on the road (again)

Transcription

on the road (again)
P.P./Journal CH - 8038 Zürich
DIE STRASSEN-AUSGABE
ON THE ROAD
(AGAIN)
FABRIKZEITUNG NR.232 AUGUST 2008
VOM SUCHEN, FLIEHEN & NICHT-ANKOMMEN
DIE STRASSEN-AUSGABE
ON THE ROAD
ISSUE
GOLDEN 80s
A tr umpet?
A toy. They sent me to the store to get it.
What in the wor ld do they want
a tr umpet for?
Don‘t know
It happend one Night (usA 1934)
sr
VI
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N
Your hai r,
it‘s wet.
Oh ...
A
M
Paris, Texas (1984)
ss
KR
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EDITORIAL
Ebenfalls wurde im Laufe der
Jahre auch das einfache Muster
«Weisser-hererosexueller-Mann
reist alleine oder mit zweitem weissen-heterosexuellenMann in die Wildnis, um sich
Selbst, die Welt und viele
sexuelle Abenteuer zu finden»
zumindest teilweise aufgebrochen. Filme wie «Thelma &
Louise», «Priscilla - Queen
of the desert» oder «Two Wong
Jean Baudrillard nannte «Raum,
Geschwindigkeit, Kino und
Technologie» als die vier
wichtigsten Ingredienzien amerikanischer Kultur und
verwies damit automatisch auf
die Bedeutung der Reflexion des
Roadmovies auf die amerikanische Gesellschaft als Spiegel
von Kultur und Antikultur. Der
Blick nach Innen ist gerade in
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68 E
Fin du cinéma
O
N
Bonnie: What‘s w rong?
Clyde: I don‘t know.
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Super Soul: And there goes the Chal lenger, being chased by the blue, blue
meanies on wheels. The vicious traffic squad cars are after our lone dr iver,
the last Amer ican hero, the electr ic cen taur, the, the demi - god, the super dr iver
of the golden west! closer, closer to our
soul hero, in his soul mobile, yeah baby!
They about to str ike. They gonna get him.
Smash him. Rape... the last beautiful free
soul on this planet.
Vanishing Point (usA 1971)
1960
1970
ss
männliche Par tner
rr
homosexuelle Liebesbeziehung
männlicher Einzelkämpfer in
rr
weibliche Par tner
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heterosexuelle Liebesbeziehung
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Par tner (Frau/Mann)
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CU
L
T
U
RE
TI
Oh, my God!
l‘m going for help!
l got them. l‘ll get them!
We better go back.
l‘m going to get them.
We‘re ready now.
weibliche Einzelkämpfer in
sr
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Zabrizkie Point (usA 1971)
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Bonny & clyde (usA 1969)
r
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Keep your funny side up...don‘t let up
Let your laughter come through
Doodley- doo
Stand up on your legs
Be like t wo fr ied eggs
Keep your sunny side up.
Papermoon (usA 1973)
(...)
Weekend (usA 1969)
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fOucAuLT
NOAM cHOMsKY
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ANTONIONI
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Easy Rider (usA 1967)
s
GODARD
B E AT N I K s
JAcK KEROuAc
ALLEN GINsBERG
WILLIAM s. BuRROuGHs
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Two Lane Black top (usA 1971)
COUNTER
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Well, I‘ll tell you one thing, you sure
have one hell of a fast automobile.
ANDY WARHOL
BOB DYLAN
GREATfuL DEAD
JANIs JOPLINH I P
RONALD REAGAN
AIDS
Denn so alt die Idee des Sichauf-den-Weg-Machens als Ritual, um sich selber zu finden,
auch ist, so sehr muss man
sich heute die Frage stellen, ob die damit verbundene
Vorstellung von Freiheit noch
zeitgemäss ist. Was bedeutet
es, alle Zelte abzubrechen und
aufs Geratewohl loszureis(s)en? Gibt es die erwünschte mystische Erfahrung tatsächlich, wie sie beim Road
Trip wie auch beim Pilgerweg
angepriesen wird, oder handelt es sich dabei nur noch um
eine inhaltslose Floskel? Die
Augustausgabe der Fabrikzeitung widmet sich der Strasse
als metaphorischem Guckloch
nach Innen (in «My Own Private Idaho» als «Fucked-Up-Face»
beschimpft) in Film und Literatur, sowie der Frage nach
dem Mythos der Freiheit,MIcHEL
mit
dem die Strasse behaftet ist.
Von Gregor Huber
JIMMY cARTER
EL
Das Roadmovie hat sich dabei
trotz (oder gerade wegen) Globalisierung, Internet und Billigflügen gut gehalten: Während
sich die multimediale-24-stunden-connected-Schlinge immer
mehr zuzieht, ist die Flucht
in die letzten «leeren» Räume
immer schwieriger. Publikumserfolge wie «Into the Wild»
oder «Diarios de motocicletta»
zeigen das Bedürfnis nach dem
Sich-Entziehen.
RIcHARD NIXON
KR
«Road Movies sind zu cool, um
ernsthafte sozio-politische
Themen anzusprechen. Stattdessen drücken sie die Wut und
das Leiden aus, das an den
Aussenpunkten des zivilisierten Lebens existiert, und sie
geben ihren ruhelosen Protagonisten die falsche Hoffnung eines Einweg-Tickets ins
Nirgendwo», beschreibt Michael
Atkinson 1994 dieses Phänomen
in «Crossing the Frontiers».
Foo» gehen mit der machoiden
Vergangenheit des Genres zunehmend kritisch ins Gericht.
Neben den Akteuren haben sich
aber auch die inhaltlichen
Schwerpunkte verändert. In
neueren Produktionen stehen
ganz postmodern die Zwischenräume und deren Möglichkeiten
im Zentrum des Interesses. So
zeigen beispielsweise die «New
Queer Roadmovies» von Gus van
Sant (My Own Private Idaho,
Even Cowgirls get the Blues),
Greg Araki (The Living End)
oder Steve McLean (Postcards
from America) Geschichten und
Existenzen innerhalb dieser
Zwischenräume. Die Strasse ist
dabei nicht mehr nur Weg, sondern (meist lebensfeindlicher)
Lebensraum.
W
einem Land, welches seit Mitte
des letzten Jahrhunderts vor
allem seine Wirkung nach Aussen kultiviert, sei dies auf
der militärisch-politischen
Ebene wie auch in seinem kulturellen Sendungsbewusstsein,
die Spezialität dieses Genres:
Die inneren Weiten, das Leere,
spärlich bevölkerte Herz der
Staaten; der Ort, wo keiner
sein will, aber sich jeder
hingezogen fühlt.
ÖL
r
«A man went looking for America and couldn‘t find it anywhere». Mit diesem Satz wurde
1969 für «Easy Rider» geworben. Selten hat ein Slogan
einen Film derart treffend interpretiert, ja, das Leitthema
eines ganzen Genres benannt.
Easy Rider steht exemplarisch
für das Suchen, das Fliehen
und das «Nichtankommen» der
westlichen Nachkriegsgesellschaft. Die Autobahn, häufig
genutzte Metapher für Modernität und Fortschritt, steht
gleichzeitig für den Zwischenraum, für den Nicht-Ort und
die Leere im Inneren. Im Kern
der Metapher steckt aber auch
ihr Dilemma: Die Strasse führt
zwar weg vom Ursprungsort,
bleibt aber immer mit ihm
verbunden, jedes noch so ferne
«utopische» Ziel bleibt über
die Highways erreichbar. Sich
dem komplett zu entziehen ist
selbst im Land der grenzenlosen Freiheit nicht möglich.
Jean-Luc Godard weist bereits
1965 in der Schlussszene seiner Sci-Fi Persiflage «Alphaville» augenzwinkernd darauf
hin: Die Flucht in die heile
Welt endet in einem nicht mehr
endenden Loop auf der neu gebauten französichen Autobahn.
Noch härter rechnet Godard mit
der Strasse drei Jahre später
in «Weekend» ab. Die verstopfte, von Unfällen unbefahrbare
Strasse liefert das Setting
für den Untergang der Welt.
Ts
DIE STRASSEN-AUSGABE
s
1980
In der westlichen Welt galt die
Reise schon immer als die vorbildliche Struktur des Geschichtenerzählens. Griechische und
römische Klassiker wie die «Odyssee» und «Aeneis» lassen sich
als Bildungsromane in Bewegung
verstehen, in denen die innere
Entwicklung des Helden mit der
räumlichen Bewegung gleichgesetzt
wird. Selbst heute werden Dramaturgien dieser alten Mythen nicht
nur in der Psychoanalyse, sondern
auch in Drehbuchseminaren aufgewärmt: Ohne Reis kein Preis.
Das Kino als historisches
Reisegefüge
Auch das Spektakel des Kino-Apparats hängt seit seiner Erfindung
mit dem Reisen zusammen. Exotische Bilder aus «anderen Welten» wurden auf den Jahrmärkten
und Festen, an denen die ersten
Kinoapparate ihre Vorführungen hatten, gegen einen kleinen Eintrittspreis gezeigt. Kein
Wunder, dass einer der ersten
Filme überhaupt, die zu Weltruhm
gelangten, eine Zugfahrt abbildete. Noch heute erinnert man sich
daran, dass der kurze Schwarzweissfilm «Ankunft eines Zuges in
La Ciotat» der Gebrüder Lumiere
(1895), indem ein Zug auf die Kamera zufuhr, schreiende Zuschauer aus Angst vor einem Aufprall
aus den Kinos trieb. Es liesse
sich eine spannende Subgeschichte der Gefüge des Reisefilmes
erdenken, in denen die Entwicklung der Fortbewegungsmittel mit
den historischen Freiheits- und
Machtsphantasien gekoppelt wäre.
Die Präsenz der Kutsche im Kino
wäre nur verkettet mit der des
reisenden Adels, die des Schiffes
mit den Phantasien des kolonialistischen Entdeckers, und die
des Flugzeuges mit dem ersten und
zweiten Weltkrieg.
Unterwegs, also «on the road»,
waren die Helden des Kinos demnach schon seit seiner Erfindung.
Doch seinen grossen Höhepunkt
erlebte der Roadmovie-Plot nach
dem Ende des zweiten Weltkriegs
mit der Verbreitung des Automobils. In den Vierzigern war
die Strasse aber noch nicht der
Weg zur Freiheit, sondern eine
ins Nichts. Zahlreiche B-Movies
und Film Noirs fingen die düstere
Stimmung nach dem zweiten Weltkrieg ein und erotisierten die
Strasse als sexy Ort des Nihilismus. Paradigmatisches Beispiel
ist der 1945 mit nur 30 000 Dollar gedrehte Kultfilm «Detour/
Umleitung» von Edward G. Ulmer,
in dem ein Barpianist aus New
York den Weg nach Los Angeles per
Anhalter bestreitet, um seine Verlobte Sue zu besuchen. Natürlich
muss dieser Weg in den Abgrund
führen und der naive Held wegen
angeblichem Mord von der Polizei
verhaftet werden. «Detour» wurde
nicht nur von den Protagonisten
der New Hollywood-Generation, wie
Martin Scorsese, Peter Bogdanovich oder Paul Schrader zitiert,
sondern auch ein Kultfilm für die
Nouvelle Vague-Vertreter à la
Francois Truffaut. Jeder dieser
Regisseure sollte irgendwann mal
einen Film mit dem Auto im Mittelpunkt drehen.
Das Auto als Fetisch der
Handlungsfähigkeit
Als Symbol für den Boom des Automobils, der in den Sechzigern
seinen Höhepunkt erreichte, könnte man «Kustom Kar Kommandoes»
(1965) des schwulen AvantgardeFilmemachers Kenneth Anger lesen. Kein Reisefilm, sondern eine
endlose Erotisierung des Autos
selbst – und der kalifornischen
Jungs, die mit ihm einen neuen
Lifestyle und endlose Freiheit
imaginierten. In Zeitlupe und
ohne ein gesprochenes Wort folgt
die Kamera den jungen Männerkörpern, deren Hände Kotflügel und
Reifenfelgen polierten, als würden sie einen lebendigen Körper
liebkosen.
Interessanterweise spiegelten
sich im Auto als Fetisch der
Handlungsfähigkeit nicht nur
klassische Freiheitsmythen romantischer Mobilität wie die des
Marlboro-Cowboys und des adeligen
Reisenden, mit dem sich bürgerliche Familienväter identifizieren
sollten. Gerade Outlaws und Aussteiger, Marginale und Minoritäre
traten im Genre des Roadmovies
auf den Plan – in jedem Einstieg
ins Auto oder auf ein Motorrad
schien der Traum des Ausbrechens
aus den begrenzten Bedingungen
der Dorf-Gemeinschaft zu liegen,
der Weg über sonst unbefahrene
Strassen auf dem das Fremde und
Besondere nahen sollte. Dementsprechend ist es keine Überraschung, dass gerade eine Gruppe Jungregisseure das dörfliche
Studiosystem namens Hollywood mit
genau diesem Genre revolutionieren sollten. Viele Klassiker des
«New Hollywood Cinema», das Mitte
der Sechziger die Regeln des amerikanischen Kinos umstülpte, etwa
Arthur Penns «Bonnie & Clyde»
(1967) und Dennis Hoppers «Easy
Rider» (1969), waren die Filme, die das Roadmovie für immer
auf der filmhistorischen Landkarte verewigen sollten. Besonders
«Easy Rider» war nicht nur Zeuge
der 68er-Generation und ihrer
Träume, sondern auch Dokument
eines neuen, spontaneren, flexibleren Filmemachens, das überall
in der Welt, und nicht eben nur
in den Studios stattfinden konnte – auch dank neu entwickelter,
einfacher zu transportierender
Kameras.
Das meistzitierte
Genre der Welt?
Natürlich schielten auch die
europäischen Filmemacher nach
Amerika als dem Land der Freiheit. Nicht nur die Nouvelle
Vague sollte ihre Helden ins Auto
setzen, sondern auch der Neue
Deutsche Film: Die erste Generation der Nachkriegsregisseure
wanderte im wahrsten Sinne des
Wortes nach Amerika aus, um die
dortigen Strassen zu befahren.
Träume von Freiheit und Reinigung
waren des Thema der Arbeiten von
Wim Wenders und Werner Herzog.
Die vormals geschwindigkeitsge-
tränkten Freiheitskicks wurden
aber durch reflektionsartige Bewegungen von träumerischer Langsamkeit ersetzt, die über Sinn und
Existenz des deutschen Individuums nach dem Nazismus nachdachten. Gerade Wim Wenders vertiefte sich bis ins Endlose in die
poetische Projektion des Betons
in Übersee. Davon zeugen «Alice in den Städten» (1974), «Im
Lauf der Zeit» (1976) und «Paris Texas» (1984). Der Rückgriff
der Amerikaner selbst auf das
von ihnen zelebrierte Genre fiel
da deutlich adrenalingetränkter
aus. Vollgeladen mit Radical Chic
und allem was hip schien, war der
Neo-Roadmovie der Neunziger. Eine
weitere Generation amerikanischer
Independant-Filmemacher, die man
auch Neo-new-American Cinema nennen könnte: David Lynch, Oliver
Stone, Robert Rodriguez und Konsorten wiederholten in Arbeiten
wie «Wild At Heart» (1990), «Natural Born Killers»(1994), «True
Romance» (1993) und «From Dusk
´Till Dawn» (1996) die Roadmovie-Struktur bis ins Unendliche.
Immerhin konnte man so in einer
offenen Struktur jegliches postmodernes Zitat unterbringen. Die
Strasse versprach in diesem Falle
eben auch das endlose Spiel mit
der Kontingenz, indem jede wirre
Storyidee Platz hat.
Der Unfall als Symbol des zusammenbrechenden Kapitalismus
Nachdem auch Jean-Luc Godard mit
«Ausser Atem» (1960) und «Pierrot Le Fou» (1965) das Auto als
cooles Item des Helden Belmondo
fetischisiert hatte, erlaubte er
sich wenig später einen kritischen Kommentar zu seiner Symbolstellung im fordistischen Kapitalismus. Ausgerechnet in solch
einem bürgerlichen VorzeigeObjekt Revolte und Freiheit zu
entdecken, schmeckte ihm nach den
68er-Umwälzungen überhaupt nicht
mehr. Nicht ohne Grund war seine
Metapher für die revolutionären
Störungen der Produktionszusammenhänge der Zusammenbruch der
ewigen Zirkulation von Geschwindigkeit auf der Autobahn: Die
legendärste Szene seines Kultfilms
«Weekend» (1969) zeigt in siebenminütiger Kamera-Einstellung einen
unendlich langen Stau, der durch
einen Unfall verursacht wurde,
bei dem ein Traktor eine amerikanische Luxuslimousine angefahren
hatte. Während die Einstellung
zu Beginn noch den Stil einer
humorvollen Groteske hat und die
Leute im Stau den verschiedensten
Tätigkeiten wie Ballspielen oder
Kochen nachgehen, verdunkelt sich
die Atmosphäre jede Sekunde. Bald
beschimpfen sich die Autofahrer
gegenseitig und türmen sich am
Fahrbahnrand Autowracks und Leichen. Hier lugte nicht nur hinter
dem amerikanischen Traum die Zerstörung des Vietnamkriegs hervor,
sondern auch der Todestrieb hinter dem Freiheitsversprechen des
amerikanischen Spätkapitalismus.
von Tim Stüttgen
Regeln sind wichtig, wenn man den
Pilgerweg auf sich nimmt. Immerhin ist es nicht irgendeine Wanderroute, den man da begeht. Der
Jakobsweg, benannt nach dem Grab
des Apostels Jakob des Älteren in
Santiago de Compostela, wird im
11. Jahrhundert erstmals erwähnt
und führt der mittelalterlichen
Hauptverkehrsachse aus den Pyrenäen bis an die Küste, nach Fisterra, abgekürzt für «Finis Terra», das Ende der Welt. Besonders
im frühen Mittelalter war er der
wahrscheinlich wichtigste Pil-
Sascha: Die meisten Leute nehmen auf dem Streckenabschnitt den
Bus, für uns war zu Fuss durch
die «Wüste» ein willkommenes
Abenteuer. Ausserdem, wenn du dir
mal die Regeln festgelegt hast,
dann musst du dich auch daran
halten. Wir wollten das historisch korrekt machen, also keine
Busse, höchstens Boote.
Anna: Losgelaufen sind wir am 1.
Mai 2003 – in den Hitzerekordsommer., welcher ja vielen noch im
Gedächnis ist. In Spanien hörten
wir verschiedentlich von Todesfällen, von Leuten, die wegen der
Hitze zusammenbrachen. In der
spanischen Meseta zwischen Leon
und Burgos wurde es dann wahrlich
umwerfend; Windstösse heisser als
die Umgebungsluft – als atme man
Luft aus einem Ofen.
In Europa gibt es keine Autobahnen ins Unendliche, auf denen
sich das Road-Movie-Feeling des
Fahren ins Endlose einstellt, nur
dem Horizont entgegen, der die
schnurgerade Strasse abschneidet,
als würde die Welt dort enden.
Auch Interrail ist nur eine dürftige Ersatzbefriedigung, denn es
ist gerade die unendliche Weite,
die des angestrebten Ziels wie
auch die des Himmels über einem,
welche das viel zitierte Gefühl
der grenzenlosen Freiheit auslöst, dem man nacheifert. Wer
sich in Europa in der Ewigkeit
verlieren will, dem bleibt nichts
als der Weg zu Fuss. Anna Furrer und Sascha Tittmann haben vor
fünf Jahren ihre sieben Sachen
gepackt und machten sich zu Fuss
auf den 2400 Kilometer langen Weg
an die spanische Westküste.
Die europäische Version des Road
Trips funktioniert nicht mit dem
Auto, sondern zu Fuss. Die FaZ
sprach mit zweien, die den Trip
Jakobsweg auf sich genommen haben, über die Faszination Strasse, übers hängenbleiben und das
Ende der Welt.
Sascha: Das ist ein irres Gefühl,
wenn du nach 19 Tagen in Fribourg ankommst und dir denkst,
verdammt, in dreieinhalb Stunden
könnten wir wieder zuhause sein.
Und das religiöse, spirituelle, das kommt von alleine: Wenn
du länger als eine Woche gehst,
dann bist du in deinem eigenen
Rhythmus, du gehst von einem Erlebnis zum anderen, das sich in
deinem Kopf zu einem richtigen
Film webt. Das ist nicht meditativ, ganz im Gegenteil: Ich will
ja unterhalten sein, nur eben
nicht von Aussen, als Konsum auf
dem Sofa, sondern aus mir selber heraus. So banal das klingen
mag, der Weg ist das Ziel und
nicht das ankommen. Die Aboriginals nennen das Walkabout, eine
Zeremonie, bei der du wochenlang
durch die Wüste gehst und von dem
lebst, was dir der Weg gibt. Natürlich sind wir nicht ohne Geld
losgelaufen und haben vom Jagen
und Sammeln gelebt oder so – wir
sind keine Survival-Affen. Aber
du merkst, wie wenig du eigentlich brauchst: Als wir losgelaufen sind, war mein Rucksack über
zwanzig Kilo schwer. Zum Schluss
waren es gerade noch sechs.
Anna: Es hat nichts mit Mystik
oder Religion zu tun. Wir wollten
eine Auszeit, einen Break. Zeit
für uns selber. Und Laufen ist
einfach die beste Art zu Reisen. Vor allem die Bewussteste.
Schon wenn du irgendwo im Appenzellerland über den ersten Hügel
steigst, siehst du Dinge, die du
noch nie gesehen hast. Wir sind
keine Wanderer, so einen Nachmittag im Alpstein herum zu kraxeln,
das ist doch langweilig. Uns ging
es darum, Strecken zurückzulegen.
Wenn du zu Fuss gehst, nimmst du
die Distanzen ganz anders wahr
als sonst.
Im eigenen Rhythmus
gerweg der Welt. «Wobei», wirft
Sascha hier ein, «einige Leute
sagen, der Weg sei älter als die
katholische Kirche selbst.» Er
zeigt Zeichnungen von Hünengräbern, die er unterwegs gemacht
hat, von Templerkirchen mit Zypressen daneben, die älter sind
als die Kirche selber. Das klingt
mystisch. Und an der Stelle hakt
man sich auch mit der Frage ein,
wieso man auf die Idee kommt, so
etwas zu machen.
Anna: Wir hatten keine festen
Tagesetappen oder so. Wir waren
ja an keinen Zeitplan gebunden.
Manchmal haben wir vier Kilometer
an einem Tag gemacht, wenn es uns
dann irgendwo gefallen hat, sind
wir eben da geblieben. Das längste waren 44 Kilometer, am letzten
Tag, als wir mit unseren Kaputten
Schuhen fast gerannt sind, um den
Sonnenuntergang über dem Atlantik
in Fisterra noch zu sehen.
Von dem leben, was dir der Weg
gibt, ist natürlich im modernen
Europa kaum möglich. Während man
in Frankreich und Spanien noch
eher einfach unter freiem Himmel
schlafen kann – Sascha schwört
auf abgemähte Kornfelder –, ist
das in der dichtbesiedelten und
gut überwachten Schweiz kaum
möglich, und was noch fieser ist:
Die Herbergen sind teuer. Und
auch die Klöster, wo die Pilger
traditionellerweise nach Unterkunft fragen, sind sich das in
der Schweiz kaum gewohnt. Immerhin beginnt der Pilgerweg für die
meisten erst in Frankreich. Als
sie in Einsiedeln spät abends an
der Klostertüre geklopft hätten,
sei man da entsprechend verwirrt
gewesen, aber nett. Der Mönch,
der ihnen die Tür öffnete, verwies sie an eine Privatunterkunft
(da im Kloster keine Frauen übernachten dürfen) und spendierte
ihnen ein Bier.
Indiana Jones aus Deutschland
Sascha: Und nicht alles, was mystisch wirkt, ist übernatürlich.
Wenn du zu acht in einer Herberge
sitzst und jeder steuert irgendwelche Resten zu einem gemeinsamen Essen bei, hier ein Stück
Brot, da ein Resten Käse, da
noch zwei Schluck Wein, und zum
Schluss haben alle das Gefühl,
sie hätten fürstlich gespiesen,
dann ist das kein Wunder – du
hast nur gerade teilen gelernt.
Anna: Die meisten Leute schleppen
alles mögliche Zeug mit. Einer,
den wir in Spanien trafen, hatte
einen Rucksack, der grösser war
als er selber. Der hatte alles
dabei: Kaffeekocher, CDs, Bücher.
Bis zum letzten Tag konnte er uns
mit grausam nützlichen Dingen wie
einem Regenschirm überraschen.
Anna: Einschneidend auf jeden
Fall, aber nicht auf die kitschig
mystisch-religiöse Art. Das ist
etwas, das ich für mich erlebt
habe und auch nicht an die grosse
Glocke hänge. Auch wieder hier
angekommen, hänge ich Vergangenem nicht mit gossen Gefühlen
nach, es ist wie weitergehen: du
erlebst laufend das Nächste, das
dich in seinen Bann zieht.
Hängenbleiben. Ein Wort, das
schnell zur Hand ist, wenn man
davon redet, 139 Tage lang zu
Fuss durch Europa zu latschen.
Doch Anna und Sascha sind nicht
hängen geblieben. Fünf Jahre nach
dem Trip haben sie ihr eigenes
Büro, eine laufende Kommunikationsagentur, machen Filme, geben ein Magazin heraus, und sind
definitiv wieder hier angelangt,
mitten im Arbeitsalltag. Auch
wenn sie mit schwerem Herzen an
die Zeit zurückdenken, als sie
beim Interview immer wieder über
Einträge im Reisetagebuch stolpern. Als sie von mit Salamandern überzogenen Wanderwegen am
Vierwaldstättersee erzählen. Von
Wolken aus Adlern am Himmel in
den Pyrenäen. Oder von spanischen
Dörfern, die bei Tageslicht aussehen wie Wildwest-Geisterstädte, wo nach Sonnenuntergang die
Kinder aus den Häusern kommen und
auf der Strasse spielen, weil es
tagsüber zu heiß ist. Aber ob es
eine einschneidende Erfahrung in
ihrem Leben gewesen sei?
Sascha: Du schaust genauer hin,
wenn du zu Fuss unterwegs bist,
nimmst deine Umgebung wahr, kommst
eher mit Leuten ins Gespräch.
Es gibt ja alle möglichen Leute
auf dem Jakobsweg, auch solche,
die das fast wie Sport betreiben; die morgens um vier mit der
Stirnlampe loswandern, damit sie
am Nachmittag genug früh bei der
nächsten Herberge ankommen, um
noch warmes Wasser für eine Dusche zu haben. Die deutschen mit
Indiana Jones-Montur und roten
Wandersocken. Oder der italienische Familienvater, der nach dem
ersten Tag aufgeben muss, weil
seine Fussohle eine einzige Blase
ist. Du triffst einen Querschnitt
durch die Menschheit unterwegs:
Polizisten, Ärzte, Vagabunden,
Künstler, und natürlich viele
Hippies, die irgendwo unterwegs
hängenbleiben. In Fisterra kommt
es dir vor, als seien die Hälfte
der Einwohner Deutsche.
BIs ANs ENDE DER WELT
DIE STRASSEN-AUSGABE
Anna Furrer (28) und Sascha Tittmann (34) sind Ko-Inhabende der
Kommunikationsagentur «Büro Sequenz» in St.Gallen
www.buro.sequenz.net
Von Etrit Hasler
Den Kern der Reise bildet denn
auch die Tatsache, dass sie irgendwann zu Ende ist. Und dazu
ist auswandern und sich irgendwo
ein Häuschen bauen, egal ob dies
nun am Jakobsweg sei oder anderswo, auch keine Alternative, denn
damit ist die Reise ebenso zu
Ende, betont Anna. Von der Sorte,
die da hängenbleiben, habe es
schon genug. Leute, die Herbergen eröffnen und von den Pilgern
leben. Batiktuchverkäufern, die
am Strand herumrennen und «Shanti Ohm» singen. Und touristisch
vermarktet ist der Weg inzwischen
auch. Die grösseren Kirchen am
Weg nehmen alle Eintritt - «Ich
bezahle doch keinen Eintritt, um
in die Kirche zu gehen», meint
Sascha – und Santiago de Compostela selber ist eine Souvenirgrossstadt, ähnlich wie Mekka
oder Lourdes. Deswegen hätten sie
auch nicht da aufgehört, sondern
seien weiter bis ans Meer. «Wenn
du so lange gehst, dann hörst du
nicht ausgerechnet in einer Touristenfalle wieder damit auf.»
Sascha: Wenn du wieder da bist,
bist du einfach wieder da. Das
schlimmste ist, gleich darüber
erzählen zu müssen. Viel mehr als
«jaja, isch schöö gsi» kannst du
gar nicht sagen, die Leute können das nicht nachvollziehen. Du
kannst die Erfahrung kaum teilen
ausser mit Menschen, die das auch
mal gemacht haben, und sogar da
unterscheiden sich die Erfahrungen massiv, sogar bei uns beiden.
Es ist dein eigener, subjektiver
Film, mit so vielen Dingen, die
so weit weg sind von der Alltagserfahrung hier. Wie willst du den
Leuten eine ölverseuchte Küste
vor Fisterra mit aus dem Wasser
springenden Delphinen im Sonnenuntergang beschreiben? Aber für
mich hat sich schon etwas verändert, ich habe ein Grundvertrauen gewonnen, dass ich vorher
nicht hatte. Egal was du tust,
das kommt schon gut und es kann
dir kaum etwas passieren. Im
schlimmsten Fall stirbst du.
Findet das Glück Thelma & Louise?
Filmbesprechung nach Fischli / Weiss
GIBT Es EINE
GRENZENLOsE
fREIHEIT?
WAs WäRE,
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THELMA uND LOuIsE
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DIE KLIPPE GEfAHREN
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KENNZEIcHEN
DEs GRüNEN
THuNDERBIRD
AN ALLE TANKsTELLEN IM LAND
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BITcHEs fROM HELL?
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GEBEN?
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«MäNNLIcHE
PERsPEKTIVE»?
DARf IcH
LAcHEN uND WEINEN?
WIE HAT BRAD PITT
sEINE BAucHMusKELN
TRAINIERT?
WARuM GAB
Es VORHER NOcH NIE
ZWEI sO GLEIcHBEREcHTIGTE WEIBLIcHE
PROTAGONIsTINNEN
IN fILMEN/
DREHBücHERN?
Von Esther Becker
WIE sIEHT WOHL
DIE HANDscHRIfT
VON cALLIE KHOuRI
Aus?
WER HAT
DIE sTRAssE
ERfuNDEN?
HABEN sIcH
JODIE fOsTER uND
MIcHELLE PfEIfER
GEäRGERT?
KÖNNTE MAN
DEN fILM MIT
EINEM
sTuRMGEWEHR
IM
WALLIs NAcHsTELLEN?
WIEVIELE LKWfAHRERINNEN GIBT Es?
WOHER HAT THELMA
AM ENDE DAs
scHWARZE T-sHIRT MIT
DEM TOTENKOPf
DRAuf?
WAR Es NOTWEHR?
TWO BITcHEs IN A cAR.
DO YOu GET IT?
KRAFTWERK: AUTOBAHN
(DüSSELDORF 1974)
DIE STRASSEN-AUSGABE
KRAfTWERK - AuTOBAHN
(DüssELDORf 1974)
DOTcOM cRAsH
KLIMAWANDEL
GLOBALISIERUNG
INTERNET
GOLDEN 80s
st raight stor y (usA 1999)
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KR
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having met with triumph at
their ultimate destination or
achieved their major goals.
9/11
Lyle: Did you r ide that thing all
the way here to see me?
Alvin: I did Lyle.
ENDING
ENERGIEKRIsE
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GEORGE H. W. BusH
YOUTUBE
LGB
T
BILL cLINTON
GEORGE W. BusH
AIDS
at the end of the journey, the
protagonist(s) find a new home
at their destination.
Thank You!
It‘s good to bee home!
JuDITH BuTLER
Priscilla Queen of the Deserr t (1994)
ss
G EN ER ATI O N X
I‘m a connoisseur of roads.
Been tasting roads my whole life.
This road...will never end.
It probably goes..all around...the wor ld.
You‘ve taught me
a valuable lesson in liffe.
I just met the Good Witch.
Wild at Hear t (usA 1990)
sr
My Own Private Idaho (usA 1991)
Ciao amigo!
Diarios del Motocilet ta (ARG 20 04)
ss
the journey continues
endlessly.
ss
JAMEs T LEROY
(r ifles click)
I‘m gonna miss him.
Come on, let‘s go.
Okay, baby.
Natural Born Killers (usA 1995)
sr
I know you think
that I‘m your father, don‘t you?
- What?
Just tell me.
You can talk to me, chief.
- Man, you‘re fucked up.
Wait a second.
Wait a second. Wait!
Thelma Dickerson: Let‘s keep goin‘!
Louise Saw yer: What d‘you mean?
Thelma Dickerson: ...Go.
Thelma Dickerson: [ Thelma nods ahead of them]
Louise Saw yer: You sure?
Thelma Dickerson: Yeah.
Thelma & Louise (usA 1989)
1990
Text: Hannes Grassegger
Illustrationen: Zoé Blanc
Textquelle: Die Strasse lebt. Bd II
Hrsg: Néstle Vevey, 1964.
cOLuMBINE
Broken flowers (usA 20 05)
s
having realised that, as a result of their journey, they can
never go home, the protagonists either choose death, are
killed or get arrested.
What if I were smiling and r unning into your arms?
Would you see then what I see now?
Into the Wild (usA 20 07)
s
rr
2000
2008
DIE STRASSEN-AUSGABE
FREIE FAHRT
GESTOPPT
Abgehängt, überholt oder ausgebremst: Die Zahl der Menschen,
die am Wohlstand nicht teilhaben
können, wächst.
Kein anderes Wort dient so oft
als grundlegende Metapher für
das Leben wie die Strasse. In
Fellinis Filmklassiker «La Strada» ist sie der Weg des Lebens
an sich, in Lynchs «Mulholland
Drive» gleichermassen Sinnbild für
die Schicksalswege der Figuren
wie tragendes Element der Handlung. Die Rolling Stones wandeln
auf den «Streets of Love», AC/DC
sind auf dem «Highway to Hell».
Mit dem Begriff der Strasse wird
auch so manche Lebensweisheiten
formuliert. Der Volksmund sagt:
«Das Geld liegt auf der Strasse»,
J.R.R. Tolkien mahnt in «Herr der
Ringe»: «Treulos ist, wer Lebewohl sagt, wenn die Strasse dunkel
wird.» Ein texanisches Sprichwort
rät: «Wenn sich die Strasse vor
dir in zwei Richtungen teilt, nimm
den dritten Weg» und schon Schiller wusste: «Alle Strassen führen
ans Ende der Welt».
Entsprechend kennt die Sprache
auch vielerlei Wendungen, die
das Gelingen oder Nicht-Gelingen
eines Lebens beschreiben. So kann
man auf der Strasse landen, vom
rechten Weg abkommen, oder den
Weg der Tugend beschreiten. Eine
Strassenmetapher ist derzeit besonders aktuell: Die Frage nämlich, wer auf der sonnigen und
wer auf der schattigen Seite der
Strasse durchs Leben geht, muss
neu gestellt werden. Ungerechtigkeit ist zwar beileibe keine neue
soziale Problemstellung, doch wie
der deutsche Soziologe Heinz Bude,
auf dessen Buch «Die Ausgeschlossenen – Das Ende vom Traum einer
gerechten Gesellschaft» dieser
Artikel beruht, schreibt, hat sich
eingangs des neuen Jahrhunderts
das Gesicht der gesellschaftlichen
Ungleichheit gewandelt. Dabei geht
es nicht mehr in erster Linie um
die altbekannte Schere zwischen
arm und reich, die sich immer weiter öffnet. Das wäre noch einigermassen zu verkraften, wenn es
nicht eine wachsende Gruppe Menschen gäbe, die den Anschluss an
den gesellschaftlichen Mainstream
verlieren und heimatlos werden im
kollektiven Selbstverständnis der
Allgemeinheit.
Schlingernde Lebensläufe
Diese Menschen befinden sich örtlich nicht weit abseits von oder
auch mitten drin in den lebendigen Zentren der Gesellschaft. Und
dennoch sind sie abgestumpft und
abgekämpft von ihrem täglichen Leben, ohne Kraft für Empathie oder
zur Wehr gegen ihre Situation.
Diese Menschen finden sich einerseits in den bekannten, sozial
diffizilen Zonen am Rande grosser Städte, wo die Arbeitslosigkeit hoch und die Einkommen tief
liegen, tauchen aber andererseits
immer öfter auch auf Dinnerpartys auf. In Form eines früheren
Kollegen etwa, den man einst sogar
beneidete um sein offenkundiges
Talent und sein schnelles Vorankommen im Leben – dessen rasante
Fahrt auf der Überholspur jedoch
nach der Neustrukturierung seiner
Abteilung abrupt beendet wurde,
und der sich nun nicht nur seiner Arbeit, sondern auch jeglichen Halts beraubt sieht, zu viel
trinkt und zu viel von irgendwelchen «Projekten» redet. Der Mann,
gezeichnet von Karriereknick und
Statusverlust, scheint dann so gar
nicht mehr in das elegante Geblubber der Champagner-gelaunten anderen Gäste zu passen, die weiterhin
frohgemut durchs Leben brausen –
und bei der nächsten Einladung ist
er dann auch nicht mehr dabei.
Noch nie war es so einfach, auf
dem Lebensweg in eine Sackgasse zu geraten, sich zu verirren
oder schlicht am Wegrand liegen
zu bleiben, was für die Betroffenen zur Exklusion, also zum
Ausschluss, von der Gesellschaft
führen kann. Das Tückische an
dieser Entwicklung ist eben, dass
davon nicht mehr nur die klassischen Benachteiligten erfasst
werden, die seit jeher vom sozialen Abstieg bedroht waren. Der
traditionelle Proletariatsbegriff
ist zum Auslaufmodell geworden,
die übliche Einteilung der Gesellschaft in Klassen vermag diese
neue Form der Ungleichheit nicht
mehr zu greifen. Auch Pierre Bourdieus «kleines Elend», das jedes
soziale Umfeld befallen kann, etwa
der im mittleren Kader stecken
gebliebene Manager, trifft die
Sache nicht ganz. Vielmehr, resümiert Heinz Bude, sei die soziale
Stufenleiter überhaupt glitschiger
geworden. «Der Absturz scheint von
überall möglich.» Die ungelernte Aushilfskraft könne es genauso
treffen wie den hoch qualifizierten
Wissenschaftler.
Die neuen Ausgeschlossenen sind
also nicht die suchtkranken Obdachlosen, die es sich in Tramwartehäuschen und Notschlafstellen einrichten und sich auch in
wirtschaftlich goldenen Zeiten
nicht integrieren lassen. Diese neue soziale Exklusion zeigt
sich tausendfach in den Lebenswegen von Kindern aus Verhältnissen, in denen die Mittel für einen
Zirkusbesuch fehlen, von jungen
Erwachsenen ohne Schulabschluss,
von Frauen und Männern im mittleren Alter, die kaum Chancen auf
neue Beschäftigung haben, sozial
schlecht abgesicherten Scheinselbständigen und Projektmitarbeitern
sowie von «Working Poor», die
trotz Mehrfachbeschäftigung nicht
voran kommen. Sei es nun der frühere Kollege oder ein Angehöriger
einer traditionellen Risikogruppe
– alleinerziehende Mütter, Ausländer, kinderreiche Familien – ,
gemein ist ihnen die Scham, die
Mutlosigkeit und die Überzeugung,
dass sie überflüssig geworden sind.
Die Frage ist nicht mehr, wer oben
und wer unten, sondern wer drinnen
und wer draussen ist. Beim Begriff
der Exklusion geht es, wie Bude
erklärt, «um die Art und Weise der
Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben, nicht der Grad der Benachteiligung nach Massgabe allgemein
geschätzter Güter wie Einkommen,
Bildung und Prestige.»
Aktuelle Glaubenskrisen
Armut ist hierzulande wenig sichtbar, trotzdem waren gemäss Erhebungen der Caritas in der Schweiz
2004 rund eine Million Menschen
betroffen – ein Beleg für die
soziale Schieflage und zunehmende
Kluft zwischen hohen und sicheren
und tiefen und unsicheren Einkommen. Doch Armut ist ein relativer
Begriff und taugt besonders in
reichen Nationen, wo nicht gehungert wird und auch minder Begüterte dem Konsum frönen, nicht zur
Identifizierung jener Bevölkerungsteile, die nicht an der Gesellschaft teilnehmen können. Ebenso
vermag eine Armutsquote nichts
über die Armutsverläufe auszusagen – viele sind mit so genannten
«Armutspassagen», etwa während
der Ausbildung oder durch eine
gescheiterte Ehe, konfrontiert.
Erst die Betrachtung der Verläufe
zeigt auf, wer vorübergehend oder
immer wieder in die Armut rutscht
und für wen sie zum dauerhaften
Zustand wird. Unter dem Begriff
der sozialen Exklusion wird gefragt, wem weshalb ein Platz in
der Gesellschaft zugestanden oder
verweigert wird. Welche Faktoren
bestimmen, ob jemand Chancen hat
und gehört wird oder ob jemand
trotz entsprechender Anstrengung
doch nirgends dazu gehört. Für sie
gilt die neoliberale Regel, dass
wer leistet, teilhaben kann, nicht
mehr, weshalb in den Augen der gut
gestellten Mehrheit eine Provokation darstellen, rütteln sie doch
an einem Grundkonzept des Kapitalismus.
Allmählich dämmert aber die Erkenntnis, dass sich das Problem
nicht mehr als reines Randgruppenthema abhandeln und durch ein
Heer von Sozialarbeitern, Lehrern
und Therapeuten schrittweise beseitigen lässt. Vielmehr wirft das
Phänomen der Exklusion ein grelles
Licht auf dreierlei Glaubenskrisen: Dass sich die Kategorien Mangel und Privileg in Ausschluss und
Makel gewandelt haben, weist auf
einen weitgehend gebrochenen Fortschrittsglauben der Gesellschaft
hin. Vor allem was die staatlichen
Leistungen betrifft. In den sozialen Marktwirtschaften muss eingeräumt werden, dass das alleinige
Bereitstellen von Mitteln nicht
garantiert, dass der aufgrund mangelnder sozialer Kompetenz nicht
mehr vermittelbare Geologe oder
auch der ausländische Jugendliche
mit schlechten Deutschkenntnissen die Kurve in die Gesellschaft
wieder kriegt. Vielmehr wurde dadurch eine Kultur der Abhängigkeit
geschaffen; man habe feststellen
müssen, so Bude, dass «Programme
zur Aktivierung und Mobilisierung
unweigerlich eine Restkategorie
von Menschen erzeugt, die sich
trotz aller Angebote und Anreize
nicht aktivieren und mobilisieren
lassen.»
Auch der Glaube ans Wirtschaftswachstum als Wundermittel gegen
soziales Elend ist zunichte. Es
ist, im Gegenteil, insbesondere
der rapide Wandel, der Gruppen von
Überflüssigen und Entbehrlichen
produziert, Menschen, die bedauerlicherweise und meist auch ziemlich zufällig zur falschen Zeit am
falschen Ort waren. Dies betrifft
die herkömmliche Industrie genauso
wie die neuen Ökonomien. Auch der
Glaube an die Integrationskraft
einer differenzierten Kommunikationsgesellschaft ist erschüttert.
Aus einem zynischen Blickwinkel
könnte man noch sagen, dass es
wenigstens in der Kommunikation
keine Exklusion mehr gibt. Auch
wer keine Arbeit hat, kann konsumieren und wer nicht viel weiss,
kann fernsehen. Im Lichte all dieser Glaubenskrisen lässt sich aber
nicht ausmachen, wie den wachsenden Exklusionstendenzen, die einen
Keil in die Gesellschaft treiben,
beizukommen ist.
Auf dem Weg zur zerklüfteten
Gesellschaft
Das Problem der generellen Unsicherheit – sei sie bloss gefühlt
oder tatsächlich – ist hinreichend
identifiziert, ist gar zum Merkmal der grenzenlosen individuellen freien Fahrt geworden. Dass
sie sich derzeit angesichts der
gebeutelten Weltwirtschaft und den
zahllosen gordischen Knoten in der
Politik, lokal wie global, weiter
verstärkt, kommt auch nicht überraschend. Die Sozialwissenschaften
begannen sich schon vor Jahren mit
den «Überflüssigen» zu beschäftigen, die aufgrund eines rasanten
sozialen und strukturellen Wandels
mit all seinen neuen Verheissungen
und Gefahren am Wegrand des Fortschritts stranden.
Der Ursprung der sich aktuell
schnell zuspitzenden Entwicklung
liegt in den goldgräberischen
Neunzigerjahren, als der Kapitalismus mit den neuen Ökonomien
auch eine neue Dimension erreichte. Damals begannen sich auf der
Sonnenseite des Lebens junge
Gewinner zu sammeln, die alles
mitnahmen und in ihrem Windschatten surften eine Menge Trittbrettfahrer, die es ebenfalls schafften, aus den Umwälzungen Profit
zu schlagen. Demgegenüber begann
sich eine unübersichtliche Restgruppe zu formieren, die, wie Bude
bemerkt, «ausrangiert, aus ihren
Nischen vertrieben worden oder von
vornherein nicht ins Spiel gekommen sind oder die sich selbst ins
soziale Aus manövriert haben.»
Eine Kluft klafft zwischen jenen,
die gefragt und beneidet werden
und eben den Überflüssigen, die in
den neuen Verhältnissen keinen
Platz mehr finden; die mit etwas
Geld versorgt und mit billiger
Unterhaltung mehr schlecht als
recht bei der Stange gehalten werden müssen. Inzwischen liegt die
Jahrhundertwende hinter uns, die
Goldgräberstimmung ist verflogen,
das Problem der Exklusion aber
wird akuter.
Im wirtschaftlichen Klima der
Neunziger erlangten Individualisierung und Pluralisierung der
Lebensverhältnisse einen hohen
Stellenwert. Dieses gesellschaftlichen Konzept hätte man so lange
positiv sehen können, so Bude,
als dass es «ein Mehr an Chancen bei einem Weniger von Risiken
verhiess.» Doch die Rechnung ist
nicht aufgegangen. Heute ist es
so, dass man sich die Chancen mit
neuen Risiken erkaufen muss. Jene,
die etwas zu verlieren haben, geraten darüber in Statuspanik – der
Soziologe spricht von einem weiteren «Wirkungszusammenhang des sozialen Ausschlusses, der sich aus
dem Wandel der gesamten Verfassung
unserer Gesellschaft ergibt.» Es
läuft eine grundlegende Verschiebung jener Prozesse und Verläufe,
aufgrund derer Personen zu Stellen
kommen, sich in Positionen festigen oder auch zu Statuswechseln
genötigt werden. Anders gesagt:
Die Herkunft eines Menschen bestimmt nicht mehr allein, wohin
der Lebensweg führen wird. Dieser ist stärker abhängig geworden
von einzelnen Entscheidungen oder
auch Zufällen, die einen treffen
können. Der vom Elternhaus vorgezeichnete Weg hat kein klares Ziel
mehr – so sind zwar fantastische
Tellerwäscherkarrieren möglich,
umgekehrt kann es aber jemandem
aus dem Mittelstand passieren,
dass er aufgrund von Pannen oder
Unfällen stecken bleibt.
Heimtückisches Navigieren bei
begrenzter Signalisation
Im Kern des Homo Oeconomicus steht
seine Überzeugung, dass der Einzelne nicht nur das Abbild der
Gesellschaft ist, sondern auch
Ausdruck seiner persönlichen Strategien, Entscheidungen und Einsatzbereitschaft. Darauf baut auch
das moderne Management: Arbeitsabläufe sind projektförmig, Zuständigkeiten vergeneralisiert und
Allzeitbereitschaft vorausgesetzt.
Im Regime des Statuserwerbs haben
deshalb die Unflexiblen und Ängstlichen das Nachsehen – sie werden
von den Mobilen und Risikofreudigen gnadenlos abgehängt. Doch
deren Agilität und Geschmeidigkeit
birgt wiederum andere Risiken.
Auch die Vertreter des dynamischen
Individualismus, eigentliche Leitbilder unserer Zeit, können plötzlich in einem Gefühl der Entbehrlichkeit stranden. Wenn ständige
Leistungsbereitschaft, Body-Shaping, Anti-Aging und Alltagsdoping
zum Standardprogramm des Fit- und
Flexibel-Bleibens werden, lauert
in unausgefüllten Momenten das
«Gespenst der Überflüssigkeit». Die
bange Frage, was wäre, wenn man
nicht mehr mithalten könnte, kann
sich gerade bei Zeit- und Raum
überwindenden Hochleistungsindividuen als Stolperstein erweisen.
Wer sich vorwiegend in Hotelzimmern, Business-Meetings, AbflugLounges und an Frühstücksbuffets
aufhält, kann in schwachen Augenblicken in ein Gefühl des permanenten Driftens abgleiten. Bude:
«Wer im Dienste seiner allseitigen
Anschlussfähigkeit alle Kleider
des Kollektiven abgestreift hat,
sieht sich in Momenten der Unterbrechung und des Übergangs auf die
transzendentale Obdachlosigkeit
der eigenen Biographie zurückgeworfen.»
Das Fundament, auf dem die Gesellschaft steht, ist instabil geworden, die Verhältnisse zwischen den
Integrierten, den Anfälligen und
den schon Entkoppelten labil. Auf
der Strasse seines Lebens findet
sich der Mensch an zahllosen Kreuzungen und Verzweigungen wieder,
und bei jeder Richtungswahl muss
er sich die Frage stellen, ob er
sich damit nicht vielleicht unversehens ins Abseits manövriert. Das
betrifft alle Lebensbereiche: Ausbildung, Partnerwahl, Karriereplanung. Er muss aufpassen, dass er
nie zu lange geparkt bleibt, sonst
droht der Anschluss verloren zu
gehen. Aber er muss auch wissen,
wann er den Fuss vom Gas nehmen
muss, damit er nicht ausbrennt und
deshalb auf der halben Wegstrecke
liegen bleibt. Das Navigieren auf
diesem Strassennetz ist heimtückisch, die Signalisation nur noch
begrenzt vorhanden, Schlaglöcher,
Haarnadelkurven oder Glatteis können die Fahrt jederzeit gefährden.
Besonders für jene, die schlecht
ausgerüstet sind, doch auch solche
mit GPS, Airbag und Winterketten
vermögen diesen Umständen manchmal
nicht mehr zu trotzen.
Von Yvonne Kunz
Heinz Bude: Die Ausgeschlossenen –
Das Ende vom Traum einer gerechten
Gesellschaft. Carl Hanser, München
2008. 141 Seiten, SFr. 27.90.
Fabrikzeitung August 2008
Eine Besetzung für ganz Zürich
Bei der Brotäktschen im Hardturm feierten Tausende
eine friedliche Party. Was die Subkultur angestossen hatte,
verwandelte sich binnen Stunden zu einem Volksfest.
Bloss die Medien kamen nicht ganz mit.
Die Brotäktschen ist bald einen Monat her,
die Erinnerungen aber bleiben lebendig. Wie
Wagemutige an der Kabelrolle quer über
den Hardturm flogen. Die Sexismus-Diskussion beim Auftritt der HipHop-Crew Zone
13 («Wir veranstalten das hier nicht, damit
jemand ‚Fotze‘ von der Bühne brüllt.»). Das
einstündige Anstehen für ein Stück Pizza
aus dem fahrbaren Ofen. Da trafen bei den
Wartenden Humor und Hunger aufeinander.
«Es geht hier eben nicht nur um Konsum»,
grinste ein Pizzaanwärter zu seinem ungeduldigen Nebenmann. «Schon klar – aber ich
hab Kohldampf!»
Nach Shantytown 2005 und Danselieu vor
zwei Jahren war es die dritte grosse Sauvage
in Zürich. Und einmal mehr zeigte sich,
dass in dieser Stadt nicht nur ein verkalktes
Grüppchen keinen Bock auf organisierte
Fröhlichkeit und Businessparties hat. Auch
wenn sich die Veranstaltung primär auf die
Euro bezog, setzte die Feier im Hardturm
doch auch ein Zeichen gegen die Feiermaschinerie in Zürich West. Und im Grossen
und Ganzen schafften es Beteiligte und
Besucher, die ganze Aktion ausgesprochen
sympathisch rüberzubringen. Gestört fühlten
sich nämlich die wenigsten. Einzig der Quartierverein Höngg protestiert im Verbund mit
der städtischen SVP, und aus der Nachbarschaft gingen 30 Lärmklagen ein. «Zu
viele», seien das, fand Stapo-Sprecher Marco
Cortesti. Wie viele es denn sein dürften,
sagte er nicht.
Ob die Besetzung strafrechtliche Folgen
haben wird, ist noch unklar. Auf Anfrage
erklärten die Veranstalter, dass die Vermittlerin, die am Freitag festgenommen worden
war, Mitte Juli eine Vorladung erhalten habe.
Allenfalls könnte es zu einem Verfahren
wegen Sachbeschädigung kommen, da im
Stadionmantel Einrichtungen demoliert
wurden. Allerdings sagt ein Sprecher von
Brotäktschen: «Für Sachbeschädigung kann
man Gruppen nicht verantwortlich machen.
Die Polizei müsste diejenigen benennen
können, die tatsächlich etwas kaputt gemacht haben.»
Rechtsumkehrt bei den Medien
Bemerkenswerte war die Medienberichterstattung. Der Tonfall der ersten Meldungen
war insbesondere in Produkten der Tamedia
– 20 Minuten, Tages-Anzeiger, Tele Züri –
erstaunlich wohlwollend. Als friedlich und
fantasievoll wurde die Besetzung beschrieben, das Vorgehen der Polizei dagegen sehr
kritisch rapportiert. 20 Minuten berichtete ausführlich über die Verhaftung des
Fotografen Klaus Rozsa und liess diesen
im Interview zu Wort kommen (vergl. auch
Interview nächste Seite). Doch schnell
kehrte der Wind. Auffällig war insbesondere,
wie das Zürcher Lokalfernsehen am Montag
den angeblichen Vandalismus behandelte
und einen Sprecher der Credit Suisse als
Eigentümerin des Stadions verkünden liess,
es sei ein Sachschaden von hunderttausend
Franken angerichtet worden. So bleibt der
Eindruck, dass zunächst wohl eher junge
Journalisten mit einiger Sympathie über ein
Ereignis berichteten, das ihnen im Wochenend-Dienst unerwartet ein dankbares
Thema lieferte, bevor aus der Teppichetage
die Anweisung kam, solch illegales Treiben
dürfe keinesfalls wohlwollend kommentiert
werden.
Interessant war auch die mediale Wortwahl.
Besetzer und Besucher wurden wahlweise als «Linksautonome», «Aktivisten der
Subkultur» und «Jugendliche» bezeichnet.
Ob Absicht oder Ignoranz dahintersteckt,
sei dahingestellt, doch sind die ersten beiden
Attribut zumindest fragwürdig, das letzte
schlicht falsch. Zwar rekrutierten sich die
Organisatoren tatsächlich aus der Subkultur.
Spätestens am Samstag aber tummelten sich
im Hardturm Menschen ganz verschiedenen Herkunft, darunter auch solche, die in
ihrem Leben noch nie an einer Demo oder
in einem besetzten Haus waren. Und was die
Jugendlichen betrifft: Am Samstag Nachmittag spazierten Familien mit Kindern übers
einstige Fussballfeld, Anwohner im Rentenalter schmunzelten über den menschlichen Tögglikasten und die viele, die während
dem Auftritt der Sorelle Leone am frühen
Abend im struppigen Gras fläzten, mussten
beim Alkoholkauf seit fünfzehn Jahren
keinen Ausweis mehr zeigen. Gegen Mitternacht fuhr dann auch der Mainstream ein –
es entstand der Eindruck, das Publikum aus
den Szeneschuppen in Zürichs Westen sei
geschlossen zum Stadion marschiert.
In der Folge kam es an den Getränkeständen zu Unmutsbekundungen über Wartezeiten und Gedrängel. Das ist eine der wenigen
Schattenseiten einer ansonsten durchwegs
gelungenen Aktion: Sobald sich rumgesprochen hatte, dass im Hardturm der Event des
Wochenendes abgeht, machten sich auch
Szenis und Partyidioten auf die Socken und
brachten ihre Konsumgeilheit und Anspruchshaltung gleich mit.
Gegen das Stigma
Allerdings kann man die Anwesenheit
dieser Leute auch positiv finden. Denn sie
zeigt, dass in Zürich breite Kreise abseits
von durchkommerzialisierten Freizeitangeboten feiern wollen. Solange sich die
Teilnehmer solcher Aktionen mit Begriffen
wie «Linksautonome» marginalisieren und
stigmatisieren lassen, weiss man die öffentliche Meinung bei rigorosem Durchgreifen
durch die Polizei hinter sich. Wenn aber
aus einer Besetzung innert Stunden ein
Volksfest wird, an dem sich Rentner, Familien und Gutverdiener amüsieren, wird die
lebendige Subkultur in der Wahrnehmung
von Vermarktungsprofis zum Standortfaktor.
Eigentlich erstaunlich, dass Stapi Ledergeber nicht vor die Kameras trat, um gewohnt
enthusiastisch von der tollen Stimmung in
seinem Züri zu schwärmen. Einer aus dem
Organisationsteam erklärt gegenüber der
FaZ, dass man ganz bewusst möglichst breite
Schichten ansprechen wollte. «Wenn wir
unter uns bleiben möchten, können wir das
in illegalen Bars oder besetzten Häusern
machen. Die Aktion im Hardturm aber
sollte eine grosse Sache für alle Zürcher
werden. Der ganze Kommerz rund um die
Euro und die Überwachung durch Polizei
und Militär stiessen in breiten Kreise auf
Unverständnis. Man merkt es auch jetzt,
ein paar Wochen später, an Diskussionen in
verschiedenen Szenen, dass diese Aktion der
Stadt allgemein gut getan hat.»
Nach 48 Stunden, in denen es – abgesehen
vom Polizeieinsatz am Freitagabend – weder
Schlägereien noch Verletzte gegeben hatte,
war alles vorbei. Als Abschiedsgruss wurde
«Bis bald» in den Rasen gebrannt. Jederzeit
gern. Bis zum nächsten Mal.
Von Reto Aschwanden
Fabrikzeitung August 2008
Fabrikzeitung August 2008
«DiEsEs Mal gEhEn wir Bis
nach strasBourg»
Am Rande von «Brotäktschen» kam es zu Scharmützeln
zwischen Polizei und Besetzern. Hauptopfer wurde
der Zürcher Fotojournalist Klaus Rozsa, der vor zehn
Jahren einen wegweisenden Prozess gegen die Zürcher
Polizei gewann.
FaZ: Klaus Rozsa, wieso erwischt es eigentlich immer dich? Hast du schlechtes Karma
oder ist die Zürcher Stadtpolizei auf dich
fixiert?
den Rücken. Ich habe endlos gerufen, ich sei
von der Presse, ich hätte einen Ausweis und
das sei Freiheitsberaubung. Von ihrer Seite
kam nichts, zumindest nicht verbal.
(lacht) Das ist von allem ein bisschen was.
Ich bin wohl wieder einmal zur rechten Zeit
am rechten Ort gewesen. Es war absoluter
Zufall: Meine Frau Susanne und ich sind
mit dem Auto unterwegs an eine Party im
Kraftwerk, als plötzlich zwei Streifenwagen
in vollem Karacho daher rasen und ihre
Autos beim Stadion quer auf die Strasse
stellen. Vier Polizisten stürmen heraus,
Gummigeschossgewehre im Anschlag und
rennen auf das Tor zum Hardturm zu, wo
die BesetzerInnen noch letzte Utensilien ins
Hardturm schieben.
Stattdessen «turnten» die beiden auf mir, einem 54-Jährigen, herum, bis die Verstärkung
mit dem Kastenwagen auftauchte. Weitere
Polizisten stürmten heraus, die versuchten,
auch meine Frau zu Boden zu reissen, sie
konnte allerdings mit der Kamera entkommen. Ebenfalls kam ein ziviler Ford mit
Blaulicht auf den Platz aus dem ein Herr
in einer orangen Jacke mit der Aufschrift
«Polizei Brand Tour Offizier» stieg. Das ist
der Titel für denjenigen, der bei unvorhergesehenen Grosseinsätzen zuständig ist. Als er
zu unserem kleinen Haufen kam, versuchte
ich aufzustehen, worauf ich gleich wieder zu
Boden gedrückt wurde. Er schaute mich an,
sagte «Herr Rozsa, sie sind verhaftet.» Als
ich nach einem Begründung fragte, drehte er
sich um und ging davon.
Ich hatte eine kleine Digitalkamera dabei,
also ging ich der Polizei hinterher, um das
festzuhalten. Die Polizisten schossen schon
im Rennen, in hysterischem NonstopTempo. Die wirkten schaurig aggressiv,
wahrscheinlich weil sie bemerkt hatten, dass
sie schon zu spät waren, um die Besetzung
zu verhindern. Einer von prügelte mit einem
Teleskop-Schlagstock auf die Hände der
Leute, die versuchten, das Tor zu schliessen.
Es sah ziemlich schlimm aus, und ich hätte
wesentlich bessere Fotos machen können,
wenn ich näher ran gegangen wäre, aber ich
versuchte, der Konfrontation aus dem Weg
zu gehen.
Die vier Beamten waren derart mit Ballern
beschäftigt, dass sie mich gar nicht bemerkt
hätten, wenn nicht einer von ihnen zurück
zum Streifenwagen gegangen wäre. Er blieb
auf meiner Höhe erst wortlos stehen, dann
schnappte er nach meiner Kamera und
schrie mich an: «Rozsa, du Arschloch, hier
wird nicht fotografiert. Verreis!»
Er hat dich also erkannt?
Ganz eindeutig. Er wusste also, dass ich
Medienschaffender bin, was ich ihm auch
bestätigte. Er rannte weiter zum Streifenwagen und wieder zurück, verteilte Munitionsnachschub an seine Kameraden und ballerte
weiter. Ich nahm an, damit hätte sich die
Sache erledigt. Zu diesem Zeitpunkt flogen
erste Flaschen aus dem Stadion in Richtung
Polizei. Meine Frau meinte, jetzt werde es
unangenehm, wir sollten gehen. In dem
Moment, als ich mich zum Gehen wende,
werde ich von hinten zu Boden gerissen von
zwei der Polizisten, die ich fotografiert hatte,
einer davon derjenige, der mich angeschrien
hatte. Ich konnte gerade noch meiner
Frau die Kamera in die Hand drücken. Sie
schleiften mich am Boden um die Ecke und
banden mir mit Handschellen die Arme auf
Es ist jetzt juristische Finesse, aber eine
Verhaftung ist nicht das gleiche wie eine
Festnahme. Eine Verhaftung ist nur aufgrund eines Haftbefehls möglich, und den
kann nur ein Staatsanwalt, aber sicher nicht
die Polizei verfügen. Aber um juristische
Belange scheint sich die Polizei in Zürich ja
nicht mehr zu kümmern. Und das scheint
System zu haben.
Was geschah dann? Du kamst in U-Haft?
Sie nahmen mich zumindest mit auf die
Wache und steckten mich in eine Zelle.
Nach knapp einer Stunde schmissen sie mich
raus, ohne Einvernahme, ohne Protokoll,
ohne Aufnahme meiner Personalien, ohne
Effektenverzeichnis. Sie haben aber meine
Brieftasche durchwühlt und eventuell mein
Handy durchsucht. Und das, obwohl ich als
Medienschaffender Zeugnisverweigerungsrecht besitze. Meine persönlichen Effekten,
seien das Notizen, Handy, Laptop oder eben
Kamera müssten vor meinen Augen versiegelt werden; das haben sie vor zehn Jahren
noch gemacht: Damals habe ich darauf bestanden, dass meine Videokamera versiegelt
wird. Das hat zwar enorme Beharrlichkeit
meinerseits gebraucht, aber schlussendlich
sind sie dem nachgekommen. Meine Kamera
wurde vor meinen Augen in eine Plastiksack
getan und ich hatte konstanten Sichtkontakt dazu, bis sie in der Hauptwache vor
meinen Augen und mit meiner Unterschrift
versiegelt wurde. Wir sind damals ja bis vor
Bundesgericht [Anm.d.Red.: Im Zentrum
des Prozesses stand die Frage, ob Polizisten während der Ausübung ihrer Arbeit
Persönlichkeitsschutz geniessen, also ob man
sie ohne Erlaubnis fotografieren darf oder
tricky: knowlE wEst Boy
nicht] gegangen für die Rechte der Medienschaffenden und bekamen auch Recht. Zehn
Jahre später ist die Situation noch schlimmer, das kann doch nicht sein! Offensichtlich
müssen wir dieses Mal bis nach Strasbourg
gehen, damit die Behörden die rechtlichen
Standards endlich durchsetzen.
Nützt das etwas? Wird die Polizei nicht
einfach argumentieren, das sei ein Einzelfall
und ein paar «schwarze Schafe» im Korps
seien schuld?
Das ist kein Einzelfall: Seit dem letzten
Jahreswechsel ist eine verschärfte Gangart
gegen Journalisten festzustellen; Anfang Jahr
wurden allein in Basel und Bern sechs Journalisten widerrechtlich festgenommen, teils
an Kundgebungen, teils sogar präventiv. Es
geht also auch nicht nur um meine Person,
aber ich muss sagen: Uum Glück hat es mich
erwischt, sonst würde vielleicht kein Hahn
danach krähen.
Ich möchte hier gern erwähnen, dass ich in
den letzten 30 Jahren an die 500 Polizeieinsätze gesehen habe, doch so einen hysterischen Haufen, der sich selber leichtfertig
in Gefahr begibt, habe ich noch nie erlebt.
Einer der Polizisten stürmte alleine vor
und stand plötzlich inmitten eines Haufens
von BesetzerInnen. Zum Glück waren die
so harmlos, sonst wäre der niedergeprügelt
worden. Der ganze Einsatz war hirnrissig
und lebensgefährlich, für diejenigen, gegen
die er sich richtete, wie auch für die Polizisten selber.
Kann es denn sein, dass die Reaktion auf dich
aus Überforderung entstand?
Das glaube ich nicht. Ansonsten hätte der
«Brand Tour Offizier» das unwürdige Spielchen abblasen müssen. Das hat Programm,
das ist ja das Alarmierende: Vorgesetzte
bis hin zur Polizeivorsteherin sowie ihrer
Pressestelle unterstützen dieses kriminelle
Vorgehen. Bei Konflikten zwischen Medienschaffenden und der Polizei ist laut einer
Dienstanweiseung [siehe Kasten] zwingend
ein Vertreter der Medienstelle beizuziehen.
Das hat man mir verweigert. Und zwar nicht
nur vor Ort, sondern auch in den Tagen
nach dem Vorfall. Und das, ein halbes Jahr
nachdem Mediensprecher Marco Cortesi
mich privat gefragt hat, ob sich Frau Maurer
eigentlich einmal entschuldigt habe für das,
was mir die Stadtpolizei in den letzten zwanzig Jahren angetan hat.
Wurdest du geschlagen?
Sie haben mich nicht verprügelt, bloss ein
bisschen «sadistisch sanft gefoltert», nichts
Fototaugliches wie das in Zürich auch schon
vorkam. Aber ich wurde verletzt: Ich habe
noch Gefühlsausfälle im rechten Arm,
Würgemale an meinem Hals, wo sich ein
Polizist mit dem Ellbogen abstützte und
Schürfungen an Knien und Armen. Und
dazu wahnsinnige Rückenschmerzen – ich
bin auch nicht mehr der Jüngste; wenn da
ein knapp Dreissigjähriger eine halbe Stunde auf mir herumturnt und mir die Gelenke
umdreht, dann geht das in die Knochen. Als
dann auf der Hauptwache tatsächlich die
von mir verlangte Sanität kam, waren die
fast ein bisschen enttäuscht, dass da nicht ein
Halbtoter in der Zelle lag. Sie desinfizierten
meine Verletzungen und nahmen diese auch
schriftlich auf.
Du hast Anzeige erstattet. Rechnest du dir
Chancen aus?
Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass wir
gewinnen. Die Medienfachanwältin Regula
Bähler, die schon vor zehn Jahren mit dabei
war, führt die Anzeige und die Gewerkschaft
Comedia trägt die Kosten. Der Fall ist besser
dokumentiert als jede ähnliche Anzeige
zuvor. Meine Frau und ich haben das Ganze
fotografisch dokumentiert, und es haben sich
schon an die zehn Zeugen bei mir gemeldet,
darunter Anwohner, Kraftwerk-Besucher,
Leute, die versuchten, mit der Polizei zu
reden und einige, welche die Festnahme
ebenfalls fotografiert haben. Die Beweislage
ist eindeutig: Die Polizei wollte auf widerrechtliche Weise einen unliebsamen Zeugen
loswerden.
klare worte – Die Dienstanweisung der
zürcher stadtpolizei
Tätigkeiten von Polizeibeamten in der
Öffentlichkeit sind als Betätigung im Gemeinbereich zu werten und gehören damit
grundsätzlich nicht zur geschützten Persönlichkeitssphäre. Bei besonderen Anlässen,
wie zum Beispiel Demonstrationen, Umzügen und Ausschreitungen und so weiter.,
besteht überdies ein öffentliches lnformationsinteresse. Da über solche Ereignisse in
der Regel in Wort und Bild Bericht erstattet
wird, müssen die anwesenden beziehungsweise teilnehmenden Personen auch damit
rechnen, aufgenommen zu werden. (…) Das
öffentliche Informationsinteresse kann dabei
nicht nur von Medienschaffenden wahrgenommen werden, sondern von schlechthin
jedermann.
Polizeibeamte bewegen sich also bei
Erfüllung ihres Dienstauftrages grundsätzlich im Gemeinbereich und können durch
Bildaufnahmen – ausser durch eigentliche
Porträtaufnahmen aus nächster Distanz
oder durch entsprechende Aufnahmen mit
Teleobjektiven – nicht in ihren persönlichen
Verhältnissen verletzt werden.
(…)
Und was erhoffst du dir davon? Du hast
schon einmal vor Gericht gewonnen und
anscheinend hat sich nichts geändert?
Deswegen gehen wir nach Strasbourg und
wollen dort ebenfalls eine Verurteilung
erreichen. Es kann doch nicht sein, dass sich
die Schweiz an von ihr ratifizierte Abkommen wie die Menschenrechtskonvention
oder an eigene Gerichtsurteile nicht mehr
halten muss. Offensichtlich funktionieren
die Kontrollinstanzen für die Polizei in der
Schweiz nicht, und von da ist es nur noch ein
kleiner Schritt zum Polizeistaat, in dem die
Polizei autonom funktioniert. Zum Glück
gilt das noch nicht für die ganze Schweiz, in
Zürich allerdings schon. Esther Maurer hat
erneut bewiesen, dass sie menschlich und
fachlich inkompetent ist: Sie hat es in zehn
Jahren nicht geschafft, ihre eigenen Dienstanweisungen durchzusetzen. Und das, obwohl sie im Urteil vor zehn Jahren persönlich erwähnt wurde und mir Entschädigung
bezahlen musste für Äusserungen, die sie im
Gemeinderat über mich gemacht hatte. Entweder ist sie nicht willens oder nicht fähig,
das Gesetz umzusetzen. Und damit ist sie als
Polizeivorsteherin am falschen Ort.
Klaus Rozsa, 54, ist seit über 30 Jahren
Fotoreporter. Bis vor einigen Jahren fungierte
er bei der Mediengewerkschaft Comedia als
Präsident des Sektors Presse. Heute arbeitet
er für die Zürcher Bildagentur photoscene.
Nach eigenen Angaben hat er in den letzten
zehn Jahren kaum noch Demonstrationen
fotografiert.
Von Etrit Hasler
Bei Schwierigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten mit Medienvertretern ist immer
ein Angehöriger des Zentralen Dienstes Presse/Information beizuziehen, der
aufgrund seiner besonderen Personen- und
Sachkenntnisse zur Klärung und Beruhigung
der Situation beitragen kann.
Aus: DIENSTANWEISUNG 8903,
Stadtpolizei Zürich, unterzeichnet:
Der Kommandant Oberst P. Hofacher, 30.
November 1989
FaZ-Kolumnist Audioviel, seines Zeichens fetischistischer
Plattensammler und Schlagerfan, macht sich Gedanken
über den Nutzen von Plattenrezensionen – und weist en
passant auf die neue Platte von Tricky hin.
Gleich mal zu den harten, unumstösslichen
Fakten: Es gibt eine neue Platte von Tricky.
Sie heisst «Knowle West Boy», enthält 13
Tracks und ist im Juli 08 in Europa als CD,
Vinyl und Download-Version erschienen.
Falls Sie in Amerika wohnen, müssen Sie
sich leider noch bis im September 08 gedulden, bis die Platte veröffentlicht wird.
Nun, vielleicht wussten Sie das längst, da Sie
Tricky kennen und daher a) sich längst dafür
entschieden haben, die Platte zu kaufen.
Oder b) sich entschieden haben, die Platte
zu kaufen, bisher aber noch keine Zeit oder
Lust oder vielleicht kein Geld dazu hatten.
Oder c) «Besten Dank für den Hinweis! Ist
mir doch tatsächlich entgangen, dass es eine
neue Tricky-Platte gibt, ich werde mich sofort darum kümmern!» Oder aber d) Sie sich
entschieden haben, die neue Tricky-Platte
nicht zu kaufen, weil Sie sie aus welchem
Grund auch immer nun mal nicht erwerben
wollen. Ist schliesslich Ihr gutes Recht.
Falls Sie sich für a) entschieden haben,
brauchen Sie eigentlich nicht weiterzulesen,
da Sie die Platte ja bereits kennen und daher
auch Ihre eigene Meinung dazu haben.
Glauben Sie mir, ich werde Ihnen hier nichts
Neues über Tricky mehr erzählen. Quellen
über Musiker sind ja alle im Internet frei
abrufbar, und auch dieser Journalist bedient
sich bekannter Seiten wie «Wikipedia»,
«NME Online», «laut.de-Künstlersurftipps»
und «YouTube» für ein paar Live-Ausschnitte und allenfalls Interviews sowie vielleicht
noch eines Google-Searchs – das nur an
einem besonders motivierten Tag. Und – da
«Knowle West» ein Stadtteil von Bristol in
England ist – vielleicht mal bei «GoogleEarth» reinschauen. Sie können natürlich
auch direkt zum Fazit springen, die nachfolgenden Möglichkeiten kommen für Sie nicht
in Betracht.
Falls Sie sich für b) oder c) entschieden
haben, will ich Ihnen den Spass nicht verderben und alles vorher schon verraten. Sie
können daher ebenfalls aufhören zu lesen.
Wenn Sie dann die Platte gehört haben,
zurück zu a) oder vielleicht auch d), wenn’s
irgendwie doch nicht hingehauen hat.
Falls Sie sich für d) entschieden haben,
möchte ich Ihre Zeit nicht noch weiter in
Anspruch nehmen. Ich werde und möchte
Sie nicht vom Gegenteil überzeugen.
Vielleicht kennen Sie Tricky ja auch noch
nicht und gehören zu den Menschen, die
sich beim Erweitern ihres musikalischen
Horizontes, beziehungsweise ihrer Tonträgersammlung tatsächlich auf Kritiken und
Berichte verlassen. Nun, hier wird es etwas
schwierig. Wir kennen uns ja nicht. Woher
soll ich wissen, was Ihnen gefällt? Woher
wissen Sie, was mir gefällt? Wussten Sie,
dass ich auf Howard Carpendale stehe?
Dachte ich’s mir doch. Jetzt können Sie sich
geschockt zeigen und davon ausgehen, dass
ich keine Ahnung von Musik habe oder
versuchen, das Ganze zu kontextualisieren
… schön intellektuell, das. Ist ganz schön
gewagt, aber geben Sie sich doch den Ruck.
Denn wenn Sie bis hierhin gelesen haben,
könnte es zumindest sein, dass es Sie interessiert, ob dieser Tricky (wer auch immer das
sein mag) eine neue Platte gemacht hat oder
nicht oder ob er überhaupt jemals wieder
eine Platte machen wird. Ansonsten sind Sie
einfach MasochistIn.
Tricky? Wer ist Tricky?
Wir haben nun geklärt, dass Sie anscheinend
wissen wollen, wer Tricky ist, da Sie immer
wieder auf der Suche nach Neuem sind und
daher solche Artikel wie diesen hier lesen.
Eine im Grundsatz löbliche Haltung. Das
Problem ist nur: Wenn Sie bei all ihrer Neugier bisher dem Namen Tricky und seinem
musikalischen Output noch nie begegnet
sind, sollten Sie das zunächst nachholen. Ich
empfehle ihnen dazu Wikipedia (am besten
die englische Version). Suchen Sie mal nach
«Tricky», «Trip-Hop» und «Bristol». Das
sollte Ihnen weiterhelfen. Danach besuchen
Sie die Webpage www.knowlewestboy.
com, dort gibt’s Hörproben und sogar einen
aktuellen Videoclip von Tricky, so dass Sie
sich ein Bild machen können, ob das Ihre
Neugier wirklich weckt. Wenn dem so ist,
kaufen Sie doch ein paar Platten von Tricky!
Sie können zum Beispiel chronologisch beginnen, mit der ersten Platte «Maxinquaye»
aus dem Jahr 1995 und sich bis zur aktuellen
Platte voran arbeiten. Sie können das auch
umkehren und bei der aktuellen Platte
starten, das kann ganz lustig sein. Damit
sind Sie wohl ein Weilchen beschäftigt und
ich verabschiede mich hiermit höflichst von
Ihnen. Ist übrigens gerne geschehen!
Aber eben, vielleicht sind Sie ja doch
MasochistIn. Oder glauben ernsthaft daran,
dass ein Musikjournalist (allein der Begriff
gehört schon verboten) irgendwelche
geheimnisvolle Zusatzinformationen oder
«juicy details» besitzt, die er nur gerade
Ihnen, exklusiv, in diesem Medium verrät.
Tut mir leid: Ich habe noch nie mit Tricky
gesprochen, ich kenne auch bloss seine
Platten und ja, ich mag einen grossen Teil
davon. Sie ja offensichtlich auch. Wir müssen
uns jetzt ja nicht noch darüber unterhalten,
dass alle Platten ihre Höhen und Tiefen
haben, und dass natürlich sowieso keine
Aufnahme an das Erstlingswerk heranreicht,
ausser vielleicht noch der Song «Broken
Homes» mit Polly Jean Harvey auf «Angels
With Dirty Faces»? Klar oder? Falls ja, eben.
Falls nein, eben. Und können wir auf den
Massive Attack-/Portishead-/Nicolette-Link
und die Bristol-Erklärungen verzichten? Wir
wissen’s ja offensichtlich beide. Ja? Danke!
Nein? Doch.
Ok, als Zückerchen dafür, dass Sie bis
hierhin dabei geblieben sind, vielleicht noch
das hier: Ich nehme an, dass Sie im Booklet
gelesen haben, dass die Songs von Tricky
gemeinsam mit Bernard Butler produziert
wurden. Wussten Sie, dass das der Typ ist,
der bei der Brit-Pop-Band Suede Gitarre
gespielt und die Songs mitgeschrieben hat?
Und mittlerweile als erfolgreicher Produzent, etwa für Duffy, arbeitet? Falls ja, ich
hab Sie mittlerweile mehrmals gewarnt, dass
ich keine weiteren Informationen besitze.
Falls nein, hat diese Information an ihrer
Haltung zur neuen Tricky-Platte etwas
geändert?
Von Silvan Lassauer
Tricky, «Knowle West Boy»; Domino/MV
Fabrikzeitung August 2008
wEltuntErgang für
anfängEr
Wenn dieser verdammte Sommer so über
einen herfällt, brechen Welten zusammen
und der Angstschweiss dringt aus allen
Poren. Verstörte Sozialliberale rennen wie
ein aufgescheuchter Hühnerhaufen durchs
Land, denn sie haben erkannt, dass die
Bevölkerung nicht sicher ist. Aufgeregt wird
ein Papier gebastelt, in dem die Schuldigen
benannt, verurteilt und geprangert werden:
Die Bettler und die Jugend. Beide, so hat
die Sozialdemokratie erkannt, gefährden
nämlich unsere Pensionskassen, die einen,
weil sie zuviel saufen, und die anderen,
weil sie gar nicht arbeiten wollen (bei der
Zuordnung ist man sich noch nicht sicher).
Die StilPolizei winkt mit dem mahnenden
Finger des gesunden Menschenversandens
und erinnert daran, dass nur erlaubt ist, wer
nicht stört.
Derweil hat sich die Boulevardpresse ein
neues Opfer gesucht und gleich zwei gefunden: Ein armer Appenzeller, der sich aus den
sumpfigen Niederungen seiner inzestuösen
Herkunft emanzipiert hat und im grossen
weiten Bundesbern zum höchsten Appenzeller aufgestiegen ist (man munkelt, es
gebe irgendwo noch einen Bundesrat, aber
von dem hat man schon seit Jahren nichts
mehr gehört), und ein halber Bundesrat,
dessen seliges Lächeln nach der Abwahl
seines Erzfeindes schon wieder der gewohnt
säuerlichen Rücktrittsmiene gewichen ist.
Beide stolpern über ihre eigentümliche
Unfähigkeit, sich von alten Beziehungen
zu lösen, aber nur einer von beiden wird in
Pension gehen, dem anderen hat die grösste
Tageszeitung des Landes schon eine gestrenge Herrin als Abschiedsgeschenk besorgt.
Teppichklopfer inklusive.
Einheimischen verwechseln und über den
Haufen foltern. Aber im Unterschied zu zuhause kann man ihn in der Wüste durchaus
von den Arabern unterscheiden: Er ist der
mit der Sonnenbrille. Aber das ist nur ein
Zwischenspiel. Das ist alles so weit weg und
hat gar nichts mit uns zu tun. Wer das nicht
glaubt, dem sei gesagt, dass der Sohn des
Herrn am Seeufer sass und sah, dass es gut
war. Wer nicht da war, hat niemals gelebt.
Bleiben wir zuhause: Ein Vorort des nationalen Scheissehaufens hat sich gerade
zur Grossstadt erklärt. Haha, lachen die
Bewohner von Scheissehaufen, schau mal
die Provinzler, wie herzig. Haha, lachen die
Bewohner von Neugrossstadt zurück: Schau
mal die Deutschen mit ihrem Weltbürgermeister. Bleibt besser auf eurer Seite
des Kantons, sonst zeigen wir euch, was
wir mit der grossdeutschen Fussball-NaziMannschaft gemacht haben damals in Töss.
Apropos Fussball: Anstatt des ältesten
Fussballklubs steht jetzt die älteste Geldwaschmaschine des europäischen Festlandes
an der Spitze des nationalen Trachtenvereins
und niemanden stört‘s. Oder wie sagt Conor
Oberst? If you love something, give it away.
von Hangman
Im Irak sterben Menschen, während sie das
lesen. Shot happens. Und der neue Präsident
der Welt geht zu Besuch, unter besonderen
Sicherheitsvorkehrungen natürlich. Nicht
auszudenken, ein übereifriger Soldat würde
ihn in der Hitze des Gefechts mit den
is this it
Impressum
Kontakt:
Fabrikzeitung
Seestrasse 395
Postfach 1073
8038 Zürich
[email protected]
Tel. 044/ 485 58 08
Druck:
Ropress Genossenschaft
Baslerstrasse 106
8048 Zürich
Herausgeberin:
IG Rote Fabrik
Seestrasse 395,
8038 Zürich
www.rotefabrik.ch
www.glashaus.ch/faz
Redaktion:
Etrit Hasler
Reto Aschwanden
Gestaltung:
Gregor Huber
Artwork (2. / 3. Bund):
Sarah Parsons & Anna-Lina Balke
Mit Beiträgen von:
Esther Becker, Yvonne Kunz,
Hannes Grassegger, Tim Stüttgen,
Reto Aschwanden, Zoë Blanc,
Etrit Hasler, Gregor Huber
Website:
www.rotefabrik.ch/fabrikzeitung
Auflage:
3‘500 Exemplare
Erscheinungsweise:
monatlich
Abonnemente:
35 Fr. pro Jahr/10 Ausgaben
60 Fr. Soliabonnement
[email protected]
Monatsprogramm August 2008
Musikbüro
Theaterbüro
Film am See
Lethargy
Konzept
Da cruz
theaterspektakel 2008
c‘era una volta il west
lethargy 08
fan city
Brasilianische Klänge für den Sommer:
Die in der Schweiz wohnhafte Sängerin Mariana Da Cruz ist mit Band zu Gast in der
Roten Fabrik und verspricht Sounds abseits
von den abgenutzten Klischees über ihr
Land, weit weg von Karneval, Bikinis und
Federboas – Transglobaler Pop zwischen
brasilianischem Soul und europäischer
Technologie. Man darf gespannt sein.
Wie jedes Jahr ist auch diesen Sommer die
Rote Fabrik wieder eine der Spielstätten
des Zürcher Theaterspektakels. Im Zentrum stehen dieses Mal zwei SprechtheaterProduktionen aus und über den Nahen
Osten. Ergänzt wird das Program von
Tanz- und Figurentheater aus Belgien und
der Schweiz – für ein buntes Programm ist
also gesorgt.
Wer gern zu elektronischer Musik tanzt,
aber dem Sommerkaufrausch Streetparade
nichts abgewinnen, der ist auch dieses Jahr
in der Roten Fabrik am richtigen Ort. Bereits zum 15. Mal wird die Rote Fabrik zum
Techno-Tempel, und live acts wie Bomb the
Bass und Model 500 sowie die dutzenden
DJs versprechen ein einzigartiges – und
stressfreies – Erlebnis.
FR 15. AUG / 21.00h
Clubraum
SA 16. bis SO 30. AUG
Fabriktheater und Aktionshalle
Auch im August laufen noch Vorstellungen
der Jubiläumsausgabe von Film am See
laufen noch im August. Ganz besonders zu
empfehlen: Das grosse Finale mit «C‘era
una volta il West» (deutsch besser bekannt
als «Spiel mir das Lied vom Tod») von
Sergio Leone, mit Henry Fonda, Claudia
Cardinale und Charles Bronson sowie der
unvergesslichen Musik von Ennio Morricone ist wahrlich ein Knaller zum Schluss – in
allen möglichen Bedeutungen des Wortes.
Auf keinen Fall verpassen!
In einem einwöchigen Workshop zu
Beginn der EM 08 wurden im Rahmen des
Projekts FAN CITY die stadträumlichen
Erscheinungsformen des Fussballturniers
in Zürich untersucht, dokumentiert und in
einer kollektiven Kartografie visualisiert.
Die dabei entstandene Kartographie wird
noch bis Anfangs August in der Shedhalle
ausgestellt und bietet einen ungewohnten,
aber wichtigen Blick nicht nur auf das
Grossereignis Euro, sondern auch auf die
Stadt Zürich.
DO 28. AUG / 21.30h
Open Air
FR 8. Bis SO 10. AUG
Aktionshalle, Clubraum, Shedhalle
Bis 3. AUG
Shedhalle
Monatsprogramm August 2008
Lethargy 2008
Live Acts:
Samstag, 9. August
Live Acts:
Freitag 8. August
// Clubraum
Bomb the Bass
// Clubraum
The Emperor Machine
The Emperor Machine ist ein Soloprojekt von Andy Meecham, das aus einer
dreckigen Beziehung zwischen einem
EMS VCS3 und einem Roland System 100
gezeugt wurde. Der Name wurde zufällig
aus einem grossen schwarzen Hut gezogen,
der Schwung hinter dem Projekt ist aber
alles andere als zufällig: Das Projekt wurde
geboren aus Meechams Wunsch einen
Jetzt-Sound mit Vintage Equipment und
Pro-duktionstechnikern der Siebziger zu
kreieren. Die Musik von The Emperor Machine ist inspiriert von Sci-Fi Filmen, Prog
Rock, Electronic Rock, Disco, Delia Derbyshire und einer schweren Can-Sucht. Bisher
funktionierte The Emperor Machine nur
als Studio-Unternehmen, jetzt hat Meecham
eine drei-Stück Band konstruiert um seine
kosmischen, spaced-out punk-funk grooves
in die live-Arena zu bringen.
// Aktionshalle
Model 500
Zeitgleich zum Zürcher Streetparade
Wochenende findet auch dieses Jahr wieder
das Lethargy Festival statt.
1994 als nichtkommerzieller Gegenpart
zum Streetparade-Rummel gegründet,
geht die Lethargy zum 15. Mal am Ufer des
Zürichsees in der Roten Fabrik in die Tanzbeine. Über die Jahre hat hier eine Vielzahl
nationaler und internationaler Vertreter der
elektronischen Musik die roten Bachsteine
zum Vibrieren gebracht. Die Acts zeichnen
sich durch innovative, verspielte und vor
allem auch tanzbare Beats aus. Dabei wird
darauf geachtet, jährlich neue und alte
Perlen zu durchmischen.
Dieses Jahr wird sicher speziell, wenn mit
der Legende Model500 Juan Atkins, Dj
Skurge, M. Taylor und der Underground
Resistance Boss Mike Banks nach Zürich
kommen! Des Weiteren freuen sich die
Lethargy-Macher, einen besonderen
Leckerbissen präsentieren zu können: The
Emperor Machine. Das Spacedisko-Projekt
von Andy Meecham (Bizarre Inc., Chicken
Lips) wird dieses Jahr erstmalig live vorgestellt und Zürich ist einer der raren Städte,
wo sie Halt machen!
Im Grossen Partygetummel der Streetparade positioniert sich die Lethargy als echte
Alternative. Kein Sponsoring, aufwendige
Gestaltung, drei Floors, das stimmungsvolle
Areal der Roten Fabrik und natürlich die
legendäre Afterhour am Seeufer sind die
ganz speziellen Eckpunkte dieses Festivals.
komplettes Programm siehe S. 18
Juan Atkins ist Mitbegründer des Detroit
Techno und somit einer der wichtigsten
Vertreter der Musikrichtung Techno. Unter
dem Pseudonym Model500 veröffentlichte
er 1985 das Stück «No UFOs», die erste
Techno-Platte überhaupt. Als Betreiber
des Labels Metroplex wird er häufig als
«The Originator» oder als «Godfather» des
Detroit Techno bezeichnet. Der frühere Funk-Bassist begann seinen
stilbildenden Einfluss als Radio-DJ «the
electrifying Mojo». In seiner Show spielte er
Platten von Kraftwerk und Giorgio Moroder. Mit den «Bellville Three» (Juan Atkins,
Kevin Saunderson und Derrick May) legte
er den Grundstein für die «Technostadt»
Detroit. Das Live-Konzert an der Lethargy
wird die Sicht der Meister Juan Atkins und
Mike Banks (Underground Resistance)
zur elektronischen Musik zum Ausdruck
bringen und deren Energie aufzeigen, damit
klar wird , wieso Techno zum Phänomen
werden musste.
// Aktionshalle
Louie Austen
Die Karriere des Wiener Multitalents ist
unbeschreiblich facettenreich und vielseitig.
Eines verbindet aber alle seine Lebensstationen; viel Herzblut und eine gesunde
Portion Humor. Austen kam im September
1946 in Wien zur Welt und wanderte nach
seinem Konservatoriumsabschluss zuerst
nach Südafrika, dann weiter nach Australien
aus, und zuletzt in die Staaten. Gemeinsam
mit seiner afroamerikanischen Combo The
Harlem Blues & Jazz Band folgte Austen
in New York seiner Leidenschaft für Jazz
und Blues, und kehrte erst 1980 wieder
nach Wien zurück, wo er einen Job als
Hotelpianist annimmt. Mit dem Wiener
ClubkulturProduzenten entstand 1999 das
Werk «Consequences». Schnell erlag die
Clubszene dem verführerischen Charme
des Altmeisters dank Hits wie «Hoping»
oder «Amore ». Kein Wunder also, dass die
Kooperation zwischen den Generationen
weitere Früchte trug, sei es mit der kanadischen Sex-Botschafterin Peaches, oder auch
aktuell mit Senor Cocnut. Derweil tourt der
ambitionierte Tennisspieler, Hobby-Boxer
und Zen-Buddhist durch die Welt und wir
dürfen auf seinen Auftritt an der Lethargy 08 gespannt sein, wo sich der «ChefElectro-Crooner» auf der grossen Bühne
präsentieren wird.
TTim Simenon aka Bomb the Bass rauschte
1988 mit «Beat dis», einem der wichtigsten
Blueprints einer neuen Musikgeneration,
in die Charts und feiert just diese Tage mit
«Future Chaoss ein Comeback. Pünktlich
zum 20sten Geburtstag von Acid House, das
zurzeit auch ein Revival in den englischen
Clubs erlebt. Auf seinem ersten Album ‘Into
the Dragon’ (1988) mischte Elemente aus
Acid, HipHop und Soul, die in ganz Europa
die Charts eroberte. In England wurde er
gar als Begründer der DJ Kultur gefeiert. Mit diesem und seinen zwei folgenden
Alben «Unknown Territory» (1991) und
«Clear» (1995) bewies Tim Simenon, dass er
nicht nur angetreten war, den Soundtrack
für den einen Sommer abzuliefern. Clear
wurde zu einem oft geremixten Album
der New School von Cut and Paste-Artists
wie Kruder & Dorfmeister (Bug Powder
Dust Remix), Chemical Brothers, La Funk
Mob und The Jedi Knights. Nun meldet
sich Bomb the Bass zurück mit dem Album
«Future Chaos» – dem ersten seit 14 Jahren
- und wird auch wieder live auftreten, auf
dem Festland erstmals an der Lethargy 08!
// Clubraum
Rex the Dog
Mit Remixes für Depeche Mode, Prodigy,
Soulwax, The Knife, Client oder Mylo und
weiteren Releases auf Kompakt hat sich
Rex the Dog schnell einen Namen gemacht
in der hiesigen Elektro Szene. Nach langer
Geheimniskrämerei, wer hinter diesem
Pseudonym steckt, kam schliesslich bei
seinem ersten Live-Auftritt heraus, dass es
sich um den Londoner Produzent Jake Williams handelt, welcher in den 90er Jahren
mit Dance-Hits wie «Son of a gun», «You
belong to me», «Bullet in the gun» nicht nur
die UK-Hitparaden stürmte.
// Clubraum
Fullduplex
Der Elektrofuckinterror Live-Act aus
Berlin um Frank Effex und Randy Robot
bedienen sich verschiedener Musikstile und
kreiieren ihren Eigenen Elektro-sound und
die Message von Fullduplex auf der Bühne
ist unmissverständlich: «We want you to
sweat blood!»
// Aktionshalle
// Aktionshalle
SweetnCandy
Djuma Soundsystem
Der 28 Jährige Berliner Rico Henschel
überzeugt seit 2002 mit verschiedenen
Veröffentlichungen auf Labels wie Raum
Musik, Einmaleins, Dump Unit, Opposum,
Musik Krause u. a und schaffte es schon
mehrmals in die Groove-Charts oder
Playlist bekannter Djs. Eine Spezialität des
Produzenten Rico sind minimale und kraftvoll treibende Sounds, manchmal werden
flächige Melodien eingebaut ohne jeweils
dem Kitsch zu verfallen.
Der Norweger DJ Mikkas bildet mit den
Dänen Lars B. und DJ Disse das Team
Djuma Soundsystem welches mittlerweile auf dem gehypten Berliner Label Get
Physical (Samim, Boka Shade, Lopazz u.
a) veröffentlicht. Das Resultat ist im schon
viel geremixten (u.a. von Moby) Track «Les
Djinns» am besten zu erkennen: Arabische
Percussion und Streicher treffen auf House
und electronische Beats. Eine explosive
Mischung und niemals billig.
//Aktionshalle
Lamont Prince
Der sympatische Lamont Prince aus
Washington DC ist ein begnadeter Sänger
mit klassischer Ausbildung, komponiert für
Theater, TV, Film und Tanz, produziert auf
Labels wie Levitation Station und arbeitete
zusammen mit Künstler wie Khan, Ingmar
Koch von Air Liquide oder dj DNA. Als DJ
hat er sich in IDM oder IDL (intelligence
Lounge Music von Frank Sinatra bis David
Sylvian) spezialisiert.
// Aktionshalle
Galloppierende Zuversicht
Das Duo Bang Goes und Lethargy-Macher
Styro 2000 gehört zum festen Inventar des
Lethargy Festivals. Auf der Bühne erkennt
man sie anhand der Stirnlampen und einer
mehrzahl an selbsgebauten elektronischem
Equipement wild verteilt auf einem grossen
Tisch. Mit Veröffentlichungen auf Zürcher
Labels wie Bruchstücke und mehreren
Auftritten im Ausland wie am Mutek,
Fusion, Burning Man, Privilege (Ibiza) oder
Panorama-Bar gelten Marcel Ackerknecht
(Styro) und Roland Widmer (Bang Goes)
schon längst als Zugpferde der Schweizer
Techno-Szene.
// Shedhalle
Schlammpeitziger
Jo Zimmermann aus Köln macht gerne
Musik live mit alten Casio-Keyboards und
seit 16 Jahren schon beglückt er uns mit
seiner wortverspielten sehr speziellen Art
von Humor die sich in Labels wie Mouse on
Mars’s Soniq, Entenphul, A-Musik, Domino
Records oder Bodensatz wiederfinden.
Plattentitel wie: Erdrauchharnschleck,
Burgfensterrythmuskucklock, Freundlichbaracudamelodieliedgut, Restwasserstreitgebettel oder Augenwischwaldmoppgeflöte
unterstreichen das und man darf sich hier
auf ein schön schräges LoFi-Konzert gefasst
machen.
// Shedhalle
Bodi Bill
Das Berliner Trio fusioniert Folk mit
Elektro und tritt live mit elektronischem
Equipment (Laptop, Synthesizer) wie auch
mit Geige, Bassdrum, Gitarre oder Klavier
auf. Zusammen mit dem Gesang enstehen
hier melancholisch-düstere Songs, die dennoch tanzbar sind. Nachdem sie mit ihrem
Debut-Album «No more wars» für Furore
gesorgt haben und diese landauf landab
getourt haben, doppeln sie jetzt mit ihrem
neuen Longplayer «Next time» auf Sinnbus
Records nach.
Model 500 (live) | Lethargy | Freitag 8. August 23 Uhr | Aktionshalle Rote Fabrik
Monatsprogramm August 2008
Monatsprogramm August 2008
MonatsPrograMM
rotE faBrik august 2008
Musikbüro
Sommerbühne
Fr 15. AUG / 21.00h
// Clubraum / JackSoul:
FR 1.AUG / 19.30h
// Sommerbühne
Da cruz / Dj Doca
DEMolition BluEs /
thE jackEts /
frank swEat
http://www.dacruzmusic.com/
Seu Jorge, Zuco 103, Cibelle, Bebel Gilberto:
Die spannendste brasilianische Musik wird
derzeit ausserhalb Brasiliens produziert. Mariana Da Cruz ist die neueste dieser kreativen
Ausreisserinnen, eine Paulista mit Wurzeln in
Bahia. Nach der üblichen Kirchenchor-Laufbahn als Bossa-Nova-Sängerin, verdingte sie
sich schon in frühen Jahren in den schlechter
beleuchteten Clubs von Campinas Sao Paulo. Bis sie eines Tages beschloss, ihr Glück in
Lissabon zu suchen. Nach einem Abstecher in
Lissabon ist sie in der Schweiz gestrandet, wo
sie mit dem Produzenten Ane H. (dem ehemaligen Sänger der Industrial-Band Swamp
Terrorists) und dem Gitarristen Oli Husmann
an einem neuen Sound zwischen Bossa Nova,
Breakbeats, Jazz, Electro und neuzeitlichem
Samba Rock arbeitet. Für das Debüt-Album
„Nova Estação (Indigo) arbeitet man mit Duduka DaFonseca zusammen, dem ehemaligen
Schlagzeuger von Tom Jobim («Girl from Ipanema»).
Rock’n’Roll im Dreierpack zum Nationalfeiertag! Frank Sweat gab es schon mal zwischen
2001 und 2003. Vor einem Jahr wurde der
Bandwaggon neu gestartet und seither klimpert und sägt die Truppe einen schwingenden
Teppich für Franks nonchalant vorgetragene,
schriftdeutsche Texte. Wer braucht da noch
Udo Lindenbergs Comeback?
Theaterspektakel
wandten Bands bringen The Jackets nicht nur
die Bühnenbretter zum brennen, nein: Dieses
Trio spielt Songs, die klingen wie Singlehits, die
man aus unerklärlichen Gründen bislang nicht
zu Gehör bekam. Das soll sich ändern.
Zum Abschluss folgen schliesslich Demolition
Blues aus Zürich. Das Quintett stampft durch
psychedelischen Blues und grossstädtischen
Rock’n’Roll. Immer wieder scheinen die ländlichen Wurzeln dieser ursprünglichen Musik
durch. Doch dann bricht sich wieder der dröhnende, unerbittlich motorende Sound der grossen New Yorker Rockbands der 70er Bahn. Ein
Wechselbad an den Gestaden des Zürisees.
Vorschau:
Di 02.09.08 The Jon Spencer Blues Explosion
Do 04.09.08 Kettcar
Fr 05.09.08 Conor Oberst and the
Mystic Valley Band
Sa 11.10.08 Anthony B
Sa 18.10.08 Platinum Pied Pipers
Do 23.10.08 Hanson Brothers
Fr 24.10.08 Lambchop
Mi 12.11.08 The Streets
Di 18.11.08 Mogwai
DO 21., FR 22. AUG / 21:00h
// Aktionshalle / Sprechtheater
FR 22. AUG / 12.00h
// Theater der Künste
how nancy wishED
that EVErything was
an aPril fool’s jokE
in sPitting DistancE
hoMEstoriEs
Rukab
Tischgespräch mit Ofira Henig und
Lhalifa Natour, Theater der Künste
«Nur einen Steinwurf entfernt» und doch so
fremd. Nicht immer: Die renommierte israelische Regisseurin Ofira Henig, der palästinensische Autor Taher Najib und der Schauspieler
Khalifa Natour (bei uns bekannt vom Film
«The Band’s Visit») arbeiten seit Jahren in
verschiedenen Projekten zusammen. In Najibs
preisgekröntem Solo-Stück will ein in Paris
lebender Schauspieler, ein Palästinenser mit
israelischem Pass, am Vorabend des ersten Jahrestags von 09/11 zurück nach Tel Aviv fliegen.
Ein grotesker Irrlauf durch eine hyperventilierende Sicherheitsbürokratie beginnt ... Der
internationale Flughafen wird zum metaphorischen Schauplatz der Suche nach Identität. Mit
schmerzhafter Ironie zeigt «In Spitting Distance» einen Menschen, der das Unglück hatte,
in einem besetzten Land geboren zu werden,
und seine Sehnsucht nach Normalität.
Rabih Mroué
Krieg ist für ihn Alltag: Der Autor, Regisseur
und Schauspieler Rabih Mroué, 1967 im Libanon geboren, kennt seine Heimat nur im
Zustand des Krieges. Fronten, die quer durch
Familien verlaufen, Heckenschützen und Märtyrer, Gewalt, verübt im Namen der Religion,
und die Allgegenwart des Todes: Es braucht
den ganz speziellen Humor und das dramatische Talent von Rabih Mroué, um den Alltag
gewordenen Wahnsinn dieses über 30-jährigen
Bürgerkrieges in einer Art tragischen Farce auf
die Bühne zu bringen. Vier Schauspieler sitzen
frontal zum Publikum, und während über ihnen Märtyrer-Plakate von 1975 bis heute eingeblendet werden, erzählen sie «ihr» Leben und
wie sie gestorben sind. Die einzelnen, nüchtern
erzählten Episoden verweben sich zu einem
dichten Geflecht, das die monströse Absurdität
dieses Konflikts greifbar macht.
Ab in die Garage geht es anschliessend mit
The Jackets. Auch das Berner Trio besteht
aus gestandenen Kämpen. Sängerin und Gitarristin Jack Torera hinterliess bleibenden
Eindruck als Mitglied von The Mad Cowgirl
Disease und The Fox. Severine Erni schwang
den Bass schon für die Tight Finks und Chris
Rosales schliesslich spielte lange mit dem notorischen Beat-Man. Seit einem Jahr werkeln
sie an einer Mixtur aus Mod, Punk, Hardrock
und Psychedelia. Und im Gegensatz zu stilver-
Aktuelles Album: «Corpo Elétrico»
Arabisch mit deutschen Untertiteln
Dauer 60 Minuten
Arabisch mit deutschen Untertiteln
Dauer 90 Minuten
Lethargy 2008
Theaterspektakel
FR 08. AUG – SO 10. AUG
// Ganzes Areal
DO 28., FR 29., SA 30. AUG / 21.00h
SO 31. AUG / 20.00h
// Aktionshalle / Musik-Tanz-Theater
lEthargy 2008
frEitag
saMstag
sonntag
www.murderbydeath.com/
8. August / 23:00 Uhr
9. August / 23:00 Uhr
8. August Afterhour
Zeitgleich zum Zürcher Streetparade Wochenende findet auch dieses Jahr wieder das
Lethargy Festival statt. 1994 als nichtkommerzieller Gegenpart zum Streetparade-Rummel
gegründet, geht die Lethargy zum 15. Mal am
Ufer des Zürichsees in der Roten Fabrik in die
Tanzbeine. Über die Jahre hat hier eine Vielzahl nationaler und internationaler Vertreter
der elektronischen Musik die roten Bachsteine zum Vibrieren gebracht. Die Acts zeichnen
sich durch innovative, verspielte und vor allem
auch tanzbare Beats aus. Dabei wird darauf geachtet, jährlich neue und alte Perlen zu durchmischen. Dieses Jahr wird sicher speziell, wenn
mit der Legende Model500 Juan Atkins, Dj
Skurge, M. Taylor und der Underground Resistance Boss Mike Banks nach Zürich kommen!
Des Weiteren freuen sich die Lethargy-Macher,
einen besonderen Leckerbissen präsentieren
zu können: The Emperor Machine. Das Spacedisko-Projekt von Andy Meecham (Bizarre
Inc., Chicken Lips) wird dieses Jahr erstmalig
live vorgestellt und Zürich ist einer der raren
Städte, wo sie Halt machen!
FR 06. JUN 2008 / 21.00h
// Aktionshalle
VEnizkE
Benaouisse & Pauwels / Campo
// Clubraum
The Emperor Machine (live) D.I.R.T.Y.
Soundsystem feat. Pilooski (djs), Low Motion
Disco (dj), Lexx (dj)
// Clubraum
Bomb the Bass (live), Rex the Dog (live),
Fullduplex (live), Membrane (dj), Matija (dj),
Rumory (dj)
// Aktionshalle
Model 500 (live), Louie Austen (live),
SweetnCandy (live), Snur (dj), Kalabrese (dj),
Co.mini (dj)
// Aktionshalle
Jesse Rose (dj), Djuma Soundsystem (live),
Juan Atkins (dj), lamont Prince (live), Galloppierende Zuversicht (live), Micrometropolis
(dj)
// Shedhalle
Nat & Cio (dj), Appleblim (dj), Peverelist (dj)
// Clubraum
P.Bell (dj), Ida (dj), Styro2000 (dj), Rino (dj),
Sven Dohse (dj)
// Shedhalle
Apoll (dj), Schlammpeitziger (live), Goodman
(dj), Bodi Bill (live) Feldermelder (live)
Model 500 (Juan Atkins)
Fabrikvideo
FR 29. AUG / 12.00h
// Theater der Künste
hoMEstoriEs
Tischgespräch mit Ben Benaouisse
und Lies Pauwels
Die erste gemeinsame Arbeit der belgischen
Schauspielerin und Regisseurin Lies Pauwels
und des Tänzers und Choreografen Ben Benaouisse wird am Theater Spektakel als Premiere
gezeigt. Die künstlerischen Wege von Pauwels
und Benaouisse haben sich in den vergangenen
Jahren immer wieder gekreuzt, beide gehören
zum festen Kern der flämischen Tanz- und Theaterszene um Alain Platel, Arne Sierens oder
Victoria und sorgten mit ihren expressiven, von
Spielfreude geprägten Produktionen immer
wieder für Aufsehen. Beide arbeiten stark mit
Improvisation und entwickeln ihre Stücke bei
den Proben gemeinsam mit den Tänzern und
Schauspielern. Ausgangspunkt von «Venizke»
ist die Musik. Setzten sie Musik bisher eher für
die atmosphärische und emotionale Entwicklung des Stücks ein, so bildet diesmal eine klar
umrissene Partitur, die aus einer Auseinandersetzung mit dem musikalischen Kanon der
letzten Jahrhunderte resultiert, die Basis der
Probenarbeit mit sechs Tänzern/Schauspielern.
(esc)
Film am See
27. JUN - 27.JUL 2008:
// Shedhalle / Ausstellung:
07. AUG / 21.30h
// Open Air,
bei schlechter Witterung drinnen
14. AUG / 21.30h
// Open Air,
bei schlechter Witterung drinnen
21.AUG / 21.30h
// Open Air,
bei schlechter Witterung drinnen
28. AUG / 21.30h
// Open Air,
bei schlechter Witterung drinnen
tuValu
BaD Boy BuBBy
hunDstagE
von Veit Helmer, Bul, D 99, 91Min.,
ohne Dialog
von Rolf de Heer, AUS 93, 112 Min.,
englisch, UT d/f
von Ulrich Seidl, A , 121Min., deutsch
c‘Era una Volta
il wEst
kartograPhiE zur
Euro 08 in zürich
Wie verändert sich die Stadt Zürich während
der EM 2008? Wie präsentiert sie sich als Marke? Wie wird sie als Werbefläche genutzt? Wie
überträgt sich die Sicherheitslogik auf den
urbanen Raum? Welche spontanen und informellen Strukturen prägen neben den offiziellen
Veranstaltungen die Stadt? In einem einwöchigen Workshop zu Beginn der EM 2008 werden
die stadträumlichen Erscheinungsformen des
Fussballturniers vor Ort untersucht, dokumentiert und in einer kollektiven Kartografie visualisiert. Der Workshop im Juni lud ArchitektInnen, KünstlerInnen und StadtforscherInnen
ein und wandte sich zudem an alle Interessierten, insbesondere an Studierende aus raumbezogenen, gestalterischen und künstlerischen
Studiengängen. Die Resultate des Workshops
werden mit einem gedruckten Faltplan und mit
einer Ausstellung in der Shedhalle bis Ende
Juli präsentiert.
Wie verändert sich die Stadt Zürich während
der EM 2008? Wie präsentiert sie sich als
Marke? Wie wird sie als Werbefläche genutzt?
Wie überträgt sich die Sicherheitslogik auf
den urbanen Raum? Welche spontanen und
informellen Strukturen prägen neben den offiziellen Veranstaltungen die Stadt? In einem
einwöchigen Workshop zu Beginn der EM
2008 werden die stadträumlichen Erscheinungsformen des Fussballturniers vor Ort
untersucht, dokumentiert und in einer kollektiven Kartografie visualisiert. Der Workshop
im Juni lud ArchitektInnen, KünstlerInnen
und StadtforscherInnen ein und wandte sich
zudem an alle Interessierten, insbesondere an
Studierende aus raumbezogenen, gestalterischen und künstlerischen Studiengängen. Die
Resultate des Workshops werden mit einem
gedruckten Faltplan und mit einer Ausstellung
in der Shedhalle bis Ende Juli präsentiert.
Bubby, ein 35 jähriger Junge, wird seit seiner
Kindheit von seiner Mutter im Glauben, dass
die Aussenwelt vergiftet sei, in einem grauen
Kellerloch festgehalten. Nach einem Besuch
von seinem verschwundenen Vater zwingen
die Umstände Bad Boy Bubby sich in die Aussenwelt zu wagen. Er, der Welt so ungewohnt
wie sie ihm, beginnt zögernd seine Freiheit
zu erkunden... Rolf de Heers schockierende
Attacke auf die moderne Zivilisation ist eine
eigenwillige Variante von «Kaspar Hauser»
und «Forrest Gump», in der ein brillanter
Nicholas Hope die australische Welt aus
ungewöhnlicher Sicht zeigt. Das provokante
Portrait eines aussergewöhnlichen Menschen
wurde 1993 bei den Filmfestspielen in Venedig
mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet.
Der 2001 mit dem Grossen Jurypreis der
Filmfestspiele von Venedig ausgezeichnete
Spielfilm «Hundstage» beschreibt in sechs
nebeneinander laufenden und sich vereinzelt
kreuzenden Erzählspuren das Wochenende
einzelner Personen in der brütenden Hitze einer Wiener Vorstadt. Der beinahe ausschliesslich mit Laien-Schaupielern besetzte Film wird
zum betörenden Portrait einer Gesellschaft,
die an sich selbst zu scheitern scheint. Die
präzise Beobachtungsgabe und nicht zuletzt
der Humor des Regisseurs Ulrich Seidl schafft
ein gleichzeitig amüsantes und ernüchterndes
Spannungsfeld zwischen filmischer Ästhetik
und Wirklichkeit. «Hundstage ist vielleicht
kein angenehmer, aber ein grosser Film. Einer
von denen, die mit der Zukunft des Kinos zu
tun haben.» (Georg Seesslen)
von Sergio Leone I, US 68, 165 Min.,
englisch UT d/f
Irgendwo im staubigen Westen: Drei Killer
warten auf einem einsamen Bahnhof auf die
Ankunft ihres Opfers. Doch niemand entsteigt
dem Zug. Erst als dieser weiterfährt, bemerken sie den einsamen Cowboy, der auf der
anderen Seite den Zug verlassen hat. Viel Zeit
bleibt ihnen nicht mehr, der Fremde ist schneller mit seinen Colts, und ehe sie sich versehen,
fressen sie Staub. Doch das ist erst der Anfang
eines einzigartigen Rachefeldzugs... Sergio Leone inszenierte diese grandiose Abrechnung
mit dem Mythos des «Goldenen Westens» und
schuf gleichzeitig ein Höhepunkt des ItaloWesterns.
FR 29., SA 30. AUG / 18.00h – 22.00h
// Landiwiese / Theater-Installation
EntEr My BuBBlE
DEr klassikErautoMat jEDEs stück hat sEinEn
PrEis
Nominiert für den ZKB Förderpreis 2008
Dauer 55 Minuten
faBrikViDEo
-
Schnittplätze
begleitete Videowerkstatt
Videokurse
Projektbegleitung
Überspielungen DV /DVD / SVHS / Beta
Kamerakurs
In diesem Kurs lernst du die Grundlagen der
Kameratechnik und der Filmsprache kennen.
Der Kurs besteht aus Theorie und Praxis.
4x am Dienstagabend von 18.30-21.30 Uhr
Beginn: 9.9., dann 16.9./ 23.9./ 30.9.
Fr. 240.Animationskurs
In diesem Kurs lernst du anhand eines Countdowns die verschiedenen Möglichkeiten und
Techniken des Animationsfilm kennen.
Anschließend kannst du eine eigene Animationsidee umsetzen. 4x am Montagabend von
18.30-21.30 Uhr
Beginn: 8.9., dann 15.9./ 22.9./ 29.9.
Fr. 240.After Effects CS 3
After Effects wird für die professionelle Gestaltung animierter Grafiken und visueller Effekte im Bereich Film, Video, Multimedia und
Internet eingesetzt. Du wirst das Programm
kennen lernen und anwenden.
Sa/So 13./14. September
Fr. 240.-
SA 16., SO 17., MO 18. AUG / 21.00h
// Fabriktheater / Tanzperformance
Sie kommen beide aus der Schweiz, doch ihre
gemeinsame Sprache ist Englisch: Die Tänzerin
Katy Hernan stammt aus der Waadt, der Tänzer
Christoph Leuenberger aus dem Oberaargau.
Kennen gelernt haben sie sich in Amsterdam,
beide leben und arbeiten seit Längerem im
Ausland. Was ist für sie Heimat? Beschränken
sich die gemeinsamen Heimatgefühle dies- und
jenseits des Röschtigrabens auf das FondueCaquelon? «Enter my bubble!», lautet ihre
Aufforderung. Eigenständig, mit offenem Blick
und der nötigen Portion Selbstironie setzt sich
das Nachwuchs-Duo bei seiner Suche nach gemeinsamen Wurzeln mit Schweizer Identitäten
auseinander und hat dafür überraschende Bilder kreiert. Ihre subtile «Gratwanderung zwischen Klischee und Tiefsinn» wurde 2007 mit
dem Schweizer Förderpreis für junges Theater
PREMIO ausgezeichnet.
Tof Théâtre
Dauer 90 Minuten
Theaterspektakel
Hernan & Leuenberger
lEs zakouskis Érotiks
Drei kurze Aufführungen und eine kleine Ausstellung: Das belgische Tof Théâtre und seine
bezaubernden Marionetten entführen ihr
Publikum in eine prickelnde erotische Welt –
Eintritt nur für Erwachsene! «Les Zakouskis
Érotiks», die delikaten kleinen Köstlichkeiten,
werden in diskreten Chambres séparées serviert, ohne Worte, aber mit Gefühl. Wir werfen
einen Blick ins Badezimmer von Monsieur und
Madame Beaurestes, kriechen unter das riesige
Bett des Monsieur Tiche und schauen durchs
Schlüsselloch in Léons wunderliches erotisches
Kabinett.
Dauer 80 Minuten
Fan City
SA 23., SO 24. AUG / 21.00h
// Fabriktheater, Club, Backstein /
Figuren- & Objekttheater
Affe und Kuchen
Endlich Erlösung für alle jene, denen das Theater Spektakel zu wenig Klassiker zeigt! Und
das erst noch im handlichen Kurzformat. Ob
Aischylos, Goethe, Shakespeare oder Zuckmayer – die Gruppe Affe und Kuchen hat die
Dramen der Weltliteratur im Repertoire. Werfen Sie eine Münze in den Kasten, wählen Sie
ein Stück aus der Liste und schon geht der rote
Vorhang hoch: Zwei bis zehn Sekunden aus
Ihrem Lieblingsstück, live gespielt und nur für
Sie. Classics reduced to the max! Was will man
mehr?
Videogrundkurs
In diesem Kurs lernst du die Grundlagen der
Filmsprache und der Videotechnik kennen.
Der Kurs besteht aus Theorie und Praxis
und gibt dir einen Einblick in den gesamten
filmischen Ablauf.
8x am Dienstagabend von 18.30-21.30 Uhr
Beginn: 7.10., dann 14.10./21.10./28.10./4.11./11
.11./18.11./25.11.
Fr. 390.Schnittkurs:
Final Cut Pro auf dein Projekt bezogen
Hast du schon gefilmt? Möchtest du unter
fachkundiger Anleitung dein Material bearbeiten und die Schnittsoftware Final Cut Pro
anwenden lernen?
Fr-So 10.-12. Oktober
Fr. 450.Für Gruppen ab 3 Personen können eigene
Kurse und Daten vereinbart werden.
Bürozeiten:
Dienstags 10-13 Uhr
Donnerstags 17-20 Uhr
Tel. 044 485 58 78
[email protected]
www.fabrikvideo.ch
Monatsprogramm August 2008
rotE faBrik
august 2008
1
Fr
Konzept
FAN CITY
Ausstellung
Shedhalle
14 Uhr
2
Sa
Konzept
FAN CITY
Ausstellung
Shedhalle
14 Uhr
3
So
Konzept
FAN CITY
Ausstellung
Shedhalle
14 Uhr
4
Mo
5
Di
6
Mi
12
Di
Sommerbühne
Demolition Blues
Sommerbühne
19.30 Uhr
7
Do
Film am See
Tuvalu
Open Air
21.30 Uhr
13
Mi
8
Fr
14
Do
Lethargy 08
ganzes Areal
23 Uhr
Film am See
Bad Boy Bubby
Open Air
21.30 Uhr
9
Sa
15
Fr
Lethargy 08
ganzes Areal
23 Uhr
Musikbüro
Da Cruz
Clubraum
21 Uhr
10
So
Lethargy 08
Afterparty
Shedhalle
7 Uhr
11
Mo
16
Sa
Theaterspektakel
Hernan + Leuenberger
Enter my Bubbles
Fabriktheater
21 Uhr
17
So
Theaterspektakel
Hernan + Leuenberger
Enter my Bubbles
Fabriktheater
21 Uhr
18
Mo
Theaterspektakel
Rabih Mroué
How Nacy wished that
everything was an April
fool‘s joke
Aktionshalle
20 Uhr
Theaterspektakel
Hernan + Leuenberger
Enter my Bubbles
Fabriktheater
21 Uhr
19
Di
Theaterspektakel
Rabih Mroué
How Nacy wished that
everything was an April
fool‘s joke
Aktionshalle
20 Uhr
25
Mo
20
Mi
26
Di
Theaterspektakel
Rabih Mroué
How Nacy wished that
everything was an April
fool‘s joke
Aktionshalle
20 Uhr
21
Do
Theaterspektakel
Rukan
In Spitting Distance
Aktionshalle
21 Uhr
22
Fr
Theaterspektakel
Rukan
In Spitting Distance
Aktionshalle
21 Uhr
Theaterspektakel
Benaouisse & Pauwels /
Campo
Vernizke
Aktionshalle
21 Uhr
Theaterspektakel
Tof Théâtre
Les Zakouskis Erotiks
Fabriktheater
21 Uhr
24
So
29
Fr
Theaterspektakel
Affe und Kuchen
Der Klassikerautomat
Open Air
18 Uhr
30
Sa
Theaterspektakel
Tof Théâtre
Les Zakouskis Erotiks
Fabriktheater
21 Uhr
Film am See
Hundstage
Open Air
21.30 Uhr
27
Mi
28
Do
Theaterspektakel
Benaouisse & Pauwels /
Campo
Vernizke
Aktionshalle
21 Uhr
Film am See
C‘era und volta il west
Open Air
21.30 Uhr
31
So
23
Sa
Theaterspektakel
Benaouisse & Pauwels /
Campo
Vernizke
Aktionshalle
21 Uhr
Theaterspektakel
Affe und Kuchen
Der Klassikerautomat
Open Air
18 Uhr
Theaterspektakel
Benaouisse & Pauwels/
Campo
Vernizke
Aktionshalle
21 Uhr