Zunkunftsmodell Inklusion - Humanwissenschaftliche Fakultät

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Zunkunftsmodell Inklusion - Humanwissenschaftliche Fakultät
Carolin Schwack unter Supervision von Karl J. Kluge
Ein Leitfaden zur Vorbereitung für
Lehrerinnen und Lehrer.
©Carolin Schwack & Karl J. Kluge, 01.07.2013
Inhalt
ABBILDUNGSVERZEICHNIS .................................................................................................... 4
TABELLENVERZEICHNIS ......................................................................................................... 4
VORWORT: „WIE ICH ZUR INKLUSION KAM – EIN AUFRICHTIGES BEKENNTNIS!“
.............................................................................................................................................. 5
EINLEITUNG ..................................................................................................................... 9
1.“INKLUSION GELINGT WENN MAN SIE WILL“ (KARL JOSEF KLUGE) – SCHRITT 1:
INKLUSION IN DER THEORIE ..................................................................................... 12
1.1 „INKLUSION ALS MEHRWERT VON INTEGRATION“ – INKLUSION UND ANDERE WICHTIGE
BEGRIFFLICHKEITEN UND STANDPUNKTE .............................................................................. 12
1.2 GESCHICHTLICHER HINTERGRUND – WIE ALLES BEGANN… ............................................ 19
1.3 BEDEUTSAME DOKUMENTE: „SCHRIFTLICHES“ FESTHALTEN AN INKLUSION .................. 21
1.3.1 Salamanca Erklärung ............................................................................................... 21
1.3.2 UN Konvention ......................................................................................................... 22
1.3.3 KMK ......................................................................................................................... 24
1.3.4 NRW-Änderung des Schulgesetzes .......................................................................... 26
1.4 BLICK ÜBER DEN ZAUN - INKLUSION IM INTERNATIONALEN VERGLEICH ........................ 27
1.5 INDEX FÜR INKLUSION – EIN ERSTER WEG ZUR UMSETZUNG........................................... 30
1.5.1 Loslegen!! – Mit dem Index für Inklusion ................................................................. 31
2. GELINGENSFAKTOREN FÜR INKLUSION – SCHRITT 2: DEN BEDARF
ERKENNEN… .................................................................................................................. 34
2.1 INHALTLICHE FORMEN – INKLUSION IN ALLEN FACETTEN............................................... 35
2.1.1 Ethnokulturelle Unterschiede .................................................................................. 36
2.1.2 Unterscheidung aufgrund des biologischen Geschlechts ......................................... 36
2.1.3 Unterschiede in den sozialen Lebensformen ........................................................... 36
2.1.4 Sozio- ökonomische Unterschiede ........................................................................... 37
2.1.5 Ausgrenzung aufgrund von Behinderung ................................................................ 37
2.2 ORGANISATIONSFORMEN – THEORETISCHE FORMEN DER UMSETZUNG ........................... 38
2.2.1 Inklusionsplanung – verpflichten, vernetzen und los geht’s! ................................... 40
2.2.2 Ressourcenmanagement – den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schülern gerecht
werden .............................................................................................................................. 40
2.2.3 Kommunikative Strukturen – ohne Kommunikation läuft nichts!............................ 42
2.2.4 Lehreraus- und Fortbildungen – Ressourcen schaffen durch Fortbildungen............ 43
2.2.5 Lerninhalte und inklusive Didaktik – Fächerübergreifende Kompetenzen und individuelle
Förderung, statt einer übertriebenen Ausrichtung auf die Fachwissenschaften .............. 45
2.2.6 Individualisierung – Eigenständigkeit im Lernprozess vermitteln ............................ 46
2.2.7 Evaluieren – Erfolge und Hindernisse offenlegen .................................................... 47
3. ZUKUNFTSMODELL INKLUSION – SCHRITT 3: INKLUSION IN DER PRAXIS 48
3.1 UNTERRICHTSPLANUNGEN – MÖGLICHKEITEN, IDEEN, VISIONEN, UMSETZUNG!?! ......... 50
3.1.1 PLANUNG IM TEAM – KOOPERATION IM KOLLEGIUM ALS ENTLASTUNG IM UNTERRICHT51
3.1.2 Umgang mit heterogenen Lerngruppen – Verschiedenheit im Unterricht .............. 53
3.1.3 Delegation von Aufgaben – Ideen zur Entlastung der Lehrperson im inklusiven Unterricht
.......................................................................................................................................... 56
3.1.3.1 Nonpersonale Hilfen – Entlastung durch Aufgaben und Methoden .................... 56
3.1.3.2 Personale Hilfen – Entlastung durch Schülerinnen und Schüler............................ 58
3.1.4 Weitere Möglichkeiten – Handlungsorientierter Unterricht: “vom Tun im Unterricht“ 63
3.2 CLASSROOM MANAGEMENT – ORGANISATIONSSTRUKTUREN ALS MÖGLICHKEITEN ZUR
VERBESSERUNG DER UNTERRICHTSKULTUR ......................................................................... 66
3.3 LEISTUNGSBEWERTUNGEN – WIE KÖNNEN LEHRPERSONEN, SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER IN
IHRER VIELFALT GERECHT BEWERTEN? ................................................................................. 70
3.3.1 Lernentwicklungsberichte – schriftliche Beurteilung statt Ziffernnoten .................. 71
3.3.2 Portfolioarbeit – Transparenz in der Beurteilung .................................................... 72
3.3.3 Leistungsmessung nach Maria Montessori – Im Mittelpunkt das Kind ................... 74
3.3.4 Vereinbarung von Inklusion und Notengebung - Mit vielen Teilnoten zu einer Gesamtnote
.......................................................................................................................................... 75
3.4. Empfehlungen zur Umsetzung von Inklusion – ein weiterer Leitfaden für die Praxis 77
3.4.1 VORSCHLÄGE UND IDEEN NEHMEN KEIN ENDE – INKLUSION WIRD GREIFBAR .............. 78
4. PRAXISBEISPIEL BERG FIDEL – SCHRITT 4: DIE KONKRETE UMSETZUNG VON
INKLUSION ...................................................................................................................... 81
4.1 DIE SCHULE - GRUNDVORAUSSETZUNGEN ...................................................................... 81
4.2 EINBLICKE IN DEN SCHULALLTAG ................................................................................... 82
4.3 WERTSCHÄTZUNG DER KINDER - HALTUNG IM KOLLEGIUM .......................................... 83
4.4 PRAKTISCHE IDEE FÜR DEN UNTERRICHT ........................................................................ 84
AUSBLICK – INKLUSION: EIN RIESE IN DER BILDUNGSLANDSCHAFT ............ 86
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Darstellung der Themenschwerpunkte ....................................... 11
Abbildung 2: Der Index-Prozess und der Planungskreislauf der Schulentwicklung
(Boban/Hinz 2003, S.19) ............................................................. 32
Abbildung 3: Gelingensfaktoren für Inklusion (Reich 2012, S.104ff) ............. 35
Abbildung 4: Sonderpädagogische Förderquoten nach Ländern und
Förderort
(Reich 2012, S.83) ....................................................................... 38
Abbildung 5: Schulentwicklung durch Gemeinsamen Unterricht (Düring 2003, S.63)
..................................................................................................... 48
Abbildung 6: Faktoren im Unterricht (Von der Groeben 2008, S.14ff.) .......... 54
Abbildung 7: Faktoren im Unterricht (erweitert) .............................................. 55
Abbildung 8: Unterstützung für die Lehrperson ............................................... 63
Abbildung 9: Vorschläge Klemm, Preuss-Lausitz im Überblick ..................... 78
Abbildung 10: Prozessverlauf freier Froscherclub (ebd. S.53) ......................... 85
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Tabelle1 ............................................................................................ 57
Tabelle 2: Tabelle2 ............................................................................................ 60
Tabelle 3: Transformation von Lehrfunktionen des Lehrers in Lerntätigkeiten der
Schüler (Wocken 2011, S.148) ......................................................... 61
Tabelle 4: Tabelle4 ............................................................................................ 65
Tabelle 5: Proaktive und Reaktive Kriterien (Vgl. Hennemann/Hillenbrandt 2010,
S.25).................................................................................................. 69
Tabelle 6: Morgendlicher Ablauf (Vgl. Stähling/Wenders 2012, S.20ff.) ....... 83
Vorwort: „Wie ich zur Inklusion kam – ein aufrichtiges Bekenntnis!“
In meiner Lebensgeschichte finde ich schon im Grundschulalter Anknüpfungspunkte
für meine Begeisterung für pädagogische Inklusion. Damals in den 90er Jahren,
besuchte ich „eine integrative Klasse.“ Wir waren eine der ersten Klassen, in der
Kinder
mit
und
ohne
Behinderung
gemeinsam
lernten.
In
unserer
Klassengemeinschaft wurde jeder so wertgeschätzt wie er kam. Ich weiß noch, wie
sehr wir uns an der ersten Beteiligung eines Mitschülers erfreuten. André, ein
Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, hatte sich zuvor selten in
das Unterrichtsgeschehen eingebracht. Eines Montag morgens im Stuhlkreis meldete
er sich zum aller ersten Mal. Er hob seinen Daumen nach oben. Sofort wurde er von
einer Mitschülerin „drangenommen“, alle hörten gespannt zu, was André von seinem
Wochenende berichtete.
Schon im Alter von 10 Jahren wurde mir klar, dass es kein besser oder schlechter
zwischen Menschen in ihrer Entwicklung geben kann, weil jeder Mensch etwas zu
einer
Gemeinschaft
beiträgt.
Deshalb
fasste
ich
den
Entschluss,
Sonderschulpädagogin zu werden. In den vielen Praktika im Verlauf meines
Studiums erfuhr ich, welche Einschränkungen Kinder und Jugendliche erfahren,
wenn sie nicht die Möglichkeit finden in eine Regelschule integriert zu werden.
Schüler berichteten mir von ihren Erfahrungen mit Ausgrenzung. Viele von ihnen
fühlten sich gesellschaftlich nicht akzeptiert. Auf eine Sonderschule gehen zu
müssen empfanden sie als soziale Ausgrenzung von der Gesellschaft. Ich erschrak
bezüglich ihrer Einstellung zum Leben, da viele zutiefst daran glaubten, „nichts wert
zu sein“, weil sie eine Sonderschule besuchten. „Ich finde später sowieso keine
Arbeit, warum soll ich dann für die Schule lernen?“, ist eine Aussage zu der ich oft
nicht wusste, was ich sagen sollte, weil ich den Frust der Schülerinnen und Schüler
auf das Schulsystem verstehen konnte.
Im Studium hörte ich von Inklusion zum ersten Mal. Bis dahin hatte ich mich mit
Integration von Menschen mit Behinderung beschäftigt. Als ich von dem
grenzenlosen Denken durch Inklusion in einer Einführungsveranstaltung aufgeklärt
wurde, war es um mich geschehen. Inklusion war der Anfang und das Ziel meiner
beruflichen Karriere. Ich trat der „Fachschaft für Inklusion“ bei, um weitere
Mitstreiter kennen zu lernen, wir tauschten uns aus und diskutierten über
Veränderungen im Schulsystem. Außerdem planten wir regelmäßig Veranstaltungen,
um auch andere Menschen für Inklusion zu begeistern. Ich beschäftigte mich mit
vielen Theoretikern der Inklusion wie Hans Wocken oder Georg Feuser. So fand ich
heraus, wie weitreichend sich „inklusives Denken“ zurückverfolgen lässt. Besonders
beeindruckt hat mich die Reformpädagogik, unter anderem Maria Montessori, die
schon 1890 Ideen zur Vielfältigkeit von Schule entwickelte, die bis heute an
Aktualität nicht verloren haben. Auch mein Austauschjahr in Schweden bekräftigte
meine Euphorie für schulische Inklusion. Im letzten Jahr begann ich mit der
Entwicklung eines Schulkonzeptes für eine inklusive Montessori Schule in
Sendenhorst. Ich erklärte mich deshalb für diese Aufgabe bereit, weil ich es als eine
erste Chance wahrnahm, meine Ideen von Inklusion in der Praxis umzusetzen.
Diesen Sommer, besuchen die ersten Schülerinnen und Schüler eine Schule, die den
Anspruch der Inklusion in ihrem Schulkonzept verankert hat. Dort heißt es:
Die Gedanken der Vielfalt werden in der Montessori Sekundarschule
Sendenhorst kontinuierlich und beharrlich organisatorisch, strukturell und vor
allem weltanschaulich verankert. Eines der obersten Ziele dieser Schule ist es,
allen Kindern ein erfolgreiches Lernen zu ermöglichen, um somit allen
Kindern den Weg in eine gelingende Zukunft zu ebnen (Pädagogisches
Konzept der Montessori Sekundarschule Sendenhorst 2012, S.23).
Für die Zukunft wünsche ich mir die Gründung weiterer „Schulversuche“, die den
Anspruch der Inklusion in ihr Konzept mit aufnehmen und in der Bildung und
Erziehung von Kindern und Jugendlichen verwirklichen.
Obwohl ich mich, in den letzten Studienjahren, sehr mit dem Thema Inklusion
beschäftigt habe, erhielt ich nicht auf alle Fragen eine Antwort. Es gibt Dinge, die
nur durch Erfahrungen beantwortet werden können, zum Beispiel das Inkludieren
von Schülerinnen und Schülern mit Schwerstmehrfachbehinderungen. Ich verstehe
insofern Lehrerinnen und Lehrer, wenn sie nicht weiter wissen, weil Inklusion sie
überfordert. Ich weiß, dass der Beruf der Lehrerinnen und Lehrer stets eine große
persönliche Herausforderung darstellt. Deswegen sind vielen Lehrpersonen
Veränderungen nicht immer willkommen. Dennoch glaube ich nicht daran, dass das
Schulsystem, so wie es jetzt ist, richtig ist.
An der Rosenmaarschule in Köln sammelte ich erste praktische Erfahrungen, wie
Inklusion pädagogisch und beziehungspsychologisch „funktionieren“ kann. Zum
Ende meines Studiums der Sonderpädagogik erlaube ich mir Studierenden und
Lehrerinnen und Lehrern an Regelschulen, sowie Sonderpädagoginnen und
Sonderpädagogen Mut zu machen, Ja zur Inklusion zu sagen. In einem Gespräch
eröffnete mir Karl-J. Kluge: „Wir haben mehr Möglichkeiten, wenn wir die innere
Einstellung zur Schule ändern“, Und daran glaube ich fest.
Sonderschule kann nicht das Ziel sein!
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass diese Arbeit nicht dem Anspruch
gerecht werden kann, alle Förderschwerpunkte mit einzubeziehen. Mir ist bewusst,
dass sich die einzelnen Förderschwerpunkte im Hinblick auf Inklusion stark
unterscheiden, um dies mit Stephan Ellinger und Roland Stein auszudrücken:
Die Situation von Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf im Bereich
Geistiger Entwicklung stellt sich […] völlig anders dar als diejenige von
Schülerinnen und Schülern mit Körper- oder Sinnesbehinderungen oder auch
mit Lernbeeinträchtigungen. Wiederum völlig anders dürfte die Lage für den
Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung sein (Ellinger; Stein
2012, S.86).
Und so versuche ich in dieser Arbeit mögliche Hinweise und Ideen zu sammeln, die
mit den unterschiedlichen Förderschwerpunkten vereinbar werden könnten. Es
müssen in Zukunft weitere Erfahrungen aus der Praxis und Ergebnisse der
empirischen Forschung darüber mitentscheiden, wie sinnvoll die vorgestellten
Maßnahmen sind. Außerdem ist das Mitdenken von allen Beteiligten eine
Grundvoraussetzung,
um
die
Ideen
und
den
Traum
vom
Inkludieren
menschengerecht umsetzen zu können.
Ich erlaube mir all jenen Dozenten und Dozentinnen der Humanwissenschaftlichen
Fakultät an der Universität zu Köln zu danken, die mir ihre Vorstellungen und
Visionen der Inklusion vorlebten und mich befähigten, in Inklusionsklassen zu
arbeiten.
Jedem meiner Dozentinnen und Dozenten gilt mein Dank!
Außerdem danke ich den Kommilitonen, die mich auf meinem Weg begleitet haben
und mich durch ihre Disskusionsfreude in meinem Standpunkt bestärken konnten.
Mai 2013 Carolin Schwack
Einleitung
Am 20.12.2012 entschied die NRW Landesregierung, dass Inklusion an
Regelschulen erst ein Jahr später beginnt (Vgl. Kellers 2012, S.1). Bis 2014 muss
von der Landesregierung geklärt sein, wie die gewünschte Inklusion finanziert und in
der Schulwirklichkeit umgesetzt wird. Bisher fühlen sich viele Lehrerinnen und
Lehrer an Regelschulen mit dem politischen Anspruch der schulischen Inklusion
überfordert. Diese müssen auf den Prozess der Inklusion vorbereitet werden. Die Not
von Lehrerinnen und Lehrer wird in dieser Arbeit aufgegriffen, weil ohne
„erziehungspsychologische Stabilität“, schulische Inklusion in Frage gestellt werden
muss. Die Arbeit befasst sich deshalb mit Grundvoraussetzungen für das Gelingen
von Inklusion in der Schule. Die grundlegende Fragestellung lautet: Wie können sich
RegelschullehrerInnen und FörderschullehrerInnen wirksam und nachhaltig auf die
geforderte Inklusion vorbereiten? Vielfältige Antworten auf vielfältige Themen, die
damit in Verbindung stehen, werden beleuchtet und diskutiert. Die Arbeit gliedert
sich in vier Teile: In den ersten beiden Teilen wird Inklusion von der Theorie her
vorgestellt. Die letzten beiden Teile befassen sich mit Umsetzungsideen.
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit dem theoretischen Hintergrund vom
humanitären Wert der Inklusion. Dazu gehören der Versuch einer Definition von
Inklusion, Inklusion und deren Abgrenzung zu anderen bereits vorgegebenen
Begrifflichkeiten, der geschichtliche Hintergrund und wichtige Dokumente, die die
Prozesse der Inklusion vorangetrieben haben. Ein internationaler Vergleich mit den
Schulsystemen
in
Deutschland,
Schweden
und
Kanada,
verdeutlicht
Denkunterschiede einzelner Länder im Hinblick auf Inklusion. Am Ende des ersten
Kapitels wird der „Index für Inklusion“ von Tony Booth und Mel Ainscow
beleuchtet. Dieser darf als einer der ersten Leitfäden betrachtet werden, der es
Lehrerkollegien ermöglicht, sich intensiv mit Inklusion und dem Standpunkt der
eigenen Schule zu beschäftigen.
Im zweiten Teil dieser Arbeit geht es um „Gelingensfaktoren für Inklusion“. Dazu
zählen inhaltliche Faktoren, wie zum Beispiel ethnokulturelle Unterschiede oder
unterschiedliche soziale Lebensformen. Aufgrund von solchen Unterschieden kommt
es zur Ausgrenzung von Menschen in unserer Gesellschaft. Der Prozess der
Inklusion beansprucht Menschen in ihrer Toleranz zu befördern, um Ausgrenzung zu
verringern. Deswegen werden mögliche Organisationsformen analysiert, die nach
Meinung von Kersten Reich, das Planen von Inklusion erleichtern und Ausgrenzung
verringern.
Zu
den
erwünschten
Organisationsformen
zählen
laut
Reich:
Inklusionsplanung, Ressourcenmanagement, kommunikative Strukturen, Lehrerausund -fortbildungen, Lerninhalte, sowie inklusive Didaktik, Individualisieren und
Evaluieren. Alle diese Organisationsformen müssen gefördert und von Lehrerinnen
und Lehrern garantiert werden, um Inklusion sinnvoll umsetzen zu können.
Im dritten Teil der Arbeit werden direkte Chancen der Umsetzung vorgestellt. Die
konkreten Umsetzungen sind teilweise Folgerungen aus den beiden ersten Kapiteln
und teilweise erste Antworten auf konkrete Fragestellungen, die in der Literatur
immer
wieder
auftauchen.
Zu
Beginn
dieses
Kapitels,
geht
es
um
Unterrichtsplanung. Es werden Vorschläge und mögliche Hilfestellungen vorgestellt,
die das Unterrichten für heterogene Lerngruppen ermöglichen. Anschließend wird
Evertson´s Prinzip des „Classroom-Management“ beleuchtet, welches genutzt
werden kann, um Störungen im Unterricht vorzubeugen. Darauf folgen
Möglichkeiten zur Leistungsbewertung, deren Umsetzung es ermöglicht, einen
„gerechten“ Weg der Beurteilung für heterogene Lerngruppen zu finden. Zum
Abschluss des Kapitels, wird ein Leitfaden zur Inklusion von Ulf Preuss-Lausitz und
Klaus Klemm vorgestellt, dessen Inhalte vorangegangene Vorschläge aufgreift, und
sie in die Praxis einbettet.
Im letzten Kapitel wird die Schule Berg Fidel und ihre Ansätze zum inklusiven
Unterricht präsentiert. In dieser Schule wird schon seit Jahren inklusiv pädagogisch
gearbeitet, sie gilt nach vielen Inklusionsforschern wie Hans Wocken oder Ines
Boban als Beispiel für gelungene schulische Inklusion (Vgl. Stähling; Wenders 2012,
S.215). Das Kollegium dieser Schule möchte Inklusion nicht mehr nur in der
Primarschule umsetzen, sondern fordert die Erweiterung ihrer Schule auf die
Sekundarbereiche eins und zwei, um Inklusion auch im Sekundarbereich
etablieren.
zu
Inklusion gilt als ein Prozess, der es ermöglicht, Ausgrenzung in den
unterschiedlichsten Bereichen zu verringern und Teilhabe zu verwirklichen. Die
Persönlichkeitsvielfalt von Schülerinnen und Schülern muss in einer guten Schule
Anerkennung finden, weil jeder einzelne Schüler und jede einzelne Schülerin mit
seinen und ihren einzelnen Begabungen, Beachtung finden muss. Dafür braucht
Inklusion
menschliche
und
professionelle
Lehrerinnen
und
Lehrer
mit
leidenschaftlichem Engagement und Know-How, die individuelle Leistungen stärken
und individuelle Grenzen respektieren. Ziel dieser Arbeit ist es, das Engagement und
das Know-How von Lehrerinnen und Lehrern zu erweitern und zu unterstützen. In
Abbildung eins ist eine Zusammenfassung der Themenschwerpunkte in dieser Arbeit
dargestellt. Theorie und Praxis werden in dieser Arbeit aufgegriffen, um Vorschläge
für eine mögliche Umsetzung von Inklusion auswerten zu können.
Inklusion
Praxis
Theorie
- Definition
- Geschichte
- Dokumentation
- Gelingensfaktoren
Umsetzung
Abbildung 1: Darstellung der Themenschwerpunkte
- Unterrichtsplanungen
- Classroom- Management
- Leistungsbewertung
- Praxisbeispiel
1.“Inklusion gelingt wenn man sie will“ (Karl Josef Kluge) – Schritt
1: Inklusion in der Theorie
Seit die UN-Konvention 2009 für alle Vertragsstaaten in Kraft trat, sind die
Bestrebungen in Richtung Inklusion in Deutschland aufgenommen und teilweise
realisiert worden. Vorträge und Weiterbildungsangebote für Lehrerinnen und Lehrer
werden durch verschiedene Bildungsangebote mehr und mehr angeboten. Ein
Beispiel sind die Vorträge und Angebote auf der diesjährigen „didacta 2013“ in
Köln. Zahlreiche Referenten beschäftigten sich mit Inklusion, Möglichkeiten der
individuellen Förderung und neuen Herausforderungen für Lehrerinnen und Lehrer.
„Das Thema Inklusion ist das bildungspolitische Thema der Stunde und einer der
Schwerpunkte der didacta 2013“(Kölner Stadtanzeiger 2013, S. 2). Doch bevor
solche praktischen Angebote vorgestellt werden, ist es unverzichtbar, sich mit der
Theorie von Inklusion, deren Hintergründe und Ideen zu beschäftigen.
Im
Jahr
2009
lag
der
Anteil
der
Schülerinnen
und
Schüler
mit
„sonderpädagogischem Förderbedarf“, die inklusiv beschult wurden, bei 20,1% (Vgl.
Klemm 2011, S.59). Im Gegensatz zu diesen waren es im Jahr 2000 nur 12,1%
Schülerinnen und Schüler, die inklusiv beschult wurden. Trotz eines Anstiegs um 8%
liegt Deutschland noch immer weit hinter anderen Ländern Europas, wie Schweden
und Finnland, zurück. Das folgende Kapitel setzt sich mit den verschiedenen
Beschlüssen und Gesetzesänderungen zum Prozess Inklusion auseinander, um den
Lesenden in die Hintergründe und in die Theorie von Inklusion einzuführen. Nach
einer Definition und der geschichtlichen Einbettung, werden wichtige Dokumente im
Hinblick auf Inklusion erörtert. Dazu gehören: „Salamanca-Erklärung“, „UNKonvention“,
ein
„Beschluss
der
Kultusministerkonferenz“
und
die
„Gesetzesänderung des Schulministeriums NRW“ von 2011. Einzelne Debatten und
Beschlüsse zeigen auf, wie der Prozess der inklusiven Bildung bis heute verlief. Um
den Wert der erbrachten Inklusion in Deutschland am internationalen Standard
messen zu können, werden anschließend inklusive Bestrebungen aus dem
internationalen Kontext präsentiert.
1.1 „Inklusion als Mehrwert von Integration“ – Inklusion und andere wichtige
Begrifflichkeiten und Standpunkte
Inklusion kann als eine weitergedachte Integration definiert werden, weil sie als
umfassender
angesehen
werden
kann
(Vgl.
Reich
2012,
S.39).
Dieser
Definitionsversuch von Kersten Reich, wagt die Abgrenzung zwischen den
Begrifflichkeiten Inklusion und Integration zu verdeutlichen. Integration ermöglicht
Menschen mit Behinderung an der Institution Schule teilzunehmen, während
Inklusion sich an den Bedürfnissen jeder Schülerin und jedes Schülers orientiert. Es
kommt nicht mehr darauf an, ob ein Mensch „sonderpädagogischen Förderbedarf“
beansprucht oder nicht, sondern auf die Individualität jedes Einzelnen mit seinen
Stärken. Neben der Abgrenzung zur Integration, gibt es noch weitere pädagogische
Phasen
der
Förderung.
Hinz
unterscheidet
insgesamt
fünf
Phasen
(sonderpädagogischer) Förderung: „Extinktion, Exklusion, Segregation, Integration
und Inklusion“ (Vgl. Hinz 2007, S.23ff.).
Diese Phasen sind für ihn keine
aufeinanderfolgenden Phasen, sondern jede Phase steht für sich und kann getrennt
von den anderen Phasen stattfinden.
In der Phase der Extinktion wird Menschen mit Behinderung ihr Lebensrecht
abgesprochen. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde Extinktion vernichtender
Weise von Nationalsozialisten praktiziert. Millionen Juden und Menschen mit
Behinderungen wurden um ihr Lebensrecht gebracht.
In der Phase der Exklusion entwickeln sich zwei Gruppen: die eine findet Zugang zur
Bildung und der anderen wird der Zugang zur Bildung verwehrt. In dieser Phase
werden Menschen mit Behinderung als nicht bildungsfähig betrachtet bzw. von der
Gesellschaft ausgeschlossen. Die Zustände für Menschen mit geistiger Behinderung
Anfang des 19.Jahrhunderts, erweisen sich als ein Beispiel für „gesellschaftliche
Exklusion“. Das gesellschaftliche Dasein von Menschen mit geistiger Behinderung
in dieser Zeit beschreibt Barbara Fornefeld wie folgt: „Meist aber fristeten sie ein
elendes gesellschaftliches Randdasein, angewiesen auf Almosen und abgeschoben in
Klöstern, Armenhäusern […] oder verblieben in den Familien“( Fornefeld 2004,
S.29).
Auch in der Phase der Segregation bilden sich wiederum zwei Gruppen, dies wird in
dieser Phase mit dem Begriff der „Zwei-Gruppen-Theorie“ beschrieben. Die „ZweiGruppen-Theorie“ teilt Menschen mit und Menschen ohne „sonderpädagogischen
Förderbedarf“ in unterschiedliche Gruppen ein. Aus diesem Grund folgt die
Beschulung der jeweiligen Gruppe in unterschiedlichen Institutionen. Diese Situation
findet sich in Deutschland bis heute: dem Sonderschulsystem steht ein
Regelschulsystem gegenüber. Schülerinnen und Schüler mit und ohne Förderbedarf
werden größtenteils getrennt voneinander beschult, nur ca. 18% der Schülerinnen
und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden in so genannten
„integrativen“ Schulen unterrichtet (Vgl. Stähling; Wenders 2012, S.8).
„Bei der Integration wird das segregative Gruppieren relativiert und punktuell
durchbrochen […]“(Hinz 2007, S.26). Die Phase der Integration gilt als die erste
Phase, bei denen es Schülerinnen und Schülern mit „sonderpädagogischem
Förderbedarf“ möglich wird, eine Regelschule zu besuchen. Jedoch hat in dieser
Phase nicht jede Schülerin/jeder Schüler Anspruch auf einen Platz in der
Regelschule, sondern „nur“ solche, die trotz ihres „sonderpädagogischen
Förderbedarfs“ anpassungsfähig erscheinen. Hat ein Kind zum Beispiel eine
Schwerstmehrfachbehinderung diagnostiziert, bleibt es oft in der Sonderschule, weil
sich die Regelschulen auf „ein solches Kind“ nur schwer einstellen können bzw.
wollen.
Inklusion ist ohne Exklusion nicht zu haben, das bedeutet: in dem Maße in
dem inklusive Bildungsangebote geschaffen werden, müssen für die, die nicht
einbezogen werden können, für die sog. „Systemsprenger“, partielle
Inklusionsmöglichkeiten entwickelt werden( Fornefeld 2011, S.171).
Derzeit ist es nicht möglich, für jedes Kind eine gelungene inklusive Lernlandschaft
zu kreieren, die an die Bedürfnisse des Kindes angepasst sind, weil die dafür
benötigten finanziellen Mittel fehlen. Das hat zur Folge, dass Kinder die
anpassungsfähig erscheinen, eine Regelschule besuchen dürfen, alle anderen aber im
System der Sonderschule verharren müssen. Diese Folgerung wird den Ansprüchen
der Inklusion nicht gerecht, sondern bezieht sich auf die Forderungen der Integration,
die aus den 80er Jahren stammen.
Integration in Deutschland begann in den 80er Jahren, mit der Einführung von
Integrationsklassen (Vgl. Antor 2006, S.77f.). Mit dieser Einführung wurde dem
Grundrecht von Menschen mit Behinderung nach gleichberechtigter Teilhabe
nachgegangen. Kinder mit und ohne Behinderung lernten berechtigt gemeinsam in
einer Klasse. Die schulische Integration findet auch heute noch in verschiedenen
Organisationsformen statt.
Häufig werden
Schülerinnen und Schüler mit
„sonderpädagogischem Förderbedarf“ in sogenannten „integrativen Klassen“ oder
auch „Integrationsklassen“ beschult, weil die bisherigen Möglichkeiten der
individuellen Förderung an Regelschulen, aufgrund fehlender Sonderpädagogen, nur
begrenzt möglich sind.
Die eine Seite fordert eine Doppelbesetzung in inklusiven Klassen, um allen Kindern
gerecht werden zu könne. Die andere Seite argumentiert dagegen, dass eine
Doppelbesetzung die Gefahr birgt, die Schülerinnen und Schüler in Förderkinder
und Regelkinder zu teilen, statt gemeinsamen Unterricht zu ermöglichen (Vgl.
Greiner 2013, S.2).
Schülerinnen und Schüler mit „sonderpädagogischem
Förderbedarf“ werden aus dem Klassenkontext heraus genommen, um dem Schüler
oder der Schülerin ein spezifisches sonderpädagogisches Setting zur Verfügung zu
stellen. Diese Form von Integration beinhaltet nach Wocken ein „didaktisches
Grundproblem“ (Wocken 2011, S.9), weil in jedem Klassenkontext unterschiedliche
Kinder mit unterschiedlichem Material versorgt werden müssten. Kinder mit
„sonderpädagogischem Förderbedarf“, die getrennt von ihrer Stammklasse
unterrichtet werden und andere Materialien bearbeiten, als die „nichtbehinderten“
Schülerinnen und Schüler, können in Schwierigkeiten geraten, den Anschluss an die
Klassengemeinschaft zu finden. Durch Einzelintegration in einem separaten
Lernraum, bekommen diese Schüler den Eindruck ein Alleinstellungsmerkmal zu
haben, was dazu führen kann, dass die „zwei-Gruppen-Theorie“ auch in einem
integrativen Kontext bestehen bleibt. Eine Studie aus Norwegen hat sich dieser
Thematik angenähert und zwei Schülergruppen miteinander verglichen. In der einen
Gruppe wurden Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf
innerhalb der Klasse gefördert und in der zweiten Gruppe fand für diese
Schülerinnen und Schüler eine Förderung außerhalb der Klasse statt (Vgl. Myklebust
2002, S.251). Das Ergebnis der Studie lautet:
Specially adapted teaching in ordinary classes during the first school year
results in the best progress, but also the highest dropout. Specially adapted
programmes outside ordinary classes result in the poorest progress […] but
here the dropout is distinctly lower (ebd. S.261).
Auf der einen Seite belegt dieses Ergebnis, dass Schülerinnen und Schüler in
inklusiven Settings zu sehr guten Ergebnissen kommen, auf der anderen Seite steht
diesem positiven Ergebnis eine hohe „Dropout-Rate“ gegenüber. Dies ist bei der
Umsetzung von Inklusion zu beachten.
Um Inklusion zu ermöglichen, muss es als eine weitergedachte Integration betrachtet
werden. Inklusion kann als ein „gesellschaftliches Denkmodell“ gelten, indem alle
Kinder angenommen werden wie sie sind, ohne sich an ein Schulsystem anpassen zu
müssen. Nach Andreas Hinz beabsichtigt Inklusion ein selbstverständliches
willkommen heißen aller Kinder und Jugendlichen im allgemeinen Schulsystem
(Vgl. Hinz 2007, S.29).
Mit der Idee Inklusion fallen die gedachten Grenzen zwischen normal und behindert
weg. Es gibt kein normal und behindert mehr, sondern eine Gemeinschaft, dessen
Mitglieder individuell gefördert werden. Nicht nur das Kind mit Behinderung wird
individuell betrachtet und nach seinen Bedürfnissen gefördert, sondern alle Kinder
sollen das Privileg individueller Förderung erhalten. Das Aktionsbündnis
Kinderrechte fordert aktuell in diesem Jahr einen neuen Artikel im Grundgesetz zu
verankern, der die Rechte der Kinder nach inklusiver Bildung verstärkt. Dabei steht
im Vordergrund, Kindern das Recht auf Förderung zur Entfaltung ihrer
Persönlichkeit zu gewährleisten und die Meinung der Kinder angemessen zu
berücksichtigen (Vgl. UNICEF 2013, S.1). Kinder mehr Selbstbestimmung und
Förderung zukommen zu lassen, ist ganz im Sinne von Inklusion. Zwar ist diese
Änderung im Grundgesetz zurzeit nur ein formulierter Vorschlag des Aktionsbündnis
für Kinderrechte, der aber dennoch als eine ernstgemeinte Veränderung des
gesellschaftlichen Denkens verstanden werden kann. Es tut sich was!
Das zeigt auch der „kommunale Index für Inklusion“, der seinen Schwerpunkt auf
den gesellschaftlichen Anspruch von Inklusion legt. Nach dem „kommunalen Index
für Inklusion“, wird Inklusion von einem gesellschaftlichen Anspruch getragen, der
besagt, dass allen Menschen eine chancengerechte Entwicklung ermöglicht und
gewährleistet werden muss. „Lokal denken, global wirken“ lautet das Motto des
kommunalen Index, dessen Ziel es ist, die Politik von Inklusion mit den
umfangreichen gesellschaftlichen Aspekten zu verknüpfen (Vgl. Reich 2012,
S.216f.). Um Chancengleichheit zu gewährleisten, müssen Menschen in unserer
Gesellschaft umdenken, in Richtung Inklusion. In den Inklusionsdebatten geht es
nicht mehr um die Sortierung nach Leistung, Inklusion ist eine gewollte
Heterogenität (Wocken 2011, S.10ff.). Menschen mit verschiedenen Stärken und
Schwächen lernen und leben gemeinsam. Es geht dabei um die Anerkennung jedes
Einzelnen, um seine Stärken und Schwächen.
Das Ziel schulischer Inklusion ist ein schulisches System, welches so flexibel
ausgelegt werden kann, dass es die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen mit
einbeziehen und auf sie reagieren kann. Kinder mit „sonderpädagogischem
Förderbedarf“ verlieren ihren „besonderen“ Status, weil es nicht mehr darum geht,
auf die Behinderung oder den Förderbedarf zu reagieren, sondern auf die Stärken und
Schwächen die ein Kind mitbringt (Vgl. ebd. S.72). Die ersten Evaluationsergebnisse
des „Rügener Inklusionsmodells“ machen Mut, an einer Realisierung von Inklusion
im Schulsystem festzuhalten. Dabei wurden die Effekte von Unterricht und
Förderung in der Schuleingangsphase an einer Regelschule und einer inklusiven
Schule untersucht und miteinander verglichen (Vgl. Voß 2012, S.7). Die
Grundschule auf Rügen kann als inklusive Schule bezeichnet werden, da an dieser
Schule
nach
dem
„Rügener
Inklusionsmodell“
auf
Diagnoseförder-
und
Sprachheilklassen verzichtet wurde (Vgl. ebd. S.7). Die Grundschule in Stralsund ist
eine Regelschule, die sich als Vergleichsschule bereit erklärt hat, an der Studie
teilzunehmen. Die ersten Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass durch das „Rügener
Inklusionsmodell“ ein weitgehend inklusives Schulsystem zu realisieren ist (Vgl.
ebd. S.99). Weitere Ergebnisse bleiben noch abzuwarten. Leider ist es in dieser
Arbeit nicht möglich, auf das „Rügener Inklusionsmodell“ weiter einzugehen, die
Ergebnisse zu der Studie und eine umfangreiche Erläuterung finden sich im Internet.
Weitere empirische Ergebnisse befassen sich mit der Realisierbarkeit und Effektivität
von Inklusion an der Regelschule. Geoff Lindsay setzt sich in seiner Studie mit der
Effektivität von Inklusion auseinander. Seine Antwort lautet:
„Overall,the weight of evidence reviewed in this paper cannot be said to provide a
clear endorsement for the positive effects of inclusion […] these studies were only
marginally positive overall” (Lindsay 2007, S.16).
Es gibt noch zu wenig empirische Befunde, die sich mit schulischer Inklusion
beschäftigen. Das Forschungsfeld um Inklusion muss in Zukunft weiter untersucht
werden, um eine präzisere Antwort auf die Frage nach der Effektivität von Inklusion
zu finden. Außerdem weist Lindsay darauf hin, dass die Forschung nur einen Faktor
in der politischen Auseinandersetzung um Inklusion bildet: „It is important to
recognize that research evidence is only one factor in policy formulation“ (Lindsay
2007, S.2). Als weitere wichtige Faktoren für Inklusion benennt er Werte, Ideologie
und den Zweck von Inklusion (Vgl. ebd. 2007, S.2). Die folgende Sichtweise von
Georg Feuser kann als eine ideologische Sichtweise betrachtet werden, weil sie zum
Umdenken auffordert.
Der Gewinn einer schulischen Inklusion liege nach Feuser darin, die Behinderung als
Teil eines Menschen anzusehen und nicht als ein Defizit, welches behoben werden
muss. Ein bekanntes Zitat von Georg Feuser lautet: „Geistige Behinderung gibt es
nicht“ (Feuser 1996, S. 1). Er
begründet seine Aussage mit der persönlichen
Wahrnehmung jedes Menschen.
Es gibt Menschen die WIR aufgrund UNSERER Wahrnehmung ihrer
menschlichen Tätigkeit im Spiegel der Normen, in dem WIR sie sehen, einem
Personenkreis zuordnen, den WIR als „geistigbehindert“ bezeichnen (ebd. S.
11).
Dieses Zitat auf den Unterricht angewandt, setzt eine neue Ideologie von
Behinderung und Begabung voraus. Weil jeder Mensch seine eigenen Vorstellungen
und Wahrnehmungen hat und niemand behaupten kann, dass seine Wahrnehmung
die Richtige ist, ist es für das Verständnis von Begabung und Behinderung schwierig
sich zu verändern. Fragt man Menschen mit einer Behinderung, ob sie sich als
behindert wahrnehmen, würde dies von vielen vermutlich verneint werden, denn die
Behinderung ist für betroffene Menschen meistens etwas ganz Normales, was zu
ihrem Leben dazu gehört. Dieser Ansatz kann auf viele Bereiche übertragen werden,
in denen Diskriminierung stattfindet. Kersten Reich hat eine Liste zusammengestellt,
in denen er die Diskriminierung in ihren unterschiedlichen Bereichen aufzählt, dazu
zählen:
Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Ethnizität, Kultur, Sprache, Dialekt,
sozioökonomischer Status, Herkunft, Alter, Nationalität, Herkunftsland,
Religion, Glaube, Sexualität, sexuelle Orientierung, Gender, Familienstatus,
Verheiratetenstatus und Behinderung (Reich 2012, S.40).
Auch wenn diese Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, können all diese
Benachteiligungen
auch
aus
der
Sicht
von
Feuser
betrachtet
werden.
Unvoreingenommenheit kann Diskriminierung stoppen und ist ein Ziel von
Inklusion.
Diesem Ansatz steht eine Aussage von Kenneth Kavale und Mark Mostert
gegenüber:
In our view the question really is whether the idea of disability in assisting
people with disability is more useful than its observe: assuming that it does
not exist in any real sense. We think disability is a useful idea, because failure
to do implies that other social constructions are also fabrications that can be
ignored if convenient (Kavale; Mostert 2003, S.193).
Kavale und Mostert stellen sich die Frage, was in dieser Gesellschaft nicht
konstruiert ist. Damit kann Feusers Aussage in Frage gestellt werden. Außerdem
muss auf die Konsequenzen aufmerksam gemacht werden, die durch eine fehlende
Zuschreibung des
Förderbedarfs
entstehen. Ohne eine
Zuschreibung von
Behinderung, gibt es derzeit keine staatliche Hilfeleistung. Hans Wocken beschreibt
dies an einem Beispiel: „Voraussetzung für zusätzliche Lehrerstunden ist das
Erkennen und Feststellen von Förderbedarfen […]“ (Wocken 2011, S.11).
Wie diese Vorstellungen der Zuschreibungen durchbrochen werden können, kann
nicht beantwortet werden. Kersten Reich geht davon aus, dass „je mehr sich eine
Gesellschaft in Richtung Diversität und Vielfalt entwickelt, desto stärker rücken
Vorstellungen der Inklusion all dieser unterschiedlichen Menschen in den
Vordergrund“ (Reich 2012, S. 32). Inklusion kann nur gelingen, wenn sich die
Gesellschaft verändert, die Umsetzung von Inklusion in der Schule ist nur ein Teil
des Ganzen.
1.2 Geschichtlicher Hintergrund – wie alles begann…
Es kann für ein Denkkonstrukt wie Inklusion keinen festgelegten historischen
Moment geben, weil mit Inklusion auch ein sich entwickelnder Prozess gemeint ist.
Dennoch gibt es bedeutende Dokumente, die die Sicht auf Teilhabe in der
Gesellschaft verändert haben. Die Salamanca Erklärung und auch die UNKonvention gelten für die Umsetzung von Inklusion als bedeutsame Dokumente.
Gerade die Unterzeichnung der UN-Konvention führt in nächster Zeit dazu, dass
Inklusion gesetzlich festgelegt und für alle Schulen gelten soll. Sowohl auf die
Salamanca Erklärung, als auch auf die UN-Konvention wird noch einzeln
eingegangen. Der geschichtliche Hintergrund beginnt mit der Geschichte der
Sonderpädagogik
und
ihren
einzelnen
Förderschwerpunkten.
Jeder
der
Förderschwerpunkte hat eine eigene Geschichte. Die geschichtliche Aufarbeitung
jedes Förderschwerpunktes ist in dieser Arbeit nicht möglich, weil die Geschichte
der Sonderpädagogik ein eigenes Schwerpunktthema darstellt. Um dennoch einen
Einblick in die Geschichte der Sonderpädagogik geben zu können, soll beispielhaft
die Geschichte des Förderschwerpunktes „emotionale und soziale Entwicklung“
vorgestellt werden.
Im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung entstanden die ersten
Sonderklassen 1945/46 aus den Klassen für kriegsgeschädigte Kinder (Vgl.
Hillenbrand 1999, S.47). Diese nahmen schon bald auch Kinder auf, die in ihrem
Verhalten auf der Volksschule eine Belastung für die Lehrerinnen und Lehrer
darstellten. Aus den Sonderklassen entstand in Bremen die erste Sonderschule für
Kinder mit Verhaltensstörungen. Der Ausbau von Schulen für Kinder mit
Verhaltensstörungen traf schon bald auf Kritik, weil die unklaren Diagnosen und die
negative Stigmatisierung der Kinder nicht gut geheißen werden konnte. Dennoch
wurde 1972 von der Kultusministerkonferenz ein Ausbau der Schulen für
Verhaltensgestörte beschlossen (Vgl. ebd. S.47). Fast zur gleichen Zeit entwickelte
sich ein Jahr später die Integrationsbewegung, dessen Idealvorstellungen, die
Einrichtung eines kooperativen Schulzentrums war.
Seit 1980 wurden in einzelnen Bundesländern auch ambulante Formen der
Erziehungshilfe ausprobiert. Durchgesetzt hat sich bis heute jedoch keine Form
ambulanter Betreuung, für Kinder mit dem Förderschwerpunkt emotionale und
soziale Entwicklung. Heinrich Ricking beschäftigt sich mit der Inklusion des
Förderschwerpunktes emotionale und soziale Entwicklung durch soziale Dienste.
Diese sollen das Bereitstellen von Personen ermöglichen, um die Förderung eines
Kindes an der Regelschule gewährleisten zu können (Vgl. Ricking o.J. S.10). Diese
Arbeit benötigt ein gutes Netzwerk zwischen den einzelnen Schulen und anderen
mitverantwortlichen Institutionen. Neben der Förderung von Kindern sollte das Ziel
von mobilen Diensten sein, die Grundkompetenzen der einzelnen Lehrkräfte zu
stärken (Vgl. ebd. S.11). Das bedeutet, Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mit der
Arbeit des mobilen Dienstes auseinandersetzen und lernbereit sein, für neues Wissen.
Da sich solche Ideen wie die der mobilen Dienste bis heute nicht durchgesetzt haben,
ist der Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung bis heute in der
Inklusion schwer umstritten: „[…] erziehungsbedürftige Schüler stellen stets eine
besondere Herausforderung für die Lehrkraft und die Schule dar und formulieren
spezifische Ansprüche an die Pädagogik und Didaktik der Förderung“ (ebd. S.3).
Christoph Michael Müller hat sich mit der Inklusion dieses Förderschwerpunkts
auseinandergesetzt und dazu empirische Literatur ausgewertet. Er kommt zu dem
Ergebnis, dass die Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit dem
Förderschwerpunt emotionale soziale Entwicklung auf einer Sonderschule
Risikofaktoren beinhaltet. […] attending special needs classes, in terms of negative
peer influence can risk a worsening of individual problem behavior“(Müller 2010,
S.437). Das Verhalten der Mitschüler ist für Schülerinnen und Schüler von großer
Bedeutung, treffen Schülerinnen und Schüler mit aggressiven Verhaltensweisen
aufeinander, besteht das Risiko, dass sich ihr Verhalten potenziert (Vgl. ebd. S.439).
Es fehlen jedoch weitere Forschungsergebnisse, um dieses Ergebnis zu bekräftigen.
In Zukunft muss entschieden werden, welche Förderungen angemessen und
bezahlbar sind und wie Inklusion für Schülerinnen und Schüler mit dem
Förderschwerpunkt emotionale, soziale Entwicklung ermöglicht werden kann, bzw.
wie mit sogenannten „Grenzfällen“ umgegangen wird, bei denen Inklusion nicht
möglich erscheint.
Im geschichtlichen Verlauf überschneiden sich die Geschichten der einzelnen
Förderschwerpunkte an dem Punkt der Integration/Inklusion. 1973 fordert der
Bildungsrat mehr Integration im Bildungssystem, worauf 1994 die Salamanca
Erklärung und 2009 die UN-Konvention folgen (Vgl. Hillenbrand 2010, S.3). Auch
Dokumente der Kultusministerkonferenz (KMK) belegen Bestrebungen Richtung
Inklusion. Eines der aktuell diskutierten Dokumente, ist die Veränderung des
Schulgesetztes in NRW. Diese Dokumente sollen im nachfolgenden Kapitel einzeln
beschrieben werden.
1.3 Bedeutsame Dokumente: „schriftliches“ Festhalten an Inklusion
1.3.1 Salamanca Erklärung
Über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer tagten vom 7. - 10. Juni 1994 in
Salamanca, Spanien unter der Themenstellung: „Pädagogik für besondere
Bedürfnisse: Zugang und Qualität.“ 92 Regierungen und 25 internationale
Organisationen nahmen an diesem Treffen teil, mit dem Ziel „Bildung für alle“ zu
ermöglichen. Die Zielsetzung der Salamanca Erklärung besteht darin, jedes
Schulsystem an die Bedürfnisse jedes Kindes anzupassen und allen Kindern,
unabhängig von ihren Fähigkeiten, den Zugang zur Regelschule zu ermöglichen.
„Schulen müssen Wege finden, alle Kinder erfolgreich zu unterrichten, auch jene, die
massive Benachteiligungen und Behinderungen haben“ (Salamanca Erklärung 1994,
S.4). Zugleich wurde zum Ziel erklärt „Bildung für alle“ voran zu treiben und die
Richtlinien zu beachten, die einen Vorschlag für mögliche Veränderungen in
Bildungssystemen darstellen sollen. Die Richtlinien der Salamanca Erklärung gehen
auf die Bereiche:
Lehrplanflexibilität, Schulmanagement,
Information und
Forschung, Ausbildung von pädagogischem Personal, externe unterstützende
Systeme
und
erforderliche
Mittel
ein
(UNESCO
1994).
Diese
sechs
Themenschwerpunkte geben einen Überblick über das, was pädagogisch angegangen
werden muss, wenn gerechte Bildung verwirklicht werden soll.
Erst 14 Jahre nach der Salamanca Erklärung tritt die UN-Konvention in Kraft. Die
Grundsätze der Salamanca Erklärung, finden sich auch in ihr wieder.
1.3.2 UN- Konvention
Am 26. März 2009 trat die Konvention der Vereinten Nationen über die „Rechte
behinderter Menschen“ in Kraft (Wocken 2011, S.91). Die UN-Konvention will
sicher stellen, dass Menschen mit und ohne Behinderung einen gleichberechtigten
Zugang zu Bildung erhalten (Reich 2012, S.37). Das heißt auf die Schulbildung
bezogen, dass die Schulen dazu befähigt werden, Teilhabe von Menschen mit
sonderpädagogischem Förderbedarf am allgemeinen Schulsystem zu ermöglichen. In
der Formulierung der UN-Konvention heißt es:
Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der
Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein
integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen […]
(Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008, S.1436).
Es fällt auf, dass in der UN-Konvention statt eines inklusiven Bildungssystems, ein
integratives Bildungssystem gefordert wird. In der Literatur gibt es unterschiedliche
Ansichten über die Wahl der Begrifflichkeit in diesem Gesetz, dessen Ausführung
den Rahmen dieser Arbeit sprengt. Es ist jedoch festzuhalten, dass die Auswahl des
Begriffes „integrativ“ nicht unbegründet erfolgte, da in der englischen Fassung ein
„inclusive education system“ gefordert wird. Dennoch können die Forderungen der
UN-Konvention auf den Begriff der Inklusion bezogen werden.
Die UN-Konvention fordert die Anpassung des Bildungssystems an die Bedürfnisse
und Eigenschaften von Schülerinnen und Schülern. War es vorher die Eingliederung
von Menschen mit Behinderung in ein Bildungssystem bzw. die Überweisung auf
Sonderschulen, so ist es jetzt das Bildungssystem welches sich an die Eigenschaften
der Menschen anpassen muss. Wie sich dieses Vorhaben ermöglichen lässt, ist in der
UN- Konvention nicht aufgeführt. Sie beschreibt ein Zielvorhaben, welches in ihren
Aussagen verschieden aufgefasst werden kann. Bis heute wird in vielen Institutionen
und unter Pädagogen und Wissenschaftlern diskutiert, wie sich Inklusion in der
Gesellschaft und vor allem in der Schule umsetzen lässt. Das Thema Inklusion
erweist sich auf diesem Hintergrund als ein „brennendes“ Thema, was sich in der
Literatur, durch unzählige Werke über Inklusion bemerkbar macht. Einzelne
Schulen, wie zum Beispiel die Münsteraner Schule „Berg Fidel“, machen sich auf
den Weg, Inklusion in die Praxis umzusetzen. Die Unterzeichnung der UNKonvention kann als ein großer Schritt in Richtung Inklusion bezeichnet werden. Sie
erhöht den Druck auf die Bildungspolitik, ein System zu verwirklichen, welches
Menschen, ob mit oder ohne Behinderung, gerecht wird.
Dennoch sprechen sich viele Sonderpädagogen und Regelschullehrer gegen
Inklusion an Schulen aus, weil sie Überforderung und mehr Arbeit befürchten. Auch
der Verband der Sonderpädagogen hält an der Sonderbeschulung fest (Vgl. Wocken
2011, S.244). Dabei spricht sich der Verband der Sonderpädagogen für ein „sowohl
als auch“ aus (Vgl. Wocken 2010, S.1). Hans Wocken sieht in dieser „gespaltenen
Antwort“ zwei Folgeprobleme (Vgl. ebd. S.3). Erstens würden Sonderschulen
schlimmer als bisher den Status der „Restschulen“ einnehmen, wenn davon
auszugehen ist, dass die Hälfte der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in
die Regelschule integriert werden würde. Zweitens würde ein Aufrechterhalten der
Sonderbeschulung zu einer gravierenden Belastung für den öffentlichen Haushalt
werden. Neben diesen zwei Folgeproblemen käme noch ein Streit um die
Ressourcenverteilung hinzu, weil sowohl Regelschulen als auch Sonderschulen,
Ressourcen für die Umsetzung von Förderungen benötigen. Hans Wocken
bezeichnet aus diesen Gründen den Verband der Sonderpädagogen nicht als Gegner
von Inklusion, sondern als Widersacher:
„Als Widersacher der Inklusion sind all diejenigen anzusehen, die zwar für Inklusion
ein höfliches Lippenbekenntnis erübrigen können, aber an der weiteren Existenz von
Sonderschulen unverbrüchlich festhalten“ (ebd. S.1).
Die wörtliche Stellungnahme des Verbandes für Sonderpädagogen zu Inklusion
lautet wie folgt:
Inklusion ist ein langfristiger Prozess mit dem Ziel des Verzichts auf
Isolierung einzelner Gruppen innerhalb der Gesellschaft. Hierfür müssen in
Kindertageseinrichtungen, in allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, in
Hochschulen sowie in allen Einrichtungen der Erwachsenenbildung die
Organisationsformen entsprechend weiter entwickelt, Strukturen angepasst
und Konzepte modifiziert werden, ohne die beteiligten Menschen zu überoder zu unterfordern (Verband der Sonderpädagogen e.V. 2009, S.2).
Der Verband der Sonderpädagogen lässt in dem Dokument ebenfalls offen, wie die
Strukturen modifiziert werden müssen, um Inklusion zu ermöglichen. Die
Unterzeichnung der UN-Konvention hat den Prozess der Inklusion beschleunigt.
Wäre die UN-Konvention nicht unterzeichnet worden, muss davon ausgegangen
werden, dass der Begriff Inklusion heute eher als ein „toter“ Begriff in der
Bildungslandschaft schweben würde.
Auch die Kultusministerkonferenz (KMK) reagiert auf die Umsetzung von Inklusion
an Schulen.
1.3.3 KMK
Der Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 20.10.2011: „Inklusive Bildung von
Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen“, setzt sich mit
Zielsetzungen, Voraussetzungen und Bestrebungen inklusiver Bildung auseinander.
Die Empfehlungen der KMK definieren Inklusion wie folgt: „Inklusion in diesem
Sinne bedeutet für den Bereich der Schule einen gleichberechtigten Zugang zu
Bildung
für
alle
und
das
Erkennen
und
Überwinden
von
Barrieren“
(Kultusministerkonferenz 2011, S.3). Die Schulen müssen sich auf den Weg machen,
um allen SchülerInnen einen gleichberechtigten Zugang zur Bildung zu verschaffen.
Die Kultusministerkonferenz sieht es als eine wichtige Aufgabe der Schulen an,
Bildung für alle zu gewährleisten. Sie geht davon aus, dass Teilhabe, inklusive
Bildungs-, Beratungs-, und Unterstützungsangebote, professionelles Personal und
Kooperationen mit Partnern, die Grundvoraussetzungen für Inklusion darstellen.
All diese Angebote der oberen Behörden sollen am Kindeswohl orientiert stattfinden,
weswegen Vertrauen in die Kinder und ihre Fähigkeiten und die Beobachtung der
individuellen Entwicklungsprozesse von Kindern eine Voraussetzung bilden (Vgl.
ebd. S.5ff.). Der Begriff der Behinderung wird auch in der Kultusministerkonferenz
als ein offener, an Teilhabe orientierter Begriff verstanden. Jedes Kind wird die
Möglichkeiten finden, die ihm durch seine individuellen Entwicklungen und
Bedürfnisse zustehen.
Die Voraussetzung für ein Gelingen von Inklusion, sind inklusive Bildungsangebote
an Schulen. Ziel der inklusiven Bemühungen im Bereich der inklusiven Bildung soll
sein: „die optimale Form der selbstbestimmten Lebensführung zu ermöglichen und
die persönliche Entscheidungskompetenz zu stärken“ (ebd. S.8). Das Vertrauen in
die Persönlichkeit der Kinder, gilt dafür als Grundvoraussetzung. Werden die
individuellen Kompetenzen der Kinder beachtet und in den Unterricht mit
einbezogen, ist inklusiver Unterricht möglich.
Der
Unterstützungsbedarf
der
Schülerinnen
und
Schüler
ist
individuell
unterschiedlich und muss deswegen durch verschiedene Lehr-Lern-Angebote
ermöglicht werden (Vgl. ebd. S.14). Neben der Vernetzung von Lehr-LernAngeboten gehört die Prävention zur Aufgabe schulischer Bildung. Frühzeitiges
Handeln, kann sich positiv auf Entwicklungsprozesse der Schülerinnen und Schüler
auswirken und die Kinder für ihr zukünftiges Leben stärken.
Die Gestaltung einer inklusiven Bildungslandschaft ist nur durch ein professionelles
Personal
möglich.
Der
Einsatz
von
Lehrerinnen
und
Lehrer
sowie
SozialpädagogInnen und weiteren Menschen mit unterschiedlichen Professionen ist
für eine inklusive Schule von größter Bedeutung, weil unterschiedliche Bedürfnisse
vielseitig ausgebildete Lehrkräfte und ihre Professionen erfordern. Dabei liegt die
Verantwortung für das Gelingen einer inklusiven Schule nicht bei Einzelpersonen,
sondern in der Haltung eines Kollegiums. Die KMK benennt die Bedingung der
Bereitschaft „[…] sich selbst gleichzeitig gestaltend und lernend in diesen Prozess
einzubringen“ (ebd. S.19). Das Personal einer Schule muss durch gemeinsame
Verantwortung,
didaktische
Kenntnisse,
Zusammenarbeit
und
gegenseitiger
Hilfestellung an einem Strang ziehen. Dies erhofft sich die Kultusministerkonferenz,
durch
das
Zusammenwirken
von
allgemeinpädagogischem
und
sonderpädagogischem Wissen. Die Rolle der Lehrperson verändert sich vom
Einzelkämpfer zum flexiblen Teamworker. Soll inklusive Bildung möglich sein,
müssen sich Lehrkräfte mit dem Thema Inklusion auseinandersetzen und sich zu
diesem Thema positionieren.
Die KMK hält in ihrer Empfehlung von 2011 bereits konkrete Vorschläge und
Haltungsänderungen für Lehrerinnen und Lehrer bereit. Dennoch ist auch dieses
Dokument lediglich eine Empfehlung, dessen Umsetzung für Lehrerinnen und
Lehrer nicht als verpflichtend angesehen werden muss. Konkrete Veränderung
können erst mit einem neuen Schulgesetz angestrebt werden.
1.3.4 NRW-Änderung des Schulgesetzes
Die Änderung des NRW-Schulgesetztes, kann als logische Schlussfolgerung der
Unterzeichnung der UN-Konvention verstanden werden, bei der sich Deutschland zu
einer Umsetzung von Inklusion verpflichtet hat. Ab August 2013 sollten die
Veränderungen im Schulgesetz in Kraft treten, dies ist jedoch, wie bereits in der
Einleitung beschrieben, erst kürzlich um ein Jahr nach hinten verschoben worden.
Ein Großteil des Schulgesetzes bleibt in seiner Formulierung von 2005 bestehen, die
Neuerungen beziehen sich ausschließlich auf den Ansatz der Inklusion.
In § 2 Absatz 5 heißt es:
In der Schule werden Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung in
der Regel gemeinsam unterrichtet und erzogen (inklusive Bildung).
Schülerinnen und Schüler, die auf sonderpädagogische Unterstützung
angewiesen sind, werden nach ihrem individuellen Bedarf besonders
gefördert, um ihnen ein möglichst hohes Maß an schulischer und beruflicher
Teilhabe und selbstständiger Lebensgestaltung zu ermöglichen (Änderung
des Schulgesetz 2013, S.1).
Es wurde ebenfalls festgelegt, dass die gesonderte Förderung nach bestimmten
Förderschwerpunkten nur noch in Ausnahmefällen durchgeführt werden soll, was
umfassende Veränderungen des deutschen Schulsystems nach sich zieht. Für die
Regelschulen bedeutet dies, eine Umstellung. Allgemeine Regelschulen müssen sich
auf neue Berührungspunkte mit der Sonderpädagogik einlassen, um jedem Kind eine
bestmögliche Förderung zu ermöglichen. Jedes Kind hat nach dem neuen
Schulgesetz das Recht, eine Regelschule besuchen zu dürfen, deswegen laufen
integrative Lerngruppen und Kompetenzzentren aus.
Unklar bleibt jedoch, wie die Ressourcen durch die Schließungen von Sonderschulen
und Kompetenzzentren, auf die allgemeinen Schulen verteilt werden. Diese
Unklarheit soll der Grund dafür sein, weswegen die Einführung des neuen
Schulgesetzes auf 2014 „verschoben“ wurde. Eine Doppelbesetzung von Klassen zu
bestimmten Zeiten wurde gesetzlich nicht vorgesehen, könnte aber den Schulalltag in
der Praxis vereinfachen und das Lernen aller Schülerinnen und Schüler verbessern.
Innere und äußere Differenzierung hingegen ist gesetzlich vorgesehen in §20 Absatz
1 heißt es:
In der allgemeinen Schule wird der Unterricht als Gemeinsames Lernen für
Schülerinnen und Schüler mit und ohne Bedarf an sonderpädagogischer
Unterstützung im Klassenverband oder in der Lerngruppe erteilt. Er erstreckt
sich auf alle Unterrichtsvorgaben nach § 19 Absätze 3 und 4. Hierbei sind
Formen innerer und äußerer Differenzierung möglich (Änderung des
Schulgesetz 2013, S.7).
Bis jetzt ist allerdings unklar, ob Sonderpädagogen oder Regelschullehrer diese
Differenzierungen ermöglichen sollen, weswegen eine Auseinandersetzung mit
Inklusion für alle Lehrpersonen von großer Bedeutung ist.
Alle hier nur ansatzweise angesprochenen Dokumente und Beschlüsse setzen sich für
ein inklusives Schulsystem ein und fordern ein gleiches Bildungsrecht für alle
Schülerinnen und Schüler, an den allgemeinbildenden Schulen. Bedenkt man jedoch,
dass die Salamanca-Erklärung schon 1994 verabschiedet wurde, ist es bereits jetzt
schon ein langer Weg, bis Inklusion in die Schullandschaft angekommen und
umgesetzt werden kann.
Andere Länder arbeiten schon viele Jahre mit den Grundsätzen von Inklusion. Im
nächsten Abschnitt wird schwerpunktmäßig auf Inklusion in Kanada und Schweden
eingegangen. In beiden Ländern wird Inklusion schon seit langem und mit
praktischer Erfahrung praktiziert.
1.4 Blick über den Zaun - Inklusion im internationalen Vergleich
Kersten Reich führt in seinem Buch: „Inklusion und Bildungsgerechtigkeit“ immer
wieder die Stadt Toronto, Kanada als federführendes Beispiel für inklusive Bildung
auf.
Deren
inklusives
Schulsystem
ist
abgesichert
durch
verbindliche
Vereinbarungen (Vgl. Reich 2012, S.45). Kersten Reich argumentiert, dass diese
verbindlichen Vereinbarungen ausschlaggebend für die erfolgreiche inklusive
Bildung in Toronto sind. Die Vereinbarungen befassen sich unter anderem mit dem
Verhalten der Lehrkräfte gegenüber einer heterogenen Schülerschaft (Vgl. ebd.
S.46). Es wird eine Haltungsänderung gefordert, um alle Menschen chancengerecht
zu behandeln.
Deswegen kann Toronto ein zielführendes und inspirierendes Beispiel für die
Gestaltung einer Bildungslandschaft in Deutschland sein (Vgl. ebd. S.46).
Zielführende Vereinbarungen für die „tatsächliche“ Gestaltung von Inklusion im
Schulalltag fehlen in Deutschland vollkommen. Zwar gibt es eine Vorstellung von
Inklusion, die zum Beispiel durch Dokumente, wie dem neuen Schulgesetz oder
Schriften der Kultusministerkonferenz, vorgegeben werden, jedoch liegt das
Problem, welches viele Lehrpersonen immer wieder beschreiben, in der Angst der
Umsetzung. In Kanada wird der Umgang mit Heterogenität als eine Grundhaltung
betrachtet (Vgl. Stein 2011, S. 93). Der Grund liegt darin, dass Kanada als ein
traditionelles
Einwanderungsland
gilt
und
Heterogenität
von
daher,
wie
selbstverständlich gelebt wird. Die Behindertenbewegung in Kanada hat sich schon
1981 in dem „Obstacle Report“ mit den Bedürfnissen von Menschen mit
Behinderungen auseinandergesetzt und erreicht, dass Gleichberechtigung zu einem
gesellschaftlichen Thema wird. Es wurde speziell die Gleichberechtigung von
Bürgern mit Behinderung angestrebt. Das Gesetz auf Nichtdiskriminierung fordert:
Every individual is equal before and under law and has the right to the equal
protection and equal benefit of the law without discrimination and, in
particular, without discrimination based on race, national or ethnic origin,
colour, sex or mental or physics disability (Garton 2005, S. 1).
Mit diesem Gesetzesentwurf wird das Verständnis von Inklusion in Kanada deutlich.
Inklusion in Kanada ist nicht nur eine schulische Herausforderung, sondern wird als
eine gesellschaftliche Herausforderung angenommen (Vgl. Stein 2011, S.98).
Inklusion bezieht sich nicht nur auf einen bestimmten Personenkreis, sondern auf die
Gestaltung einer nicht ausgrenzenden Gesellschaft, die alle Menschen mit einbezieht.
Systematisch wurden durch die kanadische Forschung Indikatoren gesucht, die
Auswirkungen auf Inklusion haben können. Auf Schule bezogen sind Indikatoren
zum Beispiel: Zufriedenheit der Lehrer, Schüler, Eltern, Kooperationen mit anderen
Institutionen, Lernleistungen in der PISA-Studie und viele weitere, die Einfluss auf
Inklusion haben. Nachdem diese Indikatoren identifiziert wurden, kam es zu
weiteren Überlegungen, die mit der Frage: „Was braucht die Schule, um diese
Indikatoren positiv beeinflussen zu können?“, zusammengefasst wurden.
Durch diesen gesellschaftlichen und politischen Prozess hat das kanadische
Schulsystem dem deutschen sehr viel voraus, weil in Deutschland die
Organisationsstrukturen für eine solche Herangehensweise fehlen. Einzelne Schulen
haben es sich zur Aufgabe gemacht, sich solche Strukturen selbst anzueignen, um
Bildung inklusiv werden zu lassen, diese gelten jedoch als Ausnahme. Eine dieser
Schulen ist „Berg Fidel“ in Münster, auf die im letzten Kapitel noch konkret
eingegangen wird.
Neben Kanada gelten vor allem die skandinavischen Länder als Beispiel für die
Bildungspolitik in Deutschland. Annemarie von der Groeben beschreibt in ihrer
Monographie, „Verschiedenheit nutzen“ das Bildungssystem in Schweden. Ihre
Folgerungen für das funktionierende System in Skandinavien, sieht sie in der
Gelassenheit, die in der Schulwelt gelebt wird. „Der überwältigende Eindruck war
die Gelassenheit der Jugendlichen und Erwachsenen, die Ruhe, der freundliche,
höfliche und dabei lockere Umgangston […]“ (von der Groeben 2008, S.18). Gerade
diese Gelassenheit fehlt im deutschen Bildungssystem. Lehrerinnen und Lehrer
sehen sich beim Thema Inklusion unter einem wachsenden Druck. Die Gedanken
vieler Lehrkräfte an Inklusion sind negativ geprägt, weil sie Inklusion als
Mehrbelastung sehen und die derzeitigen Belastungssituationen in der Schule sie
bereits überfordern: immer größere Klassen, Schwierigkeiten in der Kooperation mit
Eltern, fehlende gesellschaftliche Anerkennung.
Es drängt sich die Frage auf, wie Inklusion in den skandinavischen Ländern
funktioniert. Von der Groeben sieht die Antwort im Vertrauen von Lehrerinnen und
Lehrern gegenüber Schülerinnen und Schülern. Die Schule ist 24 Stunden für alle
geöffnet. Schülerinnen und Schüler haben Zugang zu ihrer Schule und können sich
hier auch in ihrer Freizeit treffen (Vgl. ebd. S. 18). Obgleich Schülerinnen und
Schüler stets Zugang zur Schule haben, gibt es in den Gebäuden kaum Vandalismus,
weil die Schule von den Schülerinnen und Schülern wertgeschätzt wird. Ihnen wird
Vertrauen entgegengebracht, was dazu führt, dass Schülerinnen und Schüler sich
selbst für ihre Schule und das Gebäude verantwortlich fühlen.
Obwohl noch Schüler […], werden sie zugleich so sehr für voll genommen,
dass man ihnen auch die volle Verantwortung (symbolisiert durch den
Schulschlüssel) überträgt und andererseits vollen Einsatz und volle Leistung
von ihnen erwartet (ebd. S.18).
Schülerinnen und Schülern wird vertraut und ein Teil der Verantwortung der Schule
übertragen. Dadurch entsteht eine Idee von Schule, die von allen getragen wird. Die
Fronten zwischen Lehrern und Schülern kommen erst gar nicht auf. Schule ist für
alle ein Ort, an dem Bildung und Freizeitgestaltung stattfindet. Neben der Basis,
Schülerinnen und Schüler zu vertrauen, lautet die oberste Maxime an allen Schulen
in Schweden, kein Kind im Schulsystem zu verlieren. (Vgl. ebd. S.19). In Schweden
gehen Kinder von der ersten bis zur neunten Klasse auf eine Gesamtschule, die
sogenannte „Grundskola“. Erst ab der achten Klasse werden Schülerinnen und
Schüler mit Noten konfrontiert, die jedoch nicht dazu genutzt werden, Schülerinnen
und Schüler mit einer schlechten Bewertung abschieben zu können. Das
Sitzenbleiben ist im schwedischen Schulsystem nicht möglich, genauso wenig wie
der Schulwechsel aufgrund von schlechten Leistungen (Vgl. Koch 2011, S.152ff.).
Nach Abschluss der neunjährigen „Grundskola“ ist der Wechsel auf eine dreijährige
„Gymnasieskola“ möglich. Mehr als 90% der Schülerinnen und Schüler wechseln
nach der neunten Klasse auf eine weiterführende Schule (Vgl. ebd. S.154). Diese
Schulen sind wiederum mit individuellen Programmen auf die Bedürfnisse der
Schülerinnen und Schüler ausgerichtet. Es bestehen verschiedene Möglichkeiten,
wie: Berufe kennen zu lernen, Schule und Ausbildung miteinander zu verkoppeln,
berufsvorbereitende
Bildungsgänge
zu
besuchen
und
den
Abschluss
zur
Berechtigung an einer Hochschule zu erwerben. Das schwedische Schulsystem
verdeutlicht, mit diesem differenzierten Angebot, wie Inklusion in der Praxis
aussehen kann.
In Deutschland wäre ein erster Schritt das mehrgliedrige Schulsystem aufzulösen.
Die Bildungspolitik in Hamburg hat 2010 gezeigt, wie schwer es sein wird diesen
Schritt zu gehen. Durch einen Volksentscheid wurde deutlich, dass Bürgerinnen und
Bürger in Hamburg am Gymnasium festhalten (Vgl. Süddeutsche Zeitung 2010, S.1).
Die Einführung einer sechs jährigen Grundschulzeit wurde verhindert. Eine
Begründung kann darin liegen, dass homogene Lerngruppen vielfach als der beste
Weg gesehen werden. Es wird an alten Mustern festgehalten und argumentiert, dass
auch aus diesen Schülerinnen und Schülern etwas geworden ist. Nach dem Motto:
So wie es ist kann es bleiben. Für die „begabungsgerechte“ Schule werden die
passenden Schüler gesucht. Das System Schule steht unveränderlich fest, die
zu lösende Aufgabe ist die Auswahl („Selektion“) der passenden Schüler.
(Vgl. Wocken 2010, S.2)
Um den Forderungen der Inklusion gerecht zu werden, kann es so nicht bleiben.
Deswegen soll zum Abschluss dieses einführenden Kapitels, eine Handreichung
vorgestellt werden, die die praktische Umsetzung von Inklusion an Schulen anstrebt.
1.5 Index für Inklusion – ein erster Weg zur Umsetzung
Der „Index für Inklusion“ wurde im Jahr 2000 von Toni Booth und Mel Ainscow
entwickelt. Durch den „Index für Inklusion“ werden Schulen in dem Prozess
angeleitet, sich zu einer inklusiven Schule zu entwickeln. Vorarbeiten für den „Index
für Inklusion“ fanden in Australien und den USA an der Masquarie Universität in
New South Wales, wie auch an der Universität Syracuse in den 80er Jahren statt
(Vgl. Boban; Hinz S.43). Eine Gruppe von Wissenschaftlern entwickelte daraufhin,
in Großbritannien, eine Sammlung von Materialien, die das Bestreben von Inklusion
an Schulen vereinfachen und anregen sollte. 1997 und 1998 fanden die ersten
Erprobungen dieses Index in Grund- und Sekundarschulen statt. Mit dem „Index für
Inklusion“ wird die Lernqualität in Schulen nicht über die Leistungen von
Schülerinnen und Schülern definiert, sondern über eine Auseinandersetzung mit dem
Geschehen, welches an der Schule stattfindet. Barrieren, Kulturen und Strukturen
einer Schule werden durch den „Index für Inklusion“, als Instrument einer Anleitung,
kritisch überprüft (Vgl. Reich 2012, S.159). Dafür enthält der „Index für Inklusion“
sechs Bereiche, 44 Indikatoren und insgesamt 560 Fragen, die genutzt werden, um
sich kritisch mit dem auseinanderzusetzen, was für eine inklusive Schule notwendig
ist. Mit diesen Fragestellungen und Indikatoren schlägt der „Index für Inklusion“
Themenschwerpunkte, anhand von Fragestellungen vor, die im Lehrerkollegium
diskutiert werden können. Durch die Diskussionen sollen Ziele im Kollegium
festgelegt werden, um die übergeordnete Zielsetzung der „inklusiven Schule“
erreichen zu können.
1.5.1 Loslegen!! – Mit dem Index für Inklusion
Möchten Schulen mit dem „Index für Inklusion“ arbeiten, ist als erster Schritt eine
Koordinationsgruppe einzurichten (Vgl. ebd. S.44). Die KoordinatorInnen sind
verantwortlich für den Prozessverlauf. In Projekttreffen und Arbeitssitzungen
beschäftigt sich das Kollegium einer Schule mit den Inhalten des „Index für
Inklusion“. Es ist wichtig sich als TeilnehmerIn dieser Treffen, schon im Vorhinein
Gedanken über die Zielsetzung gemacht zu haben und sich zum Beispiel mit der
Fragestellung: Was erhoffe ich mir persönlich von dem Einsatz des „Index für
Inklusion“ und was erhoffen sich die Beteiligten von dem Prozess insgesamt?
auseinanderzusetzen.
Die erarbeiteten Ziele müssen anhand von Indikatoren überprüfbar sein, dafür gibt
der „Index für Inklusion“ Vorgaben, die Überprüfbarkeit und die Realisierung eines
Ziels zu erreichen (Vgl. Reich 2012, S.155). Drei Dimensionen lassen sich im
Kollegium diskutieren (Vgl. Boban; Hinz 2003, S. 44). Die Dimension: „Inklusive
Kulturen schaffen“ befasst sich mit der Entwicklung inklusiver Werte: Schüler und
Schülerinnen, Eltern und das Kollegium der Schule setzen sich mit den
Begrifflichkeiten der Inklusion inhaltlich auseinander und entwickeln ein eigenes
Verständnis von inklusiven Werten. Dies schafft eine Grundlage um sich weiterhin
mit Inklusion beschäftigen zu können. Ziel dieser Dimension ist es, dass jeder an der
Schule wissen muss, was mit Inklusion gemeint ist und welche Veränderungen auf
die Schule zukommen, zum Beispiel der gemeinsame Unterricht oder die
Doppelbesetzung durch zwei Lehrkräfte in einer Klasse, zu festgelegten Zeiten.
Transparenz
und
Zusammenhalt
ist
gerade
am
Anfang
eines
solchen
Entwicklungsprozesses wichtig, damit alle Kollegen und alle Eltern wissen, was auf
sie zukommt. Mit der ersten Dimension „inklusive Kulturen schaffen“, soll eine
sichere, akzeptierende und zusammen arbeitende Gemeinschaft entstehen, die Lust
auf Veränderung entwickelt (Vgl. Reich 2012, S.164).
In der zweiten Dimension: „Inklusive Strukturen etablieren“ werden zentrale
Aspekte der Schulentwicklung, in derselben Schule, aufgegriffen, mit dem Ziel
Partizipation für alle zu ermöglichen. Alle Strukturen von der gesamten
Schulgemeinschaft bis zur kleinsten Fördergruppe, über die Schulküche und den
Pausenhof bis zum Unterrichten einer heterogenen Schülergruppe müssen bedacht
und durchdrungen werden. Diese Dimension erfordert von allen Beteiligten eine
Reflexionsbereitschaft.
„Inklusive Praktiken entwickeln“ lautet die dritte Dimension. Die zuvor theoretisch
erarbeiteten Inhalte der beiden ersten Dimensionen, sollen auf die Praxis angewendet
werden. Ressourcen der Schule müssen mobilisiert werden, um „die Teilhabe aller“
zu ermöglichen (Vgl. Boban; Hinz 2003, S.45).
Mit diesen drei Dimensionen des Index lassen sich Möglichkeiten fokussieren, die
zur Unterstützung des Lernens und der Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler der
Phase 1
Mit dem Index
beginnen
Phase 2
Die Schulsituation
beleuchten
Phase 3
Ein inklusives Schulprogramm entwerfen
Phase 5
Den Index-Prozess
reflektieren
Phase 4
Die Prioritäten
umsetzen
Schule dienen (Vgl. Reich 2012, S.167). Das Kollegium setzt sich mit dem
jeweiligen Stand der Schule konstruktiv-kritisch auseinander und wird dazu
angeregt, Veränderungen zu wagen. Die Umsetzung erfolgt in insgesamt fünf
Phasen, die nachfolgend kurz erläutert werden. Abbildung 2 zeigt den Prozessverlauf
und die einzelnen Phasen der Umsetzung für den „Index für Inklusion.“ Die
Abbildung verdeutlicht, wie die einzelnen Phasen untereinander agieren. Der
entstehende Kreislauf veranschaulicht den immer wieder angesprochenen „Prozess“
durch den Inklusion ermöglicht werden kann.
In der ersten Phase wird, wie bereits erwähnt, eine Koordinationsgruppe gebildet, die
die Belange aller Beteiligten an der Schule mit berücksichtigt (Vgl. ebd. S.168). In
Phase zwei wird die Situation der Schule analysiert. Konkrete Probleme und
Missstände in der Schule werden besprochen, sowie mögliche Lösungsansätze und
Verbesserungen fokussiert. Erst in Phase drei kommt der „Index für Inklusion“ zur
Sprache und das dahinterstehende Grundverständnis wird erklärt. Das Ziel ist es,
Möglichkeiten und Lösungen im Kollegium hervorzubringen, die die Missstände
einer Schule beheben können. Die Umsetzung dieser Prioritäten ist der Phase vier
vorbehalten. Unvermeidbar ist ein Dokumentationsprozess für diese Phase, damit in
Phase fünf Evaluierungen und Reflektionen stattfinden können, die dazu verhelfen
die Lösungswege zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern. Durch die Arbeit
mit einem solchen Modell muss sich ein Kollegium immer wieder mit der aktuellen
Entwicklung ihrer Schule auseinandersetzen, um dem Prozess der Inklusion gerecht
werden zu können.
Kritik in der Umsetzung des „Index für Inklusion“ wird vor allem an der Menge an
Fragestellungen geübt, die der Index beinhaltet. Mit 560 Fragen befasst sich dieser
intensiv mit dem Verständnis von Schule und Inklusion. Gleichzeitig stellt die
Beantwortung von 560 Fragen auch einen hohen Arbeits- und Zeitaufwand dar. Für
die parktische Umsetzung in der Schule kann es LehrerInnenkollegien helfen,
einzelne Fragestellungen lokalisiert zu beantworten. Die Vielzahl an Fragen braucht
Kollegien nicht davon abzuhalten, den „Index für Inklusion“ als Ansatz für
schulische Veränderungen zu nutzen. Die freie Verfügbarkeit im Internet, macht den
„Index für Inklusion“ zu einem schulischen Werkzeug, welches jedem zugänglich
ist. Dadurch hat der „Index für Inklusion“ eine hohe Verbreitung gefunden, die
bisherigen 6000 Exemplare reichten nicht aus, sodass immer wieder nachgedruckt
werden musste (Vgl. Reich 2012, S.174). Die Verbreitung im Internet kann nicht
überschaut werden. Festzuhalten ist, dass der „Index für Inklusion“ nicht nur für die
Umstrukturierung von Schulen genutzt werden kann, das Spektrum reicht vom
Elementarbereich bis zur Hochschule über Kitas, Altenheime, Jugendhilfe usw. (Vgl.
Reich 2012, S.174).
Nach dieser Einführung in die Theorie, die von der Klärung der Begrifflichkeiten,
über wichtige Dokumente, den internationalen Vergleich zu einem schulischen
Werkzeug der praktischen Umsetzung führte, geht es im nachfolgenden Kapitel um
die Gelingensfaktoren für Inklusion. Die Fragestellung: „Welche Faktoren müssen
für die theoretische Umsetzung von Inklusion beachtet werden?“, werden in diesem
Kapitel ausführlich beantwortet. Für die Beantwortung der Frage müssen als erstes
die inhaltlichen Formen von Inklusion beleuchtet werden. Diese setzen sich aus den
fünf Faktoren der Ausgrenzung zusammen, die inhaltlich kurz beschrieben werden.
Danach folgen Organisationsformen für die Implementierung von Inklusion.
Anschließend werden Bedingungen und Ansätze dargelegt, die in der theoretischen
Planung von Inklusion mit bedacht werden müssen. Dazu gehört die Planung von
Inklusion,
ein
Ressourcenmanagement,
kommunikative
Strukturen,
eine
professionelle Lehreraus- und Fortbildung, inklusive Lerninhalte und eine inklusive
Didaktik sowie ein Verständnis von Individualisierung und Evaluation. All diese
Ansätze und Vorschläge haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, weil sich die
Ideen und Ansätze um das Thema Inklusion in einem stetigen Prozess befinden.
Dennoch soll in dem folgenden Kapitel ein Überblick über die aktuellsten und
bedeutsamsten Dokumente und Vorschläge gegeben werden, um zu einem
erweiterten Verständnis von Inklusion zu gelangen.
2. Gelingensfaktoren für Inklusion – Schritt 2: Den Bedarf
erkennen…
Um die Gelingensfaktoren für Inklusion zu erfassen, stellt Kersten Reich inhaltliche
Formen
von
Inklusion
und
im
Anschluss
die
sich
daraus
ergebenen
Organisationsformen vor. Wie in Abbildung 3 dargestellt, bedingen sowohl das
Wissen
um
die
inhaltlichen
Formen,
als
Organisationsformen, das Gelingen von Inklusion.
auch
das
Wissen
um
die
Gelingensfaktoren
Inhaltliche Formen
- Ethnokulturelle Unterschiede
- Unterscheidung aufgrund des
biologischen Geschlechts
- Unterschiede in den sozialen
Lebensformen
- sozio-ökonomische
Unterschiede
- Ausgrenzung aufgrund von
Behinderung
Organisationsformen
- Inklusionsplanung
- Ressourcenmanagement
- Kommunikative Strukturen
- Lehreraus- und -fortbildung
- Lerninhalte
- Didaktik
- Individualisierung
- Evaluation
Abbildung 3: Gelingensfaktoren für Inklusion (Reich 2012, S.104ff)
2.1 Inhaltliche Formen – Inklusion in allen Facetten
Inhaltlich geht es bei Inklusion um die gleichwertige Teilhabe von Menschen in allen
Bereichen. Diese Teilhabe wird durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst, die
Menschen aufgrund von bereits benannten Merkmalen ausgrenzen.
Zu diesen Faktoren gehören:

Ethnokulturelle Unterschiede

Unterscheidung aufgrund des biologischen Geschlechts

Unterschiede in den sozialen Lebensformen

sozio-ökonomische Unterschiede

Ausgrenzung aufgrund von Behinderung (Vgl. Reich 2012, S.54ff.).
Diese Formen von Ausgrenzung müssen in der Umsetzung von Inklusion im
Unterricht berücksichtigt werden, damit Inklusion gelingen kann. Es ist wichtig zu
beachten, dass Ausgrenzen sowohl im Hinblick auf die Gesellschaft, als auch im
Hinblick auf die Schule, als ein Teil der Gesellschaft anzunehmen ist. Im Anschluss
sollen die fünf Dimensionen der Ausgrenzung und ihre Bedeutung für Gesellschaft
und Schule einzeln beleuchtet werden.
2.1.1 Ethnokulturelle Unterschiede
Als ersten Faktor benennt Kersten Reich ethnokulturelle Unterschiede, mit der
Forderung: „[…]radikal gedacht, dass es kein Besser oder Schlechter zwischen den
Eigenen und dem Fremden im Blick auf die gemeinsame Demokratie geben sollte“
(ebd. S.55). Dennoch werden immer noch Menschen aufgrund ihrer Herkunft
ausgegrenzt. Ethnokulturelle Gerechtigkeit bedeutet, ein Recht darauf zu besitzen,
dass ethnische Zugehörigkeit in Erziehungs- und Bildungssystemen als irrelevant
gelten (Vgl. ebd. S.57). Es darf in der Erziehung und Bildung von Menschen, einzig
und allein um die Einzigartigkeit jedes Individuum gehen. Ethnokulturelle
Unterschiede lassen sich nur überwinden, wenn alle Menschen, egal welche
Hautfarbe oder welche ethnokulturelle Zugehörigkeit sie haben, gerechte Chancen
für Bildung und gesellschaftliche Teilhabe eröffnet bekommen.
2.1.2 Unterscheidung aufgrund des biologischen Geschlechts
Auch das Unterscheiden aufgrund des biologischen Geschlechts erhöht die
Bereitschaft der Ausgrenzung. Deswegen müssen sich Entscheidungsträger für
Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, um eine Chancengleichheit für alle ermöglichen
zu können. Reich definiert Geschlechtergerechtigkeit folgendermaßen:
Geschlechtergerechtigkeit bedeutet vielmehr, dass jede/r eine individuelle
und sich auch verändernde, veränderbare und sich wandelnde Persönlichkeit
besitzt, die nicht auf Dauer nur eine Identität dokumentieren wird, sondern in
dieser Identität stets auch Entwicklungen, Veränderungen, Widersprüche und
Ambivalenzen eingeschlossen hat, die für eine freie Entwicklung zur
Verfügung stehen“(ebd. S.61).
Zur Anerkennung der Geschlechtergerechtigkeit gehört es, die unterschiedlichen
sexuellen Orientierungen zu akzeptieren. Die Gesellschaft sieht rechtlich ein
Festlegen auf das eine oder das andere Geschlecht vor (Vgl. ebd. S.58). Inklusive
Settings müssen darauf ausgerichtet sein, dass Geschlechtergerechtigkeit angestrebt
wird und die Zusammensetzungen von Gruppen immer wieder in einem reflexiven
Prozess aufgewickelt werden, damit Ausgrenzung aufgrund des Geschlechts
verhindert wird.
2.1.3 Unterschiede in den sozialen Lebensformen
Neben der sexuellen Gleichberechtigung müssen auch andere soziale Lebensformen
gleichwertig anerkannt werden. Lebensformen und Lebensläufe sind in der heutigen
Gesellschaft vielseitiger und plural (Vgl. ebd. S. 68). Niemand hat das Recht, einen
anderen Menschen in eine Richtung zu drängen. Dies gilt zum Beispiel für die Wahl
der Religion, der sexuellen Orientierung und der Wahl des Berufs bzw. der
persönlichen Verwirklichung im Leben. Jeder Mensch besitzt das Recht, das für ihn
persönlich Bedeutsame aus seinem Leben herauszufiltern.
2.1.4 Sozio- ökonomische Unterschiede
Der vierte Faktor bezieht sich auf die sozio-ökonomischen Unterschiede zwischen
den unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten. Gerade der Bildungsstatus ist
sehr von ökonomischen Unterschieden abhängig. In Deutschland ergeben sich
weitreichende ökonomische Unterschiede. PISA hat mehrere Jahre hintereinander
aufgezeigt, dass die sozio-ökonomischen Unterschiede sich auf die Bildung in
Deutschland ausüben. Diese Ergebnisse bedeuten eine Chancenungerechtigkeit, die
abhängig ist von dem ökonomischen Status (Vgl. ebd. S.75). Schulische Bildung hat
den Auftrag, sich mit diesem Problem weitreichend auseinanderzusetzen, weil jedem
Schüler und jeder Schülerin ein gleichwertiges Angebot zu unterbreiten ist, um die
Unterscheidung des sozio-ökonomischen Status aufzuheben. In Deutschland ist der
Bildungserfolg immer noch an die soziale Herkunft eines Schülers oder einer
Schülerin gekoppelt (Vgl. Ruta 2012, S.1). Sozio-ökonomische Unterschiede dürfen
an Schulen keine weiteren Unterschiede verursachen. Inklusion hat den Auftrag, die
Unterscheidung der sozio-ökonomischen Unterschiede aufzubrechen und jedes Kind
in seinen individuellen Fähigkeiten zu fördern, unabhängig vom sozialen Status oder
der Herkunft der Eltern.
2.1.5 Ausgrenzung aufgrund von Behinderung
Der letzte Faktor, beschäftigt sich mit Behinderungen von Menschen. „Als
Behinderung wird meist eine schwere und dauerhafte Beeinträchtigung der Teilhabe
am gesellschaftlichen Leben einer Person gesehen […]“ (Reich 2012, S.78). Die
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, wird Menschen mit Behinderung erschwert,
weil sich viele Menschen mit Behinderung in ihren Verhaltensweisen, ihrer
Kommunikation und im Aussehen von der „Norm“ unterscheiden können.
Ausbildung und Teilhabe in der Arbeitswelt und in der Freizeit ist für Menschen mit
Behinderung daher häufig nur schwer umzusetzen (Vgl. ebd. S.78). Gleichzeitig
können Hilfeleistungen, wie zum Beispiel eine persönliche Assistenz, zu Barrieren
werden, weil sie die Teilhabe von Menschen mit Behinderung einschränken.
Unterschiedliche
Formen
der
sonderpädagogischen
Förderung
finden
in
unterschiedlichen Schulformen statt. In Deutschland werden Schülerinnen und
Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, überwiegend an Sonderschulen
unterrichtet, gleichzeitig ist die Quote der gemeinsamen Beschulung am niedrigsten
(Vgl. ebd. S.83). Abbildung vier verdeutlicht die hohen sonderpädagogischen
Förderquoten der einzelnen Länder in Deutschland und zeigt zugleich auf, dass in
allen Bundesländern die Förderung von Kindern mit einem sonderpädagogischen
Förderbedarf vorherrschend in Sonderschulen stattfindet. Daraus kann geschlossen
werden, dass sowohl Integration als auch Inklusion an Regelschulen in Deutschland
noch nicht weit verbreitet ist.
Abbildung 4: Sonderpädagogische Förderquoten nach Ländern und Förderort (Reich 2012, S.83)
Durch Inklusion und professionelle Lehrpersonen kann es gelingen, die Quote der
gemeinsamen Beschulung an Regelschulen zu erhöhen und gleichzeitig die Teilhabe
in der Gesellschaft zu verbessern.
Alle Faktoren der Ausgrenzung spielen auch in den Organisationsformen von
Inklusion eine bedeutende Rolle. Ohne das Beachten von ausgrenzenden Faktoren,
kann die Teilhabe von Menschen in der Gesellschaft und in der Schule nicht
wachsen.
Im folgenden Abschnitt wird untersucht, was in der schulischen Bildung verankert
werden muss, um Ausgrenzung zu verhindern und Inklusion zu ermöglichen.
2.2 Organisationsformen – theoretische Formen der Umsetzung
In den letzten Jahren widmeten sich unzählige Autoren und Autorinnen der
inklusiven Schulentwicklung in Deutschland. Leitfäden wurden entwickelt und
Standards zur Verwirklichung von Inklusion aufgestellt. Immer wieder stellt sich die
Frage: Wie kann ein Kollegium es schaffen, sich von dem bisherigen ausgrenzenden
Schulsystem abzugrenzen und ihre Schule, zu einer inklusiven Schule zu gestalten?
Kersten Reich nähert sich einer Antwort auf diese Fragestellung. Für ihn gibt es drei
Vorgehensweisen, die als erste Impulse helfen könnten, Inklusion in Schulen zu
verankern. Ein erster Schritt liegt in der Verpflichtung der Entscheidungsträger, sich
mit von Diskriminierung bedrohten Gruppen auseinanderzusetzen (Vgl. Reich 2012,
S.92ff.). Entscheidungsträger müssen überlegen, wie es Schulen ermöglicht werden
kann, alle Kinder in einem Haus zu unterrichten. Die Verpflichtung, Schulstrukturen
verändern zu wollen, darf nicht nur von den Lehrerkollegien angenommen werden.
Auch die Träger der Schulen, die Eltern, die Schüler selbst müssen an einem
Konzept der Inklusion interessiert sein und mitarbeiten wollen. Die Verpflichtung
gilt als ein großer Schritt auf dem Weg der Verwirklichung von Inklusion. Wenn
Entscheidungsträger den erforderlichen Schritt wagen, und beginnen sich mit
Inklusion
auseinanderzusetzten,
ist
schon
etwas
erreicht.
Dieses
Verpflichtungsbekenntnis muss in einer gemeinsamen Sitzung beschlossen und
öffentlich sichtbar dokumentiert werden, damit alle Beteiligten sich über den
derzeitigen Standpunkt informieren können (ebd. S.93). Im zweiten Schritt müssen
die Planungen umgesetzt und regelmäßig evaluiert werden. Als dritter und letzter
Schritt in dieser Vorgehensweise empfiehlt es sich, ein langfristig angelegtes
Programm zur Entwicklung eines Inklusionsplans für die Schule auszuarbeiten.
Hierzu hilft auch die Veröffentlichung von Jutta Schöler zum Thema: Inklusive
Schulentwicklung (Vgl. Schöler 2005). In ihrem Herausgeberwerk geht es um die
Vorbereitung von Schulen auf Inklusion. Themen wie: Leitbilder, Unterrichtspraxis,
Koordination und Zusammenarbeit sowie Elternarbeit und Personalentwicklung
werden vorgestellt und diskutiert.
Das Implementieren von Inklusion im Schulkonzept als erster Schritt, zieht
weitreichende zukünftige Planungen nach sich. Die Planung eines solchen Prozesses
muss bestimmte Punkte mit berücksichtigen (Vgl. Reich 2012, S.91ff.):

Inklusionsplanung

Ressourcenmanagement

Kommunikative Strukturen

Lehreraus- und Fortbildung

Lerninhalte

Didaktik

Individualisierung

Evaluation
Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, kann jedoch als
Hilfestellung betrachten werden, eine erste Orientierung zu geben, was bei der
Umstellung auf Inklusion an Schulen beachtet werden muss. Im Folgenden werden
die einzelnen Planungspunkte vorgestellt.
2.2.1 Inklusionsplanung – verpflichten, vernetzen und los geht’s!
Die Planung einer Implementierung von Inklusion wurde schon einleitend kurz
angesprochen. Nachdem sich ein Kollegium und alle weiteren Mitglieder und Träger
einer Schule für die Umsetzung von Inklusion an ihrer Schule verbindlich
verpflichtet haben, beginnt die Planungsphase. Auseinandersetzungen, Diskussionen
und erste Schritte müssen an einem „Runden Tisch“ mit möglichst vielen Beteiligten
stattfinden. Ressourcen und Möglichkeiten für Inklusion werden abgewogen, sowie
Aufgaben verteilt. Auf Seiten der Schulleitung ist es wichtig, eine klare
Erwartungshaltung der Mitarbeit zu zeigen und das Ziel im Hinterkopf zu wahren um
das Kollegium anzuleiten (Vgl. Reich 2012, S.97). Ziele werden meistens schneller
durch organisierte Hilfestellungen erreicht. Es ist wichtig, dass sich Lehrerinnen und
Lehrer und die Schulleitung über organisierte Hilfen informieren. Regionale
Inklusionsbüros oder ein Inklusionsrat könnten Anlaufstellen sein, die bei der
Umsetzung von Inklusion entscheidend sein könnten (Vgl. ebd. S.101). Solche
Einrichtungen sind in Deutschland leider noch sehr wenig vertreten, weswegen ein
weiterer Vorschlag die Vernetzung mit anderen Schulen ist. Durch die Vernetzung
mit anderen Schulen können Erfahrungen auf dem Weg zur Inklusion ausgetauscht
werden. Wenn Schulen vor den gleichen Problemen stehen, kann sich gegenseitig
Mut gemacht werden, dennoch weiter an der Sache zu arbeiten. Mehr Menschen
bieten eine größere Ideenvielfalt, die es zu nutzen gilt.
Zuletzt kann auch hier wieder auf den „Index für Inklusion“ verwiesen werden, der
eine große Hilfestellung sein kann. Wichtig bei der Planung einer inklusiven
Schulstruktur ist die Beachtung von Ressourcen.
2.2.2 Ressourcenmanagement – den Bedürfnissen der Schülerinnen und
Schülern gerecht werden
Ohne Ressourcen wird Inklusion von Schülerinnen und Schülern nicht gelingen.
Schulträger müssen sich im Klaren darüber werden, dass Inklusion kein
„Sparmodell“ ist (Vgl. Verband der Sonderpädagogen 2009, S.4). Inklusion braucht
für eine gelungene Umsetzung eine deutlich bessere Ausstattung, die sich innerhalb
der Architektur der Schule, der Fördermöglichkeiten und der Klassengröße
wiederspiegeln sollte.
Dafür ist die Architektur von Schulen zu überarbeiten, weil „Barriere-freies- Lernen“
nur in einer barrierefreien Schule für alle möglich ist (Vgl. Kegler 2009, S.61).
Fahrstühle, Möblierung, Größe der Klassenzimmer und weitere Räumlichkeiten,
müssen an die Bedürfnisse von Schülerinnen und Schüler angepasst werden. Für
diese Veränderungen fordert Ulrike Kegler die Mitsprache von Schülerinnen und
Schüler:
Eine bewusste Schulraumästhetik braucht die Mitsprache der Schülerinnen
und Schüler und schränkt sie gleichzeitig ein. Kinder und Jugendliche sollten
nach ihren Ideen und Wünschen befragt werden (ebd. S. 67).
Eine Berücksichtigung der Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern ist allein
durch die Klassengröße nur schwer zu ermöglichen. Lehrpersonen können bei einer
Klassengröße von über 25 Kindern, nur schwer auf die Bedürfnisse jedes einzelnen
Schülers und jeder einzelnen Schülerin eingehen, auch die individuelle Förderung
von Schülerinnen und Schülern ist nur schwer umzusetzen.
Neben kleineren Klassen könnte eine Doppelbesetzung, das bedeutet zwei
Lehrpersonen unterstützen sich in einer Klasse, im Unterricht genutzt werden, um
jeden Schüler individuell zu fördern. Dadurch können individuelle Förderbedarfe
ihre Berücksichtigung im Klassenzimmer finden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass
die Idee der Doppelbesetzung als „pädagogische Feuerwehr“ sich überwiegend den
Schülerinnen
und
Schülern
mit
Förderbedarf
annimmt,
um
diese
mit
Einzelförderungen außerhalb des Unterrichts zu fördern (Vgl. Schwager 2011, S.50).
Eine äußerliche Differenzierung führt jedoch im Umkehrschluss wieder zu
Aussonderungen der „Schwächeren“, was mit dem Ziel der Inklusion nicht vereinbar
ist. Deswegen kommt es im gemeinsamen Unterricht viel mehr darauf an, dass sich
zwei Lehrpersonen ihre Aufgaben aufteilen und sich im Unterricht gegenseitig
unterstützen. Die Planung des Unterrichts, das gemeinsame Leiten einer Klasse und
auch die gemeinsame Bewertung von Schülerinnen und Schülern ist ein gutes Mittel,
um
der
Überforderung
von
Lehrpersonen
entgegenzuwirken.
Neben
der
Barrierefreiheit eines Schulgebäudes und dem gemeinsamen Lernen im Unterricht,
verantwortet von zwei Lehrpersonen, hat es sich insofern als erfolgreich erwiesen,
die Schule offen werden zu lassen zu seiner Nachbarschaft, um
die
nachbarschaftlichen Ressourcen mit einbeziehen zu können (Vgl. Reich 2012, S.98).
Zu den nachbarschaftlichen Organisationen gehören lokale Organisationen und
Vereine (Vgl. ebd. S.100). Neben organisatorischen und architektonischen
Veränderungen brauchen die Lehrerkollegien einer Schule Supervision und
Coaching (Vgl. ebd. S.107). Diese müssen von Schulträgern und Kommunen
finanziert werden, um die Lehrpersonen bestmöglich auf die neuen Situationen
vorzubereiten.
2.2.3 Kommunikative Strukturen – ohne Kommunikation läuft nichts!
Durch Supervision können die kommunikativen Strukturen eines Kollegiums
verbessert werden, weil zum Beispiel Verantwortlichkeiten im Kollegium aufgeteilt
werden. Kommunikative Strukturen erleichtern die Arbeit miteinander, weil
Absprachen getroffen werden und dadurch eine Arbeitsaufteilung erreicht wird. Das
Evaluieren
des
Inklusionsprozesses
an
einer
Schule,
ist
in
einem
kommunikationsbereiten Kollegium erfolgreicher. Innerhalb des Kollegiums ist ein
Austausch über den Inklusionsprozess mit dessen unterschiedlichen Auswirkung von
großer Bedeutung, um Zielsetzungen gemeinsam festlegen zu können. Lehrerinnen
und Lehrer untereinander, sowie die Schulleitung, müssen an den gleichen Zielen
arbeiten und gegenseitig wissen, was sich in der Praxis ereignet (Vgl. ebd. S.96). Die
Leitung einer Schule hat die Aufgabe, die Ziele und Vorstellungen von Inklusion
voranzutreiben. Eine regelmäßig angebotene Sprechstunde für das Kollegium kann
insgesamt und im Einzelnen, eine gute Hilfestellung sein, den Austausch
voranzutreiben (Vgl. ebd. S.98). Innerhalb dieser Sprechstunde kann sich jede
Zielgruppe an die Schulleitung mit Fragen und Problemen wenden, sowie Lob und
Kritik aussprechen.
Ein weiterer Vorschlag kann die Inanspruchnahme von lokalen oder überregionalen
Hilfen sein. Kersten Reich beschreibt in seiner Monographie zum Beispiel die Idee
eines Inklusionsbüros, welches eine Anlaufstelle für Eltern, LehrerInnen und alle
anderen Inklusionsinteressierte werden kann. Unterstützungsmöglichkeiten und
Antragsverfahren könnten mit einer solchen Einrichtung zentral überblickt werden
(Vgl. ebd. S.101). Innerhalb dieser kommunikativen Struktur müssen Fortbildung
und weitere Maßnahmen zur Implementierung von Inklusion besprochen und
angegangen werden.
2.2.4
Lehreraus-
und
Fortbildungen
–
Ressourcen
schaffen
durch
Fortbildungen
Wie im Abschnitt Ressourcenmanagement bereits angesprochen, brauchen
Lehrerinnen und Lehrer einer inklusiven Schule Einführungen in Inklusion,
Fortbildungen und Trainings, um den Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft
zu erlernen. Empirische Studien belegen, dass fast 60% der Lehrpersonen ihr
theoretisches Wissen über Inklusion als unzureichend empfinden (Vgl. Ziemen 2011,
S.128ff.). 80% der Befragten fürchten eine höhere zeitliche Belastung. Nur 15% der
Lehrerinnen und Lehrer schätzen die allgemeine Fortbildungssituation zum Thema
Inklusion als positiv ein.
Für die Zukunft der Lehrerinnen und Lehrer, erscheint es daher sinnvoll, eine
Auseinandersetzung mit Inklusion schon in die universitäre Ausbildung zu
integrieren. Lehramtsstudierende müssen sich mit dem Thema Inklusion intensiv
auseinandersetzen.
Lehrerausbildung
Ursula
Böing
hat
sich
mit
der
Professionalisierung
von
Lehrpersonen
auseinandergesetzt. Verschiedene Untersuchungen belegten, dass nur ein Drittel der
Lehrpersonen
bereit
waren,
sich
mit
Schulentwicklungsprozessen
auseinanderzusetzen (Vgl. Böing 2011, S.60). Diese Ausgangslage zeigt ein
herausforderndes Bild, das es gilt aufzuarbeiten. Eine Handlungsmöglichkeit wäre,
den Ansatz der (Sonderschul-) Lehrerausbildung zu verbessern. In NordrheinWestfalen gliedert sich die Ausbildung des Lehrerberufes in einen „theoretischen“
und einen „praktischen Teil“ (Vgl. ebd. S.61). Das im Studium gelernte Wissen soll
in der Zeit des Referendariats, in praktisches Handeln umgesetzt werden. Doch
pädagogisches Handeln kann nach Ursula Böing, immer als ungewisses Handel
umschrieben werden, weil unterrichtliche Situationen durch Ungewissheit und
spontanes Handeln gekennzeichnet sind (Vgl. ebd. S.64). Aus diesem Grund, kann
sich keine Lehrperson in ihrem Handeln jemals sicher sein. Deswegen muss es zur
Ausbildung von Lehrpersonen gehören, den Handlungsprozess in der Praxis zu
begleiten. Sowohl das theoretisch erworbene Wissen, als auch die Praxisphase
müssen sich in Zukunft aufeinander beziehen, um die Professionalisierung von
LehrerInnen zu verbessern.
Andreas Köpfer hat aus diesem Grund das „Theorie-Praxis Seminar“ mit dem Titel:
„Inklusive Schulentwicklung in Köln“, an der Universität zu Köln entwickelt (Vgl.
Köpfer 2011, S.139). In einem Zeitraum von zwei Semestern finden Studierende der
Universität zu Köln die Möglichkeit, gezielte Einblicke in die Praxis des
Gemeinsamen Unterrichts zu bekommen, der mit theoretischen Modellen und
Reflexion im Seminar untermauert wird (Vgl. ebd. S.139). Durch diese Vernetzung
wird Studierenden ein theoretisches Wissen vermittelt, welches sie direkt in der
Praxis anwenden können. Leider findet ein solches Theorie-Praxis Seminar zunächst
nur für Studierende der Sonderpädagogik statt. In Zukunft wäre es erforderlich,
Angebote dieser Art, für alle Lehramtsstudiengänge zu entwickeln, sowie die Anzahl
solcher Angebote auszuweiten.
Lehrerfortbildungen
Lehrerinnen und Lehrer scheinen ihren Erfolg in einer „integrativen Lerngruppe“
daran zu messen, inwieweit es ihnen gelingt, alle Schülerinnen und Schüler zum
selben Lernziel zu führen (Vgl. Amrhein 2011, S.130). Dieses Ziel kann für eine
inklusive Schule nicht gelten, weil das Ziel von schulischer Inklusion, die
bestmögliche Förderung jedes Einzelnen ist. Das bedeutet jeder Schüler und jede
Schülerin verfolgt individuelle, persönliche Lernziele. Diese Zielsetzung ist für viele
Lehrerinnen und Lehrern unbekannt und muss in Weiterbildungen erlernt werden. Da
für Veränderungen in Richtung Inklusion weniger Bereitschaft da zu sein scheint, als
notwendig, vollzieht sich der Wandel sehr langsam.
Die „Forschungswerkstatt“ bietet sich als ein mögliches Konzept an, die
Professionalisierung eines Lehrerteams voranzutreiben. Ursula Böing beschreibt in
ihrem Artikel das Vorgehen einer „Forschungswerkstatt“, die sich sowohl für
Veränderungen auf der „Mikroebene“ einer Schule, als auch auf der „Mesoebene“
von verschiedenen Schulen positiv auswirken kann (Vgl. Böing 2011, S.66). Das
Prinzip der „Forschungswerkstatt“ basiert auf dem Konzept der Handlungsforschung,
in der sich Aktion und Reflexion im Prozess abwechseln. Zu Beginn werden Fragen
aus der unterrichtlichen Praxis, in der sogenannten „Fallarbeit“, aufgegriffen. Durch
die Arbeit an konkreten Fällen aus der Praxis werden von Lehrerinnen und Lehrern,
gemeinsam Lösungsstrategien entwickelt, die im Unterricht von denselben
ausprobiert werden. Nach der Erprobung erfolgt dann wiederum ein Reflektieren,
welches innerhalb der Gruppe besprochen und ausgewertet wird. Die Arbeit in der
„Forschungswerkstatt“, sollte mindestens ein Schuljahr durchgeführt werden, um
nachhaltig Erfolge zu erzielen. Es empfiehlt sich, für den gesamten Lehr-LernProzess eine Moderation zu installieren, die den methodischen Verlauf der
Forschungswerkstatt überwacht (Vgl. ebd. S.68). Durch diese Bearbeitung an
konkreten Fallsituationen kann die Selbstmotivation von Lehrerinnen und Lehrern,
als hoch eingeschätzt werden, in einer solchen Forschungswerkstatt mitarbeiten zu
wollen. Auf der Mesoebene lässt sich die „Forschungswerkstatt“ auch mit Kollegien
anderer Schulen vernetzen. Es arbeiten dabei mehrere Kollegien gemeinsam an
unterschiedlichen Fragestellungen. Diese Fragestellungen können sich unter anderem
auf die Didaktik und Lerninhalte beziehen, um Lehrerinnen und Lehrer auf eine
inklusive Didaktik vorzubereiten.
2.2.5 Lerninhalte und inklusive Didaktik – Fächerübergreifende Kompetenzen
und individuelle Förderung, statt einer übertriebenen Ausrichtung auf die
Fachwissenschaften.
In deutschen Schulen werden fächerbezogenen Curricula ein hoher Stellenwert
zugeschrieben (Vgl. Reich 2012, S.101). Schon im Lehramtsstudium werden die
Fachinhalte von den
pädagogischen Inhalten getrennt studiert. Wie bereits
angesprochen setzen sich nur wenige Veranstaltungen mit der Kopplung von
Pädagogik und Fachdidaktik auseinander. 4/5 der Studienzeit werden fachliche
Inhalte studiert gegenüber 1/5 Pädagogik (Vgl. ebd. S.102). Das hat zur Folge, dass
an
den
Schulen,
ein
sehr
fächerzentriertes
Curriculum
entsteht.
Diese
Fächerzentriertheit hat Auswirkungen auf das Lernen innerhalb der Schule.
[…] die übertriebene Ausrichtung an den Fachwissenschaften, die zukünftige
Lehrer/innen mit reinen Fachstudierenden oft in gleichen Seminaren erfahren,
führt zu einer falschen Einschätzung der späteren beruflichen Tätigkeit und
nicht selten zu Frustrationen, dass das im Studium erworbene Wissen später
nicht zu den Schülerinnen und Schülern passt (ebd. S.103).
Auf die Schule bezogen bedeutet das, dass SchülerInnen im Sekundarbereich mit
hohen Stoffmengen konfrontiert werden, die nur wenig Platz für persönliche
Interessensgebiete zulassen (Vgl. ebd. S.102ff.). Fachübergreifender Unterricht wird
an wenigen Schulen praktiziert. Auch im Abitur wird die Wahlfreiheit der
Schülerinnen und Schüler durch Vorgaben hinsichtlich der Fächerzusammenstellung
eingeschränkt. Die inklusive Schule, muss fächerübergreifende Kompetenzen
berücksichtigen, um allen Schülerinnen und Schülern ausreichend Möglichkeiten zur
persönlichen Weiterentwicklung zu gewährleisten.
Zu den notwendigen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler, zählen vor allem
Grundfertigkeiten in Mathematik und Deutsch, wie Lesen und Rechtschreibung,
sprachliche Kompetenzen, Zahlenverständnis aber auch soziale Kompetenzen und
Kompetenzen im Umgang mit Heterogenität (Vgl. ebd. S.103).
Lehrerinnen und Lehrer sind mitverantwortlich, jeden Schüler und jede Schülerin in
ihren Entwicklungen im Blick zu behalten und die methodischen Vorhaben gezielt zu
koordinieren und an die Schülerinnen und Schüler anzugleichen. Dafür ist es zum
Beispiel wichtig, Unterricht gezielt zu planen. Deswegen muss, neben der
Vernetzung von allgemeinen und fachlichen Kompetenzen, um eine Stoffentlastung
gekämpft werden.
Die Lerninhalte müssen über eine inklusiv angelegte Didaktik vermittelt werden,
damit jedem Schüler und jeder Schülerin die Teilnahme am Unterricht ermöglicht
wird. Kerstin Ziemen spricht von einer „allgemeinen Didaktik und Pädagogik“, die
niemanden ausschließt: „Die inklusive Schule als eine alle Kinder und Jugendliche
(bzw. deren Eltern) willkommen heißende Schule […] betrachtet die Heterogenität,
die Differenz als Chance bzw. als Ressource“ (Ziemen 2011, S.11). Ihre Vorstellung
baut auf der Idee von Georg Feuser auf, dass nur eine „allgemeine“ angelegte
Pädagogik und Didaktik es schafft, Ausgrenzung innerhalb des Schulsystems zu
verhindern. Eine „allgemeine Didaktik“ passt sich den Bedürfnissen und der
Entwicklung der Schülerinnen und Schüler an. Jedes Kind wird in seinem „So-Sein“
angenommen (Vgl. ebd. S.15). Um diesem Ziel gerecht zu werden, bewährten sich
offene Lernformen, sowie das Lernen in Kurssystemen und Lehrgängen und
individuelle Arbeitsformen (Vgl. ebd. S.16). Wie solche Lernformen aussehen, wird
im dritten Kapitel ausführlich behandelt, wo Beispiele für die praktische Umsetzung
ausgeführt werden, um passende Möglichkeiten für den Unterricht zu entdecken und
sich Unterricht in einer inklusiven Schule konkret vorstellen zu können. Viele
Lerninhalte werden an inklusiven Schulen durch das Prinzip der Individualisierung
umgesetzt.
2.2.6 Individualisierung – Eigenständigkeit im Lernprozess vermitteln
„Individualisierung geschieht im Rahmen einer Gemeinschaft und führt wieder zu ihr
zurück“ (von der Groeben 2008, S.41). Mit der Individualisierung verfolgen
Lehrpersonen das Ziel, einen Schüler/eine Schülerin in seiner/ihrer persönlichen
Entwicklung mit für ihn/sie ausgewählten Aufgaben zu unterstützen. Dies geschieht
im Rahmen einer Schülergemeinschaft. Stellt man sich die Individualisierung als
Pendelbewegung vor, so pendelt sie vom Schüler zur Gemeinschaft und zurück. Der
Schüler arbeitet auf der einen Seite an individuellen Aufgaben, die gleichzeitig einen
Stellenwert in dem gemeinschaftlichen Geschehen im Klassenzimmer haben (Vgl.
ebd. S.65).
Für Inklusion ist es unentbehrlich Schülerinnen und Schüler individuell zu
betrachten. Wie bereits angesprochen geht es um die Teilhabe aller am gemeinsamen
Lernstoff. Durch eine Individualisierung können Lerninhalte auf die jeweiligen
Schülerinnen und Schüler zugeschnitten werden. Das Prinzip der Individualisierung
beinhaltet, die Schwächen und Stärken eines jeden zu erkennen und den
Schülerinnen und Schülern zur Eigenständigkeit und Eigenverantwortung zu führen
(Vgl. Ziemen 2008, S.161).
2.2.7 Evaluieren – Erfolge und Hindernisse offenlegen
Bei all diesen notwendigen Voraussetzungen und Vorschlägen für Inklusion ist es
unbedingt anzustreben, diese zu evaluieren. Haben sich Lehrerkollegien, für
bestimmte Umsetzungen und Planungen entschieden, empfiehlt es sich, diese
mindestens einmal im Jahr zu evaluieren (Vgl. Reich 2012, S.113). Durch eine
Evaluation werden Erfolge und Hindernisse offengelegt, die im weiteren
Prozessverlauf berücksichtigt werden können, um die Schulentwicklung zu einem
noch positiveren Verlauf zu führen. Zielvereinbarungen können sich durch Prozesse
der Evaluation verändern, wenn Ziele erneut gesteckt werden müssen, bevor andere
Ziele erreicht werden können. Auch bei der Evaluation empfehlen sich
Schulpartnerschaften, die einen Austausch zwischen mehreren Schulen bzw. neue
Ressourcen durch die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen ermöglichen.
Bisher haben sich die einzelnen Kapitel einer „theoretischen“ Vorstellung von
Inklusion angenähert, weswegen zu prüfen ist, ob und wie die Theorie in die Praxis
umgewandelt werden kann. In Kapitel drei soll deshalb aufgezeigt werden, wie die
verschiedenen angesprochenen Bereiche in der Praxis verwirklicht werden können.
Dafür werden vier Bereiche der Unterrichtspraxis näher beleuchtet: Unterricht,
Classroom-Management, Umgang im Kollegium, Leistungsbewertung. Die zuvor
behandelte Theorie findet sich in der praktischen Umsetzung wieder, so muss das
bisher Gelesene mit dem folgenden Kapitel zusammenhängend, in einem „inklusiven
Verbund“ betrachtet werden, weil Theorie und Praxis voneinander abhängig sind.
3. Zukunftsmodell Inklusion – Schritt 3: Inklusion in der Praxis
Das Zukunftsmodell Inklusion beabsichtigt Veränderungen in mehreren Bereichen,
die vor allem den Beruf als Lehrer und Lehrerin vor neue Herausforderung stellt.
Lehrpersonen müssen sich auf andere Voraussetzungen einstellen, wenn jeder
Schüler und jede Schülerin Zugang zur Regelschule bekommen wird. „Die Kinder
lernen nicht mehr allein vom Lehrer, sondern vor allem voneinander. Die Lehrkraft
tritt in den Hintergrund und wirkt vor allem als Organisator“ (BLLV 2013, S.1). Der
Unterricht muss sich den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler anpassen. Es
müssen Unterrichtsinhalte von Lehrpersonen ausgewählt werden, die jedem Schüler
passend erscheinen. In Abbildung 5 stellt Katrin Düring die einzelnen Bereiche vor,
sich als Person verändern
(Werte, Einstellungen und Verhalten)
den eigenen
Unterricht
verändern
(lernwirksamer,
schülerorientierter
Unterricht
Felder der
Veränderung
ddddss
durch
gemeinsamen
Unterricht
Die Schule
verändert sich
(Konzept,
Struktur,
Management,
Partizipation)
sich verändernde Arbeitsbedingungen
(Rollenklarheit, Aufgaben-bezogenheit u.
Kooperation)
die sich durch die Einführung eines gemeinsamen Unterrichts verändern.
Ein Bereich bezieht sich auf die Lehrperson in ihrer Persönlichkeit. Lehrerinnen und
Lehrer müssen ihre Werte, Einstellungen und ihr Verhalten ändern, um Inklusion zu
ermöglichen, sie müssen offen sein für Veränderungen. Als weiteren Bereich muss
sich die Schule verändern. Eine inklusive Schule kann nur gelingen, wenn Schule
sich verändert, wozu Veränderungen im Konzept, Management und in der
Partizipation von allen Beteiligten zählen, viele dieser Veränderungen wurden bereits
in Kapitel zwei behandelt. Außerdem ändern sich durch Inklusion die
Arbeitsbedingungen von Lehrerinnen und Lehrern. Gerade auf diesen Bereich geht
das Kapitel 3.1 ein, wenn es um die Vorbereitung von Unterricht im Team geht. Als
letzten Bereich spricht Düring den eigenen Unterricht an, der sich verändern muss.
Eine Schule, die in ihrem Konzept die Grundsätze der Inklusion festhält, braucht
Lehrerinnen und Lehrer, die bemüht sind, diese auch in ihren eigenen Unterricht zu
integrieren.
Viele Lehrkräfte fühlen sich unter diesen Voraussetzungen überfordert und nicht
ausgebildet. Der Umgang mit Kindern mit Behinderung ist ihnen fremd. Sie wissen
nicht, wie sie den Zugang zu diesen Schülerinnen und Schülern herstellen und wie
sie ihnen mit ihrem Unterricht weiterhelfen können. „Ich bin als „normaler“ Lehrer
auf den Umgang mit behinderten Kindern doch überhaupt nicht vorbereitet!“,
(Schöler 2009, S.27) ist eine Aussage, die aus den Lehrerzimmern der Regelschulen
zu hören ist.
Der Beruf des Lehrers war schon vor der Idee und Philosophie der Inklusion vom
Burnout bedroht, weil Lehrerinnen und Lehrer vielen Ansprüchen gerecht werden
müssen, nebenbei steigt der Leistungsdruck an Schulen weiter an (Vgl. Didacta
2013, S.2). Mit der politischen Forderung nach Inklusion werden weitere Ansprüche
an Lehrpersonen herangetragen, denen sie gerecht werden müssen. Es ist wichtig
angehende Lehrerinnen und Lehrer auf diese Anforderungen bereits im Studium
vorzubereiten, um alternative Wege des Umgangs aufzeigen zu können. Marion
Dunkel sieht die „Akutmaßnahme“ in der Supervision (Vgl. ebd. S.2). Inklusion in
Deutschland bedeutet zurzeit noch, mit wenig Ressourcen und wenig ausgebildeten
Lehrkräften alle Schüler gleich gut zu fördern. Deswegen wünschen sich Lehrerinnen
und Lehrer in Zukunft die Möglichkeiten sich weiterzubilden, wie bereits in Kapitel
zwei angesprochen. Supervision gilt als ein Setting das Problem anzugehen. Im
Internet finden sich einige Fortbildungsangebote und Tagungsthemen, die sich mit
unterschiedlichen Schwerpunkten der Inklusion beschäftigen.

Universität
Hildesheim:
Expertentagung
28.2.2013
„Lehrerbildung
–
01.03.2013
zwischen
12.
Bundesweite
Unterrichtsforschung
und
Unterrichtsentwicklung“.

Universität zu Köln: 04.02.2013 UK-Fortbildungen Entwicklung von
Handlungsstrategien im inklusiven Unterricht

Schulministerium NRW: 10.04.2013 Gemeinsamer Mathematikunterricht

Schulministerium NRW: 17.04.2013 Basiswissen „Kooperativen Lernens“
– Methoden und Möglichkeiten

Schulministerium NRW: 04.07.2013 Auf dem Weg zur inklusiven Schule

Integrales Zentrum Möhnesee: Fortbildung Changemanagement zum
Thema Inklusion

Fortbildungen zum Thema Inklusionspädagogik in der Schule unter:
www.bildungsserver.de

…
Diese Fortbildungen stellen einen Teil der Ressourcen dar, die für Inklusion
erforderlich sind. 2014 tritt die Gesetzesänderung zur Inklusion in NRW in Kraft, bis
dahin muss von Seiten der Regierung geklärt sein, aus welchen Mitteln die
Umsetzung von Inklusion finanziert wird.
Um Lehrerinnen und Lehrer die Angst zu nehmen, mit schulischer Inklusion käme
eine Last auf sie zu, welche sie nicht bewerkstelligen können, sollen nachfolgend
Hinweise und Anregungen gegeben werden, die Lehrerinnen und Lehrer auf
Inklusion vorbereiten. Die bereits angesprochenen Bereiche Unterrichtsplanung,
Kooperation im Kollegium, Classroom-Management und Leistungsbewertung
werden in diesem Kapitel beschrieben. Anschließend wird auf eine Empfehlung von
Ulf Preuss-Lausitz und Klaus Klemm eingegangen. In dieser Empfehlung für die
Umsetzung von Inklusion werden verschiedene dieser Bereiche miteinander vernetzt,
um ein umfassendes Bild von inklusivem Unterricht und inklusiver Schulkultur
entstehen zu lassen. Zunächst folgen Ideen zur Unterrichtsplanung.
3.1 Unterrichtsplanungen – Möglichkeiten, Ideen, Visionen, Umsetzung!?!
Planung von Unterricht beschäftigt sich mit der Planung von Unterrichtseinheiten
und der Durchführung dieser. Das Vor- und das Nachbereiten einer Einheit sind für
nachhaltigen Unterricht entscheidend. Unter Punkt 3.1 sollen verschiedene Ideen
vorgestellt werden, die bei der Planung für den Unterricht einer heterogenen Gruppe
helfen. Punkt 3.1.1. beschäftigt sich mit der Vorbereitung von Unterricht im Team.
Danach steht der Umgang mit heterogenen Gruppen im Mittelpunkt. Gerade die
Heterogenität im Klassenzimmer ist eine der größten Barrieren der Inklusion und
muss daher gesonderte Aufmerksamkeit bekommen. Unter Punkt 3.1.3 wird eine
Möglichkeit aufgezeigt mit heterogenen Gruppen pädagogisch umzugehen. Die
Delegation von Aufgaben durch „Nonpersonale“ oder „Personale Unterstützung“
kann eine der Möglichkeiten sein, sich als Lehrkraft zu entlasten und gleichzeitig
jedem Schüler und jeder Schülerin im Unterricht individuell, pädagogisch, „gerecht“
zu werden. Als letzten Punkt wird auf den „handlungsorientierten Unterricht“
eingegangen. Auch dieser lässt sich auf die inklusive Praxis übertragen, weil
Schülerinnen und Schüler durch handlungsorientierten Unterricht vielfältige
Möglichkeiten haben sich individuell zu entfalten. Es gibt noch unzählige weitere
Ideen und Handlungsansätze, mit heterogenen Lerngruppen umzugehen. Täglich
kommt neue Literatur zur praktischen Umsetzung von Inklusion auf den Markt.
Deswegen können hier nur einige ausgewählte Ideen vorgestellt werden.
Wie bereits angesprochen kann Unterrichten und die Vorbereitung des Unterrichts
im Team eine Hilfestellung für die Planung von Unterricht sein. Die
Herausforderungen einer Doppelbesetzung wurden bereits im Kapitel 2.2.2
angesprochen. Bereitet man den Unterricht aber als „wirkliches“ Team vor, haben
viele Köpfe mehr Ideen als ein Kopf und kennen sich dabei gleichzeitig in
unterschiedlichen Bereichen unterschiedlich gut aus. Heterogenität im Kollegium
kann genutzt werden, um lernwirksamen Unterricht an Schulen anbieten zu können,
sowie die einzelnen Kollegen und Kolleginnen organisatorisch zu entlasten.
3.1.1 Planung im Team – Kooperation im Kollegium als Entlastung im
Unterricht
Marianne Wilhelm bewertet Teamarbeit als eine der Grundvoraussetzung, für
wirksamen Unterricht (Vgl. Wilhelm 2005, S.67). Auch empirische Befunde
belegen, dass die Planung im Team eine wichtige Ressource für schulische Inklusion
bildet (Vgl. Lindsay 2007, S.12). Durch Teamarbeit ist es möglich, jedem Kind die
Aufmerksamkeit zu schenken, die es braucht um sich gut entfalten zu können. Zum
ersten Schritt einer Teamarbeit zählt die Aufgabenverteilung untereinander. Wer
fühlt sich für was verantwortlich? Sind die Rollen unter den Lehrpersonen abgeklärt
und sind die Aufgaben untereinander gleichmäßig verteilt, kann die Arbeit im Team
gelingen. Dabei ist zwischen der Teamarbeit als „Doppelbesetzung“ in einer Klasse
und
der
Teamarbeit
im
Kollegium
allgemein
zu
unterscheiden.
Die
„Doppelbesetzung“ einer Klasse, betrifft zwei KollegInnen, die sich die
Verantwortung für eine Klassengemeinschaft teilen. Jedem der beiden Lehrkräfte
wird empfohlen, auch einmal die Aufgaben des anderen zu übernehmen (Vgl.
Schöler 2009. S.32). Wenn Zuständigkeiten im Team regelmäßig wechseln, kann auf
der einen Seite Verständnis füreinander aufgebaut werden, auf der anderen Seite
werden die eigenen Stärken und Schwächen erkannt. Zu Beginn einer gemeinsamen
Klassenleitung empfiehlt Jutta Schöler, sich intensiv kennen zu lernen: „Gönnen Sie
sich die Zeit, um diese zweite Lehrerin/den zweiten Lehrer in Ihrer Klasse auch
privat kennen zu lernen“ (ebd. S.33).
Das Gestalten von Unterricht im Team kann unter diesen Voraussetzungen für alle
als Entlastung empfunden werden, weil der tägliche Austausch untereinander für eine
Verbesserung der Förderung im Unterricht sorgt, auch hier gilt wieder, viele Köpfe
sehen und denken mehr.
Die Teamarbeit im Kollegium allgemein, betrifft alle Kollegen und Kolleginnen
einer Schule. An der Montessorischule in Potsdam funktioniert die Teamarbeit, nach
Aussage der Direktorin Ulrike Kegler, seit Jahren gut. Die Teams sind nach
Schuljahren aufgeteilt, das heißt Lehrerinnen und Lehrer der Klassen eins bis drei
bilden das erste Team, die Klassen vier bis sechs werden von einem weiteren Team
betreut, die letzten beiden Teams betreuen die siebten und achten Klassen und die
neunten und zehnten Klassen (Vgl. Kegler 2009, S.159). Durch festgelegte Treffen,
wird die Teamarbeit an dieser Schule beständig. Jeden Mittwochnachmittag treffen
sich alle Teams zur Besprechung. Die Besprechungen sind für zwei Stunden
angesetzt, diese zeitliche Begrenzung wird eingehalten, um eine begrenzte Auswahl
an Themen intensiv behandeln zu können, anstatt viele Themen unkonzentriert zu
bearbeiten. Abwechselnd treffen sich in der einen Woche die Lehrerteams und in der
anderen Woche das ganze Kollegium. Durch solche Strukturen kann der Unterricht
gemeinsam vorbereitet werden. Der Mittwoch als feststehender Termin, ermöglicht
einen geregelten Austausch, was das gemeinsame Vorbereiten des Unterrichts
erleichtert. Erfolge und Probleme mit einzelnen Schülerinnen und Schülern finden
durch eine solche Struktur ebenfalls Platz. Das Einführen von Lehrerteams in
Schulen, stellt auch für den Umgang mit heterogenen Lerngruppen eine
Arbeitsvereinfachung dar, weil ein regelmäßiger Austausch stattfindet und
Möglichkeiten und Probleme besprochen werden kann. Der regelmäßige Austausch
im Kollegium und eine gelungene Teamarbeit, sind für Inklusion unverzichtbar, weil
es dadurch möglich ist, allen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Förderbedarf
im Unterricht gerecht zu werden. Gleichzeitig ist Teamarbeit arbeitsentlastend, weil
Lehrpersonen nicht alleine für die Lerngruppe und den Ablauf des Unterrichts
verantwortlich sind.
Eine weitere Möglichkeit der Entlastung besteht darin,
Heterogenität im
Klassenzimmer als Ressource zu nutzen. Im nachfolgenden Abschnitt wird erläutert,
wie diese Ressource genutzt werden kann. Dazu werden zunächst „allgemeine“
didaktische Grundlagen vermittelt, um danach gezielte Hilfen vorstellen zu können.
3.1.2 Umgang mit heterogenen Lerngruppen –
Verschiedenheit im Unterricht
Das Wort „heterogen“ stammt ursprünglich von dem griechischen Wort „heteros“,
was so viel bedeutet wie: anders, abweichend (Vgl. Trautmann; Wischer 2011, S.38).
Im
schulischen
Kontext
ist
mit
„heterogenen
Lerngruppen“
eine
hohe
Verschiedenheit/Unterschiedlichkeit der Schülerprofile gemeint. Schülerinnen und
Schüler mit unterschiedlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten besuchen eine Klasse.
Darunter befinden sich auch Schüler und Schülerinnen mit sonderpädagogischem
Förderbedarf. Für den Umgang mit heterogenen Lerngruppen müssen sich die
Einstellungen vieler Lehrerinnen und Lehrer ändern. Die TIMSS-Studie hat bestätigt,
dass 63% der deutschen Lehrerinnen und Lehrer, Heterogenität in der Klasse als
starke Berufserschwernis empfinden (Vgl. ebd. S.109). Um diesen Prozentsatz zu
verringern,
erwarten
Lehrpersonen
Hilfestellungen.
Die
Angst
vor
Unterschiedlichkeit muss verringert werden, wenn Inklusion an Schulen umgesetzt
werden soll. Dies kann durch das Bereitstellen von didaktisch-methodischen
Kompetenzen geschehen. Unter Punkt 2.2.7
wurde bereits das „Prinzip der
Individualisierung“ erklärt. Dieses Prinzip ist für heterogene Lerngruppen, und damit
für alle nachfolgenden Überlegungen zur Umsetzung, von Bedeutung, weil es im
inklusiven Unterricht immer darum geht, jeden einzelnen Schüler und jede einzelne
Schülerin zu berücksichtigen und gleichzeitig die gesamte Klasse an einem Thema
arbeiten zu lassen.
In den folgenden Abschnitten werden Vorschläge diskutiert, die ein Umdenken für
den Umgang mit Heterogenität im Klassenzimmer erlauben. In all diesen
Unterrichtsvorschlägen kommt es immer darauf an, dass die Passung zwischen den
Lernvoraussetzungen und dem Lernangebot stimmt (Vgl. ebd. S. 120). Sind die
Lernvoraussetzungen und das Lernangebot nicht aufeinander abgestimmt, fehlen
Schülerinnen und Schülern die Voraussetzungen, sich mit dem Lernangebot
angemessen zu beschäftigen.
Deswegen muss man als Lehrperson der Verantwortung gerecht werden,
Schülerinnen und Schüler nicht zu unterfordern und nicht zu überfordern. Unterricht
muss immer im Hinblick auf die Vielfalt der Schüler geplant werden (Vgl. mittendrin
e.V. 2011, S.54).
Annemarie von der Groeben setzte sich mit der Thematik der Verschiedenheit im
Unterricht auseinander. In ihrer Monographie bringt sie viele praktische Beispiele
zur Umsetzung eines Unterrichtes, in heterogenen Lerngruppen. Um Lernen für alle
zu ermöglichen, muss ihrer Meinung nach die Balance im Unterricht stimmen. Die
Balance entsteht zwischen dem Individuum, der Sache und der Gruppe (Vgl. von der
Groeben 2008, S.14ff.) Damit ist die Balance zwischen den einzelnen Schülerinnen
und Schülern, dem Lerngegenstand und der Gemeinschaft innerhalb der Klasse
gemeint.
Individuum
Sache
Gruppe
Abbildung 6: Faktoren im Unterricht (Von der Groeben 2008, S.14ff.)
Das Schaubild verdeutlicht diese Balance anhand eines gleichseitigen Dreiecks.
Schülerinnen und Schüler, die Gemeinschaft und der Lerngegenstand müssen im
Unterricht berücksichtigt werden. Dabei steht der Schüler (hier benannt mit
Individuum) im Mittelpunkt und bekommt eine individuelle Berücksichtigung im
Unterricht. Schülerinnen und Schüler reagieren auf Inhalte im Unterricht, sie zeigen
durch ihre Motivation, ob ihnen der Unterricht Spaß macht oder nicht.
Auch die Gemeinschaft in einer Klasse spielt eine wichtige Rolle für das Lernen,
Streitigkeiten innerhalb der Klasse wirken sich auf die Stimmung der Schülerinnen
und Schüler und damit auch auf den Unterricht aus. Lehrerinnen und Lehrer haben
die Aufgabe dies im Unterricht zu berücksichtigen.
Gleichzeitig fehlt in diesem Schaubild eine wichtige Komponente: die Lehrperson. In
Abbildung sieben wurde das gleichseitige Dreieck durch ein Viereck ersetzt, um die
Lehrperson als weitere wichtige Komponente mit aufnehmen zu können.
Individuum
Sache
Gruppe
Lehrperson
Abbildung 7: Faktoren im Unterricht (erweitert)
Die viel diskutierte „Hattie Studie“ bestätigt, dass guter Unterricht von der
Lehrperson abhängig ist. In einem Interview erklärt John Hattie, dass Schülerinnen
und Schüler auf Feedback angewiesen sind (Vgl. Berger 2012, S.1). Hattie empfiehlt
Lehrkräften, bei den Schülerinnen und Schülern nachzufragen und sich von ihnen ein
Feedback über den eigenen Unterricht geben zu lassen. Andererseits sollen sich auch
Schülerinnen und Schüler von der Lehrperson Feedback geben lassen: „sie brauchen
Anleitung auf unterschiedlichen Ebenen, tiefer und weniger tief gehend“ (ebd. S.2).
Weitere empirische Befunde weisen ebenfalls auf die Wichtigkeit der Lehrperson
hin: „Teachers attitudes, as well as their behaviors have been proposed as a key
factor in successful inclusive education“(Lindsay 2007, S.13). Deshalb ist es für die
Umsetzung von Inklusion wichtig, Lehrerinnen und Lehrer mit Inklusion vertraut zu
machen. Auch ein inklusiver Unterricht kann nicht ohne die Instruktionen von
Lehrpersonen stattfinden.
Von der Groeben sieht Schulentwicklung als Gemeinschaftsleistung aller. Nach
ihrem Verständnis verläuft die Schulentwicklung durch das Mitwirken aller in
kleinen Schritten (Vgl. von der Groeben. S.11). Die Umgestaltung des eigenen
Unterrichts, kann daher als ein erster Schritt gesehen werden, die eigene Schule zu
einer inklusiven Schule umzugestalten.
Von der allgemeinen Didaktik im Unterricht wird im Folgenden auf konkrete
Vorschläge eingegangen, die Lehrerinnen und Lehrer auf der einen Seite entlasten
und auf der anderen Seite einen hohen Lerncharakter für Schülerinnen und Schüler
aufzeigen. Das Unterrichten in heterogenen Lerngruppen steht dabei im Mittelpunkt.
3.1.3 Delegation von Aufgaben – Ideen zur Entlastung der Lehrperson im
inklusiven Unterricht
Hans Wocken stellt in seinem Buch „das Haus der inklusiven Schule“ eine Idee vor,
Lehrerinnen und Lehrer vor mehr Arbeit durch Inklusion zu entlasten. Nach Wocken
ist die Delegation von
Aufgaben an „personale und nonpersonale Hilfen“ eine
Möglichkeit, inklusives Lernen zu gestalten. Unter „nonpersonalen“ Hilfen versteht
Wocken, die Delegation von Lehrfunktionen an Aufgaben und Aufträge im offenen
Unterricht (Vgl. Wocken 2011, S.150ff.). Zum offenem Unterricht zählen
verschiedene Methoden: Stationenlernen, Wochenplanunterricht, Projektunterricht,
Freiarbeit, Werkstattarbeit, Portfolioarbeit. Durch diese Methoden können im
offenen Unterricht Schülerinnen und Schüler an differenzierten Lerngegenständen
lernen. Die Aufgaben und Aufträge, die im „offenen Unterricht“ verteilt werden, sind
das Medium des Unterrichts: „Man kann guten Unterricht in gewisser Weise als
Arbeiten an Aufgaben verstehen“ (ebd. S.151). Unter „personalen Hilfen“ versteht
Wocken vor allem die Personen der Schülerinnen und Schüler selbst: „Schüler sind
kostbare und zugleich auch kostengünstige Ressourcen in einem inklusiven
Unterricht“ (ebd. S.162). Im kooperativen Lernen können sich Schülerinnen und
Schüler austauschen und gegenseitig helfen, was wiederum eine Entlastung der
Lehrperson nach sich zieht. Die Delegation an nonpersonale und personale Hilfen
soll im Folgenden ausführlich beleuchtet werden.
3.1.3.1 Nonpersonale Hilfen – Entlastung durch Aufgaben und Methoden
Die Arbeit im offenen Unterricht an ausgewählten Arbeitsmaterialien, lässt
Schülerinnen und Schüler selbstständig werden, wenn sie sich mit dem
Aufgabenmaterial auch selbstständig auseinandersetzen können. Dabei darf jedoch
nicht davon ausgegangen werden, dass die Delegation an nonpersonale Hilfsmittel
eine Beschäftigungstherapie darstellt. Es kommt nicht darauf an, den Schülerinnen
und Schüler viele Arbeitsblätter bereit zu stellen, sondern auf deren Qualität. Gute
Arbeitsblätter sind nach Wocken produktive Arbeitsblätter, die Schülerinnen und
Schüler zu vielschichtigem Denken auffordern (Vgl. ebd. S.151).
Die bereits genannten Settings Offenen Unterrichts sind richtungsweisend für die
Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler (Vgl. ebd. S.150f.).
Neben der Methode ist für Wocken die Wahl des Materials von zentraler Bedeutung
im inklusiven Unterricht. Aufgabentypen, die sich für offenen Unterricht eignen,
erfüllen bestimmte Merkmale (Vgl. ebd. S.160ff.). Sie bieten den Schülerinnen und
Schülern an, selbstständig zu arbeiten, bzw. in Kleingruppen knifflige Aufgaben zu
lösen. Als Merkmal zählt die Selbstkontrolle. Aufgabentypen im inklusiven
Unterricht können von Schülerinnen und Schülern, selbst kontrolliert werden. Die
Selbstkontrolle fördert auf der einen Seite die Selbstständigkeit der Schülerinnen und
Schüler, und entlastet auf der anderen Seite die Lehrperson. Außerdem bieten
Aufgabentypen im offenen Unterricht, Möglichkeiten zur Differenzierung, ein
Vorschlag von Wocken sind
offene Rechenaufgaben z.B.:„Finde viele
Rechenaufgaben mit dem Ergebnis 1000“ (ebd. S.152). Diese Differenzierung bietet
Kindern die Möglichkeit, eine Aufgabe durch unterschiedliche Lernwege zu lösen.
Weitere offene Aufgabenstellungen in anderen Fachbereichen könnten sein:
Deutsch
Schreibe eine Geschichte zu einem Thema deiner Wahl.
Englisch
Schülerinnen und Schüler lernen mit ihren Karteikästen Vokabeln.
Dabei lernt jeder Schüler und jede Schülerin die Vokabeln, die für
ihn oder sie gerade anstehen.
Biologie
Erstelle ein Plakat zu einem Tier deiner Wahl. Überlege dir zu
deinem ausgewählten Tier einen Kurzvortrag, den du vor der
Klasse halten kannst.
Chemie
Das Buch der Experimente: Suche dir ein Experiment aus, und
stelle es der Klasse vor.
Sachunterricht Das Wassertagebuch: wie viel Wasser verbrauchst du am Tag?
Erstelle ein Wassertagebuch, in dem du festhältst wie viel Wasser
du am Tag verbrauchst.
Tabelle 1: Tabelle1
Es gibt unzählige Möglichkeiten für Aufgabenstellungen in den verschiedensten
Bereichen, die den Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten zur selbstständigen
Bearbeitung und Auseinandersetzung bieten. Nicht alle müssen das Merkmal der
Selbstkontrolle erfüllen. Bei manchen steht am Ende eine Präsentation oder der
Vergleich innerhalb der Klasse, wie zum Beispiel bei dem Vorschlag im
Sachunterricht ein Wassertagebuch zu führen. Für das Zukunftsmodell Inklusion,
haben solche Ideen einen präventiven Charakter vor der Überforderung von
Lehrpersonen. Als Lehrperson im inklusiven Unterricht ist es bedeutsam diese
Vorschläge auf den eigenen Unterricht anzuwenden, um sich selbst zu entlasten und
den Schülerinnen und Schülern einen bestmöglichen Unterricht zu gewährleisten.
Neben den nonpersonalen Hilfen durch Aufgaben, geht Wocken auf personale Hilfen
ein, die direkt durch Schülerinnen und Schüler übernommen werden können.
3.1.3.2 Personale Hilfen – Entlastung durch Schülerinnen und Schüler
„In der Tat kann man das kooperative Lernen als den Königsweg eines inklusiven
Unterrichts ansehen“(Wocken 2011, S.63). Wocken verdeutlicht, dass das
selbständige Arbeiten von Schülerinnen und Schülern in einer Gruppe, eine
hochbedeutsame Ressource im (inklusiven) Unterricht ist. Kooperative Lernformen
bieten Möglichkeiten, Schülerinnen und Schüler in Teams selbstständig arbeiten zu
lassen. Kooperatives Lernen beinhaltet folgende Grundmerkmale: ein Schülerteam
besteht aus drei bis fünf Schülerinnen und Schülern, diese Teams gelten
grundsätzlich als heterogen, die Zusammensetzung der Teams erfolgt mit Hilfe der
Lehrperson, die Gruppen bleiben für mehrere Monate und Projekte ein Team (Vgl.
ebd. S.163f.). Für den inklusiven Unterricht sind nach Wocken vor allem
Heterogenität und die zufällige Zusammenstellung der Gruppe von Bedeutung. Es
geht im kooperativen Lernen nicht darum, Schülerinnen und Schüler mit denselben
Interessen und Stärken zu bündeln. Stattdessen empfiehlt es sich, Schülerinnen und
Schüler mit ungleichen Interessen und Fähigkeiten in einer Gruppe zusammen
arbeiten zu lassen, um sich gegenseitig zu ergänzen. Wockens Ansatz zur
Gruppenfindung erfolgt nach dem „Prinzip des Zufalls“. Nicht die Lehrperson
überlegt, welche Schülerinnen und Schüler in welche Gruppe passen, sondern der
Zufall entscheidet. Der Ansatz der zufälligen Gruppenfindung ermöglicht es
Lehrerinnen und Lehrern auf der einen Seite, von den Stärken der Schülerinnen und
Schüler überrascht zu werden, auf der anderen Seite zeigen Beispiele aus der Praxis,
dass es Schülerinnen und Schüler gibt, die mit bestimmten Klassenkameraden
konfliktfrei arbeiten können und mit anderen nicht. Es kann deshalb in Frage gestellt
werden, ob zufällige Gruppenkonstellationen für alle Schülerinnen und Schüler die
beste Methode ist. Neben den Gruppenkonstellationen geht Wocken auf weitere
Ziele ein, die durch kooperatives Lernen erreichet werden sollen.
Ziele kooperativen Lernens
1. Positive Interdependenz
Positive Interdependenz kommt zustande, wenn alle Schülerinnen und Schüler einer
Gruppe gemeinsam auf ein Ziel hin arbeiten (Vgl. ebd. S.164ff.). Am Ende einer
gemeinsamen Gruppenphase wird nicht festgelegt, welche Gruppe sich am besten
geschlagen hat, sondern hervorgehoben, dass alle gemeinsam für das Gelingen des
Projektes verantwortlich sind. Dafür ist es unvermeidbar, die Strukturen der Projekte
transparent zu halten. Lehrkräfte sind aufgefordert, vor einer Gruppenphase ihre
persönlichen Erwartungen an die Schülerinnen und Schüler zu richten. Gleichzeitig
erfragen sie, welche Erwartungen die Schülerinnen und Schüler an ihr eigenes
Projekt und an die Gruppe haben. Der Austausch von Erwartungen untereinander,
ermöglicht jedes Mal eine hohe Transparenz, die für das Erreichen einer Zielsetzung
von Bedeutung sein kann.
2. Persönliche Verantwortlichkeit
Kooperatives Lernen ist dann erfolgreich, wenn jedes Mitglied der Gruppe etwas auf
dem Weg zum Ziel beigetragen hat (Vgl. ebd. S.165). Jeder Schüler und jede
Schülerin der Gruppe muss einen Beitrag zum Projekt geleistet haben. Lehrpersonen
haben die Aufgabe Schülerinnen und Schüler zur Aufgabenverteilung anzuregen.
3.Direkte und förderliche Interaktionen
Interaktionen innerhalb der Gruppe, machen kooperatives Lernen aus. In der Gruppe
achtet jeder, auf einen freundlichen, sachlichen Umgang. Lehrerinnen und Lehrer
haben die Aufgabe die Gruppen in ihrer Kommunikation zu unterstützen, wenn es
nötig ist (Vgl. ebd. S.165).
4. Kooperative Arbeitstechniken und soziale Kompetenzen
Kooperative Arbeitstechniken und soziale Kompetenzen ergänzen den Punkt drei der
direkten und förderlichen Interaktionen. Auch hier kann die Lehrperson Gruppen
helfen, indem sie kooperative Arbeitstechniken vorstellt und vorschlägt. Die sozialen
Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern werden innerhalb des kooperativen
Lernens immer wieder auf die Probe gestellt. Schülerinnen und Schüler müssen sich
aufeinander einstellen, das fordert von dem einen viel Eingewöhnung für die andere
gilt dies als eine Selbstverständlichkeit (Vgl. ebd. S.165).
5. Reflexion und Evaluation der Gruppenprozesse
Am Ende einer Gruppenarbeitsphase ist es wichtig, die getroffenen Zielsetzungen
und den Arbeitsprozess zu überprüfen. Lehrerinnen und Lehrer können die
Schülerinnen und Schüler anleiten bzw. Hilfestellungen zur eigenen Evaluation in
Form von Fragebögen anbieten (Vgl. ebd. S.165).
Tabelle 2: Tabelle2
Durch kooperatives Lernen verändert sich sowohl die Haltung der Lehrperson, als
auch die Haltung der Schülerinnen und Schüler zum Unterricht. Als Lehrperson ist es
nicht mehr entscheidend an der Tafel stehend guten Unterricht zu halten. Es geht
darum, die Schüler und Schülerinnen zu selbstständigen Lernern auszubilden und als
Lehrerin und Lehrer die Lernenden zu begleiten. Das bedeutet auf keinen Fall, dass
eine Lehrerin oder ein Lehrer keine Verantwortung für die Gruppe tragen muss, die
Verantwortung liegt aber zu einem großen Teil auch bei den Schülern und
Schülerinnen, was in inklusiven Settings viele Vorteile hat, weil dadurch z.B.
individuelle Förderung ermöglicht werden kann. Auch hier hat die Berücksichtigung
von Schülerinnen und Schülern als personelle Ressourcen für die Lehrperson eine
entlastende Funktion, zugleich lernen die Schülerinnen und Schüler ihre soziale
Kompetenzen auszubauen.
Die folgende Tabelle verdeutlicht, wie die Lehrfunktionen des Lehrers auf der einen
Seite und die Lernfähigkeit der Schüler auf der anderen Seite den Unterricht
gegenseitig beeinflussen. Beides muss in Abhängigkeit voneinander gesehen werden.
Wenn eine Lehrperson ihren Unterricht vorbereitet, bestimmt sie die Lernziele und
begründet diese. Dennoch bestimmen im Unterricht die Schülerinnen und Schüler,
was sie aus dem Lerngegenstand machen. Auch sie haben eigene Lernziele und
davon ausgehend eine eigene Motivation. Die Eigenmotivation von Schülerinnen
und Schülern muss bei der Unterrichtsgestaltung mit beachtet werden. Auch bei der
Steuerung der Lerntätigkeit, der Leistungsbeurteilung und der Motivation und
Konzentration, gibt es immer die Seite der Lehrkräfte und die Seite der Schülerinnen
und Schüler. Werden beide Seiten beachtet, entsteht eine geteilte Verantwortung für
den Unterricht zwischen Lehrerinnen/Lehrern und Schülerinnen/Schülern, was
inklusive Unterrichtsgestaltung ausmacht.
Lehrfunktionen des Lehrers
Lernfähigkeit der Schüler
1.Vorbereitung des Lernens
1.Selbstbestimmung
des
Lernprogramms
-Bestimmen der Lernziele
-Selbstbestimmung der Lernziele
-Begründen der Lernziele
-Selbstbewusstsein über Relevanz der
Lernziele
-Motivieren zum Lernen
-Eigenmotivation zum Lernen
-Planung und Organisation des
-Selbstorganisation des Lernprozesses
Lernprozesses
-Aktivierung des Vorwissens
-Rückbesinnung auf das Vorwissen
2. Steuerung der Lerntätigkeiten
2. Selbstregulierung des Lernens
-Lerninhalte darbieten und erklären
-Lerninhalte selbst erarbeiten
-Lernfortschritte überprüfen
-Lernfortschritte selbst beurteilen
-Anleitung und Transfer des Gelernten
-Selbstständiges Anwenden
-Anleitung zur Reflektion der Lernprozesse
-Selbstständige
Reflektion
der
Lernerfahrungen
3. Leistungsbeurteilung
3.Selbstbeurteilung
-Feedback über das Lernen geben
-Sich selbst Feedback geben
-Lernprozesse und –Ergebnisse beurteilen
-Lernergebnisse selbst realistisch beurteilen
4. Motivation und Konzentration
4. Motivation und Konzentration
-Motivieren zum Lernen
-Eigenmotivation zum Lernen
-Konzentriertes Lernen sicherstellen
-Selbst konzentriertes Lernen anstreben
Tabelle 3: Transformation von Lehrfunktionen des Lehrers in Lerntätigkeiten der Schüler (Wocken 2011,
S.148)
Als Lehrerin/Lehrer in einem inklusiven Kontext muss ich mich mit solchen
Unterrichtskonstrukten, wie in der Tabelle dargestellt, auseinandersetzen. Ich muss
den Wechsel zwischen meiner eigenen Herangehensweise an Unterricht und der
persönlichen Meinung und den Austausch der Schülerinnen und Schüler
untereinander, in einen günstigen Zusammenhang bringen. Durch diese Einsicht,
können Lehrerinnen und Lehrer im inklusiven Unterricht für alle Schülerinnen und
Schüler Lerngelegenheiten schaffen. Aus dieser Herangehensweise von Unterricht
und mit diesen Ideen kann eine zentrale Fragestellung formuliert werden, die eine
Zielsetzung im inklusiven Unterrichts beschreibt: Wie kann ich Schüler und
Schülerinnen motivieren, sich selbstständig mit einem bestimmten Thema
auseinanderzusetzen? Um diese Fragestellung zu beantworten muss ich als
Lehrerin/Lehrer meine Schülerinnen und Schüler kennen. Ich muss mich mit ihnen
persönlich auseinanderzusetzen und ihnen individuelle Lerngelegenheiten im
Unterricht zur Verfügung zu stellen, ohne sie aus dem Kontext der Gemeinschaft zu
nehmen. Hier kann wieder das Prinzip der Individualisierung aufgegriffen werden.
Ein weiterer Vorschlag berücksichtigt die gegenseitige Unterstützung von
Schülerinnen und Schülern untereinander. Beim tutoriellen Lernen arbeiten jeweils
zwei Schüler/Schülerinnen gemeinsam an einem Lerngegenstand (Vgl. ebd.
S.171ff.). Es bilden sich Lerntandems, die in der Regel leistungsheterogen und/oder
altersheterogen zusammengesetzt sind. Ein Schüler/eine Schülerin übernimmt die
Rolle des Tutors, der oder die andere übernimmt die Rolle des Schülers. Dabei
profitieren die Lernpartner in beiden Rollen (Vgl. ebd. S.172). Als „Lehrer“
wiederholt man den Stoff und setzt sich nochmal intensiver mit diesem auseinander,
um ihn vermitteln zu können. Als „Schüler“ ist es hilfreich sich das zu Erlernende
noch einmal von jemand anderem erklären zu lassen. Schüler und Schülerinnen
untereinander finden oft einen anderen Zugang zum Lerngegenstand als Lehrerinnen
und Lehrer, weswegen die Hilfestellungen sehr gezielt sein können. Im inklusiven
Setting erleichtert das tutorielle Lernen in heterogenen Gruppen die Aufgabe der
Lehrperson, wobei es gleichzeitig einen Lerneffekt für alle Beteiligten hat. Nicht nur
der Lernstoff wird wiederholt bzw. vermittelt, sondern soziale Faktoren wie Geduld,
Zuhören usw. werden eingeübt, wenn sich Schülerinnen und Schüler gegenseitig
unterrichten.
Durch die Delegation von Aufgaben kann es Lehrpersonen gelingen einen inklusiven
Unterricht zu gestalten, ohne die Angst vor Überforderung zu entwickeln. Der
Unterricht muss von direktem Unterricht zu indirektem Unterricht verändert werden.
Es geht nicht darum, sich als Lehrperson in Szene zu setzten und an der Tafel
vorzurechnen. Es geht vielmehr darum, eine Lernumgebung zu schaffen, die indirekt
die Kinder dazu auffordert sich mit einem Lerngegenstand beschäftigen zu wollen.
„Der inklusive Lehrer ist der Innenarchitekt einer Lernlandschaft, die für
selbstständige differenzierte Arbeitsprozesse von heterogenen Gruppen vorbereitet
sein will“ (ebd. S. 186). Diese Lernlandschaft kann durch die Unterstützung von
nonpersonalen und personalen Hilfen gelingen.
In Abbildung 8 sind die nonpersonalen und personalen Hilfen zusammengefasst
dargestellt. Durch das Zusammenspiel von diesen beiden Hilfestellungen, wird es für
Lehrerinnen und Lehrer einfacher,
„inklusiven“ Unterricht vorzubereiten und
durchzuführen, weil diese Möglichkeiten vielfältige Chancen schaffen, Schülerinnen
und Schüler in ihrem selbstständigen Arbeiten zu fördern.
Unterstützung für
die Lehrperson
Personale Hilfen
Nonpersonale Hilfen
- kooperatives Lernen
- produktive Arbeitsblätter
- Methoden offenen Unterrichts
Lernen
Abbildung-8:tutorielles
Unterstützung
für die Lehrperson
3.1.4 Weitere Möglichkeiten – Handlungsorientierter Unterricht: “vom Tun im
Unterricht“
Eine weitere Idee wirkungsvollen Unterricht für heterogene Lerngruppen zu
arrangieren ist der Handlungsorientierte Unterricht. Durch diesen ist die individuelle
Förderung jedes Einzelnen möglich, weil jeder in seinem Ermessen mit einem
Lerngegenstand lernen kann (Vgl. von der Groeben. S.29). Der Unterricht wird nicht
allein von der Lehrperson gehalten, sondern die Lehrperson gibt das verantwortliche
Lernen der Schülerinnen und Schüler, an einen Lerngegenstand ab. Schülerinnen und
Schüler haben im handlungsorientierten Unterricht die Aufgabe, sich allein oder in
einer Gruppe mit einem Lerngegenstand zu beschäftigen. Als wichtiges Merkmal des
handlungsorientierten Unterrichts gilt das Lernen mit allen Sinnen.
Als „handlungsorientiert“ bezeichnen wir einen Unterricht, in dem die
Schülerinnen und Schüler nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit den
Händen und Füßen, mit dem Herzen und allen Sinnen lernen können (Jank;
Meyer 1991, S.315).
Dabei ist der handlungsorientierte Unterricht als ganzheitlicher und schüleraktiver
Unterricht zu verstehen (Vgl. ebd. S.315). Schülerinnen und Schüler nähern sich
durch eigenes „Tun“ einem Lerngegenstand. Für den Geschichtsunterricht bedeutet
das zum Beispiel, Werkzeuge aus der Steinzeit selbst herzustellen. Die Herstellung
von Werkzeugen wird von den Schülerinnen und Schülern gern und wirksam mit
dem geschichtlichen Kontext in Verbindung gebracht, wodurch sich der Schüler/die
Schülerin aktiv mit dem Lerngegenstand auseinandersetzt
Hilbert Meyer und Werner Jank beschreiben fünf weitere Merkmale von
Handlungsorientiertem Unterricht.
Merkmale im Handlungsorientierten Unterricht
1.Interessenorientierung
Die Interessen von Schülerinnen und Schülern stehen im Mittelpunkt des
Unterrichts. Schülerinnen und Schüler sollen sich ihren eigenen
Interessen bewusst werden, und lernen diese kritisch zu reflektieren und
weiterzurentwickeln (Vgl. ebd. S.316).
2. Selbsttätigkeit und Führung
Schülerinnen und Schüler nehmen die Chance war, sich den
Lerngegenstand selbst zu erarbeiten. Meyer und Jank weisen darauf hin,
dass diese Selbstständigkeit erst durch einen gezielten Aufbau der
Handlungskompetenzen von den Schülerinnen und Schülern erlernt
werden muss (Vgl. ebd. S.316). Das bedeutet, dass es wichtig ist,
Schülerinnen und Schüler im Unterricht langsam an ihre Selbsttätigkeit
heranzuführen und ihnen Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen, durch
die sie ihre Selbsttätigkeit verbessern können.
3. Verknüpfungen von Kopf- und Handarbeit
Eine „dynamische Wechselwirkung“ zwischen Kopf- und Handarbeit
ermöglicht
lerngerechten
Handlungsorientierter
miteinander.
Wie
Unterricht
Unterricht
das
Beispiel
(Vgl.
S.
317).
und
Praxis
Geschichtsunterricht
bereits
verbindet
im
ebd.
Theorie
verdeutlicht hat.
4.Einübung in solidarisches Handeln
Inklusion realisiert sich beinahe nahtlos, wenn die Arbeit im Unterricht
von solidarischem Handeln geprägt ist. Die Arbeit im solidarischen
Handeln zu vollziehen bedeutet, diese „[…]nicht am persönlichen
Vorteil, sondern am gemeinsamen Nutzen […]“ (ebd. S.319) zu
vollziehen. Gruppenarbeiten stehen im handlungsorientierten Unterricht
im Vordergrund. Schülerinnen und Schüler können sich aber auch dafür
entscheiden, in Einzelarbeit zu arbeiten.
5. Produktorientierung
„Handlungsprodukte sind die veröffentlichungsfähigen materiellen,
szenischen und sprachlichen Ergebnisse der Unterrichtsarbeit“ (ebd.
S.319). Am Ende einer Unterrichtseinheit ist in allen Schülergruppen ein
Produkt zustande gekommen, welches den Lernerfolg von Schülerinnen
und Schülern bestätigt. Ein solches Produkt kann ein Rollenspiel, ein
Kunstwerk, ein Vortrag usw. sein.
Tabelle 4: Tabelle4
Die fünf Merkmale verdeutlichen, was im Handlungsorientierten Unterricht wichtig
ist. Für Inklusion kann handlungsorientierter Unterricht eine Chance sein, Schüler
individuell zu fördern. Das Interesse jedes Einzelnen wird in den Mittelpunkt des
Unterrichtsgeschehens gerückt. Gerade für inklusive Settings, ermöglicht diese Art
zu unterrichten eine gezielte Förderung jedes Einzelnen in seinen Interessen. Vor
allem das Endprodukt, was Schülerinnen und Schüler zur Arbeit mit Kopf und Hand
anregt, verspricht ein Erfolgserlebnis, welches sich positiv auf die Motivation jedes
Einzelnen ausüben kann. Alle Schülerinnen und Schüler können sich im
handlungsorientierten Unterricht mit ihren Fähigkeiten und Interessen einbringen.
Der Unterschied zum kooperativen Lernen liegt in der Auswahl des Lerninhaltes.
Handlungsorientierter Unterricht berücksichtigt vor allem, dass der Lerninhalt die
Schülerinnen und Schüler zum Handeln auffordert. Schülerinnen und Schüler sollen
im handlungsorientierten Unterricht zum Ausprobieren und Experimentieren
aufgefordert werden, anstatt ihre Zeit mit dem Ausfüllen von Arbeitsblättern zu
verbringen.
Um sich selbst ausprobieren zu können, brauchen Kinder Zeit, die in deutschen
Schulen nur knapp bemessen ist (Vgl. von der Groeben 2008, S.32). Lernen als
„dramatischer Wettlauf“ mit der Zeit, ist seit der Verkürzung des Abiturs auf 12
Jahre, für viele Schülerinnen und Schüler ein Problem. Es wird häufig nicht darauf
geachtet, Nachhaltigkeit im Lernen anzustreben, sondern eher wird davon
ausgegangen, dass möglichst viel Wissen für einen begrenzten Zeitraum
„eingetrichtert“ wird. Eine „verkopfte Paukschule“ benennt Annemarie von der
Groeben das derzeitige Schulsystem. Umso wichtiger ist es, die vorhandenen
Ressourcen zu nutzen, um schlechte vorhandene Strukturen zu ändern. Kooperative
Lernformen,
Tutorieller
Unterricht,
Delegation
von
Aufgaben
und
handlungsorientierter Unterricht müssen in inklusiven Schulen als Chance genutzt
werden, Unterricht zu gestalten.
Wenn Schulen sich verändern, geben Lehrerinnen und Lehrer ihre Rolle des
einsamen (Unter-)Richtens und (Be-)Urteilens auf. Sie treten in einen
gemeinsamen Dialog über ihre Schülerinnen und Schüler und über ihren
Unterricht (Kegler 2009, S.159).
Durch dieses Zitat greift Ulrike Kegler auf, was am Anfang dieses Kapitels der
Unterrichtsgestaltung erläutert wurde. Der Austausch im Team ist eine wichtige
Ressource, um mit inklusiver Unterrichtsgestaltung zu beginnen. Beginnen Schulen
in Teams zu arbeiten und ihren Unterricht vorzubereiten, ist die Grundlage für
inklusiven Unterricht geschaffen. Die präsentierten Lernformen: kooperative
Lernformen, handlungsorientierter Unterricht und Delegation von Aufgaben, müssen
in
diesen
Teams
diskutiert
werden.
Durch
diese
Diskussionen
werden
Entscheidungen getroffen, welches Thema über welchen Vermittlungsweg am besten
unterrichtet bzw. von den Schülerinnen und Schülern selbst erarbeitet wird.
Im nächsten Abschnitt wird das so genannte „Classroom Management“ erläutert,
welches einen weiteren Vorschlag zur inklusiven Unterrichtgestaltung darstellt, weil
durch das Prinzip des „Classroom Managements“ Störungen im Unterricht verringert
werden können, um mehr effektive Lernzeit zu gewinnen.
Dazu arbeiten Lehrerinnen und Lehrer mit Strukturen, die den Tagesablauf und das
Verhalten von Schülerinnen und Schülern regeln.
3.2 Classroom Management – Organisationsstrukturen als Möglichkeiten zur
Verbesserung der Unterrichtskultur
Carolyn Evertson gilt als eine der führenden Forscherinnen auf dem Gebiet des
Classroom Managements. Der Begriff des Classroom Management wird von der
Autorin selbst als sehr umfassend und gleichzeitig auch schwammig aufgefasst.
Lehrpersonen fassen Classroom Management teilweise als „bag of tricks“ auf,
teilweise
zählt
Classroom
Management
Verhaltensweisen im Unterricht zu regulieren.
zu
einer
Möglichkeit
„negative“
Because Classroom Management is neither content knowledge, nor
psychological foundations, nor pedagogy, nor pedagogical content
knowledge, it seems to slip through the cracks“( Evertson; Simon 2006, S.4).
Evertson definiert Classroom Management “as the actions teachers take to create an
environment that supports both academic and social-emotional learning” (ebd. S.4).
In Deutschland dürfte eine mögliche Übersetzung von Classroom Management
Klassenführung lauten (Vgl. Hennemann; Hillenbrandt (2010), S.256). Ziel von
Classroom Management ist es, Störungen im Unterricht präventiv vorzubeugen (Vgl.
ebd. S.255). Das grundlegende Prinzip besteht in klaren Abläufen und Routinen, die
den Unterricht für Schülerinnen und Schüler transparent machen sollen (Vgl. ebd.
S.255).
Thomas Hennemann und Clemens Hillenbrandt benennen drei zentrale Dimensionen
von Classroom Management.
Die erste Dimension beschäftigt sich mit den Handlungsmöglichkeiten, die eine
Lehrperson bei unerwarteten Störungen anwenden kann, auf diese wird im
Folgenden noch genauer eingegangen (Vgl. ebd. S.256).
In der zweiten Dimension erkennt eine Lehrperson an, dass Verhalten und Lernen
eines Schülers untrennbar miteinander verknüpft sind. Wenn Schülerinnen und
Schüler ihrer Arbeit konzentriert nachgehen, kann davon ausgegangen werden, dass
sie etwas lernen. Schülerinnen und Schüler, die den Unterricht stören, lernen indes
viel weniger. Als Lehrerin/Lehrer muss ich mich mit dem Verhalten meiner Schüler
und Schülerinnen auseinandersetzen, um guten Unterricht zu ermöglichen.
Eine dritte Dimension befasst sich mit dem pädagogischen Handeln in Bezug auf die
Gruppe. Das bedeutet, dass im Classroom Management das pädagogische Handeln
auf die Gruppe wichtiger eingestuft wird, als das pädagogische Handeln, welches auf
den Einzelnen bezogen ist. Zum Beispiel wird auf Schülerinnen und Schüler die den
Unterricht stören, persönlich nur wenig eingegangen, stattdessen wird auf das Wohl
der Gruppe geachtet. Empirische Befunde belegen, dass durch routinierte Abläufe,
Klarheit und die präventive Vorbeugung von Störungen, mehr Zeit für den
eigentlichen Unterricht gewonnen werden kann (Vgl. ebd. S.258). Für ein effektives
Classroom
Management
ist
es
maßgeblich,
reflexionsbereit
und
verantwortungsbewusst zu sein, um aus Situationen lernen zu können (Vgl. ebd.
S.257).
Zur Umsetzung von Classroom Management werden proaktive und reaktive
Kriterien voneinander unterschieden (ebd. S.259). Diese beziehen sich auf die bereits
genannte erste Dimension der Handlungsmöglichkeiten im Unterricht.
Mit
proaktiven Kriterien sind präventive Kriterien gemeint, die schon vor dem Einsetzen
einer Störung effektiv genutzt werden können. Reaktive Kriterien beschreiben eine
Reaktion auf ein aufgetretenes Verhalten.
Störendes Verhalten soll vor allem präventiv unterbunden werden, weswegen die
proaktiven Kriterien beim Classroom Management überwiegen (ebd. S. 259). Die
folgende Tabelle listet die proaktiven und reaktiven Kriterien auf:
Proaktive Kriterien
Reaktive Kriterien
Vorbereitung des Klassenraums
Unangemessenes
Schülerverhalten
unterbinden
Planung und Unterrichtung von Regeln Strategien für potenzielle Probleme
und unterrichtlicher Verhaltensweisen
Festlegung von Konsequenzen
Schaffen
eines
positiven
(Lern-)
Klimas im Klassenraum
Beaufsichtigung der Schüler
Unterricht angemessen vorbereiten
Festlegung
von
Schülerverantwortlichkeiten
Unterrichtliche Klarheit
Kooperative Lernformen
Tabelle 5: Proaktive und Reaktive Kriterien (Vgl. Hennemann/Hillenbrandt 2010, S.25)
Auch wenn ein deutlicher Überhang von proaktiven Kriterien zu verzeichnen ist, ist
es das Zusammenspiel von proaktiven und reaktiven Kriterien, welches das
„Gesamtpaket“ von Classroom Management ausmacht (ebd. S. 259). Lehrerinnen
und Lehrer müssen sich mit den Kriterien von Classroom Management
auseinandersetzen und Strategien mit dem Kollegium diskutieren und vereinbaren,
um mit transparentem Unterricht, Störungen vorzubeugen und effektive Lernzeit zu
gewinnen. Im inklusiven Unterricht kann Classroom Management helfen, Störungen
im Unterricht zu unterbinden. Gerade für Schüler/Schülerinnen mit dem
Förderschwerpunkt emotionale soziale Entwicklung, sind Klarheit und Rituale im
Unterricht Maßnahmen, durch die es Schülerinnen und Schülern leichter fällt, sich
angemessen zu verhalten (Vgl. Braun, Schmischke 2006, S.49). Werden die
Prinzipien des Classroom Managements im (inklusiven) Unterricht genutzt, erfahren
Schülerinnen und Schüler einen transparenten, klaren und gut aufgebauten
Unterricht, bei dem es ihnen leichter fällt, sich auf den Inhalt und die Aufgaben im
Unterricht einzustellen. Für inklusiven Unterricht ist Classroom Management
bedeutsam, weil Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichsten Fähigkeiten und
Zielen eine Klasse besuchen, sie erfahren durch das Classroom Management
Strukturen, die sie in ihren Lernleistungen bestärken können, weil zu jedem
Zeitpunkt klar ist, welche Erwartungen, Ziele und welches Verhalten im Unterricht
erwartet wird.
Auch von der Leistungsbewertung der Schülerinnen und Schüler, kann eine solche
Transparenz in inklusiven Settings erwartet werden. Das Thema Leistungsbewertung
im inklusiven Unterricht erfordert einen Austausch im Kollegium, weil es
unterschiedliche Möglichkeiten gibt, heterogenen Lerngruppen gerecht zu bewerten.
Einige dieser Möglichkeiten werden im Folgenden vorgestellt, um eine Diskussion
im Kollegium anzuregen.
3.3 Leistungsbewertungen – Wie können Lehrpersonen, Schülerinnen und
Schüler in ihrer Vielfalt gerecht bewerten?
Gerade die Forderung nach einer gerechten
Leistungsbewertung, ist für einige
Lehrerinnen und Lehrer das Thema, an dem sie im inklusiven Unterricht zu scheitern
glauben. Das Regelschulsystem vertritt ein Leistungsverständnis, welches sich an
Selektion und Wissensmenge festhält (Vgl. Meisterjahn-Knebel, S.1). Das bedeutet,
dass Schülerinnen und Schüler
am Ende ihrer Schulzeit, möglichst ein
vergleichbares Wissen präsentiert bekommen haben. Wie gut sie dieses Wissen
verstanden haben, soll ihr Notenspiegel aufzeigen. Die Individualität der
Schülerinnen und Schüler, wird nicht berücksichtigt. Schulische Inklusion hat aber
den Anspruch, jeden einzelnen Schüler und jeder einzelnen Schülerin in ihren/seinen
Leistungen gerecht zu bewerten.
Ziffernnoten lassen eine gerechte Bewertung von schulischen Leistungen nur schwer
zu, da sie häufig die Schülerinnen und Schüler in einer Klasse
miteinander
vergleichen, anstatt die Leistungen der Schülerinnen und Schüler individuell zu
bewerten. Klaus Wenzel sieht die Grundproblematik der Notengebung in der
Schulpolitik, die wenig Förderung zulässt, dafür aber viele Selektionsmechanismen
beinhaltet. „Wie soll ich ein Kind trösten, das zwar Lernfortschritte macht, aber
immer noch eine Fünf in Deutsch hat, weil die Fehler, die es macht, immer noch zu
viele sind?“ (Wenzel 2013, S.1). Die einfachste und zugleich radikalste Lösung wäre
die Abschaffung von Zensuren. (Vgl. von der Groeben 2008, S.88). Um noch einen
Schritt weiter gehen zu wollen, muss in diesem Rahmen auch die Überlegungen zur
Verabschiedung des mehrgliedrigen Schulsystems angesprochen werden. Das
derzeitige Schulsystem orientiert sich nicht an den Bedürfnissen junger Menschen,
sondern führt zu Ungerechtigkeiten und zu Problemen, statt diese lösen zu wollen
(Vgl. Wenzel 2013, S.1). Man darf nicht zulassen, dass Generationen von
Schülerinnen und Schülern unter dem derzeitigen Leistungsdruck an Schulen
systematisch demotiviert werden und die Lust am Lernen verlieren (Vgl. ebd. S.1).
Die Pro- und Contra Argumente der Notengebung und die unterschiedlichen
Möglichkeiten der Bewertung, müssen im Kollegium einer Schule diskutiert werden.
In diesem Abschnitt werden vier Vorschläge vorgestellt, wie Ziffernnoten durch
andere Beurteilungsmaßnahmen ersetzt bzw. erweitert werden können. Als erstes
wird die Einführung von Lernentwicklungsberichten vorgestellt, diese können die
Ziffernnoten durch sogenannte Berichtzeugnisse abschaffen. Der zweite Vorschlag
bezieht sich auf die Idee der Portfolioarbeit. Durch Portfolios bekommen Lehrkräfte
einen umfassenden Durchblick über das Leistungsspektrum ihrer Schüler und
Schülerinnen. Gleichzeitig kann das Kind eine hohe Transparenz der Benotung oder
Beurteilung erwarten. Eine dritte Möglichkeit setzt sich mit dem Verständnis von
Maria Montessori und ihrer Vorstellung von Notengebung auseinander. Dahinter
verbirgt sich die Idee einer anderen Sichtweise auf das Arbeiten und Lernen von
Schülerinnen und Schülern. Da sowohl bei den Lernentwicklungsberichten, als auch
bei der Notengebung nach Montessori die Voraussetzung besteht, Ziffernnoten
abzuschaffen, bezieht sich der letzte Vorschlag auf die Vereinbarung von
Ziffernnoten und Inklusion.
3.3.1 Lernentwicklungsberichte –
schriftliche Beurteilung statt Ziffernnoten
Die
Lernentwicklungsberichte
sind
Berichtzeugnisse,
die
den
genauen
Entwicklungsstand eines Schülers/ einer Schülerin angeben. Diese Idee setzt bei der
Beurteilung von Klassenarbeiten an. Anstatt einer Ziffernnote erhalten die
Schülerinnen und Schüler einen Rückmeldebogen, an dem sie genau sehen, ob und
inwieweit sie das Lernziel der Klassenarbeit erreicht haben (Vgl. mittendrin e.V.
2011, S.213). Die Lernziele sind für die Schülerinnen und Schüler von vornherein
transparent. So genannte Checklisten werden vor jeder Klassenarbeit besprochen,
damit sich jeder individuell auf die Klassenarbeit vorbereiten kann (Vgl. ebd. S.213).
Die Checklisten beinhalten die genauen Schwerpunkte, die die Schülerinnen und
Schüler zu beachten haben, um eine gute Beurteilung zu bekommen. Im Zeugnis
werden dann die Lernziele und Kompetenzen des Schülers oder der Schülerin
aufgezählt. Neben der schriftlichen Rückmeldung ist es von Bedeutung als
Lehrperson den Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern, sowie mit den Eltern zu
halten. Dafür bieten sich Schüler- und Elternsprechtage an, an dem sich die
Lehrperson mit dem Schüler und oder den Eltern zu einem beratenden Gespräch trifft
(Vgl. ebd. S.215). Gerade die Schülersprechtage können von Lehrpersonen als
Anlass wahrgenommen werden den Grund für schlechte Leistungen eines Schülers
ausfindig zu machen bzw. den Schüler in seiner Leistung zu bestärken.
Lernentwicklungsberichte
ermöglichen
eine
gezieltere
Rückmeldung
für
Schülerinnen und Schüler. Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mit ihren
Schülerinnen und Schülern auseinandersetzen, um ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und
Schwächen zu kennen, damit gezielte Rückmeldungen für ein Zeugnis verfasst
werden können. Für Schülerinnen und Schüler im inklusiven Kontext bieten
Berichtzeugnisse die Möglichkeit, einer individuellen Beurteilung, statt eines
ungerechten Vergleichs durch Ziffernnoten.
3.3.2 Portfolioarbeit – Transparenz in der Beurteilung
Ein Portfolio ist die Form einer individuellen Leistungspräsentation, die von den
Schülerinnen und Schülern selbst zusammengestellt und vorgelegt wird (Vgl. von der
Groeben 2008, S.79ff). Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich einen
festgelegten Zeitraum mit einem vereinbarten Thema. Die bearbeiteten Materialien
(z.B. Arbeitsblätter, Skizzen, Fotografien usw.) werden von den Schülerinnen und
Schülern in Form einer Mappe gesammelt. Neben der Auseinandersetzung mit einem
bestimmten Thema, lernen die Schülerinnen und Schüler auch das Erstellen eines
Inhaltsverzeichnisses und Deckblatts.
Die Bewertung des Portfolios wird am Anfang einer neuen Arbeitsphase mit der
ganzen Klasse besprochen. Die vorgegebenen Leistungskriterien, wie zum Beispiel
Umfang der Arbeit oder bestimmte Aufgabenstellungen die zu bearbeiten sind,
werden
transparent
gemacht,
dabei
kann,
wie
schon
bei
den
Lernentwicklungsberichten angesprochen, eine Checkliste helfen. Die Checkliste
ermöglicht dem Schüler oder der Schülerin genau zu überprüfen, ob alle Kriterien
eingehalten wurden. Durch diese Transparenz können sich die Schülerinnen und
Schüler in ihrer Arbeit immer wieder selbst überprüfen. Am Ende entsteht ein
Gesamtprodukt, auf das viele Schülerinnen und Schüler stolz sind. Die
Gesamtprodukte werden am Ende der Arbeitsphase der gesamten Klasse vorgestellt.
Dadurch entsteht ein intensiver Austausch zwischen den Schülerinnen und Schülern
(Vgl. ebd. S.79). Portfolioarbeiten bieten sich vor allem in den Bereichen: Deutsch,
Geschichte, Sachunterricht, Naturwissenschaften, Kunst und Handwerk an. In
Bereichen in denen Wissenserwerb aufeinander aufbaut, wie in Mathematik oder
Sprachen, können Portfolioarbeiten nur in Ausnahmen eine gute Lösung des Lernens
sein, weil die individuelle Themenfindung durch einen aufeinander aufbauenden
Wissenserwerb schwer ist.
Die Freiheit, die den Kindern durch das Erstellen eines Portfolios gegeben wird, ist
positiv und negativ zugleich. Auf der einen Seite lernen Schülerinnen und Schüler,
das selbstständige Erstellen einer Arbeit, unter Berücksichtigung verschiedener
Kriterien. Auf der anderen Seite kann Unterricht nicht nur durch die Arbeit an
Portfolios gestaltet sein, dafür geben die Lehrpläne der Kultusministerkonferenz zu
strenge Vorgaben. Es ist gut, sich mit der Portfolioarbeit auseinanderzusetzen, der
komplette Unterricht kann aber nicht ausschließlich durch Portfolioarbeit
gewährleistet werden. Für inklusive Leistungsbewertung bieten Portfolios eine
gezielte Auseinandersetzung mit einem Thema und eine transparente Beurteilung des
Endprodukts. Mit den Schülerinnen und Schülern wird im Arbeitsprozess
besprochen,
welche
Erwartungen
sie
erfüllen
müssen,
um
eine
gute
Leistungsbeurteilung zu bekommen. Portfolioarbeit kann nicht als alleinige Methode
zur Beurteilung von Schülerinnen und Schülern eingesetzt werden, bietet aber eine
Abwechslung im Unterricht und ist dabei gleichzeitig eine richtungsweisende Idee
für mehr Transparenz in der Beurteilung von Schülerinnen und Schülern.
3.3.3 Leistungsmessung nach Maria Montessori – Im Mittelpunkt das Kind
In der Pädagogik nach Maria Montessori steht immer das Kind im Mittelpunkt des
pädagogischen Geschehens (Vgl. Meisterjahn-Knebel, S.2). Die Entwicklung des
Kindes als ganze Person, war für Maria Montessori das Entscheidende in ihrer
Pädagogik. Das spiegelte sich auch in der Leistungsbewertung wieder. Zensuren
werden noch heute in der Montessori Pädagogik kritisch gesehen. Stellt man sich
eine inklusive Schule vor, ist die Schülerschaft sehr heterogen. Auf den ersten Blick
scheint die Beurteilung durch Ziffernnoten gerecht zu sein. Doch das Verteilen von
Zensuren ist nur auf den ersten Blick objektiv. Noten suggerieren lediglich
Objektivität. Lehrerinnen und Lehrer denken, sie können durch Noten die Leistungen
von Schülerinnen und Schüler messbar werden lassen, doch die Verteilung kann
nicht objektiv sein, weil schulische Leistung von unterschiedlichen Lehrpersonen
unterschiedlich „gemessen“ wird (Vgl. ebd. S.6). Das bedeutet, dass Lehrerinnen und
Lehrer unterschiedliche Noten für die gleiche Leistung verteilen. Ein weiterer
Kritikpunkt gegen Ziffernnoten beinhaltet, dass die Leistungsfeststellung in Form
einer Ziffernnote, in der Regel nicht dem Entwicklungsstand des Schülers / der
Schülerin gerecht werden kann (Vgl. ebd. S.8). In den meisten Schulen werden
Leistungen noch immer mit der sozialen Bezugsnorm gemessen, anstatt die
individuelle Bezugsnorm anzuerkennen, die wirkliche Aussagen über den einzelnen
Schüler oder die einzelne Schülerin zulässt. In der Montessori Pädagogik ist genau
dieser Grundsatz vertreten, die individuelle Entwicklung des Kindes soll unterstützt
werden. Die Freude „am Tun“ soll erhalten bleiben, indem Kinder sich in der
Freiarbeit mit Material auseinandersetzen, was sie selbst wählen. Die Fehlerkontrolle
bekommen die Kinder dabei nicht durch eine Note suggeriert, sondern das Material
selbst beinhaltet eine Fehlerkontrolle, die den Schülerinnen und Schülern eine
Bestätigung gibt, wenn eine Aufgabe richtig gelöst wurde (Vgl. ebd. S.11). Neben
den typischen Montessori Materialien werden an vielen Schulen so genannte
„Pensenbücher“ oder „Logbücher“ eingeführt, die ein bestimmtes Pensum an
Aufgaben für eine vereinbarte Zeit vorgeben. Durch die Arbeit mit Pensenbüchern
werden Schülerinnen und Schüler zum selbstständigen Lernen angeregt und die zu
erbringenden Leistungen sind transparent.
An vielen Montessori Schulen werden aber dennoch Noten gegeben, weil sie sich an
die Standards der Regelschulen anpassen müssen, um ihrer Schülerschaft dieselben
Chancen bieten zu können. Doch auch wenn viele Montessori-Schulen sich dem
Standard beugen und Noten vergeben, geht es darum die Leistung und die
Entwicklung des Kindes in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen (Vgl. ebd.
S.13). Dieser sinnvolle Zusammenhang kann durch eine vorbereitete Umgebung, die
den Leistungsanforderungen der Schülerinnen und Schüler entgegenkommt,
unterstützt werden. Die Schule muss in ihren Anforderungen schülergeeignet sein,
nur dann können Schülerinnen und Schüler gute Leistungen erbringen, genau das ist
der Grund, warum diese Idee auch für das Zukunftsmodell Inklusion mit bedacht
werden muss.
Ein letztes Beispiel zeigt, wie die Vergabe von Ziffernnoten, schülergeeignet und
inklusiv sein kann.
3.3.4 Vereinbarung von Inklusion und Notengebung - Mit vielen Teilnoten zu
einer Gesamtnote
Heinz Kumetat führte schon Mitte der 80er Jahre an der Hauptschule
Ferdinandstraße in Köln, ein Benotungssystem ein, welches heute für die gerechte
Notenverteilung hoch interessant wird. Am Beispiel des Mathematikkurses zeigt
Kumetat auf, wie viele Teilnoten zu einer Gesamtnote führen, die für Schüler und
Schülerinnen als gerecht empfunden werden.
Wie auch in den anderen Vorschlägen angesprochen ist es wichtig, bei der
Durchführung von Inhalten den Schülerinnen und Schülern transparent zu machen,
was von ihnen verlangt wird (Vgl. Kumetat 1985, S.93). Dies soll am Beispiel eines
Mathematikkurses verdeutlicht werden. In der Hauptschule Ferdinandstraße wurde
der Mathematikkurs in mehrere Teilkurse eingeteilt. Der gesamte Rechenstoff vom
4. bis 9. Schuljahr wurde in 12 Mathematikkurse aufgeteilt, für jeden Kurs ist jeweils
ein Lehrer hauptverantwortlich. Jeder Schüler und jede Schülerin arbeitet sich
individuell von Kurs zu Kurs. Die Lehrperson ist überwiegend zur Beratung und
Hilfestellung im Kurs anwesend. Arbeiten sollen die Schülerinnen und Schüler
selbstständig. Nach Abschluss eines Kurses bekommt der jeweilige Schüler
Materialien für den darauf folgenden Kurs. Begleitend zu allen Kursen erhalten alle
Schülerinnen und Schüler zu Beginn ihren Rechenpass. Auf diesem werden alle
Inhalte, die vom Schüler erarbeitet wurden, vermerkt. Der Rechenpass bietet dem
Schüler eine Transparenz, zugleich sind Eltern und andere Lehrer über den
Kenntnisstand des Schülers informiert. Mit dem Rechenpass und den einzelnen
Mathematikkursen wird es dem Schüler ermöglicht, individuell zu arbeiten und im
eigenen Lerntempo das Beste zu erbringen. Die Pädagogik des Gleichschritts kann
durch dieses System aufgelöst werde und der Inklusionsgedanke findet bei der
Bewertung von Leistung in einer solchen Form, Berücksichtigung, das bestätigt auch
der Umgang mit Klassenarbeiten.
Die Klassenarbeiten werden zu dem Zeitpunkt geschrieben, wenn der einzelne
Schüler, die einzelne Schülerin dazu bereit ist (Vgl. ebd. S.93). Auch dies hat den
Vorteil, dass der Druck, der auf den Schülerinnen und Schülern liegt, verringert wird.
Jeder und Jede lernt tatsächlich in seinem und ihrem Tempo und schreibt die
Klassenarbeit dann, wenn er oder sie bereit dazu ist. Hat sich ein Schüler oder eine
Schülerin im jeweiligen Können verschätzt, gibt es die Möglichkeit die Klassenarbeit
mit neuen Übungen zu wiederholen. Lernen ist also nicht darauf angelegt, Wissen
mittels Klassenarbeiten zu testen. Stattdessen sollen Schüler und Schülerinnen durch
Klassenarbeiten, die Möglichkeit haben, sich selbst richtig einzuschätzen und sich
für eine Arbeit gut vorbereiten zu können. Die Bedenken, dass Kinder sich dann gar
nicht zu einer Klassenarbeit anmelden räumt Kumetat aus, in einer Schulzeitung der
Schule schreibt er:
„Die erforderliche Mindestanzahl von Klassenarbeiten wird so weit überschritten;
wie wir meinen, eine echte Chance für Ihr Kind, eine möglichst objektive Zensur zu
erhalten“ (ebd. S.94).
Am Ende des Schuljahres setzt sich die Mathematiknote aus vielen Teilnoten
zusammen. Das bedeutet, auch wenn ein Schüler oder eine Schülerin einmal oder
mehrmals eine schlechte Note in Mathematik bekommen hat, kann sie diese
problemlos wieder ausgleichen. Alle Noten zusammengerechnet ergeben am Ende
eine Gesamtnote.
Gerade in der Sekundarstufe werden drei Klassenarbeiten pro Halbjahr und dessen
Noten, sehr schwer gewichtet. Viele Schülerinnen und Schüler können sich zum
Halbjahr schon ihre Note ausrechnen, indem sie die Noten der Klassenarbeiten
zusammenzählen. Diese Art von Notengebung wiederspricht dem Grundsatz von
Inklusion: kein Kind zurückzulassen. Mit der Idee viele Teilnoten zu geben, kann die
Gewichtung von schlechten Noten herabgesetzt werden.
Außerdem kann das vorgestellte System ein Vorschlag sein, das Abschaffen von
Noten
zu
verhindern,
um
schülerfreundlich zu gestalten.
stattdessen
die
Notengebung
transparent
und
Die Leistungsbewertung im inklusiven Unterricht kann unterschiedliche Facetten
haben. Für Lehrpersonen ist es wichtig sich über Alternativen zu der bestehenden
Idee von Notengebung zu informieren. Viele inklusive Schulen haben das
Notensystem komplett abgeschafft und geben stattdessen verbale Beurteilungen raus.
Doch auch diese können kritisch sein, weil verbale Beurteilungen häufig in
vorgefertigten Aussagen enden, die letztendlich wie Noten betrachtet werden
können. Das Verständnis von Beurteilung ist im Lehrerkollegium zu diskutieren, um
ein allgemeines Verständnis von gerechter Leistungsbeurteilung an einer inklusiven
Schule durchzusetzen. Es muss im Kollegium der Frage nachgegangen werden: Wie
schaffen wir es Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischen
Förderbedarf an unserer Schule gerecht zu beurteilen und ihnen einen
selbstreflektierten Umgang mit Eigen-und Fremdbeurteilung zu vermitteln?
Zum Abschluss soll, wie bereits erwähnt, das Gutachten von Ulf Preuss-Lausitz und
Klaus Klemm erläutert werden, um einige der bereits angesprochene Ideen in einen
praktischen Zusammenhang einzubetten.
3.4. Empfehlungen zur Umsetzung von Inklusion – ein weiterer Leitfaden für
die Praxis
Im Auftrag des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW untersuchten
Klaus Klemm und Ulf Preuss-Lausitz mögliche Empfehlungen für die Umsetzung
der UN-Konvention an den Schulen in Nordrhein-Westfalen. Daraufhin wurde 2011
ein Leitfaden herausgegeben mit dem Titel: „Auf dem Weg zur schulischen
Inklusion in Nordrhein-Westfalen. Empfehlungen zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonventionen im Bereich der allgemeinen Schulen.“ In diesem
Leitfaden wird von Klemm und Preuss-Lausitz ein Inklusionsplan vorgelegt, der bei
Einhaltung eine Inklusionsrate von 85% bis 2020 anstrebt (Vgl. Klemm; PreussLausitz 2011, S.5). Stephan Ellinger und Roland Stein betrachten den Leitfaden
kritisch und weisen darauf hin, dass bedeutsame Studienübersichten ausgelassen
wurden (Vgl. Ellinger; Stein 2012, S.102). Sie kritisieren insbesondere fehlende
Bemühungen, die Funktion von speziellen Schulen zu reflektieren, stattdessen wird
pauschal die Ablösung von Sonderschulen gefordert (Vgl. ebd. S.102).
Klemm und Preuss-Lausitz argumentieren, dass inklusive Regelschulen das beste
Mittel sind um diskriminierende Handlungen zu bekämpfen und Gemeinschaft zu
schaffen (Vgl. Klemm; Preuss Lausitz 2011, S.12). Sie gehen weiter davon aus, dass
Fortbildungsmöglichkeiten für alle Beteiligten notwendig sind, um einen guten
Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler anbieten zu können. Die Fortbildungen
sollten sich mit dem Themenschwerpunkt inklusiver Unterricht und seine
Gelingensfaktoren auseinandersetzen, um die Angst vor neuen Herausforderungen zu
verringern (Vgl. ebd. S.34).
Nachfolgend werden einige Vorschläge und Hinweise aus diesem Dokument
aufgegriffen. Abbildung 9 gibt einen Überblick über die Auswahl der Vorschläge
und bringt diese in einen Zusammenhang. Die ausgewählten Vorschläge beschränken
sich vor allem auf die Konzeption einer inklusiven Schule: das Konzept, die
Schuleingangsuntersuchung, ein Zentrum unterstützender Pädagogik und der
Umgang mit schlechten Leistungen und Störungen. Lehrkräfte in der Praxis sollen
durch diese Vorschläge ihrer Unsicherheit gegenüber Inklusion gegenübertreten
können. Auch hier soll wieder an die Verbindung mit der Theorie angeknüpft
werden.
Schuleingangsuntersuchung
Zentrum
unterstützender
Pädagogik
Vorschläge von
Ulf Preuss –
Lausitz und Klaus
Klemm
Leitbild
Konzept
Aufgaben der
Schulleitung
Umgang mit
Störungen /
schlechten
Leistungen
Kein
Sitzenbleiben/
Wiederholen
Time-OutRäume
Abbildung 9: Vorschläge Klemm, Preuss-Lausitz im Überblick
3.4.1 Vorschläge und Ideen nehmen kein Ende – Inklusion wird greifbar
Als eine erste Notwendigkeit, Inklusion in der Schule zu etablieren, kann die
Entwicklung eines Leitbildes betrachtet werden. Diese Herangehensweise wurde in
dieser Arbeit schon mehrfach angedeutet und wird in dem Leitfaden von PreussLausitz und Klemm in einen konkreten Kontext gebracht. Es ist wichtig Inklusion in
das Leitbild der Schule aufzunehmen (Vgl. ebd. S.103). Das Leitbild einer Schule
sollte die Meinung aller Beteiligten so gut es geht wiederspiegeln. Ist ein schulisches
Leitbild fertig gestellt, ist es wichtig dieses auch im Internet für Eltern und
Interessierte zugänglich zu machen. Das Leitbild sollte nämlich nicht einfach nur ein
Dokument sein, sondern eine Verbindlichkeit mit sich tragen, die durch die
Veröffentlichung noch stärker in den Mittelpunkt kommt.
Neben einem klar positionierten Leitbild in dem Inklusion verankert sein muss,
fordern Klemm und Preuss-Lausitz eine Schuleingangsuntersuchung für alle
Kinder, die im Nachhinein eine individuelle Förderung ermöglicht (Vgl. ebd. S.103).
Mit einer einheitlichen Schuleingangsuntersuchung soll nicht mehr nur die
Schulfähigkeit eines Kindes getestet werden, sondern auch Kompetenzen und
Schwierigkeiten des Kindes festgestellt werden, um diese im inklusiven Unterricht
angehen zu können. Eine differenziertere Schuleingangsdiagnostik, vereinfacht das
Arbeiten der Lehrerinnen und Lehrer, die sich schneller ein Bild von einem neuen
Kind machen können.
Weitere Empfehlungen beziehen sich auf das Zurückstellen und Sitzenbleiben von
einzelnen Schülerinnen und Schülern. Dies ist nach Klemm und Preuss-Lausitz mit
Inklusion nicht vereinbar (Vgl. ebd. S.103ff.). Inklusion hat den Anspruch alle
Kinder in ihren Fähigkeiten zu fördern. Beim Sitzenbleiben oder Zurückstellen eines
Kindes wird die Möglichkeit einer individuellen Förderung nicht mehr beachtet. Das
Herausnehmen aus dem sozialen Kontext hat außerdem für viele Kinder schwere
Folgen. Eine inklusive Schule folgt dem Anspruch jedes Kind mit seinen Stärken und
Schwächen zu fördern und ihm einen starken sozialen Halt zu vermitteln.
Diesem starken sozialen Halt wird auch durch die Empfehlung der Time-OutRäume Rechnung getragen. Time-Out-Räume ermöglichen eine gewaltfreie Auszeit
und können daher störendes Verhalten verhindern (Vgl. ebd. S.105). Gerade Kinder
mit Verhaltensauffälligkeiten wird durch Time-Out Räume die Möglichkeit gegeben,
ihr Verhalten zu reflektieren und sich einer Bezugsperson anzuvertrauen, die ihre
Probleme ernst nimmt und sie nur mit Zustimmung auch mit weiteren Kollegen
diskutiert. Für eine Schule mit dem Anspruch inklusiv zu sein, können Time-Out
Räume eine wichtige Maßnahme sein, mit Störungen richtig umzugehen, weil
Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit ergreifen können, an ihrem Verhalten zu
arbeiten, anstatt deren Verhalten zu bestrafen.
Neben den einzelnen Empfehlungen für das Gelingen einer inklusiven Schulstruktur,
gibt es weitere Vorschläge wie ein Kollegium bei der Umsetzung von Inklusion
unterstützt werden kann. Das Etablieren eines Zentrums unterstützender
Pädagogik ermöglicht, die Stellen von Sozialarbeitern, Sonderpädagogen und
Erzieherinnen fest in der Schule zu verankern (Vgl. ebd.S.105).
Innerhalb der
Schulen müssen diese Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt bekommen, in denen
sie beratend für Lehrkräfte tätig werden und sich Eltern Rat beim „Zentrum für
unterstützende Pädagogik“ holen können. Gleichzeitig ändert sich auch die Rolle der
Sonderpädagogen, weil Beratung und Diagnostik die zukunftsweisenden Bereiche
für Sonderpädagogen werden könnten (Vgl. ebd. S.107). Dennoch können auch
Sonderpädagogen bei Bedarf, als Klassenleitung oder Fachlehrer eingesetzt werden.
Am Ende gehen Preuss-Lausitz und Klemm auf die Rolle der Schulleitung ein. Sie
ist für Inklusion von größter Bedeutung und muss hinter den Absichten von
Inklusion stehen (Vgl. ebd. S.108). Empirische Studien belegen, zwar die
signifikante Rolle der Schulleitung für Veränderungen, verdeutlichen aber auch, dass
Schulleitungen
der
Inklusion
von
Menschen
mit
Behinderungen
kritisch
gegenüberstehen. „Principals, although always viewed as playing a significant role in
integration efforts, also tended do demonstrate a lack of knowledge about students
with disabilities […]” (Cline, 1981 zit. n. Kavale; Mostert 2003, S.199). Daraus kann
geschlossen werden, dass auch Schulleitungen, Fortbildungen und Maßnahmen der
Supervision benötigen.
An dem Gutachten von Preuss-Lausitz und Klemm wird deutlich, welche
umfassenden Veränderungen auf Schulen mit einem inklusiven Anspruch
zukommen. Eine Vorbereitung der Schulen, vor allem der Lehrpersonen, ist daher
maßgeblich, um schulische Inklusion zu ermöglichen. Rückblickend wurde in diesem
Kapitel auf die Umsetzung von Inklusion in der Praxis eingegangen. Vor allem die
Unterrichtspraxis wurde als Anknüpfungspunkt erkannt, um Lehrerinnen und Lehrer
zu verdeutlichen, welche Veränderungen und welche Chancen inklusiver Unterricht
ermöglichen kann. Es wurde deutlich, dass der Austausch im Lehrerkollegium, die
Basis darstellt, um Veränderungen wagen zu können. Auch die Vorschläge von
Klemm und Preuss-Lausitz können nur unter Zustimmung des Kollegiums etabliert
werden. Daher sind Lehrerinnen und Lehrer dazu aufgefordert, sich zur vorgestellten
Theorie, aber vor allem zu den vorgestellten praktischen Ideen und Vorschlägen ihre
eigenen Gedanken zu machen und diese in ihrer Schule zur Diskussion zu stellen.
Die Grundschule Berg Fidel in Münster, hat viele dieser theoretischen und
praktischen Erkenntnisse rund um Inklusion schon in die Praxis umgesetzt. Die
Schule „Berg Fidel“ soll deshalb zum Abschluss dieser Arbeit kurz vorgestellt
werden, um ein konkretes Beispiel aufzuzeigen, wie Inklusion in der Schule gelingen
kann bzw. wie der Prozess Inklusion an einer Schule abläuft.
4. Praxisbeispiel Berg Fidel – Schritt 4: Die konkrete Umsetzung von
Inklusion
4.1 Die Schule - Grundvoraussetzungen
„Berg Fidel“ ist eine Schule in Münster, auf die Kinder aus dreißig verschiedenen
Nationen gehen (Vgl. Stähling; Wenders 2012, S.13). In jeder Klasse sind im
Durchschnitt 5 bis 7 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Die Schule
„Berg Fidel“ hat den Anspruch, alle Kinder so gut wie möglich zu fördern und
koordiniert daher individuelle Hilfen für ihre Schüler und Schülerinnen. Die Stunden
der Sonderpädagogen werden auf alle Klassen verteilt, dadurch hat die
Klassenleitung einen „Unterstützerring“ um sich versammelt. Die pädagogische
Arbeit wird in einem Team durchgeführt. Die Verantwortungsbereiche sind
aufgeteilt, wodurch einer Überforderung von Lehrpersonen entgegengewirkt wird.
Die Schule Berg Fidel ist eine Schule im gebundenen Ganztag, sie endet täglich um
15:30 Uhr (Vgl. ebd. S.19). Schülerinnen vom ersten bis vierten Jahrgang werden
altersgemischt aufgeteilt und besuchen einen jahrgangsgemischten Unterricht (Vgl.
ebd. S.23). Die Schulleitung und das Kollegium fordern von der Landesregierung,
die Schule in Berg Fidel auf den Sekundarbereich auszuweiten, damit Schülerinnen
und Schüler von der ersten bis zur 13. Klasse die Schule besuchen können. Der
Direktor der Schule, Reinhard Stähling sieht ein Schulmodell von Klasse eins bis
Klasse dreizehn als Ausdruck für inklusive Schulkultur (Vgl. ebd. S. 83). Die
Altersmischung soll bis zur Klasse 13 fortgeführt werden. Immer drei
aufeinanderfolgende Jahrgänge könnten gemeinsam unterrichtet werden. In der
Eingangsstufe kommt noch ein nullter Jahrgang hinzu und in der Schulabschlussstufe
haben Schülerinnen und Schüler von der Klasse 10 bis 13 gemeinsam Unterricht
(Vgl. ebd. S.87). Die Schule würde nach diesem Modell zu einem Haus des Lernens
wachsen. Schulwechsel nach der vierten Klasse wären nicht notwendig, stattdessen
hätten Kinder die Möglichkeit nach der Grundschule in ihrem gewohnten sozialen
Umfeld zu bleiben. Außerdem bietet dieses Modell die Chance der Zusammenarbeit
von Grund- und Sekundarschullehrern, wodurch eine individuelle Förderung
ermöglicht wird, weil ein Austausch der Lehrerinnen stattfinden kann. An der Schule
in Berg Fidel wurde das Sitzenbleiben abgeschafft (Vgl. ebd. S.15). Den
Forderungen von Klemm und Preuss-Lausitz wird an dieser Schule entsprochen.
Kein Kind muss ein Schuljahr wiederholen, wodurch Kinder die Möglichkeit
bekommen ihre Schulzeit in einem Klassenteam zu verbringen, wo sie nicht als
Schlusslichter der Klasse behandelt werden, sondern ihnen stattdessen Hilfen
angeboten werden, um ihre Leistungen zu verbessern. Diese Idee soll auch in den
Sekundarbereich übernommen werden. Von der ersten bis zur dreizehnten Klasse
hätten Kinder an der Schule „Berg Fidel“ die Möglichkeit sich zu entfalten und an
ihren Stärken und Schwächen zu arbeiten. Im November 2012 organisierte die
Schulleitung, gemeinsam mit dem Kollegium der Schule, einen Praxiskongress, der
sich konkret mit dem Ausbau der Schule auf die Sekundarbereiche beschäftigte.
Kongressteilnehmer arbeiteten an zwei Tagen an konkreten Themen rund um
Inklusion. Dabei wurden Vorschläge gesammelt, die die Schule in ihrem Ausbau
unterstützen sollen.
Im nächsten Abschnitt, sollen konkrete Einblicke in den Schulalltag vermittelt
werden und ein möglicher Ablauf eines Schultages dargestellt werden.
4.2 Einblicke in den Schulalltag
In dem Buch von Reinhard Stähling und Barbara Wenders „Das können wir hier
nicht leisten“, bekommen die Leser Einblicke in den Schulalltag einer „inklusiven“
Schule. Jeden Morgen kommen die Kinder zwischen 7:30 Uhr und 8:00 Uhr in den
Spieleraum. (Vgl. ebd. S.20 ff.). Dieser Raum befindet sich vor jedem
Klassenzimmer. Die Klassenlehrer erwarten jeden Schüler und jede Schülerin, bevor
er/sie in die Klasse geht. Jeder wird persönlich begrüßt und die Eltern haben kurz
Zeit vom Alltag oder auch von bestimmten Problemen zu berichten. Eine zweite
Lehrkraft befindet sich bereits im Klassenzimmer. Die Schülerinnen und Schüler
besprechen im Klassenraum ihre heutigen Arbeiten, mit der Lehrperson. Einzeln
oder in einer Lernpartnerschaft beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler mit
Mathematikaufgaben (Vgl. ebd. S.16f.). Das bereits angesprochene Prinzip nach
Wocken, die Schülerinnen und Schüler als Lernhelfer mit in den Unterricht
einzubeziehen, wird im Unterricht angewandt. Die freie Arbeitsphase endet um 9:30
Uhr, es folgt eine große Pause, in der die Kinder freie Zeit auf dem Schulgelände
verbringen können. Nach dem Frühstück und der Pause wird jeden Tag mit der
ganzen Klasse über die vergangene Freiarbeit reflektiert. In Form eines
„Lernklassenrates“ kommen die Schülerinnen und Schüler mit den beiden
Lehrkräften im Stuhlkreis zusammen. Ziel des „Lernklassenrates“ ist es gemeinsam
über das gerade gelernte zur reflektieren und als Schüler/Schülerin benennen zu
können, was ich heute alles geschafft habe (Vgl.ebd. S.41). Zusätzlich führen alle
Schülerinnen und Schüler ein individuelles Lerntagebuch, in dem sie ihr geschafftes
Lernpensum für den Tag eintragen (Vgl. ebd. S. 21). Lerntagebuch und
Lernklassenrat wechseln sich unter der Woche ab. Dadurch lernen Schülerinnen und
Schüler die schriftliche und mündliche Art, der Selbstreflektion (Vgl. ebd. S. 43). In
der
folgenden
Tabelle
ist
der
tägliche
morgendliche
Ablauf
nochmal
zusammengefasst dargestellt.
Morgendlicher Ablauf
Offener Beginn
Zwischen 8:00-8:30
Freiarbeit
Bis 9:30
Große Pause / Frühstück
Lernklassenrat
Schülerinnen und Schüler werden zur Selbstreflektion
über ihr Arbeitsverhalten angeregt (schriftlich und
mündlich im Wechsel)
Tabelle 6: Morgendlicher Ablauf (Vgl. Stähling/Wenders 2012, S.20ff.)
Das Ziel dieser Unterrichtsgestaltung ist: „[…] dass jedes Kind Erfolge erlebt bei der
Durchdringung der Bearbeitung von „stofflichen Hürden“ und dem Verstehen einer
Sache und auf diesem Weg größtmögliche individuelle Lernfortschritte macht.“ (ebd.
S. 21) Für dieses Ziel ist auch die Haltung im Kollegium ausschlaggebend.
4.3 Wertschätzung der Kinder - Haltung im Kollegium
Im Team hat sich das Lehrerkollegium der Schule Berg Fidel auf 20 Regeln geeinigt,
wie sie als Pädagogen mit den Schülerinnen und Schülern umgehen (Vgl. ebd. S. 15).
Die Regeln sind eng verbunden mit dem amerikanischen Begriff der „Caring
Education“. Die Lehrerinnen und Lehrer der Schule, sollen sich persönlich mit dem
Schüler/ der Schülerin auseinandersetzen, ihn/sie nach seinen/ihren Bedürfnissen
fragen und auf diese eingehen. Die erste Regel lautet: „Achte die Kinder!“. Diese
erste Regel an den Anfang des Regelwerkes für Lehrerinnen und Lehrer zu stellen,
kann ganz im Sinne von Inklusion verstanden werden. Lerngruppen sind
grundsätzlich heterogen, weswegen es wichtig ist, jedes einzelne Kind zu achten und
Wertschätzung zu vermitteln. Wenn ein Schüler/eine Schülerin Wertschätzung
erhält, fällt es ihm/ihr auch leichter selbst wertschätzend zu handeln. Die Regel
Nummer sieben ist ebenfalls ein gutes Beispiel für die Inklusive Haltung der Schule,
sie lautet: „Erwarte ihr Bestes; erwarte keine Perfektion!“ Die Haltung der
Lehrerinnen und Lehrer, sollte passend auf die Schülerinnen und Schüler
zugeschnitten sein. An der Schule in „Berg Fidel“ werden nicht einheitliche
Standards gebildet, die von den SchülerInnen erwartet werden. Es wird individuell
auf die Kinder eingegangen und mit den Kindern entschieden, was gut für sie ist.
Auch die übrigen 18 Regeln befassen sich mit der Wertschätzung gegenüber
Schülerinnen und Schülern. Für die Kinder bietet das Einhalten der Regelungen
Sicherheit und soziale Geborgenheit (Vgl. ebd. S.16). Wenn Kinder sich sozial
geborgen und sicher fühlen können sie ihre Angst in bestimmten Situationen
überwinden und werden zu selbstständigen Wesen.
Von den Lehrerinnen und Lehrern werden neben der Einhaltung der besagten 20
Regeln
weitere
Kompetenzen
erwartet.
Hierzu
zählen
unter
anderem:
Kommunikationsfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Geduld, Organisationsfähigkeit,
Teamgeist, Freude an Zusammenarbeit, didaktische und methodische Kenntnisse
(Vgl. ebd. S. 44f.).
4.4 Praktische Idee für den Unterricht
Nachfolgend wird der „Freie Forscherclub“ vorgestellt, als eine Idee inklusiven
Unterricht zu ermöglichen. Der „Freie Forscherclub“ ist in allen Klassen an der
Schule fest verankert.
Freier Forscherclub
An drei Tagen in der Woche haben die Schülerinnen und Schüler 60 Minuten Zeit
sich mit einem Thema ihrer Wahl zu beschäftigen. An der Schule Berg Fidel wird
diese Stunde mit den Buchstaben FFC abgekürzt, was so viel heißt wie: Freier
Forscherclub (Vgl. ebd. S.50f.). Schülerinnen und Schüler können entscheiden, ob
sie alleine oder in einer Gruppe, zu einem selbstgewählten Thema arbeiten wollen.
Meistens arbeiten zwei bis drei Schülerinnen und Schüler zusammen an einem
Thema. Der FFC bietet den Schülerinnen und Schüler eine Art Projektarbeit an. Die
Arbeit im Freien Forscherclub gliedert sich bei jedem Projekt in sechs Phasen, die in
Abbildung 10 dargestellt werden(Vgl.ebd. S.53).
Thema
finden
20
Fragen
Informations-
Experten-
beschaffung
interview
Auswertung
Präsentation
Abbildung 10: Prozessverlauf freier Froscherclub (ebd. S.53)
In der ersten Phase finden sich Schülerinnen und Schüler zusammen und suchen sich
ein Thema aus. Danach formulieren sie gemeinsam 20 Fragen zu diesem Thema,
woraus eine Gliederung entsteht, was die Bearbeitung des Themas differenziert und
vereinfacht. In der dritten Phase beschaffen sich die SchülerInnen die notwendigen
Informationen. Nachdem sie sich einen Überblick über ihr Thema verschafft haben,
müssen sie in der nächsten Phase ein Experteninterview führen. Ein Experte für das
gewählte Thema muss von den Schülerinnen und Schülern besucht und interviewt
werden. Das Interview findet in vielen Fällen während der Schulzeit, aber auch
außerhalb der Schule statt. Lehrerinnen und Lehrer stellen sicher, dass der
Anfahrtsweg von den Schülerinnen und Schülern zu den Experten ohne Gefahren
bewerkstelligt werden kann und dass das Experteninterview auch sicher durchgeführt
werden kann. Durch den Besuch eines außenstehenden Menschen, der hoffentlich
mit Passion von dem Thema berichten kann, bekommen die SchülerInnen einen noch
gezielteren Einblick. Alle Quellen und das Interview werden dann gemeinsam
ausgewertet.
Am
Ende
erfolgt
die
Präsentation
der
Ergebnisse.
Die
Präsentationsformen dürfen frei gewählt werden.
Der FFC bietet den Schülerinnen und Schülern einer Klasse an, sich intensiv mit
einem Thema auseinanderzusetzen. Das Lernen verläuft meistens hochmotiviert,
weil das Thema frei gewählt werden kann. Begleitet wird die Arbeit in diesem Kurs
von einer fortlaufenden Dokumentationspflicht, auf Seiten der Schülerinnen und
Schüler (Vgl. ebd. S.69). Damit ist für alle klar, in welcher Phase sich die Gruppe
gerade befindet, und was der nächste Schritt sein muss, um am Ende eine
erfolgreiche Präsentation halten zu können.
Die Leistungsbewertung erfolgt durch individuelle Rückmeldungen, die die gesamte
Bearbeitung eines Themas berücksichtigen, von der Arbeitshaltung über die Nutzung
von Medien zur Präsentation.
Die Idee einen Freien Forscherclub an der eigenen Schule zu etablieren, kann als
eine Möglichkeit angesehen werden Inklusion im Unterricht umzusetzen. Wenn
jedes
Kind
an
seinem
persönlichen
Thema
arbeitet,
findet
individuelle
Differenzierung bereits statt. Diese Differenzierung muss im Freien Forscherclub
nicht durch die Lehrpersonen geschehen, sondern die Kinder selbst können ihre
Leistungen differenzieren. Natürlich wird es auch in diesem Unterrichtsentwurf
Kinder geben, die Schwierigkeiten haben ein Thema zu finden, weil sie nicht wissen,
was sie eigentlich interessiert. Doch dieser Prozess ist für Kinder in allen
Altersklassen wichtig, um herauszufinden, was eigentlich die Stärken und
Schwächen eines jeden Kindes sind. Im Freien Forscherclub gibt es für Schülerinnen
und Schüler das Angebot, diese Stärken ausfindig zu machen bzw., die Möglichkeit
herauszufinden, was die jeweiligen Schwächen sind und welche Themen der Schüler
oder die Schülerin nur ungern bearbeite.
Die Schule „Berg Fidel“ hat sich bereits auf den Weg zur Inklusion gemacht, arbeitet
aber immer noch weiter daran, die Grundsätze der Inklusion in den Schulalltag zu
integrieren. Ich wünsche mir, dass mehr Schulen sich trauen diesen Weg zu gehen,
um die Bildungslandschaft zu verändern, damit ein gemeinsames Lernen möglich
wird.
Ausblick – Inklusion: ein Riese in der Bildungslandschaft
In dieser Arbeit wurde mir immer wieder deutlich, dass eine der wichtigsten
Voraussetzungen für angestrebte bzw. verordnete schulische Inklusion die
Einstellungen der Beteiligten sind, und dabei insbesondere die Einstellung der
Lehrerinnen und Lehrer, inklusive der Schulleitungen. Gerade für Lehrerinnen und
Lehrer an einer Regelschule, bedeutet Inklusion eine Umstellung, die auf mehreren
Ebenen kritisch reflektiert werden muss. Wie in der Arbeit dargestellt ist ein Bereich
der sich grundlegend verändern muss der Unterricht, aber auch andere schulische
Zusammenhänge,
wie
schulische Architektur und Professionalisierung der
Lehrerinnen und Lehrer müssen sich verändern. Eine Studie von Schumm und
Vaughn belegt, dass Regelschullehrer glauben, sie könnten Schülerinnen und
Schülern mit Behinderungen nicht gerecht werden, weil sie damit überfordert seien
(Schumm; Vaughn 1995 zit. n. Kavale; Mostert 2003, S.202). Deswegen sind
Fortbildung und die Aufklärung von Lehrerinnen und Lehrern von „allergrößter“
Bedeutung. Katrin Düring fasst weitere Contra Argumente gegenüber Inklusion
zusammen, in denen sich die Kritik von Lehrerinnen und Lehrern, gegenüber
Inklusion, äußert: das übliche Modell der LehrerInnenarbeitszeit, was bisher keine
verbindlichen Zeiträume für Kooperation zulässt. Wenig Ressourcen zur
Unterstützung, zusätzliche hohe Anstrengung auf Seiten der Lehrerinnen und Lehrer,
fehlendes Basiswissen, wie ein solcher Prozess wie Inklusion gesteuert werden muss
(Vgl. Düring 2003, S.61). Es wird von Lehrerinnen und Lehrern verlangt, sich mit
Inklusion zu beschäftigen, die nicht vorhatten oder nicht vorhaben, Kinder mit
sonderpädagogischem Förderbedarf in ihren Unterricht zu integrieren (Vgl. PreussLausitz 2003 S.176). Insofern ist es für mich verständlich, dass Lehrerinnen und
Lehrer einer schulischen Inklusion kritisch gegenüber stehen. Auch auf Seiten der
Sonderpädagogen zeigen sich Qualifikationsdefizite in der Ausbildung (Obolenski
2003, S.184). Diese Bedenken müssen von der Politik sofort und unbedingt
aufgegriffen und mit bedacht werden, um schulische Inklusion umsetzten zu können.
Im Februar 2012 startete eine landesweite Qualifizierungsmaßnahme, in der 200
Lehrkräfte zum Ausbau des gemeinsamen Unterrichts fortgebildet werden (Vgl.
Schulministerium NRW 2012, S.1). Bis 2018 sollen bis zu 2500 Lehrerinnen und
Lehrer an dieser 18 monatigen Ausbildung teilnehmen. Dieses Fortbildungsangebot
ist nur eines unter vielen und kann als Indikator dafür stehen, dass sich zum Thema
Inklusion gerade vieles in Bewegung setzt.
Maßnahmen wie Fortbildungen sind wichtig, um Lehrerinnen und Lehrer in ihren
sozial- emotionalen Zweifeln zur Seite zu stehen, sie können helfen diese Zweifel zu
überwinden.
Inklusion ist keine einfache Veränderung im Schulsystem, sie muss als Prozess
betrachtet werden, da Inklusion sich nie total erreichen lässt. Inklusion vermittelt
eher eine utopische Vorstellung von Schule und Gesellschaft, wie es wäre, wenn alle
Menschen in ihren individuellen Bedürfnissen von der Gesellschaft/ Schule
aufgenommen und gefördert werden. Inklusion lässt sich nie ganz verwirklichen,
weil es Ausgrenzung in unserer Gesellschaft immer geben wird, was die Umsetzung
von Inklusion so schwierig macht. Gleichzeitig müssen auch immer die Vor- und
Nachteile von Inklusion hinterfragt werden. „Mit dem Ausschluss aus dem
Regelschulsystem werden die Betroffenen zum Objekt vielfacher Beschämungen, die
ihnen Anerkennung und Würde absprechen“ (Schumann 2007, S.201). argumentieren
Inklusionsbefürworter. „Widersacher“ der Inklusion fordern sorgfältige empirische
Untersuchungen, bevor Förderorte abgeschafft werden. (Vgl. Ellinger; Stein 2012,
S.104)
Ich teile die Meinung der Inklusionsbefürworter, die sich für die Inklusion von
Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen einsetzen, weil
ich selbst als Schülerin Erfahrungen mit Integration machen konnte, die mich in
meiner Meinung bestärken. Dennoch ist es mir wichtig, auch die unzureichenden
empirischen Forschungsergebnisse nicht außer Acht zu lassen, weil die
Forschungslage zurzeit noch nicht ausreicht, um sich einer Meinung anschließen zu
können. Ich wünsche mir für die Zukunft Überprüfungen und Evaluationen von
Maßnahmen, Erfahrungen und Ideen, die sich für ein Implementieren von Inklusion
in Schulen einsetzen. Außerdem ist es mir ein Anliegen, Menschen für Inklusion zu
begeistern, weil ich davon ausgehe, dass die theoretischen Grundlagen der
Wissenschaft mit der Praxis verknüpft werden müssen, um Inklusion in die
Schullandschaft zu integrieren.
Deshalb ist das Ziel dieser Recherche, Lehrerinnen und Lehrer mit Theorie und
Umsetzungsmöglichkeiten auf Inklusion vorzubereiten. Aus diesem Grund begann
ich mit einer theoretischen Grundlage, um sich immer weiter einer praktischen
Vorstellung von Inklusion zu nähern.
Lehrerinnen und Lehrer müssen auf Inklusion vorbereitet werden, einige Ideen und
Umsetzungsangebote sind in dieser Arbeit vorgestellt worden. Doch das Lesen dieser
Arbeit reicht nicht aus. Um die Umsetzung von Inklusion zu ermöglichen, braucht es
meines Erachtens die Kraft vieler. Die Hattie-Studie hat belegt, dass der einzelne
Lehrer einer Klasse das ist, was für das Gelingen von Inklusion zählt (Vgl. Berger
2012 S.1). Wir als zukünftige oder bereits amtierende Lehrer und Lehrerinnen sind
es die zählen. Wir sind für die Schülerinnen und Schüler mitverantwortlich und
können das bestehende System Schule verändern, wenn wir alle zusammenhalten.
Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mit einer Rollenveränderung in ihrem Beruf
anfreunden. Auf einer Inklusionstagung in Münster, im November 2012, durfte ich
Hans Wocken persönlich eine Frage stellen. Meine Frage lautete: „Was glauben sie,
ist zur Vorbereitung der Lehrerinnen und Lehrer im Hinblick auf Inklusion am
Wichtigsten?“ Seine Antwort: „Hospitationen!“
Lehrerinnen und Lehrer müssen die Möglichkeiten bekommen und wahrnehmen,
sich andere Schulen anzusehen, um sich eine Idee davon machen zu können, was
Inklusion bedeutet. Auch mir leuchtet ein, dass bloßes Zureden auf Lehrerinnen und
Lehrer nicht ausreicht. Sie müssen „ersehen“ dürfen, wie es funktioniert, um aus
ihrem Alltagstrott der Regelschulen herauszukommen. Wenn Lehrpersonen bei einer
Hospitation verstehen, was die Umsetzung von Inklusion bedeutet, gehe ich davon
aus, dass viele Vorbehalte gegenüber Inklusion verringert werden. Ich wünsche mir,
dass viele Lehrkräfte das Angebot von Hospitationen annehmen, welches unter
anderem mit dem Projekt des Schulverbundes „Blick über den Zaun“ angeboten
wird. Über den eigenen Schulzaun in andere Schulen zu gucken, ist ein Geschenk,
welches Lehrerinnen und Lehrer annehmen dürfen, um ihre persönliche Arbeit in der
Schule zu professionalisieren. Erst wenn Inklusion in Schule und Umfeld erlebt wird,
kann ich mir auch für meine eigene Schule eine Umsetzung vorstellen.
Deswegen formuliere ich abschließend, meinen Wunsch an alle Lehrerinnen und
Lehrer: Schaut Euch in anderen Schulen um, in denen bereits mit inklusiven
Ansätzen gearbeitet wird, vernetzt Euch und seit offen für Veränderungen!
Literaturverzeichnis
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Braun; Dorothee, Schmischke; Judith (2006). Mit Störungen umgehen. Verhalten
verstehen und beeinflussen. Übungen und Materialien. Berlin: Cornelsen Verlag.
Böing, Ursula (2011). Professionalisierung von Lehrpersonen und Schulentwicklung
– eine effektive Wecheselbeziehung. In Ziemen, Kerstin; Langner, Anke; Köpfer,
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