Heizflächenreinigung mit Hilfe elektrisch gepulster Lichtbögen

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Heizflächenreinigung mit Hilfe elektrisch gepulster Lichtbögen
M. J. Löffler et al.
Heizflächenreinigung mit Hilfe elektrisch gepulster Lichtbögen
Heizflächenreinigung mit Hilfe elektrisch gepulster Lichtbögen
M.J. Löffler1), C. Dreesen1), R. Hensel1), M. Wötzel1), S. Schnepel1), M. Beermann1), G. Lüdenbach2)
1)
Fachhochschule Gelsenkirchen, Neidenburger Straße 10, D-45877 Gelsenkirchen
2)
VGB Power Tech e.V., Klinkestraße 27-31, Essen
Kurzfassung
Dargestellt werden die Ergebnisse von Untersuchungen, die zum Ziel hatten, Kesselrohre im Kesselbereich von Kraftwerken mit Hilfe stromstarker Kurzzeit-Lichtbögen zu reinigen. Die Lichtbögen
durchschlagen dabei die zu entfernende mineralische Schicht, wobei diese von den zu reinigenden
Rohren abplatzt.
Das Versuchsmuster eines Handapparats wurde entwickelt. Dessen elektrische Parameter wurden
mit Hilfe von Untersuchungen an Rohrproben aus dem Kraftwerksbereich und an Haftputzproben
ermittelt. Dabei standen sowohl der Reinigungserfolg als auch die Unversehrtheit der Rohraußenund -innenoberflächen im Vordergrund. Sicherheitstechnische Auflagen in Bezug auf Handhabungssicherheit und Betriebssicherheit waren zu berücksichtigen.
Das Versuchsmuster „Handapparat“ arbeitet bei einer Frequenz von derzeit maximal 2 Hz mit
Spannungen bis 35 kV und mit maximalen Strömen im kA-Bereich. Es wird mit Hilfe eines Trenntransformators an einer Wechselspannung von 230 V betrieben. Seine maximal mögliche Arbeitsgeschwindigkeit bei idealer Funktion und bei idealen Arbeitsbedingungen ist eine Rohrlänge von
etwa 100 m/h.
1 Veranlassung
In Dampferzeugern fossil befeuerter Kraftwerke (Importkohle, Braunkohle, Müll) bilden sich im Betrieb mineralische Anbackungen wie Aschen und Schlacken an Konstruktionsbauteilen wie Wärmetauschern, Kesselwänden, Rohrkrümmern oder Aschetrichtern. Die Anbackungen müssen in
regelmäßigen Abständen beseitigt werden. Die Reinigungsarbeiten erfolgen in der Regel im Auftrag der jeweiligen Anlagenbetreiber. Bei den inzwischen deutlich verschärften Wettbewerbsbedingungen auf dem Energieversorgungssektor dürfte es von besonderer Bedeutung sein, wenn die
anfallenden Kosten bereits durch Reduzierung der Ausfallzeiten eines Kraftwerkes zur Kesselreinigung um Stunden oder sogar Tage sowie die Kosten der Kesselreinigung durch die Einsparung
von Reinigungspersonal reduziert werden könnten.
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Die Entfernung von Anbackungen im Kesselbereich von Kraftwerken geschieht wie schon vor über
60 Jahren durch Hand (Presslufthämmer, Hämmer, Bürsten). Ein in Erprobung befindliches Verfahren, bei dem die Anbackungen unter Einsatz üblicher Sprengstoffe gelockert werden können,
wird zum Beispiel in [1] beschrieben. Ein weiteres, viel versprechendes Verfahren ist die Reinigung
mit Trockeneis [2].
Ein an der FH Gelsenkirchen bereits in anderem Zusammenhang untersuchtes Elektropulsverfahren hat sich in Versuchen grundsätzlich als geeignet erwiesen, z.B. Rohre von Anbackungen zu
befreien. Die Untersuchungen an der FH Gelsenkirchen haben sich unter anderem mit der Entfernung von Betonmassen als Nachbildung von Anbackungen an Wasserrohren befasst. Im Rahmen
eines Forschungsprojektes1 sollte nun untersucht werden, inwieweit ein solches Verfahren im Vergleich zu eingeführten Verfahren Vorzüge bringt. Dabei sollten insbesondere Sicherheitsaspekte
bei der Nutzung hoher elektrischer Spannungen in Kesselanlagen sowie eventuell auftretende
Schädigungen an den zu reinigenden Metalloberflächen durch die Lichtbogenwirkung untersucht
werden. An zweiter Stelle sollten Erkenntnisse zur Reinigungsleistung und zur Handhabbarkeit des
Verfahrens gewonnen werden.
2 Funktionsprinzip
Das Funktionsprinzip des Verfahrens wird mit Hilfe von
Bild 1 erläutert: Auf ein mit einer Verkrustung verunreinigtes Rohr wird eine Elektrode aufgesetzt (1-Elektrodenprinzip). Zwischen Elektrode und dem masseseitigen Rohr
wird eine Spannung von mehreren Kilovolt angelegt. Hierdurch wird die Anbackung elektrisch überlastet und
schlägt durch. Ein Lichtbogen entsteht zwischen Elektrode
und Rohr. Der Lichtbogen hat an seiner Oberfläche Temperaturen von mehreren 1000°C und führt einen Strom im
2-Elektrodenprinzip
Kiloampère-Bereich. Das den Lichtbogen umgebende Material verdampft lokal. Dabei entsteht lokal ein hoher Druck,
1-Elektrodenprinzip
Bild 1: Funktionsprinzip
der das Material auf- und abplatzen lässt. Eine Variante ist
1
Das Projekt wurde gefördert vom BMWi üder die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigun-
gen „Otto von Guericke“ e.V. und von der VGB Forschungsstiftung Essen
2
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das 2-Elektrodenprinzip, bei dem die Elektroden zum Beispiel auf entgegengesetzten Seiten der
Anbackung aufgesetzt werden. Nach Anlegen der erforderlichen elektrischen Spannung wird das
Material wieder von einem kA-Lichtbogen durchschlagen und lokal aufgesprengt.
3 Orientierende Untersuchungen
3.1 Funktionsprinzip und Daten der verwendeten Versuchsgeräte
Den prinzipiellen Aufbau der verwendeten Versuchsgeräte zeigt das Ersatzschaltbild in Bild 2.
GR
FS
400 V
50 Hz
D
L0 R0
C0
LB
Bild 2: Prinzipielles Ersatzschaltbild der verwendeten Versuchsgeräte.
Mit Hilfe eines Gleichrichters GR wird eine Kapazität C0 auf die Spannung u0 aufgeladen. Anschließend wird die Kapazität über eine selbstzündende oder eine fremdgezündete Funkenstrecke
FS, die Anlageninduktivität L0 und den Anlagenwiderstand R0 in den die Verkrustung durchschlagenden Lichtbogen LB entladen. Dabei wurden fallweise Versuche mit oder ohne Diode D durchgeführt.
Die möglichen Kombinationen der elektrischen Parameter der Versuchsgeräte ist in zusammengestellt.
Variante
a
b
c
d
e
C0 [µF]
0,18
10
20
30
40
u0 [kV]
£35
£22 £22 £22 £22
W 0 [kJ]
9,6 14,4 19,2
£0,14 4,8
L0 [µH]
7,4
2,1
2,1
2,1
2,1
100
24,3
24,3
24,3
24,3
R0 [mW]
ÎKS [kA]
£5
£49 £70 £84 £98
f [kHz]
17
35
24
20
17
Tabelle 1: Elektrische Parameter der Versuchsgeräte
Dabei sind W 0 die in der Kapazität elektrisch gespeicherte Energie, îKS der maximale Kurzschlussstrom und f die Frequenz der Entladung.
Einen typischen gedämpft schwingenden Verlauf von Strom (rote Kurve) und Spannung (blaue
Kurve) ohne Einsatz der Diode zeigt Bild 3 (Simulation für C0=20 µF, u0=22 kV).
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i @kAD , u @kVD
60
40
20
20
40
60
80
100
120
t @µsD
-20
-40
-60
Bild 3: Typischer Strom-/Spannungsverlauf ohne Diode.
Bild 4 zeigt die typischen Verläufe von Strom (rot) und Spannung (blau) bei Verwendung der Diode
(Simulation für C0=20 µF, u0=5 kV).
i @kAD , u @kVD
15
10
5
20
40
60
80
100
120
t @µsD
-5
Bild 4: Typischer Strom-/Spannungsverlauf mit Diode.
Die negative Stromspitze nach dem Stromnulldurchgang kennzeichnet den typischen Stromabriss
durch die in den Stromkreis geschaltete Diode.
3.2 Versuchsergebnisse
Versuche wurden an einem blanken Rohr (10 CrMo 9 10) durchgeführt, um in Erfahrung zu bringen, inwieweit bei voller Wirkung des Lichtbogens unter ungünstigsten Bedingungen (hoher Strom)
die Rohroberfläche in ihrer Funktion gefährdet wird. Weitere Versuche an einem leicht verkrusteten
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Rohr zeigten, ob und welcher Zusammenhang zwischen der Anlagenkapazität, der Ladespannung,
der Ladeenergie, dem Entladestrom und der lokalen Reinigungsleistung bestehen. Außerdem
wurde die Wirkung einer den Ladungsfluss über den Lichtbogenfußpunkt auf dem Rohr begrenzenden Diode erfasst. Untersuchungen an mit Haftputz überzogenen Rohren zeigten, ob ein Unterschied im Verhalten unterschiedlicher Ablagerungen auf den Rohren in Betracht gezogen werden muss.
3.2.1 Entladung auf blankes Rohr
Zur Untersuchung der Wirkung elektrischer Entladungen auf die Oberfläche blanker Rohre (Material: 10 CrMo 9 10) wurde die Elektrode 5 cm vor der Rohroberfläche angeordnet. Ein typisches
Ergebnis ist zusammenfassend in Bild 5 dargestellt.
iL
35
kA
C0=42 µF
u0=12,5
kV
Werkstoff:10 CrMo 9 10
42 µs
250 µs
Elektrodenabstand zum Rohr: 5 mm
Bild 5: Wirkung der elektrischen Entladung auf die Rohroberfläche.
Die drei linken Aufschmelzungen auf dem Rohr stammen von Kurzschlussversuchen, bei denen
die Elektrode direkt auf die Rohroberfläche aufgesetzt wurde. Die drei rechten Aufschmelzungen
stammen von Versuchen mit Lichtbogenwirkung. Der mit einer strichlinierten Ellipse gekennzeichnete Bereich wurde näher untersucht (siehe Teilbilder rechts unten). Der Strom hatte den typischen gedämpft schwingenden Verlauf bei einer Periodendauer von 42 µs und einer Stromamplitude von 35 kA. Die Untersuchung der Rohroberfläche zeigte zunächst, dass ein Materialauftrag
von der Elektrode zur Rohroberfläche stattgefunden hat. Weiterhin wie die Oberfläche eine flache
Vertiefung auf, die auf Abschmelzung durch den Lichtbogenfußpunkt zurückzuführen sein dürfte.
Trotz der augenscheinlichen Schädigung der Rohroberfläche wurde eine Veränderung der Materialeigenschaften an der Rohroberfläche (Korrosions- und Temperaturfestigkeit) nicht festgestellt.
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3.2.2 Entladung auf verkrustetes Rohr
3.2.2.1 Ohne Diode
Zur Eingrenzung der erforderlichen Ströme wurden Untersuchungen zu deren lokalen Reinigungsleistung an einem schwach verkrusteten Rohr durchgeführt. Zum Einstellen der Stromamplituden
wurden dabei der Wert der Kapazität (10, 20, 30, 40 µF) und die Ladespannung an der Kapazität
(10, 15 kV) variiert. Die Amplituden der gedämpft schwingenden Ströme nahmen dabei Werte zwischen 15 und 46 kA an. Bild 6 zeigt zusammenfassen einige Ergebnisse.
Größenordnung
20
`
i=23
`
i=32
`
i=40
Größenordnung
u0@kVD
15
`
i=15
10
`
i=21
`
i=26
`
i=46
`
i=31
5
10
Größenordnung
20
30
C0@µFD
40
50
Bild 6: Untersuchungen zur lokalen Reinigungsleistung bei hohen Strömen.
Die Ergebnisse des lokalen Reinigungserfolgs wurden gemäß dem linken Teilbild nach Augenschein klassifiziert in kleine, mittlere (~1 cm Durchmesser) und größere Abplatzungen, dargestellt
durch Kreisscheiben entsprechenden Durchmessers. Die Kreisscheiben wurden in das Diagramm
rechts eingetragen, das somit den Reinigungserfolg in Abhängigkeit der Parameter Kapazität C0
und Ladespannung u0 im untersuchten Wertebereich darstellt. Den Kreisscheiben wurde außerdem die sich bei diesen Werten einstellende Stromamplitude zugeordnet.
Eine Abhängigkeit der lokalen Reinigungsleistung von der Stromamplitude ist im untersuchten
Wertebereich nicht feststellbar. Sichtbare Schmelzpunkte wie bei den Versuchen auf blankes Rohr
treten nicht auf.
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3.2.2.2 Mit Diode
Prinzipiell genügt zu Darstellung der Reinigungsleistung die erste Stromhalbwelle. Während der
Dauer der ersten Stromhalbwelle wird der reinigende Lichtbogen erzeugt und er heizt und dehnt
sich am kräftigsten aus, wodurch die entsprechenden zur Abplatzung erforderlichen lokalen Drücke auf die Verkrustung erzeugt werden. Ein Vorteil ist, dass die Lichtbogenwirkung auf die Rohroberfläche durch Verringerung seiner Einwirkzeit deutlich verringert werden kann.
Bild 7 zeigt im Vergleich zwei Versuchsergebnisse, die bei gleichen Stromamplituden î=15 kA
durchgeführt wurden.
22
Versuchsparameter:
î=15 kA
f=24 kHz
10
Versuchsparameter:
î=15 kA
Dt=20 µs
Bild 7: Wirkung der Entladung auf Rohrinnen- und –außenoberfläche (oben ohne, unten mit Diode)
Der obere Bildstreifen zeigt die Wirkung bei einem Versuch ohne Diode, der untere Bildstreifen
zeigt die Wirkung bei einem Versuch mit Diode. In beiden Fällen kann die Reinigungsleistung als
ungefähr gleichwertig betrachtet werden (Aufsicht in den linken Teilbildern der Bildstreifen, Längsschnitt in den mittleren Teilbildern der Bildstreifen). Beim Versuch ohne Diode musste jedoch ein
10´22-mm2-Abplatzung der Oxidschicht auf der Innenoberfläche des Rohres festgestellt werden
(rechtes Teilbild, oberer Bildstreifen). Dieser Schaden trat bei dem Vergleichsversuch mit Diode
nicht auf (rechtes Teilbild, unterer Bildstreifen).
3.2.3 Vergleich Originalverkrustung/Haftputz
In Untersuchungszeitraum standen zur Spezifikation eines an die Reinigungsaufgabe angepassten
Handapparates nicht genügend Probematerialien zur Verfügung. Daher wurde zur Nachbildung
der Originalverkrustungen auf Haftputz zurückgegriffen. Dieses Material erlaubte außerdem einen
grundsätzlichen Vergleich der lokalen Reinigungsfähigkeit des Verfahrens bei völlig unterschiedlichen Abdeckmaterialien.
Bild 8 zeigt im oberen Bildstreifen das Behandlungsergebnis bei Verwendung von Originalmaterial.
Im unteren Bildstreifen ist das Behandlungsergebnis bei Verwendung von Haftputz dargestellt.
7
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Originalmaterial
Nachbildung durch Haftputz
Bild 8: Vergleich der lokalen Reinigungswirkung bei Originalmaterial und bei Haftputz.
Bei der Behandlung des Originalmaterials wurden bei vergleichbaren Spannungen höhere Ströme
eingesetzt (Tabelle 1, Varianten „b“ bis „e“), während bei Behandlung des Haftputzes Variante
„a“ bei erheblich kleineren Strömen zum Einsatz kam.
Wurde beim Originalmaterial die Elektrode auf das Material aufgesetzt, kam es selbst bei nur
schmalen Verkrustungsstreifen auf der Rohroberfläche stets zum Durchschlag durch das Material
mit nachfolgender Abplatzung. Im oberen Bildstreifen, drei rechte Teilbilder, ist dies daran zu erkennen, dass nach der Entladung unter der jeweiligen Elektrode oder zwischen den beiden Elektroden (2-Elektrodenanordnung) kein Material mehr vorhanden ist, während es im unbehandelten
Bereich noch in etwa der Originalgeometrie zu sehen ist. Das linke Teilbild im oberen Bildstreifen
zeigt, dass eine gleichmäßige Reinigung des Rohres von der Verkrustung daher auch tatsächlich
möglich ist.
Bei Verwendung von Haftputz mit einer Dicke von etwa 5 mm gelang der Durchschlag zwar auch
in zahlreichen Fällen. In vielen Fällen ging die Entladung aber über die Haftputzoberfläche in bereits abgereinigte Bereiche hinein. Hierdurch blieben ganze Flächen oder schmale Grate zwischen
den Abplatzungen unbeeinflusst bestehen. Die Grate zwischen zwei Abplatzungen waren nicht
weiter entfernbar, da die Lichtbögen stets über deren Oberfläche glitten anstatt hindurchzuschlagen. Ein gleichmäßiger Reinigungserfolg wurde bei diesem Material nicht erzielt.
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3.3 Versuchsinterpretation
Zunächst zeigten die Versuche mit hohen Strömen, dass eine Beeinträchtigung der Materialstruktur der Rohroberfläche durch Lichtbogenwirkung nicht vorliegt. Bei blankem Rohrmaterial ist allerdings eine Veränderung der Oberflächengeometrie durch Auf- und Abschmelzungen feststellbar.
Diese Schmelzerscheinungen sind im untersuchten Parameterbereich nicht mehr feststellbar,
wenn die Lichtbögen durch eine vorgelagerte Verkrustung hindurchtreten müssen. Der Grund dürfte darin liegen, dass dem Lichtbogen durch den Absprengprozess Energie entzogen wird, die für
ein weiteres Abschmelzen nicht mehr ausreicht. Aufschmelzungen dürften nicht stattfinden, da das
Elektrodenmaterial zusammen mit der absprengenden Verkrustung fortgeblasen wird.
Die lokalen Reinigungserfolge bei Versuchen mit Haftputz zeigen reproduzierbar, dass eine abreinigende Wirkung auch bei Strömen eintritt, die deutlich kleiner als 10 kA sind. Sie zeigen allerdings
auch, dass eine weiter gehende Untersuchung der integralen Reinigungswirkung nur bei Verwendung des Originalmaterials möglich ist. Eine Verringerung der Stromwirkung durch Verkleinern der
Stromamplitude und/oder Verringerung der Stromflussdauer dürfte auch im Hinblick auf die Vermeidung von Abplatzungen der Oxidschicht auf der Rohrinnenoberfläche von Vorteil sein.
4 Funktionsmuster „Elektropulsreiniger“
Zur Feststellung der grundsätzlichen Verwendbarkeit des elektrischen Reinigungsverfahrens in
Kesselanlagen wurde in mehreren Iterationsschritten das Funktionsmuster eines „Elektropulsreinigers“ gebaut. Das Gerät sollte tragbar und einfach handhabbar sein sowie die einschlägigen Sicherheitsauflagen genügen. Außerdem sollte es mit kleinen Strömen (~kA) bei den erforderlichen
Spannungen arbeiten und bei einem Aufsetzen der Elektrode auf blankes Material nur einen Strom
im Sub-Ampère-Bereich erzeugen, um ein eventuelles Anschmelzen der der Elektrode auf blankes
Rohr zu vermeiden.
Bild 9 zeigt die Ansicht des Elektropulsreinigers, der aus der Energieversorgung und dem Reinigungsset (Isolierstab mit Federstahl-Elektrode, Magnet-Kontakt, Einschalt-Drücker), besteht. Auf
dem rechten Teil der Energieversorgung befinden sich der Hauptschalter, ein Not-Aus-Schalter
sowie ein Ein- und ein Ausschalter. Das Kabel zur Elektrode hat eine Länge von ca. 3 m. Es kann
länger ausgeführt werden.
Bild 10 zeigt die geöffnete Energieversorgung. Ihr Aufbau folgt im Wesentlichen dem in Bild 2 dargestellten Ersatzschaltbild ohne Diode mit dem Unterschied, dass die Federstahlelektrode zusammen mit dem zu behandelnden Rohrmaterial als Einschaltfunkenstrecke wirkt. Auf einen intern
in die Energieversorgung eingebauten Leistungs-Einschalter kann daher verzichtet werden.
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Bild 9: Energieversorgung und Reinigungsset des Elektropulsreinigers.
Bild 10: Geöffnete Energieversorgung des Elektropulsreinigers.
Der Vorteil ist unter anderem, dass bei Aufsetzen der Elektrode auf blankes Rohr nur der kleine
Ladestrom des Gleichrichters fließen kann, eine Hochstromentladung hingegen nicht stattfindet.
Der im Bild gekennzeichnete Gleichrichter (230 V~/100 V=) stellt zusammen mit der üblicherweise
in Elektronenstrahl-Monitoren oder -Fernsehern verwendeten Zeilenendstufenschaltung den Gesamt-Gleichrichter GR gemäß Bild 2 dar. Die Zeilenendstufenschaltung wurde hier anstelle mit einem Zeilentransformator mit vier Zeilentransformatoren versehen, um die erforderlichen Spannungen und Ladeleistungen zu erzielen. Niederspannungsteil (rechts) und Hochspannungsteil (links)
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mit den Kondensatoren und einer Diodenkette zum Schutz der Zeilentransformatoren und zur
Gleichrichtung des Transformatoren-Signals wurden standardgemäß getrennt aufgebaut. In der
Klappe des Niederspannungsteils befinden sich die Schalter und Sicherungsautomaten.
Die wesentlichen Daten des Geräts sind in der Liste rechts in Bild 10 dargestellt. Das Gesamtgewicht beträgt 60 kg. Das Gerät kann somit von zwei Personen getragen und von einer Person gezogen werden.
Bild 11 zeigt den Elektropulsreiniger im Einsatz bei der Behandlung eines mit Haftputz versehenen
Heizkörpers. Die lokal abgereinigte Rohroberfläche weist augenscheinlich keine Lichtbogenfußpunktsspuren auf. Der auf dem Heizkörper aufgetragene Schutzlack wurde durch die Lichtbogenwirkung ebenfalls lokal abgetragen.
Bild 11: Elektropulsreiniger im Einsatz.
Das Gerät kann von unterwiesenen und verantwortungsbewussten Personen in Originalumgebung
eingesetzt werden. Eine störungsfreie Funktion im ununterbrochenen Kurzzeitbetrieb wurde nachgewiesen.
5 Personen- und Gerätesicherheit
Zur Herstellung der Personen- und Gerätesicherheit sind Maßnahmen gemäß Bild 12 durchzuführen. Das Bild zeigt den groben Aufbau der Energieversorgung, soweit es zur Darstellung der Sicherheitsmaßnahmen erforderlich ist.
Wesentlich zur Herstellung der Sicherheit bei ordnungsgemäßer Funktion des Geräts ist die galvanische Trennung von Hochleistungs- und Niederleistungsteil innerhalb der Energieversorgung.
Dies wird bereits durch die verwendeten Zeilentransformatoren hergestellt. Die Trennung ist erforderlich, da durch den auf dem Rückweg des Stromes von der zu bearbeitenden Rohrwand eine
Spannung längs des Rückleiters auftritt, die nicht zu einer Potentialanhebung der elektrischen
Masse des Niederspannungsteil führen darf. Hin- und Rückleitung des Hochleistungsteils zur E11
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lektrode sind geschirmt auszuführen, um eine kapazitive Spannungsübertragung bei eventueller
Berührung der Leitung zu unterbinden.
Bild 12: Maßnahmen zur Personensicherheit.
Ein automatischer Kurzschließer nach dem Totmann-Prinzip soll unmittelbar nach Beendigung der
Reinigung der Reinigung oder nach einem Stromausfall den Kondensator kurzschließen und somit
noch vorhandene Restladungen auf dem Kondensator entfernen. Damit klar sichtbar ist, dass das
Gerät von der Netzversorgung galvanisch getrennt ist, ist ein Trenntransformator (im Bild links) zu
verwenden.
Für einen Fehlerfall in der Energieversorgung, kritisch ist insbesondere ein eventueller Kurzschluss
zwischen Primär- und Sekundärseite in den Zeilentransformatoren, sind weitere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. In diesem Fall käme es zu einer Potentialanhebung der gesamten Masseseite
der Energieversorgung. Über Streukapazitäten im Trenntransformator wird eine für die hochfrequenten Vorgänge im Leistungskreis quasi-galvanische Verbindung mit der Netzversorgung mit
nachfolgendem Stromfluss hergestellt (der Trenntransformator trennt kurzzeitig nicht mehr). Der
Strom teilt sich über den Neutralleiter N und die Phase L auf und fließt über Schutzleiter PE wieder
zurück.
Zur Unterdrückung der Wirkung eines solchen Fehlerfalles sind zwei Maßnahmen durchzuführen.
Zum einen ist der Drücker über Lichtwellenleiter (LWL) an die Energieversorgung anzuschließen,
um eine Potentialanhebung am Drücker mit nachfolgendem Stromimpuls über den Körper zu unterbinden. Zum anderen ist der kapazitive Fehlerstrom über die Netzseite mit Hilfe eines Ferritkerns im Zuleitungseingang der Energieversorgung zu minimieren. Dieser Ferritkern, um den die
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Zuleitung gewickelt wird, begrenzt nur den Fehlerstrom auf zulässige Werte, hat aber keine Auswirkung auf den normalen Betriebsstrom zum Gerät. Experimente ohne Ferritkern haben zum Auslösen eines 16-A-Sicherungsautomaten in der Netzversorgung geführt. Angeschlossene elektronische Geräte wurden hierdurch nicht gefährdet, da zwischen Phase L und Neutralleiter N keine
nennenswerte oder folgenreiche Potentialverschiebung auftrat.
Die Zuleitung vom Trenntransformator zur Energieversorgung kann noch mit einer weiteren Schirmung, die auf Erdpotential liegt, versehen werden, um im Fehlerfall eine eventuell noch verbleibende kapazitive Spannungsverschleppung bei zufälliger Berührung der Leitung zu vermeiden.
Untersuchungen mit Hilfe eines in Betrieb befindlichen PCs zeigen, dass die Sicherheit für elektronische Geräte bereits ab einer Entfernung von drei Metern von der Wirkzone gegeben ist. Der PC
wird in seiner Funktion nicht beeinträchtigt. Wird der PC in einem Meter Entfernung von Bearbeitungszone positioniert, können sich Funktionsbeeinträchtigungen durch induktive Einkopplung
kleiner Spannungen über die Zuleitungen von der Maus zum PC ergeben. Die Elektronik des PCs
wird hierdurch in ihrer Integrität jedoch nicht beeinflusst. Steht der PC außerhalb des metallischen
Gehäuses „Dampfkessel“, ist aufgrund dessen Schirmwirkung gegen magnetische und elektrische
Felder keine Wirkung feststellbar.
6 Zusammenfassung und Ausblick
Die Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Elektropulssystem zur Reinigung von verkrusteten
Rohren grundsätzlich und vor allem im Hinblick auf die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen
machbar ist. Grundsatzversuche mit verschiedenen Stromstärken haben gezeigt, dass Pulsströme
in der Größenordnung von 1 kA zur Erzielung des lokalen Abreinigungseffektes ausreichen. Höhere Ströme verbessern den Reinigungseffekt nicht. Die Oberfläche der zu reinigenden Rohre wird
bei derart kleinen Strömen augenscheinlich nicht mehr angegriffen. Bei höheren Pulsströmen
(~10 kA) wird die verkrustete Rohroberfläche nicht angegriffen; blanke Rohroberflächen werden in
ihrer Materialstruktur nicht beeinträchtigt. Inwieweit kleinere Ströme als ~1 kA verwendet werden
können, die eine Verkleinerung der Energieversorgungsanlage ermöglichen würden, müsste noch
weiter in Grundsatzversuchen an Originalmaterialien verschiedener Konsistenz und Dicke untersucht werden. Spannungen in der Größenordnung ~10 kV sind erforderlich, um Ablagerungen mit
Dicken der Größenordnung 5 mm zu entfernen. Versuche mit Originalmaterial und mit Haftputz
zeigten, dass das abzureinigende Material erheblichen Einfluss auf die lokale Reinigungsleistung
des Verfahrens haben kann. Weitere statistisch relevante Grundsatzuntersuchungen an Originalmaterialien verschiedener Konsistenz und Dicke müssten klären, wie groß die mittlere Reinigungsleistung bei verschiedenen Voraussetzungen ist.
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7 Literatur
[1]
Swanekamp, R.: Use of explosives for boiler deslagging gains acceptance. Power 140
(1996) 3, S. 49-51.
[2]
Schupp, P., Beck, W.: Schonende Reinigung von Kraftwerkskomponenten mit Trockeneis;
Abreinigen von Verschmutzungen an zu reparierenden Kraftwerks-Komponenten. Siehe
Konferenzband zur VGB-Fachtagung "Industrie- und Heizkraftwerke, BHKW 2004", 6.-7.
September 2004, Bochum
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