Die Technik der Schablone

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Die Technik der Schablone
Die Technik der Schablone
Joanna Flawia Figiel
Die Schablonentechnik für die Erstellung dekorativer Mus-
In der Woche vom 30. Juli bis 4. August lerne ich Schablo-
ter ist sehr alt und in allen Kulturkreisen bekannt.1 In der
nenschneiden. Das Schablonenschneiden ist nicht leicht,
europäischen Kunst veränderte sich ihr Stellenwert im
deshalb muß man ziemlich lange üben, bis man eine
Lauf der Zeit allerdings mehrmals. Im 19. Jahrhundert und
Schablone einwandfrei schneiden kann. Zum Schneiden
insbesondere im Historismus bediente man sich oft der
benötige ich erstens ein Schablonenmesser. Das ist eine
Schablone, um aufwändige Herstellungsverfahren zu imi-
geschliffene Uhrfeder in einem Griff aus Holz mit einer
tieren. Der Jugendstil versuchte dagegen, die Schablo-
Eisenumfassung. Zweitens die Originalschablone und das
nenmalerei in die Reihe der kunstgewerblichen Techniken
zu schneidende Stück Stanniol. Zuerst streiche ich die
einzuführen und ihren künstlerischen Stellenwert anzuhe-
Schablone mit gelber oder grüner Farbe, welche Dextrin
ben. Bei der Herstellung der Schablonendekore strebte
enthält, ein. Bis die Farbe getrocknet ist, warte ich. Nun
man meistens exakte Umrisslinien und gleichmäßige
nehme ich die Originalschablone, lege sie auf das Stück
Farbflächen an. Erst Ende der 1920er Jahre fand in dieser
Stanniol und streiche eine Weile mit einem trockenen
Hinsicht eine Änderung statt. In Anlehnung an die mo-
Schablonierer durch. Da das Stanniol abfärbt, übertrage
derne Kunst wurden verlaufende Übergänge der geome-
ich so das Muster. Jetzt kann ich mit dem Schneiden be-
trischen Farbflächen übernommen (Farbschattierungen,
ginnen. Habe ich gerade Linien, so nehme ich das Lineal
abnehmende oder zunehmende Farbintensität, Abtönung
zu Hilfe. Bei Blumen oder Punkten muß ich alles aus freier
der Farbe in eine andere). Der verlaufende Spritzdekor mit
Hand schneiden. Hier setzte ich das Messer an und
»unscharfen« Rändern wurde nun zu einer bewusst ange-
schneide millimeterweise genau dem Muster gemäß ent-
strebten Kunstform. Der spezifische Reiz der Schablone
lang. Schneide ich einen Punkt, so drehe ich mit der linken
bestand jetzt darin, dass diese Technik sich nicht mehr
Hand die Schablone mit. Schwierigkeiten entstehen meis-
verleugnete, das heißt andere Verfahren zu imitieren ver-
tens beim Absetzen des Messers, man schneidet manch-
suchte. Sie durfte, ja sollte sogar auf den ersten Blick of-
mal etwas daneben. Es muß sorgfältig vorgegangen wer-
fensichtlich sein und erlangte als Selbstzweck eine künst-
den. Zu beachten ist, daß ich das Schablonenmesser nicht
lerische Nobilitierung. Ein Zeitgenosse konstatierte 1929
schief halte, denn dadurch entstehen auf der Rückseite
hierzu treffend: Der Farbauftrag mit der Druckluftspritze
Unebenheiten.4
ist keine rein mechanische Arbeit. […] Aus dem Vervielfäl-
Das Schablonenmotiv reproduzierte man durch Übersprit-
tigungsmittel wird eine künstlerische Technik. [...] Was
zen mit Farbe auf den Gegenstand. Die Kombinations-
Nachbildungsbehelf war, dient nun schöpferischer Hervor-
möglichkeiten waren dabei schier unbegrenzt: Wechsel
bringung.
der Farben bei gleicher Schablone, Wechsel der Schablo-
2
Die Schablone für die Verwendung auf keramischen Ober-
nen bei gleicher Farbe, gleichzeitige Verwendung verschie-
flächen wurde um 1930 aus einer Metallfolie (Stanniol-,
dener Farben und Schablonen, Verschieben oder alternie-
Zinn-, Kupfer-, Aluminium- oder Bleifolie) hergestellt. Sel-
rendes Weglassen der Schablonen. Bei bauchigen und
tener verwendete man Zeichenpapier, Pappe oder Gips. In
gekrümmten Gegenständen war es besonders schwierig,
dem Berichtsheft einer jungen Schülerin, die eine Ausbil-
die Schablone exakt auf die Oberfläche zu legen. In sol-
dung in der Steingutfabrik Thomsberger & Hermann, Col-
chen Fällen wurden gerne dünne Zinnfolien verwendet,
ditz, machte, findet sich eine Beschreibung, wie sie die
weil sich diese den Formen des Gefäßkörpers am besten
schwierige Technik der Schablonenherstellung erlernte:3
anschmiegen konnten.5 In seltenen Fällen verwendete
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