Agrar- und allgemeinwirtschaftliches Profil der Republik Namibia

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Agrar- und allgemeinwirtschaftliches Profil der Republik Namibia
20. November 2015
- Zahlen, Daten, Fakten Agrar- und allgemeinwirtschaftliches Profil der Republik
Namibia
1. Allgemeine Kennwerte
Ländername:
Republik Namibia
Hauptstadt:
Windhuk, ca. 325 000 Einwohner
Größe des Landes:
824.292 km²
Bevölkerung:
ca. 2,4 Millionen Einwohner,
Bevölkerungsdichte: rund 2,4 Einwohner pro km²,
jährliches Bevölkerungswachstum: 2 Prozent
Währung:
Namibia Dollar (N$)
Landessprachen:
offizielle Amtssprache: Englisch; sonstige Sprachen:
Afrikaans, Oshivambo, Otjiherero, Nama/Damara,
Kavango, Deutsch
Religion:
ca. 87 Prozent Christen, davon rund 80 Prozent Protestanten und rund 20 Prozent Katholiken;
Rest traditionelle afrikanische Religionen
Nationalfeiertag:
21. März (Unabhängigkeitstag)
Staats-/Regierungsform:
Präsidialdemokratie
Staatsoberhaupt:
Präsident Hage Geingob (Amtsantritt 21.03.2015)
Regierungschef:
Premierministerin Saara
(Amtsantritt 21.03.2015)
Kuugongelwa-Amadhila
Minister für Landwirtschaft: John Mutorwa
Minister für Landreform:
Uutoni Nujoma
Geographie:
Namibia liegt im Trockengürtel südlich des Äquators im Südwesten Afrikas. Im Norden
grenzt das Land an Angola, im Nordosten (Sambesi-Zipfel) an Sambia, im Osten an Bots-
wana sowie im Süden an Südafrika. Im Westen Namibias liegt der Atlantik. Das Land lässt
sich von West nach Ost in verschiedene Naturräume untergliedern.
Der westliche Küstenstreifen erstreckt sich über eine Länge von 1.500 km und ist maximal 140 km breit. Hier liegt die Trockenwüste Namib. Der aus der Antarktis kommende,
kalte Benguelastrom bedingt das vornehmlich trockene und aride Klima der Küstenregion.
Im Norden befindet sich die extrem trockene Skelettküste, die zur Namib gehört. Die Küste
besitzt kaum Buchten (Lüderitz, Walfischbucht und Cape Fria) und nur wenige Inseln (Pinguininseln).
Richtung Landesinnere steigt die Küstenregion langsam bis zu einer Höhe von 600 Metern
an. An der Großen Randstufe ist dann ein starker Anstieg auf bis zu 2000m Höhe zu verzeichnen. Bei einer Breite von 80 bis 130 Kilometern weist die Randstufe eine Länge von
etwa 2.000 Kilometern auf. In Zentralnamibia ist die Randstufe erodiert und wird durch eine kontinuierlich ansteigende Ebene ersetzt (Randstufenlücke).
Östlich der Großen Randstufe liegt das Binnenhochland Namibias. Es erreicht eine Höhe
von 1.000 bis 2.000 Metern. Im nördlichen Teil durchziehen breite und relativ fruchtbare
Täler das Hochland. In der zentralen Region Khomas befinden sich die bis zu 2.400 Meter
hohen Eros- und Auasberge und die Hauptstadt Windhuk. Im Süden des Landes fällt der
Höhenspiegel – das Hochland wird zu einer flachen Landschaft. Hier liegen die großen
Karasberge. Im Osten schließt sich das semi-aride Kalahari-Becken an. Im äußersten
Nordosten zieht sich der wechselfeuchte Caprivi-Zipfel zwischen Botswana und Angola bis
zur Grenze Sambias. Dessen feuchtes und regenreiches Klima hebt sich vom trockenen
Rest Namibias ab und beherbergt eine reiche Tier- und Pflanzenwelt.
Der höchste Berg Namibias ist der Brandberg (2.574 Meter), welcher in der zentralen Küstenregion Erongo gelegen ist. Der zweithöchste Berggipfel ist der Moltkeblick in der Auasbergkette mit 2.480 Meter Höhe, gefolgt vom Mount Etjo bei Otjiwarongo mit 2.086 Metern.
Die Flüsse im Landesinneren führen nur nach starken Regenfällen Wasser, während sich
die Dauerflüsse Namibias in den Grenzregionen befinden. So bilden die Dauerflüsse Kunene und Okavango die Nordgrenze Namibias zu Angola, der Sambesi zu Sambia und der
Oranje-Fluss die Südgrenze zu Südafrika.
Klima:
Namibia ist mit seinem extrem heißen, wasserarmen Klima das trockenste Land südlich
der Sahara. Die Sonnenintensität ist das gesamte Jahr über sehr hoch, es gibt etwa 300
Sonnentage im Jahr.
Die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sind sehr groß. In den Wintermonaten Juli und August können die Temperaturen nachts unter dem Gefrierpunkt liegen, während tagsüber bis zu 25° C erreicht werden. Im Binnenhochland kann es sogar zu Frost
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kommen. In äußerst seltenen Fällen kommt hier Schneefall vor, der allerdings nicht liegen
bleibt. In den heißen Sommermonaten von Dezember bis Januar herrschen tagsüber
Temperaturen von bis zu 40°C, in der Namib sogar bis zu 48 °C.
Die Niederschläge sind deutlich geringer als die Verdunstungsmengen und liegen durchschnittlich bei etwa 250 mm im Jahr. Nur der wechselfeuchte Caprivi-Zipfel verzeichnet
hohe Niederschlagsmengen von bis zu 650 mm. Der gesamte Regen fällt fast ausschließlich in den Sommermonaten von November bis März.
Die Niederschlagsmengen nehmen von Nordosten nach Südwesten ab. Durch die Passatwinde des Ostpassats verlieren die Niederschläge auf ihrem Weg in den Westen schon
über Südafrika einen Großteil ihrer Wassermengen. Während über der Kalahari noch vergleichsweise hohe Niederschlagsmengen fallen, nehmen diese über dem Binnenhochland
stark ab. Dadurch erhält die Wüste Namib kaum mehr Regen.
Umwelt:
Namibia ist das erste Land der Welt, welches Naturschutz in der Verfassung verankert hat
(Art. 95). Etwa 17% der Landesfläche (138.164 km²), darunter die gesamte Küstenregion,
stehen als Nationalparks und Naturschutzgebiete unter staatlichem Schutz und werden
vom Ministerium für Umwelt und Tourismus (MET) verwaltet. Zählt man hierzu weitere Gebiete wie private (6,1%) und kommunale Reservate (18%) sowie kommunale Wälder
(1,3%), so stehen etwa 44% der namibischen Landesfläche unter Schutz. Hinzu kommen
12.000 km² maritimes Naturschutzgebiet vor der Küste.
Zwar begann bereits 1972 der aktive Schutz von bedrohten Tierarten mit der Deklarierung
des Waterberg Plateau Parks zum Naturschutzgebiet. In den 70er und 80er Jahren nahm
jedoch landesweit die Wilderei v.a. von Nashörnern bedrohliche Ausmaße an; die Bestände wurden um ca. 95% dezimiert. Als Reaktion wurde zu Beginn der 80er Jahre eine erfolgreiche Schutzinitiative ins Leben gerufen. Nashörner wurden enthornt und Wilderei
streng geahndet, sodass Namibias Population an Nashörner heute wieder ansteigt (ca.
1750 schwarze, 470 weiße).
Nach Erlangung der Unabhängigkeit 1990 verstärkte Namibia seine Schutzbemühungen.
So wurde 1996 ein Community Based Natural Resource Management (CBNRM) Programm zum Schutz der Wildtierbestände lanciert. Dieses ermöglicht es Kommunen, eigene Naturschutzgebiete zu verwalten. Dadurch wurden ehemalige Wilderer in die Schutzverantwortung miteinbezogen, gleichzeitig wurden touristische Einnahmequellen für ländliche Gebiete erschlossen.
International setzt sich Namibia für einen effektiven Umwelt- und Ressourcenschutz ein.
So richtete Namibia im September 2013 die 11. Vertragsstaatenkonferenz der UN Desertifikationskonvention (UNCCD) in Windhuk aus. Die deutsch-namibische EZ greift das
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Thema in vielfältiger Weise auf und unterstützt die Partnerregierung bei einer nachhaltigen
Nutzung der natürlichen Ressourcen im Bereich Biodiversität und Tourismus.
Wirtschaft:
Namibia zählt mit einem Bruttoinlandsprodukt von 6095 US-Dollar pro Kopf gemäß
Weltbank-Klassifizierung zur Gruppe der "Länder mit oberem mittlerem Einkommen". Das
Wirtschaftswachstum beträgt rund 4,2%. Das Volkseinkommen ist sehr ungleich verteilt
(Gini-Koeffizient von ca. 0,58). Es leben rund 31% der Bevölkerung unter der absoluten
Armutsschwelle von 1,25 US-$ pro Tag. Die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa 30%, die
Lebenserwartung beträgt 64,5 Jahre. Im Ranking des Human Development Indexes belegt
Namibia den 127. Platz mit einem Wert von 0,624.
Die wichtigsten Wirtschaftssektoren des SADC-Mitgliedslandes sind Bergbau,
Landwirtschaft, Fischerei und der Dienstleistungssektor, insbesondere Tourismus. Das
Land verfügt über einen großen Reichtum an Bodenschätzen (Diamanten, Uran, Kupfer,
Zink), Fisch- und Viehbeständen sowie mit seiner landschaftlichen Schönheit über große
Anziehungskraft für Touristen. Der Dienstleistungssektor trägt mit 59% am stärksten zum
BIP bei, gefolgt vom Industriesektor mit 35%. Lediglich 6% des BIP gehen auf den
Landwirtschaftssektor zurück.
Stärken der namibischen Wirtschaft sind die solide Geldpolitik (1:1 Währungsbindung an
den südafrikanischen Rand) mit gut entwickelten Finanzmärkten, ein hohes Maß
politischer Stabilität und Rechtssicherheit sowie eine weit entwickelte Infrastruktur
(Telekommunikation, Verkehrswege, Seeanbindung). Als Schwächen erscheinen vor allem
die fehlende berufliche Qualifikation breiter Bevölkerungsschichten und das
leistungsschwache Bildungssystem, daneben die Schwerfälligkeit der Verwaltung.
Administrative Engpässe bei der Erteilung von Arbeitsgenehmigungen erschweren
mitunter den Einsatz ausländischer Fachkräfte.
Das größte Problem bildet jedoch die künftige Absicherung der Energieversorgung des
Landes. Bereits jetzt werden 60% des Energiebedarfs durch Importe gedeckt. Die
fortschreitende Industrialisierung des Landes geht mit einem wachsenden Strombedarf
einher, der bisher nur durch zusätzliche Importe bedient werden kann. Langfristig soll der
Bau des Kudu-Gas-Kraftwerks bei Oranjemund die Energieautonomie des Landes
sicherstellen. Gleichzeitig soll das enorme Potential alternativer Energiequellen
(Windenergie, Solarstrom, Biomasse) verstärkt gefördert werden.
Durch systematisches Krisenmanagement, vor allem dank einer konsequenten
Fiskalpolitik, gelang es Namibia die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise recht schnell
zu überwinden. Nach einem überraschend hohen Wirtschaftswachstum von 6,6 Prozent
im Jahr 2010 pendelte sich die jährliche Wachstumsrate bei etwa 5 Prozent ein, womit sich
die namibische Wirtschaft entgegen den ungünstigen weltwirtschaftlichen Einflüssen
weiterhin als robust erwies. Dieses Wachstum wurde vor allem durch Investitionen in
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Infrastruktur- und Bergbauprojekte getragen. Aber auch eine Erholung im Bergbau,
insbesondere der Diamantenförderung, sowie der von der wachsenden Mittelschicht und
dem Einkaufstourismus aus den Nachbarländern profitierende Einzelhandel spielten eine
Rolle.
Allgemeine ökonomische Kennwerte
2009
2010
2011
2012
2013
2014
BIP (Mrd. US$)
8,88
11,27 12,41 13,02 12,93 13,43
BIP-Wachstum
(jährlich %)
-1,5
6,6
6,0
6,7
4,4
4,5
Inflationsrate (BIPDeflator %)
8,8
4,5
5,0
6,5
5,6
5,4
Quelle: European Commission - Directorate-General for Trade, World Bank
2. Agrarwirtschaftliche Daten
2.1) Überblick
Aufgrund der klimatischen Bedingungen werden nur ca. 47,1% der Gesamtfläche Namibias als landwirtschaftlich nutzbar klassifiziert. Dabei ist das landwirtschaftliche Potential
Namibias aufgrund größtenteils geringer Bodenqualität vorrangig auf Viehwirtschaft beschränkt (ausgenommen Bewässerungsprojekte). Lediglich rund 1% des Staatsgebiets
eignet sich für Ackerbau, dabei handelt es sich um die nordöstlichen und zentralen nördlichen Gebiete. Im Gegensatz zum geringen Ackerbau besitzt das Land reichhaltige Fischgründe, welche es nach eigenen Angaben zu einer der fünf führenden Fischereinationen
weltweit machen.
Die wirtschaftliche Bedeutung der Agrarwirtschaft ist eher gering, der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt beträgt lediglich 7%. Dennoch sind etwa 27,4% der erwerbstätigen Bevölkerung im Agrarsektor beschäftigt, davon wiederum ein Großteil in
Subsistenzwirtschaft. Entsprechend zentral ist die Bedeutung des Sektors für die Entwicklung des Landes.
Neben der Subsistenzwirtschaft existieren auch kleine (Familien-) Betriebe, die hauptsächlich Perlhirse anbauen, sowie kommerzielle Großfarmen. Letztere sind besonders im sogenannten Mais-Dreieck Otavi – Grootfontein – Tsumeb im nordöstlichen Namibia vertreten. Aufgrund des Kapitalmangels der Kleinstbetriebe wirtschaften diese hauptsächlich ex-
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tensiv (geringer Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln), wodurch die Erträge im Vergleich zu den intensiv geführten Großfarmen geringer ausfallen.
Aufgrund der schwierigen klimatischen und geographischen Bedingungen kann Namibia
seine Eigenversorgung nicht selbst sicherstellen, sondern ist auf Importe angewiesen und
damit unmittelbar von den Weltmarktpreisen abhängig. Dies konnte teilweise durch die
weit verbreitete Subsistenzwirtschaft abgefangen werden, da dieser Teil der Bevölkerung
nicht voll auf Zukäufe angewiesen ist. Durch gezielte Maßnahmen konnte die Produktion
pflanzlicher Agrarprodukte in den letzten Jahren dennoch gesteigert werden. Die Fleischproduktion schwankt stark und ist Anfang 2015 wegen dürrebedingter Notschlachtungen
stark angestiegen.
2.2) Agrarproduktion:
Landwirtschaftliche Flächen (in Mio. ha)
Gesamtfläche von Namibia
82,43
Landwirtschaftliche Nutzfläche
Ackerfläche
38,73 (47% der Gesamtfläche)
0,82
Viehwirtschaft
37,9
Waldfläche
7,14
Quelle: Food and Agriculture Organization of the United Nations
Ackerbau/Dauerkulturen:
Landwirtschaftliche Produktion (in Tonnen)
2011
2012
2013
Gemüse
59.927
63.655
66.614
Hirse
42.000
56.000
25.000
Kartoffeln
13.000
13.500
13.000
Mais
53.800
87.600
40.000
Trauben
22.000
23.000
23.799
Weizen
16.300
14.500
15.000
Wurzel- und
Knollengewächse
357.569
351.500
363.000
6
2014
68.000
15.000
Sorghum
4.900
7.700
7.000
Quelle: FAO statistics
Viehwirtschaft:
Landwirtschaftliche Produktion (in 1000 Stück)
2011
2012
2013
5.250
5.300
5.350
Pferde
47
48
48
Rinder
2.350
2.360
2.370
Schafe
2.850
2.900
2.930
70
72
72
2.150
2.200
2.235
Geflügel
Schweine
Ziegen
Quelle: FAO statistics
2.3) Eigentumsstruktur und Landreform
Bodenpolitik und Landreform sind in Namibia politisch hochsensible Themen. Die rund
4.000 kommerziell betriebenen und wirtschaftlich erfolgreichen Großfarmen des Landes
befinden sich vor allem in der Hand weißer Farmer und Kapitalgesellschaften. Kommunales Farmland dagegen wird von Kleinbauern bewirtschaftet, die damit hauptsächlich den
Lebensunterhalt ihrer Familien bestreiten (Subsistenzwirtschaft).
Die Landreform soll gleichberechtigten Zugang zu Land sicherstellen und schwarze Farmer, die unter der Apartheid benachteiligt oder vertrieben wurden, bei der Landwirtschaft
unterstützen.
Hierzu dienen vor allem zwei Instrumente. Auf Grundlage des 1992 verabschiedeten „Affirmative Action Loan Scheme“ (AALS) werden schwarze Namibier mit verbilligten Krediten
unterstützt, sodass sie selbst Land erwerben können. Zusätzlich ermöglicht seit 1995 die
„National Resettlement Policy“ dem Staat, selbst Farmen zu kaufen und zur Umverteilung
anzubieten (Vorkaufsrecht).
Mangelndes land- und betriebswirtschaftliches Know-how der Neufarmer und unzureichendes Kapital bedrohen jedoch die Wirtschaftlichkeit der Betriebe. Viele Betriebe
werden mit Zusatzeinkommen oder Pensionen querfinanziert. Die Regierung hat dies erkannt und versucht – mit Unterstützung ihrer Entwicklungspartner – das Thema der Wirtschaftlichkeit, Ernährungssicherheit und Armutsreduzierung stärker in den Fokus zu rü7
cken. Es mangelt jedoch an regierungsinterner, Sektor-übergreifender Kooperation und
Koordination.
Die Produktivität auf den umverteilten Flächen ist daher teils rapide gesunken. Zusätzlich
haben die Erfolge der Landreform den ohnehin stattfindenden Preisanstieg von Agrarflächen verstärkt. Dies behindert die Umverteilung: Neufarmer benötigen höhere Kredite, und
mit den zur Verfügung stehenden Mitteln kann die Regierung weniger Land kaufen als zuvor.
Hinzu kommt teilweise fehlende Transparenz bei der Umverteilung von Flächen, was den
Prozess anfällig für Korruption und Nepotismus macht. Dies könnte die Akzeptanz der Reformen in der Bevölkerung zerstören und somit den bislang friedlichen Reformprozess gefährden.
Bisher jedoch wird die Landreform von einer breiten politischen Mehrheit getragen. In ihren Zielen und ihrer Umsetzung genügt sie weitgehend internationalen Standards: Die
Landreform beinhaltet definierte Ziele, es besteht Planungssicherheit sowie Rechtsstaatlichkeit und Freiwilligkeit bei gerechter Kompensation ("willing buyer/ willing seller"). Enteignungen sind kein Mittel der Reform, zumal frühere Enteignungsversuche allesamt vor
Gericht scheiterten. Allerdings wurde das Vorkaufsrecht des Staates ausgeweitet.
Auch Dank der deutschen Entwicklungszusammenarbeit konnte das Ziel, bis 2020 15 Mio.
ha Farmland umzuverteilen, zu über 50% erreicht werden. Nach Angabe der Farmervereinigung „Namibia Agricultural Union (NAU)“ wurden sogar bereits rund 9,5 Mio. ha Agrarland umverteilt. Damit sind im Zuge der Reform ca. 5.000-6.000 Haushalte zu Landbesitz
gekommen.
2.4) Versorgungssicherheit
Aufgrund klimatischer Bedingungen kann Namibia seinen Bedarf an Lebensmitteln nur
teilweise aus eigener Kraft decken. Die Ernteerträge unterliegen starken Schwankungen.
Je nach Wetterlage können 35% bis 70% der benötigten Nahrungsmittel selbst produziert
werden.
Beispiele für die Anfälligkeit der namibischen Landwirtschaft für Naturextreme sind die
Jahre 2010/2011, 2012/2013 und 2014/2015. Während die Regenfälle 2010/2011 große
Teile der Ernte vernichteten und Vieh in den darauffolgenden Fluten zu Tode kam, blieben
die Ernteerträge 2012/2013 zu großen Teilen aufgrund von Dürre aus. Zahlreiche Farmen
mussten ihren Betrieb einstellen und erlitten daher große Einbußen. Zudem verkleinerten
fast alle Farmer ihre Herden durch Schlachtung, um auf das geringe Futterangebot zu reagieren. Dies wiederum führte zu einem Überangebot an Fleisch, sodass die Fleischpreise
zusammenbrachen und sich die wirtschaftlichen Probleme der Farmer verschärften.
2014/2015 verlief die Entwicklung ähnlich.
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Als Folge der Dürrekrise 2015 hat sich die Anzahl der von Ernährungsunsicherheit betroffenen Menschen von 330.300 (Mai 2013) auf etwa 800.000 (Juli 2015) erhöht (WFP,
FAO, EU, Regierung). Dies macht ca. ein Drittel der Bevölkerung aus. Aufgrund des Wetterphänomens El Niño wird 2015/16 erneut mit extremer Trockenheit und reduzierten Regenfällen gerechnet. Von diesem Klima wird ebenfalls Südafrika getroffen werden,
wodurch sich die Maisproduktion auch dort verringern wird und die Preise ansteigen werden. Dementsprechend werden die Maisimporte Namibias zurückgehen.
Durch anhaltende staatliche Hilfen konnte der landwirtschaftliche Ertrag stetig erhöht werden. Auch Projekte wie das „Market Share Promotion Programme“ führten zu einer zunehmenden Substitution südafrikanischer Importprodukte. Dennoch wird nach wie vor der
Großteil aller Waren von oder über Südafrika bezogen. Langfristiges politisches Ziel ist ein
höherer Selbstversorgungsgrad für Nahrungsmittel.
2.5) Fischereiwirtschaft
Namibia gehört zu den größten Fischereinationen weltweit. Die 200 Seemeilen breite
Wirtschaftszone des namibischen Küstenraums wird vom Benguelastrom durchzogen,
wodurch dieses Gebiet einen der weltweit größten Fischbestände aufweist. Durch starke
Strömungen gelangt kontinuierlich neue Nahrung für die Fischbestände in die Gewässer
Namibias. So beträgt die jährliche Fischfangmenge etwa 1,2 Mio. Tonnen.
Wegen extremer Strömungs- und Witterungsbedingungen auf der namibischen See wird
hauptsächlich industrieller Fischfang betrieben. Es werden ca. 20 kommerziell nutzbare
Arten gefischt. Dabei handelt es sich hauptsächlich um kleine, pelagische Fischarten
(Sardine, Hering, Anchovis, und Jungmakrelen), größere pelagische Fischarten (ausgewachsene Makrele, Seehecht und Tiefsee-Arten wie Seezunge, Tunfisch und Krabben)
und Hummer/Langusten entlang den flachen Gewässern der Riffe. Darüber hinaus werden auch andere maritime Ressourcen wie Algen, Seetang, Guano und Robben kommerziell genutzt. Die durch Grundfischerei gefangenen Seetierarten wie Seehecht, Pferdemakrele, Sardine, Seeteufel, Felsenkrabbe oder Hummer gehen zu 90% in den Export.
Der Fischereisektor beschäftigt etwa 14.000 Personen, die zu 43% auf See und zu 57%
an Land arbeiten. An Land werden ca. 85% der Fänge weiterverarbeitet. Die wichtigsten
Exportartikel sind Fischmehl, Fischfilets, Fischöl und Kochfisch. Mit einem Exportanteil von
25% sind Fischerei und fischverarbeitende Industrie der zweitwichtigste Wirtschaftsfaktor
des Landes. 70% der Ausfuhren gehen in die Europäische Union und AKP-Staaten sowie
in die Länder des südlichen Afrika (SACU und SADC).
2.6) Forstwirtschaft
Eine nennenswerte, kommerzielle Forstwirtschaft gibt es in Namibia nicht. Nur etwa 8,6%
der Landesfläche sind mit Wald im weitesten Sinne („wood land“) bedeckt. Eine wirtschaft9
liche Nutzung ist wegen der geringen Ertragskraft jedoch kaum möglich. Seit seiner Unabhängigkeit hat Namibia etwa 10% seiner Waldfläche verloren. Hauptursache dafür sind
Nutzungskonflikte und die damit einhergehenden unkontrollierten Rodungen.
3. Importe und Exporte
Namibia ist ein außenwirtschaftlich stark verflochtenes Land. Die Exportquote liegt derzeit
bei fast 50%, die Importquote bei fast 60%. Die Leistungsbilanz weist in der Regel einen
Überschuss auf, da das Handelsbilanzdefizit durch den positiven Saldo der
Übertragungsbilanz kompensiert wird. Grund sind die substantiellen Transferzahlungen,
die Namibia aus der Zollunion im südlichen Afrika (SACU) sowie aus der
Entwicklungszusammenarbeit zufließen.
Die Bodenschätze Diamanten, Kupfer und Uran allein machen rund 40% des
Exportvolumens aus. Daneben werden v.a. Fisch, Schiffe und andere Wasserfahrzeuge
exportiert. Die Ausfuhren gehen zu fast 40% in Länder der Zollunion im südlichen Afrika
(SACU) und zu einem Drittel nach Europa.
Importiert werden hauptsächlich Kraftstoffe, Erdöl und Erdölerzeugnisse, Strom,
Kraftfahrzeuge, Maschinen sowie Nahrungsmittel. Ursprungsland der meisten Importe ist
Südafrika mit einem Anteil von fast 60%. Die enge Verflechtung mit der Volkswirtschaft der
benachbarten früheren Mandats- und Besatzungsmacht kommt nicht nur im
Handelsvolumen zum Ausdruck, sondern auch in der starken Präsenz südafrikanischer
Dienstleister (Handel, Banken, Versicherungen).
Gesamtwert der Importe und Exporte
2011
2012
2013
2014
Importe (in Mrd. US$)
6,5
7,1
7,6
7,9
Exporte (in Mrd. US$)
5,9
5,4
6,3
5,6
Quelle: GTAI, Namibia Statistics Agency
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Importe Warenhandel
Produkt
Exporte Warenhandel
Anteil am
Gesamtimport
Produkt
Anteil am
Gesamtexport
Landwirtschaftliche
Produkte
14%
Landwirtschaftliche
Produkte
30,5%
Brennstoffe und
Bergbauerzeugnisse
19,4%
Brennstoffe und
Bergbauerzeugnisse
35,0%
Fertigwaren
66,6%
Fertigwaren
34,4%
Quelle: World Trade Organization
4. Chancen und Risiken für Exporteure aus Deutschland
Der bilaterale Handelsaustausch zwischen Deutschland und Namibia belief sich 2014 auf
rund 274 Millionen Euro (Importe aus Namibia: 155 Millionen Euro, Exporte nach Namibia:
119 Millionen Euro). Haupteinfuhrgüter aus Namibia sind Kupfer, Zink, Edelsteine und
Erden sowie Fisch und Fischwaren, Fleisch und Frischobst. Hauptausfuhrgüter nach
Namibia waren Maschinen, Produkte der Ernährungswirtschaft und chemische
Erzeugnisse. Besonderes Gewicht im Rahmen des Dienstleistungsexports kommt dem
Tourismus zu: Die fast 90.000 deutschen Reisenden im Jahr sind bei weitem die größte
Gruppe nichtafrikanischer Touristen in Namibia.
Namibia gilt aufgrund seiner Rechtsstaatlichkeit, des stabilen Wirtschaftswachstums, der
gut ausgebauten Infrastruktur und seiner stabilitätsorientierten Finanzpolitik als
Geheimtipp für Investoren. Das Land möchte im Rahmen des nationalen
Entwicklungsplans „Vision 2030“ seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit weiter ausbauen
und sich den Industrieländern weiter annähern. Man möchte diesbezüglich auf dem
Weltmarkt konkurrenzfähiger werden.
Vor allem im Bereich des Bergbaus (Förderung von Bodenschätzen wie Diamanten, Uran
und Kupfer) und der Landwirtschaft einschließlich Weiterverarbeitung, der
Energieerzeugung, insbesondere aus erneuerbaren Energien, sowie im Tourismussektor
steckt noch viel Wachstumspotenzial. Ein weiterer Attraktivitätsfaktor ist die stark
wachsende Mittel- und Oberschicht, deren Konsumgewohnheiten sich zunehmend am
westlichen Lebensstil orientieren. Somit wird Namibia als Absatzmarkt für deutsche
Luxusprodukte wie Autos oder Elektronikartikel zunehmend interessant.
Deutschland und Namibia streben an, die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen
auszubauen. Dem diente die Einladung einer hochrangigen namibischen
Wirtschaftsdelegation unter Leitung von Planungsminister Alweendo im Juni 2015 nach
11
Deutschland und der Besuch der Parlamentarischen Staatssekretärin Zypries in Namibia
im Juli 2015. Ein Investitionsförderungsvertrag sowie ein Doppelbesteuerungsabkommen
sind in Kraft.
5. Aktuelle Entwicklungen und Ausblick
In den letzten 40 Jahren hat sich die Wirtschaft differenziert und ist mittlerweile breit
aufgestellt. So war noch Ende der 70er Jahre der Bergbau für fast 50% des
Bruttoinlandprodukts verantwortlich. Heute nimmt der Dienstleistungssektor (Tourismus,
Kommunikation, Banken, etc.) mit einem Anteil von 59% die wichtigste Rolle in der
Wirtschaft Namibias ein, gefolgt vom Bergbau.
Namibia verfügt über eine Vielzahl natürlicher Ressourcen. Eine große Bandbreite an
Bodenschätzen (Diamanten, Uran, Blei, Gold, Kupfer und Zink) macht den Bergbau nach
wie vor zu einem zukunftsweisenden Wirtschaftssektor. Darüber hinaus bieten eine
seltene Flora und Fauna, atemberaubende Landschaften und seltene Tierarten großes
Potenzial für einen weiteren Ausbau des Tourismus.
Potenzial zur Expansion besitzt vor allem die Weiterverarbeitungsindustrie von
Bodenschätzen, Landwirtschaft und Fischerei. Aktuell werden Diamanten und Erzeugnisse
der Land- und Fischereiwirtschaft hauptsächlich als Rohware exportiert. Durch
Weiterverarbeitung vor Ort könnten jedoch die Gewinnmargen erhöht werden.
Möchte Namibia aber weiterhin wirtschaftliches Wachstum generieren, wird sich die
Regierung um die Lösung einer Reihe von Problemen kümmern müssen. Dazu zählt vor
allem die Verbesserung des Schulsystems, damit die breite Bevölkerung an Bildung
teilhaben kann und dem Land zukünftig genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen.
Daneben muss die HIV/AIDS-Problematik des Landes mit einem effektiven
Gesundheitssystem weiter eingedämmt werden. Darüber hinaus sollten bürokratische
Hürden für ausländische Fachkräfte, die in Namibia arbeiten wollen, weiter reduziert
werden. Schließlich ist es für die weitere Expansion der Wirtschaft notwendig, eine
zuverlässige und ausreichende Stromversorgung sicher zu stellen.
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6. Ansprechpartner
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Pretoria
Herr Erik Schneider
Referat Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
(zuständig für: Angola, Botsuana, Lesotho, Mosambik,
Namibia, Sambia, Simbabwe, Südafrika und Swasiland)
180 Blackwood Street, Arcadia, Pretoria 0083
P.O. Box 2023, Pretoria 0001, South Africa
Telefon: +27 12 427 8929
Fax: +27 12 344 5610
E-Mail Adresse: [email protected]
Internetrepräsentanz: www.pretoria.diplo.de
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Windhuk
Herr Ulrich Kinne
Sanlam Centre, 6th Floor, 145 Independence Avenue, Windhoek
P.O. Box 231, Windhoek, Namibia
Telefonnummer: +264 61273100
Faxnummer: +264 61222981
E-Mail Adresse: [email protected]
Internetrepräsentanz: http://www.windhuk.diplo.de
Deutsche Industrie- und Handelskammer für das südliche Afrika
Herr Matthias Boddenberg
47 Oxford Road, Forest Town 2193, Johannesburg
P.O. Box 87078, Houghton 2041, South Africa
Telefonnummer: +27 11 486 3346
E-Mail-Adresse: [email protected]
Internetrepräsentanz: www.germanchamber.co.za
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