Interessantes Interview zur russischen Luftabwehr

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Interessantes Interview zur russischen Luftabwehr
Interessante Aussagen und Fakten aus berufenem Munde
zum Stand und der Zukunft der russischen
Flugabwehrtechnik
Dieser Beitrag gibt Auszüge aus einem Interview wieder, das Sergei Osipow mit
I. R. Aschurbeili, seit 2000 Generaldirektor des Konstruktionsbüros
„Almas-Antei“, führte
Übersetzung Lothar Herrmann, Bearbeitung Siegfried Horst
„Triumph“, „Favorit“ oder wer wird unseren heimatlichen Luftraum
im 21. Jahrhundert verteidigen ?
Väter und Großväter
Igor Raufowitsch: Sie hatten kürzlich Ihren 46. Geburtstag. Junge Manager - ist das der Stil Ihres
Konstruktionsbüros? http://www.de.rian.ru/security_and_military/20100402/125729798.html
Genau genommen war im Konstruktionsbüro nur ein junger Manager. Aber mit welchem
Namen - Berija! Die Sache war so. 1947 verteidigte ein junger Offizier - Sergio Berija (Sohn
des allmächtigen Ministers Berija) in der Leningrader Militärakademie für Nachrichtenwesen
sein Diplom zum Thema „Leitung eines Flugzeuges-Geschosses“ (Flügelgeschoss) auf ein
großes Seeziel“. Er wurde im Spezialbüro Nr. 1 des Ministeriums für Bewaffnung der
UdSSR, wie sich damals das jetzige „Almas-Antei“ nannte, eingestellt. So wurde Berija mit
22 Jahren Stellvertreter des Chefs des Konstruktionsbüros, welches kurz darauf mit den
Arbeiten zu einem Fla-System mit automatischer Leitung zur Stationierung um Moskau
begann. Im April 1953 vernichtete erstmalig eine Rakete auf dem Schießplatz Kapustin Jar
ein Ziel - einen Bomber TU-4. Danach wurde Sergio Berija verhaftet (nach seinem Vater) und
kehrte nicht zurück. Deshalb musste das Schießen auf ein Luftziel wiederholt werden.
Nebenbei bemerkt, eine TU-4 und eine Rakete kosteten soviel, wie der Bau eines Hochhauses
mit 24 Wohnungen.
Igor Raufowitsch: Danach wurden die neunziger Jahre zu einer großen Belastung für
„Almas“. Man sagt, dass damals die Ingenieure auf dem „Radiomarkt in die Sadt Mitin
fuhren“, um Elektronikbauteile zu bekommen.
Zu diesem Markt kann ich gleich sagen, ihn gab es nicht. Ja, die Bauteile nahmen wir aus den
Resten dessen, was in den siebziger Jahren hergestellt wurde. Teilweise waren diese Produkte
von höherer Qualität, als die jetzige Produktion. Wie haben wir überlebt? Wir vermieteten
Immobilien an Händler. Später mussten wir beweisen, dass die Läden, die auf unserer
„Postanschrift“ mit Strumpfhosen handelten, nicht den Zerfall der Verteidigungsindustrie
bedeuten, sondern eine Form ihres Erhaltes waren. Jetzt, Gott sei Dank, ist die Vermietung
nicht mehr ein bedeutender Teil unserer Einnahmen. Trotzdem ist es verfrüht zu sagen, dass
wir überlebt haben.
Jetzt arbeitet bei „Almas“ nicht die Generation der Väter und Kinder, sondern die Generation
der Großväter und Enkel. Die besten jungen Kader verließen uns in den neunziger Jahren. Es
blieb nur die älteste Generation. Die jüngste Generation - in diesem Jahr wurden 250 Leute im
Alter von 25-30 eingestellt. Zurzeit besteht die wichtigste Aufgabe der „Großväter“ darin, den
„Enkeln“ ihr Wissen und Können zu vermitteln.
Der löchrige Himmel
Igor Raufowitsch: Wird es gelingen, die schweren Zeiten der Luftverteidigung zu
überwinden? Es ist ja kein Geheimnis, dass unsere Funkmess-Stationen nicht den gesamten
Luftraum erfassen und die neue Komplexe S-300, die zur Zeit der UdSSR zur Hauptwaffe der
Luftverteidigung wurden, lange nicht in die Bewaffnung eingeführt wurden.
Ja, in den letzten 16 Jahren ist kein System S-300 in die Bewaffnung der Russischen
Streitkräfte aufgenommen worden. Die mehr als 100 vorhandenen Systeme S-300 wurden
mehrheitlich in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hergestellt.
Zum Jahr 2015 müssen sie verschrottet werden. Neue und tatsächlich moderne
Komplexe
S-300 „Favorit“ gingen in den Export, wir selbst haben keine. Wir wären froh, die eigene
Armee damit ausrüsten zu können. Die Armee bestellt bei uns nur Modernisierungen. Das ist
besser als Nichts, aber ein „Saporoshez“ wird durch Modernisierung auf „Mercedes“ im
vollen Sinn kein „Mercedes“.
Igor Raufowitsch: Aber der Komplex S-400 „Trimph“, der 2007 in die Bewaffnung
aufgenommen wurde, soll doch die alten S-300 ersetzen ?
Die alten Komplexe S-300PS werden ersetzt durch Komplexe „Witjas“ (Recke),
http://www.de.rian.ru/security_and_military/20100430/126129231.html die sich bei uns im
letzten Stadium der Entwicklung befinden. S-400, so ist die Idee, sollen erworben werden in
Ergänzung zu neueren S-300PM, die in den achtziger Jahren durch die sowjetische Industrie
hergestellt wurden. Nebenbei gesagt, die 2. Abteilung des Regimentes übernimmt in wenigen
Tagen das „Diensthabende System“ bei Moskau. Bis zum Jahresende wird die Technik für die
3. Abteilung hergestellt.
Igor Raufowitsch: Wodurch sind die neuen S-400 besser als die erprobten S-300?
In allen Belangen. Die Reichweite des S-300 überschreitet nicht 250 km, S-400 - 400 km.
Die Anzahl der Ziele, die der Komplex begleiten und vernichten kann, ist doppelt so groß.
Grob gerechnet, ein moderner Komplex S-300 kann Flugziele, Flügelraketen und operativtaktische ballistischen Raketen bis zu einer Entfernung von 200 km vernichten. Aber der S400 kann alles vernichten, außer interkontinentalen ballistischen Raketen.
Igor Raufowitsch: Wer wird sich mit diesen befassen?
Im Jahr 2007 hat die „Militärisch-industrielle Kommission“ bei der Regierung den Beschluss
zur Schaffung eines einheitlichen Systems der Fla-Raketen-Waffen (ES-SRO) der
5. Generation gefasst. Zur führenden Organisation wurde unser General-Konstruktionsbüro
bestimmt. Im Rahmen des ES-SRO werden Komplexe verschiedener Reichweite entwickelt.
Der für den Nahbereich (bis 5 km) vorgesehene Komplex „Morfei“ wird auf dem letzten
Abschnitt das vernichten, was die vorherigen Abschnitte überwunden hat. Danach kommt das
System „Tor“, das in geringer Reichweite eingesetzt wird. Die mittlere Entfernung wird
abgedeckt durch „Witjas“ (davon wurde schon gesprochen), weiterhin durch S-300PM und S400. Die entfernteren und höheren Bereiche soll ein mobiles System der Antiraketen-Abwehr
bewachen, welches zurzeit ausgearbeitet wird.
Igor Raufowitsch: Ist es das, was der Oberkommandierende der Luftstreitkräfte, Herr Selin,
unlängst als Komplex S-500 bezeichnet hat?
Ich antworte so: solange das einzige System, welche interkontinentale ballistische Raketen
abfangen kann, das sowjetische System A-35 ist, ist es das System zur Verteidigung Moskaus
und des moskauer Industriegebietes. Es wurde im NII des Gerätebaues entwickelt, welches
jetzt in den Bestand des „Almas-Antei“ übergeht. Nebenbei gesagt, auf dem Schießplatz SariSchagan in Kasachstan wurde am 29.10.2009 erstmals in den 10 letzten Jahren der Start einer
solchen Rakete durchgeführt. Alles verlief erfolgreich und unterstrich, dass der AntiRaketenschutzschild um die Hauptstadt noch fest ist. Zumindest in den nächsten 15 Jahren
braucht man sich deswegen nicht zu beunruhigen. Nun ja, wir wollten schon so etwas
Ähnliches schaffen, aber nicht in einer stationären Variante, wie jetzt, sondern in einer
mobilen. Der Komplex sollte nicht nur an eine Stadt gebunden sein, sondern bei
Notwendigkeit auch Wladiwostok, Murmansk und Sotschi verteidigen.
http://www.de.rian.ru/security_and_military/20091216/124393456.html