Die Ortung der drei Positionierungen entspricht auch im Kontext der Mischung den im Versuch herausgestellten Eigenschaften. Die Mikrofonierung entlang der Dämpfer bildet Tonhöhen am
exaktesten ab, die im Innenraum etwas schlechter, die in der Beuge am undifferenziertesten. Gleichzeitig ist es jedoch diese Position, die damit den deutlichsten Eindruck einer Klangfläche erzeugt,
während der Aufbau parallel zu den Dämpfern mehr den Eindruck einzeln gespielter und auf die
Lautsprecherbasis projizierter Töne erzeugt.
8
Pop
8.1
Aufbau
Die in Abschnitt 3.2 erwähnte Vorstellung der Klanglichkeit wurde durch die Verwendung von drei
Mikrofonen in breiter Aufstellung mit Mittenmikrofon in einer Linie realisiert. Auch hier wurde,
um einen schlanken Klang zu gewährleisten, der Deckel in den Mikrofonpositionen entlang der
Dämpferreihe und im Innenraum abgenommen. Um den Zusammenklang mit der Gitarre im Frequenzgang zu erleichtern wurden die Nierenkapseln verwendet, wodurch sich eine Fokussierung des
Klangs auf die Mitten ergibt. Somit bleibt im Frequenzgang Platz für die Gitarre, bei der Höhen
angehoben wurden, um Anschlag und Direktheit deutlicher hörbar zu machen.
Abbildung 19 zeigt die Mikrofonaufstellungen der drei Positionen.
Abbildung 19: Mikrofonierungen Pop
Die genauen Daten der Aufstellungen sind:
• parallel zur Dämpferreihe:
– Verwendete Kapseln: Nieren
– Breite: 50 cm + Mitte
– Höhe: 27 cm
– Distanz zu den Dämpfern: 20 cm
– Mittlere Position: über Saitenchor c’
– Winkelung der Kapseln: 0°, also senkrecht auf die Saiten zeigend
• im Innenraum:
– Verwendete Kapseln: Nieren
55
– Breite: 50 cm + Mitte
– Höhe: 27 cm
– Positionierung:
∗ links: 53 cm ab Dämpferreihe über Saitenchor ,d
∗ Mitte: 36 cm ab Dämpferreihe über Saitenchor c’
∗ rechts: 20 cm ab Dämpfermitte über Saitenchor cis”
– Winkelung der Kapseln: 0°, also senkrecht auf die Saiten zeigend
• in der Beuge:
– Verwendete Kapseln: Nieren
– Breite: 50 cm + Mitte
– Höhe: 18 cm über der Rast
– Positionierung:
∗ links: 20 cm ab Knauf Richtung hinteres Ende des Flügels; 4 cm senkrecht zur Rast
nach außen
∗ Mitte: 5 cm ab Knauf Richtung Klaviatur; 10 cm senkrecht zur Rast nach außen
∗ rechts: 30 cm ab Knauf Richtung Klaviatur; 8 cm senkrecht zur Rast nach außen
In der Mischung wurde das Mittensignal mit -6 dB in Relation zu den Seitensignalen gepegelt, um
lediglich eine leichte Stabilisierung in der Mitte des Panoramas zu erreichen. Da sich hierbei im
Bereich um um 295 Hz eine leichte „Mulmigkeit“ in der Mischung auftat, wurde diese Frequenz
(nur im Mittenmikrofon) breitbandig um 2,2 dB abgesenkt. Das Summensignal wurde bei 117 Hz
mit einem Highpass versehen, sowie bei 429 Hz um 4,3 dB abgesenkt und bei 4,6 kHz um 3,0 dB
angehoben (siehe Abbildung 20).
Abbildung 20: EQing des Klaviers, Popproduktion. links: Mittensignal, rechts: Summensignal
56
8.2
Auswertung
Die Auswertung dieses Positionsvergleichs zeigt die Grenzen des gemeinschaftlichen Equalizings auf,
an dem jedoch zum Zwecke der Vergleichbarkeit festgehalten wurde. Jede Mikrofonposition bräuchte
in dieser Produktion eine eigene EQ-Einstellung, die gewählte ist für keine der Aufstellungen ohne
Nachteile.
Anders als in der Jazzproduktion sind die Unterschiede der verschiedenen Positionen deutlich
erkennbar. Auch hier sind die Positionen entlang der Dämpfer und im Innenraum als ähnlich zu
bewerten, während die Position in der Beuge deutlich anders klingt.
Die Position entlang der Dämpferreihe zeichnet sich wieder durch den „aufgeräumtesten“ Klang
aus. Die Absenkung der unteren Mitten müsste jedoch für ein optimaleres Ergebnis tiefer angesetzt
werden – etwa bei 220 Hz. Auch die Position im Innenraum würde von einer solchen tiefer gewählten
Frequenz profitieren. Insgesamt zeigt sich diese Position als eine Nuance kompakter und mutet im
Frequenzgang mittiger, mit weniger ausgeprägten Bässen und Höhen, an. Zu diesem Eindruck tragen
auch die stärker vertretenen oberen Mitten um etwa 2 kHz bei.
Der Eindruck des Panoramas ist für beide Positionen fast gleich. Aufgrund der weniger großen
Basisbreite ist die Übertragung auf die Lautsprecherbasis nicht so extrem ausgeprägt wie beim
Jazzbeispiel, aber dennoch deutlich. Hohe Register sind rechts zu hören, mittlere aus der Mitte,
und tiefe (falls gespielt) links.
Für die Position in der Beuge zeigt sich die gewählte abgesenkte Frequenz von 429 Hz als zu tief
angesetzt. Aufgrund des schmäleren Aufbaus als in der Jazzproduktion zeigen die Resonanzlöcher
einen deutlichen Einfluss und färben den Klang stark im Bereich der „o“- und „a“-Formanten. Eine
Absenkung bei etwa 650 Hz liefert ein deutlich schlankeres und weniger penetrantes Ergebnis. In
der Auswertung musste festgestellt werden, dass der beschriebene Einfluss der Resonanzlöcher auch
in dieser Produktion an einigen Stellen hörbar ist; so springen einige Töne im Panorama. Dies fiel
während des Soundchecks nicht auf.
Im Bereich der tieferen Mitten ist eine Absenkung, wie bei den anderen beiden Positionen
vorgeschlagen, nicht nötig. Im Gegenteil ließe diese Absenkung den Klavierklang zu fundamentlos
klingen.
9
Rock
Um die in Abschnitt 3.3 herausgestellte Hörerwartung zu realisieren, wurde ein Mikrofonaufbau mit
schmaler Basisbreite gewählt. Zur Realisierung des im Rockbereich gängigen hellen Klangs wurden
die Nierenkapseln verwendet. Auch hier wurde in den Positionen parallel zu den Dämpfern und im
Innenraum der Deckel abgenommen.
Abbildung 21 zeigt die Mikrofonpositionen entlang der Dämpfer und im Innenraum. Die Position
in der Beuge entspricht grundsätzlich der auf den Fotos der anderen Produktionen zu sehenden,
lediglich deutlich höher und in schmalerer Basisbreite.
Die genauen Daten der Aufstellungen sind:
• parallel zur Dämpferreihe:
57
Abbildung 21: Mikrofonierungen Rock
– Verwendete Kapseln: Nieren
– Breite: 25 cm
– Höhe: 27 cm
– Distanz zu den Dämpfern: 20 cm
– Mittlere Position: über Saitenchor e’
– Winkelung der Kapseln: 0°, also senkrecht auf die Saiten zeigend
• im Innenraum:
– Verwendete Kapseln: Nieren
– Breite: 25 cm
– Höhe: 27 cm
– Positionierung:
∗ links: 50 cm ab Dämpferreihe über Saitenchor „g
∗ rechts: 32 cm ab Dämpfermitte über Saitenchor e’
– Winkelung der Kapseln: 0°, also senkrecht auf die Saiten zeigend
• in der Beuge:
– Verwendete Kapseln: Niere
– Breite: 25 cm
– Höhe: 48 cm über der Rast
– Positionierung:
∗ links: 8 cm ab Knauf Richtung hinteres Ende des Flügels; 7 cm senkrecht zur Rast
nach außen
∗ rechts: 17 cm ab Knauf Richtung Klaviatur; 8 cm senkrecht zur Rast nach außen
– Winkelung der Kapseln: 45° aus der Horizontalebene
Die im Vergleich zu den anderen Produktionen veränderte Höhe der Aufstellung in der Beuge begründet sich durch störende Einflüsse der Resonanzlöcher (siehe Abschnitt 5.3.4).
58
Aufgrund des Arrangements mit Orchester wurden in der Mischung die Höhen im Klavier deutlich weniger stark angehoben, als denkbar wäre, um im Frequenzgang Platz für die Streicher zu
lassen. Obere Mitten wurden bei 4,5 kHz um 8,4 dB angehoben, Höhen via High Shelve ab 2,5
kHz um 5,9 dB. Eine Anhebung des High Shelves um 10 dB oder mehr wäre rein aus klanglicher
Sicht innerhalb der Mischung durchaus vertretbar. Das Absenken der unteren Mitten (-1,3 dB bei
496 Hz) und der mit 155 Hz hoch gewählte High Pass fallen innerhalb des dichten Arrangements
nicht sonderlich ins Gewicht. Auch hier besteht die Hauptaufgabe des EQing darin, Frequenzen
aufzuteilen und für andere Instrumente freizugeben. Abbildung 22 zeigt das EQing des Klaviers.
Abbildung 22: EQing des Klaviers, Rockproduktion
9.1
Auswertung
Durch die ohnehin starke Bearbeitung des Klangs, vor Allem in den oberen Mitten und Höhen,
stellt sich die Frage, inwieweit ein ausführlicher Vergleich der verschiedenen Mikrofonpositionen –
und damit in Übertragung auf die Praxis ein ausgiebiger Soundcheck – überhaupt zeitlich sinnvoll
ist.
Im Grunde genommen liefern die drei Positionen die bereits in den vorangegangenen beiden
Abschnitten erwähnten Eigenschaften. Während die Position entlang der Dämpfer einen weicheren
und wärmeren Klangeindruck erzeugt als die im Innenraum, bietet die Position in der Beuge einen
aufgrund des Deckels dichteren und im Frequenzgang mittigeren Klang. Die schmal gewählte Basisbreite hilft, das Klavier im Mix zwischen den Gitarren zu platzieren.
Die hoch gewählte Mikrofonposition in der Beuge vermittelt sehr gut den Eindruck der etwas
größeren Distanz, während die anderen beiden Positionen durch ihre Nähe zur Schallquelle Anschlag
und den generellen Ton als nah und direkt vermitteln. Der dadurch nicht so stark ausgeprägte
Anschlag rückt das Klavier weiter nach hinten, ohne dass auf Klarheit und Helligkeit durch Anheben
59
der Höhen verzichtet werden muss. Innerhalb der Mischung führt dies dazu, dass sich diese Position
trotz der stark ausgeprägten Mitten sauber hinter der Band-Ebene einordnet.
Die beiden anderen Positionen liefern aufgrund der näheren Mikrofonierung einen direkteren
und „perligeren“ Klang. Die dadurch entstehende höhere Direktheit kann durch weniger starkes
Anheben der Höhen etwas eingefangen werden, bietet gleichzeitig jedoch in Situationen, in denen
ein sehr direktes und hell klingendes Klavier gewünscht ist, mehr Spielraum. Wie bereits in Abschnitt 5.3.1 erwähnt sind die Unterschiede in der Hörbarkeit der Dämpfer nur unwesentlich (im
solistischen Anfang und dem ersten Teil der ersten Strophe ist dies auch hörbar); das Anheben der
Höhen verstärkt die Hörbarkeit des Pedaltritts unabhängig von der Mikrofonposition. Entsprechend
kann dieser Faktor beim Soundcheck vernachlässigt werden.
Im Kontext der Mischung mit dem sehr dichten Orchesterarrangement scheint die Mikrofonierung in der Beuge den realistischsten Eindruck eines im Raum stehenden Klaviers zu erzeugen.
Nuancen und Details sind zwar weniger deutlich hörbar, jedoch bettet sich das Klavier aufgrund
des mittigeren Frequenzgangs deutlich besser in die Mischung ein. Die beiden anderen Positionen
klingen immer nah und direkt und stören dabei den Eindruck der Tiefe; hier müsste wesentlich
differenzierter mit dem EQ gearbeitet werden.
In den leiseren Stellen am Anfang (Intro und erste Hälfte Strophe 1) zeigt sich der weniger
aufdringliche Frequenzgang der Positionen im Innenraum und parallel zu den Dämpfern als deutlich angenehmer zu hören. Hierbei entsprechen die klanglichen Eindrücke, da das Klavier exponiert
zu hören ist und keine Frequenzen durch andere Instrumente verdeckt werden, den im Versuch
herausgestellten Ergebnissen: In der Position entlang der Dämpferreihe ist der Anschlag ein wenig deutlicher hörbar, die Mikrofonierung im Innenraum liefert einen etwas kompakteren Klang.
Gleichzeitig wird auch hier wieder der Eindruck von mehr Flächigkeit vermittelt, während in der
anderen Positionierung mehr der Eindruck von Einzeltönen entsteht. Interessanterweise wirken für
den Autor beide Mikrofonierungen an verschiedenen Stellen jeweils gefällig und unpassend. Sobald
Gitarre und Bass einsetzen wirkt die Flächigkeit der Aufstellung im Innenraum „falsch“ und der
Eindruck der einzelnen Töne der Position entlang der Dämpferreihe passender, während bis zu
diesem Zeitpunkt der flächige Klang passender erscheint. Im Mischungskontext bis zum Ende des
ersten Refrains vermittelt die Aufstellung parallel zu den Dämpfern deutlicher das Gefühl, ein echtes Instrument zu hören; die Position im Innenraum vermittelt dem Autor mehr den Eindruck eines
bloßen Klavierklangs.
Teil V
Resumé
10
Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse
Die für alle Anwendungen perfekte Position um einen Flügel zu mikrofonieren gibt es nicht. Je
nach Klangvorstellung und Hörerwartung gibt es jedoch einige Anhaltspunkte, anhand derer eine
Einschränkung der Möglichkeiten, Mikrofone am oder im Flügel zu positionieren, sinnvoll eingeschränkt werden können. Natürlich können diese Anhaltspunkte nur Hilfestellungen und Ansätze
60
sein, um einen Soundcheck gibt es kein Herumkommen.
10.1
Versuch 1
Der Versuch zum Vergleich verschiedener Mikrofonpositionen sowie die drei Beispielproduktionen
zeigen, dass die Mikrofonposition parallel zur Dämpferreihe den aufgeräumtesten Klang erzeugt.
Durch die am schwächsten ausgeprägten Mitten im Bereich von etwa 600 bis 1000 Hz klingt diese
Mikrofonierung innerhalb einer Mischung warm und unaufdringlich. Zusätzlich zum aufgeräumten
Eindruck trägt die sehr detaillierte, fast punktgenaue Übertragung der einzelnen Töne auf die
Stereobreite bei. Diese Eigenschaft kann in offenen und transparenten Arrangements jedoch auch
nachteilig sein, wenn das Klavier – beispielsweise bei einem ruhigen, „flächigen“ Arrangement im
Jazzbereich – eine gewisse Dichte und Fülle aufweisen muss, um aktiv zur Mischung beizutragen.
Hier ist die fehlende Dichte und Körperlichkeit dieser Mikrofonierung vielleicht nicht dienlich.
Die Mikrofonposition im Innenraums des Flügels bietet eine höhere Dichte des Klangs bei gleichzeitiger Möglichkeit, sehr nah an die Saiten gehen zu können, ohne die Dämpfergeräusche weiter
anzuheben. Hierdurch lässt sich ein dichtes und „perliges“ Klavier realisieren. In Situationen, in
denen eine hohe Fülle und ein breiter und voller Frequenzgang gewünscht sind, ist diese Position
der beste Ansatz. Je nach Mikrofonwahl kann jedoch bei nicht abgenommenem Deckel die Problematik einer zu starken Bassanhebung entstehen. Die stärker vertretenen Mitten lassen den Flügel
etwas deutlicher in einer Mischung hörbar werden, gleichzeitig kann hier auch die Problematik einer
zu deutlichen Färbung eintreten, die die Mischung intransparent werden lassen könnte. Eine gute
Aufreihung der Töne entlang der Lautsprecherbasis ist auch in dieser Position gegeben.
Die Mikrofonposition in der Beuge zeigte sich während der Aufnahmesessions und ihrer Auswertung als die problematischste. Durch den Einfluss der Resonanzlöcher scheint eine wirklich nahe Mikrofonierung in dieser Aufstellung nicht möglich zu sein, gleichzeitig ist bei größerer Entfernung zum
Flügel der Einfluss des Raums größer. Auch die durch den Deckel entstehenden Kammfiltereffekte
sind dem Klang nicht dienlich und können nur durch größere Entfernung verringert beziehungsweise
vermieden werden. Der Vorteil dieser Position liegt jedoch ganz klar in der natürlichen Abbildung
eines Flügels und ist somit für Anwendungen zu empfehlen, in denen Natürlichkeit oberste Priorität
hat und natürliche Räumlichkeit nicht vermieden werden muss.
In Hinsicht auf die Beispielproduktion lässt sich schließen, dass es von Vorteil ist, den Deckel
des Flügels in einer Studiosituation abzunehmen. Da ohnehin in jeder der drei Produktionen untere
Mitten und Bässe abgesenkt und obere Mitten angehoben wurden, wäre es kontraproduktiv, den
Deckel aufgestellt zu lassen, da er so vor Allem den tieffrequenteren Bereich deutlich anhebt. Durch
das Abnehmen des Deckels lässt sich eine höhere Klarheit erreichen; der Autor empfindet diese
Klarheit als positiv und sinnvoll, um einen Flügel besser in eine Mischung integrieren zu können.
Eine überbreite Mikrofonierung mit drittem Mikrofon in der Mitte erwies sich als sinnvoll und
für entsprechende Anwendungen, in denen ein Klavier breit dargestellt werden soll, sehr empfehlenswert. Je nach Situation mag es hierbei vorteilhaft sein, das Mittenmikrofon separat zu entzerren,
wie in der Popproduktion aufgezeigt. Dadurch ist ein „subtileres“ Ergänzen der abgebildeten Mitte möglich, auf abstrakter Ebene zu vergleichen mit einem verzögerten Stützmikrofon, das nun
transparenter zum Signal des Hauptmikrofons hinzugefügt werden kann.
61
10.2
Versuch 2
Dieser Versuch zeigt deutlich die Grenzen der klanglichen Qualität eines geschlossenen Flügeldeckels
auf. Während hier die Positionierung parallel zu den Dämpfern noch ein halbwegs ordentliches
klangliches Ergebnis liefern kann, fallen die anderen beiden Positionen deutlich ab. Vor Allem
die dritte untersuchte Platzierung am hinteren Ende des Flügels ist unter keinen Umständen zu
empfehlen.
Die Abnahme des geschlossenen Innenraums mit Grenzflächenmikrofonen scheint die beste Alternative in dieser Situation zu sein. Durch die Abwesenheit von Raummoden und ersten Deckelreflexionen entsteht eine deutlich klarere Klanglichkeit, die sich als weniger dicht und „gedeckelt“
darstellt.
10.3
Produktionen
Für den Autor interessant festzustellen war, dass produktionsübergreifend in der Tendenz ähnliche
EQ-Einstellungen verwendet wurden. In jeder Produktion wurden untere Mitten abgesenkt und
obere angehoben; dies scheint der modernen Hörerwartung eines „aufgeräumten“ Klangs Tribut
zu zollen. In die abgesenkten Frequenzen stoßen andere Instrumente – vornehmlich Bass, in der
Rockproduktion auch E-Gitarre – hinzu, die angehobenen Frequenzen dienen der Deutlichkeitssteigerung.
Als Resultat lässt sich feststellen, dass im musikalischen Kontext der Popularmusik die Position
in der Beuge nur bedingt zu einem optimalen Ergebnis führen kann. Möchte man einen Flügel
nah und direkt mikrofonieren, so sind die anderen beiden vorgestellten Positionen die deutlich
sinnvolleren; für welche der beiden sich der Tonmeister letztendlich entscheidet, bleibt der Situation
und dem Geschmack geschuldet.
62
Teil VI
Anhang
Liste der erwähnten Produktionsbeispiele:
Triosence – Away For A While, 2005
Carl Winther Trio – Contact, 2012
Elton John – „This Train Don’t Stop There Anymore“ – Songs From The West Coast, 2001
Alicia Keys – „Fallin’“ – Songs In A Minor, 2001
Freundeskreis – „Esperanto“ – Esperanto, 1997
Massive Attack – „Danny The Dog“ – Danny The Dog OST, 2004
Eric Prydz – „Pjanoo“, 2008
Norah Jones – „Come Away With Me“ – Come Away With Me, 2002
Keane – „Somewhere Only We Know“ – Hopes And Fears, 2004
The Beatles – „Hey Jude“ – Hey Jude, 1970
Meat Loaf – „Bat Out Of Hell“ – Bat Out Of Hell, 1977
Meat Loaf – „I’d Do Anything For Love (But I Won’t Do That)“ – Bat Out Of Hell II: Back Into Hell, 1993
Evanescence – „Your Star“ – The Open Door, 2006
Muse – „Space Dementia“ – Origin Of Symmetry, 2001
In Legend – „Pandemonium“ – Pandemonium, 2011
Dokumentation der Versuche
Die Takenummer entspricht der Nummer der Playlist in der Pro Tools-Session.
A
Deckel
volle Stütze
abgenommen
abgenommen
volle Stütze
volle Stütze
volle Stütze
volle Stütze
volle Stütze
volle Stütze
abgenommen
volle Stütze
abgenommen
abgenommen
volle Stütze
halbe Stütze
geschlossen
volle Stütze
abgenommen
volle Stütze
abgenommen
c’
0°
0°
0°
0°
0°
0°
=
=
=
=
=
=
0° =
0°
0°
0°
0°
0°
0°
0°
0°
=
=
=
=
=
=
=
=
Kapselwinkel
senkrecht auf die Saiten zeigend
senkrecht auf die Saiten zeigend
senkrecht auf die Saiten zeigend
senkrecht auf die Saiten zeigend
senkrecht auf die Saiten zeigend
senkrecht auf die Saiten zeigend
40° nach seitlich außen
senkrecht auf die Saiten zeigend
40° nach links = tief
40° nach links = tief
40° nach rechts = hoch
40° nach rechts = hoch
senkrecht auf die Saiten zeigend
senkrecht auf die Saiten zeigend
senkrecht auf die Saiten zeigend
senkrecht auf die Saiten zeigend
senkrecht auf die Saiten zeigend
senkrecht auf die Saiten zeigend
senkrecht auf die Saiten zeigend
senkrecht auf die Saiten zeigend
Zusatz
+ Resonanzloch + unten
+ Mitte + Resonanzloch
nur Nierenkapseln
+ Mitte + Resonanzloch
nach links verschoben. Mitte: ,es
nach links verschoben. Mitte: ,es
nach rechts verschoben. Mitte: c”
nach rechts verschoben. Mitte: c”
Tabelle 1: Position: Dämpfer
B
Take Breite Höhe
Position*
1
32 cm 30 cm 15 cm ab Dämpferrand
2
32 cm 30 cm 15 cm ab Dämpferrand
3
15 cm 30 cm 15 cm ab Dämpferrand
4
15 cm 30 cm 15 cm ab Dämpferrand
5
32 cm 30 cm 15 cm ab Dämpferrand
6
64 cm 30 cm 15 cm ab Dämpferrand
7
32 cm 30 cm 15 cm ab Dämpferrand
8
64 cm 15 cm 15 cm ab Dämpferrand
9
32 cm 30 cm 15 cm ab Dämpferrand
10
32 cm 30 cm 15 cm ab Dämpferrand
11
32 cm 30 cm 15 cm ab Dämpferrand
12
32 cm 30 cm 15 cm ab Dämpferrand
13
32 cm 30 cm 0 cm ab Dämpferrand
14
32 cm 30 cm 0 cm ab Dämpferrand
15
32 cm 30 cm 0 cm ab Dämpferrand
16
32 cm 30 cm 0 cm ab Dämpferrand
17
32 cm 30 cm 15 cm ab Dämpferrand
18
32 cm 30 cm 15 cm ab Dämpferrand
19
32 cm 30 cm 15 cm ab Dämpferrand
20
32 cm 30 cm 15 cm ab Dämpferrand
*falls nicht anders angegeben: Mitte des Aufbaus:
Breite
Höhe
Position
Deckel
Kapselwinkel
Zusatz
1
35 cm
31 cm
volle Stütze
0°
+ Resonanzloch
2
35 cm
31 cm
abgenommen
0°
+ Resonanzloch
+ unten
3
ABC
„Dreieck“
31 cm
volle Stütze
0°
4
ABC
„Linie“
31 cm
volle Stütze
0°
+ unten
5
ABC
„Linie“
16 cm
volle Stütze
0°
+ unten
6
35 cm
16 cm
volle Stütze
0°
7
35 cm
16 cm
volle Stütze
30° außen
8
35 cm
31 cm
volle Stütze
30° außen
9
35 cm
31 cm
volle Stütze
0°
10
35 cm
16 cm
volle Stütze
0°
11
35 cm
16 cm
volle Stütze
0°
12
35 cm
31 cm
l.: 48 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor ,fis
r.: 24 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor gis’
l.: 48 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor ,fis
r.: 24 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor gis’
l.: 77cm ab hintere Rast; 38 cm ab linke Rast (Deckelanschlag)
m.: 26 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor „a
r.: 14 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor f”
l.: 77cm ab hintere Rast; 38 cm ab linke Rast (Deckelanschlag)
m.: 45 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor ,a
r.: 14 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor f”
l.: 77cm ab hintere Rast; 38 cm ab linke Rast (Deckelanschlag)
m.: 45 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor ,a
r.: 14 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor f”
l.: 48 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor ,fis
r.: 24 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor gis’
l.: 48 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor ,fis
r.: 24 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor gis’
l.: 48 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor ,fis
r.: 24 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor gis’
l.: 29 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor dis’
r.: 9 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor a”
l.: 29 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor dis’
r.: 9 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor a”
l.: 90 cm ab hintere Rast, 40 cm ab linke Rast (Deckelanschlag)
r.: 48 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor ,a
l.: 90 cm ab hintere Rast, 40 cm ab linke Rast (Deckelanschlag)
r.: 48 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor ,a
volle Stütze
0°
+ unten
nach rechts
verschoben
nach rechts
verschoben
nach links
verschoben
nach links
verschoben
Tabelle 2: Position: Innenraum
C
Take
20°
20°
45°
45°
20°
20°
20°
20°
20°
20°
45°
45°
Kapselwinkel
aus Horizontalebene
aus Horizontalebene
aus Horizontalebene
aus Horizontalebene
–
aus Horizontalebene
aus Horizontalebene
aus Horizontalebene
aus Horizontalebene
aus Horizontalebene
aus Horizontalebene
aus Horizontalebene
aus Horizontalebene
Zusatz
+ Resonanzloch + unten
+ Resonanzloch
45° nach außen gewinkelt
nach rechts verschoben. Knauf: linke Kapsel
nach links verschoben. Knauf: rechte Kapsel
+ Mitte
+ Mitte
+ Mitte; links tiefer wegen Deckel
Tabelle 3: Position: Beuge
D
Take Breite
Höhe
Position*
Deckel
1
35 cm 8 cm ab Rast
0 cm ab Rast
volle Stütze
2
35 cm 8 cm ab Rast
0 cm ab Rast
halbe Stütze
3
35 cm 33 cm ab Rast
0 cm ab Rast
volle Stütze
4
35 cm 54 cm ab Rast
0 cm ab Rast
volle Stütze
5
6
35 cm 33 cm ab Rast 15 cm nach innen volle Stütze
7
35 cm 8 cm ab Rast 15 cm nach innen volle Stütze
8
35 cm 8 cm ab Rast
0 cm ab Rast
volle Stütze
9
35 cm 8 cm ab Rast
0 cm ab Rast
volle Stütze
10
35 cm 8 cm ab Rast
0 cm ab Rast
volle Stütze
11
64 cm 8 cm ab Rast
0 cm ab Rast
volle Stütze
12
64 cm 33 cm ab Rast
0 cm ab Rast
volle Stütze
13
64 cm 54 cm ab Rast
0 cm ab Rast
volle Stütze
*falls nicht anders angegeben: Mitte des Aufbaus: Deckelknauf
Position
Abstände
Dämpfer
l.: 30 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor ,d
r.: 32 cm ab Dämpferrand, über Saitenchor gis’
Beuge innen
hinteres Ende
GFM
l.: 4 cm ab Knauf Richtung hinteres Ende;
16 cm nach innen
r.: 21 cm ab Knauf Richtung Klaviatur;
12 cm nach innen
l.: 28 cm ab hinterer Rast; 64 cm ab linker Rast (Deckelanschlag)
r.: 41 cm ab Knauf Richtung hinteres Ende, 7 cm nach innen
l.: 62 cm ab vorderem Deckelrand (Klaviatur);
38 cm ab linkem Deckelrand (Deckelanschlag)
r.: 29 cm ab vorderem Deckelrand (Klaviatur);
84 cm ab linkem Deckelrand (Deckelanschlag)
Deckelstellung
geschlossen
kleinste Stütze
halbe Stütze
volle Stütze
geschlossen, Notenpult aufgestellt
geschlossen, vordere Klappe geschlossen
geschlossen
kleinste Stütze
halbe Stütze
volle Stütze
geschlossen, Notenpult aufgestellt
geschlossen, vordere Klappe geschlossen
geschlossen
kleinste Stütze
halbe Stütze
volle Stütze
geschlossen, Notenpult aufgestellt
geschlossen, vordere Klappe geschlossen
geschlossen
kleinste Stütze
halbe Stütze
volle Stütze
Tabelle 4: Positionen bei geschlossenem Deckel
E
Take
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
1
2
3
4
Literatur
[1] Perfect Piano. In: Sound On Sound (Januar 2008), S. 106–119
[2] Earthworks entwickelt Flügel-Mikrofonsystem. In: Studio Magazin (Dezember 2007), S. 22
[3] Earthworks PM40. In: Sound On Sound (Januar 2009), S. 26–28
[4] http://www.dpamicrophones.com/en/products.aspx?c=Item&category=118&item=24378
[5] http://www.audixusa.com/docs_12/units/SCX25A-PS.shtml
[6] Bley, Christoph: Untersuchung und Evaluation der Studioakustik von Abhör- und
Aufnahmeräumen des ETI. Diplomarbeit, HfM Detmold 2012
[7] http://www.boesendorfer.com/de/technische-daten.html
[8] Sweetwater Forum: Piano Miking Summit.
http://www.sweetwater.com/sweetcare/summits/piano-miking.php
[9] http://www-m10.ma.tum.de/bin/view/MatheVital/Music/MonochordSim
[10] Sengpiel, Eberhard: Nahe Mikrofonierung bei Laufzeit-Stereophonie.
http://www.sengpielaudio.com/NaheMikrofonierungBeiLaufzeit.pdf
[11] Bork, Ingolf: Sound Radiation From A Grand Piano. AES Convention 100, Paper 4158,
[12] Görne, Thomas: Tontechnik. Fachbuchverlag Leipzig, 2006
[13] Schneider, Martin: Kondensatormikrofone im Vergleich. 26. Tonmeistertagung, Paper, 2010
[14] Suzuki, Hideo: Vibrations And Sound Radiation Of A Piano Soundboard. In: JASA 77 80
[15] Urba, Romualdas: Klaviermikrofonierungsverfahren - Klassik und Jazz. Diplomarbeit, HfM
Detmold 2009
[16] Zollner, Manfred: Physik der Elektrogitarre. Vorveröffentlichung Universität Regensburg,
2009
F
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