Vertragsschluss bis Zwangsvollstreckung - EEN

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Vertragsschluss bis Zwangsvollstreckung - EEN
TÜRKEI
VOM VERTRAGSSCHLUSS BIS ZUR
ZWANGSVOLLSTRECKUNG
INVESTITIONEN – HANDEL
FORDERUNGSBEITREIBUNG
- MATERIALIEN zusammengestellt von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Rumpf
Stand: Juli 2004
Hölderlinplatz 5 – D-70193 Stuttgart – Tel. +49-711-2285450 – Fax +49-711-2265570
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 2
Vorwort
Bei der Türkei handelt es sich um einen modernen Staat, der seit einiger Zeit im Begriff ist,
sich vom Geruch des „Entwicklungslandes“ zu befreien. Es wird gebaut und Industrie angesiedelt, zahlreiche Förderprogramme der türkischen Regierung, aber auch Förderungen aus
der EU sollen die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit beleben. Die türkische Bürokratie ist, jedenfalls was die Beziehungen zu ausländischen Investoren angeht, besser als
ihr Ruf – mit den für die Länder im Mittelmeerraum typischen Vor- und Nachteilen. Die Justiz
arbeitet gemächlich, dennoch kommt man im Ergebnis oft einfacher und effektiver zu gerechten Ergebnissen als in anderen europäischen Ländern, zum Beispiel in Italien.
Der türkische Staat blickt inzwischen auf eine über 80-jährige Tradition als Republik zurück,
nachdem schon im Osmanischen Reich intensive wirtschaftliche und politische Beziehungen
zu westlichen Staaten, vor allem zu Deutschland und zu Frankreich, bestanden hatten. Die
Eingriffe des Militärs 1960, 1971 und 1980 haben an der grundsätzlichen demokratischen
Charakteristik des Landes nichts Wesentliches geändert. Soweit – durchaus berechtigt – von
Defiziten die Rede ist, bemühen sich die Regierungen der letzten Jahre um Veränderungen
und Annäherungen, um die bekannten Probleme Zug um Zug zu reduzieren.
Für das Investieren und Handeln besonders wichtig ist aber die Wirtschaftspolitik. Seit Mitte
der achtziger Jahre ist ein beständiger Prozess der Liberalisierung der Märkte im Gange. So
sehr die Privatisierungsbemühungen auch Rückschläge erleiden mussten, ist die Kontrolle
über die wichtigsten Wirtschaftsbereiche doch zunehmend auf den freien Markt übergangen.
Selbst in den Sektoren Energie und Telekommunikation greifen Privatisierungsmaßnahmen.
Ein günstiges Lohnniveau, Fördermaßnahmen wie etwa die sogenannten „organisierten Industriezonen“ oder „Freihandelszonen“, Beihilfen für Investitionen in den weniger entwickelten Gebieten der Türkei oder die Tourismus-Förderungen machen die Türkei zu einem attraktiven Standort.
Ungeachtet all dessen bedarf der Gang in die Türkei, sei es für den Investor, sei es für den
Exporteur oder Importeur, sorgfältiger Vorbereitung. Anderes Recht – wenn auch durchaus
dem unsrigen in vieler Hinsicht ähnlich –, andere Sitten und Gebräuche, eine völlig andere
Mentalität in weiten Kreisen der türkischen Wirtschaft – dies alles will bedacht sein.
Das hier zur Verfügung gestellte Material beruht auf einer Seminarunterlage für deutsche
Industrie- und Handelskammern. Es ist für die Zwecke des regelmäßig an der Universität
Bamberg abgehaltenen Seminars zur „Einführung in das türkische Recht“ ergänzt worden.
Hinzuweisen ist darauf, dass derzeit – Stand Juni 2004 – die Türkei in den Strukturen ihrer
Wirtschaft rasante Entwicklungen durchmacht.
Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Rumpf
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 3
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Literaturhinweise
Gesellschaftsgründung in der Türkei
Einführung
Überblick über das türkische Gesellschaftsrecht
Grundregeln
Die Gesellschaftsformen
Gesellschaftsgründung durch Ausländer
Die GmbH
Gründungsformalitäten
Besonderheiten
Firma
Die Gesellschafter und ihre Anteile
Das Kapital und die Anteile
Haftung
Organe der Gesellschaft
Satzungsänderung
Buchführung
Beendigung der Gesellschaft
Die Aktiengesellschaft
Grundelemente der AG
Einheitsgründung
Stufengründung
Besonderheiten
Firma
Die Gesellschafter und ihre Anteile; die Aktien
Das Kapital
Haftung
Organe der Gesellschaft
Satzungsänderung
Buchführung
Beendigung der Gesellschaft
Steuerliche Fragen
Gründungskosten
Exkurs: Niederlassung und Verbindungsbüro
Immobilienerwerb in der Türkei
Einführung
Grundlagen des türkischen Rechts
Eigentumserwerb an Grundstücken
Der Vertrag in der Praxis
Der Erwerb von Stockwerkseigentum
Zeiteigentum
Ausländer als Käufer
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 4
Devisen und Steuern
Formfragen
Forderungsbeitreibung in der Türkei
Problemstellung
Das türkische Gerichtssystem
Die rechtliche Situation
Die tatsächliche Situation
Lösungswege
Kosten
Schluss
Zwangsvollstreckung in der Türkei
Rechtsquellen
Vollstreckungsorgane
Beschwerde
Kosten
Zustellung
Fristen
Vollstreckungshindernisse
Mahn- und Vollstreckungsverfahren
Zwangsvollstreckung aus Urteilen und Urkunden
Pfändung
Rechte Dritter
Verwertung in der Zwangsvollstreckung
Zahlung oder Pfandlosbescheinigung
Vorläufige Sicherungsmaßnahmen
Zwangsvollstreckung in fremder Währung
Freihandelszone in der Türkei
Einführung
Gesellschaftsgründung
Verfahrensschritte
Betriebserlaubnis, vertragliche Bindung, sonstige Erlaubnisse
Diverse Wirtschaftsinformationen
Aktuelle Wirtschaftslage
Wirtschaftsstruktur
Außenhandel
Türkische Unternehmen
Die großen Konzerne
Die größten privaten türkischen Industrieunternehmen
Sechs Arten staatlicher Unternehmen
Die wichtigste Gruppe sind die IDT
Bankwesen
Verkehrsinfrastruktur (Quelle: Türkische Botschaft, kiara)
Verkehrsentwicklung
Straßenverkehr
Flugverkehr
Schifffahrt
Eisenbahnverkehr
Die Zollunion zwischen der Türkei und der EU (Quelle: Türkische Botschaft)
Was bedeutet die Zollunion
Gleiche Voraussetzungen
Die Entwicklung der Zollunion bis heute
Die Zollunion als logische Konsequenz der türkischen Geschichte
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 5
Die Aufhebung der Zolltarife
Förderung der ausländischen Investitionen (Quelle: Türkische Botschaft)
Gleichberechtigung
Grundsätze
Genehmigung
Standort
Besonders wichtige Sektoren
Devisenbestimmungen in der Türkei (Quelle: Türkische Botschaft)
Devisen
Währungskurse
Transaktionen in ausländischen Währungen
Edelmetalle, Edelsteine und Wertsachen
Inländisches Kapital
Vermögenstransfer
Wertpapiere
Liegenschaften
Kredite
Deviseneinlagen
Vorsicht Falle!
Arbeitsaufnahme in der Türkei
Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis
Stellensuche
Anerkennung von Ausbildungen
Arbeitsmarkt
Arbeitsrecht
Sozialversicherung
Löhne
Wanderarbeitnehmer
Kündigung
Betriebsübergang
Wichtige Anschriften
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Literaturhinweise
Tuğrul Ansay/Eric Schneider, Introduction to Turkish Business Law, The Hague 2001
Christian Rumpf, Kaufvertrag in der Türkei, Münster 1999
Christian Rumpf, Türkei, in: Handbuch der internationalen Zwangsvollstreckung (hrsg v Ernst Riedel
u.a., Köln, Loseblattsammlung)
Christian Rumpf, Einführung in das türkische Recht, München 2004
Christian Rumpf, Türkei, in: Handbuch Immobilienrecht in Europa (hrsg. v. Susanne Frank u. Thomas
Wachter), Heidelberg 2004
Zeitschriftenbeiträge von Dr. Christian Rumpf:
Die Zollunion zwischen EU und Türkei. RIW 1997, S. 46-53.
Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Türkei (Anerkennung und VollstreckHölderlinplatz 5 – D-70193 Stuttgart – Tel. +49-711-2285450 – Fax +49-711-2265570
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 6
barerklärung), InVo 2002, S. 261-270.
Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Türkei (Zwangsvollstreckungsrecht),
InVo 2002, S. 305-313.
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Türkei. RIW 2002, S. 843-851
Die GmbH in der Türkei, GmbH-Rundschau 2002, S. 835-842.
Länderbericht Türkei (zus. m. Ünal Tekinalp), in: Derleder u.a., Handbuch des deutschen und europäischen Bankrechts, Berlin u.a. 2004.
Sonstige Quellen:
Oda, Zeitschrift der Deutsch-türkischen Handelskammer, Istanbul
Bfai, Bundesagentur für Außenwirtschaft, div. Broschüren
AHK, Deutsch-türkische Handelskammer, div. Broschüren
Internetquellen:
www.diempartner.de
www.d-p-consult.com
www.tuerkei-recht.de.
Hinweis
Seit Frühjahr 2004 verfügt Diem & Partner über eine Niederlassung in Istanbul. Mehr dazu unter
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 7
GESELLSCHAFTSGRÜNDUNG
IN DER TÜRKEI
Einführung
Mit dem Inkrafttreten der Zollunion am 31.12.1995 ist Bewegung in den deutsch-türkischen
Wirtschaftsverkehr gekommen. Die Zollunion hat zur weitestgehenden Abschaffung aller
Zölle zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten und der Türkei sowie zur Annahme eines
Gemeinsamen Zolltarifs gegenüber Drittstaaten geführt. Darüber hinaus gelten gemeinsame
Wettbewerbsregeln, die in ihrer Wirkungsweise große Ähnlichkeiten mit denjenigen im europäischen Binnenmarkt aufgrund des EWG-Vertrages aufweisen. Der Dienstleistungsverkehr wie auch die Niederlassungsfreiheit harren noch der Anpassung an die in der EU geltenden Freiheiten. Die türkische Großindustrie hat sich weitgehend auf die neuen Marktgegebenheiten eingestellt, die für die türkische Wirtschaft einen harten Konkurrenzkampf gegen europäische Produkte bedeuten; in der mittelständischen Industrie haben die notwendigen Strukturveränderungen eingesetzt.
Die durch die Zollunion bewirkten Erleichterungen des Warenverkehrs erhöhen die Attraktivität für Investitionen ausländischer Unternehmen auf dem türkischen Markt, auf dem mittelbis langfristig noch mit erheblichen Lohnkostenvorteilen gerechnet werden kann. Nicht zu
unterschätzen ist auch die Ausgangsposition für den weiterführenden Warenverkehr in die
Drittländer im Nahen Osten und im Osten der ehemaligen Sowjetunion. So hat sich die Türkei etwa für zahlreiche Industriebranchen zu einem etablierten Standort entwickelt, von dem
aus nicht nur in Drittländer, sondern auch in das europäische Ausland zurückexportiert wird.
An dieser Stelle sollte auch auf die Freihandelszonen in der Türkei hingewiesen werden (dazu noch einmal unten der Abschnitt „Freihandelszonen“), die zahlreiche zusätzliche Vorteile
(Befreiung von Körperschaft-, Kapitalertrag- und Lohnsteuern, Umsatzsteuer und – für Angehörige von Staaten außerhalb der Zollunion – Zöllen) bieten. Für Aktivitäten in solchen
Freihandelszonen entfällt auch der Zwang, die für Investitionen in der übrigen Türkei geltenden gesellschaftsrechtlichen Formen der Niederlassung, GmbH oder AG zu wählen.
Investitionsvorhaben, zu denen auch einmalige Projekte der Errichtung von Produktionsanlagen, Kraftwerken oder Maßnahmen zum Umweltschutz zählen können, bedürfen regelmäßig einer soliden rechtlichen Basis. Dazu gehören selbstverständlich nicht nur
sachgerecht und den Bedingungen der türkischen Rechts- und Wirtschaftsordnung entsprechend ausgearbeitete Verträge, sondern auch spezifische Formen institutionalisierter Zusammenarbeit. Ein joint-venture-Vertrag kann und sollte hierbei die Rahmenbedingungen
festlegen, die der weiteren Umsetzung und Ausfüllung bedürfen. Die Gründung einer Gesellschaft in der Türkei kann auch zum Entfall verschiedener Beschränkungen führen, wie sie
etwa zulasten von Ausländern beim Erwerb von Grundstücken oder im Berufs- und Gewerberecht gelten, weil eine ordnungsgemäß gegründete und eingetragene Gesellschaft als
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 8
juristische Person die „türkische Staatsangehörigkeit“ erwirbt. Dies ist auch ein Vorteil, den
die Kapitalgesellschaft gegenüber der Niederlassung (şube) hat, die eine weitere Variante
der Institutionalisierung einer ausländischen Investition darstellt (siehe unten „Exkurs“).
In dieser Broschüre sollen schwerpunktmäßig die beiden Gesellschaftsformen vorgestellt
werden, die für ausländische Investitionen geeignet sind: die Limited Şirket bzw. Limited Ortaklık („GmbH“) und die Anonim Şirket bzw. Ortaklık („AG“). Es können hier nur Grundzüge
vorgestellt werden, die eine qualifizierte anwaltliche Beratung nicht ersetzen können. Sie
bieten aber wichtige Anhaltspunkte und Kriterien für die Wahl der richtigen Gesellschaftsform.
Ausländer mussten bis Mitte 2003 einen Mindestkapitaleinsatz von 50.000,00 US-Dollar einbringen; dies hat sich inzwischen geändert.
Überblick über das türkische Gesellschaftsrecht
Das türkische Gesellschaftsrecht weist große Ähnlichkeiten mit den auch in Deutschland
bekannten Gesellschaftstypen auf; zum Teil erhebliche Unterschiede zeigen sich dann erst
bei genauerer Betrachtung der gesetzlichen Details.
Wie im deutschen Recht sind die Grundformen des „Vereins“ (dernek) und der „BGBGesellschaft“ (adi şirket) nicht im Handelsgesetzbuch, sondern im Zivilgesetzbuch (ZGB)
bzw. Obligationengesetz (OGB) geregelt. Auch die Stiftung (vakıf) ist im ZGB zu finden. Für
Verein und Stiftung gibt es außerdem Sondergesetze. Auf diese Formen institutionalisierten
Zusammenwirkens menschlicher Betätigung bzw. des Gesellschaftsrechts im weitesten Sinne brauchen wir hier nicht weiter einzugehen.
Im Handelsgesetzbuch (HGB), das in der heutigen Form (einschließlich einiger Änderungen)
seit Ende der fünfziger Jahre in Kraft ist, sind die Personen- und Kapitalgesellschaften geregelt, wie sie im wirtschaftlichen Alltag zu finden sind. Besondere Gesetze enthalten Bestimmungen zu Varianten der im HGB geregelten Gesellschaftsformen; zu nennen sind hier das
Kapitalmarktgesetz (Börsengesetz), die Gesetze zu Leasing, Versicherungen, Banken, das
Gesetz über die Zentralbank oder die Rechtsverordnung mit Gesetzeskraft über die Finanzinstitute. Auch das Genossenschaftsgesetz kann als Sondergesetz des Gesellschaftsrechts
angesehen werden.
Grundregeln
Zu den Grundregeln, die allen Handelsgesellschaften gemeinsam sind, gehören:
• Die Handelsgesellschaften haben Rechtspersönlichkeit, die sie durch die Eintragung in
das Handelsregister erwerben; sie erwerben damit auch die Kaufmannseigenschaft.
• Andere als die im HGB geregelten und in Art.136 HGB abschließend aufgezählten Typen
stehen nicht als Handelsgesellschaft zur Verfügung.
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 9
• Handelsgesellschaften sind in ihrem Handeln und Unterlassen strikt an das Gesetz und
die Vorgaben des Gesellschaftsvertrages bzw. der Satzung gebunden. Abweichungen
führen zur Nichtigkeit der betreffenden Rechtsakte.
• Die Gründung von Handelsgesellschaften erfolgt auf der Grundlage eines schriftlich abgefassten Gesellschaftsvertrages; eine formale Minimalanforderung ist die notarielle Beglaubigung der Unterschrift der Gesellschafter.
Die Gesellschaftsformen
Die einfachste Gesellschaftsform des HGB ist diejenige der Kollektivgesellschaft (kollektif
şirket), eine Personengesellschaft, die mit der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) des
deutschen HGB verglichen werden kann. Hier vereinigen sich mindestens zwei natürliche
Personen zu gemeinsamer wirtschaftlicher (kaufmännischer) Betätigung, wobei neben der
Gesellschaft selbst jeder der Partner für Handeln und Unterlassen der Gesellschaft mit seinem ganzen Vermögen haftet. Die Vertretung der Gesellschaft steht den Gesellschaftern zu.
Eine weitere Form der Personengesellschaft ist die der Kommanditgesellschaft (komandit
şirket). Sie unterscheidet sich von der Kollektivgesellschaft dadurch, dass die Position der
vollhaftenden Gesellschafter nur von den Komplementären (komandite) eingenommen werden, während die Kommanditisten (komanditer) nur in der Höhe ihrer Einlage haften und
auch nur insoweit am Verlust beteiligt sind (Ausnahme: volle Haftung, wenn ein Kommanditist in der Firma genannt wird). Ihre Anteile sind vererblich und mit Zustimmung der
übrigen Gesellschafter auch ohne weiteres übertragbar. Ohne besondere Vereinbarung sind
die Kommanditisten nicht zur Geschäftsführung oder Vertretung der Gesellschaft berechtigt.
Bereits in die Kategorie der Kapitalgesellschaften gehört die Kommanditgesellschaft auf
Aktien (sermayesi paylara bölünmüş komandit şirket). Für das Verhältnis zwischen
Komplementären bzw. Kommanditisten zur Gesellschaft und gegenüber Dritten gelten die
Regeln über die Kommanditgesellschaft, im übrigen die Regeln über die Aktiengesellschaft.
Die Aktiengesellschaft (anonim şirket) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung
(limited şirket) sind Kapitalgesellschaften. Sie werden unten ausführlicher behandelt werden.
Die in Deutschland seit einiger Zeit mögliche Form der Partnerschaftsgesellschaft ist dem
türkischen Recht unbekannt; türkische Unternehmen können auch noch nicht Mitglied einer
EWIV – Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung – als europarechtliche Form einer Gesellschaft werden.
Hinweis
Gesellschaftsgründung durch Ausländer
In Freihandelszonen
gelten zum Teil Sonderregeln.
Voraussetzung
für
die
Gesellschaftereigenschaft
ist
Rechtspersönlichkeit. Diese steht natürlichen oder juristischen
Personen zu. Bei den Personengesellschaften können nur
natürliche Personen den Gesellschafterstatus erwerben; wo sich
juristische Personen zu einer Gesellschaft ohne eigene
Rechtspersönlichkeit zusammenfinden, entsteht eine „BGB-Gesellschaft“ – das typische
Joint Venture oder die „Arge“ (Arbeitsgemeinschaft). Das türkische Recht kennt keine Einschränkungen bezüglich der Staatsangehörigkeit der Gesellschafter. Allerdings ergeben sich
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Einschränkungen aus Rechtsvorschriften außerhalb des Gesellschaftsrechts. Am einfachsten ist es für Ausländer, über die Gründung einer Kapitalgesellschaft wirtschaftlich Fuß zu
fassen. Zwar sind Ausländer von der Formierung von Personengesellschaften nicht ausgeschlossen, doch muss hier auf begleitende aufenthaltsrechtliche und berufsrechtliche Beschränkungen geachtet werden. Für denjenigen, der sich nicht in Person in der Türkei niederlassen will, sind die Formen der Kapitalgesellschaften nach wie vor am besten geeignet,
wirtschaftliche Interessen in der Türkei zu verfolgen.
Die GmbH
Die GmbH dürfte, zumal nach einer Reform im Jahre 1995, für ausländische Investoren des
Mittelstandes die am besten geeignete gesellschaftsrechtliche Form für Investitionen in der
Türkei darstellen. Sie ist durch folgende Grundelemente charakterisiert:
• Die GmbH ist eine juristische Person.
• Sie besteht aus mindestens zwei natürlichen oder juristischen Personen.
• Die Gesellschafter verfolgen einen gemeinsamen Zweck.
• Die Stimmen der Gesellschafter sind gleichberechtigt.
• Die GmbH bildet den rechtlichen Mantel für einen kaufmännischen Betrieb.
• Die GmbH hat ein bestimmtes Stammkapital.
• Die GmbH beruht auf einem Vertrag (Satzung, Gesellschaftervertrag).
• Die GmbH hat eine Firma.
• Die Haftung ist beschränkt.
• Die GmbH ist rücklagepflichtig.
Gründungsformalitäten
Es ist ein Gesellschaftsvertrag zu errichten. In diesem müssen enthalten sein:
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Angaben zu den Gesellschaftern nebst deren notariell beglaubigten Unterschriften
-
Gesellschaftszweck
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Firma
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Sitz
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Art und Höhe des Kapitals
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Dauer der Gesellschaft
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Geschäftsführung
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Gewinn- und Verlustbeteiligung
(1) Von der örtlichen Gemeinde ist die Bestätigung der Gewerbeanzeige (tasdikname) einzuholen.
(2) Mit diesen Unterlagen ist ein Antrag beim Handelsregister zu stellen. Der Antrag hat zu
enthalten:
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Name, Anschrift und Staatsangehörigkeit der Gesellschafter
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vereinbarte Gesellschafteranteile
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tatsächlich gezahlte Anteile
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Namen der Geschäftsführer
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Vertretungsform der Gesellschaft
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ggf. Angaben über den Anteil eingebrachten Sachvermögens
Dem Antrag sind folgende Unterlagen beizufügen:
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Erklärung der Gesellschafter über die Gründung der Gesellschaft mit einzelnen Angaben
hierzu
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Nachweis über die Geschäftsfähigkeit der Gesellschafter
-
drei Ausfertigungen der Satzung
-
Erlaubnisbescheid des Handelsministeriums (2003 entfallen)
-
Bankbescheinigung über die Kapitaleinlage
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Gewerbeanzeige der örtlichen Gemeinde
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notariell beglaubigtes Unterschriftenzirkular
(3) Es ist die Bekanntmachung der Gründung im Handelsregisterblatt zu beantragen, wobei
die Bescheinigung des Handelsregisters und der Gesellschaftsvertrag beizufügen sind.
Auf Nachweis der Beantragung der Bekanntmachung und Zahlung der Bekanntmachungsgebühr kann die Tätigkeit der Gesellschaft aufgenommen werden.
Besonderheiten
Zu beachten ist, dass bestimmte Tätigkeitsfelder durch das Gesetz anderen Gesellschaftsformen, meist der AG, vorbehalten sind. Dies gilt z.B. für das Versicherungs- und
Bankenwesen. Eine entsprechende Beschränkung in den Rechtsvorschriften über das Modell „Yap-İşlet-Devret“ (Bauen-Betreiben-Übergeben) ist aufgehoben worden.
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Firma
Die Firma - der Name der Gesellschaft - muss den Gegenstand des Unternehmens bezeichnen und die Gesellschaftsform angeben, dies kann auch in abgekürzter Form („Ltd. Sti.“)
geschehen. Ausgeschrieben muss die Gesellschaftsform werden, wenn in der Firma Gesellschafternamen enthalten sind.
Die Gesellschafter und ihre Anteile
Die Anzahl der Gesellschafter muss mindestens zwei und darf höchstens fünfzig betragen.
Die Gründung einer Einmann-GmbH ist nicht möglich; fällt bei einer aus zwei Gesellschaftern
bestehenden GmbH ein Gesellschafter aus, so ist die Gesellschaft zu liquidieren. Ob sie als
Einmann-GmbH fortbestehen kann, ist umstritten. Von der Rechtsprechung wird diese Möglichkeit noch nicht anerkannt, auch wenn in der Praxis durchaus Einmann-GmbH’s anzutreffen sind.
Die Gesellschafter können sowohl natürliche als auch juristische Personen sein mit der Folge, dass sich hier interessante Verschachtelungen ergeben können.
Beispiel: Auf einem Grundstück soll ein Geschäftshaus errichtet werden. Für den Kauf und die
Verwaltung des Grundstücks, für die Verwaltung des Geschäftshauses (Vermietungen etc.)
und für den Betrieb einzelner Geschäfte können jeweils verschiedene GmbH’s gegründet werden. Wirkt bei der Gründung nur einer dieser Gesellschaften ein Ausländer - z.B. mit 90% mit, so braucht er die Einlage in Devisen nur einmal zu leisten: die erste GmbH beteiligt sich
als juristische Person mit „türkischer Staatsangehörigkeit“ an jeweils den anderen GmbH’s mit
der Folge, dass die Einlagen in TL erfolgen können. Der zweite Gesellschafter ist mit jeweils
10% an jeder der GmbH’s beteiligt.
Die Gesellschafter können alle Ausländer sein. Die Einlagepflicht von USD 50.000,00 für
jeden ausländischen Gesellschafter ist im Juni 2003 entfallen.
Die Stellung eines Gesellschafters kann durch Übernahme eines Anteils rechtsgeschäftlich
(durch Vertrag), durch Erbgang oder bei Eheleuten im Wege einer güterrechtlichen Auseinandersetzung erworben werden. Das Gesetz sieht eine Zustimmung der übrigen Gesellschafter nur für den vertraglichen Anteilsübergang vor. Allerdings kann der Erwerb eines
Anteils im Wege des Erbgangs im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen werden, so dass die
Erben allenfalls einen Erbersatzanspruch in Form einer Geldzahlung erhalten. Ein Anteilsübergang kann im Gesellschaftsvertrag auch vollständig untersagt werden.
Die Gesellschafter sind bei der Bağ-Kur, einer Sozialversicherung für Selbständige, pflichtversichert.
Das Kapital und die Anteile
Das Stammkapital der GmbH hat 5 Mrd TL zu betragen; Altgesellschaften müssen ihr Kapital
bis 31.12.2003 (Antragsfristen) bzw. 30.6.2004 (Vollzugsfristen) anpassen. Es kann in Geld
und in Sachleistungen eingebracht werden. Der Ministerrat ist mit der genannten Änderung
des HGB ermächtigt worden, die Mindesthöhe des Kapitals auf das bis zu Zehnfache neu
festsetzen, so dass insofern darauf zu achten ist, ob eine solche Bestimmung getroffen worden ist; damit ist wegen der fortgesetzten inflationären Entwicklung der türkischen Lira immer
wieder zu rechnen. Jeder Gesellschafter hat sich mit mindestens TL 25 Mio Stammeinlage
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oder einem Vielfachen dieses Betrages zu beteiligen. Anders als bei der AG ist der GmbHAnteil nicht verkehrsfähig, kann also ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter nicht frei
übertragen werden; insbesondere können über GmbH-Anteile keine Wertpapiere ausgestellt
werden. Damit ist der Gang an die Börse ausgeschlossen. Das Stammkapital ist zur Zeit bei
Gründung mit einem Viertel einzuzahlen, der Rest ist innerhalb von drei Jahren einzulegen.
Haftung
Für das Handeln und Unterlassen der Gesellschaft haftet nur die Gesellschaft mit ihrem
Vermögen. Die Gesellschafter haften gegenüber Dritten nicht persönlich, die Haftung der
Gesellschaft kann im Prinzip zum Verbrauch der Einlage führen.
Eine Besonderheit stellt die Haftung der Gesellschafter gegenüber Forderungen der öffentlichen Hand (insbesondere der Sozialversicherung und des Finanzamts) dar. Kann die öffentliche Hand eine Forderung bei der Gesellschaft nicht beitreiben, darf sie gegen die Gesellschafter vorgehen. Deren Haftung ist dann auf die Summe desjenigen Anteils aus der Forderung beschränkt, der dem Anteil am Kapital der Gesellschaft entspricht. Besteht etwa gegen
eine GmbH eine Steuerschuld in Höhe von Euro 1 Mio, so hat ein Gesellschafter mit 10%
Geschäftsanteil immerhin Euro 100.000 an das Finanzamt zu bezahlen..
Organe der Gesellschaft
Hauptorgan ist die Gesellschafterversammlung. Entscheidungen der Gesellschafterversammlung können bei einer GmbH mit weniger als zwanzig Gesellschaftern auch im
schriftlichen Verfahren herbeigeführt werden. Die Gesellschafterversammlung trifft die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen; sie bestellt insbesondere den/die Geschäftsführer.
Das Stimmrecht berechnet sich nach den Anteilen. Jeder Anteil vermittelt dem Anteilseigner
eine Stimme. Eine Bestimmung des HGB, wonach ein Gesellschafter nicht mehr als ein Drittel der Stimmen auf sich vereinigen durfte, ist inzwischen gestrichen worden.
Die Gesellschafter können sich bei GmbH’s mit mehr als 20 Gesellschaftern in der Gesellschafterversammlung auch vertreten lassen; bei kleineren Gesellschaften ist dies umstritten
und wird von der Rechtsprechung abgelehnt.
Die ordentliche Gesellschafterversammlung hat in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres stattzufinden. Weitere Gesellschafterversammlungen werden bei Bedarf aufgrund
formeller Ladung oder im schriftlichen Verfahren (Umlaufverfahren) durchgeführt. Die Ladung und die Bestimmung der Tagesordnung obliegen der Geschäftsführung.
Die Geschäftsführung vertritt die Gesellschaft nach außen, nicht die Gesellschafterversammlung. Bei dieser Funktionenteilung bleibt es auch, wenn Gesellschafterversammlung und Geschäftsführung personell zunächst identisch sind. Grundsätzlich werden
die Geschäfte der GmbH von den Gründungsgesellschaftern geführt; die später hinzukommenden Gesellschafter treten jedoch nicht automatisch in diese Befugnis ein. Die Satzung
kann die Geschäftsführung anders regeln oder der Gesellschafterversammlung eine entsprechende Regelungskompetenz übertragen.
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Ein Aufsichtsrat (Revisoren) ist in der Größenordnung unter 20 Gesellschaftern nicht erforderlich.
Satzungsänderung
Falls der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht, erfolgen Satzungsänderungen durch
die Gesellschafterversammlung mit zwei Drittel der Stimmen; das früher für Gesellschaften
mit bis zu fünf Gesellschaftern gültige Erfordernis der Einstimmigkeit ist inzwischen aufgehoben worden. Das Erfordernis, Satzungsänderungen durch das Handels- und Industrieministerium genehmigen zu lassen, ist im Juni 2003 entfallen. Die Änderung wird mit Eintragung in
das Handelsregister und der Bekanntmachung im Handelsregisterblatt wirksam. Auch die
Erhöhung oder Herabsetzung des Kapitals gelten als Satzungsänderung, wobei die Erhöhung nur einstimmig möglich ist. Dagegen gilt die Übertragung von Gesellschafteranteilen
nicht als Satzungsänderung.
Buchführung
Es bestehen umfassende Buchführungspflichten. Gesellschafterversammlungen und beschlüsse sind zu protokollieren; es ist über Ausgaben und Einnahmen Buch zu führen
(doppelte Buchführung); das Inventar der Gesellschaft ist zu registrieren.
Beendigung der Gesellschaft
Die Beendigung der Gesellschaft kann bereits im Gesellschaftsvertrag, etwa für den Fall des
Ablaufs einer bestimmten Zeit, vorgesehen sein. Die klassischen Fälle der Beendigung sind
die Auflösung durch Gesellschafterbeschluss mit Dreiviertelmehrheit an Personen und Kapital, durch Konkurseröffnung, durch Gerichtsurteil. Auch der Ausfall eines Gesellschafters,
etwa durch seinen eigenen Konkurs, kann zur Auflösung führen, es sei denn, den übrigen
Gesellschaftern gelingt es durch geeignete Maßnahmen, die Auflösung zu verhindern (Beispiel: Befriedigung der Gläubiger des in Konkurs gegangenen Gesellschafters). Findet die
Auflösung nicht im Wege des Konkurses statt, ist die Auflösung von den Gesellschaftern
beim Handelsregister anzumelden.
Nach der Auflösung erfolgt die Liquidation der Gesellschaft durch Liquidatoren, die durch die
Satzung oder Beschluss der Gesellschafterversammlung, unter Umständen auch durch die
Geschäftsführung bestellte Liquidatoren. Nach Abschluss des Liquidationsverfahrens wird
die GmbH im Handelsregister gelöscht.
Die Aktiengesellschaft
Grundelemente der AG
Die AG gehörte bis vor kurzem zu den beliebtesten Gesellschaftsformen in der Türkei. Grund
hierfür war, dass die Anforderungen an die Höhe des Stammkapitals bis vor wenigen Jahren
relativ niedrig waren und die Anteile besonders leicht zu übertragen sind. Beliebt ist die AG
vor allem als „Familiengesellschaft“, in der der Familienvater etwa 96% der Anteile hält und
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 15
die restlichen 4% auf Familienmitglieder verteilt werden. Mit den entsprechenden Vollmachten lässt sich die AG dann durch den Hauptanteilseigner in fast absolutistischer Form leicht
führen.
Für den in- wie ausländischen Investor besteht ein Nachteil darin, dass mindestens fünf Gesellschafter notwendig sind. Für das ausländische Konsortium wiederum ist sie eine durchaus geeignete und daher auch gebräuchliche Form, der Investition oder dem Projekt einen
gesellschaftsrechtlichen Rahmen zu geben. Die AG ist durch folgende Grundelemente charakterisiert:
• Die AG ist eine juristische Person.
• Sie besteht aus mindestens fünf natürlichen oder juristischen Personen.
• Die Gesellschafter verfolgen einen gemeinsamen Zweck.
• Die Gesellschafter sind gleichberechtigt (Ausnahmen sind möglich).
• Die AG bildet den rechtlichen Mantel für einen kaufmännischen Betrieb.
• Die AG hat ein bestimmtes Stammkapital, das in zahlreiche kleine Einheiten aufgeteilt ist.
• Die AG beruht auf einem Vertrag (Satzung, Gesellschaftervertrag).
• Die AG hat eine Firma.
• Die Haftung ist beschränkt.
• Die AG ist rücklagepflichtig.
• Bestimmte Formen der AG bleiben auch nach der Reform 2003 erlaubnispflichtig (z.B.
Banken, Versicherungen)
Die Grundelemente ähneln also der GmbH.
Es gibt zwei Gründungsformen: Die Einheitsgründung und die Stufengründung. Deren wesentlicher Unterschied besteht im Zeitpunkt der Einzahlung des Kapitals.
Einheitsgründung
Bei dieser einfacheren Gründungsform übernehmen die Gesellschafter (Aktionäre) von vorneherein sämtliche Aktien der Gesellschaft.
(1) Es ist ein Gesellschaftsvertrag zu errichten und notariell zu beurkunden. In diesem müssen enthalten sein:
-
Hinweis auf „Einheitsgründung“
-
Angaben zu den Gesellschaftern nebst deren notariell beglaubigten Unterschriften
-
Gesellschaftszweck
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-
Firma
-
Sitz
-
Art und Höhe sowie Art und Weise der Einzahlung des Kapitals
-
Anzahl der Anteile bzw. Aktien sowie Bestimmung ihres Nominalwerts
-
Dauer der Gesellschaft
-
Verwaltungsrat (Vorstand)
-
Aufsichtsrat (Revisoren)
-
Gewinn- und Verlustbeteiligung
(2) Das Kapital ist bereitzustellen.
(3) Dem Antrag sind beizufügen:
-
sechs notariell beglaubigte Ausfertigungen des Gesellschaftsvertrages
-
Bankbestätigung über die Mindestbareinlagen
-
bei juristischen Personen als Gesellschaftern: Original oder beglaubigte Ausfertigung des
Beitrittsbeschlusses der zuständigen Organe
-
Genehmigung des Industrie- und Handelsministeriums (nur bei Kredit- und Finanzinstituten, Versicherungen, Devisenhändlern, AG-Gründungen in Freizonen u.a.)
Es ist darauf zu achten, dass es bei verschiedenen Besonderheiten weiterer Unterlagen bedürfen kann (z.B. bei Anwendbarkeit des Kapitalmarktgesetzes, des Bankengesetzes oder
anderer Sondergesetze, bei Sacheinlagen, bei Umwandlungen etc.).
(4) Von der örtlichen Gemeinde ist die Bestätigung der Gewerbeanzeige (tasdikname) einzuholen.
(5) Mit diesen Unterlagen ist innerhalb von fünfzehn Tagen ein Antrag beim Handelsregister
zu stellen. Der Antrag hat zu enthalten:
-
Name, Anschrift und Staatsangehörigkeit der Gesellschafter
-
vereinbarte Gesellschafteranteile
-
tatsächlich gezahlte Anteile
-
Namen der Geschäftsführer
-
Vertretungsform der Gesellschaft
-
ggf. Angaben über den Anteil eingebrachten Sachvermögens
Dem Antrag sind folgende Unterlagen beizufügen:
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-
Erklärung der Gesellschafter über die Gründung der Gesellschaft mit einzelnen Angaben
hierzu
-
Nachweis über die Geschäftsfähigkeit der Gesellschafter
-
drei Ausfertigungen der Satzung
-
Bankbescheinigung über die Kapitaleinlage
-
Gewerbeanzeige der örtlichen Gemeinde
-
notariell beglaubigtes Unterschriftenzirkular
(6) Es ist die Bekanntmachung der Gründung im Handelsregisterblatt zu beantragen, wobei
die Bescheinigung des Handelsregisters und der Gesellschaftsvertrag beizufügen sind.
Auf Nachweis der Beantragung der Bekanntmachung und Zahlung der Bekanntmachungsgebühr kann die Tätigkeit der Gesellschaft aufgenommen werden.
Stufengründung
Bei dieser Gründungsform übernehmen die Gesellschafter nur einen Teil der Aktien und
bringen den Rest im Publikum unter. Die Formalitäten sind ähnlich wie bei der Einheitsgründung, hinzu kommen noch einige Besonderheiten.
(1) Die Satzung ist dem Kapitalmarktausschuss (Börsenaufsichtsbehörde) zur Genehmigung
vorzulegen.
(2) 10% des Kapitals werden auf ein Sperrkonto eingezahlt.
(3) Die AG wird beim Kapitalmarktausschuss registriert.
(4) Die für das Publikum bestimmten Aktien sind beim Kapitalmarktausschuss zu registrieren.
(5) Es ist ein Prospekt anzulegen, dessen Inhalt zuvor vom Kapitalmarktausschuss bestimmt
wird. Der Prospekt ist innerhalb von fünfzehn Tagen nach der Eintragung der Aktien beim
Kapitalmarktausschuss in das Handelsregister einzutragen und bekanntzumachen.
(6) Das Publikum ist durch Rundschreiben zum Zeichnen der Publikumsaktien aufzufordern.
(7) Die Gründungsaktionäre müssen die Gründungshauptversammlung einberufen. Diese
stellt die Erfüllung der Gründungsformalitäten fest.
(8) Am Ende steht der Eintrag in das Handelsregister und die Bekanntmachung im Handelsregisterblatt.
Besonderheiten
Wie bereits gesagt, wird die AG in manchen Gesetzen als zulässige Gesellschaftsform bevorzugt (z.B. Versicherungs- und Bankenwesen).
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Firma
Die Firma – der Name der Gesellschaft – muss den Gegenstand des Unternehmens bezeichnen und die Gesellschaftsform angeben, dies kann auch in abgekürzter Form („A.Ş.“)
geschehen. Ausgeschrieben muss die Gesellschaftsform werden, wenn in der Firma Gesellschafternamen enthalten sind.
Eine eher merkwürdige Besonderheit besteht darin, dass das türkische Anwaltsgesetz seit
2001 eine Verpflichtung für AG’s mit mehr als 250 Mrd TL Stammkapital die Beschäftigung
eines Firmenanwalts vorschreibt.
Die Gesellschafter und ihre Anteile; die Aktien
Der Gesellschafterstatus wird bei der AG durch Zeichnung oder Erwerb von Aktien erworben. Die Zahl der Gesellschafter ist nach oben nicht beschränkt. Die Anzahl der Aktien entspricht nicht unbedingt der Anzahl der Gesellschafter. Fällt bei einer aus fünf Gesellschaftern
bestehenden AG ein Gesellschafter aus, so ist die Gesellschaft zu liquidieren. Wie bei der
GmbH lassen sich auch bei der AG durch die Beteiligung juristischer Personen interessante
Verschachtelungen bilden; beliebt zur Diversifizierung und haftungsmäßiger Trennung der
Geschäftsbereiche ist die Holding.
Die Gesellschafter können alle Ausländer sein. Bezüglich der Einlage von Kapital gilt hier
das gleiche wie für die GmbH.
Anders als bei der GmbH bedarf die Übertragung von Anteilen nicht der Zustimmung der
übrigen Gesellschafter; dies ist ein wesentliches Unterscheidungskriterium zwischen GmbH
und AG; allerdings kann in der Satzung die Zustimmung der Gesellschaft bestimmt werden.
Aktien sind Wertpapier, die auf den Inhaber oder einen Namen lauten, und als solche verkehrsfähig, wenn ihr Gegenwert auf das Kapital eingezahlt ist. Erfolgt die Ausgabe oder Übertragung von Aktienurkunden, ohne dass der Gegenwert eingezahlt ist, so ist die Übertragung unwirksam; der gutgläubige Erwerber hat allenfalls einen Schadensersatzanspruch.
Soweit die Satzung nichts anderes bestimmt, sind Namensaktien auszugeben. Deren Übertragung erfolgt durch Übergabe der indossierten Urkunde an den Erwerber und wird mit Eintragung in das Aktienbuch wirksam.
Die Aktien vermitteln nur dann gleiche Rechte und Pflichten, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt. Es können verschiedene Typen von Aktien, insbesondere auch Vorzugsaktien,
ausgegeben werden, mit denen den Inhabern jeweils bestimmte Rechte und Pflichten auferlegt werden. Das Stimmrecht kann dem Kapitalmarktgesetz zufolge allerdings nur bei Vorzugsaktien von Publikums-AGs ausgeschlossen werden. Im übrigen vermittelt jede Aktie
mindestens eine Stimme.
Auf einzelne weitere Besonderheiten gegenüber dem Gesellschafterstatus bei der GmbH ist
hier nur hinzuweisen: Recht auf Dividende; Bezugsrecht bei Ausgabe neuer Aktien; Recht
auf Gratisaktien bei Kapitalerhöhung aus eigenem Vermögen der AG.
Das Kapital
Das Stammkapital der AG hat mindestens 50 Mrd TL zu betragen; Altgesellschaften müssen
ihr Kapital bis 31.12.2003 (Antragsfristen) bzw. 30.6.2004 (Vollzugsfristen) anpassen. Das
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 19
Kapital kann in Geld und in Sachleistungen eingebracht werden. Das Stammkapital ist zur
Zeit bei Gründung mit einem Viertel einzuzahlen, der Rest ist innerhalb von drei Jahren einzulegen. Die Einlagepflicht von USD 50.000,00 für jeden ausländischen Gesellschafter ist im
Juni 2003 entfallen.
Haftung
Für das Handeln und Unterlassen der Gesellschaft haftet nur die Gesellschaft mit ihrem
Vermögen. Die Gesellschafter haften gegenüber Dritten nicht persönlich, die Haftung der
Gesellschaft kann allenfalls zum Kursverfall der Aktie und damit zum „Verbrauch“ der Einlage führen.
Der Vorstand und ggf. auch das einzelne Vorstandsmitglied haftet gegenüber den Aktionären
und unter bestimmten Voraussetzungen auch gegenüber Gesellschaftsgläubigern für ordnungsgemäße Geschäftsführung, sofern er nicht beweisen kann, dass ihn kein Verschulden
trifft (Exkulpationsmöglichkeit). Es ist allerdings bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen darauf zu achten, dass es keinen Haftungsdurchgriff gibt, mit anderen Worten: die Haftung gegenüber Aktionären und Gläubigern greift nur, wenn das Handeln des
Vorstandes zu einem direkten Schaden bei Aktionär oder Gläubiger geführt hat, nicht jedoch,
wenn das Gesellschaftsvermögen beschädigt wird und erst dadurch der Schaden bei Aktionär (z.B.: Kursverfall) oder Gläubiger (z.B.: Konkurs der AG) eintritt.
Auch der Aufsichtsrat haftet für sorgfaltspflichtgerechte Amtsführung.
Organe der Gesellschaft
Der Vorstand (Verwaltungsrat) vertritt die Gesellschaft nach außen und leitet ihre Geschäfte.
Er besteht aus mindestens drei natürlichen Personen, bei manchen Sonderformen der AG
auch aus mehr (Banken: fünf, Finanzinstitute: sieben), und wird von der Hauptversammlung
auf drei Jahre gewählt; Wiederwahl ist zulässig. In der Praxis wird der Verwaltungsratsvorsitzende vor allem bei Familiengesellschaften oft ermächtigt, die AG allein zu vertreten. Anders
als bei der Geschäftsführung der GmbH müssen die Mitglieder des Vorstandes Aktionäre
sein. In-sich-Geschäfte des Vorstands mit der Gesellschaft sind durch das HGB ausgeschlossen worden; es besteht ferner das übliche Wettbewerbsverbot. Die Mitglieder des
Verwaltungsrats sind in der Sozialversicherung für Selbständige, Bağ-Kur, pflichtversichert,
sofern sie berufsbedingt keiner anderen Pflichtversicherung unterliegen.
Die Satzung kann vorsehen, dass die Durchführung von Aufgaben des Vorstands auf Geschäftsführer (Direktoren) übertragen wird. Diese Geschäftsführer können aus den Vorstandsmitgliedern bestimmt oder von außen hereingeholt werden; sie brauchen nicht Aktionäre zu sein. Die Geschäftsführer werden im Handelsregister eingetragen. Die Einrichtung
einer Geschäftsführung kommt vor allem bei AGs mit großem Betätigungsumfang in Betracht. Die Geschäftsführung unterliegt den Weisungen des Vorstandes.
In der Hauptversammlung (Generalversammlung) fallen die zentralen Entscheidungen zur
Unternehmenspolitik, insbesondere Beschlüsse zur Satzungsänderung. Die Hauptversammlung bestellt den Vorstand und den Aufsichtsrat, bestätigt Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung. Sie tritt mindestens einmal im Jahr im ersten Quartal nach dem Ende einer Rechnungsperiode zusammen. Die Ladung ist im Handelsregisterblatt zwei Wochen vor dem ZuHölderlinplatz 5 – D-70193 Stuttgart – Tel. +49-711-2285450 – Fax +49-711-2265570
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sammentritt bekanntzumachen. Ein Zusammentritt ist auch ohne Einhaltung der zahlreichen
Formalitäten möglich, wenn kein Aktionär widerspricht; dies ist vor allem in Familien-AGs, in
denen der Hauptaktionär auch die übrigen Aktionäre vertritt und zugleich Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer ist, gängige Praxis; der zur Hauptversammlung zu
bestellende Regierungskommissar begnügt sich in diesen Fällen meist damit, das ihm in
seiner Amtsstube vorgelegte Versammlungsprotokoll zu unterzeichnen. Aktionäre mit insgesamt mindestens 10% der Anteile können vom Vorstand die Einberufung der Hauptversammlung verlangen. Zur Einberufung berechtigt sind neben dem Vorstand auch der Aufsichtsrat, die Liquidatoren und die Konkursverwaltung. Die Beschlussfähigkeit setzt die Teilnahme von mindestens 25% der Stimmen voraus, dieses Quorum entfällt in der anzukündigenden Ersatzversammlung.
Der aus höchstens fünf Personen bestehende Aufsichtsrat hat die Geschäfte der AG, insbesondere die Tätigkeit des Vorstands zu überwachen. Dazu gehört vor allem auch die Kontrolle der Buchführung und Finanzen. Die Bedeutung dieses Aufsichtsrats ist von praktisch weitaus geringerer Bedeutung als in der deutschen AG. Die Zahl der Mitglieder ist in der Satzung
zu bestimmen; sie müssen nicht unbedingt Aktionäre sein und können auch juristische Personen sein. Die Amtsperiode des mit der Gründung eingesetzten Aufsichtsrats beträgt
höchstens ein Jahr, danach höchstens drei Jahre. Die „Hälfte plus eins“ der Aufsichtsratsmitglieder muss die türkische Staatsangehörigkeit haben. Dies hat rechnerisch zur Folge,
dass erst ab vier Aufsichtsratsmitgliedern die Besetzung eines Postens mit einem Ausländer
in Frage kommt.
Satzungsänderung
Falls der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht, erfolgen Satzungsänderungen durch
die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit. Für die Änderung der Form und des
Zwecks der Gesellschaft müssen dabei mindestens zwei Drittel der Aktionäre vertreten sein.
Für die Erhöhung der Einlagen der Aktionäre ist Einstimmigkeit vorgesehen. Der nächste
Schritt ist die Eintragung in das Handelsregister und die Bekanntmachung im Handelsregisterblatt. Auch die Erhöhung oder Herabsetzung des Kapitals gelten als Satzungsänderung.
Dagegen gilt die Übertragung von Gesellschafteranteilen nicht als Satzungsänderung.
Buchführung
Es bestehen umfassende Buchführungspflichten. Gesellschafterversammlungen und beschlüsse sind zu protokollieren; es ist über Ausgaben und Einnahmen Buch zu führen
(doppelte Buchführung); das Inventar der Gesellschaft ist zu registrieren.
Beendigung der Gesellschaft
Das Gesetz sieht folgende Auflösungsgründe vor: Beendigung der AG nach Ablauf der im
Gesellschaftsvertrag bestimmten Frist, Erreichung oder Unmöglichkeit der Erreichung des
Gesellschaftszwecks, Verlust von zwei Dritteln des Kapitals, Verschmelzung mit einer anderen Gesellschaft, Absinken der Aktionärszahl unter fünf, Eintritt eines in der Satzung bestimmten Auflösungsgrundes, Konkurseröffnung, Auflösung durch Beschluss der Hauptversammlung, Fehlen eines zwingend vorgeschriebenen Organs, Unmöglichkeit des Zusammentritts der Hauptversammlung. Je nach Auflösungsgrund kann die Auflösung auf Antrag
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des Handelsministeriums, eines Aktionärs oder von Gesellschaftsgläubigern durch Gerichtsbeschluss erfolgen. Die Auflösung ist im Handelsregister einzutragen.
Nach der Auflösung erfolgt die Liquidation der Gesellschaft durch Liquidatoren, die durch die
Satzung oder Beschluss der Hauptversammlung, unter Umständen auch durch den Vorstand
bestellt werden; im Falle des Konkurses wird die Liquidation durch die Konkursverwalter vorgenommen. Nach Abschluss des Liquidationsverfahrens wird die AG im Handelsregister
gelöscht.
Steuerliche Fragen
Das türkische Steuersystem weist eine stark zersplitterte Steuer- und Abgabenlandschaft
auf. Zu den Steuern und Abgaben zählen neben den auch in Deutschland bekannten Steuerarten der Grundsteuer, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Mehrwertsteuer auch
die „Stempelsteuer“, Anzeige- und Reklamesteuer, Kommunikationsteuer, die Umweltabgaben sowie Fondsabgaben. Die Stempelsteuer wird mit der Errichtung des Gesellschaftsvertrages fällig und beträgt 0,6% des Vertragswertes; zu achten ist auch auf Vorauszahlungsverpflichtungen bei der Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer. Eine „Gewerbesteuer“
gibt es in der Türkei nicht.
Der steuerrechtlich maßgebliche Gewinn wird nach Abzug aller dem Gesellschaftszweck
entsprechenden Ausgaben ermittelt. Zu den abzugsfähigen Ausgaben gehören auch die
meisten der eben aufgezählten Steuern und Gebühren. Verdeckte Ausschüttungen, Strafgelder, Verzugszinsen u.ä. sind nicht abzugsfähig. Auch Investitionen sind steuerlich relevant, allerdings nicht in Form vollen Abzugs, sondern in Form von gesetzlich vorgesehenen
Privilegierungen.
Gründungskosten
Bei der Gründung einer Kapitalgesellschaft sind einige Kostenpositionen zu beachten. Die
Notarkosten betragen 1% des Gründungskapitals. Hinzu kommt eine Abgabe an die Stadtverwaltung in Höhe von z.Zt. 50 Mio TL zzgl. 1% des Kapitals, soweit es den Betrag von 2
Mrd. TL überschreitet. Für die Bekanntmachung und Eintragung sind noch einmal rund Euro
500,00 zu veranschlagen. Mit wechselnden weiteren Abgaben, z.B. Umweltabgabe, ist zu
rechnen. Schließlich ist auch an Nebenkosten zu denken, zu denen etwa Kosten für Übersetzungen von Dokumenten für die Behörden gehören. Nicht zu den Gründungskosten im
engeren und insbesondere steuerlichen Sinne gehören die Anwaltskosten. Es wird sich jedoch meist empfehlen, die Gründung und ihre Formalitäten mit Hilfe von erfahrenen Rechtsanwälten durchzuführen; die Wahl des richtigen Beraters sollte man autonom treffen und
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sich dabei nicht auf Empfehlungen des türkischen Partners verlassen. Die Kosten bei türkischen Anwälten hierfür variieren nach der Höhe des Kapitals; in der Regel werden die Anwaltsgebühren in Honorarvereinbarungen festgelegt. Erfahrene türkische Anwaltskanzleien
fordern jedoch selten weniger als Euro 2500,00 für eine einfache Gesellschaftsgründung mit
Standardsatzung; wird Phantasie bei der Gestaltung erwartet, gehen die Kosten zum Teil
deutlich nach oben. Die Gründungskosten im engeren Sinne trägt die zu gründende Gesellschaft, weitere Kosten - z.B. die Anwaltskosten - können der zu gründenden Gesellschaft
durch Beschluss der Gründungsgesellschaft auferlegt werden.
Exkurs: Niederlassung und Verbindungsbüro
Auch die Gründung einer Niederlassung ist in der Türkei möglich. Die Niederlassung einer
ausländischen Gesellschaft hat keine eigene Rechtspersönlichkeit, begründet aber einen
Gerichtsstand mit der Folge, dass die Muttergesellschaft auch am Sitz der Niederlassung
verklagt werden kann. Die Pflicht zur Beibringung von USD 50.000,00 für jeden ausländischen Gesellschafter ist im Juni 2003 entfallen. Schließlich weist die Niederlassung verschiedene steuerliche Nachteile auf. Auch die von der Niederlassung mit örtlichen Arbeitskräften abgeschlossenen Verträge unterliegen türkischem Recht Die Umwandlung der Niederlassung in eine Kapitalgesellschaft ist jederzeit möglich. Allerdings handelt es sich dabei
um eine Betriebsänderung, die auch Konsequenzen für die bestehenden Arbeitsverhältnisse
hat. Denn die Umwandlung der Niederlassung in eine Kapitalgesellschaft führt rechtlich zu
einem Betriebsübergang und somit formal zu einem Wechsel des Arbeitgebers.
Der kleinste Schritt auf den türkischen Markt ist derjenige über ein Verbindungsbüro. Es ist
durch das Staatssekretariat für das Schatzwesen zu genehmigen. Die Steuerbefreiung für
Arbeitnehmer solcher Büros ist zwischenzeitlich entfallen. Das Büro darf keine eigenen Einnahmen haben, sämtliche Kosten sind von der ausländischen Muttergesellschaft zu bestreiten. Diese Konstruktion bietet sich etwa für ein deutsches Unternehmen an, für welches türkische Unternehmen Auftrags – bzw. Lohnproduktionen vornehmen. Vom Verbindungsbüro
aus werden dann etwa Qualitätskontrollen durchgeführt oder der Produktionsverlauf überwacht. Denkbar ist es auch zur Sondierung und Vorbereitung mittel- und langfristiger Pläne,
mit einer eigenen Niederlassung oder einem Joint-Venture-Unternehmen in den türkischen
Markt einzutreten.
Hinweis
In letzter Zeit hat es verschiedene Änderungen der
Gesetzeslage gegeben. Es ist damit zu rechnen,
dass es in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen zu weiteren Änderungen kommen wird.
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IMMOBILIENERWERB IN DER TÜRKEI
Einführung
Beim Erwerb von Grundstücken in der Türkei sind zahlreiche Vorschriften und Regeln zu
beachten, die meist auch von den in Deutschland tätigen Vermittlern nicht überschaut und
von den Geschäftspartnern in der Türkei häufig übergangen werden. Dies führt vor allem im
Zusammenhang mit dem Kauf von Ferienimmobilien regelmäßig zu Schwierigkeiten, die zumeist auf seiten der Käufer zu erheblichen Schäden führen.
Grundlagen des türkischen Rechts
Das türkische Grundstücksrecht wird zunächst von den sachenrechtlichen Vorschriften des
türkischen Zivilgesetzbuches (ZGB) bestimmt, das bekanntlich eine inzwischen mehrfach
geänderte Übersetzung des schweizerischen ZGB darstellt. Bei den sachenrechtlichen Vorschriften herrscht noch weitgehende Identität, so dass zum Verständnis des türkischen Sachenrechts, insbesondere zu Fragen des Eigentumserwerbs, der Blick auf deutschsprachige
Literatur zum entsprechenden schweizerischen Recht hilfreich sein kann. Mit der Zivilrechtsreform, die am 1.1.2002 in Kraft getreten ist, wurde neben redaktionellen und terminologischen Änderungen lediglich eine neue Zählung der Artikel eingeführt, die auf umfangreiche
Änderungen und Neuerungen im Bereich des Familienrechts zurück zu führen ist.
Für den Ferienhauskauf ist ferner das Gesetz über das Stockwerkseigentum wichtig, das in
einigen Zügen Ähnlichkeiten auch mit dem deutschen WEG aufweist, sich in wesentlichen
Punkten jedoch auch grundlegend hiervon unterscheidet. Es enthält auch die in der Türkei
geltenden Vorschriften zum Zeiteigentum (vgl. time sharing). Ebenfalls praktische Bedeutung
hat das Gesetz über die Genossenschaften, da manche Wohnungs- und Ferienhausprojekte
unter dem Dach einer Baugenossenschaft entstehen und durchgeführt werden.
Ferner spielt das Grundbuchgesetz eine Rolle, aufgrund dessen die gut organisierte Grundbuchverwaltung mit der Generaldirektion für das Grundbuch- und Katasterwesen (Tapu ve
Kadastro Genel Müdürlüğü) in Ankara an der Spitze tätig ist. Restriktionen zulasten ausländischer Immobilienerwerber enthalten das Dorfgesetz, das die Rechtslage der Dorfgemeinden regelt, und das Gesetz über die militärischen Sicherheitszonen, das vor allem an der
türkischen Westküste regelmäßig dazu führt, dass Grundeigentum nicht auf Ausländer übertragen werden kann.
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Zu beachten ist schließlich, dass das türkische Recht Formvorschriften bereithält, die sich
zum Teil von den hierzulande bekannten Regelungen unterscheiden.
Eigentumserwerb an Grundstücken
Der klassische Erwerb von Grundeigentum erfolgt über die Eigentumsübertragung auf der
Grundlage schuldrechtlicher Verpflichtungsverträge.
Der Erwerb von Eigentum an Grundstücken erfolgt durch Eintragung des neuen Eigentümers
in das Grundbuch; die Eintragung wiederum erfolgt auf der Grundlage gegenseitiger Verpflichtungserklärungen, die vor dem Grundbuchbeamten abzugeben sind und über die eine
öffentliche Urkunde (resmî senet) errichtet wird. Diese Urkunde bildet den eigentlichen
„Kaufvertrag“. Das regelmäßig zuvor abgegebene Grundstücksverkaufsversprechen (satış
vaadi) ist zwar immerhin notariell zu beurkunden, stellt jedoch rechtlich lediglich einen Vorververtrag dar, der den Erwerb durch Dritte nicht hindert. Wird er allerdings im Grundbuch
beigeschrieben (şerh), ist der dazwischen geratene Erwerber des Grundstücks verpflichtet,
dem ursprünglichen Käufer das Grundstück zu verkaufen.
Der Vertrag in der Praxis
Grundsätzlich sind die auf den Eigentumserwerb ausgerichteten Verträge vom Bauwerkvertrag zu unterscheiden, werden jedoch häufig miteinander verbunden. Typische Mängel dieser Konstruktionen sind das Fehlen zureichender Baubeschreibungen, wodurch die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen erschwert wird, und den Käufer einseitig benachteiligender Zahlungsmodalitäten. Bei diesen wird vom Käufer häufig nicht erkannt, dass
er zur Vorleistung des vollen Kaufpreises verpflichtet wird; es fehlt in der Regel auch an der
Bestimmung von exakten Übergabemodalitäten und vor allem an einer Baufortschrittskontrolle. Häufig zu beobachten ist auch der Verzicht auf notarielle Beurkundung mit der Folge,
dass die Vertragskonstruktion - sofern der Grundstückskauf zu ihren wesentlichen Bestandteilen gehört - bis zur Errichtung der „resmî senet“ vor dem Grundbuchamt - schwebend unwirksam ist.
Der Erwerb von Stockwerkseigentum
Beim Kauf von Ferienimmobilien sind meistens die Besonderheiten entweder des Genossenschaftsgesetzes oder des Gesetzes über das Stockwerkseigentum zu beachten.
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Der Erwerb von Stockwerkseigentum ist im Anschluss an eine Teilungsanordnung durch das
Grundbuch möglich und vollzieht sich auf zwei Stufen. Vor Fertigstellung und Abnahme der
Wohneinheiten erwirbt der Käufer einen ideellen Anteil an der Anlage (kat irtifaki) und wird
Miteigentümer am gesamten Grundstück zu einem bestimmten, klar definierten Anteil. Im
Grundbuch wird das kat irtifaki wie eine Dienstbarkeit behandelt. Nach der späteren, den
genehmigten Plänen entsprechenden Fertigstellung des Gesamtbauwerks kann die Eintragung als Stockwerkseigentum (kat mülkiyeti) erfolgen.
Kommt es erst nach Fertigstellung des Bauwerks und Eintragung der Anlage als Stockwerkseigentum zum Kauf bzw. Verkauf, so ist Gegenstand des Grundstückskaufvertrages
(und ggfs. des vorangehenden Kaufversprechens) der Grundstücksanteil in der nunmehr auf
ein bestimmtes Gebäudeteil konkretisierten Form, also Stockwerkseigentum im eigentlichen
Sinne.
Zeiteigentum (Time Sharing)
Die Konstruktion des Zeiteigentums bezieht sich nicht auf einen geographischen bzw. räumlichen Anteil am Gebäudekomplex, sondern einen nach Wochen und Tagen bemessenen
zeitlichen Nutzungsanteil (devre mülk). Im übrigen gelten die Bestimmungen über das
Stockwerkseigentum entsprechend. Das Besondere gegenüber der time-sharing-Praxis in
anderen Ländern ist, dass das Zeiteigentum wie gewöhnliches Grundeigentum behandelt ist:
es wird im Grundbuch eingetragen und kann mit Dienstbarkeiten und Hypotheken belastet
werden.
Ausländer als Käufer
Inländer, also türkische Staatsangehörige mit dauerndem Aufenthalt in der Türkei, unterliegen allein den allgemeinen Beschränkungen beim Erwerb von Grundeigentum. Der Erwerb
von Grundeigentum durch Ausländer jedoch ist nur dann möglich, wenn das Recht des Heimatlandes des Ausländers den Türken ebenfalls ein
Hinweis:
solches Recht gewährt (Gegenseitigkeitsprinzip); diese
Voraussetzung ist im Verhältnis zu Deutschland gegeEine ausführliche Darstellung des
ben.
türkischen Immobilienrechts findet
sich im Länderteil „Türkei“ im
Handbuch des Immobilienrechts in
Europa, hrsg. v. Frank/Wachter,
Verlag C.F. Müller, Heidelberg
2004
Im übrigen gelten vereinzelte Sondervorschriften. So ist
In militärischen Sicherheitszonen, die aufgrund des
entsprechenden Gesetzes auf Vorschlag des Militärs
vom
Ministerrat
festgelegt
werden,
ist
der
Grundstückserwerb durch Ausländer weiterhin nicht möglich. Auf solchem Gelände dürfen
Ausländer nicht einmal Mietverhältnisse eingehen. Oft wird das Eingehen von Mietverhältnissen jedoch geduldet. Ob es sich um eine militärische Sicherheitszone handelt, lässt das
zuständige Grundbuchamt durch eine Anfrage bei der örtlichen Kommandantur der Streitkräfte klären.
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Das Verbot des Grundstückserwerbs für Ausländer innerhalb der Dorfgrenzen ist im Sommer
2003 aufgehoben worden. Im übrigen ist der Erwerb von Grundeigentum auf Gelände unter
30 Hektar begrenzt, falls nicht eine Genehmigung des Ministerrats erwirkt wird. Diese Bestimmung ist allerdings in der Regel für bauwillige Käufer uninteressant, da es hier um landwirtschaftlich zu nutzendes Gebiet geht. Inwieweit hier dann doch Bauwerke errichtet werden
können, hängt unter anderem davon ab, inwieweit sie als landwirtschaftlich nutzbar definiert
werden können.
Devisen und Steuern
Die Devisenbewirtschaftung stellt heute kein Hindernis bei Erwerb und Veräußerung von
Grundstücken durch Ausländer dar. Neben den Notarkosten entstehen als wichtigste Nebenkosten die Grundbuchgebühren, die 3% des Kaufpreises betragen und hälftig von jeder
Partei zu tragen sind. Bei einer Eigentumsumschreibung fallen diese Gebühren sowohl auf
seiten des Verkäufers als auch auf seiten des Käufers an. Die Grundsteuer beträgt 1 Promille pro Jahr, die seit kurzem halbjährlich zu erklären ist. Für die ersten Jahre und für touristische Gelände gibt es verschiedene Ausnahmen und Befreiungen. Mit der Umwandlung von
kat irtifakı in kat mülkiyeti entstehen keine neuen Abgaben.
Hinweis:
Formfragen
Aktuelle Informationen zum türkischen Wirtschaftsrecht
finden Sie auch unter
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Das „Kaufversprechen“ (satış vaadi) bedarf der notariellen Beurkundung. Dies ist auch zu
beachten, wenn es sich um einen Vertrag handelt, der sowohl Verpflichtungen zur Übertragung von Eigentum und Zahlung eines auch auf das Grundstück bezogenen Kaufpreises als
auch bauwerkvertragliche Bestimmungen enthält.
Der Abschluss von Kaufverträgen erfolgt häufig auf der Grundlage von Vollmachten, die oft
zu allgemein gefasst sind und den Käufer damit dem Belieben des Vermittlers oder des Verkäufers ausliefern. Die Vollmachten unterliegen exakten Formvorschriften, sie sind notariell
zu beurkunden.
Hinweis
Seit Frühjahr 2004 verfügt Diem
& Partner über eine Niederlassung in Istanbul. Mehr dazu
unter
www.d-p-consult.com
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 Juli 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 27
FORDERUNGSBEITREIBUNG IN DER TÜRKEI
Problemstellung
Die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen sind nicht nur von mehr als zwei Millionen
Türken in Deutschland und jährlich Hunderttausenden von deutschen Touristen an türkischen Küsten ge-prägt. Vielmehr ge-hen große Unterneh-men und mittel-ständische Firmen
in erheblichem Umfang Geschäftsbeziehun-gen mit türkischen Partnern ein, sei es, um in
Produktionen in der Türkei zu investieren und sich dadurch Kostenvorteile zunutze zu machen, sei es, weil türkische Zulieferer bei günstigen Preisen zunehmend auch gute Qualität
bieten. Mit dem Umfang der Wirtschaftsbeziehungen steigen auch die Konflikte, die nicht
immer zur Zufriedenheit derjenigen, die das Recht auf ihrer Seite haben, gelöst werden können. Die Mühlen der Justiz mahlen langsam, in der Türkei erfahrungsgemäß noch langsamer
als in Deutschland. Die anwaltliche Aufgabe der Forderungsbeitreibung stellt daher gerade
im
deutsch-türkischen
Rechtsverkehr
Hinweis
eine
besondere
Herausforderung dar. Eine
andere
Mehr ...
Sprache,
andere
Mentalität
... zur Vollstreckbarkeit von deutschen Urteilen
sorgen
für
weitere
Barrieren,
die
in der Türkei unter
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überwunden werden müssen,
gewitzte
Schuldner genießen ihren
„Heimvorteil“.
... zur Zwangsvollstreckung: Handbuch der
Internationalen Zwangsvollstreckung, Verlag
Es kommt daher ganz
Recht und Praxis, „Türkei“.
darauf an, den richtigen
finden, der dem Gläubiger
eröffnet
–
mit
überschaubarem und kalkulierbarem Risiko.
wesentlich
Ansatz
zu
die
Türkei
Vorab werfen wir jedoch einen Blick auf das türkische Gerichtssystem.
Das türkische Gerichtssystem
Das türkische Gerichtssystem kennt ein Verfassungsgericht, oberste Gerichtshöfe im Bereich der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit sowie der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Militärgerichtsbarkeit. Grundsätzlich ist es zweistufig, das Rechtsmittel der Berufung ist dem System – derzeit noch - unbekannt.
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 Juli 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 28
Eingangsinstanz ist in den typischen zivil- und handelsrechtlichen Streitigkeiten die „Zivilkammer“ (asliye hukuk mahkemesi). Gegen Urteile dieser Kammern ist die Kassation (Revision) zum Kassationshof (Yargıtay) gegeben. Verweist dieser zurück und beharrt die Zivilkammer auf dem alten Urteil, kommt es erneut zu einem Verfahren beim Kassationshof,
diesmal dem „Großen Senat“. Danach kann das Urteil rechtskräftig werden.
Das Hauptproblem ist die sehr lange Dauer der Verfahren, die durch eine übermäßig große
Anzahl mündlicher Verhandlungen geprägt ist; dies ist zum Teil auf die Überlastung und die
traditionell ungenügende Vorbereitung der Verfahrensschritte durch das Gericht zurückzuführen.
Die Vollstreckung der Urteile erfolgt durch „Vollstreckungsämter“, die den Gerichten zugeordnet sind, in Form der Sachpfändung, Immobiliarpfändung, Zwangsversteigerung und Forderungspfändung (Bankkonten!).
Die vorläufige Anspruchssicherung kann durch flankierende Maßnahmen – einstweilige Verfügung (tedbir) oder Arrest (ihtiyati haciz) – betrieben werden.
Oft wird sich die Vorschaltung eines vorläufigen Vollstreckungsverfahrens empfehlen (icra
takip), das ca. zwei Wochen dauert. Das innerhalb von sieben Tagen – gilt auch für Ausländer! – auszuübende Widerspruchsrecht führt, auf Antrag des Gläubigers, zur Überleitung ins
ordentliche Gerichtsverfahren, kann im Idealfall und mit anwaltlichem Geschick zur Verurteilung des Widersprechenden zu einer zusätzlichen Entschädigung führen, für welche keinerlei Schadensnachweise zu erbringen sind.
Die rechtliche Situation
Die rechtliche Situation stellt sich naturgemäß mit jedem Fall anders dar. Von ihr hängen
jedoch die Faktoren Zeit und Kosten sowie die Aussicht auf Erfolg ab, mit anderen Worten,
das Kostenrisiko.
Die Situationsvarianten lassen sich stufenweise darstellen.
Stufe 1:
Der Gläubiger hat eine Forderung, die weder in Deutschland noch in der Türkei geltend gemacht worden ist. Es bedarf der Feststellung des Aufenthaltsorts des Schuldners, damit eine
Klage zugestellt werden kann (zum türkischen Prozessrecht siehe den Kasten). Ausnahmsweise lassen deutsche und türkische Gerichte aber auch die „öffentliche Zustellung“ zu, mit
der diese erste Hürde überwunden werden kann.
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 Januar 2003
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 29
Stufe 2:
Die Klage ist zugestellt und das Verfahren hat begonnen. Noch während des Verfahrens
kann immer wieder die Situation eintreten, dass eine Zustellung scheitert und das Verfahren
nicht weiter betrieben werden kann bzw. die öffentliche Zustellung beantragt werden muss.
Stufe 3:
Das Urteil ist ergangen und soll nach Abschluss aller Verfahrensstufen rechtskräftig werden.
Dazu muss es zugestellt werden. Man hat dann den vollstreckungsfähigen Titel in der Hand.
Stufe 4:
Das Urteil ist in Deutschland erwirkt und soll in der Türkei vollstreckt werden. Dann muss
noch einmal ein türkisches Gericht angerufen werden, das den deutschen Titel für vollstreckbar erklären muss. Das Verfahren hierfür ähnelt einem ordentlichen Gerichtsverfahren,
ist aber jedenfalls dann unproblematisch und dauert nur wenige Wochen, wenn der deutsche
Titel erkennbar ordnungsgemäß zustandegekommen ist. Das Problem kann hier jedoch erneut in der Zustellung liegen und ist wie in den vorherigen Fällen zu lösen. Beachte: Deutsche „Vollstreckungsbescheide“ sind in der Türkei nicht vollstreckbar! Hier muss ggfs. ein
vollständiges Gerichtsverfahren durchgeführt werden, in das allerdings der Vollstreckungsbescheid als Beweismittel eingeführt werden kann.
Letzte Stufe:
Jetzt geht es endlich zur Vollstreckung - wenn man weiß, wo sich der Schuldner aufhält und
wo sich sein Vermögen befindet. Spätestens hier enden die institutionellen Möglichkeiten
des staatlichen Prozess- und Zwangsvollstreckungsrechts. In Anspruch nehmen kann sie der
Gläubiger erst wieder, wenn er Schuldner und Vermögen gefunden hat.
Die tatsächliche Situation
Was aber, wenn der Schuldner nicht auffindbar ist oder nichts mehr hat?
Diese wichtige Frage sollte man sich stellen, bevor man die Entscheidung trifft, sich auf ein
teures Verfahren einzulassen. Bereits hier beginnt, was wir unter Forderungsbeitreibung verstehen. Erst wenn man den Aufenthalt des Schuldners kennt und zuverlässige Erkenntnisse
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 Januar 2003
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 30
über seine Vermögensverhältnisse hat, besteht konkrete Aussicht, auf der sicheren Seite zu
sein.
Wie aber kommt man an die notwendigen Informationen heran?
Die Türkei verfügt zwar über ein Meldewesen, doch ist es nicht möglich, über Einwohnermeldeanfragen den Aufenthalt des Schuldners zu ermitteln.
Für das gerichtliche Verfahren hilft bis zu einem gewissen Grade die Wohnsitzvermutung für
den Ort, an dem das Personenstandsregister des Schuldners geführt wird. Spätestens in der
Vollstreckungsphase reicht dies jedoch nicht mehr aus, wenn der Schuldner seinen tatsächlichen Aufenthaltsort nicht mehr am Ort des Personenstandsregisters hat. Kennt man auch
nicht den Herkunftsort des Schuldners, an dem gewöhnlich sein Personenstandsregister
geführt wird, wird es besonders schwierig; denn es fehlt trotz der zentralistischen Verwaltungsstruktur des türkischen Staates noch an einer vollständigen zentralen Erfassung bei der
Generaldirektion für Personenstandswesen in Ankara.
Auch das Grundbuchwesen hat sich in der Türkei zwar weitgehend, aber noch nicht vollständig durchgesetzt, weil noch nicht sämtlicher Grund und Boden katastriert ist.
Allerdings stellt weniger der Umstand ein Problem dar, dass ein Grundstück des Schuldners
noch nicht katastriert sein könnte. Denn ist ungefähr der Ort bekannt, wo der Schuldner ein
Grundstück hat oder haben könnte, besteht die Möglichkeit, sich mit einer Anfrage beim örtlichen Bürgermeister zu behelfen, vor dem die Kaufverträge über nicht katastrierte Grundstücke gewöhnlich abzuschließen sind.
Meist liegt das Hauptproblem aber darin, dass man nicht weiß, wo man das Grundstück zu
suchen hat. So einfach die Information „hat ein Haus in Istanbul“ klingt, so schwer ist die
Konkretisierung: Istanbul hat eine Vielzahl von Grundbuchämtern, die bisher noch nicht miteinander vernetzt sind.
Im übrigen gelten auch in der Türkei die üblichen Hindernisse wie insbesondere das Bankgeheimnis; Vollstreckungsmaßnahmen in Bankkonten setzen den Nachweis von konkreten
Guthaben des Schuldners bei der betreffenden Bank voraus. Weitere Schwierigkeiten bestehen darin, dass Antworten auf Anfragen nur schwer im Schriftverkehr zu erhalten sind und im
Behörden- und Gerichtsverkehr jeweils die persönliche Vorsprache des Betroffenen oder
seines Vertreters erwartet wird.
Soweit man es mit Handelsgeschäften als Schuldner zu tun hat, lassen sich Informationen
über das örtliche Handelsregister (geführt bei der Handelskammer) oder die Stadtverwaltung erlangen. Dies ist hilfreich bei der richtigen Benennung des Schuldners oder für die Bestimmung der rechtlichen Situation (in Liquidation? in Konkurs?). Aber: Informationen über
die Vermögenssituation sind über das Handelsregister jedoch nicht zu erlangen.
Lösungswege
Die Lösung liegt noch nicht im Auftrag an den routinierten türkischen Rechtsanwalt. Denn
damit ist noch nicht die Frage geklärt, wie man den Schuldner und sein Vermögen erreicht.
Detekteien gibt es derzeit in der Türkei noch nicht bzw. nur „inoffiziell“, das Inkassowesen ist
unterentwickelt. Dies hat zur Folge, dass selbst hohe Forderungen nicht beigetrieben werHölderlinplatz 5 – D-70193 Stuttgart – Tel. +49-711-2285450 – Fax +49-711-2265570
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 Januar 2003
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 31
den, weil der Gläubiger aus Deutschland Schwierigkeiten nicht nur bei der Suche des richtigen Partners, sondern auch mit der Kalkulation der mit der Vorbereitung der Vollstreckung
verbundenen Kosten hat. Wer eine Forderung beizutreiben hat, sollte
•
sich den Partner hierfür sorgfältig aussuchen.
Vielleicht
eine
Handvoll
türkischer
Anwaltskanzleien ist in der Lage, „forensic
investigation“ zu betreiben – also die
notwendigen Tatsachen selbst zu ermitteln
und dann auch mit der nötigen juristischen
Kompetenz zugunsten des Mandanten alle
rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten
auszuschöpfen.
Hinweis
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•
den Lösungsweg anhand der Situation zu entwickeln.
•
jede der oben genannten Stufen eine neue Bewertung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses
vornehmen.
Wichtig ist in jedem Falle, dass schon der Gläubiger möglichst viele Informationen über den
Schuldner besitzt. Gibt es außer dem Namen des Schuldners keine Kenntnisse, so bedeutet
dies schwierige detektivische Kleinarbeit, die oft schon in Deutschland begonnen werden
muss. Aber schon die Kenntnis der Herkunftsprovinz oder besser noch des Herkunftsbezirks
oder -orts kann hilfreich sein, weil hier für den türkischen Partner ein wichtiger Ansatzpunkt
besteht. Noch einfacher wird es, wenn der Gläubiger zusätzlich bereits positiv Kenntnis von
Immobilienvermögen des Schuldners hat.
Nach Erfassung der tatsächlichen Situation bestehen dann verschiedene Möglichkeiten.
Manchmal genügt schon die überraschende Ansprache des Schuldners, ihn zur Zahlung zu
motivieren. Liegt ein vollstreckbarer Titel noch nicht vor, kann es aber auch sinnvoll sein, im
Wege des einstweiligen Rechtsschutzes – z.B. durch Arrestpfändungen – auf das Vermögen
des Schuldners zuzugreifen und so die Aussicht, nach erfolgreichem Abschluss eines Gerichtsverfahrens auch tatsächlich zur Befriedigung von Forderungen zu kommen, drastisch
zu erhöhen.
Kosten
Die Kostenfrage stellt sich für jede der oben genannten Stufen neu. Für die gerichtliche Geltendmachung einer Forderung kommt in Deutschland in der Regel die einschlägige Gesetzgebung zum Zuge. Neben den Gerichtskosten nach Gerichtskostengesetz sind dies die nach
BRAGO zu berechnenden Anwaltskosten, die je nach Prozessverlauf unterschiedlich hoch
ausfallen können. In der Türkei sind die (im Falle des Obsiegens erstattungsfähigen) Gerichtskosten nach dem dortigen Gerichtskostengesetz einzusetzen, im übrigen fallen Anwaltskosten an, die durchschnittlich bei rund 15% liegen, bei höheren Streitwerten bei weniger, bei niedrigeren Streitwerten bei mehr. Sämtliche Neben- und Rechtsmittelverfahren sind
in den zu treffenden Vereinbarungen in der Regel enthalten. Das reine Erfolgshonorar ist
auch nach türkischem Standesrecht unzulässig, doch lassen sich zumeist flexible Honorarlösungen erzielen.
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 Januar 2003
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 32
Die Kosten für die Informationsbeschaffung im Sinne einer effektiven Tatsachenermittlung
(Schuldner, Vermögen) sind ein eigenes Thema. Erfahrungswerte aus einer verbreiteten
Praxis gibt es nicht. Denkbar sind Pauschalvereinbarungen oder Vereinbarungen nach Aufwand. Denkbar ist auch, dass der türkische Partner sich ähnlich wie eine Inkassofirma die
Forderung abtreten lässt und auf reiner Erfolgsbasis arbeitet, wobei Honorarsätze je nach
Risiko zwischen 20% und mehr als 60% in Betracht zu ziehen sind.
So bietet sich ein zweistufiges System an:
• Vereinbarung über Recherche und das hierfür aufzubringende Honorar
• Nach Abschluss der Recherche: Entscheidung „ob“ und „wie“ der Einleitung geeigneter
gerichtlicher Maßnahmen
• Mandatserteilung an den Rechtsanwalt und Honorarvereinbarung (in Deutschland auch
BRAGO).
Der Weg über den deutschen Anwalt ist dann angezeigt, wenn davon auszugehen ist, dass dieser
sprachlich wie fachlich in der Lage ist, die Angelegenheit von hier aus zu steuern und zu kontrollieren. Der Vorteil eines solchen Weges liegt darin, dass die Arbeitsgepflogenheiten der deutschen Anwaltskanzlei in der Regel dem Mandanten vertrauter sind und – erfahrungsgemäß – Mentalitäts- und
Verständnisprobleme oft überwunden werden können. Darüber hinaus verfügt der deutsche Rechtsanwalt auch über eine Haftpflichtversicherung, die sich dann aber auch auf die Beratung im ausländischen Recht erstrecken sollte.
Schluss
Die Türkei ist ein schwieriges Land, wenn es um die erfolgreiche Beitreibung notleidender
Forderungen geht. Erfolgreiche Forderungsbeitreibung ist jedoch möglich, wenn:
•
zum Schuldner und seinem Vermögen ausreichende Tatsachenfeststellungen getroffen
und ggfs. Beweise gesichert werden
•
die rechtlichen Möglichkeiten für den schnellen Zugriff ausgeschöpft werden
•
die Zusammenarbeit mit dem richtigen Partner vor Ort sichergestellt werden kann.
Hinweis:
Weitere Informationen und Links zum
türkischen Recht finden Sie im Internet
unter www.tuerkei-recht.de.
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 Januar 2003
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 33
ZWANGSVOLLSTRECKUNG IN DER TÜRKEI
(Kurzfassung von: „Türkei“, Handbuch der Internationalen Zwangsvollstreckung, Verlag Recht und
Praxis, Köln)
Rechtsquellen
Das heutige Zwangsvollstreckungsrecht beruht auf Gesetz Nr. 1424 (ZV-Gesetz), das 1929
als Übersetzung des schweizerischen Bundesgesetzes über das Vollstreckungs- und Konkursrecht in die türkische Rechtsordnung aufgenommen wurde. Es wurde seither beträchtlichen Änderungen unterzogen, insbesondere im Frühsommer 2003.
Vollstreckungsorgane
Das Vollstreckungsamt (icra dairesi) ist zuständig für die Durchführung des Mahn- und
Vollstreckungsverfahrens und der ZV-Maßnahmen.
Das Vollstreckungsgericht (icra tetkik mercii) ist für Beschwerden gegen Maßnahmen des
Vollstreckungsamts zuständig sowie für die gerichtlichen Verfahren auf Herausgabe von
Pfandgut oder Gegenständen aus der Konkursmasse. Das Vollstreckungsgericht verfolgt
auch Verstöße gegen das Vollstreckungsstrafrecht.
Gegen im Gesetz bestimmte Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts – z.B. nach einer
Pfandherausgabeklage – ist die Revision (temyiz) zum Kassationshof gegeben, allerdings
mit einer auf zehn Tage verkürzten Revisionsfrist.
Beschwerde
Gegen Entscheidungen des Vollstreckungsamts ist die Beschwerde ( ikayet) an das Vollstreckungsgericht gegeben. Die Einlegungsfrist beträgt sieben Tage. Die Beschwerde ist
nicht mit dem Einspruch (itiraz) zu verwechseln. Während die Beschwerde sich gegen die
förmliche Zulässigkeit von Maßnahmen richtet, ist der Einspruch in der Regel mit Einwendungen gegen die materiellrechtliche Grundlage der ZV gerichtet.
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 März 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 34
Kosten
Die ZV-Gebühren ergeben sich aus Anlagen zum Kostengesetz, die jeweils im Amtsblatt
veröffentlicht werden. Die ZV-Kosten sind für jede ZV-Maßnahme im Voraus zu entrichten,
andernfalls unterbleibt die Maßnahme. Neben den Gebühren fallen auch Auslagen an. Wie
im Prozess haftet der Verursacher der Maßnahme für die Kosten.
Zustellung
Das Zustellungsverfahren ist im Zustellungsgesetz Nr. 7201 und in einer Rechtsverordnung
geregelt. Die Zustellung kann im Postwege, durch Gerichtsbeamte oder durch Beamte der
Vollstreckungsämter erfolgen. Die Zustellung richtet sich an diejenige Anschrift, welche im
Ausgangsverfahren vom Empfänger als Zustellanschrift angegeben wurde. Empfangszuständig ist neben dem Adressaten nur derjenige, der dem Vollstreckungsamt vom Adressaten als empfangsberechtigt angegeben wurde, sowie der im ZV-Verfahren auftretende Prozessbevollmächtigte. Der Beweis, der Adressat habe von der Zustellung Kenntnis erlangt,
führt nicht zur Wirksamkeit einer unwirksamen Zustellung.
Im deutsch-türkischen Rechtsverkehr gelten für die grenzüberschreitende Zustellung das
„Deutsch-türkische Abkommen über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen“ v. 28.
Mai 1929, das Haager Übereinkommen über den Zivilprozess v. 1.3.1954 (HZPÜ) und das
Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland v. 15. November 1965. Hier ist insbesondere auf das Verhältnis zwischen
dem Deutsch-türkischen Abkommen und dem Zustellungsabkommen (Günstigkeitsprinzip!)
zu achten, dies wird in der Praxis überwiegend übersehen. Neuerdings gibt es für Zustellungen aus der Türkei an türkische Staatsbürger im Ausland, diese durch Niederlegung beim
örtlich zuständigen Generalkonsulat zu bewirken, das den Empfänger auf dem Postwege
benachrichtigt.
Fristen
Im türkischen ZV-Recht ist zumeist die sehr kurze Sieben-Tage-Frist für Rechtsmittel zu beachten. Sie beginnt am 1. Tag nach der Zustellung.
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 März 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 35
Vollstreckungshindernisse
Krankheit, Militärdienst oder Haft des Schuldners begründen vorübergehende Vollstreckungshindernisse, die nur ausnahmsweise – etwa bei Anzeichen für eine den Gläubiger
benachteiligenden Vermögensverschiebung – überwunden werden können.
Mahn- und Vollstreckungsverfahren
Beim vorläufigen Vollstreckungsverfahren (Mahn- und Vollstreckungsverfahren – ilâmsız
icra, icra takip) handelt es sich um ein summarisches Verfahren, das zunächst einmal das
ordentliche Gerichtsverfahren ersetzt. Insofern ist der am Ende dieses Verfahrens stehende
Zahlungsbefehl (ödeme emri) mit dem deutschen Vollstreckungsbescheid vergleichbar. Als
Vorstufe denkbar, aber nicht zwingend ist das notarielle Mahnverfahren.
Der Zahlungsbefehl wird rechtskräftig, wenn er förmlich zugestellt worden ist und der Gegner
nicht innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung Einspruch (itiraz) eingelegt hat. Wird kein
Einspruch eingelegt, hat der Schuldner, wenn er nicht zahlt, auf Antrag sein Vermögen offenzulegen. Tut er dies nicht, kann eine geringfügige Gefängnisstrafe verhängt werden. Gegen den Einspruch steht dem Gläubiger der Antrag auf Aufhebung oder Nichtigerklärung des
Einspruchs zu. In der nächsten Stufe sind dann je nach Ergebnis die Klagen der Beteiligten
gegeben. Wird im Endurteil festgestellt, dass der Einspruch zu 100% ungerechtfertigt ist,
steht dem Kläger ein pauschaler Entschädigungsanspruch in Höhe von 40% des Gegenstandswertes zu, gegen Nachweis auch höheren Schadensersatz.
Für Mietsachen gelten hinsichtlich des Mahn- und Vollstreckungsverfahrens Sonderbestimmungen.
Die ZV kann auf Antrag auch vorläufig eingestellt werden.
Zwangsvollstreckung aus Urteilen und Urkunden
Urteil im Sinne dieser Regelungen ist jede auf eine Leistung gerichtete Entscheidung
eines Gerichts oder Schiedsgerichts mit vollstreckungsfähigem Inhalt. Ausländische
Urteile und Schiedssprüche erlangen ihre Vollstreckbarkeit im Sinne dieser Bestimmungen
im Wege des Verfahrens zur Vollstreckbarerklärung.
Bestimmte vollstreckungsfähige Urkunden – z.B. das bedingungslose notarielle Schuldanerkenntnis und bestimmte bei Gericht hinterlegte Urkunden – unterliegen der sofortigen
ZV.
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 März 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 36
Die ZV beginnt nach Zustellung der Vollstreckbarkeitsbescheinigung an den Schuldner,
die vom Vollstreckungsgericht ausgestellt wird. Soweit das Urteil noch nicht rechtskräftig ist,
ist es vorläufig vollstreckbar. Dies gilt nicht für Urteile in Grundstückssachen und in Familienbzw. Personenstandssachen sowie Schiedssprüche und Beschlüsse zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile.
Höchstpersönlich zu erbringende Leistungen können nicht durch Ersatzvornahme vollstreckt
werden.
Pfändung
Die wichtigste ZV-Maßnahme ist die Pfändung. Sie erfolgt auf Antrag und dient der Vollstreckung von Geldforderungen, die durch Pfändung und Verwertung von Vermögensgegenständen des Vollstreckungsschuldners beigetrieben werden. Der Antrag ist innerhalb eines
Jahres nach Zustellung des Zahlungsbefehls zu stellen. Nach Ablauf dieser Frist muss
die „Erneuerung“ beantragt und dieser Antrag dem Vollstreckungsschuldner zugestellt werden.
Die Pfändung von Grundstücken erfolgt durch Anzeige an das Grundbuchamt, das einen
Pfändungsvermerk einträgt, der die Wirkung einer Forderungsabtretung hat.
Die Pfändung von Geschäftsanteilen an Kapitalgesellschaften unterliegt den Bestimmungen über die Pfändung von beweglichen Gegenständen, sofern sie – dies ist typischerweise bei den Aktien der AG der Fall – in Wertpapieren dokumentiert sind. Geschäftsanteile
an der GmbH (limited şirketi), KG (komandit şirket) oder Kollektivgesellschaft (kollektif şirket
entspricht etwa der deutschen OHG) können jedoch ebenfalls, aufgrund besonderer Regelungen im ZV-Gesetz und unter Beachtung von Sonderbestimmungen im HGB, gepfändet
werden.
Mit der Pfändung erhält der Gläubiger ein Verwertungsrecht.
Bei der Pfändung von Bankkonten muss bewiesen werden, dass der Schuldner tatsächlich
über Forderungen gegen die Bank verfügt. Der Nachweis kann dadurch erfolgen, dass der
Bank die Pfändung angezeigt wird. Schweigt sie hierauf, entsteht eine unwiderlegliche Vermutung für das Bestehen einer solchen Forderung.
Auch die Gehalts- und Lohnpfändung ist möglich.
Die Grenzen der Pfändungsmöglichkeiten werden durch die Pfändungsfreiheit bestimmter
Gegenstände und Forderungen gezogen, insbesondere dann, wenn das Gesetz die Übertragbarkeit solcher Gegenstände oder Forderungen an Dritte untersagt (z.B. Kindesvermögen, Schmerzensgeldansprüche u.a.).
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 März 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 37
Rechte Dritter
Das stärkere Recht eines Dritten an einem der ZV unterliegenden Gegenstand wird durch
Klagemöglichkeiten des Betroffenen geschützt (Herausgabeklage - istihkak davası – innerhalb von sieben Tagen nach Kenntnis von der Pfändung). Will der Dritte die Unterbrechung
der Zwangsvollstreckung, so hat er bis zum
Hinweis:
rechtskräftigen Abschluss der Herausgabeklage Sicherheit zu leisten.
Eine ausführliche Darstellung des türkischen Zwangsvollstreckungsrechts
findet sich im Länderteil „Türkei“ im
Handbuch der internationalen Zwangsvollstreckung, hrsg. v. Riedel u.a., Verlag Deubner/Recht und Praxis, Köln.
Verwertung in der ZV
Die Verwertung erfolgt auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners durch Verkauf oder
durch Zwangsversteigerung.
Zahlung oder Pfandlosbescheinigung
Zahlt der Schuldner, endet die Zwangsvollstreckung. Gleiches gilt, wenn der Erlös aus der
Verwertung von Pfandgut an den Gläubiger ausgekehrt und seine Forderung vollständig befriedigt wird. Bei Vereinbarung von Ratenzahlungen oder Stundungen gelten besondere Vorschriften. Soweit die Pfändung ins Leere geht, stellt das Vollstreckungsamt eine Pfandlosbescheinigung (aciz belgesi) aus. Diese ersetzt für später den Nachweis der Forderung und
hemmt deren Verjährung und Verzinsung auf Dauer. Verstirbt der Schuldner und nehmen die
Erben das Erbe an, muss der Gläubiger die Zwangsvollstreckung innerhalb eines Jahres
gegen die Erben fortsetzen. Andernfalls können die Erben die Einrede der Verjährung erheben.
Vorläufige Sicherungsmaßnahmen
Der Gläubiger kann vor oder während der Durchführung eines gerichtlichen Hauptverfahrens
bereits ein erhebliches Interesse daran haben, dass zur Sicherung der eingeklagten Forderung Vermögenswerte des Schuldners sichergestellt werden. Diesem Sicherungsinteresse
dienen zwei Instrumente: die einstweilige Verfügung und der Arrest. Sie sind in der Praxis
sehr wirksame Mittel, den späteren Klageerfolg bereits in einer frühen Phase sicherzustellen.
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Der Arrestpfändung bzw. Arresthypothek sind in der Türkei in der Praxis leichter zu erlangen
als in Deutschland. In der Regel ist Sicherheit in Höhe von mindestens 15% zu leisten.
ZV in fremder Währung
Es ist heutzutage in der Türkei kein Problem, Forderungen in einer Fremdwährung titulieren
zu lassen. Wird aus einem Titel in fremder Währung vollstreckt, kann der Gläubiger den Tag
der Umwandlung in TL bestimmen (Klageerhebung, Titulierung, Einleiitung der Zwangsvollstreckung, Tag der Vollstreckungsmaßnahme) und dadurch ggf. Kursverluste drastisch verringern. Erwähnenswert ist die Möglichkeit, bei erfolglosem Einspruch des Schuldners eine
pauschale Entschädigung in Höhe von 40% des Gegenstandswerts zu erwirken.
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 März 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 39
FREIHANDELSZONEN IN DER TÜRKEI
Einführung
Die Investition und Aufnahme von Aktivitäten in Produktion und Handel in einer türkischen
Freizone hat zahlreiche Vorteile. Attraktiv sind vor allem die Befreiungen von Einkommen-,
Körperschaft- und Lohnsteuer, die allerdings durch eine Gesetzesänderung Anfang Februar
2004 auf Ende 2008 befristet worden sind. Die Ein- und Ausfuhr von Gütern ist zoll- und
mehrwertsteuerfrei. Zölle, Mehrwertsteuer und sonstige Abgaben fallen dann erst bei Übertreten derjenigen Landesgrenze an, in die die Ware exportiert wird. Dies gilt auch beim Import in die Türkei. Die Zollgrenze zur Türkei ist zugleich Grenze des gemeinsamen Zollgebiets der EU und der Zollunion EU-Türkei. Ware, deren Bestandteil bereits im EUFreiverkehr gewesen waren, profitiert von den Vorteilen von Freiverkehrsware. Ein weiterer
Vorteil aus unternehmerischer Sicht ist die Beschränkung der Arbeitskampfmöglichkeiten.
Die Türkei verfügt über eine ständig wachsende Anzahl von Freihandelszonen, die zumeist
von privatrechtlichen Betreibergesellschaften betrieben werden. Dienstleistungen und Kosten
sind durchaus unterschiedlich; auch die zur Verfügung gestellten Infrastrukturen sind unterschiedlich entwickelt. Es lohnt sich also, vor der Entscheidung, in welcher Freizone investiert
werden soll, die verschiedenen Zonen miteinander zu vergleichen und Angebote einzuholen.
Mehrheitlich ist der Grundstückserwerb in den Freizonen nicht möglich, meist müssen langfristige Miet- und Pachtverträge abgeschlossen werden. Auch hier sind die Kosten sehr unterschiedlich, bei der Kalkulation ist darauf zu achten, welche Dienst- und sonstigen Nebenleistungen in den Miet- oder Pachtzinsen enthalten sind.
Gesellschaftsgründung
Es gibt, anders als im inneren Zollgebiet der Türkei, für ausländische Investoren keinen Verweis auf bestimmte Formen der Niederlassung. So ist es nicht erforderlich, dass ein ausländisches Unternehmen, selbst wenn es eine eigene Produktionsstätte errichten will, eine Kapitalgesellschaft nach türkischem Recht gründet. Tut es dies aber, so unterliegt es den Erfordernissen des türkischen Rechts. Ob in einem solchen Fall die Form der Aktiengesellschaft (Anonim Şirket) oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Limited Şirket) gewählt wird, ist eine Frage der Opportunität und Praktikabilität. Bei kleineren Unternehmungen
mit reiner Ausländerbeteiligung wird sich im Hinblick auf das Kapitalisierungserfordernis mit
Devisen die GmbH anbieten, für welche zwei Gründungsgesellschafter ausreichen (AG: fünf
Gründungsgesellschafter). Ein Nachteil der GmbH besteht in der weitergehenden Haftung
der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber der öffentlichen Hand und in
der geringeren Flexibilität bei der Übertragung von Anteilen. Letztlich hängt die Entscheidung, ob eine Kapitalgesellschaft nach türkischem Recht gegründet werden soll, stark von
der steuerlichen Seite ab.
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 März 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 40
Verfahrensschritte
1. Kern des Verfahrens ist der Erhalt einer Betriebsgenehmigung für die Freihandelszone.
Bei diesem Verfahren sind die Betreibergesellschaften behilflich; sie verfügen über die
notwendigen Formblätter und auch über die Erfahrung in solchen Verfahren. Dem Antrag
sind beizufügen (nachfolgendes gilt für ausländische Investoren; für Banken und Versicherungen gelten zusätzliche Bedingungen):
(1) Beschreibung des Antragstellers und der geplanten Aktivität in der Freihandelszone
(2) Formgerecht ausgestellte Handlungsvollmachten für die tatsächlich Handelnden
(3) Handelsregisterauszüge, beglaubigt durch ein türkisches Generalkonsulat
(4) Bilanzen der letzten drei Jahre und Einkommensnachweise
(5) Quittung der Türkischen Zentralbank über die Einlage der Antragsgebühr in Höhe von
US-Dollar 5.000,00, nebst Kopie.
(6) Belege über Transfer ausländischer Devisen in die Türkei während der letzten drei
Jahre (falls vorhanden)
Antrag und Dokumente gehen an das Sekretariat für Außenhandel beim Handelsministerium, Direktion für Freizonen. Wer direkt mit dem eigenen Unternehmen oder auch als
Einzelunternehmer in die Freihandelszone kommt, braucht nur dieses Verfahren zu
durchlaufen.
2. Wer eine Gesellschaft nach türkischem Recht (AG oder GmbH) errichten will, muss das
ordentliche Gründungsverfahren durchlaufen. In diesem Fall werden folgende Dokumente benötigt:
(1) Nachweis über die Aktivitäten der Gesellschaft
(2) Letzter Jahresbericht, einschließlich Jahresbilanz
(3) Entwurf der Satzung der zu errichtenden Gesellschaft
(4) Pro-Forma-Rechnungen, Prospekte und Gesamtliste über Gegenstand und Wert (in
Heimatwährung, USD und TL) der Güter, die im Zusammenhang mit der Betriebsaufnahme in die Zone eingeführt werden sowie der Belege über Abgaben und Zölle
(5) Wenn Fördermittel beantragt werden sollen, sollten auch die diesbezüglichen Dokumente beigefügt werden.
Betriebserlaubnis, vertragliche Bindung, sonstige Erlaubnisse
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 März 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 41
Für die Betriebsaufnahme ist die Eingehung bestimmter Verpflichtungen erforderlich. Innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt eines Vorbescheids für die Betriebsaufnahme in der Freihandelszone ist mit der Betreibergesellschaft ein Vertrag abzuschließen, in der Regel ein Mietbzw. Pachtvertrag. Nach Einsendung einer Kopie des Vertrages wird die Betriebserlaubnis
erteilt. Wer keine Erlaubnis erhält, bekommt die Antragsgebühr in Höhe von USD 5.000,00
zurück.
Die Betriebserlaubnis ist bei Anmietung ausgestatteter Geschäftsräume zunächst auf 10
Jahre befristet (Anmietung von
Hinweis
Produktionsstätten: 15 Jahre), bei
Errichtung eigener GeschäftsräuDas Verhältnis zwischen Freihandelszonen und EU finden
me auf 20 Jahre (Errichtung eigeSie erläutert unter www.diempartner.de/newsletter1.html.
ner Produktionsstätten: 30 Jahre).
Es
bestehen
Verlängerungsmöglichkeiten bis zu
99 Jahre. Dies gilt etwa unter der Bedingung, dass eine Kaution in Höhe von 100.000,00 USDollars (49 Jahre) oder 250.000,00 US-Dollars (99 Jahre) hinterlegt wird.
Wer seine Anlagen selbst errichten will, muss die üblichen Bedingungen des türkischen öffentlichen Baurechts erfüllen. Dazu gehört die Erlangung einer Baugenehmigung und, bei
Fertigstellung des Bauwerks, einer Bewohnbarkeitsbescheinigung.
Hinweis
Links zu verschiedenen Freihandelszonen finden Sie bei
den Wirtschaftsinformationen
unter www.tuerkei-recht.de
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 März 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 42
DIVERSE WIRTSCHAFTSINFORMATIONEN
Soweit auf Quellen verwiesen wurde, ist das Material unverändert übernommen worden. Für Inhalt und Orthographie verbleibt die Verantwortung ausschließlich bei der angegebenen Quelle.
Aktuelle Wirtschaftslage
Wirtschaftsstruktur
Den wichtigsten Bereich in der türkischen Wirtschaft bildet der Dienstleistungssektor
(65,6%). Die bedeutendste Branche in diesem Bereich ist der Tourismus. Auch das Transportwesen und der Kommunikationsbereich
Wirtschaft in Zahlen (2004)
spielen eine immer größere Rolle. Fast ein
Viertel
trägt
der
Industriesektor
zum
Bevölkerung: ca. 70 Mio.
Bruttoinlandsprodukt bei (21,3%). Obwohl die
Bevölkerungswachstum: 1,5% p.a.
Textilund
Bekleidungsindustrie
hierin
Arbeitslosigkeit: 10,3%
weiterhin eine hervorgehobene Stellung hat
Auslandsverschuldung: 146,5 Mrd USD
(31,9%), werden die Automobil-, Elektro- und
Inlandsverschuldung: 210 Mio USD
die Metallindustrie immer wichtiger. Es ist also
Ausl. Investition 1-4/2004: 181 Mio USD
eine deutliche Diversifizierung der türkischen
Inflation (Großhandel): 10,5%
Industrie zu erkennen. Die Agrarwirtschaft
Inflation (Verbraucher): 8,9%
erwirtschaftet
13
%
des
türkischen
Zinsen (TL): ca. 30% (fallend)
Bruttoinlandproduktes.
Zinsen (Devisen): 6-8%
Pro-Kopf-Einkommen: 3.400 USD p.a.
Auch
die
Industriekonzentration
an
BSP: 240 Mrd USD
bestimmten
Standorten
hat
etwas
Wirtschaftswachstum: 2004 (12,4%), 2003
abgenommen.
Neue
Industriezentren
(5,9%, 2002 (7,8%), 2001 (-9,1%)
entstanden in der Region Adana/Gaziantep, in
Export (2003): 48 Mrd USD (Anteil Mittelstand
10%, größere Unternehmen 90%; Anteil OECDKonya und in Denizli. Das wirtschaftliche
Länder 51,9%, USA 10%, Deutschland 15,8%)
Zentrum, speziell auch im Bereich der
Import (2003): 68,7 Mrd USD
verarbeitenden Industrie, ist aber weiterhin
Istanbul. Mit großem Abstand folgen dann Ankara und Izmir.
Außenhandel
Der Außenhandel der Türkei ist seit Mitte der achtziger Jahre wieder stetig angewachsen.
Dennoch ist er überwiegend noch immer von einem Handelsbilanzdefizit geprägt. Das
Hauptgewicht der Importe lag im Konsumgüterbereich und bei den Maschinen und anderen
Investitionsgütern. Die türkische Landwirtschaft muss sich gegen Importe aus dem Ausland
wehren, die immerhin mehr als 5% des gesamten Importaufkommens ausmachen. Stark ist
auch der Tourismussektor. 1995 kamen 7 Millionen Touristen in die Türkei, im Jahre 2002
wird wieder ein neuer Rekord erwartet.
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 Juli 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 43
Die Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen liegen noch immer bei ungefähr 3 Mrd.
US-Dollar.
Türkische Unternehmen
Die großen Konzerne
Im Vergleich zu Deutschland ist auffällig, dass sich die meisten der großen türkischen Konzerne, obwohl sie Aktiengesellschaften sind, in der Hand von Privatpersonen oder Familien
befinden, die die Aktienmehrheit haben. Ein weiterer Unterschied zur Bundesrepublik ist,
dass viele der führenden türkischen Unternehmen Mischkonzerne sind. Die Produktpalette
dieser Holdings reicht nicht selten von Autos über Textilien bis hin zu Waschmaschinen. In
den letzten Jahren fallen Medienkonzerne wie die Dogan Holding durch Finanzkraft und Investitionsumfang auf. Viele Konzerne verfügen über eigene Banken.
Der größte türkische Konzern ist die Koc-Holding. 1995 machte das Unternehmen einen
Umsatz von über 19 Milliarden DM. Zum Vergleich dazu lag der Umsatz der Lufthansa im
gleichen Jahr bei 19,9 Milliarden DM. 36.300 Personen waren bei Koc beschäftigt. Es wurde
ein Gewinn von 719 Millionen DM erwirtschaftet. Unter den größten westeuropäischen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen belegt das Unternehmen Platz 99. Damit liegt die
Koc-Holding noch vor MAN.
Das zweitgrößte türkische Unternehmen ist die Sabanci-Holding. Unter den größten westeuropäischen Dienstleistungsunternehmen ist die Firma auf Platz 151 zu finden. Sie liegt damit
noch vor dem deutschen Chemieproduzenten Henkel. Sabanci machte 1995 mit 26.300 Mitarbeitern 14,1 Milliarden DM Umsatz. Der Gewinn lag bei 1,2 Milliarden DM.
Auch die aus dem Mediensektor heraus gewachsene Doğan-Gruppe hat in den letzten Jahren von sich reden gemacht. Weniger hört man stattdessen in letzter Zeit von „Doğuş“. Andere – wie Ceylan oder Kavala – haben die wirtschaftlichen Schwankungen nicht überlebt.
Die größten privaten türkischen Industrieunternehmen
Obwohl es in der Türkei noch verhältnismäßig viele staatliche Industrieunternehmen gibt,
liegt das von der Größe an 40. Stelle stehende private Industrieunternehmen schon auf Platz
54 aller türkischen Unternehmen im Industriesektor. Dies zeigt, dass die großen privaten
Firmen inzwischen eine starke Position in der türkischen Wirtschaft einnehmen. Viele der
privaten türkischen Industrieunternehmen
Hinweis:
gehören zu Mischkonzernen.
Statistiken und Informationen finden
Zu den größten türkischen privaten
Sie unter www.foreigntrade.gov.tr
Industrieunternehmen zählt Arçelik
A.S.
Die
Firma ist im Besitz der gleichnamigen
Familie und
ist Marktführer in der Türkei bei
„weißer
Ware“. Die Kühlschränke und Herde
sind
fast
jedem Türken ein Begriff, aber auch in der Elektronik ist das Unternehmen inzwischen zunehmend vertreten. Größtes deutsches Industrieunternehmen ist die Mercedes-Benz Türk
A.S. Sie liegt auf Platz 20. Mercedes-Benz produziert in der Türkei hauptsächlich Busse, die
auch exportiert werden. Auch MAN, inzwischen mit NEOPLAN zusammen, hat sich in der
Türkei einen großen Namen gemacht.
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 Juli 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 44
Sechs Arten staatlicher Unternehmen
In der Türkei gibt es auch heute noch, wenn auch in abnehmender Zahl, viele Staatsunternehmen. Anstrengungen, staatliche Unternehmen zu privatisieren, scheitern oft am wirtschaftlichen Zustand der betreffenden Unternehmen. Folgende Arten lassen sich unterscheiden:
•
Öffentliche Wirtschaftsunternehmen, Kamu Iktisadi Tesebbüsleri unter Spezialgesetz,
•
Staatliche Wirtschaftsunternehmen, Iktisadi Devlet Tesebbüsleri (IDT),
•
Unternehmen mit anonymer Partnerschaft,
•
Staatliche Aktiengesellschaft,
•
Unternehmen mit staatlicher Kapitalbeteiligung von mehr als 50 Prozent,
•
Unternehmen mit staatlicher Beteiligung von weniger als 50 Prozent.
Viele staatliche Unternehmen sind Aktiengesellschaften, bei denen die Aktien dem Staat
gehören. Andere Firmen wiederum werden direkt im Staatshaushalt geführt. Zu den Unternehmen unter Spezialgesetz zählen die Unternehmen, die Produkte herstellen oder Dienstleistungen erbringen, für die der Staat das Monopol hat. Es handelt sich also um Firmen , die
Tabakprodukte, Salz und alkoholische Getränke herstellen, um öffentliche Versorgungsbetriebe, um die Eisenbahngesellschaften und um die kommunalen Verkehrsbetriebe. Für den
Export dürfen Tabakprodukte allerdings auch von privaten Firmen produziert werden.
Die wichtigste Gruppe sind die IDT
Die staatlichen Wirtschaftsunternehmen (IDT) machen den größten Teil der unternehmerischen Tätigkeit des Staates aus. Als IDT werden alle Firmen bezeichnet, bei denen die Finanzierung ausschließlich durch den Staat erfolgt oder bei denen der Staat mit anderen öffentlichen Institutionen zusammen mit mindestens 50 Prozent beteiligt ist. Die Unternehmen
unterliegen also der staatlichen Kontrolle, und der Direktor wird ebenfalls von der öffentlichen
Hand eingesetzt. Diese Unternehmen sollen langfristig auch Gewinn erzielen und sich
marktwirtschaftlich verhalten.
Die Kontrolle übt zum einen die Oberste Kontrollbehörde des Ministeriums aus. Von ihr werden alle Unternehmen kontrolliert, die
in
Hinweis
die von dem Ministerium verwaltete
Branche fallen. Zum anderen werden
alle
Seit kurzem können IDT (auch KIT) in einer
staatlichen Unternehmen zusätzlich
vom
merkwürdigen Sonderform der AG gegründet
Staatlichen Planungsamt überprüft.
Die
werden. Siehe www.diempartner.de/newsletterStaatlichen Unternehmen sind in fast
allen
tr2.html.
Branchen zu finden. So gibt es sehr
viele
IDT
in
der
Konsumund
Investitionsgüterindustrie. Auch im Dienstleistungssektor, in der Energiewirtschaft und im
Bergbau sind Staatliche Unternehmen tätig.
Der Staat investiert in die einzelnen Branchen nicht direkt, sondern über bestimmte Unternehmen. So wurde die inzwischen anderweitig verschmolzene Etibank in der türkischen
Montageindustrie tätig. Die in der Privatisierung begriffene Türk Petrolleri Anomin Ortakligi
investiert in der Ölindustrie. Im Kohlebergbau und im Kohlevertrieb wird die Türk Kömür Isletmeleri Kurumu eingesetzt. Bis vor kurzem wurde nur durch eine einzige staatliche Unternehmung , die Türkische Elektrizitätsanstalt, Türk Elektrik Kurumu, Investitionen im Bereich
der Energiewirtschaft vorgenommen. Diese Anstalt ist inzwischen in „TEAS“ und „TEDAS“
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 Juli 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 45
gespalten worden, um die unterschiedlichen Aufgaben der Investitions- und Energiepolitik im
Stromsektor und des Betreibens der Netze aufzuteilen. Dies ist eine Folge der Privatisierungstendenzen den Bereichen Energieproduktion und Energieversorgung. Auch der Telekommunikationssektor durchläuft derzeit einen vehementen Privatisierungsprozess.
Hinweis
Bankwesen
Mehr zum Bankenwesen siehe
www.diempartner.de/newsletter-tr3.html.
Für das Beispiel Demirbank als Opfer eines
Fehlgriffs der Bankenaufsicht siehe
www.igdd.de
Das türkische Bankwesen ist einerseits hoch
entwickelt, andererseits in den letzten Jahren in heftige Turbulenzen geraten. Inflexibilität im
Kreditgeschäft einerseits, „Selbstbedienungsmentalität“ bei den Führungsspitzen andererseits haben selbst für einstmals renommierte Banken das „Aus“ oder zumindest die Übernahme durch die neue staatliche Bankenaufsicht mit sich gebracht. Allerdings ist die neue
Bankenaufsicht bereits wieder durch vorschnelle Eingriffe, die im Bankensektor Verwirrung
und Unmut gestiftet haben, ins Gerede gekommen.
Verkehrsinfrastruktur
Verkehrsentwicklung
Schon immer war die Türkei für den Verkehr zwischen Europa und Asien sehr bedeutsam.
Dazu hat vor allem die gut zu überquerende Meeresenge am Bosporus beigetragen. Während der Verkehr auf dem anatolischen Festland über Jahrhunderte mit Karawanen abgewickelt wurde, entwickelt sich Ende des 19. Jahrhunderts das befestigte Wegenetz. Eine geordnete Erschließung des Landes durch die unterschiedlichen Verkehrswege begann allerdings erst nach Gründung der Republik im Jahre 1923.
Am Anfang der Verkehrsentwicklung gehörte die Bahn zu den wichtigsten Verkehrsmitteln.
Doch es dauerte nicht sehr lange, da wurde sie vom immer stärker werdenden Straßenverkehr verdrängt. Heute werden 95 Prozent des gesamten Personenverkehrs über die Straße
abgewickelt. Die Beförderung von Personen mit der Bahn ist auf das niedrige Niveau des
Seeverkehrs abgesunken. Beim Güterverkehr ist das Verhältnis nicht viel anders. Mehr als
75 Prozent aller Güter werden über die Straße transportiert. Der Rest verteilt sich auf See,
Eisenbahn und Luftcargo.
Straßenverkehr
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nahm der Straßenverkehr in der Türkei stark zu. In
den 50er Jahren wurden die Straßen verstärkt von Lkw benutzt. Neben Gütern wurden damals auch Personen mit ihnen transportiert. Nachdem die Straßen in den 60er Jahren ausgebaut wurden, verdrängten im Bereich der Personenbeförderung Busse die Lkw. Da das
Transportaufkommen allerdings weiter wuchs, nahm auch der LKW-Verkehr zu. Erst ab 1970
stieg der Pkw-Verkehr merklich an. Bis heute ist das Wachstum des Individualverkehrs ungebrochen.
Mit der Zunahme des Verkehrs wuchs das Straßennetz. Während es 1950 erst 47.000 km
Staats- und Provinzstraßen gab, von denen nur 1.300 km eine feste Oberfläche hatten, waHölderlinplatz 5 – D-70193 Stuttgart – Tel. +49-711-2285450 – Fax +49-711-2265570
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 Juli 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 46
ren es 1991 schon 59.221 km, wovon mehr als 95 Prozent befestigt sind. Ungefähr die Hälfte
wird zu den Staatsstraßen, die andere Hälfte zu den Provinzstraßen gerechnet. Im Vergleich
dazu gab es in Deutschland 1992 insgesamt 225.282 km überörtliche Straßen. Davon waren
10.955 km Autobahnen. 42.123 km zählten zu den Nationalstraßen. Der Rest entfiel auf Provinz- und Bezirksstraßen.
Beim Straßennetz und -verkehr gibt es ein deutliches West-Ost-Gefälle. So ist das Verkehrsnetz im Westen wesentlich dichter als im Osten des Landes. Ein Großteil des Verkehrs
bewegt sich außerdem auf den Straßen in und um die Ballungsgebiete in der Westtürkei. Auf
nur 10 Prozent der Strecken im Westen der Türkei werden ungefähr 50 Prozent aller Fahrzeugkilometer gefahren. Die Zahl der zugelassenen Pkw lag 1993 bei 2,62 Millionen. Des
weiteren sind 305.511 Lkw, 354.290 Kleintransporter, 84.254 Busse und 159.900 Kleinbusse
gemeldet. Damit waren insgesamt 4.380.063 Fahrzeuge in der Türkei zugelassen; heute
dürften es gut 5,2 Millionen sein. Allein die Zahl der registrierten Pkw ist in Deutschland im
gleichen Jahr zehnmal größer gewesen. An den weiter ansteigenden Produktionszahlen der
Automobilindustrie lässt sich sehen, dass auch zukünftig die Zahl der Zulassungen steigen
und sich der Gesamtbestand vergrößern wird. Wegen der hohen Verkehrsdichte und der
landschaftlich bedingt gefährlichen Straßenführung ist die Zahl der Unfälle außerordentlich
hoch, sie betragen – umgerechnet auf die insgesamt gefahrenen Kilometer pro Kopf – ein
Mehrfaches der in Deutschland registrierten Unfälle (in absoluten Zahlen in etwa dasselbe).
Besondere Verkehrsprobleme gibt es in den Großstädten. Historisch gewachsene Städte wie
Istanbul waren früher nur für Fußgänger zugänglich und daher entsprechend angelegt. Im
17. Jahrhundert drohte jedem, der in der Stadt fuhr, die Todesstrafe. Da heute viele ältere
Stadtviertel nicht mit dem Auto zu erreichen sind, werden beispielsweise die Waren in den
gedeckten Basar von Istanbul mit Trägern transportiert. Der Autoverkehr ballt sich dagegen
auf den neuen Straßen, die daher stärker belastet sind, als es die Zulassungszahlen vermuten lassen.
Zur Zeit investiert die Türkei, zum Teil über BOT-Projekte, in den Ausbau des Autobahnnetzes. Außerdem will die türkische Regierung das Straßennetz in den Fremdenverkehrsgebieten ausbauen.
Flugverkehr
Als Beginn der zivilen türkischen Luftfahrt kann die Gründung der Turkish Airlines, Türk Hava
Yollari (THY) im Jahre 1933 angesehen werden. Aufgrund der schwierigen landschaftlichen
Bedingungen sind in der Türkei manche Gebiete schnell und bequem nur mit dem Flugzeug
zu erreichen. Auch von ausländischen Fluggesellschaften wurde das Land immer mehr angeflogen. Daher hat die Luftfahrt in der Türkei einen steilen Aufstieg hinter sich. Bedeutende
Flughäfen, und gleichzeitig die größten des Landes, befinden sich in Istanbul und Ankara.
Sie sind an das internationale Luftverkehrsnetz angeschlossen und werden von vielen Fluglinien im Linienverkehr angeflogen. Fast die Hälfte des Fluggastaufkommens wird über den
Flughafen Istanbul abgewickelt. Mehr als zwei Drittel davon sind Personen, die internationale
Ziele anfliegen oder von dort kommen. Izmir, Antalya und Dalaman sind besonders für den
internationalen touristischen Charterflugverkehr von Bedeutung, in Antalya könnte das Flugverkehrsaufkommen in Kürze dasjenige von Istanbul überflügeln. Die wichtigste nationale
Verbindung der Türkei besteht zwischen den beiden größten Metropolen des Landes, Istanbul und Ankara. Derzeit laufen derzeit verschiedene Projekte zum Ausbau vor allem der für
den Tourismus relevanten Flughäfen.
Im internationalen Flugverkehr zählte die Türkei 1995 17,4 Millionen Passagiere, zwischenzeitlich dürften es rund 20 Millionen geworden sein. Hinzu kommen für das gleiche Jahr 5,2
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 Juli 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 47
Millionen Passagiere im Binnenverkehr, dies dürften inzwischen gut 7 Millionen geworden
sein.
Zu den jährlichen Rekordergebnissen trägt nicht zuletzt auch die stetig steigende Anzahl von
Urlaubern bei. So sind im Jahre 2000 allein mehr als drei Millionen Deutsche in die Türkei
gekommen, insgesamt dürften es rund sechs Millionen Touristen gewesen sein. Im Jahre
2004 werden mehr als zehn Millionen Touristen erwartet.
Die ehemals staatliche, privatisierte Fluggesellschaft Turkish Airlines ist mit Abstand die
größte Fluglinie des Landes. Verfügte sie 1983 erst über 32 Flugzeuge, so besteht die Flotte
heute aus 70 Passagier- und 3 Cargo-Flugzeugen. 94 Prozent aller Inlandfluggäste lassen
sich von der Staatslinie befördern. Beim internationalen Passagieraufkommen hat sie einen
Anteil von 19 Prozent. Dank hoher Investitionen in den vergangenen Jahren konnte das
durchschnittliche Alter der Flotte von 10,7 Jahren im Jahre 1991 auf jetzt 3,3 Jahre gesenkt
werden. Nach Verlusten in der Umstrukturierungsphase flog die Linie 1995 und 2001 wieder
Gewinne ein. Die Airline fliegt heute 54 internationale Ziele an, von denen 32 in Europa liegen.
Neben Turkish Airlines kämpfen noch mehrere private Anbieter vor allem um den im Februar
1996 weiter liberalisierten Inlandsmarkt, inzwischen auch mit einigem Erfolg. Auch im internationalen Charterfluggeschäft sind sie sehr aktiv. Die wohl älteste und größte private Fluglinie Istanbul Airlines ist inzwischen in Konkurs gegangen. Neben Onur Air, die zur Zeit auch
auf den Inlandsmarkt drängt, gibt es wechselnde Gesellschaften mit wechselnden Namen.
Seit Beginn der neunziger Jahre fliegt „Sun-Express“, ein Gemeinschaftsunternehmen von
Lufthansa und Turkish Airlines, Urlaubsziele in der Türkei an. Der Flugverkehr wird von der
Regierung als Sektor der Zukunft im Transportwesen betrachtet. Immer mehr türkische Flughäfen stehen zu Ausschreibungen für eine Erweiterung und Modernisierung an.
Schifffahrt
Obwohl die Vermutung naheliegt, dass aufgrund der über 8.000 km langen Küstenlinie der
Küsten- und Seeschiffsverkehr sehr bedeutend ist, spielt er im Hinblick auf das Gesamtverkehrsaufkommen nur eine untergeordnete Rolle. Binnenschiffverkehr ist wegen der ungünstigen Flussläufe und fehlenden Kanalisierung und Begradigung nicht möglich. Lediglich am
Van-See gibt es eine für die Region wichtige Fährverbindung über den See. Zu den Städten,
die einen bedeutenden Hafen haben, gehören Istanbul, Izmir, Mersin, Iskenderun, Samsun
und Trabzon.
Durch das Wirtschaftswachstum der letzten Jahre hat auch das Frachtvolumen der Küstenschiffahrt zugenommen. Es stieg von 1980 bis 1992 um 61 Prozent auf 31,4 Millionen Tonnen. Gleichzeitig erhöhte sich auch die Zahl der beförderten Passagiere um 39,1 Prozent auf
648.000 Personen im Jahr. Die Zahl der ankommenden Küstenschiffe verdoppelte sich fast.
Lag sie 1980 noch bei 12.404 Schiffen, so waren es 1992 schon 22.136 Schiffe, die türkische Häfen anliefen.
In der Seeschiffahrt stieg zwar die Zahl der ankommenden Schiffe zwischen 1990 und 1992
von 13.337 auf 17.118 an. Werden aber die Tonnagen betrachtet, so ergibt sich ein Rückgang von 62 Millionen auf 47 Millionen Nettoregistertonnen. Während das Frachtaufkommen
beim Versand erheblich zurückging, ist es bei den eingehenden Gütern nahezu gleichgeblieben. Die türkische Handelsflotte verfügte 1992 über insgesamt 880 Schiffe, von denen 85
Tanker sind. Zusammen liegt ihre Kapazität bei 4,19 Millionen Bruttoregistertonnen.
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 Juli 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 48
Eisenbahnverkehr
Im Vergleich zum Straßenverkehr ist der Schienenverkehr in der Türkei recht unbedeutend.
Dazu trägt auch die von hohen Gebirgen geprägte Landschaft der Türkei bei. Beim Bau von
Eisenbahnstrecken müssen Berge und Schluchten immer wieder mit aufwendigen Tunneloder Brückenkonstruktionen überwunden werden. Wo dies nicht möglich oder zu teuer ist,
müssen die Züge große Umwege machen. So sind die Strecken oft mehr als doppelt so lang,
wie es Luftlinienverbindungen wären.
Der Entwicklung des türkischen Schienennetzes lag keine einheitliche Planung zugrunde.
Erst nach Gründung eines Verkehrsministeriums im Jahre 1865 begann die türkische Regierung Eisenbahnlinien unter eigener Regie zu betreiben. Die erste Strecke unter türkischer
Leitung verlief von Istanbul nach Izmir. Sie war gleichzeitig auch der erste Abschnitt der
Bagdadbahn, die später von Europa nach Istanbul und weiter über Ankara bis nach Syrien
und in den Irak führte.
Neue Strecken wurden oft von privaten ausländischen Gesellschaften gebaut. Die erste private Bahnstrecke wurde 1866 fertiggestellt und verlief von Izmir nach Aydin. Sie hatte eine
Gesamtlänge von 130 km und wurde von einer britischen Gesellschaft errichtet. Damit sollte
vor allem das Hinterland erschlossen werden. Aus diesem Grund wurden auch andere Bahnen bei Mersin und Bursa gebaut. Die Strecken waren nicht nur von belgischen, französischen, deutschen und britischen Gesellschaften gebaut, sondern auch betrieben worden.
Die türkische Staatsbahn, Türkiye Cumhuriyeti Devlet Demiryollari (TCDD) wurde schließlich
am 23. März 1920 gegründet. Anfänglich wuchs das türkische Eisenbahnnetz sehr schnell.
Zwischen 1923 und 1940 wurde es von 4.018 km auf 7.324 km ausgebaut.
Später hat diese Entwicklung stark nachgelassen, was sich daran zeigt, dass das Bahnnetz
bis 1991 nur noch auf 8.429 km anstieg. Wie in anderen Bereichen, so gibt es auch beim
Schienennetz ein deutliches West-Ost-Gefälle. Im Westen ist das Streckennetz erheblich
dichter. Allerdings werden durch die Ballung von Personen und Firmen hier auch hauptsächlich Transportkapazitäten gebraucht.
In den letzten Jahren hat die TCDD versucht, auch mit Kooperationen mit ausländischen
Partnern wie etwa der Deutschen Bahn, Modernisierungsprojekte anzuschieben. Eine
Schnellzugverbindung zwischen Istanbul und Ankara ist zwar eingeweiht worden, doch wurde hier zunächst nur – auf dem alten Gleisunterbau – Kosmetik mit der Folge betrieben, dass
das Unfallrisiko gestiegen ist.
Eine direktere Schnellbahnverbindung von Istanbul nach Ankara soll besonders für Personenzüge die Reisezeit zwischen diesen beiden wichtigen Städten erheblich verkürzen. Ob
damit ein wesentlicher Teil des Personenverkehrs wieder von der Straße auf die Schiene
umgeleitet werden kann, ist fraglich. Inzwischen gibt es auch Ausschreibungen für moderne,
dieselbetriebene Züge mit Neigetechnik bzw. ICE-Züge.
Das Netz ist nach wie vor unzureichend elektrifiziert, die TCDD stützt sich überwiegend auf
dieselbetriebene Lokomotiven. Das bislang völlig unzureichend genutzte Potenzial ergibt
sich aus dem vollständigen Fehlen von Binnenwasserstraßen und der unbefriedigenden Situation des Straßenverkehrsnetzes.
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 49
Die Zollunion zwischen der Türkei und der Europäischen Union
Quelle: Türkische Botschaft
Seit 1. Januar 1996 ist die Zollunion zwischen der Europäischen Union und der Türkei in
Kraft. Diese Zollunion ist die engste wirtschaftliche und politische Beziehung zwischen der
EU und einem Nicht-Mitgliedstaat.
Was bedeutet die Zollunion
Im Wesentlichen erlaubt die Zollunion der Türkei einen besseren Zugang zu den Ländern,
die früher als der "Gemeinsame Markt" bezeichnet wurden. Sie garantiert einen freien Austausch von Industriegütern und verarbeiteten Agrar-Produkten. Zölle und Gebühren wurden
aufgehoben, und mengenmäßige Beschränkungen, wie Quoten, sind nicht zugelassen. Die
Zollunion beinhaltet die Harmonisierung der türkischen Handels- und Wettbewerbspolitik,
einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums, mit denen der Europäischen Union sowie
die Ausdehnung der Mehrzahl der EU-Handels- und Wettbewerbsbestimmungen auf die türkische Wirtschaft.
Gleiche Voraussetzungen
Die am 6. März 1995 vom Assoziierungsrat gefällte Entscheidung ist die rechtliche Grundlage für die Zollunion. Sie besteht aus 66 Artikeln, 12 Erklärungen und 10 Anlagen. Der gemischte Zoll-Union-Ausschuss ist das verantwortliche Organ für den reibungslosen Ablauf
des Handels. Er befasst sich mit Fragen der Durchführung und allen Streitigkeiten. Der Ausschuss kommt regelmäßig zusammen.
Wesentlicher Bestandteil der Zollunion ist der freie Warenverkehr zwischen der Türkei und
der EU, ohne dass dieser Zöllen oder mengenmäßigen Beschränkungen unterliegt. Die Zollunion betrifft alle Aspekte der Handels- und Wettbewerbspolitik um sicherzustellen, dass für
türkische und europäische Firmen dieselben Voraussetzungen gelten. Die Hauptkennzeichen dieser Entscheidung sind:
-
die Aufhebung von Zöllen, mengenmäßiger Beschränkungen und Maßnahmen gleicher
Wirkung für den Handel mit Industriegütern und verarbeiteten Agrar-Produkten zwischen
der Türkei und der EU,
-
im Handel mit Drittländern die Übernahme des EU-Gemeinsamen Zollaußentarifs seitens
der Türkei,
-
seitens der Türkei die Übernahme von Maßnahmen äquivalent zur EU-Gemeinsamen
Handelspolitik,
-
in Bezug auf bestimmte Drittländer das zunehmende Ausrichten der Zolltarife in Übereinstimmung mit den Präferenzhandelsabkommen der EU seitens der Türkei,
-
Anpassung der türkischen Zollbestimmungen in Übereinstimmung mit denen der EU,
-
vereinbarte Wettbewerbsregeln und die Anpassung der türkischen Gesetze in diesem
Bereich an die EU,
-
die Anpassung der türkischen Gesetze in Bezug auf den Schutz des geistigen Eigentums,
damit in diesem Bereich ein EU-äquivalentes Niveau sichergestellt werden kann,
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 Juli 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 50
-
die Aufhebung freiwilliger Beschränkungen im Textil-Handel seitens der EU,
-
die Errichtung eines gemischten Zoll-Unions-Ausschusses zwischen der Türkei und Europa sowie
die Übernahme anderer institutioneller Abkommen, damit die Türkei in EU Angelegenheiten, die
auch die Zollunion betreffen, umfassend informiert und konsultiert werden kann.
Während des Treffens des Assoziierungsrates am 6. März 1995 wurde für die angrenzenden
Bereiche, die nicht von der Zollunion abgedeckt sind (Zusammenarbeit im Bereich der Industrie, transeuropäische Netzwerke, Zusammenarbeit in den Bereichen "Energie, Transport, Telekommunikation, Landwirtschaft, Umwelt, Wissenschaft, Statistik, Justiz- und Innere
Angelegenheiten, Verbraucherschutz, kulturelle Zusammenarbeit, Information und Kommunikation") eine Resolution zur Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Türkei verabschiedet.
Während des gleichen Treffens des Assoziierungsrates hat sich die Europäische Union zur
finanziellen Kooperation mit der Türkei geäußert. Diese sollte der Türkei angesichts der neuen Wettbewerbssituation durch die Zollunion helfen, ihren industriellen Sektor neu zu strukturieren, ihre infrastrukturellen Verbindungen mit der Europäischen Union zu verbessern sowie
die Unterschiede zwischen ihrer Wirtschaft und der der Union zu reduzieren. Diese finanzielle Kooperation beläuft sich auf 2,2 Milliarden ECU für einen Zeitraum von 5 Jahren.
Die Entwicklung der Zollunion bis heute
Seit Inkrafttreten der Zollunion hat die Türkei alle Zölle und äquivalenten Gebühren für den
Import von Industriewaren aus EU-Mitgliedsländern aufgehoben. Darüber hinaus hat sie ihre
Zolltarife und die äquivalenten Gebühren für den Import von Industriegütern aus "Drittländern" mit dem Gemeinsamen Zollaußentarif der EU harmonisiert. Die Türkei sollte bis 2000
die Handelspolitik und die Präferenz- und Zollpolitik der EU übernehmen, insoweit ist die
Entwicklung jedoch noch nicht abgeschlossen.
Aufgrund all dieser Maßnahmen sind die für die Türkei geltenden Sätze für die Schutzzölle
für den Import von Industriegütern von 5,9% auf 0% gefallen für Produkte aus EU- und EFTA-Ländern und für Importe aus Drittländern von 10,8% auf 6%. Diese werden, nachdem die
EU ihren aus der GATTUruguay-Runde stammenHinweis:
den
Verpflichtungen
nachgekommen
ist,
auf
3,5% gesenkt werden.
Obwohl
Agrar-Produkte
von
Texte zu den Beziehungen EU –
diesem
Vertrag
ausgenommen
sind,
Türkei finden Sie bei
übernimmt die Türkei
zunehmend viele Aspekte
www.tuerkei-recht.de/varia.htm
der
Gemeinsamen
Agrarpolitik. Bei der Entwicklung ihrer AgrarPolitik wird die EU soweit
wie
möglich,
die
türkischen Agrar-Interessen
in Betracht ziehen. Zunehmende Verbesserungen, auf einer Basis, die für beide Seiten von
Vorteil sind. Auch sind Präferenzvereinbarungen für den Handel mit Agrar-Produkten vorgesehen.
Die Harmonisierung mit der EU-Handelspolitik schließt bisher das monitoring und den Schutz
von Importen aus der EU und Drittländern, das Management von mengenmäßigen Beschränkungen und Zolltarif-Quoten sowie die Verhinderung von Importen zu dumpingPreisen und von subventionierten Importen ein.
Die Türkei hat die EU-Regeln und Gesetze für den Wettbewerb übernommen. Wettbewerbsverzerrende Subventionierungen durch staatliche Mittel jeglicher Art sind nicht zugelassen.
Jedoch ist eine Hilfe zur wirtschaftlichen Förderung der weniger entwickelten Regionen der
Türkei und zum Erhalt des kulturellen Erbes zugelassen, solange sie den Wettbewerb nicht
nachteilig beeinflusst. Zunehmend wird die Türkei jedes Handelscharakter tragende StaatsHölderlinplatz 5 – D-70193 Stuttgart – Tel. +49-711-2285450 – Fax +49-711-2265570
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 51
monopol den neuen Umständen entsprechend anpassen, um sicherzustellen, dass es zwischen den EU-Mitgliedsländern und der Türkei in Bezug auf die Konditionen der Warenherstellung und -vermarktung für keine der Seiten zu einer Benachteiligung kommt.
Mit der Beseitigung von verfahrenstechnischen Hindernissen hat die Türkei ihre Gesetze mit
der EU-Gesetzgebung in Einklang gebracht. Zwischen der Türkei und der EU gibt es nun
eine aktive Zusammenarbeit in den Bereichen "Standardisierung, Eichung, Güteklassen,
Zulassung, Prüfverfahren und Zertifizierung".
Die Türkei hat ihre Gesetzgebung in Bezug auf Geistiges Eigentum, Urheberrechte und gewerbliche Schutzrechte den EU-Standards angepasst und Gesetze zum Schutz der
Verbraucher und des Wettbewerbes eingeführt; die Reformen gehen vor allem seit 2001
weiter. Es ist beiden Seiten untersagt, interne Steuern als indirekte Schutzmechanismen und
Steuernachlässe zur Subventionierung von Exporten zu benutzen.
Die Zollunion als logische Konsequenz der türkischen Geschichte
Die Türkei ist in der muslimischen Welt die einzige pluralistische und säkulare Demokratie,
und sie hat dem Ausbau der Beziehungen mit den europäischen Ländern immer einen großen Wert beigemessen. Sie hat den Osten und Süden Europas stark beeinflusst.
Die Türkei hat im 19. Jahrhundert begonnen, sich mit ihren wirtschaftlichen, politischen und
sozialen Strukturen nach Westen hin zu orientieren. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde
West-Europa als Modell für die neue, moderne und säkulare Republik gewählt.
Seit dieser Zeit hat sich die Türkei stark nach Westen hin ausgerichtet. Sie ist ein Gründungsmitglied der Vereinten Nationen, ein Mitglied der NATO, des Europarates, der OECD
und assoziiertes Mitglied der Westeuropäischen Union. Bei der Verteidigung des europäischen Kontinents spielt die Türkei auch heute noch eine zentrale Rolle. Die Kernelemente
der türkischen Außenpolitik konvergieren allgemein mit denen der Gemeinschaft. So hat die
Türkei z. B. während des Golf-Krieges bei der Unterstützung der UN eine zentrale Rolle gespielt. Und das zu einem beträchtlichen wirtschaftlichen Nachteil. Dieser wichtige Bereich der
Zusammenarbeit läuft parallel zu einer sich vertiefenden wirtschaftlichen und politischen Beziehung.
Die Türkei ist das älteste assoziierte Mitglied der EU, und im Verlauf der letzten 50 Jahre war
sie an den Aktivitäten von praktisch allen internationalen Organen, die bei der europäischen
Integration eine Rolle spielen, beteiligt.
Im Jahr 1959 hat die Türkei zum ersten Mal einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Organisation, aus der die heutige EU hervorgegangen ist, gestellt. Dies führte zu dem Abkommen von
Ankara (1963), dass die Grundlage für die heutigen Beziehungen ist. Mit der Anerkennung,
dass die Türkei für eine Mitgliedschaft qualifiziert ist, wurde der Weg für die anschließenden
Verhandlungen geebnet.
Die Aufhebung der Zolltarife
Hinweis:
Im Jahre 1973 wurde zur Errichtung einer der
Zu weiteren WirtschaftsinformatioVollmitgliedschaft
vorausgehenden
nen kommen Sie über www.tuerkeirecht.de
Zollunion ein Zeitplan für 22
Jahre erstellt. Die
Europäische Union hat bis auf
wenige
Ausnahmen
ihre
Zölle
für
Industriegüter
aufgehoben, und die Türkei hat seitdem einen freien Zugang zu der Europäischen Union
genossen. Die EU hat für aus der Türkei stammende Importe von Agrar- und einigen verarbeiteten Agrarprodukten ein Präferenzsystem gewährt. Die Türkei hat seitdem einen freien
Zugang zu der Europäischen Union. Sie hat seit Anfang der 70er Jahre begonnen, ihre Zölle
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 52
abzubauen. Dieser Prozess wurde von 1987 an beschleunigt. Dennoch ist zu beachten, dass
es anderweitige tatsächliche Behinderungen gibt, wie etwa die kostenpflichtigen TSEPrüfverfahren.
Förderung der ausländischen Investitionen
Quelle: Türkische Botschaft, bearbeitet von RA Dr. Rumpf
Gleichberechtigung
Die Gesellschaften und Niederlassungen, die aufgrund einer Genehmigung im Rahmen des
Gesetzes zur Förderung Ausländischen Kapitals und gemäß Bestimmungen des türkischen
Handelsgesetzes gegründet worden sind, gelten als türkische Gesellschaften und Niederlassungen . Die Gesellschaften und Niederlassungen, die den ausländische Investoren gehören, können von den Fördermaßnahmen wie die den türkischen Staatsbürgern gehörenden
Gesellschaften profitieren.
Grundsätze
Die Maßnahmen über die Förderung der Investitionen sollen Arbeitsplätze schaffen, Devisen
einbringen, der Verringerung der regionalen Entwicklungsunterschiede dienen, ins Land
neue Technologie mitbringen, die Wettbewerbsfähigkeit der türkischen Volkswirtschaft auf
den internationalen Märkten verstärken.
Genehmigung
Die Unternehmen müssen von der Generaldirektion für ausländisches Kapital eine Förderurkunde oder eine Genehmigung mit der Förderurkunde erhalten, um von den Fördermaßnahmen zu profitieren. Die Förderurkunde beinhaltet die charakteristischen Eigenschaften
der Investition, die Förderungsmaßnahmen, die sich die Investoren zunutze machen, wenn
die Investition verwirklicht wird.
Die ausländischen Unternehmer, die Förderungsmaßnahmen ausnutzen wollen, müssen
sich an die Generaldirektion für ausländisches Kapital wenden. Dem Antrag ist in 2-facher
Kopie eine Feasibility-Studie beizufügen.
Ein Antrag auf Investitionserlaubnis ist nicht mehr erforderlich.
Standort
Die Förderungsmaßnahmen werden je nach Regionen wie normale-, entwickelte- und Prioritäts Regionen unterschiedlich durchgeführt. Die Einzelheiten der Förderungsmaßnahmen
sollen mit der Generaldirektion für ausländisches Kapital abgestimmt werden.
Besonders wichtige Sektoren
Die Sektoren, die für die Investitionsförderung Priorität haben, gelten als besonders wichtige
Sektoren. Diese Sektoren sind: Dienstleistungen (einschließlich die Investitionen über Ausbildung, Gesundheit und Tourismus), Schiffs- und Jachtbau, Werften (Die Anlagen über
Schiffsbau und -reparatur), Produktion der Elektrizität (einschließlich „Autoproduktion“), Infrastruktur; Investitionen , die im Rahmen der B.O. und/oder B.O.T. liegen, Forschungs- und
Entwicklungsinvestitionen, Umweltschutzinvestitionen, Elektronische Industrie, Investitionen
über Biotechnologie, Investitionen in den Industriegürteln; Erweiterungs-, Modernisierungs-,
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 53
Erneuerungs-, Qualitätsverbesserungs- Engpassbeseitigungs-, Integrations- und Beendigungsinvestitionen in den Entwickelten Regionen; neue Investitionen, die vom Staatssekretariat von Schatzwesen gebilligt werden und deren Fixgesamtwert mehr als 50 Mio. $ ist. Diese
Investitionen müssen ein oder mehrere Eigenschaften besitzen, die unten aufgeführt sind:
hohe Technologie bringen, hohe Wert schöpfen, Exportmöglichkeiten haben, Arbeitslosigkeit
vermindern.
Informationen und Formulare erhält man über das Generaldirektorat für ausländisches Kapital (vgl. www.foreigntrade.gov.tr).
Devisenbestimmungen in der Türkei
Quelle: Türkische Botschaft(überarbeitet vom RA Dr. Rumpf)
Die Devisenbestimmungen in der Türkei basieren auf dem Gesetz zum Schutze der Türkischen Währung. Dieses Gesetz stammt aus der Zeit der großen Weltwirtschaftskrise. Die
Vorschriften bis 1984 waren restriktiv, begrenzend und streng. Mit vielen Änderungen und
Ergänzungen bekam das Gesetz seine heute geltende Fassung . Durch Änderungen und
Ergänzungen hat die TL 1989 ihre Konvertibilität erhalten. Das Gesetz zum Schutze der türkischen Währung ist ein Rahmengesetz, mit dem der Ministerrat ermächtigt wird, die Grundlagen über Maßnahmen zum Schutze der türkischen Währung festzusetzen. Mit seinen Beschlüssen ermächtigt der Ministerrat, das Staatsministerium, dem das Staatssekretariat für
Schatzwesen untergeordnet ist, das Staatssekretariat selbst und die Zentralbank der Türkei,
die Einzelheiten mit den Bekanntmachungen und Runderlassen zu bestimmen, um das Gesetz und die Rahmenbeschlüsse durchzuführen.
Devisen
Die Einfuhr von Devisen in die Türkei ist unbeschränkt. Im Inland ansässige Personen dürfen
Devisen mit sich führen, und sie von den Banken und von anderen zuständigen Institutionen,
ankaufen; auf einer Bank anlegen, als Effektive verwenden, durch die Banken im Inland als
auch im Ausland darüber frei verfügen . Im Inland ansässige Personen dürfen von den im
Ausland ansässigen Personen aufgrund eines im Inland ausgeführten Auftrages Devisen
annehmen.
Im Ausland ansässige Personen dürfen von den Banken, von anderen zuständigen Institutionen Devisen ankaufen. Im Ausland ansässige Personen dürfen durch Banken Devisen überweisen.
Die Ausfuhr von Dokumenten, die auf türkische Währung lauten, ist unbeschränkt. Im Ausland ansässige Personen können mit türkischer Währung bezahlen, sie einkassieren und
anlegen.
Reisende dürfen höchstens $ 5.000 oder gleichwertige Effektive ins Ausland mitnehmen. Die
im Ausland wohnhaften Personen und die türkischen Staatsangehörigen, die im Ausland
leben, aber deren Wohnsitz in der Türkei ist, dürfen $ 5.000 oder gleichwertige Devisen überschreitende Beträge oder Effektive mit sich ausführen, vorausgesetzt, dass sie diese bei
der Einreise in die Türkei haben registrieren lassen.
Außerdem müssen Einreisende und Ausreisende gemäß dem Geldwäschegesetz über 5
Milliarden TL und entsprechende Devisen sowie devisenähnliche Mittel, die sie mit sich führen, beim Zoll deklarieren.
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 54
Währungskurse
Der Wert der Türkischen Lira gegenüber fremden Währungen wird gemäß den von der Zentralbank festzulegenden Grundlagen bestimmt.
Transaktionen in ausländischen Währungen
Die Transaktionen in ausländischen Währungen sind, in konvertiblen, ausländischen, von
der Zentralbank gehandelten Währungen, durch Zentralbank, Banken, und andere zuständige Institutionen durchzuführen.
Edelmetalle, Edelsteine und Wertsachen
Die Ein- und Ausfuhr von Edelmetallen, Edelsteinen und Wertsachen ist unbeschränkt . Die
Ein- und Ausfuhr des unverarbeiteten Goldes muss beim Zoll deklariert werden. Hierbei gelten nicht die Bestimmungen des Import- und Exportregimes sowie deren Verordnungen.
Reisende dürfen ihren unkommerziellen Schmuck und ähnliches aus Edelmetallen und Edelsteinen höchstens im Wert von $ 15.000 ein- und ausführen. Einfuhr von Schmuckwaren
über diesen Betrag hinaus ist nur möglich, wenn diese Waren bei der Einfuhr deklariert werden oder über den Ankauf der Waren ein Nachweis besteht .
Die Überweisung türkischer Währung, Zuteilung und Überweisung von Devisen und Verkauf
von Effektiven in Zusammenhang mit internationalen Speditions-, Bank-, Versicherungsgeschäften, im Ausland erbrachter Dienstleistungen und andere unsichtbare Transaktionen
werden gemäß den von der Zentralbank festgelegten Regeln durch die Banken ausgeführt.
Inländisches Kapital
Im Inland ansässige Personen dürfen im Ausland und in den Freihandelszonen zwecks Investition oder Handelstätigkeit zur Gründung einer Firma oder Beteiligung an einer Gesellschaft und Eröffnung einer Zweigstelle bis $ 5 Millionen oder gleichwertige Devisen durch die
Banken und Sonderkreditinstitute ins Ausland überweisen und das Sachkapital gemäß Zollbestimmungen ausführen. Die Ausfuhr von Bar- und Sachkapital über $ 5 Millionen bedarf
der Genehmigung des Ministeriums .
Vermögenstransfer
Einfuhranträge von Aussiedlern und Flüchtlingen werden, ausschließlich Artikel 31 des Aussiedlungsgesetzes, nach Maßgabe des Gesetzes über die Einfuhr ohne Entgelt und des
Zollgesetzes, vom Untersekretariat bearbeitet. Die Richtlinien über Vermögenstransfers ins
Inland und Ausland außer Sondergenehmigungen gemäß Zollgesetz werden vom Ministerium festgesetzt.
Wertpapiere
Die Ein- und Ausfuhr von Wertpapieren und anderen Kapitalmarktmitteln sind unbeschränkt.
Die Emission, Angebote und Verkauf von Wertpapieren und anderen Kapitalmarktmitteln im
Ausland von den im Inland ansässigen Personen sind auch frei. Die Emission, Angebot und
Verkauf von Wertpapieren und anderen Kapitalmarktmitteln im Inland von den im Ausland
ansässigen Personen unterliegen dem Kapitalmarktgesetz.
Im Ausland ansässige Personen, einschließlich Kapitalanlagegesellschaften und Kapitalanlagefonds, können alle Art von Wertpapieren sowie anderen Kapitalmarktmitteln durch die
nach Kapitalmarktvorschriften ermächtigten Banken und Vermittlungsinstitute kaufen, verkaufen, diese Werte und ihre Ausschüttungen sowie ihre Verkaufserlöse durch die Banken
und Sonderkreditinstitute ausführen.
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 55
Im Inland ansässige Personen können die im Ausland an den Börsen zu handelnden Wertpapiere durch Banken, Sonderkreditinstitute sowie durch die nach Kapitalmarktvorschriften
genehmigten Vermittlungsinstitute kaufen, verkaufen und deren Ankaufspreise durch Banken
und Sonderkreditinstitute ausführen.
Die Beteiligungen von im Ausland ansässigen Personen, einschließlich Kapitalmarktgesellschaften und Fondsverwaltungen, an im Inland ansässigen Gesellschaften müssen im Rahmen des Gesetzes für Ausländische Investitionen eingetragen werden, wenn der Teilhaber
sich am Verwaltungsrat oder an der Jahresversammlung beteiligen oder in irgendeiner Art in
die Tätigkeiten der Gesellschaft eingreifen will.
Liegenschaften
Die Erlöse und Veräußerungsbeträge der Immobilien und der den Immobilien zugehörenden
dinglichen Rechte, die die im Ausland ansässigen
Hinweis
Personen gekauft haben oder besitzen, können über
die Banken ausgeführt werden .
Kredite
BOT ist attraktiver geworden.
Siehe bei
www.diempartner.de/newsletter-
tr4.html
Im Inland ansässige Personen dürfen vom Ausland
Waren und Barkredite beschaffen, vorausgesetzt,
dass die Benutzung der Kredite durch Banken und
Sonderkreditinstitute durchgeführt werden. Die Frist der Vorfinanzierungskredite ist jedoch
ein Jahr.
Kreditverträge über Auslandskredite jeder Art mit einer Laufzeit von über ein Jahr sind innerhalb von 30 Tagen ab Vertragsdatum an das Ministerium zu senden, damit die Kredite in das
Schuldenregister des Ministeriums eingetragen und registriert werden.
Deviseneinlagen
Die Zentralbank und andere Banken dürfen im Namen der im Inland und im Ausland ansässigen Personen Devisendepotkonten eröffnen. Die Zinsen dieser Einlagen werden zwischen
Banken und Einleger frei vereinbart.
Vorsicht Falle!
So frei der Devisentransfer grundsätzlich ist, so gibt es doch Kontrollmechanismen zu beachten. Verstöße gegen solche Mechanismen können erhebliche wirtschaftsstrafrechtliche Konsequenzen haben, die sich ebenfalls aus dem bereits mehrfach zitierten Gesetz zum Schutze der türkischen Währung ergeben.
Beispiel: Ein deutsches Unternehmen schließt mit seiner Tochter einen Darlehensvertrag ab (beachte die Anzeigepflicht!). Die Rückführung des Darlehens erfolgt aus irgendwelchen Gründen gegen eine „Pro-Forma-Rechnung“ für zu importierende Ware, die in Wirklichkeit nicht importiert wird. Dieser Verstoß hat eine Geldstrafe zur Folge, die dem in Frage stehenden Devisenbetrag entspricht. Die Strafe knüpft allein an
den objektiven Vorgang an, auch wenn wirtschaftlich niemand geschädigt wird und
kein Fall von Geldwäsche, Steuerhinterziehung oder –verkürzung vorliegt.
Arbeitsaufnahme in der Türkei
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 Juli 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 56
Quelle: http://www.stepstone.de/tips/content/stepstone/europa/tuerkei/arbeit_in_tuerkei.html, überarbeitet
und ergänzt von RA Prof. Dr. Rumpf u. RA Baran Avcı
Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis
Bei Aufenthalten von bis zu drei Monaten benötigt man für die Türkei kein Visum. Eine Arbeitserlaubnis wird vom Konsulat oder vom Arbeits- und Sozialministerium (dauert etwas
länger!) bei Vorlage eines Arbeitsvertrages mit einem türkischen Arbeitgeber ausgestellt.
Stellensuche
Die türkischen Arbeitsämter werden in der Regel eher bei öffentlichen Ausschreibungen eingeschaltet, weniger bei der Vermittlung von Firmenstellen. Die Zentrale befindet sich in Ankara (Adresse im Anhang).
Deshalb sollte zuerst die Zentrale Internationale Arbeitsvermittlung ZAV(Tel.: 0228/713-0)
des deutschen Arbeitsamtes konsultiert werden.
Nicht kostenlos ist der Service privater "Beratungsbüros" in der Türkei. Sie vermitteln vor
allem technische und kaufmännische Stellen auf mittlerer und höherer Ebene. Besonders
beliebt in der Türkei als Arbeitnehmer sind Türkischstämmige, die eine Zeit lang in Deutschland gelebt und gearbeitet haben oder dort sogar aufgewachsen sind. Ihnen werden "deutsche" Tugenden wie Disziplin und Gründlichkeit zugeschrieben. Für diese Gruppe hat das
Institut für deutsche Wirtschaft in Köln (IW) eine Schnittstelle aufgebaut, die seit Anfang 2000
Koordinierungsstelle für berufliche Mobilität und Integration im Ausland gGmbH – kurz KMI
(zuvor KFR) (http://www.kmi-online.de ) – heißt. Gemeinsam mit der Bundesanstalt für Arbeit
und der Deutsch-Türkischen Industrie- und Handelskammer werden seit September 1997
grenzüberschreitende Jobtage veranstaltet, der Online-Stellenmarkt ist im Wachsen begriffen. Vor allem für Rückkehrer ist immer auch ein Blick in die türkische Presse – v.a. die Hürriyet und Milliyet – ratsam. Leider fehlt in den Deutschlandausgaben der Stellenteil.
Anerkennung von Ausbildungen
Eine verbindliche Regelung der Anerkennung deutscher Studien und Prüfungsleistungen in
der Türkei gibt es derzeit noch nicht. Auskunft gibt die Deutsch-Türkische Industrie- und
Handelskammer (Anschrift im Anhang).
Arbeitsmarkt
Trotz Wirtschaftsbooms ist die Zahl der Arbeitslosen in der Türkei sehr hoch. Nach Schätzungen übersteigt sie die 20%-Marke. Offizielle Quellen wussten stets nur von 6 bis 9 %,
weil bis 1999 die Arbeitsämter wegen fehlender Arbeitslosenversicherung nur in seltenen
Fällen bei der Stellensuche eingeschaltet wurden. Unzureichende Qualifikation und fehlende
Ausbildungschancen sorgen in der Türkei für einen Facharbeitermangel. Die Landflucht und
die daraus folgende Ballung in den Metropolen Istanbul, Ankara und Izmir verschärfen die
Arbeitsmarktsituation noch. Da das Land aus kulturell-religiösen Gründen auf lange Sicht in
Europa das höchste Bevölkerungswachstum aufweisen wird, dürfte sich an dieser schwierigen Situation auch langfristig wenig ändern.
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Arbeitsrecht
Das Arbeitsrecht ist in der Türkei zunächst mit einem Arbeitsgesetz von 1971, zuletzt dann
durch das Arbeitsgesetz Nr. 4857, in Kraft seit 10.6.2003, nach westeuropäischen Maßstäben modern geregelt worden. Allerdings rangiert die Wochenarbeitszeit mit 45 Stunden weiterhin am oberen Rand einer europäischen Skala. An Feiertagen wird der Tagelohn weiterbezahlt. Arbeitnehmer, die an diesen Tagen trotzdem arbeiten, können mit dem Doppellohn
rechnen. Der Anspruch auf Jahresurlaub steigt mit der Beschäftigungsdauer, der deutsche
Standard wird so erst nach 15 Arbeitsjahren erreicht. Arbeitsverhältnisse über ein Jahr und
länger müssen mit einem schriftlichen Arbeitsvertrag festgelegt werden. Der Arbeitnehmer
hat aber auf alle Fälle Anspruch auf eine Bescheinigung, aus der die allgemeinen und besonderen Bedingungen ersichtlich sind. Probezeit ist längstens ein Monat, die Kündigungsfrist beträgt je nach Dauer des Arbeitsverhältnisses zwei bis acht Wochen. Während das
Gesetz von 1971 die Kündigung praktisch ohne Gründe, aber gegen Zahlung einer Abfindung im Rahmen der gesetzlichen Kündigungsfristen erlaubte, kann sich der Arbeitnehmer
jetzt mit der Kündigungsschutzklage wehren. Frauen und Männer sind arbeitsrechtlich
gleichgestellt.
Sozialversicherung
Arbeitnehmer in der Türkei, die im Rahmen eines Arbeitsvertrages beschäftigt sind, werden
bei der Anstalt Sosyal Sigortalar Kurumu – kurz SSK – versichert, die Schutzleistungen bei
Krankheit, Mutterschaft, Arbeitsunfällen, Behinderungen, Berufskrankheiten bietet sowie ein
Sterbegeld ausbezahlt und für die Altersversorgung zuständig ist. Arbeitnehmer, die bei einem Unternehmen beschäftigt sind, das seinen Hauptsitz in der Bundesrepublik hat, können
nach einem bilateralen Abkommen vom 30.04.1964 ihre Angehörigkeit der deutschen Sozialversicherung behalten. Für Selbstständige gelten Sonderregelungen und eine andere Versicherung. Das Rentenalter liegt bei Männern bei 60, bei Frauen bei 58. Rentenanspruch
gibt's bei Männern und Frauen gleichermaßen nach 25 Arbeitsjahren, aber nur bei Nachweis
von mindestens 5000 Arbeitstagen, an denen Beiträge bezahlt wurden.
Der Mutterschaftsurlaub umfasst 8 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt des Kindes.
Danach kann die Mutter für sechs Monate (Beamte 12 Monate) in unbezahlten Mutterschaftsurlaub gehen oder aber ihre Arbeitszeit bei gleich bleibendem Lohn verkürzen. Das
Mutterschaftsgeld entspricht dem Krankengeld.
Für Kinder bis zum 18. Lebensjahr (in Ausbildung bis zum 22. Lebensjahr) gibt es Kindergeld. Dieses ist jedoch sehr niedrig.
Wer arbeitslos wird, erhält nach sechs Karenztagen Arbeitslosengeld, zahlbar am Ende des
ersten Monats der Arbeitslosigkeit. Die Höhe der Leistungen entspricht bei Arbeitern 40%
des Lohnes und bei Angestellten 50% des Gehaltes. Die Dauer der Zahlung hängt von der
Dauer der vorherigen Beschäftigung ab und kann bis zu 300 Tage betragen.
Löhne
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 58
Die niedrigeren Lebenshaltungskosten können die im Vergleich zu Deutschland deutlich geringeren Lohn- und Gehaltszahlungen nicht ausgleichen. Allerdings sind zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers – Mittagessen, Arbeitskleidung etc. – in der Türkei sehr gebräuchlich.
Es gibt einen amtlich festgesetzten Mindestlohn, der regelmäßig an die Inflationsrate angepasst wird, aber dennoch sehr niedrig ist und meist irgendwo zwischen 200 und 250 Euro
monatlich schwankt.
Wanderarbeitnehmer
Der Einsatz von deutschen Arbeitnehmern ist für bestimmte Projekte möglich und vor allem
in der Baubranche auch üblich. Führungskräfte können auch längerfristig in der Türkei beschäftigt werden.
Kündigung von Arbeitnehmern
Mit der Reform vom Mai/Juni 2003 wurde die gegenüber der deutschen Rechtslage einfache
Kündigung erschwert und dem türkischen Arbeitnehmer nunmehr ebenfalls die Möglichkeit
einer Kündigungsschutzklage eingeräumt, die innerhalb eines Monats nach Zugang der
Kündigung zu erheben ist. Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Nichtigerklärung der
Kündigung nicht ein, macht er sich schadensersatzpflichtig.
Betriebsübergang
Im Falle eines Betriebsübergangs gehen alle Recht und Pflichten auf den neuen Arbeitgeber
über, das Arbeitsverhältnis bleibt unter vollem Erhalt der bis dahin entstandenen Ansprüche
des Arbeitnehmers bestehen. Als Betriebsübergang gilt auch die Übergabe eines Betriebsteils. Der Betriebsübergang kann für sich allein nicht als Grund für eine betriebsbedingte
Kündigung verwendet werden. Allerdings können im Einzelfall Veränderungen in der Betriebsstruktur eintreten, die dann doch die betriebsbedingte Kündigung möglich machen.
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Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 59
Wichtige Anschriften
Hazine Müsteşarlığı
Yabancı Sermaye Genel Müdürlüğü
Eskişehir Yolu Üzeri
TR-06510 Emek Ankara
Tel: (0090 - 312) 212 50 00
Fax: (0090 - 312) 212 89 15
Internet: www.treasury.gov.tr
Sermaye Piyasası Kurulu
Börsenrat („Kapitalmarktausschuss“)
Doç. Dr. Bahriye Üçok Cad. 13
TR-O6500 Emek Ankara Türkei
Tel: ( 0090 - 312) 212 62 80
Fax: (0090 – 312) 221 33 23
Internet: www.spk.gov.tr
KOSGEB - Küçük ve Orta Ölçekli Sanayii GeMittelstandsvereinigung
liştirme Idaresi Başkanlığı
P.K. 82 Tandoğan
TR-06572 Ankara Türkei
Tel: (0090 - 312) 212 81 90 (7 Linien)
Fax: (009 - 312) 212 25 8
Internet: www.kosgeb.gov.tr
Alman-Türk Sanayi ve Ticaret Odası
AHK Deutsch-Türkische Handelskammer
Muallim Naci Cad. 118/4 Ortaköy
80840 Istanbul Türkei
Tel: (0090 - 212) 259 11 95 und 96
Fax: (0090 - 212) 259 19 39
Internet: www.dtr-ihk.de
Türkisch-deutsche Industrie- und Handelskammer Im Mediapark 2
50667 Köln
Tel: 0221 5402200
Fax: 0221 5402201
Internet: www.td-ihk.de
YASED - Yabancı Sermaye Derneği
Verein für Ausländische Investoren
Barbaros Bulvarı Mürbasan sok.
Koza Is Merkezi, B Blok Kat:1
TR-80700 Beşiktaş - Istanbul Türkei
Tel: (0090 - 212) 272 50 94 272 50 95
Fax: (0090 – 312) 274 66 64
Internet: www.yased.org.tr
Untersekretariat für Schatzwesen Generaldirektion für Ausländisches Kapital
Hölderlinplatz 5 – D-70193 Stuttgart – Tel. +49-711-2285450 – Fax +49-711-2265570
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Türkische Botschaft Berlin
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Wirtschaftsabteilung
Rungestr.9
10179 Berlin
Tel: 030 / 278 98 00
Fax: 030 / 278 98 020
Internet: www.tcberlinbe.de
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TR-06550 Çankaya – ANKARA
Tel: 0090-312-4265465
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 Juli 2004
Türkei: Materialien zu Wirtschaft und Recht - 61
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