Spectrum Südleuchte an der Nordkette

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Spectrum Südleuchte an der Nordkette
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Solo Pasta - Solo Vino
Universitätsstrasse 15b
6020 Innsbruck, Österreich
Südleuchte an der Nordkette
SAMMLUNG
Der Weinbau kultiviert sich und ist zum Thema der Architektur aufgestiegen,
Weinhandel und Gastronomie ziehen mit. Die Vinothek "solo vino" in Innsbruck von
Giner & Wucherer ist eine erste Adresse für Freunde italienischen Weins. Blicke auf
einen urbanen Treffpunkt.
ARCHITEKTIN
von Walter Chramosta
FUNKTION
Eine Ära partieller architektonischer Subtilität ist angebrochen: Feinheit und Finesse von
Genußmitteln wirken auf einmal auf die Orte, an denen sie feilgeboten werden, zurück.
Hersteller und Händ-ler landwirtschaftlicher Produkte trauen sich endlich zu, ein Ambiente
bereitzustellen, das auf deren Machart und Ursprung, viel mehr aber auf die Kultur der
Kundschaft aus der Stadt Bezug nimmt. Deftige Zeichen des Mediterranen und Rustikalen
wie Fischernetze oder Cotto-Böden, gar Anklänge nationaler Behauptung mit wehenden
Flaggen und Heldendevotionalien aus Film, Politik oder Sport sind als Hinweise auf
italienische Kost und Küche nicht mehr letzter Schrei.
Giovanni Giuseppe Conte ist als Patron eine bekannte Innsbrucker Person, seine Lokale
sind Innsbrucker Institutionen. Mit dem mittlerweile an vertraute Kräfte abgegebenen
Restaurant "Da Peppino" hat er weit über die Stadt hinaus einen gut behaubten Standard
für italophile Kulinarik etabliert, aber dabei den üblichen "Tiroler Stil" der Gaststube noch
nicht überwunden. Das war einem ergänzenden Restaurantprojekt zum gut laufenden,
nicht in der Stadtmitte gelegenen "Da Peppino" vorbehalten. Conte wollte ein zwei-tes,
zentraleres unternehmerisches und wohl auch kommunikatives Standbein, "mit modernem
Gepräge, aber nicht steril". Es sollte durch besondere Wärme der Materialien und des
Lichts charakterisiert sein, ein kommunizierendes Gefäß in sich und mit der Stadt.
Knapp außerhalb der Altstadt bietet sich Conte im Jahr 2000 eine einmalige räumliche
Chance für ein Speiselokal: Im Erdgeschoß des MCI, eines Nebentraktes der von den
Architekten Henke und Schreieck überzeugend errichteten Sozial- und
wirtschaftswissenschaftlichen Fa- kultät (1988 bis 1999) der Universität Innsbruck, wird ihm
ein Teilbereich angetragen. Die anderen Zonen dienen einer Bank, einer Buchhandlung,
einigen Büros und weiterer Gastronomie. Die besondere Lage des Gebäudes zwischen
Universitätsstraße und Campus läßt ein passagenartiges Lokal mit zwei Eingängen zu:
einerseits von der dichten, verkehrsdurchströmten Kernstadt, andererseits von der
ruhigeren Sphäre der Universität mit dem angrenzenden Hofgarten. Die "Sowi" definiert
eine Grenze zweier städtebaulicher Einheiten und ist nach einer Phase der Skepsis und
vorsichtiger Aneignung nun ein integrativer Stadtteil, zu allen Tageszeiten belebt. Die
Benutzer sind großteils jung oder etabliert, jedenfalls Neuem aufgeschlossen.
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Spectrum
Giner + Wucherer
BAUHERRIN
Giovanni Guiseppe Conte
Hotel und Gastronomie
AUSFÜHRUNG
2000 - 2002
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Solo Pasta - Solo Vino
Dementsprechend ist der erste Bauabschnitt, das Lokal "solo pasta", positioniert: urban,
unprätentiös, sichtoffen zu Park und Straße, nicht zuletzt spezialisiert auf beste
Nudelgerichte. Die Atmosphäre ist zum Produkt stimmig: Italiens Reize sind verklausuliert
präsent durch eine schlichte, betont sauber gearbeitete Ausstattung in Massivholz, eine
starke Farbe und viele Lichtakzente. Dem rasch einsetzenden und andauernden Erfolg des
"solo pasta" Rechnung tragend, haben nach einer Verdichtung nun etwa hundert Personen
Platz, ohne den einen langgestreckten, übersichtlichen Raum zu überfordern. Die beiden
Portale sind im System der Fassade zur Gänze verglast und sprechen eine Einladung aus.
Das Senfgelb der Wände, geschwärzte mitteldichte Faserplatten als Deckenuntersicht, die
schlichten Sitzbänke und die skulptural wie ergonomisch überzeugenden, braun lackierten
Holzsessel des Schweizer Modernisten Max E. Häfeli und vor allem die unbehandelte,
graubraun-wild gemaserte Kupfereiche als dominantes Material für den Schiffboden, für die
Tischflächen und das Gehäuse für die Bar ergeben einen karg instrumentierten, in seiner
Homogenität informellen, nichtsdestoweniger aber durch die Vielzahl interessanter Details
sinnlichen Raum.
Aufwand und Erfolg des im Oktober 2000 eröffneten "solo pasta" lassen den Bauherrn bald
an Erweiterung denken. Möglich wird die fast modular konzipiert erscheinende
Fortschreibung des Erfolgsrezepts aus Lage, Ware und Service durch glückliche
Fügungen: Die Küche liegt an der einen, gewissermaßen "äußeren" Längsseite des "solo
pasta", sich im Speiseraum nur durch ein Edelstahlfeld abzeichnend; an der anderen
erschließen neben der Bar zwei Stichgänge die Sanitär-gruppen. Diese
Entwurfsentscheidung der Architekten bildet intuitiv die Voraussetzung für die erste
sinnfällige Erweiterung: Aus Stich- werden Durchgänge, an der Rückseite der Bar entsteht
eine Schank samt Antipasti-Vitrine. Die Küche kann seit Dezember 2001 auch die nächste
Raumschicht, die Vinothek "solo vino", bedienen.
Giovanni Giuseppe Conte hat zu seiner Ambition für die italienische Eß- und Trinkkultur
während der von wachsendem Vertrauen gekennzeichneten Arbeit mit seinen zuvor noch
nicht mit Gastronomieräumen hervorgetretenen Architekten Thomas Giner und Erich
Wucherer aus Innsbruck auch noch architektonisch Feuer gefangen: "Beim Wein ist es so
wie bei der Architektur: Das Leben ist zu kurz, um sich mit Schlechtem abzugeben. Ich
habe immer von einer Vinothek geträumt, und hier erfüllen sich nun meine Träume." Das
"solo vino" ist ein dichter Verkaufsraum für etwa 500 erlesene Weine und delikate, typisch
italienische Vorspeisen für Laufkundschaft, vor allem aber ein Raumangebot, die Weine
und Antipasti in anregender Gesellschaft zu verkosten. Das bestens verkäufliche Produkt
ist letztlich eine hintergründig kondensierte Italianitá, die man in Nordtirol, besser als
irgendwo anders,
diffus als permanentes Südleuchten über dem Brenner spürt.
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Im "solo vino" kann man beim Eichenanfassen, beim physischen Kontakt mit einer selten
eingesetzten, weil in der flächigen Wirkung meist für zu lebendig gehaltenen Holzsorte, der
im Waldviertel heimischen Kupfer- eiche, Substanz und Qualität der Natur spüren; und
diese Erfahrung mit den im Glas kredenzten Säften, den typischen Speisen und den in der
Dichte der gastlichen Menschenpackung fast unumgänglichen Gesprächskontakten zur
Wechselwirkung bringen. An sieben Eichentafeln haben siebzig Gäste Platz. Abends reicht
das oft nicht aus, denn das "solo vino" hat sich als der angesagte Treffpunkt für jene
etabliert, die gutes Essen und Trinken nicht mehr von der Erfahrung eines adäquat
gestalteten Raumes trennen wollen.
Giner und Wucherer schaffen mit ihrer famosen Auslegung der schon da und dort
gesehenen Kombination von Weinverkauf und Speiselokal sowohl besonders lukrative als
auch besonders ansprechende Wechselwirkungen. Die wiederum aus unbehandelter
Kupfereiche und unterstützenden Stahl- und Glasteilen strikt regulär geformten
Regalwände voller Weinflaschen sind Auslage, Lager und animierende Kulisse zugleich.
Der
eigentlich auf eine etablierte Klientel ausgerichtete Weinhandel bildet mit dem auch einem
jugendlichen Publikum angemessenen Nudellokal eine stark synergetische Doppelmarke.
Die kleinteilige Präsenz des Weins, des Pflanzlichen, mit Hunderten Etiketten und
Tausenden Flaschen, und die Präsenz großer "tierischer" Körper, die Darbietung von
Prosciutto und Parmesan im verglasten Schaulager, einem oberirdischen Keller und somit
visuell direkt am Tisch, schafft maximale Sinnlichkeit.
Bemerkenswert auch die von der einschlägig bekannten Firma Halotech instrumentierte,
mit gängigen Vorstellungen des grunderhellten Gastraumes brechende Lichtregie. Über
den Tischen sind in kleinen, künstlich angerosteten Stahlkästen untergebrachte
Halogenquellen abgehängt, die präzis zentriertes, warmes Licht auf die Speisen und
Getränke, aber nicht auf die Gäste lenken. An der naturbelassenen MDF-Decke knapp
angesetzte Strahler in analoger Ausführung setzen die umlaufenden, raumhohen
Regalwände, somit die Flaschen, in das richtige Licht. Gerade daß der Großraum dunkel
und die sieben Tische mit Licht ausgezeichnet sind, beschert dem Gastraum in jeder
Besetzung
Eigenart und Intimität - die man schon von der Straße erahnen kann.
Seit September letzten Jahres ist das einseitig durch ein
anliegendes Büro gefangene "solo vino" durch den sogenannten "Magnum-Raum", ein
11.000 Flaschen, davon unzählige Magnumformate beinhaltendes Weinlager, in je zwei die
Längsseiten begleitenden Regalen abgeschlossen. In der Mitte steht eine Tafel für 48
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Solo Pasta - Solo Vino
Personen, die für festliche Anlässe zu mieten ist. Auch hier möchte man das stimmige
Ambiente unter dem Titel "solo qualitá" zusammenfassen: Es sind die Warmschlaglichter,
die Häfelisitzkörper, die Eichentische und -regale aus der sicheren Hand des Innsbrucker
Tischlers Gerhard Höckner - alle auf geflammtem Eichenboden mit der Ware und den
Gästen zusammenwirkend.
Wenn Conte anfangs sagte: "Ich bin ein romantischer Mensch", dann ist den Architekten
zu danken, daß sie ihm so viel "Unromantisches", ohne jede Lieblichkeit, aber voller Feuer,
abgerungen haben. Die hohe architektonische Mühewaltung ist nicht nur zu erahnen:
Überzeugungskraft von Architekten und Vertrauensfähigkeit eines Bauherrn verschmelzen
hier trefflich. [*]
Spectrum, 19.01.2003
WEITERE TEXTE
Restaurant Solo Pasta, Az W, 14.09.2003
Restaurant "Solo Pasta" und Weinbar "Solo Vino 1 + 2", aut. architektur und tirol,
23.04.2004
La leggerezza del benessere, Gabriele Reiterer, zuschnitt, 15.03.2002
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