In NIkkI Beach sind alle Menschen gleich. Gleich

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In NIkkI Beach sind alle Menschen gleich. Gleich
In Nikki Beach sind alle
Menschen gleich. Gleich protzig,
gleich rotzig, gleich besoffen
von sich – und von Wein, Weib
und Gegröle. Ob in Miami,
Marbella, New York oder SaintTropez: Wer einmal in
diesem Club war, will immer
wieder hin oder: nie mehr
One-NightText Felix Hutt Fotos Edzard Piltz
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Foto: jim rakete/photoselection
Trand
9 800 Euro kostet die teuerste flasche Champagner:
Ja, da muss man
sich doch einfach hinlegen
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Was Geld alles
anrichten kann, wenn
es die falschen
Leute ausgeben
Jürgen Drews würde nicht auffallen: Go-go-Girls in der vom Club
gestellten Arbeitskleidung
feiern wie die promis –
und sollten die mal
wieder doch
nicht auftauchen, wird
allein gefeiert
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Wer möchte da
nicht mäuschen sein:
Britische Rapper lassen
Muskeln und neueste
Handyklingeltöne spielen
Die Nasen, die Brüste,
die Stimmung – alles wird in Nikki Beach
künstlich hochgepusht
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Nikki Beach ist anders:
Debra zum Beispiel, die schwarze
Schönheit hier, war
früher ein Mann. Nun,
die Haltung stimmt ja noch
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Was geht? Liliya und Valentina auf der Suche nach „rrriiiich men“; Topmodel Devon Aoki beim Interview; die schwangere Eva Herzigova wartet auf einen
Bodyguard, und die Nikki-Beach-Betreiber Jack Penrod und Eric Omores sind froh, dass sie nicht mitfeiern müssen
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Angefangen hat alles an einer Fritteuse, da war Jack Penrod
18 Jahre alt und arbeitete für eine berühmte Hamburger-Kette.
Mit 30 gehörten ihm 16 Filialen in Südflorida. Der Sohn irischer
Einwanderer erkannte früh das Phänomen „Spring Break“, zu
dem jedes Jahr die Studenten der Ostküsten-Universitäten
nach Florida kommen, investierte in Beachclubs in Fort Lauder­
dale und Daytona Beach. Vor elf Jahren traf er auf Eric Omores,
einen Franzosen, der als Promoter für den Club Med arbeitete.
Penrod verschmolz seine Franchisekenntnisse mit der Nightlife-Expertise von Omores und eröffnete 1997 in South Beach
Nikki Beach, benannt nach seiner Tochter Nicole, die kurz zuvor bei einem Autounfall gestorben war.
Eine Gruppe Londoner Möchtegernrapper bevölkert
eine Sitzecke am Strand, zeigt stolz die tätowierten Muskeln,
in ihrem Alkoholtrog steckt das komplette Arsenal des Hauses:
Jack Daniel’s, Wodka, Dreiliterflaschen Weißwein. Gleich zwei
blonde Nikki-Beach-Damen werden zur „Betreuung“ abgestellt, die Reisegruppe von der Insel ist manierenbefreit. Drei
Deutsche, zwei Bauunternehmer und ein Arzt, sitzen auf der
Terrasse, vor sich eine Sushi-Platte, im Kühler Rosé, ihnen gefalle es super, vor allem die Musik, man sei unter seines­gleichen,
und bis zum Samstag, wenn die Freundinnen kommen, da
wolle man noch ein bisschen Spaß haben. Ihre Blicke wandern
über den Strand, auf der Suche nach Kostbarkeiten. An ihren
Handgelenken tragen sie sehr große Uhren, wie man sie beim
Juwelier bekommt – oder in Thailand.
h
eiß und fettig ist es für Jack Penrod bis heute geblieben, nur sind es jetzt Fritten aus Menschenfleisch, die er in der Hitze brutzeln lässt. Aber
ob Kartoffeln oder Party People, für ihn zählt
einzig die Rendite. Penrods rechte Hand, Michael Register,
ein grauhaariger Mittsechziger, erläutert die „Legende Nikki
Beach“, wie er sie nennt. Register spricht von den Visionen,
die sein Chef Jack habe, von den Hotels, die sie bauen werden,
ganz individuell, nicht für die Masse, vom Deal, den sie mit
einer norwegischen Reederei geschlossen haben. Sie wollen
Nikki Beach auf Kreuzfahrt schicken, damit sich die Klunkerträger auch auf See gehen lassen können. Unglaublich sei es,
wie schnell die Clubs Geld abwürfen, alles sei hoch­profitabel,
man sei fast gar nicht von Krediten abhängig, das Konzept
funktioniere immer, gerade habe man zwei weitere Beachclubs an der Algarve aufgemacht, da habe sogar die Regierung kooperiert. Von Konzepten und Strategien ist die Rede,
von Kooperationen, vom Nikki-Beach-Feeling, das sie überall
auf der Welt installieren könnten, von Profit-Margins, vom
Fotos: Edzard Piltz, Sipa Press, Getty images
e are looking for rrriiiich men,
hihi!“, gluckern Liliya und
Valentina, blond, um die
vierzig, dicke Lippen, das
„Rrriiii“ so schrill wie der
Bohrer eines Zahnarztes.
Auf der Croisette drängeln
sich Touristen, Journalisten,
Hostessen und Einkäufer,
Paparazzi warten vor den Hotels, Seinfeld ist angekommen,
Clooney und DiCaprio wohl auch.
Das alles geht den beiden Ukrainerinnen auf ihrer Liege
am Nikki-Beach-Strand unterhalb des Carlton am Stringtanga
vorbei. „We want fun, only fun. And men, sexy men!“, sagen sie,
während sie ihre Silikonbrüste Richtung Briatore-Jacht strecken, die vor Cannes geankert hat. Ein paar Meter weiter
döst Debra, eine schwarze Bikinifrau aus New York, früher
ein Mann, und exponiert ihren beachtlichen Körperbau. Im
Hintergrund hämmert House-Musik, es riecht nach Promille,
Zigaretten und viel Sonnenöl. Willkommen in Nikki Beach,
dem Sommerzoo für tiefergelegte Reiche.
Der Erfinder und Besitzer sitzt lieber im Zelt, er mag keinen Strand, seine blasse Haut keine Sonne, und inmitten seiner
gestylten Jünger wirkt Jack Penrod aus Miami, Florida, so ver­
loren wie Bill Gates auf einem Jahrestreffen der Hells Angels.
Ein Mythos seien seine Beachclubs an den feinsten Adressen,
heißt es – Miami, Saint-Tropez, New York, Sardinien, Marra­
kesch, Saint-Barthélemy, Marbella, Cabo San Lucas –, angeblich
wollen sie hier alle rein, die Schönen und Reichen, einmal Nikki­
Beachianer, immer Nikki-Beachianer, und kein Urlaub ohne.
Während der Filmfestspiele zieht der Club aus SaintTropez nach Cannes, auf das bisschen Sand vor dem Carlton,
abends wird in der Disco im Hotel gefeiert. Vom „heißesten
Club der Welt“ berichten schlecht informierte Medien, vom
Phänomen, von der Prominentendichte. Dabei zeigt Nikki
Beach eigentlich nur, was Geld alles anrichten kann, wenn es
die falschen Leute ausgeben.
Falls sie ihre sexy-reichen Supermänner heute nicht
finden würden, dann zahlten sie ihre Zeche eben selbst, so
Liliya, die in Genf bei einer Investmentbank arbeitet; sie
könnten es sich schließlich leisten, und eigentlich wären Typen
sowieso nur für das eine gut. Valentina nickt, während sie auffällig unauffällig mit dem Goldkettchen spielt, das sie über
ihrem rechten Knöchel trägt. Wieder hihi!, dann prost! – die
beiden zischen ihre Flasche Belvedere Wodka, als wäre es
Limonade. Ein leichtes Stöhnen, sie legen sich auf ihre weißen
Kissen zurück, hach!, das Leben kann so anstrengend sein.
nikki beach ist der einzige teure strandclub der welt, der keinen strand hat: die Filiale in Saint-Tropez; Minnie Driver kurz vor und Ivana
Trump kurz in der VIP-Lounge; ein von der allgegenwärtigen Superlaune sichtlich gezeichneter Valentino nebst Liz Hurley
Business, immer wieder vom Business – aber: Einen Hamburger
kann man exportieren, niveauvolle Stimmung nicht.
Die schwangere Eva Herzigova hat im Zelt gerade ihren
Lunch beendet, wird von einem Bodyguard zurück ins Carlton geführt, auch Minnie Driver macht sich auf den Weg zur
Siesta. Die anderen Gäste staunen, Egos wachsen mit dem
Pegel, „wie geil ist das denn, wir feiern da, wo die Promis
feiern“. An einem Tisch sitzen fünf Araber, fragen ihren Kellner, ob die Herzigova zu mieten sei, Geld würde keine Rolle
spielen. Ein Brüller. Schulterklopfen im Quintett. Herzigova
ist Botschafterin von Chopard, die Schmuckfirma ist NikkiBeach-Partner. In einem Strandkörbchen gibt Topmodel Devon Aoki Interviews, auch sie ist auf der Chopard-Gehaltsliste.
Celebrities sind der Trumpf, mit dem die Nikki-Beach-Macher
werben – was sie verschweigen: Die meisten kommen nur,
weil ihre Werbepartner es möchten.
Am Abend im Club gehe richtig die Post ab, schwärmt
Michael Register, heute lege Lindsay Lohan auf, die Gästeliste
sei lang und gespickt mit großen Namen. Kurz nach Mitternacht stehen die zwei Türsteher, beide ehemalige französische
Kickboxer, noch arbeitslos vor dem Eingang. Eine Gruppe italienischer Touristinnen passiert problemlos. Lindsay Lohan
komme doch nicht, sagt Pressedame Shirin, die aus dem Headquarter in Miami angereist ist und sich mit ihrer französischen
Kollegin Celia um die high rollers kümmert, die Gäste also, die
richtig Geld ausgeben. Beide Damen tragen Kleidchen der
Marke Nichts, und wie genau sie das „Kümmern“ definieren,
bleibt wohl dem Geldbeutel der Willigen überlassen.
Nachts gibt es kein Bier, keinen Wein, nur harte Sachen
oder Champagner: die billigste Flasche Piper-Heidsieck für
150 Euro, die teuerste Dom Pérignon für 9 800 Euro. Davon
habe mal eine Gruppe Scheichs 50 Stück gekauft, berichtete
Michael Register am Nachmittag, nur um damit herumzuspritzen, die trinken nämlich gar keinen Alkohol, diese
Scheichs, funny, nicht wahr? An den Tischen sitzen zwei Arten
von Gästen: „Sugar daddy meets kindergarten“, das heißt ein
alter Herr, der einen Haufen junger Mädchen ausführt und
dafür mit Zu­neigung der Girls rechnen darf. Die zweite Gattung: „Boys’ night out“, junge Herren, meist aus dem arabischen
Raum, aus Russland, England oder Skandinavien, auf Brautschau. Ihre Opfer stehen an der Bar, sind jung, tragen GigaDesignerlogos auf Röcken, Gürteln, Taschen. Den alten wie
den jungen Herren ist es egal, welche Mädchen an ihren Tisch
kommen, Hauptsache, sie kommen.
Morgen Nacht wird Pamela Anderson kurz vorbeischauen, einen Tag später Ivana Trump, sie geht nach einer halben
Stunde. Für die Celebrities gibt es einen VIP-Bereich, der ist
meistens leer. Nächste Woche kommt Ghaddafi jr., da wird
was los sein, so Shirin. Den vier Nikki-Beach-Hausfotografen
bleiben die Go-go-Girls, die auf den Boxen tanzen, aus denen
monotone House-Musik quillt. „Let’s go Nikki Beach“, schreit
eine Animateurin, fehlt eigentlich nur noch, dass Jürgen Drews
auftritt. Barboys tragen mit Wunderkerzen garnierte Flaschen
an die Tische, auf der Toilette wird der guten Laune hemmungslos nachgeholfen, für einen 500-Euro-Schein kann man
sich beim Türsteher eindecken – dass weder Jack Penrod noch
Michael Register mitfeiern, verwundert nicht.
k
onsequent hat Penrod das Franchisemodell der
Burger-Braterei auf seine Clubs übertragen, das
Resultat: McNikki Beach. Alles muss gleich aussehen, darf wenig kosten, muss großen Gewinn
abwerfen. Die Kellner tragen Einheitsweiß, die Dekoration ist
überall identisch, ob in Marbella oder in Miami. Champagner
und Wodka werden aus Plastikbechern getrunken, Gläser gibt
es nicht. Rechnungen auch nicht immer, oft ziehen die Bar­
damen die Kreditkarten mehrmals durch die Automaten, geben
vor, es würde nicht funktionieren, und auf der Abrechnung
stehen dann drei Flaschen statt einer.
Einen Monat später in Saint-Tropez. In der Bucht von
Pampelonne liegt Nikki Beach, wobei „Beach“ eine Irreführung
ist, denn es gibt keinen Zugang zum Strand, der liegt 50 Meter
entfernt. Die Jungs vom Valet-Parking freuen sich über jedes
Auto, es ist nicht gerade viel los. Trotzdem seien alle großen
Strandkörbe reserviert, sagen die Angestellten, für 20 Euro pro
Person könnten sie noch eine kleine Liege anbieten. Die ist
ranzig, voller Flecken, symbolisch: Auf den ersten Blick strahlt
alles weiß, genauer hingucken sollte man jedoch nicht. Zwei
Norwegerinnen schlürfen Evian, eine Schönheit aus Haiti döst
oben ohne und murmelt, sie sei zum fünften Mal hier, finanziere sich Nikki Beach über Perlen, die sie verkaufe. Am Pool
eine Gruppe Deutschtürken in weißen Kafta­nen, laut und betrunken, sie rauchen Cohibas und langen sich nach jedem Witz
in den Schritt. Was sie beruflich machen, dürften sie nicht sagen, einer erklärt, dass sie oft übers Wochenende hierher­
kämen, weil sie hier tun und lassen könnten, was sie wollten,
und bitte bloß keine Fotos, das könnte zu Hause Ärger geben.
Seine größte Passion sei das Marketing, sagt Jack Penrod, der mit Nikki Beach eine gut aussehende Hülle ohne
Inhalt verkauft, eine Jetset-Illusion, die sich als Oase reicher
Ballermänner entpuppt. Beim Verlassen steht auf dem Parkplatz jetzt immerhin ein schwarzer Lamborghini Gallardo.
Das kann ja heiter werden.
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