Von der forschenden Zuschauerin zur ersten Geige: Drei Fragen an

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Von der forschenden Zuschauerin zur ersten Geige: Drei Fragen an
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Friederike Jurth inmitten der Musikergrupper der Sambaschule Vila Isabel | Foto: Rafael Fabrés
Von der forschenden Zuschauerin zur ersten Geige: Drei Fragen an die
Promotionsstudentin Friederike Jurth
Eigentlich war die Weimarer Musikwissenschaftlerin Friederike Jurth nach Brasilien gereist, um vor Ort für
ihre Dissertation über die Entstehung jener "Lieder" zu forschen, die jedes Jahr eigens für den
Karnevalswettbewerb in Rio de Janeiro komponiert werden. In der Sambaschule Vila Isabel erhielt sie über
mehrere Monate Einblick in den Kompositionsprozess des sogenannten samba-enredo. Beim Höhepunkt
des Karnevals Mitte Februar im berühmten Sambódromo durfte die 27-Jährige sogar überraschend als
Geigerin am Umzug mitwirken. In UNISONO erzählt Friederike Jurth von ihren Erlebnissen.
Frau Jurth, wie war es im Sambódromo?
Einmalig! Der Umzug ist wie eine Geschichte, und der Samba das musikalische Herz. Ich sage immer, der
Karneval ist die brasilianische Oper. Musik, Kostüme, Wagen - alles hängt zusammen und ist aufeinander
abgestimmt. Bevor es losging, habe ich die ganze Zeit gedacht: "Spiel bloß sauber! Und vergiss nicht zu
lächeln!" Aber sobald man drin ist, geht alles von allein. Dann geht man diese 700 Meter lange Avenida
hinunter und sieht die Leute in den unteren Rängen, es ist unfassbar laut, vieles passiert nebenbei. Der
Umzug ist einfach ein Gesamtkunstwerk.
lächeln!" Aber sobald man drin ist, geht alles von allein. Dann geht man diese 700 Meter lange Avenida
hinunter und sieht die Leute in den unteren Rängen, es ist unfassbar laut, vieles passiert nebenbei. Der
Umzug ist einfach ein Gesamtkunstwerk.
Ihre Teilnahme beim Karneval gleicht einer kleinen Revolution. Warum?
Dass mich "meine" Sambaschule in ihren Umzug eingebunden hat, ist in dreierlei Hinsicht außergewöhnlich.
Zunächst gibt es in der Musikergruppe normalerweise keine Frauen. Man muss sich das wie eine Art
Arbeitsteilung vorstellen - die Männer singen oder spielen Instrumente, die Frauen tanzen hauptsächlich. Ich
habe aber festgestellt, dass die Grenzen sich allmählich aufzulösen beginnen. Zweiter Punkt ist, dass ich
Ausländerin bin. Eigentlich auch ein Unding! Und dann habe ich auch noch Geige gespielt! Das hing damit
zusammen, dass Isaac Karabtchevsky, dieses Jahr zum Thema des Umzugs gemacht wurde. Er ist ein
brasilianischer Dirigent klassischer Werke, der Ende 2014 seinen 80. Geburtstag gefeiert hat. Die Geige
stand in diesem Fall repräsentativ für die klassische Musik.
Der Karneval ist ein Wettstreit der Sambaschulen, bei dem es letztendlich auch um sehr viel Geld
geht. Die Angst, von der Konkurrenz ausspioniert zu werden, ist hoch. Wie haben Sie überhaupt
Zugang zu den Komponisten bekommen?
Es ist schwer, an die Komponisten heranzukommen. Sie arbeiten in Gruppen und schreiben nichts auf. Das
ist vermutlich auch ein Grund, weshalb es kaum Studien über die Musik gibt, im Gegensatz zum Marketing
oder zur Geschichte der Umzüge. Ich hatte das Glück, den Sohn eines Komponisten aus der Sambaschule
Vila Isabel zu kennen. Ohne ihn hätte ich keinen Fuß in die Tür bekommen. Die Komponisten nehmen ihre
Ideen auf Handys oder anderen Geräten auf. Es fiel ihnen anfangs schwer, mir diese Aufnahmen für meine
Arbeit zur Verfügung zu stellen - zum einen weil die Sambas etwas sehr Persönliches für sie sind, zum
anderen aber auch aus Angst und Skepsis. Die Komponisten müssen dir vertrauen können, denn in den
Sambaschulen geht es mitunter nicht immer ganz regelkonform zu.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Ina Schwanse
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