Erlernte Hilflosigkeit

Transcription

Erlernte Hilflosigkeit
Martin E. P. Seligman
Erlernte Hilflosigkeit
Über Depression, Entwicklung und Tod
Aus dem Amerikanischen von Brigitte Rockstroh.
Mit einem Anhang von Franz Petermann.
1999 Beltz Verlag. Weinheim und Basel
© der deutschen Ausgabe:
1992 Psychologie Verlags Union. Weinheim
ISBN 3-407-22016-2
Die amerikanische Originalausgabe erschien 1975 unter dem Titel
HELPLESNESS. ON DEPRESSION, DEVELOPMENT AND DEATH
bei W.H. Freeman and Company, San Francisco
© 1975 Martin E. P. Seligman
Das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, hilflos zu sein, kann weitreichende
Folgen haben: Depression, Angst und schließlich Apathie. Martin Seligmans bahnbrechende Untersuchung aus dem Jahre 1974 ist ein Standardwerk der Sozialwissenschaften.
»Erlernte Hilflosigkeit ist ein vielseitig anwendbares Erklärungsmodell für
die Entstehung psychischer Fehlentwicklungen und ihrer Bewältigung.«
Zeitschrift für Heilpädagogik
Über dieses Buch:
HILFLOSIGKEIT. ÜBER DEPRESSION, ENTWICKLUNG UND TOD, wie der Titel
der amerikanischen Originalausgabe lautet, ist 25 Jahre nach seinem Erscheinen bereits ein Klassiker, der Eingang in verschiedenste
wissenschaftliche Disziplinen gefunden hat. Martin Seligmans bahnbrechender Erklärungsansatz, wie die Erfahrung von Unkontrollierbarkeit zu Hilflosigkeit und in Folge zu Depression, Angst und Apathie führt, war Ausgangspunkt unzähliger Untersuchungen und
theoretischer Erklärungsmodelle sowohl in der Entwicklungspsychologie, Sozialpsychologie und Klinischen Psychologie wie auch in
der Pädagogik und Soziologie. Die Bandbreite des Modells der »Erlernten Hilflosigkeit« reicht von der Erklärung psychopathologischer
Symptome bis hin zur Erforschung gesellschaftlicher Zustände wie
Armut und Arbeitslosigkeit. Das Buch von Seligman, der seine Theorie anhand von anschaulichen Beispielen entwickelt, ist ein Standardwerk der Sozialwissenschaften. Im Anhang stellt Franz Petermann neue Konzepte und Anwendungen der Theorie Seligmans vor.
Der Autor:
Martin E. P. Seligman ist Professor für Sozialpsychologie und Klinische Psychologie an der Universität von Pennsylvania.
2
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur amerikanischen Originalausgabe ............................................................................. 5
1 Einführung ..................................................................................................................................... 8
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
Depression ......................................................................................................................... 8
Das Sonntagskind ............................................................................................................. 8
Angst und Unvorhersehbarkeit ....................................................................................... 9
Versagen in der Kindheit ................................................................................................. 9
Plötzlicher psychosomatischer Tod .............................................................................. 10
2
Kontrollierbarkeit ...................................................................................................................... 13
3
Experimentelle Untersuchungen ........................................................................................... 20
2.1
2.2
3.1
3.2
3.3
4
4.1
4.3
4.4
21
21
23
24
27
31
33
Darstellung der Theorie .................................................................................................
4.1.1 Motivationale Störungen .....................................................................................
4.1.2 Kognitive Störungen ............................................................................................
4.1.3 Emotionale Störungen .........................................................................................
Behandlung und Prävention ..........................................................................................
4.2.1 Grenzen der Hilflosigkeit ....................................................................................
Alternative Theorien .......................................................................................................
4.3.1 Inkompatible motorische Reaktionen .................................................................
4.3.2 Adaption, emotionale Erschöpfung und Sensibilisierung .................................
Physiologische Ansätze bei der Erklärung von Hilflosigkeit ...................................
36
38
39
41
43
45
47
47
49
51
Depression ................................................................................................................................... 56
5.1
5.2
5.3
6
Hilflosigkeit untergräbt die Motivation, Reaktionen auszuführen ..........................
3.1.1 Gelernte Hilflosigkeit beim Hund ......................................................................
3.1.2 Der triadische Versuchsplan ...............................................................................
3.1.3 Mangelnde Motivation bei verschiedenen Tierarten .........................................
3.1.4 Allgemeingültigkeit von Hilflosigkeit
unter verschiedenen situativen Bedingungen .....................................................
Hilflosigkeit beeinträchtigt die Lernfähigkeit .............................................................
Hilflosigkeit führt zu emotionalen Störungen ............................................................
Die Theorie: Heilung und Prävention .................................................................................. 36
4.2
5
Willentliche Reaktionen ................................................................................................ 14
Reaktionsunabhängigkeit und Reaktionskontingenz ................................................. 15
2.2.1 Experimente zum abergläubischen Konditionieren ........................................... 18
Formen der Depression ..................................................................................................
Gelernte Hilflosigkeit als Modell der Depression ......................................................
5.2.1 Grundregeln .........................................................................................................
5.2.2 Symptome der Depression und der gelernten Hilflosigkeit ..............................
5.2.3 Ätiologie von Depression und gelernter Hilflosigkeit ......................................
5.2.4 Erfolg und Depression .........................................................................................
5.2.5 Behandlung von Depression und gelernter Hilflosigkeit ..................................
5.2.6 Prävention von Depression und gelernter Hilflosigkeit ....................................
Zusammenfassung ..........................................................................................................
57
58
59
60
67
70
72
75
76
Angst und Unvorhersehbarkeit .............................................................................................. 77
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
6.7
6.8
Definition von Unvorhersagbarkeit ..............................................................................
Angst und die Sicherheitssignal-Hypothese ...............................................................
6.2.1 Die Sicherheitssignal-Hypothese ........................................................................
Unvorhersagbarkeit und der Warncharakter der Furcht ............................................
Magengeschwüre ............................................................................................................
Präferenz für Vorhersagbarkeit .....................................................................................
Der Zusammenhang zwischen Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit ...............
6.6.1 Selbstverabreichung aversiver Stimulation ........................................................
6.6.2 Vermeintliche Kontrolle ......................................................................................
Systematische Desensibilisierung und Kontrollierbarkeit ........................................
Zusammenfassung ..........................................................................................................
3
77
80
80
81
83
86
87
88
90
91
93
7
Emotionale Entwicklung und Erziehung ............................................................................ 94
7.1
7.2
7.3
8
Tod ............................................................................................................................................... 115
8.1
8.2
8.3
9
Der Entwicklungsreigen ................................................................................................ 96
7.1.1 Reafferenz ............................................................................................................ 98
Trennung von der Mutter ............................................................................................. 100
Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit in Kindheit und Jugend ........................ 105
7.3.1 Das Klassenzimmer ........................................................................................... 106
7.3.2 Armut .................................................................................................................. 110
Tod durch Hilflosigkeit bei Tieren .............................................................................
Tod durch Hilflosigkeit bei Menschen ......................................................................
8.2.1 Hilflosigkeit in Heimen und Kliniken ..............................................................
8.2.2 Tod durch Hilflosigkeit im Alter ......................................................................
8.2.3 Frühkindliches Sterben und anaklitische Depression ......................................
Schluß .............................................................................................................................
117
121
125
127
128
129
Erlernte Hilflosigkeit: Neue Konzepte und Anwendungen ......................................... 131
Nachwort von Franz Petermann
9.1
9.2
9.3
9.4
9.5
Einleitung .......................................................................................................................
Theoretische Entwicklungen .......................................................................................
9.2.1 Die Reformulierung von Abramson, Seligman & Teasdale ...........................
9.2.2 Die Reformulierung von Miller & Norman .....................................................
9.2.3 Die Reformulierung seitens der Wortman-Gruppe .........................................
9.2.4 Die Reformulierung von Abramson, Alloy & Metalsky .................................
9.2.5 Alternativerklärungen von Hilflosigkeit ..........................................................
9.2.6 Begriffliche Unschärfen als Problem der Theoriebildung ..............................
Empirische Befunde .....................................................................................................
9.3.1 Kann man erlernte Hilflosigkeit aufheben? .....................................................
9.3.2 Kann man gegen Hilflosigkeit immunisieren? ................................................
9.3.3 Gibt es einen Zusammenhang zwischen Attributionsstil und Depression? ...
9.3.4 Wodurch ist Hilflosigkeit im Kindesalter bedingt? .........................................
9.3.5 Probleme empirischer Studien ..........................................................................
Anwendung und Perspektiven des Konzepts »Erlernte Hilflosigkeit« .................
Literatur zum zweiten Teil ..........................................................................................
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156
157
159
10 Anhang ....................................................................................................................................... 169
10.1
10.2
10.3
Anmerkungen ................................................................................................................ 169
Literatur .......................................................................................................................... 180
Fremdwörter .................................................................................................................. 199
4
Vorwort zur amerikanischen Originalausgabe
Es gibt verschiedene Motive, um sich mit der Psychologie zu beschäftigen. Manche sind
fasziniert von der Eleganz eines einfachen Systems, andere von den Verhaltensgewohnheiten einer bestimmten Tierart, und wieder andere von der erschreckenden Möglichkeit, das Verhalten anderer Menschen kontrollieren zu können. Ich selbst habe der Psychologie mein Lebenswerk gewidmet, um eine Spezies besser zu verstehen – den Menschen.
Dies mag aus dem Munde eines Lerntheoretikers und vergleichenden Psychologen ein
wenig altmodisch klingen, es entspricht aber der Wahrheit. Ich habe zwar einen großen
Teil meiner Zeit damit verbracht, mit anderen Spezies als dem Menschen zu arbeiten
und über einfache Prozesse nachzudenken, aber ich bin auch klinischer Psychologe, der
andere Menschen – im experimentellen wie im therapeutischen Rahmen – beobachtet
und mit ihnen umgeht. Diese beiden Seiten meiner Arbeit – die experimentelle und die
klinische – sind aufs engste miteinander verknüpft, denn ich bin davon überzeugt, daß
das Verständnis anderer Spezies und einfacher Prozesse für das Verständnis komplexer
Prozesse beim Menschen bedeutsam ist. Nicht nur bedeutsam – entscheidend. Dies ist
ein Weg, den Inhalt dieses Buches zu beschreiben. Dieses Buch ist ein Versuch,
menschliche Hilflosigkeit unter Zuhilfenahme von theoretischen Überlegungen und relevanten experimentellen Befunden in ihren vielen Aspekten zu analysieren.
Fünfundsiebzig Jahre lang haben Experimentalpsychologen aus der Abgeschiedenheit
ihrer Laboratorien heraus viele Versprechungen abgegeben. Sie behaupteten, daß ein
Verständnis einfacher Prozesse, niederer Tierarten und hochgradig kontrollierte Experimentalsituationen schließlich auch Licht auf reale Probleme, insbesondere der
menschlichen Psychopathologie, werfen würden. Ich werde im folgenden versuchen,
diese Versprechen in Raten einzulösen.
Da der Stoff dieses Buches zum größten Teil aus Experimenten stammt, muß ich zunächst ein paar Worte über ethische Fragen sagen. Viele der Experimente, die ich beschreiben werde, mögen besonders Naturwissenschaftlern grausam vorkommen: Tauben
erhalten kein Futter, Hunde bekommen elektrische Schläge, Ratten werden in kaltes
Wasser geworfen, Affenkinder werden von ihren Müttern getrennt, und alle Experimentaltiere werden ihrer Freiheit beraubt und in Käfigen gefangen gehalten. Sind solche
Manipulationen ethisch vertretbar? Meiner Ansicht nach sind sie nicht nur im großen
und ganzen vertretbar, sondern es wäre vielmehr unvertretbar, wenn Wissenschaftler,
deren grundsätzliche Verpflichtung darin besteht, menschliche Not zu lindern, derartige
Experimente unterließen. Meiner Meinung nach sollte sich jeder Wissenschaftler, der
ein Tierexperiment plant, eine Frage stellen: wie wahrscheinlich ist es, daß die Schmerzen und Entbehrungen, die dieses Tier erleiden wird, eindeutig durch die dadurch erreichbare Erleichterung menschlicher Schmerzen und Entbehrungen aufgewogen wird?
Lautet die Antwort »sehr wahrscheinlich«, dann ist das Experiment gerechtfertigt.
Jeder, der einige Zeit mit schwer depressiven Patienten oder erwachsenen Schizophrenen verbracht hat, kann das Ausmaß ihres Leidens einschätzen; sich der Forderung, auf
Tierexperimente zu verzichten, anzuschließen, hieße, das Leiden von Mitmenschen zu
ignorieren. Tierexperimentelle Forschung unterlassen bedeutet, Millionen Menschen ihrem Elend zu überlassen. Viele Menschen und viele Haustiere sind heute nur deshalb
noch am Leben, weil Tierexperimente mit medizinischen Zielen durchgeführt wurden.
Ohne derartige Untersuchungen würde die Kinderlähmung noch heute grassieren, wären
die Pocken noch immer weit verbreitet und fast immer tödlich, wären Phobien unheilbar. Was die in diesem Buch diskutierten Untersuchungen anbetrifft, so bin ich davon
überzeugt, daß die gewonnenen Erkenntnisse über Depression, Ängste, plötzlichen Tod
und Heilung und Prävention dieser Störungen die ihnen zugrunde liegenden Tierexperimente rechtfertigen.
5
Dieses Buch ist in zehnjähriger Arbeit entstanden. Viele haben dazu beigetragen durch
ihre Mitarbeit, durch Planungsdiskussionen, durch Lehre, Ratschläge und allgemeine
Unterstützung. Am leichtesten läßt sich allen danken, wenn ich chronologisch vorgehe.
Von 1964 bis 1966 studierte ich als höheres Semester und Stipendiat der National Science Foundation am Psychologischen Institut der Universität von Pennsylvania. Dort
lenkten Richard L. Solomon und J. Bruce Overmier mein Interesse zum ersten Mal
auf das Phänomen der Hilflosigkeit. Bruce führte zusammen mit Russell Leaf die ersten
Experimente durch und arbeitete in meinem ersten und seinem letzten Hochschuljahr
mit mir zusammen. Während dieses Jahres begannen Steven F. Maier und ich ein
dreijähriges gemeinsames Forschungsprogramm über Hilflosigkeit; wir führten die ersten bescheidenen Untersuchungen zur Hilflosigkeit durch und formulierten die ersten
Ansätze der in diesem Buch vorgestellten Theorie. James Geer arbeitete zusammen mit
Steve und mir über die Behandlung von Hilflosigkeit. Während dieser drei Jahre bildeten uns so viele Menschen aus, lasen so viele unsere Manuskripte und erteilten uns Ratschläge, daß ich fürchte, einige Namen vergessen zu haben. Unter ihnen waren vor allem Francis Irwin, Robert Rescorla, J. Brooks Garder, Henry Gleitman, Vincent LoLordo, Frank Norman, Joseph Wolpe, Arnold Lazarus, Jack Catlin, Lynn Hammond, David
Williams, Morris Viteles, Nicholas MacKintosh, Elijah Lovejoy, Phillip Teitelbaum,
Larry Stein, J. Paul Brady, Julius Wishner, Martin Orne, Peter Madison, Joseph Bernheim, Lucy Turner, Jay Weiss, Vivian Paskal, Paul Rozin, Justin Aronfreed, Albert Pepitone, und dann vor allem Richard Solomon, der meine Dissertation betreute.
Von 1967 bis 1969 lehrte ich an der Cornell Universität und führte weitere Experimente
zur Hilflosigkeit durch. In dieser Phase waren vor allem Studenten meine wichtigsten
Mitarbeiter und Anreger; unter ihnen Robert Radford, Dennis Groves, Suzanne Johnson
Taffel, Bruce Taffel, James C. Johnston, Susan Mineka, Charles Ives, Dorothy Brown,
Irving Faust, Leslie Schneider, Anne Roebuck, Bruce Meyer, Joanne Hager, Chris Risley, Charles Thomas, Marjoric Brandriss, Ron Hermann, Richard Rosinski und Martha
Zaslow. Andere, die mit mir diskutierten, Ratschläge erteilten oder Manuskripte lasen,
waren Steve Jones. Ulric Neisser, Harry Levon, Fred Stollnitz, Bruce Halpem, Carl Sagan. Steve Emlen, Randy Gallistel, Jerome Bruner, David Thomas, Henry Alker, Abe
Black, F. Robert Brush, Russel Church, Byron Campbell, Eric Lenneberg und Neal
Miller. Viele Gedanken für dieses Buch haben in Gesprächen mit diesen Mitarbeitern
oder in gemeinsamer Arbeit ihren Ursprung gehabt. Bis 1970 wurden meine Untersuchungen vom Public Health Service, MH 16546, finanziell unterstützt.
Meine Schüler überzeugten mich, daß unsere Experimente für klinische Probleme von
sehr großer Bedeutung seien, vor allem für Depression und Ängste. Sie bedrängten mich
sehr, aus erster Hand Erfahrungen mit Patienten und mit psychopathologischen Störungen zu sammeln. Also ließ ich mich 1970 von der Cornell Universität beurlauben, um
an der psychiatrischen Abteilung der Universität von Pennsylvania zu arbeiten. Aaron
T. Beck und Albert J. Stunkard haben mich am meisten unterstützt; sie waren aber auch
Lehrer und Anreger. In diesem Jahr habe ich eine Menge über psychopathologische Störungen gelernt; und eigentlich habe ich damals auch richtig begonnen, dieses Buch zu
schreiben. Zu meinen Lehrern und Ratgebern gehörten Dean Schuyler, James Stinnet,
Igor Grant, Ellen Berman, J. Paul Brady, Burton Rosner, Reuben Krone, Joseph Mendels, Alan Frazer, Lester Luborsky, Tom Todd, Henry Bachrach, Rochel Gelman, Peter
Brill und Stephanie und Jim Cavanaugh. Von 1970 an wurde meine Arbeit vom Public
Health Service, HM 19604, unterstützt. Mein Dank gilt auch Louise Harper für ihre finanzielle Unterstützung in den Jahren 1970 und 1971.
1971 kehrte ich glücklich auf Dauer an das Psychologische Institut der Universität von
Pennsylvania zurück. Hier erhält man praktisch dauernd Anregungen, so daß ich kein
Mitglied des Instituts nennen könnte, von dem ich nicht profitiert hätte. Meine Studenten und Mitarbeiter während der letzten vier Jahre waren Glückstreffer: William Miller,
6
Yitzchak Binik, David Klein, Donald Hiroto, Robert Rosellini, Lyn Abramson, Linda
Cook, Gwynneth Beagley, Robert Hannum, Peter Rapaport, James C. Johnston, Susan
Mineka, Lisa Rosenthal, Michael Gurtman, Larry Clayton, Diana Strange, Michael Kozak, Harold Kurlander, Ellen Fencil, Martha Stout und Sherry Fine.
Nützlichen Rat und Hilfe bei der Formulierung von Gedanken dieses Buches gaben
Alan Kors, Judy Rodin, Jerre Levy, T. George Harris, Joyce Fleming, Ed Banfield, Robert Nozick, Mark Adams, Gerald Davison, Maj. F. Harold Kushner, Barry Schwartz,
Elkan Gamzu, Michael Parrish, Kayla Friedman, Kate O’Hare, Janet Greenberg, David
Rosenhan, Mike D’Amato, Perrin Cohen, Alan Teger und Debby Kemler.
W. Hayward Rogers von W. H. FREEMAN UND CO. und Lawrence Erlbaum von Lawrence Erlbaum Associates sind die Verleger, die mich ermutigten, das Manuskript in
der vorliegenden Form zu schreiben. Ich erhielt sehr hilfreiche Kommentare zum gesamten Manuskript von Barry Schwartz, Phil Zimbardo, Jonathan Freedman und Edward Banfield; ihnen gilt mein besonderer Dank. Großen Dank schulde ich auch
Andrew Kudlacik von W. H. FREEMAN UND CO., der das Manuskript herausgab.
Und nicht zuletzt haben Victoria Raybourne, Dorothy Lynn, Marguerite Wagner, Nancy
Sawnhey, Lynn Brehm, Carolin Suplee und Deborah Muller in den letzten Jahren geduldig und sorgfältig die Schreibarbeiten erledigt.
Ein Mensch – meine Frau Kerry – hat jedes Wort in diesem Buch mehrmals gelesen und
vieles neu geschrieben. Ihre Unterstützung, ihre Anregungen und ihr Vertrauen während
der zehn Jahre, in denen dieses Buch entstand, würdige ich mehr als ich sagen kann. Die
Liebe meiner Mutter Irene und meiner Kinder Amy und David, die mich manchmal
ganz schön ablenkte, machte das Ganze dennoch angenehmer.
August 1974
Martin E. P. Seligman
7
1
Einführung
1.1
Depressionen
Kürzlich bat mich eine Frau mittleren Alters um psychotherapeutische Behandlung. Jeder Tag, so sagte sie, sei ein einziger Kampf, nur um gerade so über die Runden zu
kommen. An schlechten Tagen bringe sie es nicht einmal fertig, aus dem Bett aufzustehen, und wenn ihr Ehemann abends nach Hause komme, sei sie noch im Schlafanzug
und habe kein Essen vorbereitet. Sie weine sehr viel; selbst Phasen besserer Stimmung
würden von Gedanken an Versagen und Wertlosigkeit unterbrochen. Kleine, alltägliche
Beschäftigungen wie Einkaufen oder Ankleiden kämen ihr sehr schwierig vor, und jedes
kleinste Hindernis erscheine ihr wie eine unüberwindliche Barriere. Als ich sie darauf
hinwies, daß sie eine gutaussehende Frau sei, und ihr vorschlug, sich ein neues Kleid zu
kaufen, antwortete sie: »Das ist einfach viel zu schwer für mich. Ich müßte mit dem Bus
durch die Stadt fahren und würde mich wahrscheinlich verirren. Selbst wenn ich tatsächlich zu dem Geschäft hinfände, so würde ich ja doch kein passendes Kleid finden.
Was würde das Ganze letztlich auch bringen, ich bin doch wirklich so unattraktiv«.
Sie geht und spricht langsam, und ihr Gesicht sieht traurig aus. Bis zum letzten Herbst
war sie lebhaft und aktiv gewesen, war Vorsitzende des Elternbeirats in ihrem Vorort,
eine charmante Gastgeberin, Tennisspielerin und Hobbydichterin. Dann geschah zweierlei: ihre Zwillingssöhne kamen aufs College und gingen damit zum ersten Mal von zu
Hause fort, und ihr Mann wurde innerhalb seiner Firma auf eine Position mit größerem
Verantwortungsbereich befördert, eine Position, die ihn häufiger von zu Hause fernhielt.
Jetzt grübelt sie darüber nach, ob ihr Leben überhaupt noch lebenswert sei, und hat bereits mit dem Gedanken gespielt, den Inhalt ihrer Flasche Antidepressiva auf einmal zu
schlucken.
1.2 Das Sonntagskind
Nancy kam mit einem glänzenden Abgangszeugnis von der Oberschule an die Universität. Sie war Klassensprecherin gewesen und ein beliebter und hübscher Cheerleader.
Alles was sie wollte, war ihr stets in den Schoß gefallen; sie erzielte ohne Mühe gute
Noten, und die jungen Männer traten sich gegenseitig auf die Füße im Wettstreit um ihre Gunst. Sie war das einzige Kind ihrer Eltern; diese waren vernarrt in sie und beeilten
sich, ihr jeden Wunsch zu erfüllen; Nancys Erfolge erlebten sie als ihren Triumph, Mißerfolge bereiteten ihnen Seelenqualen. Freunde gaben Nancy den Spitznamen »Sonntagskind«.
Als ich Nancy in ihrem zweiten Studienjahr kennenlernte, war sie kein Sonntagskind
mehr. Sie sagte, daß sie sich ganz leer fühle, daß sie alles unberührt lasse; ihre Kurse
wären langweilig, und das ganze akademische System käme ihr wie eine tyrannische
Verschwörung vor, um ihre Kreativität zu ersticken. Im vergangenen Semester hatte sie
zweimal die Note »Sechs« bekommen. Sie hatte »es« mit einer ganzen Reihe von jungen Männern »gemacht« und lebte derzeit mit einem Gammler zusammen. Nach jedem
sexuellen Kontakt fühlte sie sich ausgenutzt und wertlos; ihre derzeitige Beziehung
hatte einen Tiefpunkt erreicht, und sie fühlte wenig mehr als Verachtung gegenüber ihrem Freund und gegenüber sich selbst. Sie hatte ausgiebig leichte Rauschmittel genommen und es anfangs auch genossen, von ihnen fortgetragen zu werden. Aber jetzt hatten
selbst Drogen geringe Anziehungskraft.
Sie hatte als Hauptfach Philosophie belegt und fühlte sich in stark emotional gefärbter
Weise vom Existentialismus angezogen: sie war wie die Existentialisten davon über8
zeugt, daß das Leben absurd sei und daß die Menschen selbst ihrem Leben einen Sinn
geben müßten. Diese Überzeugung erfüllte sie mit Verzweiflung. Ihre Verzweiflung
wuchs noch, als sie ihre eigenen Bemühungen, ihrem Leben einen Sinn zu geben –
durch die Teilnahme an den Aktionen für Frauenemanzipation und gegen den Vietnamkrieg – als fruchtlos wahrnahm. Als ich sie darauf hinwies, daß sie doch eine begabte
Studentin gewesen war und immer noch ein attraktiver und wertvoller Mensch sei,
brach sie in Tränen aus: »Also habe ich Sie auch getäuscht«.
1.3
Angst und Unvorhersagbarkeit
Während ich diese Zeilen schreibe, ist zwischen den Leserzuschriften im Reiseteil der
Sonntagsausgabe der New York Times eine Debatte in vollem Gange.1 Sie mag manchem wie ein Sturm im Wasserglas vorkommen, ist aber zufällig von beträchtlicher
theoretischer und praktischer Bedeutung. Eine Mrs. Samuels war Passagier an Bord einer Boeing 747 gewesen, die von Los Angeles nach New York flog; sie wandte sich mit
einer Klage an die Times. Über den Rocky Mountains – sie wartete gerade darauf, daß
das Mittagessen serviert würde – wurde den Passagieren mitgeteilt, daß man aus »technischen Gründen« eine nicht eingeplante Zwischenlandung in Chicago einschieben
müsse. Einige Minuten später meldete sich der Pilot noch einmal: »Einige der Passagiere möchten gerne darüber aufgeklärt werden, was ›technische Gründe‹ wirklich bedeutet. Einer der Motoren ist ausgefallen, so daß eine Zwischenlandung aus Sicherheitsgründen angezeigt ist. Natürlich könnte das Flugzeug auch mit nur zwei Motoren bis
New York weiterfliegen«.
Mrs. Samuels berichtete, daß die Aufregung beträchtlich gewesen sei und meinte, daß
man die Passagiere, die ja nun einmal dafür bezahlten, Entscheidungen dem Piloten zu
überlassen, über ihre Lage hätte im Dunkeln lassen sollen; sie konnten ohnehin nichts
an der Situation ändern außer einen erhöhten Blutdruck zu bekommen. Mrs. Samuels
schloß mit der Frage: »Wie viele Leser denken wie ich über die freiwillige Offenheit
des Piloten – wenn das Flugzeug wirklich nicht in Schwierigkeiten war, wie behauptet
wurde? Und wie viele meinen andererseits, daß ihre Grundrechte verletzt werden, wenn
sie überhaupt nichts erfahren?«. Es ist interessant, daß die meisten Leser, die auf Mrs.
Samuels Frage antworteten, die volle Wahrheit erfahren wollen, wenn es Schwierigkeiten gibt.
1.4 Versagen in der Kindheit
Victor ist ein neunjähriger Junge von außergewöhnlicher Intelligenz – zumindest denken seine Mutter und seine Freunde so. Sein Lehrer – Victor geht in die dritte Klasse einer rein schwarzen Grundschule in Philadelphia – ist gänzlich anderer Meinung. Zu
Hause ist Victor lebendig, schlagfertig, gesprächig und geht aus sich heraus. Bei seinen
Spielkameraden auf der Straße ist er der anerkannte Führer. Er ist zwar etwas kleiner als
seine Spielkameraden, doch machen sein Charme und seine Phantasie seine geringe
Körpergröße mehr als wett. Im Klassenzimmer ist Victor jedoch ein Problem. Er tat sich
bereits schwer, als im Kindergarten und in der ersten Klasse der Leseunterricht begann.
Er bemühte sich zwar, war aber einfach nicht fähig, die Verbindung zwischen dem Wort
auf dem Papier und dem gesprochenen Wort herzustellen. Zunächst übte er fleißig,
machte aber keine Fortschritte; er meldete sich oft, aber seine Antworten waren durchweg falsch. Je häufiger er versagte, um so widerwilliger versuchte er es von neuem; er
beteiligte sich immer weniger am Unterricht. Im zweiten Schuljahr machte er im Musikund Kunstunterricht lebhaft mit, verstummte aber stets, wenn es ans Lesen ging. Sein
Lehrer erteilte ihm eine Weile zusätzlichen Unterricht, aber beide gaben bald auf. Zu
diesem Zeitpunkt wäre Victor vielleicht fähig gewesen zu lesen, aber der bloße Anblick
eines Wortkärtchens oder einer Fibel löste bei ihm trotziges Schweigen oder einen Wut9
anfall aus. Diese Haltung dehnte sich langsam auf den gesamten Schultag aus. In seinen
Stimmungen schwankte er zwischen Mutlosigkeit und Widerspenstigkeit.
Dann ereignete sich im vergangenen Sommer etwas Erstaunliches. Zwei Psychologen
einer nahegelegenen Universität kamen in die Schule, um einigen »lernschwierigen«
Kindern das Lesen beizubringen. Natürlich wurde Victor mit einbezogen; wie gewöhnlich machte er keine Fortschritte. Schon der Anblick eines an die Tafel geschriebenen
Satzes versetzte ihn in eine seiner Launen. Daraufhin versuchten die Wissenschaftler
etwas anderes: sie schrieben ein chinesisches Schriftzeichen an die Tafel und sagten dazu, dies heiße »Messer«. Victor lernte es sofort; dann schrieben sie das Zeichen für
»scharf« auf. Auch das lernte er. Innerhalb von wenigen Stunden las Victor in chinesische Schriftzeichen »kodierte« englische Sätze und kurze Abschnitte. Inzwischen ist der
Sommer vorüber, und die Wissenschaftler sind an die Universität zurückgekehrt. Victor
verfügt über einen Wortschatz von 150 Schriftzeichen, kann aber weder Englisch lesen
noch schreiben. Er macht noch mehr Schwierigkeiten in der Schule, und sein neuer Lehrer hält ihn für geistig behindert.
1.5 Plötzlicher psychosomatischer Tod
1967 kam eine Frau kurz vor ihrem 23. Geburtstag völlig aufgelöst ins Städtische Krankenhaus von Baltimore gelaufen und bat um Hilfe. Sie und zwei andere Mädchen hatten, wie es schien, verschiedene Mütter, waren aber bei derselben Hebamme an einem
Freitag, dem 13., im Okefenokee-Sumpf zur Welt gekommen. Die Hebamme hatte alle
drei Babys verflucht und prophezeit, daß die eine vor ihrem 16. Geburtstag, die zweite
vor ihrem 21. Geburtstag und die dritte vor ihrem 23. Geburtstag sterben würde. Die erste war mit 15 Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen; die zweite war
am Abend vor ihrem 21. Geburtstag bei einer Schlägerei in einem Nachtclub versehentlich erschossen worden. Nun wartete die dritte voller Entsetzen auf ihren eigenen Tod.
Die Klinik nahm sie etwas skeptisch zur Beobachtung auf. Am nächsten Morgen, zwei
Tage vor ihrem 23. Geburtstag, wurde sie tot in ihrem Klinikbett aufgefunden – ohne
erkennbare organische Todesursache.2

Was haben nun alle diese Beispiele gemeinsam? Sie alle veranschaulichen Aspekte
menschlicher Hilflosigkeit. Wenn der Leser sie nach der Lektüre dieses Buches besser
versteht, habe ich mein Ziel erreicht. Um das Grundgerüst des Buches deutlich zu machen, folgt nun eine Zusammenfassung der Zielsetzung und Schlußfolgerungen der einzelnen Kapitel.
Um sich mit Problemen wie dem plötzlichen Tod und Depression, mit Ängsten und mit
der Vorhersagbarkeit von Gefahren, mit Mißerfolgserlebnissen in der Kindheit und mit
der Entwicklung der Motivation auseinandersetzen zu können, muß der Leser zunächst
jene Konzepte beherrschen, die zum Verständnis von Hilflosigkeit notwendig sind. Im
nachfolgenden Kapitel werden die Begriffe der Hilflosigkeit und Unkontrollierbarkeit
definiert, analysiert und zu lerntheoretischen Konzepten in Beziehung gesetzt. Wenn der
zu behandelnde Gegenstand definiert ist, werden dem Leser im dritten Kapitel beispielhaft Experimente zur Hilflosigkeit vorgestellt. Laborexperimente zur Hilflosigkeit führen zu drei Störungen oder Defiziten: die Motivation zu reagieren wird untergraben, es
wird langsamer gelernt, daß eigene Reaktionen Konsequenzen bewirken, und es kommt
zu emotionalen Störungen, vor allem zu Depression und Ängsten.
In Kapitel 4 stelle ich eine einheitliche Theorie vor, die die motivationalen, kognitiven
und emotionalen Störungen integriert, die in den zugrunde liegenden Experimenten zur
Hilflosigkeit beobachtet wurden. Darüber hinaus lassen sich aus dieser Theorie Ansätze
10
für Heilung und Prävention der Hilflosigkeit ableiten. Der Leser wird erfahren, auf welche Weise die Theorie bisher überprüft wurde und kann alternative psychologische
Theorien der Hilflosigkeit sowie einige physiologische Ansätze durchdenken. Dieses
Kapitel vervollständigt konzeptuelle und experimentelle Grundlagen, die es dem Leser
ermöglichen, in der zweiten Hälfte des Buches Phänomene wie Depression, Ängste, die
Entstehung motivierten Verhaltens und plötzlichen psychosomatischen Tod genau zu
analysieren.
Das fünfte Kapitel handelt von depressiven Reaktionen bei Menschen und diskutiert Parallelen zwischen diesen depressiven Reaktionen bei Menschen in ihrer natürlichen
Umgebung und der im Laboratorium induzierten Hilflosigkeit, die sich sowohl aus Beobachtungen als auch aus experimentellen Ergebnissen zwingend ergeben. In diesem
Kapitel wird eine Theorie der Depression vorgestellt und Möglichkeiten zu Heilung und
Prävention von Depression aufgezeigt. Vor dem Hintergrund dieser Theorie drängen
sich mir einige spekulative Überlegungen zu Depressionen bei unserer »jeunesse dorée«
auf, und ich behaupte, daß eine Kindheit, in der man alle begehrenswerten Dinge im
täglichen Leben unabhängig vom eigenen Verhalten erhält, zu depressiven Reaktionen
im Erwachsenenalter führen kann, weil man weitgehend unfähig ist, Streß zu bewältigen.
Angstreaktionen, die durch Unkontrollierbarkeit und Unvorhersagbarkeit verursacht
werden, sind Thema des sechsten Kapitels. Unkontrollierbarbarkeit und Unvorhersagbarkeit sind unmittelbar miteinander verwandt. Unvorhersagbarkeit wird im sechsten
Kapitel definiert und zu den vorausgegangenen Diskussionen über Hilflosigkeit in Beziehung gesetzt. Im allgemeinen wird Vorhersagbarkeit gegenüber Unvorhersagbarkeit
vorgezogen. Streß und Angst sind beträchtlich größer, wenn Ereignisse unvorhersagbar
eintreten, und geringer, wenn die Ereignisse vorhersagbar sind; und das Verhalten von
Mensch und Tier kann durch Unvorhersagbarkeit ernsthaft gestört werden; z.B. kommt
es unter Panik und Schrecken vermehrt zur Bildung von Magengeschwüren. In einem
theoretischen Rahmen wird das Bedürfnis nach Sicherheit zu den Auswirkungen von
Unvorhersagbarkeit in Beziehung gesetzt, und diese Theorie wird mit alternativen theoretischen Annahmen verglichen. Der Leser wird dann in der Lage sein, diese Theorie in
Verbindung mit seinem Wissen über Hilflosigkeit auf die Frage anzuwenden, was bei
der Behandlung von Angstreaktionen eigentlich abläuft. Die systematische Desensibilisierung ist eine überaus wirksame Methode zur Behandlung neurotischer Angstreaktionen; ich möchte diese Form der Verhaltenstherapie im Kontext einer »SicherheitssignalHilflosigkeit«-These erklären.
In Kapitel 5 und 6 werden Unvorhersagbarkeit und Unkontrollierbarkeit zu Zuständen
(states) reaktiver Depression und Angst in Beziehung gesetzt. Welches sind nun aber
die langfristigen Auswirkungen von Hilflosigkeit, Auswirkungen also, die sich in Persönlichkeitsmerkmalen (traits) niederschlagen? Das Kind beginnt sein Leben in einem
Zustand der Hilflosigkeit und lernt dann, die wichtigsten Ereignisse in seiner Welt zu
kontrollieren. Kapitel 7 untersucht die Auswirkungen von Unvorhersagbarkeit und Unkontrollierbarkeit auf die emotionale und motivationale Entwicklung von Kindern. Der
Leser wird angeleitet, aus der Perspektive der vorgeschlagenen Theorie der Hilflosigkeit
eine Reihe von Phänomenen zu betrachten: den Hospitalismus, das Verhalten von jungen Affen, die von ihren Müttern getrennt werden, das Verhalten junger Katzen, die
asynchrone Rückmeldung erfahren, die Entwicklung des Selbstwertgefühls, die Auswirkungen von Überbevölkerung und das Schulversagen. Begriffe wie Ich-Stärke und
Kompetenz werden mit der Bewältigung bzw. Kontrolle von Ereignissen in Beziehung
gesetzt; ich werde die Hypothese aufstellen, daß das Zusammentreffen, die Kontingenz
von Reaktion und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für eine gesunde Entwicklung entscheidend ist. Ich werde ferner die Zusammenhänge zwischen Hilflosigkeit
11
und Armut untersuchen und spekulative Überlegungen über die Beziehung zwischen der
Erfahrung eigener Kontrolle und dem Erleben von Freiheit formulieren.
Hilflosigkeit spielt nicht nur bei mißerfolgsorientierter oder mangelnder Motivation in
früher Kindheit eine Rolle, sondern entfaltet gerade am Lebensende einige ihrer dramatischsten Wirkungen. Durch Hilflosigkeit hervorgerufener, plötzlicher psychosomatischer Tod ist Thema des achten und letzten Kapitels. Ich werde dort die Hypothese aufstellen, daß Hilflosigkeit häufige Ursache plötzlichen, unerwarteten Sterbens bei Tier
und Mensch ist. Der Leser wird in diesem Kapitel mit dem Voodoo-Tod bei Einwohnern der Karibischen Inseln bekannt gemacht, mit dem Tod von Kakerlaken durch Unterwerfung, mit Todesfällen, die die moderne Organisation in Altersheimen bedingt, mit
anaklitischen Depressionen und durch Hospitalismus verursachten Tod von Kindern,
mit dem plötzlichen Ertrinken wilder Ratten und der hohen Sterblichkeitsrate bei Tieren, die in Zoologischen Gärten leben. Unkontrollierbarkeit – wie in Kapitel 2 definiert
– könnte den Kern dieser ebenso eigenartigen wie realen Phänomene darstellen.
Die Theorie, die zuerst zur Erklärung der experimentellen Befunde und dann zum Verständnis von Erscheinungen im täglichen Leben herangezogen wird, entstand aufgrund
tierexperimenteller Studien. Dieses Buch ist analog aufgebaut. Die zweite Hälfte des
Buches bedient sich der Konzepte und Experimente, die in der ersten Hälfte entwickelt
wurden, um alltägliche, wirklichkeitsnahe Probleme wie Depression, Angst, Motivationsverlust und plötzlichen Tod zu erklären.
12
2 Kontrollierbarkeit
Hilflosigkeit ist der psychologische Zustand, der häufig hervorgerufen wird, wenn Ereignisse unkontrollierbar sind. Was heißt nun, ein Ereignis ist unkontrollierbar? Welchen Stellenwert hat Kontrolle im Leben von Organismen? Unsere spontanen Ideen sind
ein guter Ausgangspunkt: ein Ereignis ist unkontrollierbar, wenn wir nichts daran ändern können, wenn nichts von dem, was wir tun, etwas bewirkt. Untersuchen wir unsere
Idee anhand einiger Beispiele. Dies ermöglicht es mir, präzise zu definieren, was Unkontrollierbarkeit ist und eine Vielfalt von Phänomenen – einige zu unserer Überraschung – als Beispiele für Hilflosigkeit erkennen.
Ihre fünfjährige Tochter kommt aus dem Hinterhof ins Haus. Sie weint, und Blut läuft
ihr am Bein hinunter. Als erfahrene Eltern mit oberflächlichen Kenntnissen in erster
Hilfe werden Sie sie zuerst einmal in den Arm nehmen und mit einigen tröstenden
Worten beruhigen. Dann werden Sie den Schmutz vom Knie waschen und dabei eine
mittelgroße Wunde freilegen; Sie werden die Wunde säubern und die Blutung mit einer
Kompresse stillen. Während Sie damit beschäftigt sind, fängt Ihre Tochter wieder an zu
schluchzen; also erzählen Sie, um ihre Ängste zu stillen, wie Sie sich selbst mit sechs
Jahren in den Arm geschnitten haben. Das Schluchzen hört bald auf. Sie tragen etwas
Antiseptikum auf und legen einen Verband an. Ihr kleines Mädchen ist wieder fröhlich,
und die Blutung hat aufgehört.
Beachten Sie bei diesem kleinen Beispiel, wie oft Sie aktiv Kontrolle über das Problem
Ihres Kindes ausgeübt haben. Durch Ihre Aktionen haben Sie es beruhigt; durch Säubern und Verbinden der Wunde taten Sie alles für eine rasche Heilung. Bei alledem linderten Sie gekonnt die Ängste Ihres Kindes und linderten den Schmerz, indem Sie ihm
eine Geschichte erzählten. Ohne Ihre Intervention wäre alles viel schlimmer gewesen.
Nun stellen Sie sich vor, das Ganze hätte sich so entwickelt: Sie wachen in der Nacht
vom lauten Weinen Ihrer Tochter auf: sie hat hohes Fieber, ihr Bein ist angeschwollen
und rote Streifen gehen von der Wunde aus. Sie bringen sie sofort in die Ambulanz eines Krankenhauses, müssen dort aber drei Stunden lang warten, während Schwestern,
Pfleger und Ärzte vorbeilaufen, ohne Sie zu beachten. Ihr kleines Mädchen wimmert
und schwitzt. In Ihrer Verzweiflung halten Sie einen vorbeigehenden Medizinalassistenten fest und versuchen, ihm Ihr Problem zu schildern. Er hört Ihnen nicht zu und
sagt nur, indem er weiter eilt, Sie müßten Geduld haben. Dann gehen Sie zur Anmeldung. Dort stellt sich heraus, daß die Formulare, die Sie gleich bei Ihrer Ankunft ausgefüllt hatten, verlegt worden sind; Sie müssen also neue ausfüllen. Um sieben Uhr morgens endlich holt ein Arzt Ihre kleine Tochter in den Untersuchungsraum; eine halbe
Stunde später ist sie zurück. Der Arzt sagt Ihnen nur, er habe ihr eine Spritze gegeben
und eilt ohne weitere Erklärung zu seinem nächsten Patienten. Nach wenigen Stunden
erholt sich Ihr Kind.
Bei dieser Variante des Beispiels waren die meisten Ihrer Aktionen ohne Belang. Das
Klinikpersonal schenkte Ihrer Not keine Beachtung, verschlampte die Formulare und
ignorierte Ihre Bitten um eine Erklärung; Ihr Kind erholte sich ohne Ihr Zutun. Der
Verlauf der Ereignisse war unkontrollierbar, der Ausgang unabhängig von Ihren willentlichen Handlungen. In diesem letzten Satz steckt bereits eine klare Definition von
Unkontrollierbarkeit. Die entscheidenden Begriffe sind willentliche Reaktionen (voluntary response) und Unabhängigkeit von Reaktion und Konsequenz (response-outcome
independence); beide Begriffe sind eng miteinander verknüpft.
13
2.1
Willentliche Reaktionen
Pflanzen und die meisten niederen Tiere können über Dinge in ihrer Umgebung keine
Kontrolle ausüben; sie reagieren nur auf sie. Die Wurzeln der Tulpe reagieren, indem
sie vom Licht weg wachsen, der Stengel wächst zum Licht hin. Eine Amöbe reagiert auf
ein Stück Nahrung, indem sie es mit ihren Pseudopodien einfängt und es umfließt. Warum bezeichne ich derartige Bewegungen als Reaktionen und nicht als willentliche Reaktionen? Warum kann man nicht sagen, daß diese Bewegungen bestimmte Ereignisse
in der Umgebung des Organismus kontrollieren? Was diesen Bewegungen fehlt, ist die
Fähigkeit zur Veränderung, ist Plastizität. Sie ändern sich nicht, wenn sich die Kontingenz, d.h. die Beziehung zwischen der Bewegung und ihren Konsequenzen ändert, denn
sie sind an Stimuli gebunden, die sie hervorrufen. Würde man z.B. in einem Experiment
die Kontingenzen umkehren, also eine Amöbe nur dann füttern, wenn sie die Nahrung
nicht zu umfließen vermochte, so könnte die Amöbe ihr Verhalten doch nicht ändern,
auch wenn sie wiederholt keine Nahrung erhielte. Ähnlich würde es in keinem Experiment gelingen, die Wurzeln einer Tulpe nach oben wachsen zu lassen, indem man ihr
nur dann Wasser gibt, wenn sie nach oben wachsen. Kurz, ich möchte nur solche Reaktionen als willentliche Handlungen3 bezeichnen, die durch Belohnung oder Bestrafung
modifiziert werden können.
Kennzeichen dieser Reaktionen ist, daß wir sie häufiger ausführen, wenn wir für sie
belohnt werden, und sie bleiben lassen, wenn wir für sie bestraft werden. Reaktionen,
die wir unabhängig von Belohnung oder Bestrafung ausführen, werden als Reflexe,
blinde Reaktionen, Instinkte oder Tropismen bezeichnet. Wenn ich im nächsten Satz das
Wort »pickle« schreibe, dann tue ich das willentlich; wenn Sie mir eine Million Dollar
dafür geben. daß ich das Wort »pickle« schreibe, so werde ich dies sicherlich tun – und
ich könnte es noch zwei oder dreimal schreiben, damit das Maß voll wird. Wenn Sie mir
einen starken elektrischen Schlag versetzen, wenn ich »pickle« schreibe, dann wird das
Wort »pickle« nicht mehr erscheinen. Dagegen zieht sich die Pupille im Auge unwillkürlich zusammen, wenn Licht auf sie fällt. Auch wenn Sie mir eine Million Dollar für
den Fall versprechen, daß sich meine Pupille bei Lichteinfall nicht verengt, wird sie sich
kontrahieren.4
Willentliche Reaktionen stellen den zentralen Gegenstand eines bedeutenden Ansatzes
der Lerntheorien dar, den E. L. Thorndike begründete und B. F. Skinner entwickelt
und bekanntgemacht hat: den Ansatz der operanten Konditionierung. Auch wenn die
Details dieses Forschungssektors dem Studenten mysteriös erscheinen mögen, so ist die
der Theorie zugrundeliegende Prämisse doch einfach: die Vertreter der operanten Konditionierung glauben, daß sie die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten willentlichen Handelns aufdecken können, indem sie die Gesetzmäßigkeiten desjenigen Verhaltens erforschen, das sich durch Belohnung oder Bestrafung verändern läßt – instrumentell oder
»operant« werden diese Verhaltensweisen genannt, weil sie auf ihre Umgebung wirken
(i.e. »operate« on the environment). Der Begriff der operanten Reaktion ist für meine
Definitionsansätze von Bedeutung, und zwar nicht nur, weil mich Ratten, die für Futter
auf Hebel drücken, und Tauben, die für Körner auf Tasten picken, an sich schon faszinieren, sondern weil dieser Begriff sehr gut mit dem übereinstimmt, was ich unter willentlichem Handeln verstehe. Wenn ein Organismus keine operante Reaktion ausführen
kann, die Einfluß auf ihre Konsequenz hat, so möchte ich diese Konsequenz als unkontrollierbar bezeichnen.
Die Vertreter der operanten Konditionierung untersuchen also willentliche Reaktionen;
der andere bedeutsame Ansatz innerhalb der Lerntheorien – die Pavlovsche oder klassische Konditionierung – befaßt sich dagegen ausschließlich mit Reaktionen, die nicht
willentlich ausgeführt werden. In einem typischen Experiment zur Pavlovschen Konditionierung hört eine Versuchsperson einen Ton, dem ein kurzer, schmerzhafter elektri14
scher Schlag folgt. Der Ton wird als konditionierter Stimulus (CS), der Schlag als unkonditionierter Stimulus (US) bezeichnet. Die durch den Schlag ausgelöste Schmerzreaktion wird unkonditionierte Reaktion (UR) genannt. Wenn die Versuchsperson einmal
gelernt hat, den Schlag zu antizipieren, wird sie schwitzen und Herzklopfen bekommen,
sobald sie den Ton hört. Diese Erwartungsreaktion nennt man konditionierte Reaktion
(CR). Nun sollte man unbedingt beachten, daß konditionierte Reaktionen keine Kontrolle auf den elektrischen Schlag ausüben können; das Individuum erhält ihn unabhängig davon, ob es schwitzt oder nicht. Was ein Pavlovsches Experiment zu einem
Pavlovschen macht und es von einem Experiment zur operanten Konditionierung unterscheidet, ist genau genommen Hilflosigkeit. Keine Reaktion, sei sie konditioniert oder
irgendwie anders gelernt, kann den CS oder den US verändern. In einem Experiment
zur operanten Konditionierung muß dagegen stets eine Reaktion gegeben sein, die belohnt wird oder Bestrafung reduziert. Mit anderen Worten: das Individuum erlernt beim
instrumentellen Lernen eine Reaktion, die die Konsequenzen kontrolliert; im Pavlovschen Experiment dagegen ist es hilflos.
2.2 Reaktionsunabhängigkeit und Reaktionskontingenz
Eine willentliche Reaktion ist eine Reaktion, deren Auftretenswahrscheinlichkeit zunimmt, wenn sie belohnt wird, und sinkt, wenn sie bestraft wird. Wenn aber eine Reaktion explizit belohnt oder bestraft wird, dann liegt es auf der Hand, daß ihre Konsequenz
von der Reaktion abhängig ist. Was Reaktionsunabhängigkeit und Reaktionsabhängigkeit aber genau bedeuten, ist eine der tiefgreifendsten Fragen der modernen Lerntheorie.
Es liegt natürlich nahe, daß die Lerntheorie zunächst mit den einfachsten Prämissen
über das Lernen begann. Welcher Art Beziehungen zwischen Handlungen und Effekten
können Tier und Mensch erlernen? Die erste Antwort auf diese Frage war ziemlich unflexibel: Lernen findet nur dann statt, wenn ein Organismus eine Reaktion ausführt, der
unmittelbar eine Belohnung oder eine Bestrafung folgen. Sie betreten z.B. jeden Tag um
neun Uhr morgens die Eingangshalle Ihres Bürogebäudes; innerhalb der nächsten dreißig Sekunden drücken Sie auf den Fahrstuhlknopf, und der Fahrstuhl kommt, wenn die
dreißig Sekunden abgelaufen sind. Dies läuft mit absoluter Sicherheit jeden Tag ab.
Dieses einfache Zusammentreffen von Reaktion und Konsequenz – als kontinuierliche
Verstärkung bezeichnet – ist nur eine der vielen möglichen Kontingenzen, die gelernt
werden; Sie lernen auch, wenn auf eine Reaktion hin überhaupt nichts geschieht. Z.B.
drücken Sie eines Tages auf den Fahrstuhlknopf, aber der Fahrstuhl kommt nicht (vielleicht ist der Strom ausgefallen). Natürlich bleiben Sie nicht ewig dort stehen und drükken immer weiter auf den Knopf. Sie werden es nach einer Weile aufgeben und Ihren
Weg über die Treppen nehmen. Diese Form des Lernens wird als Extinktion bezeichnet:
eine Reaktion, die einmal zu einer Konsequenz geführt hat, löst nun nichts mehr aus.
Also räumten die Lerntheoretiker ein, daß reagierende Organismen zwei »magische
Momente« (»magic moments«) erlernen können: die eindeutige Verknüpfung von Reaktion und Konsequenz und ihre explizite Unabhängigkeit. Ich nenne diese Kontingenzen »magische Momente«, um darauf aufmerksam zu machen, daß es sich um sehr kurze Augenblicke handelt; die Hauptbegründung, sie den fundamentalen Kontingenzen
zuzurechnen, ist, daß sie fast schnappschußartig erfolgen; sie werden im Gedächtnis gespeichert und kodiert, ohne daß eine komplexe Integration über die Zeit hinweg notwendig ist.
Aber dieses Schema beschreibt bei weitem noch nicht alle Möglichkeiten zu lernen. Ende der dreißiger Jahre entdeckten L. J. Humphreys und B. F. Skinner unabhängig
voneinander die partielle oder intermittierende Verstärkung, wodurch das Ganze etwas
komplizierter wurde.5 Z.B. drücken Sie am Montag- und am Dienstagmorgen auf den
Fahrstuhlknopf, und der Fahrstuhl kommt; Mittwoch und Donnerstag drücken Sie eben15
falls, aber der Fahrstuhl kommt nicht, und am Freitag funktioniert er wieder. Wie viele
Tage werden Sie wohl noch – wenn der Fahrstuhl schließlich seinen Geist endgültig
aufgibt – auf den Knopf drücken, bevor Sie endgültig aufgeben und gleich die Treppen
hinaufgehen? Wenn Sie zuerst intermittierend verstärkt worden sind, werden Sie noch
einige Wochen auf den Knopf drücken, bevor Sie aufgeben; wenn Sie aber nur kontinuierlich verstärkt worden sind, werden Sie schon nach einigen Tagen aufgeben.
Menschen und Tiere lernen leicht, daß ihre Reaktionen nur gelegentlich von einer Konsequenz gefolgt werden. Außerdem werden ihre Reaktionen außerordentlich löschungsresistent, wenn sie dies einmal gelernt haben. Um diese Phänomene einordnen zu können, muß man sich einen etwas komplizierteren Organismus vorstellen, der die beiden
verschiedenen Momente – eindeutige Unabhängigkeit von Reaktion und Konsequenz
und eindeutige Koinzidenz von Reaktion und Konsequenz – zu einem Mittelwert verarbeiten kann. Organismen können mit anderen Worten »manchmal« und »vielleicht« genauso zu unterscheiden lernen wie »immer und »nie«. Abbildung 2.1 veranschaulicht
diesen Zusammenhang in allgemeiner Form.
Abb. 2.1:
Wahrscheinlichkeit
einer Konsequenz (K),
wenn die Reaktion (R)
ausgeführt wird.
Was geschieht nun, wenn
die Konsequenz eintritt,
ohne daß man eine Reaktion ausgeführt hat? Bei intermittierenden
Verstärkungsplänen und in einfacheren Beispielen kam es niemals vor, daß ein Organismus
ohne vorausgegangene Reaktion verstärkt wurde. Lernfähige Organismen sind jedoch
differenziert genug, um auch zu lernen, daß Konsequenzen eintreten, ohne daß sie vorher eine bestimmte Reaktion ausgeführt haben. In der Terminologie der operanten Konditionierung werden derartige
Kontingenzen als DRO – differentielle Verstärkung anderer
Verhaltensweisen
(differential
reinforcement of other reactions)
– bezeichnet (vgl. dazu Abbildung 2.2).6 Um zu unserem Beispiel zurückzukehren: Sie stehen
eines Morgens nur einfach dreißig Sekunden7 lang vor dem
Fahrstuhl, ohne auf den Knopf zu
drücken, und der Aufzug kommt
trotzdem. Es mag eine Weile dauern, aber mit der Zeit lernen Sie,
einfach nicht mehr auf den
Knopf zu drücken, wenn der
Aufzug seltsamerweise nur dann
erscheint, wenn der Knopf nicht
gedrückt wird.
Abb. 2.2: Wahrscheinlichkeit einer
Konsequenz (K), wenn die Reaktion
(R) nicht ausgeführt wird.
Das Ausbleiben der Reaktion
wird mit R gekennzeichnet.
16
Dieses Beispiel beschreibt zwei andere »magische Momente« neben der expliziten Koinzidenz von Reaktion und Konsequenz und deren eindeutiger Unabhängigkeit: Sie
werden verstärkt, obwohl Sie nicht reagiert haben; oder Sie reagieren nicht und werden
auch nicht verstärkt. Diese Kontingenzen können ebenso in intermittierender Abfolge
auftreten, wie dies bei eindeutiger Kontingenz und Inkontingenz von Reaktion und
Konsequenz der Fall ist. Sie drücken z.B. an den folgenden zehn Tagen nicht auf den
Fahrstuhlknopf; an sieben Tagen kommt der Aufzug, an den drei übrigen Tagen nicht.
Diese Art Lernprozeß setzt noch immer einen ziemlich primitiven Lernapparat voraus:
der Organismus lernt die Konsequenzen von ausgeführten und unterlassenen Reaktionen separat. Prinzipiell lernfähige Organismen können jedoch auch gleichzeitig Informationen über beide Dimensionen aufnehmen. Betrachten wir eine letzte, noch kompliziertere Variante unseres Beispiels: manchmal kommt der Aufzug auf Ihren Knopfdruck
hin innerhalb von dreißig Sekunden, aber es ist ebenso möglich, daß er auch innerhalb
von dreißig Sekunden eintrifft, ohne daß Sie auf den Knopf gedrückt haben. Alle vier
»magischen Momente« können sich bei demselben Aufzug an verschiedenen Tagen ereignen: Knopfdruck → Aufzug, Knopfdruck → kein Aufzug, kein Knopfdruck → Aufzug, kein Knopfdruck → kein Aufzug. Was lernen Sie also über den Zusammenhang
zwischen Ihren Reaktionen und dem Erscheinen des Aufzugs? Sie lernen, daß der Aufzug mit gleicher Wahrscheinlichkeit kommt, wenn Sie auf den Knopf drücken und
wenn Sie nicht auf den Knopf drücken. Dies aber trifft den Kern dessen, was mit Reaktionsunabhängigkeit gemeint ist.
Für jede gegebene Reaktion und
deren Konsequenz lassen sich die
Wahrscheinlichkeiten aller vier magischen Momente durch einen Punkt
in einem Reaktions-KontingenzenRaum darstellen (vgl. Abb. 2.3):
Abb. 2.3: Der ReaktionsKontingenzen-Raum.
Die Abszisse oder x-Achse gibt
die
Wahrscheinlichkeit
für
K/R(p(K/R)) (d.h. Konsequenz/
Reaktion) an, die Ordinate oder
y-Achse die Wahrscheinlichkeit
für p(K/R) an (vgl. auch Abb. 2.1
und 2.2).
Betrachten wir nun die 45º-Achse im Reaktions-Kontingenzen-Raum: für jeden Punkt
dieser Linie ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß eine Konsequenz folgt, gleich, unabhängig davon, ob eine Reaktion ausgeführt wurde oder nicht. Ist aber die Wahrscheinlichkeit gleich, ob eine bestimmte Reaktion ausgeführt wird oder nicht, dann ist die
Konsequenz unabhängig von dieser Reaktion. Und wenn dies für alle willentlichen Reaktionen gilt, so ist die Konsequenz unkontrollierbar.
Dagegen ist eine Konsequenz von einer Reaktion abhängig, wenn sich die Wahrscheinlichkeit, daß diese Konsequenz eintrifft, wenn eine Reaktion ausgeführt wurde, von der
Wahrscheinlichkeit, daß die Konsequenz eintrifft, wenn die betreffende Reaktion nicht
ausgeführt wurde, unterscheidet: die Konsequenz ist dann kontrollierbar. Jeder Punkt,
der nicht auf der 45º-Achse liegt, impliziert in irgendeinem Ausmaß Kontrollierbarkeit.
17
Wenn ich Ihnen z.B. jedesmal eins auf die Finger gebe, wenn Sie in die Keksbüchse
greifen, können Sie den Schlag auf die Finger kontrollieren: die Wahrscheinlichkeit, einen Klaps zu bekommen, ist gleich 1, wenn Sie in die Keksbüchse greifen. Wenn Sie
dies unterlassen, werden Sie auch keinen Klaps bekommen. Wenn ich Ihnen jedoch eins
auf die Finger gebe, egal, ob Sie in die Keksbüchse greifen oder nicht, dann sind diese
Schläge für Sie unkontrollierbar, und Sie sind hilflos.
Wir haben nun – wie ich hoffe weitgehend mühelos – eine klare Definition der objektiven Bedingungen gegeben, unter denen Hilflosigkeit auftritt: ein Individuum oder ein
Tier sind hilflos gegenüber einer Konsequenz, wenn diese unabhängig von allen ihren
willentlichen Reaktionen eintrifft.
Indem ich diese Definition ableitete, habe ich mich einem lerntheoretischen Standpunkt
angenähert, der differenzierter ist als der früherer Lerntheoretiker. Ein Organismus kann
nicht nur lernen, daß seine Reaktionen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eine
bestimmte Konsequenz herbeiführen und in gleicher Weise das Unterlassen der Reaktionen mit bestimmter Wahrscheinlichkeit bestimmte Konsequenzen nach sich zieht; er
kann auch beide Möglichkeiten zusammen verarbeiten. Dies setzt voraus, daß ein Organismus das Auftreten der vier verschiedenen »magischen Momente« über die Zeit hinweg integrieren und daraus die Kontingenz einschätzen kann.
Das Erlernen von Kontingenzen läßt sich zwar formal schwerer ausdrücken als das Erlernen von »magischen Momenten«, dies heißt jedoch nicht, daß dieser Lernprozeß
auch psychologisch komplizierter ist. Zwischen formaler und psychologischer Komplexität muß keine Übereinstimmung bestehen. Im täglichen Leben von Mensch und Tier
bedeutet es einen grundlegenden, einfachen und unerläßlichen Lernprozeß, daß Konsequenzen von den eigenen Reaktionen unabhängig sind. Dieser Lernprozeß muß nicht
über einen bewußten oder gar kognitiven Prozeß erfolgen: als ich zwei Jahre alt war,
wußte ich bereits, daß es nicht von meinen Wünschen abhing, ob es am nächsten Sonntag regnen würde oder nicht. Dies war mir völlig klar, auch wenn ich erst zwanzig Jahre
später das Konzept der Reaktionsunabhängigkeit verstehen sollte. Wenn eine Ratte
lernt, für Futter auf einen Hebel zu drücken, so muß sie auch lernen, daß diese Verstärkung unabhängig von irgendwelchen Bewegungen ihres Schwanzes gegeben wird.
Wenn sie lernt, daß bestimmte Reaktionen eine Konsequenz kontrollieren, dann muß sie
auch gelernt haben, daß andere Reaktionen keinen Einfluß auf diese Konsequenz haben.
Es müßte schon ein ziemlich unangepaßtes Tier sein, das dies nicht lernen könnte.
2.2.1 Experimente zum abergläubischen Konditionieren
Eine der grundlegenden Prämissen der Theorie und Forschungsarbeit, die ich hier beschreiben möchte, ist, daß ein Organismus lernen kann, wann Konsequenzen unkontrollierbar sind. Eine Reihe von Autoren schlägt dagegen andere Interpretationen vor. In
seinen Experimenten im Jahre 1948 ließ Skinner in kurzen, regelmäßigen Abständen
Getreidekörner neben hungrige Tauben fallen. Das Verhalten der Tauben hatte keinerlei
Einfluß auf das Ausstreuen der Futterkörner; dieses war also unkontrollierbar. Skinner
beobachtete, daß jede Taube am Ende des Trainings irgendeine Reaktion zuverlässig
ausführte: ein Vogel pickte, ein anderer hüpfte in die Mitte des Käfigs. Skinner behauptete, daß es sich dabei um abergläubisches Verhalten handele – so wie man eher
um Leitern herum- als unter ihnen hindurchgeht.
Skinner argumentierte, daß genau das Verhalten verstärkt worden war, das die Taube
zufällig in dem Moment ausführte, in dem ein Futterkorn neben sie fiel, was dann die
Häufigkeit dieser Reaktion ansteigen ließ. Dies wiederum ließe auch die Wahrscheinlichkeit steigen, daß der Vogel die betreffende Reaktion gerade wieder ausführte, wenn
das nächste Futterkorn fiele. Dies ist ein extremer Erklärungsansatz: nur jene Momente
sind relevant, in denen auf eine Reaktion eine Verstärkung folgt; wird eine Verstärkung
18
ohne vorausgehende Reaktion erfahren, so wird die Wahrscheinlichkeit der Reaktion
nicht reduziert. Einem solchen Ansatz liegt die Überzeugung zugrunde, daß Tiere (genauso wie Menschen) nicht imstande sind zu lernen, daß eine Reaktion von Verstärkung
unabhängig sein kann.
Ich werde viele Beispiele anführen, aus denen deutlich hervorgeht, daß Reaktionsunabhängigkeit nicht nur gelernt werden kann, sondern tatsächlich zuverlässig und mit verheerenden Konsequenzen gelernt wird. Wie aber können wir Skinners Ergebnisse erklären? Auch wenn echtes abergläubisches Verhalten bei Menschen zweifellos vorkommt,
so glaube ich, daß sich die Ergebnisse der Taubenexperimente kaum verallgemeinern
lassen, daß es sich dabei um Artefakte handelt, die mit der gewählten Spezies und dem
gewählten Verstärkungsplan zusammenhängen. Skinners Experiment stellt wahrscheinlich ein Beispiel klassischer Konditionierung dar und weniger ein Beispiel für instrumentelle Konditionierung auf der Basis von Verstärkung. Nachweislich werden bei
Tauben bestimmte unwillkürliche Reaktionen ausgelöst, wenn in kurzen, regelmäßigen
Abständen Futter angeboten wird; diese Reaktionen sind weitgehend biologisch determiniert (prepared) und gebahnt.8 J. E. R. Staddon und V. L. Simmelhag haben die Ergebnisse der Taubenexperimente zum abergläubischen Verhalten noch einmal analysiert
und fanden, daß die Tauben nur solche Verhaltensweisen zeigten, die jede Taube ausführt, wenn sie hungrig ist und auf Futter wartet.9 Diese Reaktionen sind also nicht
abergläubisch; sie wurden nicht geprägt, weil eine glückliche Kontingenz von Reaktion
und Verstärkung durch Futter bestand. Es handelte sich vielmehr um speziesspezifische,
unwillkürliche Verhaltensweisen, so wie sich ein Hund das Maul leckt, wenn er auf das
abendliche Futter wartet.
Ich möchte daraus den Schluß ziehen, daß unter bestimmten Umständen die reaktionsunabhängige Darbietung einer Konsequenz zu einer klassischen Konditionierung solcher speziesspezifischen Verhaltensweisen führen kann, die gerade passend zu dieser
Konsequenz ausgelöst wurden. Derartige Verhaltensweisen können leicht als »abergläubische« instrumentelle Reaktionen verkannt werden. Wie wir sehen werden, ist das
Ergebnis im allgemeinen jedoch Hilflosigkeit. Hilflose Tiere und Menschen scheinen
keinerlei abergläubische Beziehungen zwischen Reaktionen und Verstärkern gelernt zu
haben; sie scheinen im Gegenteil vor allem gelernt zu haben, sich außerordentlich passiv zu verhalten.
Wir haben jetzt die objektiven Bedingungen definiert, unter denen eine Konsequenz unkontrollierbar ist. Es gibt eine große Vielfalt von Verhaltensstörungen, Wahrnehmungsstörungen und emotionalen Störungen, die eine Folge von Unkontrollierbarkeit sind.
Hunde, Ratten und Menschen werden angesichts traumatisierender Bedingungen passiv,
sie können einfache Diskriminationsaufgaben nicht mehr lösen und entwickeln Magengeschwüre; Katzen lernen nur mit Mühe, ihre Bewegungen zu koordinieren, und Studenten höheren Semesters zeigen weniger Ehrgeiz. Im nächsten Kapitel werden wir die
exemplarischen Studien zur Unkontrollierbarkeit, die zu meiner Formulierung des
Hilflosigkeitskonzeptes führten, genauer betrachten.
19
3 Experimentelle Untersuchungen
Als Steven F. Maier, J. Bruce Overmier und ich vor ungefähr zehn Jahren den Zusammenhang von Angstkonditionierung und instrumentellem Lernen untersuchten,10
machten wir eine unerwartete und verblüffende Entdeckung. Wir hatten Mischlingshunde im Pavlovschen Geschirr fixiert und sie klassisch konditioniert, indem wir ihnen Töne darboten, auf die elektrische Schläge folgten. Die Schläge waren mäßig schmerzhaft,
konnten aber keine körperlichen Schäden verursachen. Was meine Kollegen und ich zunächst außer acht gelassen hatten, woran wir aber bald erinnert wurden, war das entscheidende Merkmal der Pavlovschen Konditionierung: der US, also der Schlag, war
unvermeidbar. Keine willentliche Reaktion der Tiere – ob Schwanzwedeln, Bellen oder
gegen das Geschirr Ankämpfen – konnte die Schläge beeinflussen. Ihr Einsatz und ihr
Ende, ihre Dauer und Intensität waren ausschließlich vom Versuchsleiter bestimmt.
(Diese Bedingungen entsprechen der Definition von Unkontrollierbarkeit).
Nachdem die Hunde diese Erfahrung gemacht hatten, wurden sie in eine »shuttle box«
gesetzt – ein Versuchskäfig mit zwei durch eine Barriere getrennten Abteilungen, deren
Boden elektrisch aufgeladen werden kann. Springt der Hund von der einen Käfighälfte
über die Barriere in die andere, so kann er den elektrischen Schlag abbrechen, ihm entfliehen. Der Hund kann dem Schock auch zuvorkommen, ihn also überhaupt vermeiden,
wenn er über die Barriere springt, bevor der Schlag einsetzt. Unsere Absicht war, die
Hunde zu zuverlässigen Vermeidern zu erziehen, so daß wir die Wirkung der klassisch
konditionierten Töne auf ihr Vermeidungsverhalten untersuchen konnten. Was wir dann
aber beobachteten, war höchst merkwürdig und läßt sich am besten beurteilen, wenn ich
zunächst das typische Verhalten eines Hundes beschreibe, der nicht zuvor unkontrollierbaren Schlägen ausgesetzt war.
Ein naiver Hund, der ohne experimentelle Vorerfahrung in eine shuttle box gesetzt wird,
rast mit Beginn des ersten Schlages wie toll im Käfig hin und her, bis er mehr zufällig
über die Barriere klettert und damit dem Schock entkommt. Im nächsten Durchgang
rennt der Hund wieder wild hin und her, überspringt die Barriere aber bereits schneller
als im vorausgegangenen Durchgang: innerhalb von wenigen Durchgängen wird sein
Fluchtverhalten sehr effizient, und dann lernt er bald, den Schlag ganz zu vermeiden.
Nach ungefähr fünfzig Durchgängen verhält sich der Hund ganz gelassen und bleibt vor
der Barriere stehen; kommt das Signal für den Schock, so setzt er elegant über die Barriere und bekommt so keinen einzigen Schlag mehr.
Ein Hund, der zuerst unvermeidbaren elektrischen Schlägen ausgesetzt worden war,
zeigte ein in erstaunlichem Maße anderes Verhaltensmuster. Die ersten Reaktionen dieses Hundes auf die elektrischen Schläge in der shuttle box glichen weitgehend denen
des naiven Hundes: er raste ungefähr eine halbe Minute lang wild hin und her. Dann
aber blieb er stehen und legte sich zu unserer Überraschung hin und winselte leise vor
sich hin. Als dieses Verhalten nach einer Minute immer noch anhielt, schalteten wir den
elektrischen Strom aus; der Hund hatte es nicht geschafft, über die Barriere zu springen
und dem Schock zu entfliehen. Im nächsten Durchgang reagierte der Hund genauso; zunächst tobte er kurz, schien dann aber nach wenigen Sekunden aufzugeben und ließ die
elektrischen Schläge passiv über sich ergehen. Auch in allen folgenden Durchgängen
schaffte es der Hund nicht zu entfliehen. Dies ist ein Musterbeispiel für gelernte Hilflosigkeit.
Laborexperimente beweisen, daß ein Organismus, der traumatische Bedingungen erfahren mußte, die er nicht kontrollieren konnte, die Motivation zum Handeln verliert, wenn
er später erneut mit traumatischen Bedingungen konfrontiert wird. Mehr noch, selbst
wenn er reagiert und es ihm gelingt, durch seine Reaktion den Streß zu reduzieren, so
hat er Schwierigkeiten zu lernen, wahrzunehmen und zu glauben, daß seine Reaktion
20
dies bewirkte. Schließlich wird sein emotionales Gleichgewicht gestört: Depression und
Angst, auf verschiedene Weise erfaßt, werden vorherrschend. Der Mangel an Motivation, der durch Hilflosigkeit hervorgerufen wird, ist in vieler Hinsicht besonders schlagend, und ich werde mich ihm daher zuerst zuwenden, um ihn genauer zu analysieren.
3.1 Hilflosigkeit untergräbt die Motivation,
Reaktionen auszuführen
3.1.1 Gelernte Hilflosigkeit beim Hund
Das Verhalten hilfloser Hunde ist typisch für das Verhalten vieler anderer Tierarten,
wenn sie mit Unkontrollierbarkeit konfrontiert werden. Folgendes Standardverfahren
wandten wir an, um gelernte Hilflosigkeit bei Hunden hervorzurufen und nachzuweisen:11 Am ersten Tag wurde das Versuchstier im Pavlovschen Geschirr fixiert und erhielt 64 elektrische Schocks von jeweils fünf Sekunden Dauer und einer Intensität von
6.0 Milliampère (mäßig schmerzhaft). Diesen Schocks ging keinerlei Signal voraus, und
sie waren zufällig über die Zeit verteilt. 24 Stunden später wurde das Versuchstier zehn
Durchgänge lang einem Flucht-Vermeidungstraining mit Warnreiz in einer shuttle box,
einem Versuchskäfig mit zwei Abteilen und elektrisch aufladbarem Boden, unterworfen: der Hund mußte über die Trennwand von einem Käfigabteil ins andere springen,
um dem Schock zu entfliehen oder ihn zu vermeiden. Elektrische Schläge konnten in
beiden Käfigabteilen verabreicht werden, so daß es keinen Ort gab, an dem das Tier
immer sicher gewesen wäre, während die Reaktion des Hinüberwechselns oder Springens immer zu Sicherheit führte. Jeder Durchgang begann mit dem Einsatz des Warnreizes (Verringerung der Lichtintensität), und dieses Signal blieb bis zum Ende des
Durchgangs bestehen. Zwischen dem Einsatz des Warnreizes und dem elektrischen
Schlag lag ein Intervall von zehn Sekunden; sprang der Hund innerhalb dieses Intervalles über die schulterhohe Trennwand, so endete das Signal und der Schock blieb aus.
Gelang es dem Tier nicht, innerhalb des Signal-Schock-Intervalles zu springen, so bekam es einen elektrischen Schlag von 4.5 Milliampère, der anhielt, bis der Hund über
die Barriere sprang. Schaffte es der Hund nicht, innerhalb von 60 Sekunden nach Einsatz des Signals über die Barriere zu springen, so wurde der Durchgang automatisch abgebrochen.
Von 1965 bis 1969 untersuchten wir das Verhalten von ungefähr 150 Hunden, die in
dieser Weise unvermeidbaren elektrischen Schlägen ausgesetzt worden waren. Von diesen Tieren reagierten zwei Drittel (ungefähr 100) hilflos. Diese Tiere machten die von
mir beschriebene eigenartige Verhaltenssequenz des Aufgebens durch. Das andere
Drittel der Versuchstiere verhielt sich völlig normal; wie naive Hunde führten sie erfolgreich Fluchtreaktionen aus und lernten rasch, den elektrischen Schlag zu vermeiden,
indem sie über die Trennwand sprangen, bevor der Schock einsetzte. Ein Mittelding
zwischen diesen beiden Verhaltensweisen wurde nicht beobachtet. Gelegentlich sprangen hilflose Hunde zwischen den Durchgängen über die Trennwand. Außerdem kam es
vor, daß ein Hund, der z.B. ganz still in der linken Kammer der shuttle box gesessen
und einen Schock nach dem anderen über sich ergehen lassen hatte, oftmals mit gewaltigen Sätzen quer durch den ganzen Käfig sprang, um aus dem Versuchskäfig überhaupt
zu entfliehen, wenn am Ende der Versuchssitzung die Tür zur rechten Kammer geöffnet
wurde. Da die hilflosen Hunde körperlich in der Lage waren, über die Barriere zu springen, mußte ihr Problem psychologischer Natur gewesen sein.
Es ist interessant, daß von den mehreren hundert Hunden, die dem Training in der
shuttle box ausgesetzt wurden, ungefähr 5% hilflos reagierten, auch ohne zuvor unvermeidbare Schocks erfahren zu haben. Ich bin der Überzeugung, daß die Lerngeschichte
dieser Hunde, bevor sie ins Laboratorium kamen, bestimmend dafür war, ob ein naiver
21
Hund hilflos wurde oder ob ein Hund, dem unvermeidbare elektrische Schläge versetzt
wurden, gegen Hilflosigkeit immun war. Wenn ich im nächsten Kapitel Möglichkeiten
zur Prävention von Hilflosigkeit diskutiere, werde ich genauer darauf eingehen, wie
man gegen Hilflosigkeit immunisiert werden kann.
Hilflosigkeit tritt bei Hunden unter einer Vielzahl unterschiedlicher Bedingungen auf
und kann leicht induziert werden. Hilflosigkeit hängt nicht von irgendeinem spezifischen Parameter des elektrischen Schlages ab; wir haben Frequenz, Intensität, Häufigkeit, Dauer und zeitliche Verteilung der Schocks variiert und konnten den Effekt immer
noch hervorrufen. Darüber hinaus spielt es überhaupt keine Rolle, ob dem unvermeidbaren Schock ein Warnsignal vorausgeht. Schließlich spielt es auch keine Rolle, mit welchen experimentellen Hilfsmitteln die Schocks appliziert werden oder wo das FluchtVermeidungs-Training stattfindet: shuttle box und Pavlovsches Geschirr sind austauschbar. Verabreicht man dem Hund zuerst unvermeidbare Schocks in der shuttle box
und verlangt dann von ihm, mit seinem Kopf auf Pedale zu drücken, um im
Pavlovschen Geschirr elektrischen Schlägen zu entfliehen, so reagiert er ebenso hilflos.
Darüber hinaus sind Hunde nach der Erfahrung unkontrollierbarer Schocks nicht nur
unfähig, dem Schock selbst zu entfliehen, sondern scheinen auch nicht imstande zu sein,
ihn zu verhindern oder ihn zu vermeiden. Overmier (1968) verabreichte Hunden im
Pavlovschen Geschirr unvermeidbare Schocks und setzte sie dann in die shuttle box:
wenn der Hund nun sprang, nachdem das Signal abbrach, aber noch bevor der Schock
einsetzte, konnte er diesen vermeiden. Ein Entfliehen war dagegen nicht möglich, denn
wenn es dem Hund nicht gelang, während des Signal-Schock-Intervalles zu springen, so
wurde die Trennwand geschlossen, und der Hund bekam einen unvermeidbaren elektrischen Schlag. Es gelang den hilflosen Hunden ebenso wenig zu vermeiden, wie es ihnen
nicht gelungen war zu entfliehen. Demnach bewältigen hilflose Hunde die Signale, die
den Schock ankündigen, ebenso schlecht wie den Schock selbst.
Auch außerhalb der shuttle box verhalten sich hilflose Hunde anders als Hunde, die
nicht hilflos sind. Wenn ein Forscher den Hundezwinger betritt und versucht, einen
nicht-hilflosen Hund herauszuholen, so fügt sich dieser nicht bereitwillig: er bellt, läuft
in den hinteren Teil des Käfigs und sträubt sich gegen jede Manipulation. Dagegen erscheinen hilflose Hunde völlig willfährig: sie strecken sich passiv auf dem Boden aus,
rollen sich gelegentlich sogar auf den Rücken und nehmen eine unterwürfige Haltung
ein: sie üben keinen Widerstand.
22
3.1.2 Der triadische Versuchsplan
Was führt uns zu der Aussage, daß gelernte Hilflosigkeit aus der Unfähigkeit resultiert,
ein physisches Trauma zu kontrollieren und nicht lediglich aus dem Erleben dieses
Traumas? Anders ausgedrückt: wie können wir behaupten, daß Hilflosigkeit ein psychologisches Phänomen ist und nicht nur die Folge des erfahrenen körperlichen Stresses?
Es gibt einen einfachen und eleganten experimentellen Versuchsplan, mit dessen Hilfe
die Effekte von Kontrollierbarkeit von den Auswirkungen des Reizes, der kontrolliert
wird, getrennt werden können. Bei diesem triadischen Versuchsplan werden drei Gruppen von Versuchspersonen bzw. Versuchstieren untersucht: eine Gruppe erfährt als
Vortraining eine Konsequenz, die sie mit Hilfe irgendeiner Reaktion kontrollieren kann.
Eine zweite Gruppe ist mit der ersten so verbunden (yoked), daß jede Versuchsperson
bzw. jedes Versuchstier genau die gleichen physischen Konsequenzen erfährt wie sein
Gegenüber aus der ersten Gruppe, jedoch führt keine Reaktion, die diese Kontrollpersonen oder -tiere ausführen, zu irgendeiner Modifikation dieser Konsequenz. Die dritte
Gruppe erhält kein Vortraining. Anschließend werden alle Gruppen in einer neuen Aufgabe untersucht.
Der triadische Versuchsplan erlaubt eine direkte Überprüfung der Hypothese, daß nicht
der Schock selbst Hilflosigkeit verursacht, sondern die Erfahrung, daß der Schock unkontrollierbar ist.12 Es folgen zwei Beispiele für den triadischen Versuchsplan. Im ersten Beispiel wurden drei Gruppen von jeweils acht Hunden untersucht.13 Die Hunde
der »Flucht«-Gruppe lernten im Pavlovschen Geschirr Schocks zu entfliehen, indem sie
mit ihren Schnauzen auf eine Taste drückten. Die yoked-Kontrollgruppe erhielt Schocks
in gleicher Anzahl, Dauer und Verteilung, wie sie der Flucht-Gruppe verabreicht wurden. Die yoked-Kontrollgruppe unterschied sich von der Flucht-Gruppe nur hinsichtlich
der instrumentellen Kontrolle über den Schock: das Drücken der Taste beeinflußte die
für die yoked-Kontrollgruppe vorprogrammierten Schocks nicht. Eine naive Vergleichsgruppe erhielt keine Schocks.
24 Stunden nach diesem Training wurden alle drei Gruppen einem Flucht-Vermeidungstraining in der shuttle box ausgesetzt. Die Tiere der Flucht-Gruppe und die naiven
Kontrolltiere reagierten gut: sie sprangen leicht über die Barriere. Im Gegensatz dazu
reagierten die Tiere der yoked-Kontrollgruppe signifikant langsamer. Sechs der acht
Kontrolltiere versagten vollständig und führten keine einzige erfolgreiche Fluchtreaktion aus. Es war also nicht der Schock selbst, sondern die Unmöglichkeit, den Schock zu
kontrollieren, die zu diesem Versagen führte.
Maier (1970) lieferte eine noch schlagendere Bestätigung dieser Hypothese. Nachdem
die Hunde im Pavlovschen Geschirr fixiert worden waren, wurde ihnen anstatt einer aktiven Reaktion wie Hebeldrücken eine passive Reaktion beigebracht, durch die sie den
elektrischen Schlag beenden konnten. Die Hunde dieser Gruppe (passive Fluchtgruppe)
wurden im Geschirr ganz festgebunden, und dann wurden über und neben ihren Köpfen
Pedale in einem Abstand von ½ cm angebracht. Nur wenn sie den Kopf nicht bewegten,
sich also ganz still verhielten, konnten diese Hunde den Schock beenden. Eine andere
Gruppe von zehn Hunden war ebenfalls angeschirrt und erhielt die gleichen Schocks,
jedoch unabhängig von jeder Reaktion, also unkontrollierbar. Eine dritte Gruppe bekam
keine elektrischen Schläge verabreicht. Später, in der shuttle box, reagierten die Hunde
der yoked-Kontrollgruppe überwiegend hilflos, während die naive Kontrollgruppe normale Fluchtreaktionen ausführte. Die Tiere der passiven-Fluchtgruppe bewegten sich
zunächst kaum; sie schienen nach irgendeiner Möglichkeit zu suchen, um passiv den
Schock im Versuchskäfig möglichst gering zu halten. Nachdem sie auf diese Weise keinen Erfolg hatten, fingen alle Tiere an, lebhaft zu entfliehen und zu vermeiden. Demnach ist nicht das traumatische Ereignis allein ausreichend, um bei der Fluchtreaktion zu
23
versagen, sondern die Erfahrung, daß überhaupt keine Reaktion – weder aktiv noch passiv – die traumatischen Bedingungen beeinflussen kann.
3.1.3 Mangelnde Motivation bei verschiedenen Tierarten
Studenten, die einen Einführungskurs in Psychologie beginnen – oder besser gesagt
Studenten, die diesen Kurs vermeiden –, sind sich in einem Punkt einig:. »Ratten! Was
haben Ratten mit Menschen zu tun?«. Diese Reaktion ist nicht annähernd so naiv, wie
sie sich für das geplagte Ohr des professionellen Psychologen anhört. Zu oft haben reine
Laborforscher vorschnell angenommen, daß Gesetze, die für eine Tierart als gültig
nachgewiesen wurden, generell für alle anderen Arten, vor allem auch für den Menschen zutreffen. Die Geschichte der vergleichenden Psychologie ist durchsetzt von
schlecht validierten Experimenten und zweifelhaften Theorien, die diese Behauptung
ohne Berechtigung machten. Neuere Entwicklungen haben uns jedoch gelehrt, sehr vorsichtig mit unbewiesenen Verallgemeinerungen von einer Tierart auf eine andere umzugehen.14 Die Art und Weise, wie eine Wachtel lernt, traumatische Ereignisse zu bewältigen, unterscheidet sich stark von dem, was eine Ratte oder ein Mensch lernen wird.
Gibt man einer Wachtel vergiftetes Wasser von blauer Farbe und saurem Geschmack,
so wird sie später blaues, nicht aber saures Wasser vermeiden; eine Ratte oder ein
Mensch dagegen werden saures, nicht aber blaues Wasser vermeiden. Selbst innerhalb
derselben Tierart gibt es sehr deutliche Unterschiede z.B. zwischen der Art, wie die
Ratte lernt, Schocks zu bewältigen und der Art und Weise, wie sie Gift zu bewältigen
lernt: bekommt eine Ratte einen elektrischen Schlag versetzt, nachdem sie blaues, saures Wasser getrunken hat, so wird sie später blaues Wasser vermeiden; wird sie durch
das Wasser vergiftet, so wird sie saures Wasser vermeiden. Wenn wir gelernte Hilflosigkeit als Grundlage für die Erklärung solch bedeutsamer Phänomene wie Depression
und psychosomatischen Tod heranziehen, so ist es unumgänglich herauszufinden, ob
diese auch in einer Vielzahl verschiedener Tierarten, den Menschen eingeschlossen,
auftritt. Anderenfalls können wir Hilflosigkeit als spezies-spezifisches Verhalten aufgeben, ähnlich dem eigenartigen Ritual eines männlichen Stichlings, der um das Weibchen
wirbt.
Mangelnde Motivation aktiv zu werden als Folge unkontrollierbarer Konsequenzen ist
bei Katzen, Ratten, Mäusen, Vögeln, Primaten, Fischen, Küchenschaben und Menschen
nachgewiesen worden. Gelernte Hilflosigkeit scheint ein allgemeines Merkmal lernfähiger Tierarten zu sein, so daß sie mit einiger Sicherheit als eine Erklärung für eine
Vielfalt von Phänomenen herangezogen werden kann.
3.1.3.1
Katzen
Earl Thomas berichtete über einen Effekt bei Katzen, der Hilflosigkeit bei Hunden
gleichzukommen scheint.15 Er konstruierte ein Pavlovsches Geschirr für Katzen, in dem
sie unvermeidbare elektrische Schläge verabreicht bekamen. Wurden die Tiere anschließend in eine shuttle box für Katzen gesetzt, so vermochten sie nicht zu entfliehen.
Ähnlich wie Hunde blieben sie sitzen und ließen den Schock über sich ergehen. Thomas
ist der physiologischen Basis von Hilflosigkeit nachgegangen; er vermutet im Septum,
einer Hirnstruktur unterhalb des Kortex, eine zentral wirksame Struktur, da eine Blokkade der Septumaktivität Hilflosigkeit entgegenwirkt. Er berichtet auch, daß seine Katzen bei direkter elektrischer Stimulation des Septums hilflos wurden. Ich werde im
nächsten Kapitel auf diese physiologische Beziehung zurückkommen, wenn ich die
Theorie der Hilflosigkeit und ihrer Therapie diskutiere.
3.1.3.2
Fische
Nach unvermeidbaren elektrischen Schlägen zeigen Fische ebenfalls schlechte Fluchtund Vermeidungsreaktionen. A. M. Padilla und seine Mitarbeiter verabreichten Goldfi24
schen unvermeidbare Schocks und beobachteten sie anschließend in einer shuttle box
unter Wasser. Diese Fische waren langsamer im Vermeiden als naive Kontrolltiere. Es
ist interessant, daß das Nachlassen der Hilflosigkeit beim Goldfisch den gleichen zeitlichen Verlauf nahm wie beim Hund.16
3.1.3.3
Primaten (Menschen ausgenommen)
Meinem Wissensstand vom Jahre 1974 zufolge hat bisher noch niemand ein ausgesprochenes Hilflosigkeitsexperiment unter Verwendung des triadischen Versuchsplans mit
Menschenaffen oder anderen Primaten durchgeführt. Jedoch werden in der Literatur die
Auswirkungen andersartiger unkontrollierbarer Ereignisse auf Primaten in beträchtlichem Umfang beschrieben. In den Experimenten wurden die Primaten drei verschiedenen Arten unkontrollierbarer Bedingungen ausgesetzt: soziale Hilflosigkeit in früher
Kindheit, Trennung von der Mutter und isolierte Aufzucht. Da die eindrucksvollen Ergebnisse dieser Experimente bisher nicht im Rahmen des Hilflosigkeits-Konzeptes interpretiert worden sind, möchte ich ihre Diskussion bis zum siebten Kapitel zurückstellen.
3.1.3.4
Ratten
Weiße Ratten und Erstsemester sind die am häufigsten verwendeten Versuchsobjekte im
psychologischen Experiment. Dies ist weniger auf irgendeine tiefergehende Überlegung
zurückzuführen als auf den günstigen Umstand, daß so viel über ihr Verhalten und ihre
physiologischen Reaktionen bekannt ist: wenngleich einige Forscher solange nicht an
die Echtheit eines Phänomens glauben wollen, bis es an weißen Ratten demonstriert
worden ist. Bis vor kurzem erwies es sich als problematisch, bei der Ratte Hilflosigkeit
hervorzurufen. Eine Vielzahl von Experimenten wurde durchgeführt, in denen unvermeidbare Schocks verabreicht wurden; im großen und ganzen zeigten diese aber – wenn
überhaupt – ziemlich geringe Auswirkungen auf die spätere Reaktionsbereitschaft.17 Im
Gegensatz zu Hunden entflohen Ratten, denen zuerst unvermeidbare elektrische Schläge
verabreicht worden waren, während der ersten paar Durchgänge dem Schock nur ein
wenig langsamer oder lernten die Vermeidungsreaktion etwas zögernder – sie blieben
aber niemals passiv sitzen und ließen Schocks über sich ergehen.
Nach intensiver Forschungstätigkeit haben jedoch inzwischen verschiedene Forscher
unabhängig voneinander eindeutig Hilflosigkeit bei Ratten hervorgerufen.18 Bei diesen
Experimenten wurde ein entscheidender Faktor sichtbar – die gestellte Aufgabe mußte
schwierig sein und durfte nicht mühelos von der Ratte bewältigt werden. Wenn z.B.
Ratten erst unvermeidbaren Schocks ausgesetzt werden und dann in einfachen Fluchtaufgaben untersucht werden – wie z.B. einmal einen Hebel drücken oder ins andere
Abteil der shuttle box fliehen – so werden keine Defizite gefunden. Wenn jedoch der
Schwierigkeitsgrad der Reaktion gesteigert wird – so muß z.B. der Hebel dreimal gedrückt werden, damit der Schock abbricht, oder die Ratte muß einmal ins andere Käfigabteil und wieder zurück laufen –, dann reagiert eine Ratte, die unvermeidbare Schocks
erfahren hat, sehr langsam. Im Gegensatz dazu bewältigen Ratten, die zunächst die Erfahrung vermeidbarer elektrischer Schläge gemacht haben oder überhaupt keine
Schocks versetzt bekommen haben, die schwierigeren Reaktionen ohne aufzugeben.
Solange eine Reaktion zum natürlichen oder automatischen Verhaltensrepertoire der
Ratte gehört, wird unvermeidbarer Schock nicht interferieren. Wenn die Reaktion in
gewisser Weise unnatürlich ist und daher »überlegt« ausgeführt werden muß, so wird
die Ratte nach der Erfahrung unkontrollierbarer Schocks hilflos.
3.1.3.5
Menschen
25
Wie manifestiert sich experimentell induziertes, unvermeidbares Trauma nun beim
»Homo sapiens«? Wie bei Hund, Katze, Fisch, Ratte und Affe wird, wenn ein Mensch
schädigenden Ereignissen ausgesetzt ist, die er nicht kontrollieren kann, seine Motivation zur Reaktion drastisch beeinträchtigt.
Donald Hiroto replizierte unsere Ergebnisse mit Hunden in analoger Weise bei Studenten.19 Seine »Flucht«-Gruppe bekam ein unangenehm lautes Geräusch dargeboten,
das sie durch Knopfdruck abzustellen lernte; die yoked-Kontrollgruppe hörte das gleiche Geräusch, allerdings unabhängig von jeder Reaktion; eine dritte Gruppe bekam kein
Geräusch dargeboten. Anschließend wurde jede Versuchsperson mit einer Fingershuttle-box untersucht: um dem Geräusch zu entgehen, mußte die Versuchsperson nur
ihre Hand von der einen Seite der shuttle box zur anderen bewegen. Die Kontrollgruppe, die kein Geräusch gehört hatte, und die Flucht-Gruppe lernten die notwendige
Handbewegung rasch. Wie bei anderen Arten beobachtet, gelang es der hilflosen yokedKontrollgruppe dagegen nicht, zu entfliehen oder zu vermeiden; die meisten Versuchspersonen saßen passiv da und ließen das unangenehme Geräusch über sich ergehen.
Hirotos Versuchsplan war tatsächlich komplizierter und bezog zwei andere wichtige
Faktoren mit ein. Jeweils einer Hälfte der Versuchspersonen in jeder der drei Gruppen
wurde gesagt, daß mit ihren Reaktionen in der shuttle box ihre Geschicklichkeit geprüft
werde; der jeweils anderen Hälfte wurde mitgeteilt, daß ihr Ergebnis vom Zufall abhänge. Diejenigen Versuchspersonen, die die Zufalls-Instruktion erhielten, neigten in allen
Gruppen stärker zu hilflosen Reaktionen. Schließlich variierte Hiroto in seinem Versuchsplan die Persönlichkeitsdimension »extern versus intern attribuierte Kontrolle von
Verstärkung«: jeweils die Hälfte aller Studenten einer Gruppe gehörte zu den »extern
attribuierenden«, die andere Hälfte zu den »intern attribuierenden«.20 Als »extern attribuierend« wird ein Individuum bezeichnet, wenn es – seinen Antworten in einem Persönlichkeitsfragebogen zufolge – der Überzeugung ist, daß Verstärker in seinem Leben
auf Zufall oder Glück beruhen und außerhalb seiner eigenen Kontrolle liegen. Ein »intern Attribuierender« glaubt dementsprechend, daß er seine eigenen Verstärker kontrollieren kann, und daß es nur eine Frage der Fähigkeiten und Fertigkeiten sei. Hiroto beobachtete, daß extern attribuierende Versuchspersonen in seinem Experiment schneller
hilflos wurden als intern attribuierende. Demzufolge riefen also drei unabhängige Faktoren Hilflosigkeit hervor: das Erleben von Unkontrollierbarkeit in der experimentellen
Situation, die kognitive Einstellung (cognitive set), die durch die Zufalls-Instruktion induziert wurde, und eine extern attribuierende Persönlichkeit. Diese Konvergenz ließ Hiroto zu dem Schluß kommen, daß diese drei Faktoren zusammen die Motivation,
Fluchtreaktionen auszuführen, untergraben, da sie alle zu der Einstellung beitragen, daß
das eigene aktive Verhalten und die Reduktion des Stresses unabhängig voneinander
sind.
D. C. Glass und J. E. Singer (1972) kamen in Experimenten, in denen sie den Streß der
Großstadt zu simulieren versuchten, zu dem Ergebnis, daß unkontrollierbarer lauter
Lärm dazu führt, daß Individuen schlechtere Leistungen beim Korrekturlesen erbrachten, den Lärm als sehr irritierend erlebten und beim Problemlösen eher aufgaben. Die
bloße Überzeugung, daß sie den Lärm abstellen konnten, wenn sie wollten, ebenso wie
die faktische Möglichkeit der Kontrolle über den Großstadtlärm ließen diese Defizite
verschwinden. Darüber hinaus wirkte sich die schlichte Überzeugung, daß sie irgend
jemanden erreichen könnten, der ihnen Erleichterung verschaffen würde, hilfreich auf
die Versuchspersonen aus. Die Beziehung zwischen der Wahrnehmung möglicher Kontrolle und tatsächlicher Kontrolle, so wie wir sie definiert haben, ist bedeutsam und
komplex; ich werde diese Beziehung im nächsten Kapitel noch umfassender diskutieren.
26
Dies beschließt den Überblick über mangelnde Motivation, die gelernte Hilflosigkeit bei
verschiedenen Tierarten hervorruft. Generell scheint zu gelten, daß Unkontrollierbarkeit
bei Hunden, Katzen, Ratten, Fischen, Primaten und Menschen die Bereitschaft senkt,
auf traumatische Erlebnisse adäquat zu reagieren.
3.1.4 Allgemeingültigkeit von Hilflosigkeit
unter verschiedenen situativen Bedingungen
Protestiert ein Studienanfänger gegen den Einführungskurs in die Psychologie und behauptet, Ratten seien ihm egal, so erhebt er nicht nur den Vorwurf, daß viele psychologische Phänomene auf eine Tierart begrenzt sein sollen, sondern wendet auch ein, daß
sie nur unter begrenzten Bedingungen hervorgerufen werden können. Hilflosigkeit ist
ein allgemeines Merkmal bei einer Reihe von Tierarten einschließlich des Menschen.
Wollen wir Hilflosigkeit jedoch ernsthaft als Modell zur Erklärung real auftretender
Phänomene wie Depression, Ängste und plötzlichen Tod heranziehen, so darf sie nicht
eine Eigentümlichkeit des Schocks, der shuttle box oder sogar nur des Traumas sein.
Ruft Unkontrollierbarkeit eine Verhaltensgewohnheit hervor, die auf Bedingungen beschränkt bleibt, die jenen ähneln, unter denen Hilflosigkeit gelernt wird, oder erzeugt sie
ein eher allgemeines Persönlichkeitsmerkmal? Anders ausgedrückt: ist Hilflosigkeit lediglich ein isolierter Komplex von Gewohnheiten oder schließt sie eine grundsätzlichere
Veränderung der Persönlichkeit ein? Ich glaube, daß das, was in einer unkontrollierbaren Umgebung gelernt wird, tiefgreifende Konsequenzen für das gesamte Verhaltensrepertoire hat.
Wir wissen bereits, daß Hilflosigkeit auf der untersten Stufe der Verallgemeinerung von
einer experimentellen Bedingung auf die andere übertragen wird, falls unter beiden Bedingungen elektrische Schläge eingesetzt werden: Hunde, die unvermeidbare Schocks
im Pavlovschen Geschirr verabreicht bekommen haben, sind später in der shuttle box
nicht zu Fluchtreaktionen imstande. Aber überträgt sich das Gelernte auch auf traumatische Erfahrungen, wenn sie keinen Schock einschließen? Braud und seine Mitarbeiter
untersuchten Mäuse in einem triadischen Versuchsplan.21 Eine Gruppe konnte dem
Schock entgehen, indem sie auf ein Podest kletterte, eine zweite Gruppe war yoked, und
die dritte Gruppe erhielt keine Schocks. Alle Tiere wurden anschließend in einen Laufgang gesetzt, der unter Wasser stand, und aus dem sie herausschwimmen mußten, um zu
entfliehen. Die yoked-Kontrollgruppe schnitt bei dem Versuch, aus dem Wasser zu entfliehen, am schlechtesten ab. In einem anderen Experiment, in dem untersucht werden
sollte, ob sich durch elektrische Schläge induzierte Hilflosigkeit unter anderen aversiven
Bedingungen bemerkbar machen würde, erhielten drei Gruppen von Ratten vermeidbare, unvermeidbare oder keine Schocks.22 Allen Tieren war zuvor die Nahrung entzogen
worden, und sie waren trainiert worden, einen Laufgang entlang zu laufen, um sich in
einer Zielbox Futter zu holen, das in jedem Durchgang dort angeboten wurde. Nachdem
die Tiere dies gelernt hatten, wurde kein Futter mehr in die Zielbox gelegt; während
dieser Löschungsphase liefen die Ratten also den Laufgang entlang zur Zielbox, in der
sie Futter erwarteten, fanden aber keines vor. Dies hat sich als eine frustrierende und
aversive Erfahrung für eine Ratte erwiesen.23 Dann wurde den Ratten die Möglichkeit
gegeben, aus der Zielbox herauszuspringen und der Frustration auf diese Weise zu entfliehen. Ratten, die im Vortraining vermeidbare oder keine elektrischen Schläge erfahren hatten, lernten diese Fluchtreaktion rasch; diejenigen Tiere, denen unvermeidbare
Schläge verabreicht worden waren, blieben passiv in der frustrierenden Zielbox sitzen.
Demnach generalisiert Hilflosigkeit von einer aversiven Erfahrung –Schock – auf eine
andere – Frustration.24
Ein anderes Beispiel für den Transfer von Hilflosigkeit ist mit dem Phänomen der durch
Schock ausgelösten Aggression verknüpft. Jeder, der sich schon einmal den Kopf an einer Autotür gestoßen hat, wütend wurde und die Mitfahrenden anschrie, kennt dieses
27
Phänomen. Bei Tieren zeigt es sich dadurch, daß eine Ratte, die in Anwesenheit einer
anderen einen elektrischen Schlag erhält, diese wütend angreifen wird. In einem triadischen Versuchsplan wurden Ratten vermeidbare, unvermeidbare oder keine elektrischen
Schläge versetzt; anschließend wurde schock-induzierte Aggression gegen eine andere
Ratte provoziert.25 Diejenigen Ratten, die in der Lage gewesen waren zu entfliehen,
griffen am häufigsten an, die naive Kontrollgruppe lag in der Mitte, und die hilflose
Gruppe griff am wenigsten an.
Eine ähnliche Studie, die in unserem Laboratorium durchgeführt wurde, ergab, daß
Hunde, die als Welpen unvermeidbare Schocks erfahren hatten, beim Wettstreit um
Futter mit Hunden, die entweder keine oder kontrollierbare Schocks verabreicht bekommen hatten, unterlagen (nur jeweils eine Schnauze paßte in eine Kaffeetasse mit
Futter). Hilflosigkeit senkt die Motivation, aggressive wie defensive Reaktionen auszulösen.
Macht sich Hilflosigkeit, die unter traumatischen Bedingungen erworben wurde, auch in
nicht traumatischen Situationen bemerkbar? D. Hiroto und ich untersuchten vor kurzem
systematisch, wie sich bei instrumentellen Aufgaben induzierte Hilflosigkeit auf kognitive Aufgaben auswirkt.26 Zwei Gruppen von Studenten wurde in einer ersten Phase ein
unangenehmes lautes Geräusch über Kopfhörer dargeboten, dem eine Gruppe entfliehen
konnte, während die andere ihm hilflos ausgeliefert war; eine dritte Gruppe hörte kein
Geräusch. Anschließend sollten alle Versuchspersonen unter nicht aversiven Bedingungen Anagramme lösen, und es wurde die Zeit gestoppt, die sie benötigten, um Anagramme wie z.B. HICTL zu lösen. Studenten, die unvermeidbarem Lärm ausgesetzt gewesen
waren, fanden die Lösung weniger häufig als Versuchspersonen, die dem Geräusch entfliehen konnten oder die kein Geräusch dargeboten bekommen hatten. Unter aversiven
Bedingungen gelernte Hilflosigkeit behindert die Lösung neutraler kognitiver Aufgaben.
Werden die hemmenden Auswirkungen von Unkontrollierbarkeit nur durch unkontrollierbare traumatische Erlebnisse hervorgerufen? Wie werden Verhaltensinitiativen beeinflußt, wenn ihnen eine Geschichte unkontrollierbarer, aber nicht traumatischer Ereignisse vorausgehen? D. Hiroto und ich versuchten Hilflosigkeit hervorzurufen, indem
wir anstelle des unausweichbaren unangenehmen Lärmes unlösbare Diskriminationsaufgaben einsetzten.27
Bei einer typischen Diskriminationsaufgabe werden einer Versuchsperson oder einem
Versuchstier zwei Stimuluskarten vorgehalten, eine weiße und eine schwarze. Hinter einer dieser Karten, sagen wir der schwarzen, befindet sich durchgängig die Belohnung:
etwas Kleie für die Ratte, ein Mickymaus-Heft für ein Kind, ein Fünfzig-Pfennig-Stück
oder ein »richtig« für einen Erwachsenen. In einigen Durchgängen liegt die schwarze
Karte links und die weiße rechts, in den anderen Durchgängen ist es umgekehrt. Das
Problem ist lösbar, denn das Aufnehmen der schwarzen Karte wird immer belohnt. Die
Belohnung ist kontrollierbar, denn die Wahrscheinlichkeit, für das Aufnehmen der
schwarzen Karte belohnt zu werden, ist 1.0 und die Wahrscheinlichkeit, für das Aufnehmen der weißen belohnt zu werden, ist 0. Kinder, Erwachsene und Ratten, ja sogar
Regenwürmer lernen solche Probleme zu lösen. Eine unlösbare Diskriminationsaufgabe
ist im gleichen Sinne unkontrollierbar wie ein unvermeidbarer elektrischer Schlag.
Stellen wir uns vor, was geschieht, wenn eine Diskriminationsaufgabe keine Lösung
hat. Rein technisch heißt das, daß sich die Belohnung in zufälliger Reihenfolge hinter
der weißen und der schwarzen Karte verbirgt: während der einen Hälfte der Durchgänge, zufällig ausgewählt, wird schwarz belohnt, während der anderen Hälfte weiß. Dies
impliziert auch, daß während der einen Hälfte der Durchgänge die linke Seite richtig ist
und während der anderen Hälfte die rechte. Solch ein Versuchsplan ist kennzeichnend
für ein Hilflosigkeitsexperiment: die Wahrscheinlichkeit, für die Wahl der schwarzen
Karte belohnt zu werden, ist 0.5, die Wahrscheinlichkeit für links ist 0.5 und für weiß
28
ebenfalls 0.5. Die Belohnung ist unabhängig von der Reaktion; sie ist per definitionem
unkontrollierbar.28
Die formale Ähnlichkeit von Unlösbarkeit und Unvermeidbarkeit vor Augen legten D.
Hiroto und ich drei Gruppen von Studenten Serien lösbarer und unlösbarer Diskriminationsaufgaben vor.29 Danach wurden alle Versuchspersonen in der Finger-shuttle-box
getestet, wobei es galt, einem unangenehm lauten Geräusch zu entfliehen. Versuchspersonen, die zuvor lösbare Diskriminationsaufgaben bekommen hatten oder keine Aufgaben lösen mußten, stellten das Geräusch rasch ab; die Versuchspersonen der Gruppe, die
mit unlösbaren Diskriminationsaufgaben konfrontiert worden war, ließen das Geräusch
passiv über sich ergehen. Die Initiative, Reaktionen auszuführen, die aversive Stimulation kontrollieren, kann also durch die Erfahrung unkontrollierbarer Belohnung gehemmt werden.
Wir fanden auch, daß unkontrollierbare Verstärkung die Bereitschaft reduziert, Reaktionen auszuführen, die belohnt werden. Mehrere Gruppen hungriger Ratten erhielten
Futterkügelchen, die unabhängig von ihren Reaktionen durch eine Öffnung im Käfigdach fielen; anschließend mußten diese Ratten lernen, sich das Futter durch Hebeldrükken zu verschaffen. Je mehr Futter die Tiere vor dem Hebeldrucktraining erhalten hatten, umso schlechter lernten sie die instrumentelle Reaktion, die ihnen Futter brachte.
Einige Ratten saßen einfach tagelang herum und warteten darauf, daß wieder Futter in
den Käfig fiel; sie drückten kein einziges Mal auf den Hebel.30
Die entscheidende Variable in diesem Versuch war, daß die Versuchstiere nach »verwöhnter Fratz«-Manier behandelt wurden – egal, was das Individuum tat, es wurde belohnt. Auf einer Tagung der »Psychonomic Society« wurde kürzlich ein hiermit zusammenhängender, aber kontroverser Vortrag mit dem Thema »Die Taube im Wohlfahrtsstaat« gehalten.31 Eine Gruppe hungriger Tauben lernte, für Futterkörner auf ein
Pedal zu springen. Eine zweite, die »Wohlfahrtsstaat«-Gruppe, erhielt die gleiche Menge Körner, aber unabhängig von dem, was sie tat: Futter und Verhalten waren inkontingent. Eine dritte Gruppe erhielt keine Körner. Alle Tauben wurden anschließend einer
»Selbstformungs«-Aufgabe (autoshaping) unterworfen, bei der sie lernten, gegen eine
erleuchtete Taste zu picken, um Körner zu bekommen. Die Tauben, die zuvor die Futterkörner durch ihr Hebeldrücken kontrolliert hatten, machten die schnellsten Fortschritte bei dieser Selbstformung, dann folgte die Kontrollgruppe, während die »Wohlfahrtsstaat«-Gruppe am langsamsten lernte. Nachdem alle Gruppen die instrumentelle
Aufgabe gelernt hatten, wurden sie einem Verstärkungsplan ausgesetzt, bei dem sie lernen mußten, das Picken zu unterlassen. Wieder lernte die Gruppe, die zuerst die Hebeldruckreaktion gelernt hatte, am schnellsten, wieder folgte die Kontrollgruppe, und wieder lernte die hilflose oder die – wie sie die Autoren nannten – »konditioniert träge«
Gruppe am langsamsten. Diese Ergebnisse sind umstritten und können nur mit Vorsicht
als »appetitive« Hilflosigkeit interpretiert werden: man ist inzwischen nicht mehr der
Ansicht, daß die selbstgeformte Reaktion der Tauben eine instrumentelle Reaktion ist.
B. Schwartz und D. R. Williams (1972) fanden, daß diese Pickreaktion nicht beibehalten wurde und daher den ausgelösten oder unwillkürlichen Reaktionen zuzuordnen
sei. Wenn Selbstformung tatsächlich eine klassisch konditionierte Reaktion zum Ergebnis haben sollte, so glaube ich kaum, daß appetitive Hilflosigkeit sie verzögert, da ich
der Überzeugung bin, daß Hilflosigkeit nur willentliche Reaktionen beeinträchtigt.
Unkontrollierbare Belohnung hat ähnlich hemmende Auswirkungen auf das Wettbewerbsverhalten von Versuchspersonen in anschließenden experimentellen Spielen. H.
Kurlander, W. Miller und ich stellten Studenten lösbare, unlösbare oder keine Diskriminationsaufgaben.32 Danach spielte jede Versuchsperson das »Gefangenen-Dilemma«Spiel. Bei diesem Spiel hat jeder Spieler die Aufgabe, mehr Punkte zu sammeln als sein
Gegner. Der Spieler kann in jedem Durchgang zwischen drei Verhaltensalternativen
wählen: er kann konkurrieren, kooperieren oder sich mit minimalen Verlusten aus dem
29
Spiel zurückziehen. Entscheidet sich der Spieler dafür zu konkurrieren, und sein Gegner
kooperiert, so gewinnt er viel, während der Gegenspieler viel verliert; konkurriert der
Gegner aber ebenfalls, so verlieren beide sehr viele Punkte. Entscheidet sich der Spieler
dafür zu kooperieren, und sein Gegner konkurriert, so verliert der Spieler beträchtlich
und sein Gegner gewinnt; wenn sich jedoch beide für Kooperation entscheiden, gewinnen beide ein wenig. Die letzte Alternative ist Rückzug: jedesmal, wenn ein Spieler sich
aus dem Spieldurchgang zurückzieht, verlieren beide einige Punkte.
Wenn nun der Spieler vor dem Gefangenen-Dilemma-Spiel lösbare Diskriminationsaufgaben gestellt bekam oder keine Aufgaben lösen mußte, so konkurrierte er häufiger und
zog sich seltener aus dem Spiel zurück. War er dagegen zunächst mit unlösbaren Diskriminationsaufgaben konfrontiert worden, so zog er sich häufiger zurück und konkurrierte wenig. Durch unkontrollierbare Belohnung induzierte Hilflosigkeit reduziert also
das Wetteiferverhalten.
Ich bin der Überzeugung, daß der durch Unkontrollierbarkeit hervorgerufene psychische
Zustand »Hilflosigkeit« die Initiative zu aktivem Handeln generell beeinträchtigt. Nach
der Erfahrung unkontrollierbarer elektrischer Schläge machen Hunde, Ratten, Katzen,
Fische und Menschen weniger Anstalten, weiteren Schock zu entgehen. Darüber hinaus
bleiben diese motivationalen Defizite nicht auf Schocks, nicht einmal auf aversive Reize
generell beschränkt. Aggressive Reaktionen, Flucht aus einer frustrierenden Situation
und sogar die Fähigkeit, Anagramme zu lösen, werden durch unkontrollierbare aversive
Erlebnisse gehemmt. Umgekehrt behindert unkontrollierbare Belohnung die Fähigkeit,
lautem Lärm zu entfliehen, sich Zugang zu Nahrung zu verschaffen und im Spiel zu
wetteifern.
Menschen und Tiere sind geborene Generalisierer. Ich glaube, daß nur unter sehr außergewöhnlichen Bedingungen eine spezifische, punktuelle Reaktion oder Assoziation gelernt wird. Das Lernen von Hilflosigkeit macht dabei keine Ausnahme: wenn ein Organismus lernt, daß er in einer Situation hilflos ist, kann ein großer Teil seines adaptiven
Verhaltensrepertoires untergraben werden. Andererseits muß der Organismus auch diejenigen Situationen, in denen er hilflos ist, von jenen diskriminieren, in denen er nicht
hilflos ist, wenn er weiterhin ein angepaßtes Verhalten zeigen will. Würde es uns nicht
gelingen, unsere Hilflosigkeit in Grenzen zu halten, und würden wir jedesmal gleich zusammenbrechen, wenn wir mit dem Flugzeug fliegen, so wäre das Leben ein Irrenhaus.
Jene Prozesse, die der Generalisation von Hilflosigkeit Grenzen setzen – Immunisierung, diskriminative Kontrolle und die Relevanz des unkontrollierbaren Ereignisses –
werden im nächsten Kapitel diskutiert werden.
30
3.2 Hilflosigkeit beeinträchtigt die Lernfähigkeit
Wie wir sahen, wirkt sich die Erfahrung unkontrollierbarer Konsequenzen zum einen
hauptsächlich auf die Motivation aus: unkontrollierbare Konsequenzen verringern die
Motivation, willentlich Verhalten auszulösen, das wiederum andere Konsequenzen kontrollieren würden. Eine zweite wesentliche Konsequenz betrifft die Kognition: hat ein
Mensch oder ein Tier einmal die Erfahrung von Unkontrollierbarkeit gemacht, so hat er
bzw. es Schwierigkeiten zu lernen, daß seine Reaktion einen Einfluß hat, selbst wenn
sie tatsächlich erfolgreich ist. Unkontrollierbarkeit verzerrt die Wahrnehmung eigener
Kontrolle.
Dies läßt sich bei hilflosen Hunden, Ratten und Menschen beobachten. Gelegentlich
verharrt auch ein naiver Hund während der ersten drei, vier Durchgänge in der shuttle
box und läßt die elektrischen Schläge über sich ergehen; aber beim nächsten Durchgang
springt er dann über die Trennwand und entflieht damit erfolgreich dem Schock zum ersten Mal. Hat ein naiver Hund einmal eine Reaktion ausgeführt, die den Streß reduzierte, so behält er sie bei; in allen folgenden Durchgängen reagiert er energisch und lernt,
den Schock völlig zu vermeiden. Hunde jedoch, die als erstes unvermeidbare elektrische
Schläge erfahren haben, verhalten sich in dieser Hinsicht anders. Ungefähr ein Drittel
von ihnen durchläuft zunächst ähnliche Stadien – sie bleiben während der ersten drei,
vier Durchgänge reglos sitzen, um dann beim nächsten erfolgreich zu entfliehen. Jedoch
kehren diese Hunde dann dahin zurück, den Schock passiv über sich ergehen zu lassen,
und es gelingt ihnen in den weiteren Durchgängen keine Fluchtreaktion mehr. Es sieht
so aus, als ob ein Erfolg nicht ausreicht, um einen hilflosen Hund lernen zu lassen, den
Zusammenhang zwischen den eigenen Reaktionen und den sich dadurch einstellenden
Erfolgen herzustellen. W. Miller und ich kamen zu dem Ergebnis, daß eine solche negative kognitive Struktur beim Menschen aus gelernter Hilflosigkeit resultiert.33 Von
drei Gruppen von Studenten konnte eine ein lautes Geräusch abstellen, der zweiten
wurde dieses Geräusch unvermeidbar dargeboten, während die dritte Gruppe kein Geräusch hörte. Anschließend wurden alle Versuchspersonen mit zwei neuen Aufgaben
konfrontiert, einer Geschicklichkeits- und einer Zufallsaufgabe. Bei der Geschicklichkeitsaufgabe mußten die Versuchspersonen in zehn Durchgängen jeweils 15 Karten
nach zehn Kategorien der äußeren Gestalt sortieren und versuchen, dies innerhalb von
15 Sekunden zu bewältigen. Sie wußten allerdings nicht, daß der Versuchsleiter es bestimmte, ob ein Durchgang mit oder ohne Erfolg abgeschlossen wurde, indem er den
Versuchspersonen entweder bevor oder nachdem sie fertig geworden waren mitteilte,
daß die Zeit abgelaufen sei; die Versuchspersonen durchliefen also eine vorher festgelegte Abfolge von Erfolgen und Mißerfolgen. Am Ende jedes Durchgangs stufte jede
Versuchsperson auf einer zehnstufigen Skala ein, wie sie ihre Chancen für eine erfolgreiche Bewältigung des nächsten Durchgangs einschätzte. Diejenigen Versuchspersonen, die zuvor hilflos dem lauten Geräusch ausgeliefert gewesen waren, zeigten wenig
Veränderungen in ihren Erfolgserwartungen für den folgenden Durchgang. Sie hatten
Schwierigkeiten wahrzunehmen, daß ihr eigenes Verhalten Erfolg oder Mißerfolg beeinflussen konnte. Die Versuchspersonen der Kontrollgruppe und die Versuchspersonen, die das Geräusch hatten abstellen können, zeigten deutliche Schwankungen ihrer
Erfolgserwartung nach jedem Erfolg oder Mißerfolg. Dies zeigt, daß sie der Überzeugung waren, daß die Konsequenzen von ihren Handlungen abhingen. Die drei Gruppen
unterschieden sich nicht in Erwartungsänderungen nach Erfolg und Mißerfolg in einem
»Glücksspiel«, welches sie als Ratespiel auffaßten. Gelernte Hilflosigkeit führt zu einer
kognitiven Einstellung, die den Menschen glauben läßt, daß Erfolg und Mißerfolg unabhängig von seinem eigenen Können sind.
D. Hiroto und ich34 haben auch von einer anderen Form der negativen kognitiven Einstellung berichtet. Wie sich der Leser erinnern wird, mußten Studenten Anagramme lösen, nachdem sie vermeidbaren oder unvermeidbaren bzw. keinen Lärm erfahren hatten.
31
Dabei kamen zwei unterschiedliche Arten kognitiver Störungen zum Vorschein: zum
einen interferierte unvermeidbarer Lärm mit der Fähigkeit, irgendeines der gegebenen
Anagramme zu lösen. Hinzu kommt, daß die zwanzig zu lösenden Anagramme nach einem bestimmten Prinzip verschlüsselt waren: in jedem Anagramm waren die Buchstaben in der Reihenfolge 34251 angeordnet (z.B. ISOEN, OCHKS, OURPG); Studenten,
die unvermeidbarem Lärm ausgesetzt gewesen waren, hatten große Schwierigkeiten,
dieses Prinzip zu entdecken. Unlösbare Diskriminationsaufgaben beeinträchtigten das
Lösen der Anagramme in gleicher Weise.
Die Tatsache einer negativen kognitiven Einstellung, hervorgerufen durch die Unabhängigkeit von Reaktion und Konsequenz, muß in Bezug zu einem grundlegenden Problem in der Lerntheorie gesehen werden. Wenn zwei Stimuli unabhängig voneinander
dargeboten werden, z.B. ein Ton und ein Schock, so stellt sich die Frage, ob das Individuum überhaupt nichts über den Ton lernt oder ob es den Ton nach und nach ignoriert.
Aus unserer Perspektive heraus können Menschen und Tiere aktiv lernen, daß Reaktionen und Konsequenzen unabhängig voneinander sind, und eine Form, wie sich dieses
Lernen manifestiert, ist die Schwierigkeit, die sie später haben, wenn sie lernen sollen,
wann das Verhalten tatsächlich zu einer Konsequenz führt. Dies läßt vermuten, daß Organismen imstande sein sollten, aktiv zu lernen, daß ein Ton und ein Schock unabhängig voneinander sind, und dies dadurch zeigen, daß es ihnen später schwerfällt zu lernen, wann der Ton tatsächlich von einem Schock gefolgt wird. R. A. Rescorla (1967)
hat die entgegengesetzte Ansicht vertreten: Unabhängigkeit zwischen einem Ton und
einem Schock sei eine neutrale Bedingung, unter der nichts gelernt wird; tatsächlich ist
dies die ideale Kontrollgruppe für klassische Konditionierung. Ich selbst (1969) habe
argumentiert, daß diese »ideale Kontrollgruppe« selbst sehr wirksam lernt und daher
keine angemessene Kontrolle darstellt. Wie wir im Kapitel über Angst sehen werden,
entwickelt diese Gruppe Magengeschwüre und chronische Furcht. Darüber hinaus haben neuere Untersuchungen gezeigt, daß tatsächlich aktives Lernen stattfindet, wenn CS
und US unabhängig voneinander dargeboten werden. R. L. Mellgren und J. W. P. Ost
(1971) berichteten über eine Stichprobe von Ratten, denen konditionierte Stimuli unabhängig von Futter dargeboten wurden; diese Tiere brauchten später länger als naive
Ratten und selbst länger als Ratten, für die die konditionierten Stimuli das Ausbleiben
des Futters signalisiert hatten, um zu lernen, daß die CS mit dem Futter assoziiert waren.
D. Kemler und B. Shepp zeigten, daß Kinder dann besonders langsam lernten, welche
Stimuli für die Lösung einer Diskriminationsaufgabe relevant waren, wenn die entsprechenden Stimuli zuvor als irrelevant vorgestellt worden waren. D. R. Thomas und seine
Mitarbeiter demonstrierten, daß Tauben, denen zwei verschiedene Farben unabhängig von
Futter dargeboten worden waren, dazu neigten, nicht zwischen zwei Futterrohren zu diskriminieren, von denen eines Futter ankündigte und das andere nicht.35 N. J. MacKintosh (1973) berichtete ebenfalls, daß Konditionierung durch die vorausgegangene Erfahrung einer Unabhängigkeit von CS und US verzögert wurde.
Die Unabhängigkeit von zwei Stimuli wird also aktiv verarbeitet, und dieser Lernprozeß
verzögert bei Ratten, Tauben und Menschen später die Fähigkeit zu lernen, daß beide
Stimuli voneinander abhängen. Die dafür vorliegenden Beweise sind in Einklang mit
den beobachteten Auswirkungen einer Unabhängigkeit von Reaktion und Konsequenz
und bestärken uns in unserer Folgerung, daß die Erfahrung einer Unabhängigkeit von
Reaktion und Konsequenz die Einstellung hemmt, daß Verhalten kontingente Konsequenzen hat.
32
3.3 Hilflosigkeit führt zu emotionalen Störungen
Der erste Hinweis darauf, daß Hilflosigkeit neben motivationalen und kognitiven auch
emotionale Konsequenzen hat, war, daß die motivationalen Effekte mit der Zeit verschwanden. Traumatische Erlebnisse führen bei Tieren wie bei Menschen oft zu Störungen mit überraschenden zeitlichen Verläufen und werden daher vorschnell als emotionale Veränderungen mißdeutet. Wenn eine Gruppe von Individuen von einer Katastrophe heimgesucht wird, so kann man häufig ein vorübergehendes »KatastrophenSyndrom« beobachten:
An einem Wintertag des Jahres 1659 zog eine Gruppe von Kriegern
aus St. Jean, ein er Siedlung der Petun-Indianer südlich der Georgesbay, aus, um eine Invasion von Irokesen auf Kriegspfad abzufangen. Sie fanden den Feind nicht. Als sie vier Tage später in ihr Dorf
zurückkehrten, fanden sie nur noch die Asche ihrer Häuser und die
verkohlten und verstümmelten Leiber von vielen ihrer Frauen, Kinder und alten Männer vor. Keine lebende Seele war den Flammen
entgangen. Die Petun-Krieger ließen sich im Schnee nieder, stumm
und bewegungslos und keiner sprach oder bewegte sich einen halben
Tag lang, und nicht ein einziger machte Anstalten, die Irokesen zu
verfolgen, um wenigstens Gefangene zu retten oder Vergeltung zu
üben.36
Es handelt sich hier nicht um eine kulturspezifische Reaktion, denn sie tritt generell
nach Katastrophen auf. Wenn ein Tornado eine Stadt heimsucht, verhält sich die Bevölkerung während des Sturmes angemessen, aber nach seinem Abklingen verfallen die
Opfer für ungefähr 24 Stunden in Stumpfsinn. Nach einem weiteren Tag fangen sie
dann an, ihre Habseligkeiten zusammenzusuchen und gehen wieder ihrer Arbeit nach
(vgl. S. 84).
Wir haben einen ähnlichen zeitlichen Verlauf von gelernter Hilflosigkeit bei Hunden
beobachtet.37 Wird ein Hund innerhalb von 24 Stunden nach der Erfahrung unkontrollierbarer Schocks im Geschirr in die shuttle box gebracht, so reagiert er hilflos. Wenn
wir jedoch nach einer einmaligen Sitzung mit unvermeidbaren Schocks 72 Stunden oder
eine Woche warten, so wird der Hund in der shuttle box normale Fluchtreaktionen zeigen. Eine einmalige Erfahrung unkontrollierbarer traumatischer Ereignisse hat also
Auswirkungen, die mit der Zeit verschwinden.
Was aber geschieht, wenn viele Erfahrungen von Unkontrollierbarkeit aufeinander folgen, bevor dem Hund die Möglichkeit zur Flucht gegeben wird? Wenn ein Hund innerhalb einer Woche vier Versuchssitzungen ausgesetzt wird, in denen er angeschirrt unvermeidbarem Schock ausgeliefert ist, so wird er noch Wochen später hilflos reagieren.
Wiederholtes Erleben von Unkontrollierbarkeit führt zu chronischer Beeinträchtigung
der Reaktionsbereitschaft. Andererseits muß erwähnt werden, daß bereits eine einzige
Sitzung unvermeidbarer Schocks bei der Ratte Hilflosigkeit erzeugt, die nicht mit der
Zeit zurückgeht.38 Wenn ich im nächsten Kapitel eine theoretische Darstellung von
Hilflosigkeit gebe, werde ich diesen zeitlichen Verlauf unter kognitiver ebenso wie unter emotionaler Perspektive diskutieren. Auf den ersten Blick scheint es jedoch so, als
ob Unkontrollierbarkeit einen bestimmten emotionalen Zustand induziert, der – wird er
nicht verstärkt – mit der Zeit abklingt.
Ein allgemein verwendeter Indikator für emotionale Reaktionen sind Magengeschwüre.
1958 erschien die berühmte » Manager-Affen«-Studie.39 Diese Untersuchung hängt sehr
eng mit Hilflosigkeit und Unkontrollierbarkeit zusammen, doch scheinen ihre Ergebnisse weniger auf emotionale Reaktionen bei Unkontrollierbarkeit hinzuweisen.
33
Zwei Gruppen von jeweils vier Affen wurden elektrische Schläge verabreicht; die eine
Gruppe – die »Manager-Tiere« – hatten Kontrolle über die Schocks und konnten sie
durch Hebeldrücken vermeiden. Die anderen vier Tiere waren Partnertiere (yoked) und
hilflos, da sie die Schläge nicht beeinflussen konnten. Die Manager-Tiere entwickelten
Magengeschwüre und starben, während die hilflosen Affen keine Magengeschwüre bekamen. Diese Ergebnisse fanden viel Beachtung in der Presse und haben Eingang in die
meisten Einführungslehrbücher der Psychologie gefunden. Unglücklicherweise sind sie
ein Artefakt des Verfahrens, nach dem die Affen den beiden Gruppen zugeordnet wurden: alle acht Tiere wurden zunächst der »Manager-Bedingung« unterworfen, und dann
wurden die ersten vier Tiere, die anfingen den Hebel zu drücken, zu den ManagerTieren, während die letzten vier Tiere zu den Partnertieren erklärt wurden. Inzwischen
ist nachgewiesen worden, daß emotional stärker reagierende Tiere dazu neigen, rascher
mit Hebeldrücken anzufangen, wenn sie elektrische Schläge erhalten,40 wodurch die
vier emotionalsten Tiere zu den Manager-Tieren wurden und die vier phlegmatischsten
zu den Partnern.
Vor kurzem hat J. M. Weiss die Untersuchung in korrekter Form wiederholt.41 Er untersuchte drei Gruppen von Ratten nach dem triadischen Versuchsplan, wobei die Gruppen den einzelnen Bedingungen zufällig zugeordnet wurden. Die Manager-Tiere entwickelten weniger und weniger schwere Magengeschwüre als die Partnertiere, die stärker an Gewicht verloren, mehr defäkierten und weniger tranken als die Manager-Tiere.
Gemessen an der Ulzerationsrate zeigen hilflose Ratten mehr Angst als Ratten, die den
Schock kontrollieren können.
Es liegen noch weitere Beweise vor, daß unkontrollierbarer Schock bei Ratten mehr
Angstreaktionen auslöst als kontrollierbarer Schock. O. H. Mowrer und O. Viek
(1948) verabreichten zwei Gruppen von Ratten elektrische Schläge, während diese fraßen. Die Tiere der einen Gruppe konnten den Schock kontrollieren, indem sie hochsprangen, während die Tiere der anderen Gruppe unkontrollierbare Schläge erhielten.
Die Ratten, die unkontrollierbare Schocks bekamen, fraßen anschließend weniger als
jene Tiere, die Kontrolle über die Schocks hatten.42 In einem analogen Experiment ließen I. E. Hokanson und seine Mitarbeiter Versuchspersonen Symbole zuordnen, während ihnen gleichzeitig elektrische Schläge verabreicht wurden. Die Versuchsbedingungen waren so individuell abgestimmt, daß jede Versuchsperson durchschnittlich alle 45
Sekunden einen Schlag erhielt. Eine Gruppe erhielt die Möglichkeit, so viele schockfreie Pausen zu wählen, wie sie wollte, wenn sie wollte. Die Auszeiten der Partnergruppe waren hinsichtlich Anzahl und Zeitpunkt durch die der ersten Gruppe bestimmt. Bei
allen Versuchspersonen wurden in 30-Sekunden-Intervallen Blutdruckwerte erhoben,
und es zeigte sich, daß die Partner durchweg einen höheren Blutdruck hatten.43
In einem Experiment mit Ratten kam E. Hearst (1965) zu dem Ergebnis, daß die Darbietung unkontrollierbarer elektrischer Schläge zu Ausfällen bei gut gelernten appetitiven Diskriminationsaufgaben führte. In Reaktion auf die Schocks diskriminierten die
Ratten nicht mehr zwischen einem Reiz, der Futter signalisierte, und einem zweiten
Reiz, der das Ausbleiben des Futters anzeigte. Während kontrollierbarer Schocks blieb
die appetitive Diskriminationsleistung aufrechterhalten.
Ein solches Versagen bei appetitiver Diskrimination erinnert an die bekannten Arbeiten
über »experimentelle Neurosen«. Das Konzept der experimentellen Neurose ist weder
einheitlich noch ist es exakt definiert. Z.B. wurde Kontrollierbarkeit nicht systematisch
variiert, um experimentelle Neurosen zu induzieren; betrachten wir jedoch die experimentellen Verfahren, so können wir vermuten, daß der Mangel an oder der Verlust von
Kontrolle bei der Ätiologie der Neurose eine wesentliche Rolle spielt. Typisch für ein
solches Verfahren ist, daß ein Versuchstier in irgendeiner Weise so fixiert wird, daß es
in seinen Reaktionsmöglichkeiten ernsthaft eingeschränkt wird. Häufig handelt es sich
bei den Verfahren um klassische Konditionierung, bei der der Organismus per definitio34
nem keine Kontrolle über Beginn und Ende der dargebotenen Stimuli hat. In dem klassischen Experiment von Shenger-Krestnikova versagte das Versuchstier plötzlich bei
einer appetitiven Diskriminationsaufgabe und zeigte Anzeichen von Erschöpfung, als es
nicht mehr zwischen dem verstärkten und dem nicht verstärkten Reiz unterscheiden
konnte.44 In den Studien von Liddell und Mitarbeitern entwickelten Schafe nach unkontrollierbaren elektrischen Schlägen eine Skala unangepaßter Verhaltensweisen.45 J.
H. Masserman (1943) trainierte Affen, in Reaktion auf ein Signal zu fressen, und löste
bei ihnen eine neurotische Reaktion aus, indem er ihnen dann während des Fressens
angstauslösende Stimuli darbot. Ohne therapeutische Maßnahmen blieben die Affen nahezu unbegrenzt gestört. Masserman:
Ganz anders verhielten sich Tiere, denen beigebracht worden war,
verschiedene Vorrichtungen zu bedienen, die Signalreize für das
Futter hervorriefen, weil sie auf diese Weise zumindest zum Teil
Kontrolle über ihre Umgebung ausüben konnten. Dies kam ihnen,
selbst nachdem sie neurotisiert worden waren, sehr zustatten, denn
sie machten, wenn sie hungriger wurden, zögernde, aber spontane
Versuche, die Wirkungsweise der Schalter, Signale und Futterkammern erneut zu erkunden, sie wurden mutiger und erfolgreicher,
wenn dann wieder Futter erschien.
In einer Studie an Affen mit schlagenden Ergebnissen lehrte C. F. Stroebel (1969) eine
Gruppe Rhesusaffen, einen Hebel zu drücken, der die Klimaanlage in ihrem überhitzten
Käfig in Gang setzte und außerdem ein lautes Geräusch, ein unangenehmes Licht oder
leichte elektrische Schläge kontrollierte. Dann zog er den Hebel so zurück, daß er zwar
noch sichtbar war, aber nicht mehr gedrückt werden konnte. Die Tiere reagierten zunächst wie toll, zeigten dann aber andere Störungen:
In dem Maße, in dem sich eine Störung des zirkadianen Rhythmus entwickelte, zeigten
die Tiere Mattigkeit und Schwäche; ihr Fell wurde zottig, gefleckt und ungepflegt;
wenn überhaupt, dann führten sie unvorhersagbare Reaktionen in Richtung auf die Hebeldruckreaktion aus und machten viele Ruhe- und Schlafpausen. Die Verhaltensweisen
dieser Tiere waren in ihrer Art eindeutig fehlangepaßt; so verbrachten zwei Versuchstiere Stunden damit, »imaginäre« fliegende Insekten zu fangen, ein Affe masturbierte nahezu ununterbrochen, drei zupften fast zwanghaft Haare aus, und alle neigten abwechselnd zu Bewegungsstereotypien und nahezu vollständigem Desinteresse an ihrer Umgebung.
Es ist nicht klar, ob eine Theorie aufgestellt werden kann, die experimentelle Neurosen
erklärt, noch ist geklärt, ob alle diese Phänomene im wesentlichen dasselbe ausdrücken.
Aber Unkontrollierbarkeit ist vorherrschend beteiligt, und emotionale Zerrissenheit ist
das universale Ergebnis.
Zusammenfassend kann Hilflosigkeit als Unglück für jeden Organismus angesehen
werden, der lernen kann, daß er hilflos ist. Im Experiment lassen sich drei Formen von
Störungen durch Unkontrollierbarkeit herbeiführen: die Motivation zu aktivem Handeln
wird erschöpft, die Fähigkeit, Erfolge wahrzunehmen, wird gestört und die Tendenz zu
emotionalen Reaktionen wird gesteigert. Diese Auswirkungen treten bei einer Vielfalt
von Tierarten auf und sind auch beim Homo sapiens auffällig. Im nächsten Kapitel werde ich eine vereinheitlichte Theorie vorstellen, die diese Befunde erklären kann.
35
4 Die Theorie: Heilung und Prävention
Welchen Anforderungen muß eine adäquate Theorie der Hilflosigkeit genügen? Sie
muß den drei Aspekten der Störung, den motivationalen, kognitiven und emotionalen
Störungen, Rechnung tragen. Sie muß überprüfbar sein: es müssen Experimente durchgeführt werden können, die die Theorie bestätigen, wenn sie richtig ist, oder falsifizieren, wenn sie nicht richtig ist. Schließlich muß sie außerhalb des Laboratoriums anwendbar sein: sie muß zu einem besseren Verständnis von Hilflosigkeit im täglichen
Leben beitragen können.
Die Grundlage ist durch die Art und Weise vorbereitet worden, in der ich im letzten Kapitel die Daten dargestellt habe. Die Theorie, die ich nun vorstellen werde, erklärt direkt
den Mangel an Motivation und die kognitive Störung und mit einer zusätzlichen Annahme auch die emotionale Störung. Sie ist mit verschiedenen Verfahren überprüft
worden, von denen einige Methoden zur Heilung und Prävention von Hilflosigkeit ergaben. Darüber hinaus werde ich die Bedingungen abgrenzen, die Hilflosigkeit hervorrufen, um damit die Frage zu beantworten, warum nicht jeder immerzu hilflos ist, da
doch jeder gelegentlich mit unkontrollierbaren Konsequenzen konfrontiert wird. Schließlich werde ich einen Überblick über alternative Theorien geben, die weniger angemessen erscheinen. Die folgenden Kapitel über Depression, kindliche Entwicklung und
plötzlichen Tod sind Versuche, die Theorie der Hilflosigkeit auf das tägliche Leben anzuwenden.
4.1 Darstellung der Theorie
Wenn ein Tier oder ein Mensch mit einer Konsequenz konfrontiert wird, die unabhängig von seinen Reaktionen ist, lernt es bzw. er, daß die Konsequenz von seinen Reaktionen unabhängig ist. Dies ist der Grundstein der Theorie und mag allen bis auf die besonders anspruchsvollen Lerntheoretiker so einleuchtend erscheinen, daß es nicht erst
noch ausgesprochen werden müßte. Aber Sie werden sich vielleicht an unsere ausführliche Diskussion des Reaktions-Kontingenzen-Raumes erinnern (s. Abb. 2.3). Lerntheoretiker sähen es am liebsten, wenn die verschiedenen möglichen Kontingenzen, die gelernt werden können, so einfach wie möglich sind. Zunächst waren sie der Überzeugung, daß maximal die simple Verbindung von einer Reaktion und einer Konsequenz
oder die Assoziation der Reaktion mit dem Ausbleiben der Konsequenz gelernt werden
kann. Dies mußte aber erweitert werden, um das Prinzip der intermittierenden Verstärkung berücksichtigen zu können, bei der ein Individuum beide Formen von Verbindungen integrieren und zu einem »kann sein« verarbeiten kann. Was ein Organismus lernen
kann, wurde also um die Wahrscheinlichkeit einer Konsequenz auf eine bestimmte Reaktion erweitert. Dann wurde nachgewiesen, daß ein Organismus etwas über die Wahrscheinlichkeit lernen kann, mit der eine Konsequenz erfolgt, wenn er die Reaktion nicht
ausführt. Unsere Theorie geht noch einen Schritt weiter, indem sie behauptet, daß ein
Organismus über beide genannten Wahrscheinlichkeiten zugleich lernen kann, so daß
unterschiedliche Erfahrungen, denen die verschiedenen Punkte im Reaktions-Kontingenzen-Raum entsprechen, zu systematischen behavioralen und kognitiven Veränderungen führen.46 Im besonderen behaupte ich, daß ein Lernprozeß stattfindet, wenn Organismen Ereignisse erfahren, die der 45º-Linie entsprechen, für die also die Wahrscheinlichkeit der Konsequenz gleichbleibt, ob die interessierende Reaktion nun erfolgt
oder nicht. Auf der Verhaltensebene wird dies die Initiative zu denjenigen Reaktionen,
die Konsequenzen kontrollieren, verringern, kognitiv wird es eine Überzeugung in die
Unwirksamkeit der eigenen Reaktionen hervorrufen und wird das Lernen erschweren,
daß Reagieren zum Erfolg führt; und emotional wird dies, traumatisierende Konsequenzen vorausgesetzt, zu stärkeren Ängsten führen, die von Depression gefolgt werden.
36
Der allen Hilflosigkeitsexperimenten zugrundeliegende triadische Versuchsplan steht
natürlich in direkter Beziehung zu der Annahme, daß Menschen und Tiere über die Unabhängigkeit von Konsequenz und Reaktion lernen können und dementsprechende Erwartungen bilden können. In der Untersuchung von Seligman und Maier (1967) z.B.
waren nur die Tiere der yoked-Kontrollgruppe hilflos, während die Hunde, die die elektrischen Schläge durch Hebeldrücken abstellen konnten, und die Hunde, die überhaupt
keine Schocks versetzt bekamen, nicht hilflos wurden. Mit den Hunden, die die elektrischen Schläge unabhängig von ihrem Verhalten erlebten, geschah also eindeutig etwas
anderes. Ich bin davon überzeugt, daß sie lernten, daß Reagieren zwecklos war, und sie
erwarteten infolgedessen, daß auch in Zukunft ihre Reaktionen keinen Einfluß auf die
Schläge haben würden. In den Untersuchungen von Weiss (1968, 1971 a, b, c) entwikkelten nur die hilflosen Kontrolltiere massive Magengeschwüre; es ist eindeutig, daß
diese Ratten etwas anderes lernten als jene, die in der Lage waren, dem Schock zu entfliehen, oder als jene, die keine Schocks erhalten hatten. Auch in diesem Fall glaube ich,
daß die Ratten lernten, daß Reagieren zwecklos war.
Die von mir vorgeschlagene Theorie baut auf drei grundlegenden Komponenten auf:
Information über die
Kontingenz
→ Kognitive Repräsentation der Kontingenz
(Lernprozeß, Erwartung, Wahrnehmung,
Überzeugung)
→ Verhalten
Mensch und Tier müssen von der Information über die Kontingenz von Konsequenz
und Reaktion ausgehen. Diese Information bestimmt sich aus der Umgebung des Organismus und nicht aus dem Wahrnehmenden selbst. Ich habe sorgfältig definiert, was als
objektive Information über die Unabhängigkeit von einer Reaktion und einer Konsequenz bezeichnet werden kann.
Die zweite Komponente dieser Sequenz ist entscheidend, wenn sie auch leicht übersehen wird, vor allem bei einer übereifrigen Beschäftigung mit operationalen Definitionen
und objektiven Kontingenzen, die vielen Lerntheoretikern eigen ist. Die Information
über die Kontingenz muß verarbeitet und in eine kognitive Repräsentation der Kontingenz transformiert werden.47 Eine derartige kognitive Repräsentation ist unterschiedlich
bezeichnet worden als »lernen«, »wahrnehmen« oder »überzeugt sein«, daß Reaktion
und Konsequenz unabhängig voneinander sind. Ich ziehe es vor, diese Repräsentation
die Erwartung zu nennen, daß Verhalten und Konsequenz unabhängig voneinander
sind.
Diese Erwartung ist die ursächliche Bedingung für die motivationalen, kognitiven und
emotionalen Störungen, die Hilflosigkeit begleiten. Die bloße Darbietung der Information allein reicht nicht aus; ein Individuum oder ein Tier können erfahren, daß Reaktion
und Konsequenz unabhängig voneinander sind, ohne jedoch gleich eine solche Erwartung auszubilden. Immunisierung ist, wie im Verlauf dieses Kapitels deutlich werden
wird, ein Beispiel dafür. Dagegen kann ein Individuum hilflos werden, ohne die Kontingenz direkt erfahren zu haben, wenn man ihm schlicht sagt, es sei hilflos.
Im Jahre 1972 veröffentlichten D. C. Glass und J. E. Singer einen Bericht über eine
ausgedehnte Serie von Untersuchungen zur Rolle von Kontrollierbarkeit beim Abbau
von Streß; sie fanden, daß die Mitteilung potentieller Kontrollierbarkeit allein schon genügte, um die Effekte tatsächlich gegebener Kontrolle zu induzieren. Glass und Singer
versuchten, urbanen Streß nachzuahmen, indem sie ihren Versuchspersonen – Studenten
– ein sehr lautes Durcheinander von Geräuschen darboten: zwei Menschen unterhielten
sich auf Spanisch, einer sprach Amerikanisch, zusätzlich liefen eine Vervielfältigungsmaschine, eine Rechenmaschine und eine Schreibmaschine. Wenn die Versuchspersonen den Lärm faktisch abstellen konnten, indem sie auf einen Knopf drückten, so gaben
sie bei Problemlöseaufgaben weniger schnell auf, empfanden den Lärm als weniger störend und schnitten beim Korrekturlesen besser ab als ihre hilflosen Versuchspartner.
37
Tatsächliche Kontrolle hatte also günstige Auswirkungen der Art, wie wir im letzten
Kapitel beschrieben hatten.
Eine andere Gruppe von Versuchspersonen wurde dem gleichen Lärm ausgesetzt, mit
dem Unterschied, daß der Lärm unkontrollierbar war. Diese Versuchspersonen hatten
jedoch einen Alarmknopf vor sich, und es wurde ihnen gesagt: »Sie können den Lärm
beenden, wenn Sie auf den Knopf drücken. Wir sähen es jedoch lieber, wenn Sie dies
nicht täten.« Keine der Versuchspersonen versuchte tatsächlich, den Lärm abzuschalten.
Sie hatten nur die – allerdings falsche – Überzeugung, daß sie den Lärm kontrollieren
könnten, wenn sie wollten.48 Diese Versuchspersonen schnitten genauso gut ab wie jene, die den Lärm faktisch kontrollieren konnten. Real gegebene Kontrollierbarkeit und
faktische Unkontrollierbarkeit können also identische Erwartungen hervorrufen. Dieses
Experiment, bei dem die Erwartung ungerechtfertigt war, veranschaulicht, daß die subjektive Erwartung und nicht die objektiven Bedingungen von Kontrollierbarkeit die entscheidende Determinante für Hilflosigkeit ist. Wie bedingt diese Erwartung einer Unabhängigkeit von Reaktion und Konsequenz nun die motivationalen, kognitiven und emotionalen Störungen, die mit Hilflosigkeit verknüpft sind?
4.1.1 Motivationale Störungen
Der Antrieb zu willentlichen Reaktionen in einer traumatischen Situation hat eine wesentliche Quelle: die Erwartung, daß die Reaktion Erleichterung bringt.49 Ohne diesen
Antrieb werden die Reaktionen wahrscheinlich seltener werden. Wenn ein Mensch oder
ein Tier gelernt hat, daß die Erleichterung unabhängig von seinem willentlichen Reagieren ist, wird die Erwartung, daß Reagieren Erleichterung bringt, aufgehoben, und infolgedessen wird auch die Reaktionsbereitschaft geringer. Ganz allgemein ausgedrückt:
der Antrieb zu willentlichen Reaktionen, um irgendeine Konsequenz zu kontrollieren
(z.B. Nahrung, Sex, Beendigung elektrischer Schläge), erwächst aus der Erwartung, daß
die eigenen Reaktionen diese Konsequenz bewirken. Wenn ein Mensch oder ein Tier
gelernt hat, daß die Konsequenz unabhängig vom eigenen Verhalten ist, wird die Erwartung, daß das eigene Verhalten die Konsequenz hervorruft, schwächer; und deshalb
wird auch die Reaktionsbereitschaft geringer.
Mancher Theoretiker mag der Ansicht sein, daß dies ein ganz schön gewagtes »deshalb« ist. Warum auch sollten ein Mensch oder ein Tier aufhören zu reagieren, wenn sie
der Überzeugung sind, daß ihre Reaktionen zwecklos sind? Diese Frage stürzt uns in eine grundsätzliche Auseinandersetzung innerhalb der Lerntheorien, die sich am besten
anhand einer Analogie veranschaulichen läßt: »Warum bewegen sich Himmelskörper?«
Diese Frage beschäftigte Physiker von Aristoteles bis Galilei. Aristoteles glaubte, daß
der natürliche Zustand eines Körpers Ruhe war, und daß eine äußere Ursache oder eine
bewegende Kraft notwendig war, um ihn in Bewegung zu versetzen. Galilei dagegen
formulierte die radikale und nützliche These, daß der naturgegebene Zustand von Körpern Bewegung ist, und daß sie sich immerzu bewegen würden, solange nicht eine äußere Kraft wie z.B. Reibung sie bremsen würde.
Innerhalb der Lerntheorien finden sich parallele und gewöhnlich nicht explizit formulierte Annahmen darüber, warum Organismen willentliche Reaktionen ausführen. Die
Galileische Hypothese wäre, daß der naturgegebene Zustand von Tieren willentliches
Reagieren ist, daß sie immerzu irgendwelche willentlichen Reaktionen ausführen. Es
gibt keinen Zustand des Nicht-Reagierens: ein anscheinend passives Tier ist mit Absicht
passiv. Es hat die Passivität »gewählt«, sich für Passivität »entschieden« oder ist dafür
verstärkt worden. Unter dieser Perspektive wird ein Tier, das erwartet, daß sein Reagieren sinnlos ist, passiv, weil Passivität weniger kostet, weil sie unter diesen Umständen
verstärkender wirkt. Es gibt jedoch wenig Grund zu der Annahme, daß Tiere wenig anstrengende Verhaltensweisen anstrengenden vorziehen.50
38
Ich neige eher zum entgegengesetzten, Aristotelischen Standpunkt, daß willentliches
Verhalten Anreize voraussetzt, und daß ohne solche Anreize kein willentliches Verhalten auftritt. Demnach können sich Menschen und Tiere in einem von zwei möglichen
Zuständen befinden: willentlich reagieren oder überhaupt nicht reagieren. Damit willentliche Verhaltensweisen auftreten können, muß ein Anreiz in Gestalt der Erwartung
vorliegen, daß Reagieren zum Erfolg führt. Ohne eine solche Erwartung, d.h. dann,
wenn ein Organismus überzeugt ist, daß Reagieren zwecklos ist, wird er keine willentlichen Reaktionen ausführen.
Daraus folgt, daß Tiere nach der Erfahrung unkontrollierbarer Konsequenzen dazu neigen, später nicht mehr willentlich zu reagieren, um die Konsequenz zu kontrollieren.
Diese Deduktion eines Mangels an Motivation muß nicht wesentlich mehr ausgearbeitet
werden. Die Terminologie, in der sie formuliert ist, ausgenommen, dürften die meisten
Lerntheoretiker sie akzeptieren; und selbst die Begriffe »Erwartung« und »Anreiz« lassen sich in mehr operationale Termini übersetzen, um stärker behavioral ausgerichtete
Theoretiker zu überzeugen.51
Wie stark die Motivation untergraben wird, ist in einem Humanexperiment zur Hilflosigkeit deutlich geworden, in dem elektrische Schläge eingesetzt wurden:52
Nach der Erfahrung unvermeidbarer elektrischer Schläge blieben die Versuchspersonen
völlig passiv sitzen und ließen vermeidbare Schocks über sich ergehen; als sie gefragt
wurden, warum sie nicht angemessen reagierten, antworteten 60% der Versuchspersonen, daß sie ja doch keine Kontrolle über den Schock hätten, »warum es also noch versuchen?«. Diese subjektiven Berichte lassen stark annehmen, daß eine Überzeugung
von Unkontrollierbarkeit dem Antrieb, aktiv zu handeln, entgegenwirkte. Noch lebensnaheres Beweismaterial wäre kaum vorstellbar.
4.1.2 Kognitive Störungen
Lernt man, daß eine Konsequenz unabhängig von einer Reaktion ist, erkennt man später
auch nur schwer, daß Reaktionen diese Konsequenz herbeiführen. Die Unabhängigkeit
von Reaktion und Konsequenz wird aktiv gelernt und behindert wie jede Form aktiven
Lernens das Erfassen dem entgegengesetzter Kontingenzen. Hier ein Beispiel dafür, wie
solche proaktive Hemmung beim verbalen Lernen wirkt: der Familienname meiner Frau
ist Kerry Seligman, aber ihr Mädchenname war Kerry Müller. Alle, die meine Frau zuerst als »Kerry Müller« kennengelernt hatten, hatten Schwierigkeiten, sie »Seligman«
zu nennen; noch Jahre nach unserer Hochzeit versprachen sie sich versehentlich. Da sie
gewohnt waren, meine Frau Kerry Müller zu nennen, interferierte dies mit ihrer Erinnerung, daß sie nun Kerry Seligman war. Solchen Bekannten fiel es schwerer, sie Kerry
Seligman zu nennen, als jemandem, der sie zum ersten Mal nach unserer Hochzeit kennengelernt hatte, der also ihren Namen ganz neu lernte.
Dem entspricht der Fall des Hundes, der eine Reihe von Reaktionen im Pavlovschen
Geschirr ausführte und herausfindet, daß keine einzige mit dem Ende des elektrischen
Schlages zusammenhing. Dieser Hund könnte z.B. seinen Kopf wegdrehen, und der
Schock könnte zufällig zu diesem Zeitpunkt abbrechen, aber er könnte auch genauso oft
den Kopf wegdrehen, ohne daß der Schock gleichzeitig enden würde; andererseits würde der Schock auch abbrechen, ohne daß der Hund den Kopf bewegt hätte. Wird dieses
Tier dann in die shuttle box gesetzt und springt über die Trennwand – was faktisch den
Abbruch des elektrischen Schlages verursacht –, so fällt es dem Hund schwer, diesen
Zusammenhang zu begreifen. Dies läßt sich damit erklären, daß er analog zur Bewegung des Kopfes immer noch erwartet, daß der Schock mit gleicher Wahrscheinlichkeit
aufhört, wenn es ihm nicht gelingt, über die Trennwand zu springen. Solch ein Hund
wird wieder anfangen, den Schock passiv zu ertragen, selbst wenn er ein- oder zweimal
erfolgreich gesprungen ist. Im Gegensatz dazu wird ein naiver Hund nicht durch die
39
Erwartung behindert, daß das Ende des Schocks unabhängig von seinem Verhalten ist,
so daß ein einziger Sprung über die Trennwand, der zum Abbruch des Schocks führt,
ausreicht, um ihn bei dieser Reaktion bleiben zu lassen.
Maier und Testa (1974) haben von drei Experimenten berichtet, die auf die entscheidende Rolle der kognitiven Störung für gelernte Hilflosigkeit bei Ratten hinweisen. Der
Leser wird sich erinnern, daß Ratten, die unvermeidbare elektrische Schläge verabreicht
bekamen, nicht hilflos wurden, wenn sie nur einmal bzw. in eine Richtung über die
Trennwand der shuttle box springen mußten, um zu entfliehen (FR1: fixed ratio 1: feste
Quotenverstärkung mit der Quote 1), daß sie aber hilflos wurden, wenn sie zuerst hin
und dann wieder zurückspringen mußten (FR2: feste Quotenverstärkung mit der Quote
2) (s. S. 26). Um zu überprüfen, ob diese Unfähigkeit von der Schwierigkeit, die Beziehung zwischen Reaktion und Schockbeendigung überhaupt zu erkennen, abhing, oder
von der Schwierigkeit, die FR2-Bedingungen auszuführen, kamen Maier und Testa auf
eine kluge Idee. Sie ließen die Ratten unter FR1-Bedingungen die Fluchtreaktion erlernen, wobei der Schock aber erst nach kurzer Verzögerung endete: wenn eine Ratte ins
andere Käfigabteil rannte, hörte der Schock zwar auf, aber nicht unmittelbar, sondern
erst eine Sekunde, nachdem sie den Käfig durchquert hatte. Unter diesen Bedingungen
war die Leistung identisch mit der unter den leichten FR1-Bedingungen, der Unterschied bestand jedoch darin, daß die Kontingenz schwer zu durchschauen war. In dem
Maße, wie Hilflosigkeit die Wahrnehmung von Reaktions-Konsequenz-Kontingenzen
erschwert, sollte unter FR1-Bedingungen mit verzögerter Konsequenz diese Wahrnehmung gehemmt werden; jedes Verständnis von Hilflosigkeit, das nur Schwierigkeiten
beim Reagieren postuliert, wird hier keine Behinderung voraussagen. Wie Maier und
Testa erwartet hatten, gelang es den Ratten, die unvermeidbaren Schocks ausgesetzt
worden waren, nicht, die Reaktion unter FR1-Bedingungen mit verzögerter Konsequenz
zu lernen, während Tiere, die keine Schocks erfahren hatten, gut lernten. Als die Kontingenz durch intermittierende Verstärkung der FR1-Reaktion (d.h. nur nach 50% der
Reaktionen hörte der Schock auf) noch undurchschaubarer wurde, zeigten sich ähnliche
Ergebnisse. Schließlich versuchten die Forscher, die FR2-Kontingenz für hilflose Ratten
eindeutiger zu gestalten, während die Reaktionsanforderungen konstant gehalten wurden: wenn eine Ratte die shuttle box einmal durchquert hatte, brach der elektrische
Schlag kurz ab, setzte aber unmittelbar darauf wieder ein und hörte nur dann endgültig
auf, wenn das Tier die zweite Reaktion ausgeführt hatte. Auf diese Weise wurde die
Kontingenz klarer durchschaubar, aber die Anforderungen an die Reaktion waren gleich
schwierig. Wie erwartet reagierten Ratten, die unvermeidbare Schocks erfahren hatten,
nicht hilflos. Eine Interferenz mit der Reaktion reicht also nicht aus, um Hilflosigkeit
bei Ratten zu erklären. Die Annahme eines kognitiven Defizits – der Schwierigkeit
wahrzunehmen, daß Reagieren bestimmte Auswirkungen hat – ist notwendig.
Ich bin der Überzeugung, daß das Begreifen der Unabhängigkeit von Reaktion und
Konsequenz nur ein Spezialfall für den Lernprozeß ist, daß zwei beliebige Ereignisse
voneinander unabhängig sind. D. Kemler und B. Shepp (1971) haben die eleganteste
Studie über das Erlernen, daß Ereignisse voneinander unabhängig sind, durchgeführt,
die ich kenne. Erinnern Sie sich kurz, was bei einer lösbaren Diskriminationsaufgabe
mit der relevanten Dimension schwarz-weiß und der irrelevanten Dimension linksrechts zu lernen war. Weiß war immer mit Belohnung, schwarz mit deren Ausbleiben
korreliert; bei der Hälfte der Durchgänge – zufällig verteilt – liegt die schwarze Karte
links und die weiße rechts, während in den anderen Durchgängen die weiße Karte links
und die schwarze rechts liegt. Links-rechts ist also unabhängig von oder irrelevant für
die Belohnung: die Wahrscheinlichkeit einer Belohnung bei der Wahl der linken Karte
ist gleich der Wahrscheinlichkeit, für die Wahl der rechten Karte, belohnt zu werden –
nämlich 0.5. Was aber wird nun gelernt, wenn eine Dimension – wie links-rechts – unabhängig von Belohnung ist? Lernt ein Individuum aktiv, was irrelevant ist, oder igno40
riert es passiv irrelevante Stimuli? Für die kognitive Prämisse meiner Theorie der Hilflosigkeit ist es entscheidend, daß ein Individuum aktiv die Unabhängigkeit von linksrechts und der Konsequenz lernen kann.
Ähnlich wie in dem bereits beschriebenen Experiment legten Kemler und Shepp Kindern, die die Dimension links-rechts bei früheren Aufgaben als irrelevante Dimension
erfahren hatten, Aufgaben vor, bei denen nun links-rechts die relevante Dimension war.
Die Fähigkeit dieser Kinder zu lernen, daß eine vorher irrelevante Dimension nun relevant war, wurde mit einer sorgfältig ausgewählten Reihe von Kontrollgruppen verglichen. Diese Kinder lernten am langsamsten, daß die Entscheidung für links-rechts richtig war, sie lernten sogar noch langsamer als Kinder, die diese Dimension zuvor überhaupt noch nicht kennengelernt hatten. Diese elegant geplante Studie zeigte, daß Kinder
aktiv lernen, daß das Reagieren auf die irrelevante Dimension keine Konsequenzen hat,
und daß sie, wenn sich die Regeln ändern, Mühe haben herauszufinden, daß diese Dimension nun die relevante ist.
Dem muß wenig hinzugefügt werden; der Leser mag sich lediglich an die anderen Beweise erinnern, die im letzten Kapitel genannt worden waren und die ebenfalls zeigten,
daß die Erfahrung von Unabhängigkeit mit späterem Erfassen von Abhängigkeit interferiert.53
4.1.3 Emotionale Störungen
Ein zum ersten Male erlebtes traumatisches Ereignis verursacht einen Zustand gesteigerter emotionaler Erregung, den man grob als Furcht bezeichnen kann. Dieser Zustand
dauert an, bis eine von zwei Möglichkeiten eintritt: wenn das Individuum lernt, daß es
die traumatischen Bedingungen kontrollieren kann, wird die Furcht abgebaut und kann
völlig verschwinden; oder wenn das Individuum auf die Dauer lernt, daß es die traumatischen Bedingungen nicht kontrollieren kann, wird die Furcht abnehmen und durch
Depression ersetzt.
Wenn z.B. eine Ratte, ein Hund oder ein Mensch eine unentrinnbare traumatische Situation erleben, so wehren sie sich zunächst heftig. Ich glaube, daß Furcht in diesem
Zustand die dominierende emotionale Reaktion ist. Wenn das Individuum lernt, das
Trauma zu kontrollieren, läßt die heftige Aktivität zugunsten von wirksamem und gelassenem Verhalten nach. Sind die traumatischen Bedingungen jedoch unkontrollierbar,
weicht die akute Abwehr schließlich dem Zustand der Hilflosigkeit, den ich beschrieben
habe. Die diesen Zustand begleitende Emotion ist meiner Meinung nach Depression.
Ähnlich wird bei einem Affenkind, das von seiner Mutter getrennt wird, durch diese
traumatische Erfahrung große Verzweiflung ausgelöst.54 Das Affenkind rennt wild herum und stößt verzweifelte Schreie aus. Zweierlei kann folgen: wenn die Mutter zurückkommt, kann das Kind sie wieder kontrollieren und seine Not läßt nach; kehrt die Mutter nicht zurück, wird das Kind schließlich lernen, daß es die Mutter nicht zurückholen
kann und wird in Depression verfallen, die seine Furcht ersetzt. Das Kind rollt sich zu
einem Knäuel zusammen und wimmert leise vor sich hin. Eine derartige Sequenz haben
wir tatsächlich bei allen Primaten, die wir beobachtet haben, vorgefunden.
Auch ein kürzlich von S. Roth und R. R. Bootzin (1974) durchgeführtes Humanexperiment zu Hilflosigkeit legt die Annahme einer solchen Sequenz nahe. Studenten erhielten lösbare und unlösbare Aufgaben und wurden anschließend in einen zweiten
Raum geführt, wo eine weitere Serie von Aufgaben, die nun alle lösbar waren, auf dem
Bildschirm erschien. Nach jedem zehnten Durchgang verschwamm das Bild kurz. Diejenigen Studenten, die zuvor unlösbare Aufgaben erhalten hatten, wandten sich als erste
mit der Bitte an den Versuchsleiter, das Bild neu einzustellen; es schien, als ob diese
Gruppe durch die Erfahrung von Unlösbarkeit eher ängstlich und frustriert als hilflos
geworden war, zumindest gemessen an ihrer Bereitschaft, Hilfe zu suchen. Jedoch
41
schnitten diese Studenten tendenziell bei den neuen, über den Bildschirm dargebotenen
Aufgaben schlechter ab. Die Autoren stellten die Hypothese auf, daß Unkontrollierbarkeit zunächst Frustration hervorruft, die dann, wenn weiterhin Unkontrollierbarkeit erlebt wird, Hilflosigkeit weicht. Dies wird bestätigt durch Roth und Kubal (1974), die
Hilflosigkeit und nicht Erleichterung beobachteten, wenn sie mehr Unkontrollierbarkeit
induzierten oder wenn die Versuchsperson ihre Mißerfolge als bedeutsamer einstufte.
Furcht und Frustration können als motivierende Faktoren angesehen werden, die sich
zur Aufrechterhaltung von Bewältigungsreaktionen herausgebildet haben und unter traumatischen Bedingungen zum Vorschein kommen. Die ersten Reaktionen zur Kontrolle
der traumatischen Bedingungen werden durch diese Furcht ausgelöst. Sind die traumatischen Bedingungen einmal unter Kontrolle, haben die Furchtreaktionen wenig Sinn und
nehmen ab. Solange das Individuum aber unsicher ist, ob es die traumatischen Bedingungen kontrollieren kann oder nicht, hat die Furcht noch nützliche Funktion, da sie die
Suche nach einer effektiven Reaktion aufrechterhält. Wenn das Individuum schließlich
überzeugt ist, daß das Trauma unkontrollierbar ist, schwindet die Furcht ebenfalls – sie
ist nicht nur nutzlos, sondern schlimmer, da sie das Individuum viel Energie in einer
hoffnungslosen Situation kostet. Dann kommt es zu Depressionen.55

Verschiedene Theoretiker haben über das Bedürfnis oder den Trieb gesprochen, Ereignisse in der Umgebung zu kontrollieren. In einer klassischen Arbeit schlug R. W. White (1959) den Begriff der Kompetenz vor. Er behauptete, daß sowohl Lerntheoretiker als
auch psychoanalytische Denker einen fundamentalen Trieb zur Kontrolle übersehen hätten. Das Bedürfnis nach Bewältigung könne im Leben von Mensch und Tier durchdringender sein als Sex, Hunger und Durst. Das Spiel kleiner Kinder sei z.B. nicht durch
»biologische« Triebe motiviert, sondern von einem Bedürfnis nach Kompetenz. Ähnlich
behauptete J. L. Kavanau (1967), daß das Bedürfnis, Zwängen zu widerstehen, bei
wilden Tieren wichtiger sei als Sex, Nahrung und Wasser. Er fand, daß gefangene
Weißfuß-Mäuse übermäßig viel Zeit und Energie verwendeten, nur um sich gegen experimentelle Manipulationen zu wehren. Wenn der Forscher die Lichter einschaltete, verbrachte die Maus ihre Zeit damit, sie wieder auszuschalten. Drehte der Forscher die
Lichter aus, drehte die Maus sie wieder an.
Ein Bedürfnis nach Kompetenz oder nach Widerstand gegen Zwänge ist aus meiner
Perspektive heraus ein Bedürfnis, Hilflosigkeit zu vermeiden. Die Existenz eines solchen Bedürfnisses folgt direkt aus der emotionalen Prämisse unserer Theorie. Da der
Zustand der Hilflosigkeit Furcht und Depression auslöst, dient jede Aktivität, die Hilflosigkeit vermeidet, gleichzeitig der Vermeidung dieser unangenehmen emotionalen Zustände. Kompetenz kann also als Bedürfnis betrachtet werden, um die durch Hilflosigkeit induzierte Angst und Depression zu vermeiden.56
Damit haben wir unsere Theorie der Hilflosigkeit formuliert: die Erwartung, daß eine
Konsequenz von den eigenen willentlichen Reaktionen unabhängig ist, senkt
a)
die Motivation, diese Konsequenz kontrollieren zu wollen,
b)
interferiert mit der Fähigkeit zu lernen, daß die eigenen Reaktionen die Konsequenz tatsächlich kontrollieren, und
c)
wenn die Konsequenz traumatisch ist, löst diese Erwartung solange Furcht aus,
wie das Individuum sich der Unkontrollierbarkeit der Konsequenz nicht sicher ist;
danach führt sie zu Depression.
42
4.2
Behandlung und Prävention
Aus unserer Theorie läßt sich eine Möglichkeit ableiten, um Hilflosigkeit zu behandeln,
wenn sie aufgebaut worden ist, und eine Möglichkeit, ihr Auftreten zu verhindern.
Wenn das zentrale Problem des Mangels an Reaktionsbereitschaft in der Erwartung
liegt, daß die eigenen Reaktionen zu nichts führen, dann sollte Heilung eintreten, wenn
diese Erwartung aufgehoben wird. Meine Kollegen und ich haben lange Zeit erfolglos
an diesem Problem gearbeitet: zunächst entfernten wir die Trennwand aus der shuttle
box, so daß der hilflose Hund auf die sichere Seite laufen konnte, wenn er wollte; aber
er blieb einfach liegen. Dann stieg ich in die sichere Käfighälfte und rief den Hund, aber
der rührte sich nicht. Wir ließen den Hund hungern und legten dann eine von ihm bevorzugte Salami57 auf die sichere Seite, aber er rührte sich nicht. Wir versuchten mit allen Mitteln, den Hund dazu zu bringen, während der elektrischen Schläge zu reagieren,
um ihn zu der Einsicht zu bringen, daß seine Reaktion den Schock beendete. Schließlich
zeigten wir einen unserer hilflosen Hunde James Geer, einem Verhaltenstherapeuten,
der sagte: »Wenn ich so einen Patienten hätte, würde ich ihm schnell und unvermittelt
einen Tritt geben, um ihn in Bewegung zu setzen.« Geer hatte recht: diese Therapie
führte bei allen hilflosen Hunden und Ratten immer zum Erfolg.58 Für uns bedeutete
dies, den Hund zur Reaktion zu zwingen – wenn es sein mußte, immer und immer wieder – und ihn so nach und nach begreifen zu lassen, daß ein Überwechseln in die andere
Käfighälfte den Schock beendete. Zu diesem Zweck banden wir lange Leinen um den
Kopf des Hundes und fingen an, ihn während CS und elektrischem Schlag in der shuttle
box, in der die Trennwand entfernt worden war, hin und her zu zerren. Wenn wir den
Hund auf die andere Seite bekamen, hörte der Schock auf.
Nach fünfundzwanzig- bis zweihundertmaligem Hin-und-her-Zerren fingen alle Hunde
an, von sich aus zu reagieren. Hatten sie einmal angefangen zu reagieren, bauten wir die
Trennwand stufenweise wieder auf, und die Hunde fuhren trotzdem fort zu entfliehen
und zu vermeiden. Die Heilung von Hilflosigkeit war vollständig und dauerhaft, und wir
haben dieses Verfahren bei ungefähr 25 Hunden und ebenso vielen hilflosen Ratten
wiederholt. Die Hunde zeigten ein bemerkenswertes Verhalten, wenn wir an der Leine
zogen: anfangs mußten wir eine ganze Menge Kraft aufwenden, um den Hund mitten
durch die shuttle box zu zerren. Gewöhnlich hing der Hund mit seiner ganzen Schwere
an der Leine; in manchen Fällen leistete der Hund auch Widerstand. Mit fortschreitendem Training war dann zunehmend weniger Kraftaufwand erforderlich. Normalerweise
stellte sich ein Zustand ein, bei dem ein leichter Ruck an der Leine ausreichte, um den
Hund in Bewegung zu setzen. Am Ende sprang jeder Hund von sich aus und konnte daher jedesmal mit Erfolg entfliehen.
Hatte der Hund die richtige Reaktion erst einmal häufiger ausgeführt, so hatte er die Reaktion-Erleichterung Kontingenz begriffen. Es ist bedeutsam, daß so viel »direktive
Therapie« notwendig war, bevor die Hunde von sich aus reagierten. Diese Beobachtung
unterstützt eine Deutung der Effekte unvermeidbarer Schocks unter kognitiv-emotionaler Perspektive: Unkontrollierbarkeit senkt die Motivation, in Gegenwart des elektrischen Schlages zu reagieren, und beeinträchtigt die Fähigkeit, Reaktionen mit Erleichterung zu assoziieren.
Durchschlagende Erfolge der Medizin sind häufiger auf präventive Maßnahmen zurückzuführen als auf Behandlung, und ich möchte die Vermutung wagen, daß Impfung
und Immunisierung mehr Menschenleben gerettet haben als therapeutische Maßnahmen. In der Psychotherapie sind Maßnahmen fast ausnahmslos rehabilitativer Art und
Prävention spielt kaum eine wichtige Rolle. Bei unseren Untersuchungen an Hunden
und Ratten fanden wir, daß behaviorale Immunisierung, wie sie sich aus unserer Theorie ergibt, ein einfaches und effektives Mittel zur Prävention gelernter Hilflosigkeit darstellt.
43

Erste Erfahrungen mit Kontrolle über traumatische Bedingungen sollten mit der Ausbildung der Erwartung interferieren, daß Reaktion und Ende des elektrischen Schlages unabhängig voneinander sind, genauso wie die Unfähigkeit, Schocks zu kontrollieren, dem
Lernen entgegensteht, daß Reagieren Erleichterung bringt. Um dies zu überprüfen, ließen wir eine Gruppe von Hunden in zehn Durchgängen in der shuttle box lernen, elektrischen Schlägen zu entfliehen, bevor sie im Pavlovschen Geschirr unvermeidbare
Schocks verabreicht bekamen.59 Dadurch wurde die Beeinträchtigung nachfolgenden
Flucht-Vermeidungsverhaltens reduziert. Immunisierte Hunde reagierten normal, wenn
sie 24 Stunden nach der Erfahrung unvermeidbarer Schocks im Pavlovschen Geschirr in
die shuttle box gebracht wurden. Gleichzeitig kam ein anderes interessantes Ergebnis
zum Vorschein: diejenigen Hunde, die als erstes gelernt hatten, durch Springen den
elektrischen Schlägen in der shuttle box zu entfliehen, drückten anschließend im
Pavlovschen Geschirr während der unvermeidbaren Schocks das Pedal viermal so häufig wie naive Hunde, obwohl Hebeldrücken keinerlei Auswirkungen auf die Schocks
hatte. Wahrscheinlich spiegelt dieses Hebeldrücken die Versuche der Hunde wider, den
Schock zu kontrollieren. David Marques, Robert Radford und ich ergänzten diese Befunde, indem wir die Hunde zunächst elektrische Schläge im Pavlovschen Geschirr
durch Hebeldrücken beenden ließen. Darauf folgten unvermeidbare Schocks in der gleichen Situation. Die Erfahrung von Kontrolle über das Ende der elektrischen Schläge
bewahrte die Hunde davor, hilflos zu werden, als sie später in der shuttle box getestet
wurden. Meines Wissens nach wurde bisher keine Parameterstudie zur Immunisierung
durchgeführt. Wieviel Immunisierung ist notwendig, um ein gegebenes Maß an Unkontrollierbarkeit zu überwinden? Gibt es ein Ausmaß an Immunisierung, das einen Organismus unverwundbar gegenüber Hilflosigkeit macht? Gibt es ein Ausmaß an Unkontrollierbarkeit, das jede Immunisierung zunichte macht?
Andere Ergebnisse aus unserem Laboratorium stützen die Überlegung, daß die Erfahrung kontrollierbarer traumatischer Bedingungen Organismen vor der Hilflosigkeit zu
schützen vermag, die durch unvermeidbares Trauma ausgelöst wird. Erinnern Sie sich,
daß bei Hunden mit uns unbekannter Lerngeschichte Hilflosigkeit mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit auftrat: ungefähr zwei Drittel der Hunde, die unvermeidbare elektrische Schläge erhalten, werden hilflos, während ein Drittel normal reagiert. Von naiven
Hunden ohne jede Vorerfahrung unvermeidbarer Schocks reagieren ungefähr 5% hilflos
in der shuttle box. Warum werden manche Hunde hilflos und andere nicht? Könnte es
möglich sein, daß jene Hunde, die selbst nach unvermeidbaren Schocks nicht hilflos
reagieren, eine Lerngeschichte kontrollierbarer traumatischer Bedingungen hinter sich
hatte, bevor sie in unser Laboratorium kamen – wenn sie z.B. ein Rudel anführten oder
kleine Kinder einschüchterten. Wir überprüften diese Hypothese, indem wir Hunde isoliert in Laboratoriumskäfigen aufzogen.60 Im Vergleich zu Hunden mit unbekannter
Lerngeschichte konnten diese Hunde nur sehr begrenzte Erfahrungen sammeln, was die
Kontrolle irgendwelcher Konsequenzen anbetrifft, da ihnen Nahrung und Wasser gebracht wurden und ihr Kontakt zu anderen Hunden und Menschen sehr eingeschränkt
war. Diese im Käfig aufgezogenen Hunde erwiesen sich als anfälliger für Hilflosigkeit:
während bei Hunden mit unbekannter Lemgeschichte vier Sitzungen mit unvermeidbaren elektrischen Schlägen erforderlich waren, um in der eine Woche später folgenden
Testphase Hilflosigkeit zu erzeugen, reichten nur zwei Sitzungen mit unvermeidbaren
Schocks im Pavlovschen Geschirr, um bei den im Käfig aufgezogenen Hunden Hilflosigkeit zu verursachen. Es ist auch berichtet worden, daß es Hunden, die isoliert aufgezogen wurden, eher mißlingt, Schocks zu entfliehen.61 Es scheint so, als ob Hunde, die
in ihrer Entwicklungsgeschichte der natürlichen Möglichkeiten, Verstärker zu kontrollieren, beraubt waren, anfälliger für Hilflosigkeit sein dürften als von Natur aus immunisierte Hunde.
44
In diesem Zusammenhang sollten wir C. P. Richters (1957) schlagende Ergebnisse
über den plötzlichen Tod wilder Ratten erwähnen. Richter entdeckte, daß wilde Ratten,
wenn er sie so lange fest an der Hand gehalten hatte, bis sie aufgehört hatten zu zappeln,
und sie dann in einen Wasserbehälter ohne Fluchtmöglichkeit setzte, innerhalb von 30
Minuten ertranken, während Ratten, die nicht festgehalten worden waren, 60 Stunden
schwimmen konnten, bevor sie ertranken. Richter konnte diesen plötzlichen Tod durch
eine Behandlung verhindern, die unserem Immunisierungsverfahren ähnelte: wenn er
die Ratte festhielt, sie dann kurz losließ, sie wieder festhielt und wieder losließ, trat kein
plötzlicher Tod ein.
Wenn er das Tier darüber hinaus, nachdem er es festgehalten hatte, in das Wasserbekken setzte, es dann wieder herausnahm, wieder hineinsetzte und abermals rettete, wurde
ebenfalls der plötzliche Tod verhindert. Diese Prozeduren mögen wie unsere eigenen
bei Hunden der Ratte ein Gefühl für potentielle Kontrolle über traumatische Bedingungen vermitteln und sie dadurch gegen plötzlichen Tod durch unvermeidbares Trauma
immunisieren. Richter vermutete, daß die entscheidende Variable für den plötzlichen
Tod »Hoffnungslosigkeit« war: für ein wildes Tier bedeutet es eine überwältigende Erfahrung von Kontrollverlust über seine Umgebung, wenn es von einem Gegner festgehalten und in seiner Bewegung behindert wird. Das Phänomen eines Todes aus Hilflosigkeit ist so wichtig, daß ich ihm das gesamte letzte Kapitel widmen möchte.
4.2.1 Grenzen der Hilflosigkeit
Da wir alle in gewissem Maße Hilflosigkeit erfahren, warum sind wir dann nicht immer
hilflos? Angenommen, ich nehme eines Morgens die Bahn, um zur Arbeit zu fahren. Ich
sitze hilflos in einem Fahrzeug, dessen Funktionsweise ich nicht richtig verstehe, das
von einem Fahrer gesteuert wird, den ich nicht kenne. Trotzdem verhalte ich mich hinterher ganz normal, ohne eine der drei Auswirkungen von Hilflosigkeit zu zeigen. Was
hat diese Auswirkungen in Schranken gehalten? Der entscheidende Faktor ist der Übergang von der Erfahrung von Unkontrollierbarkeit zu der Ausbildung einer Erwartung,
daß Konsequenzen unkontrollierbar sind. Unter welchen Bedingungen wird diese Erwartung, daß Ereignisse unkontrollierbar sind, nun aber nicht ausgebildet, selbst wenn
das Individuum tatsächlich Unkontrollierbarkeit erfahren hat? Ich vermute, daß mindestens drei Faktoren eine Erwartung von Unkontrollierbarkeit nicht aufkommen lassen:
Immunisierung durch eine inkompatible Erwartung, Immunisierung durch diskriminative Kontrolle und die relative Bedeutung der Konsequenzen.
Eine vorausgegangene Geschichte von Erfahrungen, daß eine gegebene Konsequenz
kontrollierbar ist, wird zu der Erwartung führen, daß die Konsequenz kontrollierbar ist.
Wird das Individuum schließlich mit einer Situation konfrontiert, in der die Konsequenz
tatsächlich unkontrollierbar ist, wird es nur schwer davon zu überzeugen sein, daß die
Konsequenz nun unkontrollierbar ist. Dies ist der Kern des Immunisierungs-Konzeptes.
Vorausgehende Erwartungen sind natürlich ein zweischneidiges Schwert. Nach vorausgegangenen Erfahrungen von Unkontrollierbarkeit gewinnt man nur schwer die Überzeugung, daß eine Konsequenz kontrollierbar ist, selbst wenn sie es tatsächlich ist; dies
entspricht ja auch dem Ergebnis unseres grundlegenden Experimentes zur Hilflosigkeit:
der Hund erwartet selbst angesichts kontrollierbarer Schocks weiterhin, daß der Schock
unkontrollierbar ist.
Immunisierung durch diskriminative Kontrolle stellt eine zweite Einschränkung der
Allgemeingültigkeit von Hilflosigkeit dar. Wenn ein Mensch an einem Ort, z.B. seinem
Büro, gelernt hat, daß er Kontrolle hat, und wird an einem anderen Ort, z.B. dem Zug,
hilflos, so wird er zwischen der unterschiedlichen Kontrollierbarkeit der beiden Umgebungen diskriminieren. Ähnlich wie der Hund, der in der shuttle box Einfluß auf die
elektrischen Schläge ausüben konnte, auch nach zwischenzeitlich erfahrener Unkon45
trollierbarkeit im Pavlovschen Geschirr fortfahren wird zu entfliehen, so sollte Hilflosigkeit in der Bahn nicht meine Leistung im Büro beeinflussen. C. S. Dweck und N. D.
Repucci (1973) berichteten über diskriminative Kontrolle bei Hilflosigkeit bei Schulkindern: wenn ein Lehrer den Schülern zuerst unlösbare und dann lösbare Aufgaben
stellte, so gelang es den Kindern nicht, diese zu lösen, selbst wenn sie identische Aufgaben, die ihnen von anderen Lehrern gestellt wurden, rasch lösten. Steven Maier berichtete dagegen in einer unveröffentlichten Untersuchung, daß Hunde nur mangelhafte
diskriminative Kontrolle bei Hilflosigkeit ausüben. In Anwesenheit eines Tones konnten
die Hunde, die angeschirrt waren, elektrischen Schlägen durch Hebeldrücken entfliehen,
leuchtete ein Licht auf, so waren die Schocks unvermeidbar. Zu Maiers Überraschung
reagierten die Hunde in der shuttle box sowohl während des Tones als auch während
des Lichtes hilflos.
Es müssen nicht gerade Töne oder Lichter zu Hilfe genommen werden, damit diskriminative Kontrolle bei Hilflosigkeit gelernt wird. Bereits der Hinweis, daß ein bestimmtes
Ereignis unkontrollierbar ist – vor allem von jemanden, der »es wissen sollte« –, wird
eine Erwartung erzeugen, daß dieses Ereignis unkontrollierbar ist, selbst wenn diese
Kontingenz aktuell nicht erfahren wird. Andererseits wird auch der Hinweis, daß ein
Geschehen kontrollierbar ist, eine Erfahrung dieser Kontingenz erübrigen. Erinnern wir
uns daran, daß es genügte, eine Versuchsperson darauf hinzuweisen, daß ihr ein Alarmknopf zur Verfügung stehe, mit dem sie lauten Lärm abstellen könne, um viele der
Auswirkungen von Hilflosigkeit zu vermeiden, selbst wenn die Versuchsperson keinen
Gebrauch von dem Alarmknopf machte.
Der letzte der drei Faktoren, die den Transfer der Hilflosigkeit von einer Situation auf
die andere einschränken, ist die relative Bedeutsamkeit der beiden Situationen: Hilflosigkeit kann leicht von stärker traumatisierenden oder bedeutsamen Ereignissen auf weniger traumatische oder auf unbedeutsame Ereignisse übertragen werden, aber nicht
umgekehrt. Ich habe das Gefühl, daß ich noch lange nicht in intellektuellen Auseinandersetzungen hilflos würde, wenn ich lernen würde, daß der Aufzug in meinem Bürogebäude unkontrollierbar ist; aber wenn ich mich plötzlich intellektuellen Anforderungen
gegenüber hilflos sähe, könnte es sein, daß ich es aufgeben würde, auf den Knopf zu
drücken, damit der Aufzug rascher kommt. Bob Rosellini und ich fanden heraus, daß
Ratten sich weniger hilflos verhielten, wenn sie zuerst elektrische Schläge sehr schwacher Intensität verabreicht bekamen und dann auf ihre Fluchtreaktionen bei den gleichen
schwachen Schocks untersucht wurden: sie entflohen den Schocks kaum schlechter als
Ratten, die zuvor nicht geschockt worden waren. Wurden jedoch sowohl in der Vortrainingsphase als auch in der Testphase sehr starke elektrische Schläge verabreicht, so entflohen die hilflosen Tiere viel schlechter als Ratten, die zuvor keine elektrischen Schläge erhalten hatten. Mir ist zur Zeit kein Ergebnis experimenteller Untersuchungen bekannt, demzufolge die Erfahrung von Hilflosigkeit in einer irrelevanten Situation Hilflosigkeit in einer subjektiv bedeutsamen Situation hervorruft, während Hilflosigkeit in
einer bedeutsamen Situation dazu führt, daß man auch in irrelevanten Situationen hilflos
reagiert.
46
4.3
Alternative Theorien
Die in Kapitel III vorgestellten Ergebnisse belegen die Theorie der Hilflosigkeit recht
gut; tatsächlich hätte sie, historisch gesehen, viele dieser Ergebnisse voraussagen können. Außerdem lassen sich aus ihr erfolgversprechende Möglichkeiten zur Behandlung
und Prävention von Hilflosigkeit ableiten. Während der letzten zehn Jahre sind eine
Reihe alternativer Ansätze entwickelt worden.62
Beiläufig bemerkt erklärt keiner davon die vielfältigen Auswirkungen, die wir dargestellt haben; sie konzentrieren sich eher darauf, zu erklären, wie unvermeidbarer Schock
mit späteren Fluchtreaktionen interferieren kann.
4.3.1 Inkompatible motorische Reaktionen
Die traditionelle Lerntheorie dachte nicht nur konservativ darüber, wie einfach die
Kontingenzen für Lernen sein müßten, sondern auch darüber, was gelernt werden
könnte. So fiel es Lerntheoretikern leicht zu sagen, daß eine Taube eine Reaktion, wie
z.B. für Futter auf eine Taste zu picken, gelernt habe, aber es brachte sie in Schwierigkeiten zu sagen, daß eine Taube gelernt habe, daß das Picken Futter herbeibrachte. Eine
solche Erkenntnis wurde gewöhnlich aus dem Bereich dessen, was Tiere (und sogar
Menschen!) lernen könnten, ausgeschlossen. Eine solche konservative Denkweise wird
mit der Forderung nach Beobachtbarkeit und einfacher Darstellung begründet: das Lernen einer Reaktion ist beobachtbar, aber kognitive Prozesse können nur erschlossen
werden. Darüber hinaus betrachtete man das Lernen einer Reaktion als einfach und fundamental, während Kognitionen als komplex und hergeleitet angesehen wurden. Obwohl diese Kontroverse in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend weniger hitzig geführt wird, sind die auf das Lernen von Reaktionen zentrierten Alternativen zu unserer
kognitiven Theorie der Hilflosigkeit einer Betrachtung wert.
Warum gelingt es den Hunden in der shuttle box nicht, elektrischen Schlägen zu entfliehen? Nicht weil sie gelernt haben, daß alle Reaktionen wirkungslos bleiben, sondern
weil sie im Pavlovschen Geschirr eine motorische Reaktion gelernt haben, die sie nun in
der shuttle box ausführen und die mit der Reaktion, über die Trennwand zu springen,
inkompatibel ist. Eine solche inkompatible Reaktion kann auf drei unterschiedliche Arten gelernt werden.
Eine Form basiert auf der Idee abergläubischer Verstärkung und geht davon aus, daß eine spezifische motorische Reaktion zufällig gerade in dem Moment ausgeführt wird, in
dem der elektrische Schlag im Pavlovschen Geschirr aufhört. Dieses magische Moment
verstärkt die spezifische Reaktion und erhöht die Wahrscheinlichkeit, daß sie auch im
folgenden Durchgang wieder zufällig dann auftritt, wenn der Schock aufhört. Auf diese
Weise wird die Reaktion sehr stabil. Wenn diese Reaktion unvereinbar mit dem Sprung
über die Trennwand in der shuttle box ist und wenn sie in der shuttle box durch den
elektrischen Schlag ausgelöst wird, dann wird der Hund nicht über die Trennwand
springen.
Diese Sichtweise hat eine dürftige empirische Basis: wir beobachteten Hunde und Ratten eingehend, fanden aber keinen Anhaltspunkt für abergläubische Reaktionen. Darüber hinaus ist das Argument logisch nicht stichhaltig: wenn irgendeine Reaktion abergläubisch durch die Beendigung des elektrischen Schlages verstärkt wird und daher mit
größerer Wahrscheinlichkeit wieder auftritt, dann müßte sie mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit zufällig dann ausgeführt werden, wenn der Schock einsetzt, wie dann,
wenn er aufhört. Diese Reaktion würde dann durch Beginn und Fortdauer des elektrischen Schlages ebenso bestraft wie durch seine Beendigung verstärkt und müßte daher
in ihrer Auftrittswahrscheinlichkeit abnehmen. Und selbst wenn diese Reaktion im Vortraining erworben wurde, so fragt man sich, warum die spezifische Reaktion trotz hun47
derter, Sekunden dauernder elektrischer Schläge während der Testphase beibehalten
werden sollte. Mir scheint, daß eine solche Reaktion eigentlich eher verschwinden sollte.
Einer zweiten Hypothese zufolge werden aktive Reaktionen durch zufälliges Zusammentreffen mit dem Einsetzen des elektrischen Schlages bestraft. Eine derartige abergläubische Bestrafung senkt die Wahrscheinlichkeit aktiver Reaktionen im Pavlovschen
Geschirr, was dann auf die shuttle box übertragen wird. Diese Hypothese birgt die gleichen logischen Probleme wie die Hypothese abergläubischer Verstärkung. Aktives Reagieren mag gelegentlich durch das Einsetzen des elektrischen Schlages bestraft werden,
aber es wird dann ebenso durch die Beendigung des Schocks verstärkt. Außerdem wird
passives Verhalten häufiger, wenn aktive Reaktionen durch Bestrafung abgebaut werden. Von da an wird Bestrafung passive Reaktionen auszuschalten beginnen und dadurch die Wahrscheinlichkeit aktiver Reaktionen erhöhen usw. Mehr noch, selbst wenn
passives Verhalten durch abergläubische Bestrafung im Pavlovschen Geschirr erworben
wurde, warum sollte es trotz der vielen hundert, Sekunden anhaltender Schocks in der
shuttle box beibehalten werden? Der Leser sollte inzwischen abzuschätzen beginnen,
wie viele Freiheitsgrade die Erklärungen abergläubisch konditionierter motorischer Reaktionen bergen und wie diese Erklärungen jedes beliebige Ergebnis scheinbar »erklären« können – nach dessen Ermittlung.
Eine dritte Version der Erklärung inkompatibler motorischer Reaktionen geht davon
aus, daß das Tier mit Hilfe irgendeiner spezifischen motorischen Reaktion die Intensität
der elektrischen Schläge im Pavlovschen Geschirr vermindert. Eine so explizit verstärkte Reaktion könnte mit dem Sprung über die Trennwand interferieren. Da aber unvermeidbare Schocks im Pavlovschen Geschirr über durch Elktrodenpaste fest haftende
Elektroden verabreicht werden, ist es unwahrscheinlich, daß der Hund die Schockintensität durch irgendeine bestimmte motorische Reaktion verändern kann. Es ist jedoch
denkbar, daß irgendein unbekannter Bewegungsablauf den Schmerz reduziert. Overmier und Seligman (1967) schlossen diese Möglichkeit aus, indem sie die Hunde mit
Hilfe von Curare vollständig paralysierten, so daß diese keinen einzigen Muskel bewegen konnten, während sie im Pavlovschen Geschirr unvermeidbare elektrische Schläge
verabreicht bekamen. Diese Hunde schafften es anschließend genauso wenig, in der
shuttle box elektrischen Schlägen zu entfliehen wie nichtparalysierte Hunde, die unvermeidbare Schocks erfahren hatten. Hunde, die nur paralysiert wurden, ohne elektrische
Schläge zu bekommen, zeigten später normale Fluchtreaktionen. Wenn ein Hund unter
Curare die Schockintensität reduzieren kann, dann schafft er dies sicherlich nicht über
Muskelreaktionen.

Egal wie das Zustandekommen der Reaktion gesehen werden mag, sind wir überzeugt
davon, daß Hilflosigkeit nicht durch inkompatible motorische Reaktionen erklärt werden kann. Am nachdrücklichsten schließt S. F. Maiers (1970) Experiment diese Möglichkeit aus. Als Antwort auf die mögliche Kritik, daß das, was während traumatischer
Bedingungen gelernt wird, nicht eine kognitive Einstellung von Hilflosigkeit ist, wie
wir das vorgeschlagen haben, sondern irgendeine motorische Reaktion wie z.B. die
Schreckstarre,63 die jeder Sprungreaktion entgegensteht, verstärkte Maier die am stärksten entgegengesetzten Reaktionen, die er finden konnte. Wie sich der Leser erinnern
wird, waren bei einer Gruppe von Hunden (passive Fluchtgruppe) sowohl seitlich wie
über den Köpfen der Versuchstiere Tasten im Abstand von ca. »2 cm angebracht. Nur
wenn die Hunde ihre Köpfe nicht bewegten, also passiv und ruhig blieben, konnten sie
den elektrischen Schlägen entfliehen. Eine zweite Gruppe (yoked-Kontrollgruppe) erhielt die gleichen elektrischen Schläge im Pavlovschen Geschirr, jedoch unabhängig
von ihrem Verhalten. Eine dritte Gruppe erhielt keine Schocks. Der Hypothese vom Re48
aktionslernen zufolge würde man voraussagen, daß die passive Fluchtgruppe am hilflosesten reagieren würde, wenn sie später in der shuttle box getestet wurde, da sie gelernt
habe, sich unter traumatischen Bedingungen gerade nicht zu bewegen. Die Hilflosigkeitshypothese macht die entgegengesetzte Voraussage: die Hunde der passiven Fluchtgruppe konnten den Schock kontrollieren, wenngleich sie dies durch Passivität erzielten; eine Reaktion, selbst wenn diese inkompatibel war, reduzierte den Streß, und daher
war anzunehmen, daß die Hunde nicht lernten, daß jedes Reagieren zwecklos sei. Es
war also zu erwarten, daß die passive Fluchtgruppe lernte, den elektrischen Schlägen
durch den Sprung über die Trennwand zu entgehen, und genau dies geschah. Ähnliches
beobachteten wir bei Ratten: es erscheint unwahrscheinlich, daß die Ratte nach der Erfahrung unvermeidbarer Schocks eine inkompatible Reaktion lernt; denn wie die im
Kapitel 3 diskutierten Rattenexperimente zeigten, reagierten die Ratten in Versuchsplänen, die nur einen Hebeldruck oder einen Sprung vorsahen, angemessen und wurden
erst hilflos, wenn zwei oder mehr Reaktionen verlangt wurden.64 Inkompatible Reaktionen würden mit der zuerst gelernten Reaktion mindestens genauso interferieren wie mit
der zweiten und dritten.
Wenn auch Erklärungen, die vom Reaktionslernen ausgehen, willkommene Hilfsmittel
gewesen sind, so erfüllen sie doch nicht die Aufgabe, Hilflosigkeit zu erklären – Hilflosigkeit ist keine periphere Veränderung des Verhaltensrepertoires, sondern ein anderer
Zustand, der den gesamten Organismus betrifft.
4.3.2 Adaptation, emotionale Erschöpfung und Sensibilisierung
Mehrere Hypothesen, die den motivationalen Aspekt berücksichtigen, wurden aufgestellt, um zu erklären, warum Versuchstiere nach der Erfahrung unkontrollierbarer
Schocks keine Fluchtreaktionen bewältigen. Theoretische Modelle der Adaptation wie
der emotionalen Erschöpfung behaupten, daß sich Tiere, die unkontrollierbare elektrische Schläge erhalten haben, an die traumatischen Bedingungen gewöhnen und sie daher nicht mehr genug beachten, um zu reagieren. Sie sind so erschöpft oder so adaptiert,
daß ihr Motivationsniveau nicht mehr ausreicht. Diese These ist aus verschiedenen
Gründen nicht aufrechtzuerhalten:
1)
Die Tiere machen nicht den Eindruck, adaptiert zu sein: während der ersten elektrischen Schläge im Flucht-Vermeidungs-Test reagieren sie heftig; in späteren
Durchgängen werden sie passiv, aber selbst dann noch winseln sie, wenn sie einen
elektrischen Schlag erhalten.
2)
Eine Adaptation an wiederholte, elektrische Schläge starker Intensität ist bisher
nie direkt demonstriert worden, wie aus der Literatur zu Schmerzreaktionen hervorgeht.
3)
Selbst wenn es zur Adaptation kommt, ist es unwahrscheinlich, daß diese über die
Zeitphasen zwischen Hilflosigkeitstraining und Flucht-Vermeidungstraining hinweg anhält.
4)
Wir haben die Adaptationshypothese experimentell widerlegt: Bruce Overmier
und ich verabreichten Versuchstieren in der shuttle box sehr starke elektrische
Schläge, ohne daß dies die interferierenden Effekte vorausgegangener unvermeidbarer Schocks reduzierte; die Hunde waren erregter, aber sie versuchten nicht zu
entfliehen. Wenn ein Hund es nicht schafft, zu entfliehen, oder wenn er in der
shuttle box zu langsam reagiert, nur weil der Schock nicht motivierend genug ist,
dann sollte eine Steigerung der Schockintensität zur Reaktion führen.
5)
Eine Reihe im Pavlovschen Geschirr verabreichter vermeidbarer Schocks interferiert nicht mit dem Sprung über die Trennwand in der shuttle box, obwohl die
gleichen Schocks, wenn sie unvermeidbar sind, zu Hilflosigkeit führen. Sowohl
49
vermeidbare wie unvermeidbare Schocks sollten im gleichen Maße zu Adaptation
oder Erschöpfung führen, tatsächlich sind ihre Auswirkungen aber total verschieden.
6)
Hunde, die zuerst in der shuttle box elektrischen Schlägen zu entfliehen lernten
und dann im Pavlovschen Geschirr unvermeidbaren elektrischen Schlägen ausgesetzt wurden, reagierten weiterhin erfolgreich, wenn sie wieder zurück in die
shuttle box kamen. Es gibt keinen Grund, warum vorausgehendes Fluchttraining
die aus der Erfahrung einer Serie unvermeidbarer Schocks resultierende Adaptation oder Erschöpfung reduzieren sollte.
7)
Die Unfähigkeit zu Fluchtreaktionen in der shuttle box wurde abgebaut, wenn wir
den Hund über die Trennwand hin und her zerrten. Es gibt keinen Grund, warum
ein Hund weniger adaptiert oder erschöpft sein sollte, wenn er den Flucht- und
Vermeidungskontingenzen zwangsweise ausgesetzt wird.
Die Hypothese zu motivationalen Ursachen wird ergänzt durch die Ursache der Sensibilisierung. Dieser Sichtweise zufolge versagten Hunde bei Fluchtreaktionen, weil die
vorausgegangenen elektrischen Schläge sie so aufgeregt machten, daß die zu heftig reagierten, um eine adäquate Reaktion zu entwickeln. Dies ist mit unserer Prämisse erhöhter emotionaler Reaktivität als Folge unvermeidbarer Schocks vereinbar, erklärt jedoch
nicht die grundlegenden Ergebnisse. Wenn vorausgegangene unvermeidbare elektrische
Schläge den Hund übermäßig motiviert machten, dann sollte eine Herabsetzung der
Schockintensität in der shuttle box den Hund veranlassen zu reagieren. Wir fanden aber,
daß der störende Einfluß unvermeidbarer Schocks auch bei sehr geringer Schockintensität in der shuttle box nicht abgebaut wurde. Darüber hinaus sprechen die Argumente
(5), (6) und (7) gegen die Gültigkeit der Sensibilisierungshypothese ebenso wie gegen
die der Adaptationshypothese.
Die Tatsache eines zeitlichen Verlaufes der Hilflosigkeit, wie er zumindest bei Hunden
und Goldfischen beobachtet wurde, verführt zu einer Theorie emotionaler Erschöpfung.
Warum ruft eine einzige Versuchssitzung unvermeidbarer elektrischer Schläge nach ungefähr 48 Stunden keine Hilflosigkeit mehr hervor? Warum bricht beim KatastrophenSyndrom das emotionale Gleichgewicht zusammen und erholt sich im Laufe von ungefähr 48 Stunden?
Die einfachste Antwort ist die, daß irgendeine Substanz zuerst erschöpft und dann erneuert wird. Wie wir später in diesem Kapitel noch sehen werden, wurde behauptet, daß
Noradrenalin (NA) unter unkontrollierbaren traumatischen Bedingungen vermehrt ausgeschüttet wird und es ungefähr 48 Stunden dauert, bis die Speicher wieder aufgefüllt
sind.65 Aber auch eine lerntheoretische Erklärung ist möglich. Erinnern Sie sich, daß
häufige Erfahrungen von Unkontrollierbarkeit den zeitlichen Verlauf veränderten. Die
wiederholte Erfahrung von Unkontrollierbarkeit könnte also verhindern, daß die ausgeschüttete Substanz jemals wieder gespeichert wird; aber beachten wir auch, daß ein Tier
oder ein Mensch, bevor sie unkontrollierbare traumatische Bedingungen erleben, gewöhnlich vielfach erfahren haben, daß sie für sie relevante Konsequenzen kontrollieren
können. Wird zuerst etwas gelernt, wie z.B. die Assoziation von A und B, und dann etwas Entgegengesetztes wie die Assoziation von A und C, so wird die Erinnerung an die
zweite Erfahrung (A↔C) mit der Zeit schwächer. Wenn ich Sie unmittelbar nach der
zweiten Erfahrung prüfe, indem ich Sie frage, welcher Buchstabe auf A folgte, werden
Sie sagen: »C«; frage ich Sie aber ein paar Tage später, was auf A folgte, so werden Sie
wahrscheinlich »B« sagen. Dieses Phänomen wird als proaktive Hemmung (proactive
inhibition, PI) bezeichnet und dient oft zur Erklärung des Vergessens.66 Da die Auswirkungen proaktiver Hemmung (und damit auch des Vergessens) sowohl bei Menschen
als auch bei Tieren mit der Zeit zunehmen, könnte ein solcher Vergessensprozeß auch
erklären, daß sich Hilflosigkeit mit der Zeit verringert. 24 Stunden nach unvermeidba50
rem Schock ist die Erinnerung an frühere Kontrolle nicht stark genug, um der neuen
Erwartung entgegenzuwirken, daß Reaktionen keinen Einfluß auf den elektrischen
Schlag haben; 48 Stunden später ist dies wieder der Fall. Zu andauernder Hilflosigkeit
kommt es, weil zusätzliche Erfahrungen unvermeidbarer elektrischer Schläge die Hilflosigkeit zu mächtig werden läßt, daß frühere Erfahrungen von Kontrolle ihr nicht mehr
entgegenwirken können. Zukünftige Experimente werden klären, ob der zeitliche Verlauf ein physiologisches oder ein gedächtnispsychologisches Phänomen ist. Am zutreffendsten erscheint mir meine Vermutung, daß – genau wie bei Hilflosigkeit selbst und
Depression – Phänomene aufeinander abgestimmt auf beiden Ebenen der Analyse, der
psychologischen und der physiologischen, wirken.
4.4 Physiologische Ansätze
bei der Erklärung von Hilflosigkeit
Ich habe das Schwergewicht auf eine behavioral-kognitive Erklärung der motivationalen, kognitiven und emotionalen Störungen gelegt, die mit Unkontrollierbarkeit einhergehen; dies bedeutet jedoch nicht den Ausschluß einer physiologischen Erklärung. Diese Gewichtung spiegelt eher die Tatsache wider, daß wir – wenigstens zu diesem Zeitpunkt – eine ganze Menge mehr über die kognitiven und behavioralen Grundlagen der
Hilflosigkeit wissen als über die physiologische Basis. Aber Hilflosigkeit muß eine
neurale und biochemische Basis haben, und zwei Forscher haben bereits interessante
physiologische Theorien vorgeschlagen.
J. M. Weiss und seine Mitarbeiter haben einige vorläufige Ergebnisse über die physiologischen Konsequenzen unkontrollierbarer elektrischer Schläge aufgedeckt: neben
Magengeschwüren und Gewichtsverlust, die bei seinen Kontrolltieren (yoked control)
(Ratten) hervorgerufen wurden, zeigte sich auch ein Mangel an Substanzen des Gehirns.67 Noradrenalin (NA), eine der chemischen Verbindungen, durch die im Zentralnervensystem Erregung von einem Neuron zum anderen geleitet wird, ist die hauptsächliche Transmittersubstanz des adrenergen Systems (der andere hauptsächliche Transmitter, mit dem wir uns zu beschäftigen haben, sind cholinerge Substanzen). Weiss kam
zu dem Ergebnis, daß bei Ratten, die elektrische Schläge kontrollieren können, im Vergleich zu Ratten, die keine Schocks verabreicht bekamen, der kortikale NA-Spiegel erhöht ist; bekommt eine Ratte aber unkontrollierbare Schocks versetzt, sinkt der NASpiegel. Auf dieser Basis schlug Weiss vor, daß die Erschöpfung der NA-Reserven eine
Erklärung von Hilflosigkeit abgeben könnte.
Weiss ist davon überzeugt, daß durch unvermeidbare elektrische Schläge hervorgerufene Verhaltensdefizite nicht durch Lern- oder Wahrnehmungsprozesse verursacht werden, sondern direkt durch den Mangel an NA. Unvermeidbarkeit verursacht Gewichtsverlust, Appetitmangel, Magengeschwüre und NA-Mangel. Diese Mangelzustände führen hinwiederum zu der Unfähigkeit, Fluchtreaktionen auszuführen und zu einem allgemein erniedrigten Aktivationsniveau. NA-Mangel ist zugleich notwendige und hinreichende Bedingung, um hilfloses Verhalten hervorzurufen; insofern ist es Weiss zufolge unnötig, eine Einstellung von Hilflosigkeit einzubeziehen.
In einem Experiment zur Unterstüzung dieser These tauchte Weiss Ratten für sechs Minuten in Eiswasser. Unter anderem wird bei einem solchen Verfahren gespeichertes NA
ausgeschüttet; die Ratten waren hilflos, als sie eine halbe Stunde später in der shuttle
box getestet wurden. Ein sechs Minuten dauerndes Bad in warmem Wasser führte nicht
zu NA-Mangel und Hilflosigkeit. Eine spezifische, den NA-Abbau beschleunigende
Substanz, AMPT (Alpha-Methyl-Para-Tyrosin) ruft bei Ratten ebenfalls eine Unfähigkeit zu Fluchtreaktionen hervor.68
51
In seinem eindrucksvollsten Experiment versuchte Weiss, eine Entscheidung zwischen
der kognitiven und der physiologischen Erklärung herbeizuführen. Dabei zeigte sich jedoch, daß – aus unbekannten Gründen – im Verlauf von 15 täglichen Versuchssitzungen
mit unvermeidbaren Schocks sehr starker Intensität zu Anfang ein NA-Mangel auftrat,
der aber am Ende der Experimentalreihe nicht mehr nachzuweisen war. Ein kognitiver
Ansatz der Hilflosigkeit würde voraussagen, daß Ratten nach so vielen unvermeidbaren
Schocks besonders hilflos erscheinen sollten; eine NA-Mangel-Hypothese, die die
Wahrnehmung als irrelevant erachtet, würde keine Hilflosigkeit vermuten. In diesem
Experiment zeigten die Ratten genauso Flucht- und Vermeidungsreaktionen wie Kontrolltiere, die keine elektrischen Schläge erhalten hatten. Dies ist ein wichtiger Beweis,
aber bevor ich die NA-Hypothese kritisiere und ihre Folgerungen diskutiere, möchte ich
Ihnen einen anderen, ebenso interessanten neuen Befund über das physiologische Substrat der Hilflosigkeit vorstellen.
Gestatten Sie mir zuvor einige Bemerkungen über einige Nervenbahnen im Gehirn höherer Säugetiere. Ein bestimmtes, langgestrecktes Nervengewebe wird als mediales
Vorderhirnbündel (MFB: median forebrain bundle) bezeichnet; man nimmt an, daß seine Stimulation die physiologische Grundlage für Wohlbefinden und positive Verstärkung darstellt.69 Das MFB ist übrigens adrenerg, d.h. NA ist die primäre Transmittersubstanz. Eine benachbarte Struktur, das Septum, inhibiert bei Stimulation das MFB. E.
Thomas bemerkte, daß seine Katzen passiv und phlegmatisch wurden, wenn er das
Septum direkt elektrisch stimulierte.70 Belohnungen wirkten nicht mehr so verstärkend
und Bestrafungen nicht mehr so beeinträchtigend wie sonst. Dies brachte Thomas auf
den Gedanken, daß septale Erregung, die das MFB inhibiert, Ursache für Hilflosigkeit
war.
Um dies zu überprüfen, induzierte Thomas bei Katzen gelernte Hilflosigkeit durch unvermeidbare elektrische Schläge. Jeder Katze wurde eine Kanüle, eine kleine subkutane
Sonde, ins Septum eingepflanzt. Über sie injizierte Thomas Katzen, die unvermeidbare
Schocks erfahren hatten, Atropin ins Septum. (Atropin ist ein Anticholinergikum und
legt die Aktivität des Septums still). Die Katzen, die unter der Wirkung von Atropin
standen, reagierten in der shuttle box nicht hilflos, wohl aber Katzen, die unvermeidbare
elektrische Schläge erfahren, aber kein Atropin injiziert bekommen hatten. Anschließend verabreichte Thomas allen Katzen im Pavlovschen Geschirr weitere unvermeidbare elektrische Schläge und brachte sie danach wieder in die shuttle box. Diejenigen Katzen, die im ersten Versuchsteil der Hilflosigkeitsbedingung unterworfen waren, erhielten nun Atropin; dadurch wurden sie von ihrer Hilflosigkeit geheilt. Diejenigen Katzen,
die zuvor Atropin injiziert bekommen hatten und daraufhin normale Fluchtreaktionen in
der shuttle box gezeigt hatten, erhielten nun kein Atropin; sie wurden hilflos. Dieses Ergebnis bestätigte Thomas in seiner Ansicht, daß Hilflosigkeit mit der cholinergen Aktivität des Septums zu erklären ist, da die Blockade durch Atropin die Hilflosigkeit aufhob.
Diese Befunde zu NA-Mangel und cholinerger Aktivität werden uns zweifellos helfen,
die physiologische Basis von Hilflosigkeit und vielleicht auch von depressiven Reaktionen beim Menschen zu finden. Was aber bedeuten sie genau für die kognitive Theorie
der Hilflosigkeit, wie ich sie vorgestellt habe? Es gibt zwei Möglichkeiten, dieser Frage
nachzugehen: indem wir uns erstens fragen, welche Phänomene der NA-Mangel, nicht
aber die kognitive Theorie erklären kann und zweitens, welche Phänomene die kognitive Theorie, nicht aber der NA-Mangel zu erklären vermag.
Die kognitive Theorie wird durch die meisten der Ergebnisse über NA-Mangel nicht in
Frage gestellt. Diese Ergebnisse können uns im Gegenteil sogar zu der neuralen und
biochemischen Basis der kognitiven Struktur von Hilflosigkeit hinführen. Z.B. folgt der
NA-Abbau bei Ratten einem ungefähr gleichen zeitlichen Verlauf wie Hilflosigkeit bei
Hunden nach einer einzigen Versuchssitzung mit unvermeidbaren elektrischen Schlä52
gen. Mögliche Erklärungen dieses Phänomens wären: NA-Mangel wird verursacht
durch Auftreten und Abklingen der Überzeugung, hilflos zu sein, oder NA-Mangel ist
Korrelat dieser kognitiven Struktur. Daraus folgt nicht, daß diese Einstellung nicht existiert oder daß NA-Mangel selbst diese Einstellung der Hilflosigkeit hervorruft. Ähnlich
mag Atropin dergestalt wirken, daß es die Einstellung, nicht hilflos zu sein, hervorruft,
und diese kognitive Einstellung verursacht dann die Verhaltensänderung. Atropin
scheint depressive Einstellungen beim Menschen umzukehren (s. Kap. 5).
Wie läßt sich nun interpretieren, daß das erwähnte Schwimmen im kalten Wasser die
Fähigkeit zur Fluchtreaktion behinderte? Die kognitive Theorie behauptet nicht, daß die
Wahrnehmung von Unkontrollierbarkeit allein das Individuum unfähig macht, Schocks
zu entfliehen. Auch wenn man einem Tier ein Bein abschneidet, kann es nicht mehr
fliehen, aber das bedeutet noch nicht, daß unvermeidbarer Schock Fluchtreaktionen aufgrund von »Legotomie« behindert. Als wir Ratten für einige Minuten in so kaltes Wasser setzten, wie es Weiss verwendete, waren die Tiere erstarrt und halbtot, als wir sie
wieder herausnahmen. Sportler, die im Main Kanu fahren, wissen genau, daß man,
wenn man in kaltem Wasser kentert, nur wenige Minuten hat, um an Land zu kommen,
bevor man erfriert; es kann gut sein, daß Weiss’ Ratten 30 Minuten nach dem Bad im
Eiswasser nicht zu Fluchtreaktionen fähig waren, weil sie einfach dem Tode nahe waren, und nicht aufgrund eines NA-Mangels.
Die Beobachtung bei 15 Tage lang wiederholtem Erleben unvermeidbarer Schocks
bringt mehr Schwierigkeiten. Bei anderen Ergebnissen zu NA lassen sich anhand unseres kognitiven Ansatzes im voraus keine Vorhersagen treffen, welche chemischen Veränderungen im einzelnen mit der Wahrnehmung einhergehen; es besteht kein Widerspruch zu den Ergebnissen. Beim Beispiel der Ratten aber, die 15 Tage lang unvermeidbare elektrische Schläge verabreicht bekamen, sagt die kognitive Theorie ein Ergebnis voraus, das der Theorie vom NA-Mangel entgegensteht. Kürzlich versuchten
Steven Maier und seine Mitarbeiter und Robert Rosellini und ich, die Ergebnisse von
Weiss zu replizieren. Wir verabreichten Ratten entweder 10 oder 15 Tage lang hintereinander unvermeidbare elektrische Schläge; im Gegensatz zu den Ergebnissen von
Weiss versagten unsere Ratten nach dieser Vorbehandlung vollständig bei Fluchtreaktionen. Es scheint, als bedürfe das 15-Tage-Ergebnis von Weiss noch weiterer empirischer Überprüfung.

Auf der anderen Seite gibt es eine Menge Ergebnisse, die die Theorie des NA-Mangels
im Gegensatz zur kognitiven Theorie nicht erklären kann. Hier sei an einige erinnert: es
ist sehr unwahrscheinlich, daß Menschen oder hungrige Ratten, die vor unlösbare Diskriminationsaufgaben gestellt sind, dadurch vermehrt NA ausschütten; trotzdem versagen sie bei der Lösung anschließender Probleme. Es ist ebenso unwahrscheinlich, daß es
bei Ratten zu einem NA-Mangel kommt, wenn sie inkontingent mit Futter verstärkt
werden; trotzdem haben sie später Schwierigkeiten zu lernen, einen Hebel zu drücken,
um Futter zu bekommen. Bei Ratten wird Hilflosigkeit nach der einmaligen Erfahrung
unvermeidbarer elektrischer Schläge, bei Hunden nach mehreren Sitzungen aufrechterhalten; ein NA-Mangel ist jedoch vorübergehend. Ähnlich sind Ratten, die vor ihrer
Entwöhnung unvermeidbare Schocks verabreicht bekommen haben, als Erwachsene unfähig, Schocks zu entfliehen; doch sollte der NA-Mangel lange vor ihrem Erwachsensein verschwunden sein. Ratten verhalten sich im offenen Raum (open field test) nicht
weniger aktiv als Kontrolltiere, wenn sie zuvor unvermeidbare elektrische Schläge bekommen haben, sei es 24 Stunden oder eine Woche zuvor; trotzdem können sie in der
shuttle box nicht mehr elektrischen Schlägen entfliehen. Die Theorie vom NA-Mangel
würde voraussagen, daß diese Ratten weniger aktiv sind und 48 Stunden später noch
nicht zu Fluchtreaktionen imstande sind, wohl aber eine Woche später. Ratten oder
53
Hunde, die durch frühere Erfahrung, Schocks entfliehen zu können, immunisiert worden
sind, werden auf unvermeidbare elektrische Schläge hin nicht hilflos; warum sollte gerade das Lernen von Bewältigung NA-Mangel verhindern? Wenn NA-Mangel Verhalten nur dadurch beeinträchtigt, daß er das allgemeine Aktivierungsniveau senkt, warum
sollten Ratten dann im FR1-Versuchsplan nur dann versagen, wenn die Kontingenz
durch die Verzögerung der Schockbeendigung verschleiert wird? Und schließlich wird
Hilflosigkeit abgebaut, wenn man einer Ratte oder einem Hund zeigt, wie man den
Schock beendet, indem man die Reaktion erzwingt; allerdings genügen dafür keine zufälligen Erfahrungen. Es gibt jedoch keinen Grund anzunehmen, daß dies plötzlich die
NA-Reserven wieder auffüllt. Tatsächlich wird Hilflosigkeit auch abgebaut, wenn man
einer Ratte, deren NA-Reserven durch AMPT erschöpft wurden, die Fluchtreaktion demonstriert.71
Tatsächlich kann die Entdeckung des NA-Mangels bei der Erklärung der kognitiven
Struktur bei Hilflosigkeit hilfreich sein. Jedoch gibt der NA-Mangel allein keine ausreichende Erklärungsbasis für die vielen Fakten ab, die die kognitive Theorie prophezeit,
da NA-Mangel weder notwendig noch hinreichend zu sein scheint, um gelernte Hilflosigkeit hervorzurufen.
Wenn zukünftige Forschungsergebnisse die Bedeutung von septaler Aktivität oder von
NA-Mangel bei Hilflosigkeit erhärten, was werden wir dann als Ursache von Hilflosigkeit betrachten? Verursacht die Physiologie die kognitive Einstellung von Hilflosigkeit
oder verursacht diese kognitive Einstellung physiologische Veränderungen? Dies ist ein
sehr heikles Problem.
Viele Laien glauben an eine Pyramide der Wissenschaften – die Physik erklärt die
Chemie, diese wiederum die Biologie usw. bis zu Ökonomie und Politik. Eine ähnliche
Überzeugung besteht auch innerhalb der Psychologie: physiologische Prozesse verursachen behaviorale und kognitive Zustände, aber andererseits bedingen Wahrnehmung
und Verhalten keine physiologischen Veränderungen. Aber eine kausale Beziehung geht
in beide Richtungen. Einerseits können die physiologischen Veränderungen, die durch
einen Mangel an Blutzucker ausgelöst werden, Erschöpfungs- und Schwächegefühle
verursachen. Wenn ich Ihnen aber andererseits sage, daß Ihr Haus brennt, wird diese Information kognitiv verarbeitet und verursacht eine Adrenalinausschüttung, Schweißausbrüche und einen trockenen Mund. Ähnlich verursachen Veränderungen des Vorzugszinssatzes, einem ökonomischen Ereignis, bei Leuten, die in der Wall Street ihr Geld
anlegen, Veränderungen der Herzfrequenz.
Auch bei der Beziehung von physiologischen und kognitiven Prozessen bei Hilflosigkeit zeigen sich beide Richtungen der Kausalität. Wie Thomas nachwies, vermindert
die direkte Hemmung des Septums die Hilflosigkeit; da keine behavioralen oder kognitiven Manipulationen erfolgt waren, verursachten in diesem Falle physiologische Prozesse behaviorale und vielleicht auch kognitive Veränderungen. Wenn wir andererseits
einen Hund in der shuttle box hin und her zerren und ihm so zeigen, daß Reagieren zu
etwas führt, sprengt diese kognitive Information das hilflose Verhalten und verursacht
sicherlich physiologische Veränderungen. Ferner sei an den triadischen Versuchsplan
erinnert: der Unterschied zwischen Vermeidbarkeit und Unvermeidbarkeit ist nicht physikalischer Natur, er liegt in der unterschiedlichen Information, die nur kognitiv verarbeit werden kann. Es ist gerade diese kognitive Veränderung, bei der die Kette physiologischer, emotionaler und behavioraler Reaktionen beginnt und die in dem Zustand der
Hilflosigkeit münden.
Sowohl kognitive wie physiologische Prozesse beeinflussen Hilflosigkeit. Beide Ebenen
der Veränderung wirken normalerweise zusammen, doch gibt es Hinweise darauf, daß
jede allein Hilflosigkeit hervorrufen kann. Zukünftige Forschung wird uns zeigen, ob
NA-Mangel oder septale Aktivierung auch ausreichen, um bei Tieren oder Menschen
54
Hilflosigkeit hervorzurufen, wenn diese glauben, daß Konsequenzen kontrollierbar sind.
Würde sich dies tatsächlich ergeben, bliebe immer noch die Frage, ob die physiologischen Prozesse wirken, indem sie die Wahrnehmung verändern, oder ob sie direkt hilflose Verhaltensweisen auslösen. Reicht umgekehrt die Erfahrung von Unkontrollierbarkeit aus, um bei Tieren, bei denen NA künstlich erhöht oder das Septum künstlich inhibiert wird, Hilflosigkeit herbeizuführen? Wenn solche Individuen Fluchtreaktionen ausführen, glauben sie anschließend, daß elektrische Schläge kontrollierbar sind? Oder
glauben sie weiterhin, daß Schocks unkontrollierbar sind, zeigen aber trotzdem Fluchtverhalten? Wir werden im nächsten Kapitel bei der Diskussion von Depression diese
Frage noch einmal stellen: ist Depression primär eine physiologische, eine emotionale
oder eine kognitive Störung? Die Antwort wird alle drei Komponenten einbeziehen:
Einflüsse auf jeder der drei Ebenen scheinen Veränderungen auf jeder der beiden anderen zu verursachen, und alle drei münden schließlich in Depression.

Ich habe eine Theorie der Hilflosigkeit vorgestellt, die postuliert, daß Organismen,
wenn sie unkontrollierbaren Konsequenzen ausgesetzt werden, lernen, daß Reagieren
zwecklos sei. Dieser Lernprozeß beeinträchtigt die Motivation zu reagieren und führt
dadurch tiefgreifende Störungen der Motivation zu instrumentellem Verhalten herbei.
Er interferiert auch pro-aktiv mit der Fähigkeit zu lernen, daß Reagieren zu Erfolg führt,
wenn Konsequenzen kontrollierbar werden und führt dadurch zu kognitiven Störungen.
Die Furcht, die ein Organismus angesichts traumatischer Bedingungen erlebt, wird reduziert, wenn er lernt, daß seine Reaktionen die traumatischen Bedingungen kontrollieren; die Furcht bleibt bestehen, wenn der Organismus unsicher bleibt, ob das Trauma
kontrollierbar ist; lernt er, daß das Trauma unkontrollierbar ist, weicht die Furcht der
Depression. Wir werden uns nun einer Analyse der Depression zuwenden, der häufigsten psychopathologischen Störung beim Menschen.
55
5
Depression
Kürzlich suchte mich ein 42 Jahre alter, vorübergehend arbeitsloser Geschäftsmann auf,
um sich von mir bezüglich seiner Berufseignung beraten zu lassen. In Wirklichkeit war
es seine Frau gewesen, die zuerst mit mir Kontakt aufgenommen hatte; sie hatte einen
feuilletonistischen Artikel von mir über Hilflosigkeit gelesen und bat mich nun, mit ihrem Mann, Mel, zu sprechen, weil dieser ihr hilflos vorkam. In den letzten zwanzig Jahren war Mel ein zunehmend erfolgreicher Manager gewesen; bis vor einem Jahr hatte er
die Produktion einer am Raumfahrtprogramm beteiligten Gesellschaft mit Milliardenumsatz geleitet. Als die Regierung ihre finanzielle Unterstützung der Raumforschung
einschränkte, verlor er seine Stellung und war gezwungen, in einer anderen Stadt eine
Position als Manager bei einer Firma anzunehmen, die er als »verleumderisch« beschrieb. Nach sechs elenden und einsamen Monaten gab er auf. Einen Monat lang saß er
teilnahmslos im Haus herum und machte keine Anstalten, Arbeit zu finden; die kleinste
Störung versetzte ihn in Wut; er wurde ungesellig und zurückgezogen. Schließlich bewegte ihn seine Frau, sich einer Berufseignungsprüfung zu unterziehen, die ihm helfen
könnte, eine befriedigende Stellung zu finden.
Als Ergebnis der Tests wurde Mel mitgeteilt, daß er eine niedrige Frustrationstoleranz
habe, daß er ungesellig sei, unfähig, Verantwortung zu übernehmen, und daß routinemäßige, festgelegte Tätigkeiten seiner Persönlichkeit am besten entsprechen würden.
Die Berufsberatungsagentur empfahl ihm, Arbeiter auf einer Montagerampe zu werden.
Diese Empfehlung wirkte auf Mel und seine Frau wie ein Schock, da er ja zwanzig Jahre verantwortungsvoller Tätigkeit als Manager hinter sich hatte, gewöhnlich zuvorkommend und überzeugend wirkte und viel intelligenter war als die meisten Fließbandarbeiter. Tatsächlich spiegelten die Tests aber seinen gegenwärtigen Geisteszustand wider: er hielt sich selbst für unfähig, empfand seine Karriere als Mißerfolg, sah in jedem
kleinen Hindernis eine unüberwindliche Barriere, er interessierte sich nicht mehr für andere Menschen, und er konnte sich selbst kaum dazu zwingen, sich anzuziehen, geschweige denn, wichtige Entscheidungen für sein berufliches Fortkommen zu fällen.
Aber dieses Profil gab kein wahres Bild von Mels Charakter ab; es spiegelte eher einen
– möglicherweise vorübergehenden – Prozeß wider, der mit dem Verlust seiner Stellung
eingesetzt hatte – die Entwicklung einer depressiven Störung.
Depression ist wie ein Schnupfen in der Psychopathologie und hat sich im Leben eines
jeden von uns bemerkbar gemacht; trotzdem ist sie wahrscheinlich die am wenigsten
verstandene und am wenigsten befriedigend erforschte Störung von allen hauptsächlichen Formen psychopathologischer Störungen.
Ich möchte in diesem Kapitel gelernte Hilflosigkeit als Modell der Depression vorstellen, ein Modell, das ein wenig Licht auf Ursachen, Behandlung und Prävention dieser
Störung werfen mag.
Was ist Depression? Mel, ebenso wie zwei der in der Einleitung vorgestellten Personen
geben typische Beispiele für Depression ab: erinnern wir uns an die Frau mittleren Alters, die früher aktiv und lebhaft gewesen war und die nun den ganzen Tag im Bett liegt
und weint; ihre Schwierigkeiten begannen. als ihre Söhne zum Studium gingen und ihr
Ehemann befördert wurde. Ein zweites Beispiel ist Nancy, das »Sonntagskind«, die
nach vielen Erfolgen in der Oberschule an die Universität kam und sich nun leer und
wertlos fühlt; sie ist tatsächlich ein Versager.
Wir können Mitgefühl für diese drei Menschen empfinden, weil jeder einzelne von uns
von Zeit zu Zeit einmal eine depressive Stimmung erlebt hat: wir fühlen uns niedergeschlagen, kleine Anstrengungen machen uns todmüde, wir verlieren unseren Sinn für
Humor und verlieren an allem die Lust – selbst an Dingen, die uns gewöhnlich am mei56
sten reizen. Bei den meisten Menschen sind solche Stimmungen gewöhnlich selten und
vergehen nach kurzer Zeit; bei vielen anderen kehrt diese Stimmung jedoch immer wieder, durchdringt alles und kann von tödlicher Intensität sein. Wenn die Depression so
schwer geworden ist, dann ist das, was die meisten Menschen einfach als eine Stimmung abtun, zum Syndrom oder dem Symptom einer psychischen Störung geworden.
Mit Fortschreiten der Depression wird die Niedergeschlagenheit stärker und gleichzeitig
bröckeln Motivationen und Interesse an der Umwelt ab. Der Depressive wird sich häufig starker Gefühle von Selbstverachtung bewußt; er fühlt sich wertlos und an seinen
Unzulänglichkeiten schuldig. Er ist überzeugt davon, daß nichts, aber auch gar nichts
seinen Zustand erleichtern wird, und sieht die Zukunft schwarz. Der Depressive hat
Weinkrämpfe, verliert an Gewicht und kann nicht einschlafen oder nicht wieder einschlafen, wenn er sehr früh am Morgen aufwacht. Das Essen schmeckt ihm nicht mehr,
Sex ist nicht mehr erregend, und andere Menschen, selbst Frau und Kinder, werden völlig uninteressant. Er mag sich nach und nach mit dem Gedanken beschäftigen, sich umzubringen. Wenn seine Absicht ernsthafter wird, werden die suizidalen Hirngespinste zu
einem festen Wunsch; er wird einen Plan ausarbeiten und anfangen, ihn auszuführen. Es
gibt wenige derart vollständige lähmende psychische Störungen und keine, die so viel
Elend mit sich bringt wie schwere Depression.
Es ist erschütternd, wie stark Depression in der modernen amerikanischen Gesellschaft
verbreitet ist. Die leichten Depressionen, an denen wir alle gelegentlich leiden, ausgeschlossen, schätzt das National Institute of Mental Health, daß »vier bis acht Millionen
Amerikaner wegen ihrer depressiven Störung professioneller Hilfe bedürfen«. Anders
als die meisten anderen Formen psychopathologischer Störungen kann Depression tödlich sein. »Einer von Zweihundert, die unter Depression leiden, begeht Selbstmord.«
Die Schätzung ist wahrscheinlich eher zu niedrig. Zu dem unermeßlichen persönlichen
Elend kommen hohe ökonomische Kosten: Behandlung und Arbeitsausfall kosten jährlich zwischen 1,3 und 4 Milliarden Dollar.72
5.1
Formen der Depression
In der Literatur über Depression nimmt die Verwirrung überhand, häufig verursacht
durch ein Ausufern beschreibender Kategorien. Im Kontext der Diskussion von Klassifikationsproblemen zählte J. Mendels (1968) einige Unterformen der Depression auf:
Eine kurze Liste würde psychotische, neurotische, reaktive, psychotisch-reaktive, Involutions-, agitierte, endogene, psychogene, symptomatische, präsenile, senile, akute,
chronische Depression und natürlich manisch-depressive Psychose und Melancholie
(groß und klein) einschließen; ebenso Depression bei sexueller Perversion, Alkohol und
depressive Symptome, die aus organischen Störungen resultieren.
Meiner Meinung nach haben alle diese genannten Formen depressiver Störungen etwas
gemeinsam. Die am ehesten verwendbare und am besten fundierte Typologie der Depression ist die Dichotomisierung in endogen und reaktiv.73 Die reaktiven Depressionen
sind weitaus am meisten verbreitet und in ihrer Erscheinungsform allen geläufig. Grob
geschätzt sind 75% aller Depressionen Folge irgendeines äußeren Ereignisses wie z.B.
dem Tod eines Kindes. Reaktive Depressionen folgen keinem zyklischen Verlauf und
sprechen gewöhnlich nicht auf medikamentöse Therapie und Elektroschocktherapie
(EST) an, sind nicht genetisch prädisponiert und sind in ihrer Symptomatik gewöhnlich
etwas milder als endogene Depressionen.
Endogene Depressionen sind Folge irgendeines unbekannten oder internen Prozesses.
Diese Depressionen werden nicht durch irgendein äußeres Ereignis gesteuert; sie brechen einfach über den Kranken herein. Sie folgen gewöhnlich einem zyklischen Verlauf
und können entweder bipolar oder unipolar ablaufen. Bipolare Depression wird als manisch-depressive Störung bezeichnet – das Individuum durchläuft regelmäßig zyklisch
57
Phasen der Verzweiflung, neutraler Stimmung, einen überaktiven, oberflächlich-euphorischen Zustand der Manie und sinkt dann wieder zurück über neutrale Stimmung in
Verzweiflung. Zu Anfang dieses Jahrhunderts wurden alle Depressionen fälschlicherweise als manisch-depressive Störungen bezeichnet, aber inzwischen weiß man, daß
Depression gelegentlich ohne Manie auftritt und umgekehrt Manie ohne Depression
eintreten kann. Unipolare endogene Depression besteht aus einem regelmäßigen Wechsel zwischen Niedergeschlagenheit und neutraler Stimmung ohne manische Phasen. Endogene Depressionen sprechen häufig auf Pharmakotherapie und EST an und können
hormonell bedingt sein. Sie können ebenfalls genetisch prädisponiert sein74 und sind in
ihrer Symptomatik häufig schwerer als reaktive Depressionen.
Zwar sind reaktive Depressionen zentraler Gegenstand des Modells gelernter Hilflosigkeit bei Depression, doch bin ich der Ansicht, daß endogene Depressionen psychologisch betrachtet viel mit reaktiven Depressionen gemeinsam haben.
5.2 Gelernte Hilflosigkeit als Modell der Depression
Es ist mehr als einmal vorgekommen, daß Forscher in ihren Laboratorien erstaunlich
unangepaßte Verhaltensweisen beobachteten und daraufhin annahmen, daß diese Verhaltensweisen irgendeine Form natürlich auftretender psychopathologischer Störungen
widerspiegelten. Pavlov (1928) z.B. beobachtete, daß konditionierte Reflexe bei Hunden verschwanden, wenn die Diskriminationsaufgaben sehr schwierig wurden. H. Liddell (1953) fand, daß Schafe keine konditionierten Flexorreflexe mehr ausführten, wenn
in sehr vielen Durchgängen hintereinander die konditionierten Stimuli (CS) mit Schocks
gepaart wurden. Sowohl Pavlov wie Liddell behaupteten, experimentelle Neurosen induziert zu haben. J. H. Masserman (1943) konnte zeigen, daß hungrige Katzen in Käfigabteilen, in denen sie elektrische Schläge verabreicht bekommen hatten, nicht mehr
fraßen; er behauptete, daß er experimentelle Phobien erzeugt habe. Diese Phänomene
wurden natürlich sehr sorgfältig analysiert, aber die Behauptung, daß es sich um wirkliche psychopathologische Störungen handelte, war meist nicht überzeugend. Schlimmer
noch, bei der Analyse wurden gewöhnlich »Plausibilitäts«-Annahmen eingesetzt, die
nur sehr schwer zu bestätigen sind.75 Wie könnte man z.B. überprüfen, ob Pavlovs
Hunde eher Angstneurosen als Zwangsneurosen oder Psychosen hatten? Ich bin davon
überzeugt, daß psychopathologische Störungen beim Menschen genauso wie physiopathologische Veränderungen im Laboratorium ausgelöst und analysiert werden können.
Dabei ist jedoch ein Argument oberflächlicher Validität wie z.B. »dies sieht aus wie eine Phobie« unzureichend. Ich möchte daher einige notwendige Grundregeln aufstellen,
die als Test dafür geeignet sind, ob gewisse bei Menschen wie bei Tieren experimentell
hervorrufbare Phänomene ein Modell für eine naturgegebene Form psychopathologischer Störungen beim Menschen darstellen.
58
5.2.1 Grundregeln
Die Vergleichbarkeit von zwei Phänomenen läßt sich auf vier relevanten Ebenen absichern:
1.
2.
3.
4.
Verhaltensweisen und physiologische Symptome,
Ätiologie oder Ursachen,
Therapie und
Prävention.
Wenn zwei Phänomene hinsichtlich eines oder zweier dieser Kriterien übereinstimmen,
können wir das Modell überprüfen, indem wir nach daraus vorhergesagten Ähnlichkeiten der anderen Kriterien suchen. Nehmen wir an, daß gelernte Hilflosigkeit ähnliche
Symptome und vergleichbare Ätiologie hat wie reaktive Depression, und nehmen wir
weiter an, daß wir bei Hunden gelernte Hilflosigkeit abbauen können, indem wir sie zu
Verhaltensweisen zwingen, die Erleichterung bringen. Daraus ergibt sich eine Vorhersage für die Behandlung von Depressionen beim Menschen: das zentrale Ziel einer erfolgreichen Therapie sollte die Wiederherstellung der Wahrnehmung des Patienten sein,
daß sein Verhalten wirkungsvoll ist. Läßt sich diese Voraussage überprüfen und bestätigen, so wird das Modell erhärtet, im anderen Fall verliert das Modell an Aussagekraft.
Auf diese Weise läßt also ein experimentell hervorgerufenes Phänomen vermuten, was
bei psychopathologischen Störungen des täglichen Lebens zu beachten ist, aber es ist
auch möglich, das Modell empirisch von der anderen Seite aus zu erhärten: wenn z.B.
das Pharmakon Imipramin bei reaktiver Depression hilft, sollte es auch gelernte Hilflosigkeit bei Hunden abbauen.
Ein geeignetes Modell verbessert nicht nur seine Überprüfbarkeit, sondern trägt auch
dazu bei, klinische Phänomene eindeutiger zu definieren, da experimentell induzierte
Phänomene genau definiert sind, während die Definition klinischer Phänomene fast
immer recht diffus ist. Überlegen wir z.B., ob gelernte Hilflosigkeit und Depression
ähnliche Symptome haben.
Als experimentell induziertes Phänomen gehören zu Hilflosigkeit notwendigerweise
Verhaltensweisen, anhand derer bestimmt werden kann, ob Hilflosigkeit vorliegt oder
nicht. Auf der anderen Seite gibt es kein allen Depressiven gemeinsames Symptom,
denn Depression ist eine bequeme diagnostische Etikettierung, die eine ganze Reihe von
Symptomen umfaßt, von denen aber kein einziges notwendigerweise auftritt.76 Depressive fühlen sich oft traurig, aber eine Diagnose der Depression setzt keine Traurigkeit
voraus; wenn ein Patient sich nicht traurig fühlt, aber sein verbales und motorisches
Verhalten deutlich verlangsamt ist, wenn er viel weint, im letzten Monat zwanzig Pfund
abgenommen hat und der Beginn der Symptomatik bis zum Tod seiner Frau zurückverfolgt werden kann, dann ist Depression die passende Diagnose. Nicht einmal motorische
Verlangsamung ist notwendig, da ein Depressiver recht agitiert sein kann.
Ein aus Laboratoriumsbefunden gewonnenes Modell besitzt nicht die unbestimmte
Vielfalt eines klinischen Phänomens; indem bestimmte Eigenschaften vorausgesetzt
werden, wird das klinische Konzept beschnitten. Wenn sich unser Modell der Depression als gültig erweist, müssen einige der früher als Depression bezeichneten Phänomene
wahrscheinlich ausgeschlossen werden. Das Etikett »Depression« wird auf passive Individuen angewandt, die überzeugt sind, ihr Leiden durch nichts erleichtern zu können,
die depressiv werden, wenn sie eine wichtige Quelle des Wohlbefindens verlieren – der
Idealfall für ein Modell gelernter Hilflosigkeit; aber »Depression« etikettiert auch agitierte Patienten, die eine ganze Menge aktive Reaktionen ausführen und die ohne ersichtlichen äußeren Grund depressiv werden. Gelernte Hilflosigkeit muß nicht für das
gesamte Spektrum von Depressionen gelten, sondern gilt primär für jene Formen, bei
denen das Individuum Reaktionen nur schleppend ausführt, sich selbst für machtlos und
59
hoffnungslos hält und seine Zukunft öde sieht – eine Depression in Reaktion auf den
Verlust seiner Kontrolle über Belohnungen und Erleichterung von unangenehmem Erleben.
Definition und Klassifikation einer Krankheit werden im allgemeinen durch die Verifikation einer Theorie dieser Krankheit präzisiert. Das Auftreten kleiner Pocken am Körper war früher definierendes Charakteristikum für Blattern. Als eine Theorie der infektiösen Übertragung für Blattern vorgeschlagen und nachgewiesen wurde, wurde der
Nachweis des Bazillus zum Teil der Definition. Ergebnis war, daß einige Fälle, die zuvor als Blattern diagnostiziert worden waren, von der Kategorie Blattern ausgeschlossen
und andere, die man zuvor vernachlässigt hatte, aufgenommen werden mußten. Wenn
gelernte Hilflosigkeit ein geeignetes Modell für Depression liefert, dann wird allein
schon der Begriff der Depression umgeformt werden müssen: wenn gelernte Hilflosigkeit bestimmte Formen der Depression eindeutig erklärt, müssen andere Formen wie
z.B. manisch-depressive Reaktionen möglicherweise als andere Störungsform betrachtet
werden, und noch andere Phänomene wie das Katastrophensyndrom, die gewöhnlich
nicht zur Depression gerechnet werden, müssen dann als Depression bezeichnet werden.
5.2.2 Symptome der Depression und der gelernten Hilflosigkeit
In den vorausgegangenen Kapiteln sind sechs Symptome gelernter Hilflosigkeit deutlich
geworden; jedes Symptom hat eine Parallele in der Depression:
1)
Verringerte Motivation zu willentlichen Reaktionen – Tiere und Menschen, die
Unkontrollierbarkeit erfahren haben, zeigen geringere Initiative zu willentlichen
Reaktionen.
2)
Negative kognitive Denkstruktur – hilflose Tiere und Menschen lernen nur
schwer, daß Reaktionen Konsequenzen hervorrufen.
3)
Der zeitliche Verlauf – Hilflosigkeit zerfällt mit der Zeit, wenn sie auf einer einzigen Sitzung mit unkontrollierbaren elektrischen Schlägen beruhte; nach mehreren
Sitzungen bleibt Hilflosigkeit bestehen.
4)
Verringerte Aggressivität – hilflose Tiere und Menschen zeigen weniger aggressive und konkurrierende Reaktionen, und ihr Status in der Hierarchie kann absinken.
5)
Appetitverlust – hilflose Tiere fressen weniger, verlieren an Gewicht und zeigen
Defizite im Sexual- und Sozialverhalten.
6)
Physiologische Veränderungen – hilflose Ratten zeigen einen Mangel an Noradrenalin und hilflose Katzen cholinerge Hyperaktivität.
5.2.2.1
Mangelnde Motivation zu willentlichen Reaktionen
Depressive Männer und Frauen leisten nicht viel; das Wort Depression selbst hat wahrscheinlich seine ethymologischen Wurzeln in der herabgesetzten Aktivität des Patienten. Ich legte kürzlich einer depressiven Patientin, die ihr Aussehen stark vernachlässigt
hatte, nahe, in die Stadt zu fahren und sich ein neues Kleid zu kaufen. Ihre Antwort war
typisch: »Oh, Herr Doktor, das ist einfach viel zu schwer für mich.«
In systematischen Untersuchungen zur Symptomatik depressiver Störungen werden diese Verhaltensmerkmale ganz unterschiedlich beschrieben: Isoliert und zurückgezogen,
bleibt am liebsten für sich, verbringt die meiste Zeit im Bett. Bewegung und allgemeines Verhalten schleppend und zögernd; leise Stimme, sitzt still und allein da. Fühlt sich
unfähig zu handeln, fühlt sich unfähig, Entscheidungen zu treffen. Macht den Eindruck
einer »leeren« Persönlichkeit, die »aufgegeben« hat.77
60
Ein auffälliges Zeichen schwerer Depression ist die Lähmung des Willens: In schweren
Fällen findet sich häufig eine vollständige Lähmung des Willens. Der Patient verspürt
kein Bedürfnis, irgend etwas zu tun, nicht einmal lebenswichtige Dinge. Folglich mag
er relativ bewegungslos verharren, bis er durch andere zur Aktivität gedrängt oder gestoßen wird. Manchmal ist es notwendig, den Patienten aus dem Bett zu ziehen, ihn zu
waschen, anzuziehen und zu füttern. In extremen Fällen kann die Stumpfsinnigkeit des
Patienten sogar jede Kommunikation blockieren.78
Der Mangel an Motivation zu aktivem Verhalten wird durch experimentelle Untersuchungen über psychomotorische Retardation bei Depressiven ebenso bestätigt wie
durch das klinische Bild. Werden Depressive mit einer Reihe psychomotorischer Aufgaben, wie z.B. Reaktionszeitaufgaben, getestet, so erweisen sie sich als langsamer als
gesunde Versuchspersonen79 – nur chronisch Schizophrene reagieren so langsam wie
Depressive. Darüber hinaus ergreifen Depressive weniger Initiative zu Aktivitäten, die
sie gewöhnlich als angenehm empfinden.80
Dieser Mangel an Initiative kann auch die Ursache für eine Vielzahl anderer sogenannter intellektueller Störungen bei depressiven Patienten sein. Z.B. sinken in Tests erhobene IQ-Werte bei hospitalisierten Patienten während der Krankheit, und ihr Gedächtnis
für neue Definitionen wird schlecht.81 Man sollte sich jedoch in Erinnerung rufen, daß
ein Intelligenztest und das Behalten von Definitionen kein reiner Test der intellektuellen
Fähigkeiten des Patienten unabhängig von seiner Motivation ist. Wenn jemand nicht
daran glaubt, daß er seine Sache gut machen wird, oder wenn er sich hilflos fühlt, wird
er sich nicht so anstrengen: er wird willentliche kognitive Prozesse – wie z.B. sein Gedächtnis abtasten oder Multiplizieren – nicht so schnell oder so gut in Gang setzen wie
jemand, dessen Motivation nicht beeinträchtigt ist. Also kann eine Überzeugung von der
eigenen Hilflosigkeit bei Depressiven indirekt, d.h. über eine Beeinträchtigung der Motivation, scheinbare intellektuelle Ausfälle herbeiführen.
Übrigens gilt die gleiche Argumentation für die Kontroverse über rassenbedingte IQUnterschiede. Jensen (1969, 1973) hat ziemlich schlagende Ergebnisse überprüft, denen
zufolge amerikanische Neger in Intelligenztests um 15 Punkte unter Weißen liegen,
selbst in sogenannten nicht kulturspezifischen Tests. Auch wenn dies stimmt, so ist mir
kein Beweismaterial bekannt, das eine Beeinträchtigung der Motivation als Erklärung
eher ausschließt als »intellektuelle« Minderwertigkeit. Ich wäre nicht überrascht herauszufinden, daß sich Schwarze in Amerika von jeher weitaus hilfloser einschätzen als
Weiße; ich werde dies in Kapitel 7 ausführlicher diskutieren.
Mangelhafte Motivation bei Depressionen zeigt sich auch in mangelhaften sozialen
Fertigkeiten. P. Ekman und W. V. Friesen (1974) führten eine faszinierende Serie von
Filmstudien über die Handbewegungen von Depressiven während einer informellen
Unterhaltung mit dem Interviewer durch. Gespräche werden im allgemeinen von zwei
Klassen von Handbewegungen begleitet: Illustratoren sind Gesten, mit denen unterstrichen oder betont werden soll, was man gerade sagt. Diese Bewegungen sind willentlich,
denn würden Sie den Sprecher unterbrechen und ihn fragen, was er gerade gemacht hat,
kann er Ihnen dies genau sagen. Adaptoren sind winzige, tickartige Bewegungen wie
z.B. an der Nase zupfen oder an den Haaren ziehen. Solche Bewegungen sind unwillkürlich und nicht bewußt; wenn Sie den Sprecher unterbrechen, kann er Ihnen gewöhnlich nicht berichten, was er gerade gemacht hat. Wenn ein Depressiver in die Klinik
eingeliefert wird, führt er viele Adaptoren, aber wenige Illustratoren aus. Mit zunehmender Besserung überwiegen die Illustratoren, und die Adaptoren werden weniger,
was auf eine Erholung der Motivation zu willentlichen Verhaltensweisen hinweist.
Depressive führen auch andere soziale Reaktionen vermindert aus. Wenn irgend jemand
zu einem Depressiven »Guten Morgen« sagt, wird dieser nur langsam antworten.82 Und
es wird ihn darüber hinaus noch mehr Zeit kosten, um mit einer Höflichkeitsfloskel wie
61
»Und wie geht es Ihnen?« zu antworten. Der Leser kann sich davon bei jedem Telefongespräch mit einem Freund überzeugen, von dem er weiß, daß er depressiv ist.
Zusammenfassend erscheint mangelnde Motivation zu willentlichen Reaktionen, die
gelernte Hilflosigkeit kennzeichnet, auch für depressive Zustände typisch. Sie führt zu
Passivität, psychomotorischer Retardation, verlangsamten Denkprozessen und verminderter sozialer Ansprechbarkeit; in extremer Depression führt sie zu stuporösem Verhalten.
5.2.2.2 Negative kognitive Denkstruktur (cognitive set)
Nehmen wir an, daß es mir gelang, meine depressive Patientin davon zu überzeugen,
daß es für sie nicht zu schwer wäre, in die Stadt zu fahren und sich ein neues Kleid zu
kaufen. Ihr nächster Verteidigungszug wäre: »Aber ich würde wahrscheinlich den falschen Bus nehmen, und selbst wenn ich das richtige Geschäft finden würde, so würde
ich ja doch die falsche Größe, den falschen Stil und die falsche Farbe erwischen. Wie
auch immer, ich würde in einem neuen Kleid genauso schlecht aussehen wie in dem alten, weil ich einfach unattraktiv bin.« Depressive Menschen halten sich selbst sogar für
noch unfähiger als sie tatsächlich sind; bereits kleine Hindernisse auf dem Weg zu einem Erfolg werden als unüberwindliche Barrieren wahrgenommen, Schwierigkeiten bei
der Bewältigung eines Problems werden als völliges Versagen betrachtet, und sogar offensichtlicher Erfolg wird oft umgedeutet in einen Mißerfolg. A. T. Beck83 sieht diese
negative kognitive Einstellung als Grundstein der Depression.
Die Diskrepanz zwischen der objektiven Leistung des Depressiven, die, wie wir bereits
sahen, für ein Weiterkommen nicht ausreicht, und seiner subjektiven Bewertung ist erstaunlich. A. S. Friedman (1964) beobachtete, daß depressive Patienten bei Aufgaben,
in denen sie auf ein Lichtsignal reagieren sollten, schlechter abschnitten als normale
Versuchspersonen und daß sie mehr Zeit benötigten, um alltägliche Gegenstände zu erkennen; aber noch erstaunlicher war ihre subjektive Einschätzung, wie schlecht sie abzuschneiden glaubten:
Brachte der Versuchsleiter einen Patienten in den Versuchsraum, so
wandte dieser sofort ein, er oder sie würde wahrscheinlich die Tests
nicht schaffen, wäre unfähig zu allem oder fühle sich zu schlecht
oder zu müde, wäre unfähig, hoffnungslos usw. ... Auch wenn er die
Aufgaben adäquat bewältigte, wiederholte der Patient gelegentlich,
wenn auch weniger häufig, den eingangs geäußerten Protest, indem
er sagte »ich kann nicht«, »ich weiß nicht, wie« usw.
Dies war auch unsere Erfahrung bei der Untersuchung depressiver Patienten. Wenn Sie
einen Depressiven nach einem Test, bei dem es auf Schnelligkeit ankommt, fragen, wie
langsam er wohl gewesen sei, so wird er sich als noch langsamer einschätzen, als er tatsächlich war. Dies beeindruckte mich am stärksten, als meine Kollegen und ich die
Methode der gestuften Aufgaben, ein neues Verfahren zur Therapie der Depression,
ausprobierten. Die Instruktion beginnt für den Patienten immer mit den Worten: »Ich
habe hier ein paar Aufgaben, die ich Sie bitte auszuführen.« Eines Morgens brachte ich
eine depressive Frau mittleren Alters in den Untersuchungsraum, nachdem wir uns lokker unterhalten hatten, und begann mit der Instruktion. Als ich das Wort »Aufgabe«
aussprach, brach sie in Tränen aus und war unfähig weiterzumachen. Die bloße Tatsache einer Aufgabe wird von einem Depressiven als Herkulesarbeit wahrgenommen.
William Miller und ich überprüften diesen Aspekt des Hilflosigkeits-Modells an depressiven Patienten und Studenten.84 Wenn gelernte Hilflosigkeit ein Modell für Depression ist, dann sollte durch unvermeidbaren Lärm oder unlösbare Probleme induzierte Hilflosigkeit die gleichen Symptome hervorrufen, die bei natürlich auftretender
Depression zu beobachten sind. Wie Sie sich erinnern werden, erwähnte ich im dritten
62
Kapitel, daß die Erfahrung unvermeidbaren Lärms eine negative kognitive Denkstruktur
zur Folge hatte: die Versuchspersonen zeigten anschließend geringere Veränderungen
ihrer Erfolgs- bzw. Mißerfolgserwartungen in einem Geschicklichkeitstest (s. S. 35). Sie
behandelten ihre Erfolge und Mißerfolge bei Geschicklichkeitsaufgaben genauso, als ob
es Zufallsaufgaben wären, bei denen ihre Reaktionen nichts bewirkten. Dagegen zeigten
Versuchspersonen, die vermeidbaren Lärm erfahren hatten oder gar keinem Lärm ausgesetzt worden waren, große Erwartungsänderungen, wenn sie bei Geschicklichkeitsaufgaben erfolgreich waren oder versagten, aber nur geringe Erwartungsänderungen bei
Zufallsaufgaben. Keine dieser Versuchspersonen fühlte sich depressiv. Wir fragten uns
daraufhin, ob Depression allein, ohne Vorerfahrung unvermeidbaren Lärms, mit der
gleichen negativen Einstellung einhergehen würde, wie sie Hilflosigkeit bei nicht depressiven Versuchspersonen hervorrief.
Unserem Modell zufolge ist Depression nicht genereller Pessimismus, sondern ein Pessimismus, der sich spezifisch auf das eigene Können bezieht. Wir gaben daher Gruppen
depressiver und nicht depressiver Versuchspersonen Geschicklichkeits- und Glücksaufgaben; in beiden Tests erfuhren die Versuchspersonen die gleiche Abfolge von Erfolgen
und Mißerfolgen. Wie sich zeigte, unterschieden sich depressive und nicht depressive
Studenten nicht hinsichtlich ihrer anfänglichen Erfolgserwartungen. Nach jedem Erfolg
und jedem Mißerfolg fragten wir die Versuchspersonen, wie gut sie im folgenden
Durchgang abzuschneiden glaubten – genauso wie wir es zuvor die Versuchspersonen
gefragt hatten, die Lärm ausgesetzt worden waren. Hatten die beiden Gruppen erst einmal Erfolg oder Mißerfolg erlebt, so unterschieden sich depressive und nicht depressive
Versuchspersonen sehr deutlich voneinander: Die nicht depressiven Versuchspersonen,
die überzeugt waren, daß ihr Erfolg von ihren Fertigkeiten abhinge, zeigten bei Geschicklichkeitsaufgaben viel größere Erwartungsschwankungen als bei Glücksaufgaben.
Dagegen veränderte die depressive Gruppe ihre Erwartungen bei Geschicklichkeitsaufgaben nicht mehr als bei Zufallsaufgaben. Je depressiver darüber hinaus ein Individuum
war, um so weniger veränderten sich seine Erwartungen bei Geschicklichkeitsaufgaben;
es war offensichtlich davon überzeugt, daß seine Reaktionen bei Geschicklichkeitsaufgaben genauso wenig Auswirkungen hatten wie bei Zufallsaufgaben. Auch bei nach
Ängstlichkeit parallelisierten Gruppen depressiver und nicht depressiver Versuchspersonen fand sich nur bei den Depressiven die negative kognitive Einstellung, was darauf
hinweist, daß dieses Charakteristikum nicht auf Ängste zurückgeführt werden kann,
sondern für Depression spezifisch ist.85 Diese Ergebnisse liefern die experimentelle Bestätigung, daß sowohl Depression, wie man sie aus der Alltagserfahrung kennt, als auch
durch unkontrollierbare Konsequenzen induzierte Hilflosigkeit eine negative kognitive
Einstellung bewirken, d.h. eine Überzeugung, daß Erfolg und Mißerfolg von den eigenen Anstrengungen unabhängig sind.
Die Untersuchung von Miller und Seligman (1974b) zum Lösen von Anagrammen erbrachte weiteres Beweismaterial für die Symmetrie zwischen Depression und Hilflosigkeit. Ich erwähnte in Kapitel 3, daß vorausgehende Erfahrung unvermeidbaren Lärms
die Fähigkeit, Anagramme zu lösen, herabsetzt (vgl. S. 31, 36). Unkontrollierbarkeit erhöhte die Zeit, um ein Anagramm zu lösen, die Zahl erfolgloser Lösungsversuche und
die Zahl der Durchgänge, um das Muster, nach dem die Anagramme aufgebaut waren,
zu entdecken. Diese Versuchspersonen waren jedoch nicht depressiv. Führt natürlich
auftretende Depression zu der gleichen negativen Denkstruktur – gemessen an der Beeinträchtigung beim Lösen von Anagrammen – wie experimentell induzierte Hilflosigkeit? Um dies zu überprüfen, boten wir einer Gruppe studentischer Versuchspersonen
ein aversives Geräusch dar, dem sie entfliehen konnten, während eine zweite Gruppe
diesem Geräusch unvermeidbar ausgesetzt war und eine dritte Kontrollgruppe kein Geräusch hörte. Die Gruppen waren so gewählt, daß jeweils eine Hälfte der Versuchspersonen dem BDI (Beck’s Depression Inventory), einer Stimmungsskala, zufolge depres63
siv war. Wie erwartet schnitten depressive Versuchspersonen, die keinem Lärm ausgesetzt gewesen waren, ebenso wie nicht depressive Versuchspersonen, die unvermeidbaren Lärm erfahren hatten, beim Lösen der Anagramme sehr schlecht ab: sie bewältigten
nur wenige Anagramme, brauchten länger für diejenigen Anagramme, die sie lösen
konnten und hatten mehr Schwierigkeiten, das Muster des Anagramms zu entdecken.
Wieder ging zunehmende Depressivität mit schlechterer Leistung einher. Wiederum rief
Depression die gleichen Störungen hervor wie experimentell induzierte Hilflosigkeit.86
Wichtige Ergebnisse fanden wir auch bei einer anderen Gruppe, nämlich bei den depressiven Studenten, die dem Geräusch entfliehen konnten. Diese Erfahrung schien ihre
negative kognitive Denkstruktur umzukehren, wie sich an ihrer Bewältigung der Anagramme ablesen ließ: diese Gruppe Depressiver schnitt wesentlich besser ab als die
Gruppe Depressiver, die gar keinem Geräusch ausgesetzt worden war; tatsächlich waren
ihre Leistungen genauso gut wie die der nicht depressiven Versuchspersonen, die keinen
Lärm gehört hatten. Zusammenfassend zeigen Depressive eine negative kognitive Einstellung oder sind schwer davon zu überzeugen, daß ihre Reaktionen wirkungsvoll sind.
Es ist uns gelungen, dies bei Depressiven experimentell nachzuweisen für die Wahrnehmung von Verstärkung, die Leistung beim Lösen von Anagrammen und Fluchtreaktionen bei aversiven Geräuschen: die Defizite, die Depressive bei diesen Aufgaben zeigen, sind genau parallel zu denen, die unkontrollierbare Ereignisse hervorrufen. Diese
Ergebnisse bestätigen gelernte Hilflosigkeit als Modell der Depression.
5.2.2.3
Zeitverlauf
Manchmal ist ein Mann nach dem Tod seiner Frau nur für wenige Stunden depressiv;
andere sind wochenlang, monatelang oder sogar jahrelang depressiv. (Manch einer reagiert natürlich auch euphorisch). Aber Zeit heilt gewöhnlich Wunden. Bei Katastrophen
findet man zeitliche Verläufe von Depressionen, die denen bei expenmentell induzierter
Hilflosigkeit bei Hunden gleichen. Ein Forscherteam, das nach einem Tornado nach
Worcester, Massachusetts, flog, stellte fest, daß die Bevölkerung während der Katastrophe gut reagiert hatte.87 Aber 24 bis 48 Stunden später folgte ein emotionaler Zusammenbruch – die Anwohner irrten ziellos umher oder saßen einfach im Regen herum.
Diese Symptome verschwanden jedoch innerhalb weniger Tage. Die Zeit spielt bei fast
allen Depressionen eine Rolle.88 Bei endogenen Depressionen findet man regelmäßige
zyklische Stimmungsschwankungen. Bei reaktiven Depressionen reguliert sich die
Stimmung selbst, und es wirkt therapeutisch auf depressive Patienten, wenn sie wissen,
daß ihre Verzweiflung vergehen wird, wenn sie lange genug warten.
Vor kurzem wurde viel über die Bürgerrechte von Menschen diskutiert, die Selbstmord
begehen wollen. Die meisten amerikanischen Staaten haben Gesetze gegen Selbstmord,
und fast überall werden Schritte unternommen, um ihn zu verhindern – z.B. mit der Einrichtung sogenannter Präventionszentren. Bürgerrechtler hielten dagegen, daß, wenn ein
Individuum beschließt, sich das eigene Leben zu nehmen, keine Instanz in diese Entscheidung eingreifen sollte.89 Jeder hat ein Recht, über sich selbst zu verfügen, genauso
wie er ein Recht hat, nach seinem Belieben über sein Eigentum zu verfügen. Ich halte
dieses Argument für irreführend. Selbstmord hat seine Wurzeln gewöhnlich in Depression, und Depression vergeht mit der Zeit. Wenn ein Mensch depressiv ist, sieht er seine
Zukunft grau in grau und sich selbst hilflos und hoffnungslos. Aber in vielen Fällen
würde sich diese kognitive Einstellung allein aufgrund des Zeitfaktors verändern, wenn
er einige Wochen abwarten würde; die Zukunft würde ihm weniger hoffnungslos vorkommen, selbst wenn die tatsächlichen Lebensumstände noch unverändert wären. Anders ausgedrückt würde die Intensität, mit der der Depressive sich umzubringen
wünscht, nachlassen, auch wenn seine Gründe unverändert blieben. Einer der tragischsten Aspekte des Selbstmordes ist, daß ein Mensch oft nicht mehr das Verlangen hätte,
sich umzubringen, wenn man ihn ein oder zwei Wochen davon abhalten könnte.
64
5.2.2.4
Mangelnde Aggressivität
Depressive Menschen entbehren im Grunde genommen jeder offenen Feindseligkeit gegenüber anderen. Dieses Symptom ist so schlagend, daß Freud und seine Schüler es der
psychoanalytischen Theorie der Depression zugrunde legten.90 Freud war der Überzeugung, daß der Depressive wütend auf den Verlust eines geliebten Objektes reagiert, aber
diese ausbrechende Wut nach innen gegen sich selbst richtet, weil die Person, die ihn
»verlassen« hat, seiner gesammelten Aggression entzogen ist. Diese nach innen gerichtete Feindseligkeit verursache Depression, Selbsthaß, Selbstmordabsichten und natürlich das charakterisierende Symptom, den Mangel an nach außen gerichteter Aggressivität.
Leider wurden keine diese Annahme verifizierende Beweise vorgelegt; tatsächlich ist
diese Theorie so weit von allem Beobachtbaren entfernt, daß es fast unmöglich ist, sie
direkt zu überprüfen. Immerhin ließen sich einige Belege aus Traumstudien gewinnen.
Die psychoanalytische Theorie geht davon aus, daß die unterdrückte Feindseligkeit des
Depressiven im Traum frei wird; tatsächlich sind die Träume Depressiver jedoch so frei
von Feindseligkeit wie ihr Wachzustand.91 Sogar im Traum sehen sie sich als passive
Opfer und Verlierer.
Sieht man von der Theorie ab, so stimmt die psychoanalytische Ansicht, daß Depressive
alle offenen Aggressionen verloren zu haben scheinen, mit dem bei gelernter Hilflosigkeit beobachteten Mangel an Aggressivität überein. Ich betrachte dieses Symptom nicht
wie der Psychoanalytiker als Ursache von Depression. sondern als Ergebnis der Überzeugung, hilflos zu sein, die Depression verursacht: Aggression ist lediglich ein weiterer
Komplex willentlicher Reaktionen, der durch die Überzeugung von der eigenen Hilflosigkeit untergraben wird.
Wir haben festgestellt, daß Depressive im Laborexperiment weniger konkurrierten. Ich
erwähnte im Kapitel 3 das Ergebnis von Kurlander, Miller und mir, daß Studenten, die
zuerst mit unlösbaren Diskriminationsaufgaben konfrontiert worden waren, im Gefangenen-Dilemma-Spiel etwas weniger konkurrierten und sich häufiger aus dem Spiel zurückzogen als nicht hilflose Versuchspersonen, die entweder keine oder lösbare Probleme vorgelegt bekommen hatten (s. S. 33). Wir wiederholten das Experiment mit depressiven Versuchspersonen und fanden, daß Depressive, die vor dem Spiel keine Diskriminationsaufgaben lösen mußten, im Spiel seltener konkurrierten und sich häufiger
aus einem Durchgang zurückzogen als nicht depressive Versuchspersonen ohne Vortraining mit Diskriminationsaufgaben. Wieder senkte also natürlich auftretende Depression ebenso wie durch Unkontrollierbarkeit induzierte Hilflosigkeit Konkurrenzverhalten und steigerte die Passivität.
In Untersuchungen zu depressivem Verhalten bei Primaten wurden junge Affen von ihren Müttern getrennt oder in einen dunklen, schachtartigen Käfig gesetzt; nachfolgend
zeigten die Tiere Mangel an sozialem und aggresivem Verhalten ebenso wie mangelhafte Initiative zu willentlichen Verhaltensweisen. Diese Defizite stimmen mit denen
überein, die durch Unkontrollierbarkeit hervorgerufen werden und die mit Depression
beim Menschen einhergehen. Ich werde in Kapitel VII diese Untersuchungen zu frühkindlicher Trennung von der Mutter noch diskutieren, aber ich sollte die »SchachtStudie« hier kurz erwähnen.
S. Suomi und H. Harlow setzten 45 Tage alte Rhesus-Affen in einen ½ Meter tiefen
und 12 cm breiten, senkrechten Käfig, in dem sie 45 Tage lang ohne externe Eingriffe
blieben; da der Schacht undurchsichtig war, erhielten die Affen ein Minimum an Stimulation.92 Am Ende dieser Phase wurden die Tiere auf soziale Reaktionen hin untersucht. Die Affen zeigten weitaus gravierendere Mängel im Sozialverhalten als Kontrolltiere, die isoliert aufgezogen oder Affen, die von ihren Müttern getrennt wurden; in
freier Umgebung verhielten sie sich tief depressiv: sie nahmen sehr wenig sozialen
65
Kontakt zu anderen Affen auf und zeigten praktisch kein Spielverhalten; sie lagen vielmehr zusammengerollt in einer Ecke, die Arme um ihren Körper geschlungen. Die
emotionale Entwicklung dieser im Schacht aufgewachsenen Affen schien dauerhaft
verkümmert, da sie auch in der Folge fast keine soziale Interaktion mit Gleichaltrigen
aufnahmen.
Es ist möglich, daß die depressiven Verhaltensweisen durch das Aufwachsen in Isolation hervorgerufen wurden, weil diese Isolation wie unkontrollierbare elektrische Schläge
oder unlösbare Probleme Hilflosigkeit induzierte. Denn der Affe ist im Schacht der Definition von Unkontrollierbarkeit entsprechend hilflos. Er hat überhaupt sehr wenig
Kontrolle: er bekommt Futter und Wasser unabhängig von seinem Verhalten; es gibt im
Schacht weder Gegenstände noch andere Affen, die er kontrollieren könnte; er kann
nicht einmal hinaussehen, wann er will. Es fehlt fast alles, was im Leben eines jungen
Affen attraktiv ist – diese Dinge sind daher unkontrollierbar; und selbst wenn diese
Dinge vorhanden sind, dann ohne Bezug zu seinem Verhalten.
5.2.2.5
Libido- und Appetitverlust
Einem Depressiven schmeckt alles gleich. Schwer depressive Menschen essen weniger
und nehmen ab. Sexuelle Interessen schwinden und schwere Depression kann von Impotenz begleitet sein. Menschen, die der Depressive sonst aufregend und unterhaltsam
fand, werden uninteressant; das Leben hat seine Würze verloren. Diese Symptome entsprechen den Defiziten im appetitiven, sexuellen und sozialen Repertoire hilfloser Tiere.
5.2.2.6
Noradrenalin-Mangel und cholinerge Dominanz
Die hervorstechendste Hypothese über einen physiologischen Ursprung der Depression
ist die sogenannte Katecholaminhypothese.93 Sie besagt, daß bei Depressiven die NAReserven in den entsprechenden zentralnervösen Strukturen entleert sind. Diese These
wurde indirekt überprüft: zwei verschiedene Antidepressiva, Monoaminooxidase
(MAO) Hemmer und Trizyklische Amine haben eine gemeinsame Eigenschaft, NA im
Zentralnervensystem (ZNS) verfügbar zu halten.94 Ein anderes Pharmakon, Reserpin,
ursprünglich eingesetzt, um bei Herz-Kreislauf-Patienten den Blutdruck zu senken,
führt gelegentlich zu Depressionen und – neben anderen Effekten – zu NA-Mangel.
AMPT, ein ziemlich spezifisches NA abbauendes Agens, bewirkt bei Affen soziale Isolierung und andere depressionsähnliche Verhaltensweisen und behindert bei Ratten die
Fähigkeit, elektrischen Schlägen zu entfliehen.95 Diese Ergebnisse dürften den Befunden von Weiss und seinen Mitarbeitern (1970, 1974) bei hilflosen Ratten entsprechen.
Ein neues Ergebnis unterstützt die Möglichkeit cholinerger Dominanz bei Depression.
Injiziert man gesunden Versuchspersonen Physostigmin, ein Pharmakon, das das cholinerge System aktiviert, so werden sie innerhalb von Minuten depressiv.96 Die Versuchsperson wird überschwemmt von Gefühlen der Hilflosigkeit, von Suizidwünschen
und Selbstverachtung. Marihuana verstärkt übrigens diese Effekte noch. Verabreicht
man diesen Versuchspersonen Atropin, ein Anticholinergikum, verschwinden diese
Symptome rasch und die Versuchspersonen reagieren wieder normal. Dies dürfte den
Ergebnissen entsprechen, daß die Injektion von Atropin ins Septum von Katzen gelernte
Hilflosigkeit bei diesen Tieren aufhob.

Obwohl die Symptome gelernter Hilflosigkeit und Depression eine ganze Menge gemeinsam haben, gibt es zwei durch unkontrollierbare elektrische Schläge induzierbare
Symptome, die nicht unbedingt mit Depression übereinstimmen. Erstens entwickeln
Ratten, die unkontrollierbare Schocks erhalten, häufiger und gravierendere Magengeschwüre als Ratten, die kontrollierbare Schocks erfahren;97 mir ist jedoch keine Unter66
suchung zum Zusammenhang von Depression und Magengeschwüren bekannt. Zweitens ruft unkontrollierbarer Schock mehr Angst hervor als kontrollierbarer Schock, was
sich auf subjektiver, behavioraler und physiologischer Ebene messen läßt; doch wurde
die Frage bisher nicht eindeutig beantwortet, ob depressive Menschen ängstlicher sind
als nicht depressive. Sowohl Angst wie Depression können bei einigen Menschen zur
gleichen Zeit beobachtet werden, aber bei hospitalisierten Patienten besteht nur ein
schwach positiver korrelativer Zusammenhang zwischen beiden Symptomen. W. Miller
und seine Mitarbeiter fanden nur sehr wenige depressive Studenten, die nicht auch
ängstlich waren; andererseits war es einfach, ängstliche, aber nicht depressive Studenten
zu finden. Ich habe bereits behauptet, daß Angst und Depression in folgender Weise zusammenhängen: werden ein Mensch oder ein Tier mit einer Bedrohung oder einem
Verlust konfrontiert, so reagieren sie zunächst mit Furcht; lernen sie dann, daß die Bedrohung vollständig kontrollierbar ist, verschwindet die Furcht, da sie ihre Funktion erfüllt hat; bleiben sie unsicher, was die Kontrollierbarkeit der Bedrohung anbelangt,
bleibt die Furcht bestehen; lernen sie oder gelangen sie zu der Überzeugung, daß die
Bedrohung gänzlich unkontrollierbar ist, weicht die Furcht der Depression.
Eine Reihe von Merkmalen der Depression sind darüber hinaus bei gelernter Hilflosigkeit bisher nur unzureichend untersucht worden. In diesem Zusammenhang fallen vor
allem Symptome auf, die bei Tieren nicht erforscht werden können: Niedergeschlagenheit, Schuldgefühle, Selbstverachtung, Verlust der Heiterkeit, Suizidgedanken und
Weinkrämpfe. Nachdem nun Hilflosigkeit zuverlässig beim Menschen induziert worden
ist, kann bestimmt werden, ob einer oder alle diese Zustände auch bei Hilflosigkeit vorkommen. Ein Forscher, der sich derartige Untersuchungen vornimmt, sollte jedoch mit
großer Sorgfalt Effekte der experimentellen Manipulation auszuschalten versuchen.
Diese Lücken gilt es also noch aufzufüllen. Ich kenne jedoch keinen Befund, der die
Ähnlichkeit der Symptomatik bei Depression und gelernter Hilflosigkeit widerlegt. In
der Tat nennen Depressive, wenn sie nach ihren Gefühlen gefragt werden, als vorherrschendste Empfindungen Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit.98
5.2.3 Ätiologie von Depression und gelernter Hilflosigkeit
Gelernte Hilflosigkeit entsteht, wenn ein Individuum lernt, daß seine Reaktionen unabhängig von Verstärkungen sind; insofern legt das Modell nahe, als Ursache für Depression die Überzeugung anzusehen, daß Reagieren zwecklos ist. Unter welchen Bedingungen entsteht nun reaktive Depression? Versagen am Arbeitsplatz oder in der Schule,
der Tod eines geliebten Menschen, Ablehnung oder Trennung von einem geliebten
Partner, Krankheit, finanzielle Schwierigkeiten, die Konfrontation mit unlösbaren Problemen und das Altern.99 Es gibt noch viele andere Bedingungen, aber diese Aufstellung
erfaßt das Wesentliche.
Ich glaube, daß im Zentrum der Depression etwas Einheitliches, alle diese Erfahrungen
verbindendes steht: der depressive Patient glaubt oder hat gelernt, daß er jene Aspekte
seines Lebens, die Leiden erleichtern, Befriedigung verschaffen oder Nahrung sichern,
nicht kontrollieren kann – er ist, kurz gesagt, überzeugt davon, daß er hilflos ist. Betrachten wir einige der genannten Bedingungen: was bedeutet es, in Beruf oder Schule
zu versagen? Oft bedeutet es, daß alle Anstrengungen einer Person vergeblich waren,
daß es ihr nicht gelang, ihre Ziele zu erreichen. Wenn jemand von einem anderen zurückgestoßen wird, den er liebt, hat er keine Kontrolle mehr über diese wichtige Quelle
von Glück und Bestätigung. Wenn ein Elternteil oder ein Partner stirbt, kann der Trauernde durch nichts mehr bei dem Toten Zuwendungsreaktionen auslösen. Krankheit und
Alter sind Bedingungen für Hilflosigkeit par excellence: das Individuum erlebt seine eigenen Reaktionen als unwirksam und ist auf die Pflege anderer angewiesen.
67
Auch bei endogenen Depressionen kann eine Überzeugung von der eigenen Hilflosigkeit eine Rolle spielen, auch wenn diese nicht in der Folge explizit Hilflosigkeit induzierender Bedingungen entsteht. Ich habe den Verdacht, daß ein Kontinuum der Empfänglichkeit für diese Überzeugung dem endogen-reaktiven Kontinuum der Depression zugrundeliegt. An dem extremen Ende der endogenen Depression wird das kleinste Hindernis beim Depressiven einen Teufelskreis von Überzeugungen in die eigene Unfähigkeit in Gang setzen. Am reaktiven Pol erzwingt erst eine Abfolge katastrophaler Ereignisse, denen das Individuum faktisch hilflos ausgeliefert ist, die Überzeugung, daß Reagieren zwecklos ist. Nehmen wir z.B. die prämenstruelle Anfälligkeit für Hilflosigkeitsgefühle. Kurz vor dem Beginn ihrer Menstruation kann eine Frau feststellen, daß es
schon genügt, einen Teller zu zerbrechen, um sie in tiefe Depressionen zu stürzen, die
mit Hilflosigkeitsgefühlen einhergehen. Zu anderen Zeiten während des Monats würde
sie ein zerbrochener Teller nicht weiter aufregen; es müßten schon mehrere größere
traumatische Erfahrungen aufeinander folgen, um Depressionen auszulösen.
Ist Depression eine kognitive oder eine emotionale Störung? Weder-noch und sowohlals-auch. Die Erkenntnis eigener Hilflosigkeit senkt eindeutig die Stimmung, und eine
gedrückte Stimmung, die physiologisch bedingt sein kann, steigert die Bereitschaft, sich
als hilflos wahrzunehmen; dies ist in der Tat ein außerordentlich schwer zu durchbrechender Teufelskreis in der Depression. Schließlich glaube ich, daß die Differenzierung
zwischen kognitiver und emotionaler Störung in der Depression unhaltbar ist. Kognition
und Emotion müssen keine naturgegeben unabhängigen Einheiten sein, nur weil unsere
Sprache zwischen beiden differenziert. Wenn man die Depression insgesamt betrachtet,
so ist eine außergewöhnliche gegenseitige Abhängigkeit von Gefühlen und Gedanken
unbestreitbar: man fühlt sich nicht depressiv ohne depressive Gedanken, und man
hat keine depressiven Gedanken ohne depressive Gefühle.* Meiner Meinung nach
beruht die Verwirrung, ob Depression nun eine kognitive oder eine emotionale Störung
sei, eher auf unzutreffender Begriffsbildung als auf Verständnisschwierigkeiten.
* Im buddhistischen System, das auf eine jahrtausendealte Tradition psychologischer Forschung zurückblicken kann, gibt es kein Wort für Emotion. Der buddhistische Philosoph geht davon aus, daß Gedanken
und Emotionen immer zusammen auftreten und betrachtet sie daher als Gesamtphänomen. [A.d.S.]
Ich bin nicht der einzige, der der Überzeugung ist, daß die Erkenntnis eigener Hilflosigkeit zentrale Ursache der Depression ist. E. Bibring (1953), ein psychodynamisch ausgerichteter Theoretiker, sieht die Dinge in ähnlicher Weise: Was als zugrundeliegender
Mechanismus der Depression beschrieben worden ist, die erschreckende Erkenntnis des
Ichs von seiner Hilflosigkeit gegenüber seinen Erwartungen, spiegelt vermutlich den
Kern normaler, neurotischer und möglicherweise psychotischer Depression wider.
F. T. Melges und J. Bowlby (1969) sehen eine ähnliche Ursache für Depression:
Unserer These zufolge werden, während die Ziele eines depressiven
Patienten relativ unverändert bleiben, seine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, diese Ziele zu erreichen und sein Vertrauen in die
Wirksamkeit seines eigenen Könnens reduziert ... der Depressive ist
überzeugt, daß geplante Handlungen nicht mehr wirksam sind, um
seine fortbestehenden und seine langfristigen Ziele zu erreichen ...
Aus diesem Gemütszustand lassen sich unserer Meinung nach viele
depressive Symptome ableiten, einschließlich Entschlußlosigkeit,
Handlungsunfähigkeit, steigenden Anforderungen an andere und
Gefühle der Wertlosigkeit und Schuld angesichts nicht erfüllter
Pflichten.100
P. Lichtenberg (1957) sieht das definierende Charakteristikum der Depression in der
Hoffnungslosigkeit:
68
Depression wird definiert durch eine Manifestation erlebter Hoffnungslosigkeit in Bezug auf das Erreichen von Zielen, wenn die Verantwortlichkeit für die Hoffnungslosigkeit den eigenen persönlichen
Unvollkommenheiten zugeschrieben wird. In diesem Zustand wird
Hoffnung als Funktion der wahrgenommenen Erfolgswahrscheinlichkeit in Bezug auf das Erreichen der Ziele betrachtet. Behavioral ausgerichtete Theoretiker sind davon überzeugt, daß Depression durch
einen Verlust an Verstärkern oder durch Löschung von Verhaltensweisen verursacht wird.101 Eine Interpretation von Depression als Löschung steht jedoch nicht im Widerspruch zu einer Interpretation
von Depression als Hilflosigkeit. Das Hilflosigkeits-Modell ist jedoch
allgemeiner. Diese Unterscheidung bedarf einiger Erläuterungen:
Löschung bezieht sich auf eine Kontingenz, in der jegliche Verstärkung entzogen wird, so daß weder die Reaktion des Individuums
noch sein Nicht-Reagieren Verstärkung herbeiführen. Der Verlust
von Verstärkern kann wie im Falle des Todes eines geliebten Menschen als Extinktion betrachtet werden. In den herkömmlichen Extinktionsverfahren ist die Wahrscheinlichkeit der Verstärkung gleich
null, unabhängig davon, ob das Individuum nun reagiert oder nicht.
Es handelt sich um einen Spezialfall einer Unabhängigkeit von Reaktion und Konsequenz (der Nullpunkt der 45º-Achse im ReaktionsKontingenzen-Raum; vgl. Abb. 2.3). Verstärkung kann jedoch auch mit einer Wahrscheinlichkeit größer Null erfolgen und trotzdem unabhängig vom Verhalten sein. Dies ist beim typischen Hilflosigkeitsparadigma der Fall; derartige Kontingenzen lassen die Auftrittswahrscheinlichkeit bereits erworbener Reaktionen geringer werden.102
Das Hilflosigkeits-Modell, das auf der Unabhängigkeit von Reaktion und Verstärkung
aufbaut, schließt die Interpretation von Depression als Löschung mit ein und postuliert
zusätzlich, daß sogar Bedingungen Depression verursachen, unter denen Verstärkung
erfolgt, aber unabhängig von den eigenen Reaktionen ist.
Kann Depression tatsächlich durch andere Kontingenzen als jene der Löschung verursacht werden, Kontingenzen, bei denen Verstärker zwar gegeben werden, aber nicht
unter der Kontrolle des Individuums stehen? Ist der absolute Verlust von Verstärkern
notwendige Bedingung für Depression oder kann Depression auch nur aufgrund des
Verlustes von Kontrolle über Verstärker entstehen? Würde ein Casanova, der jede Woche mit sieben verschiedenen Frauen schläft, depressiv werden, wenn er entdecken
müßte, daß sein Erfolg nicht auf seinen Künsten als Liebhaber beruhte, sondern auf seinem Reichtum oder darauf, daß seine Taufpatin eine gute Fee war? Theoretisch ist dies
ein interessanter Fall, aber wir können nur spekulieren, was geschehen würde. Unserer
Theorie der Hilflosigkeit zufolge verursacht nicht der Verlust von Verstärkern, sondern
der Verlust der Kontrolle über die Verstärker Depression; Erfolgsdepression und verwandte Phänomene weisen darauf hin, daß diese Hypothese gerechtfertigt ist.
69
5.2.4 Erfolg und Depression
Nun ist das lang ersehnte Zeichen erschienen.
Wenn das Glück kommt,
bringt es weniger Freude,
als man erwartet hat.
C. P. Cavafy
Meine emotionale Reaktion auf umfassende metaphysische und politische Behauptungen hängt davon ab, welche Gefühle ich gerade mir gegenüber hege. Nehmen Sie z.B.
die Aussage »Der Mensch muß seinem Leben selbst einen Sinn geben; kein größeres
Ziel ist vorherbestimmt« – ein Satz, an den ich nun gerade glaube. Bin ich gerade uneins mit mir, weil ich eine schlechte Vorlesung gehalten habe oder weil ich festgestellt
habe, daß jemand mich nicht mag, macht mich eine solche metaphysische Aussage traurig. »Das Leben ist absurd«, sage ich zu mir selbst, »meine Handlungen haben keinen
größeren Sinn«. Wenn ich mich hingegen wohl in meiner Haut fühle, weil ich eine gute
Vorlesung gehalten habe oder weil mir jemand seine Zuwendung geschenkt hat, macht
mich diese Aussage euphorisch. »Der Mensch muß sich sein eigenes Schicksal gestalten«, denke ich mir »niemand kann meinem Leben die Ziele diktieren«. Generell glaube
ich, daß unsere Einstellung umfassenden Aussagen gegenüber, die keine unmittelbare
Einwirkung auf unser Leben haben, unsere momentanen Gefühle uns selbst gegenüber
widerspiegeln.
In den letzten paar Jahren haben sich viele meiner Studenten an mich gewandt, weil sie
sich depressiv fühlten. Häufig führten sie ihre Depression auf die Überzeugung zurück,
daß ihr Leben keinen tieferen Sinn habe, daß der Vietnamkrieg niemals enden würde,
daß die Armen und Schwarzen unterdrückt werden oder daß unsere Regierung korrupt
sei. Dies sind legitime Gründe, und es ist sicherlich gerechtfertigt, ihnen so viele Überlegungen und so viel Energie zu widmen. Aber wurden die Gefühle, die akute Depression direkt durch diese Geschehnisse verursacht? Sicherlich könnten solche Aussagen bei
einem Schwarzen, einem Armen oder einem Studenten, der vermutlich eingezogen
wird, direkt zu Depression führen. Aber die meisten jener Studenten, die zu mir kamen,
waren weder schwarz noch arm, noch in der Gefahr eingezogen zu werden; sie wurden
in ihrem täglichen Leben nicht von derartigen Problemen tangiert. Trotzdem sagten sie,
daß sie durch sie depressiv wurden, nicht einfach betroffen oder ärgerlich sondern depressiv. Für mich hieß das, daß ihnen etwas Probleme machte, das ihnen viel näher war,
daß sie Probleme mit ihrem Zuhause hatten, mit sich selbst, ihren Fähigkeiten und mit
ihrem täglichen Leben. Solche existentiellen Depressionen nehmen heutzutage überhand, ich möchte sogar zu behaupten wagen, stärker als zu meiner Studienzeit vor zehn
Jahren.
Auf den ersten Blick erscheint dies paradox. Viele der Annehmlichkeiten des täglichen
Lebens sind heute leichter zugänglich als je zuvor; mehr sexuelle Freiheiten, mehr
Schallplatten, mehr intellektueller Anreiz, mehr Bücher, mehr Kaufkraft. Auf der anderen Seite hat es immer Kriege gegeben, Unterdrückung, Korruption und Absurditäten;
und der Mensch hat sich dabei immer ganz gut gehalten. Warum sollte ausgerechnet
diese außergewöhnlich vom Glück begünstigte Generation besonders depressiv sein?
Ich denke, daß die Antwort in dem Mangel an Kontingenz zwischen dem Verhalten dieser Studenten und den genannten Annehmlichkeiten ebenso wie den unangenehmen Ereignissen, die sich ihnen bieten, liegt. Die Verstärker sind weniger durch die Anstrengungen der jungen Menschen, die von ihnen profitieren, bedingt als dadurch, daß sie in
einer Überflußgesellschaft leben. Sie haben nur äußerst selten Belohnung als Folge
harter Arbeit erlebt. Wie entwickelt man seinen Sinn für Macht, Wert und Selbstachtung? Nicht durch Besitzen, sondern durch häufige Erfahrung, daß die eigenen Aktivitäten die Welt verändern.
70
Ich behaupte daher, daß nicht nur traumatische Bedingungen, die unabhängig von den
eigenen Reaktionen erfolgen, Hilflosigkeit und Depression verursachen können, sondern auch inkontingent positiv erlebte Ereignisse. Welche entwicklungsgeschichtliche
Bedeutung kommt infolgedessen dem subjektiven Erleben, der Stimmung zu? Vermutlich können empfindungsfähige Organismen genauso gut ohne Stimmung gebaut sein –
so wie es kompliziert gebaute Computer auch sind. Welcher Selektionsdruck rief Gefühle und Affekte hervor? Es kann sein, daß das hedonistische System entwickelt wurde, um instrumentelle Reaktionen anzuspornen und aufrechtzuerhalten. Ich nehme an,
daß Freude effektives Reagieren begleitet und motiviert, und daß ohne wirksames Verhalten ein aversiver Zustand entsteht, den Organismen zu vermeiden suchen. Dieser Zustand wird Depression genannt. Es ist ganz eindeutig erwiesen, daß Ratten und Tauben,
läßt man ihnen die Wahl, entweder einfach Futter so zu bekommen oder das gleiche
Futter auf eine Reaktion hin zu bekommen, die Anstrengung vorziehen.103 Kleine Kinder lächeln ein Mobile an, dessen Bewegungen mit den eigenen kontingent sind, und
nicht ein Mobile, das sich inkontingent bewegt.104 Jagen Jäger aus Lust am Töten und
erstürmen Bergsteiger Gipfel des Ruhmes wegen? Wohl kaum. Diese Aktivitäten machen Freude, weil sie mit effektiven instrumentellen Verhaltensweisen verbunden sind.
Die dysphorischen Stimmungen, die entstehen, wenn man diese effektiven Verhaltensweisen aufgibt, können die sogenannte »Erfolgsdepression« erklären. Nicht selten reagiert ein Individuum depressiv, wenn es schließlich ein jahrelang umkämpftes Ziel erreicht. Beamten des öffentlichen Dienstes, die nach mühsamen Wahlkampagnen in öffentliche Ämter gewählt werden, Präsidenten der Amerikanischen Psychologischen Gesellschaft, erfolgreiche Schriftsteller und selbst Astronauten, die auf dem Mond landen,
werden kurz nach Erreichen solcher Gipfel schwer depressiv. Im Rahmen einer Theorie,
die Depression mit dem Verlust von Verstärkern erklärt, erscheinen derartige Depressionen paradox, denn erfolgreiche Individuen erfahren Verstärker ja nicht nur kontinuierlich, sie erhalten zusätzlich auch mehr neue Verstärker als zuvor. Im Rahmen der
Theorie gelernter Hilflosigkeit erscheint dieses Phänomen nicht widersinnig. Erfolgreiche depressive Menschen sagen Ihnen, daß sie nun nicht mehr für das verstärkt werden,
was sie augenblicklich leisten, sondern dafür, wer sie sind oder was sie früher geleistet
haben. Haben sie einmal das angestrebte Ziel erreicht, werden Verstärker für sie unabhängig von irgendwelchen laufenden instrumentellen Verhaltensweisen. Schöne Frauen sind häufiger depressiv und suizidal als man annehmen sollte. wenige Menschen
erfahren mehr Verstärkung: Aufmerksamkeit, Autos, Liebe. Wenn man sie aber
daran erinnert, wie glücklich sie doch sind, sagen sie angeekelt: »Ich bekomme das alles
ja nur für mein Aussehen und nicht dafür, wie ich wirklich bin.
Zusammenfassend habe ich die These aufgestellt, daß nicht nur die absolute Qualität der
Erfahrung Selbstachtung und einen Sinn für die eigene Kompetenz schafft und gegen
Depression schützt, sondern die Wahrnehmung, daß die eigenen Handlungen diese Erfahrung kontrollieren. In dem Maße, in dem Konsequenzen unkontrollierbar werden,
seien sie traumatisch oder positiv, wird der Weg für Depressionen frei. In dem Maße, in
dem kontrollierbare Konsequenzen erfahren werden, wird das Individuum ein Gefühl
für Bewältigung entwickeln und Widerstand gegen Depression aufbauen.
71
5.2.5 Behandlung von Depression und gelernter Hilflosigkeit
Die wirksamste Methode, um gelernte Hilflosigkeit aufzubrechen, ist die erzwungene
Erfahrung, daß die eigenen Reaktionen Verstärkung herbeiführen. Hilflosigkeit vergeht
außerdem mit der Zeit. Darüber hinaus scheinen zwei physiologische Therapieverfahren
eine Wirkung zu haben: Elektroschocktherapie (EST) durchbrach Hilflosigkeit bei drei
von sechs Hunden105 und septal injiziertes Atropin heilte Katzen von Hilflosigkeit. Es
gibt kein wissenschaftlich überprüftes Allheilmittel gegen Depression. Sich selbst
überlassen, klingt Depression oft innerhalb von wenigen Wochen oder Monaten ab; aber
es gibt therapeutische Maßnahmen, von denen eine die Depression aufhellende Wirkung
berichtet wird und die mit unserer Theorie der gelernten Hilflosigkeit in Einklang stehen. Dieser Sichtweise entsprechend sollte das zentrale Ziel einer erfolgreichen Therapie sein, dem Patienten die Überzeugung zu vermitteln, daß seine Reaktionen zur erwünschten Belohnung führen, daß er, kurz gesagt, ein Mensch ist, der etwas bewirken
kann. Bibring (1953) sah dies ähnlich:
Die gleichen Bedingungen, die Depression aufkommen lassen (Hilflosigkeit), tragen umgekehrt häufig zum Abbau der Depression bei.
Generell kann man sagen, daß Depression häufig abflaut, wenn entweder a) die narzißtisch bedeutsamen Ziele oder Objekte wieder erreichbar zu sein scheinen (was häufig von vorübergehender Besserung gefolgt wird) oder b) sie ausreichend modifiziert oder reduziert
werden, um sich verwirklichen zu lassen oder c) sie insgesamt aufgegeben werden oder d) sich das Ich von dem narzißtischen Schock erholt, indem es seine Selbstachtung mit Hilfe verschiedener Erholungsprozesse wiedererlangt (mit oder ohne Veränderung des Objektes oder Zieles).106
A. T. Becks (1970, 1971) kognitive Therapie hat ähnliche Ziele.107 Seiner Ansicht nach
läßt sich die negative kognitive Einstellung durch erfolgreiche Manipulationen in eine
positivere umwandeln: Beck argumentiert, daß die primäre Aufgabe des Therapeuten
darin besteht, die negative Erwartungshaltung des depressiven Patienten in eine optimistischere umzuwandeln, unter der der Patient die Überzeugung gewinnt, daß seine Reaktionen zu den von ihm gewünschten Konsequenzen führen.
Auch Melges und Bowlby (1969) sehen die Umwandlung der Hilflosigkeit als zentrales
Ziel bei der Behandlung von Depression:
Wenn sich das Argument, daß Hoffnungslosigkeit in der einen oder
anderen Form eine zentrale Dynamik in bestimmten Erscheinungsformen psychopathologischer Störungen darstellt, als gültig erweist,
wären Therapieerfolgskriterien zu entwickeln, die das Ausmaß bewerten, in dem die Therapie dem Patienten ermöglicht, seine Einstellungen gegenüber der Zukunft zu verändern ... Ein Hauptziel einsichtsorientierter Therapieverfahren ist es, einem Patienten zu helfen, sich einiger seiner archaischen und unerreichbaren Ziele, die er
immer noch anstreben mag, bewußt zu werden, ebenso wie einiger
seiner nicht praktisch realisierbaren Pläne, an deren Verwirklichung
er immer noch hängen mag, Ziele, die vor allem dann besonders eindeutig sind, wenn ein Patient an einer pathologischen Form des
Trauerns leidet. Es wird angenommen, daß psychoanalytische Techniken einen Patienten manchmal von den Bedingungen befreien
können, die ihn hoffnungslos werden ließen, und ihm ermöglichen,
sich sowohl eher erreichbare Ziele zu setzen als auch wirksamere
Pläne zu deren Verwirklichung zu entwickeln. Auch auf Verhalten
ausgerichtete Verfahren werden unter der Fragestellung untersucht,
72
wie erfolgreich sie sein können, um positivere Einstellungen gegenüber der Zukunft aufzubauen.108
Auch von anderen Therapieformen wird behauptet, daß sie Depression erfolgreich lindern und dem Patienten Kontrolle über bedeutsame Konsequenzen vermitteln. Nach
dem »Tuscaloosa-Plan« einer Klinik (Veterans Administration Hospital) in Alabama
werden schwer depressive Patienten in einen »Anti-Depressions-Raum« gesetzt.109 In
diesem Raum wird der Patient mit einer Haltung freundlicher Bestimmtheit konfrontiert: er erhält die Anweisung, einen Klotz Holz zu zerhacken, wird aber getadelt, wenn
er gegen die Maserung hackt. Daraufhin hackt er in Richtung der Maserung, nur um dafür ebenfalls einen Verweis zu erhalten. Alternierend wird er aufgefordert, ungefähr
Tausende im Raum verstreute Seemuscheln zu zählen. Diese systematische Zermürbungstaktik geht solange weiter, bis der Depressive plötzlich den Wärter anschreit:
»Rutsch mir den Buckel runter!« oder etwas in die Richtung von »Das war aber die
letzte Muschel, die ich gezählt habe!«. Daraufhin wird er augenblicklich und unter Entschuldigungen aus dem Raum gelassen. Auf diese Weise wurde der Patient gezwungen,
eine der wirksamsten Reaktionen auszuführen, mit denen Menschen andere kontrollieren können – Wut, und wenn diese Reaktion aus seinem verarmten Repertoire gepreßt
worden ist, wird er intensiv verstärkt. Dies durchbricht die Depression – und zwar dauerhaft und nachhaltig.
Beim Selbstbehauptungstraining übt der Patient aktiv assertive soziale Verhaltensweisen, während der Therapeut einmal den Chef spielt, der angeschnauzt werden soll, oder
die Ehefrau, unter deren Pantoffel der Patient steht, die nun ihr Verhalten bereut und um
Vergebung bittet. Auch hier führt der Patient Verhaltensweisen aus, die wirkungsvolle
Konsequenzen haben.110 Es hilft wahrscheinlich leicht depressiven Patienten, fehlerhafte Ware umzutauschen oder am Fleischstand nach dem Metzger zu verlangen, um
genau das Stück Fleisch zu bekommen, das sie wünschen.
Eine schrittweise abgestufte Konfrontation mit Kontingenzen von Reaktion und Verstärkung bei einer Aufgabe verstärkt aktive Verhaltensweisen und kann Depressionen
entgegenwirken. Bei der Methode der gestuften Aufgaben ließ E. P. Burgess (1968) ihre Patienten zunächst irgendeine minimale Verhaltenseinheit ausführen wie z.B. einen
Telefonanruf. Sie betont, daß es entscheidend sei, daß der Patient diese Aufgabe erfolgreich bewältigt und nicht nur einfach anfängt und dann aufgibt. Anschließend wurden
die Anforderungen erhöht, und der Patient wurde jedesmal durch die Aufmerksamkeit
und Zuwendung des Therapeuten für die erfolgreiche Bewältigung der Aufgaben verstärkt. Burgess und andere haben auf die Bedeutung des sekundären Krankheitsgewinns
bei Depressionen hingewiesen: angeblich nutzen Depressive häufig ihre Symptome instrumentell, um Sympathie, Mitleid und Aufmerksamkeit zu gewinnen. Indem er den
ganzen Tag weinend im Bett liegt, anstatt zur Arbeit zu gehen, kann ein depressiver
Ehemann seine mit anderen schäkernde Ehefrau dazu bringen, ihm mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden und sie so eventuell sogar zurückgewinnen. Für den Therapeuten ist
sekundärer Krankheitsgewinn lästig, und man ist während der Therapie oft versucht, die
ihn aufrechterhaltenden Verstärker zu unterbinden. Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten:
sekundärer Krankheitsgewinn kann die Dauerhaftigkeit oder Beständigkeit bestimmter
depressiver Verhaltensweisen erklären, aber er erklärt nicht, wie Depression entstand.
Die Theorie der Hilflosigkeit nimmt an, daß mangelnde Motivation zu aktivem Verhalten ihren Ursprung in der Wahrnehmung des Patienten hat, daß er keine Kontrolle über
Konsequenzen hat. Also kann die Passivität eines depressiven Patienten zwei Quellen
haben:
(a)
der Patient kann operant passiv sein, da ihm der depressive Zustand Sympathie,
Liebe und Aufmerksamkeit einbringt; und
73
(b)
Patienten können passiv sein, weil sie glauben, daß überhaupt keine Reaktion irgendeinen kontrollierenden Einfluß auf ihre Umgebung hat.
Vergleicht man beide Quellen, so könnte man folgern, daß sekundärer Krankheitsgewinn, wenn er auch ein praktisches Hindernis für die Therapie darstellt, doch ein hoffnungsvolles Zeichen für eine Besserung der Depression darstellt: er bedeutet, daß der
Patient auf jeden Fall über irgendeine Reaktion verfügt, (selbst wenn es eine passive
ist), von der er glaubt, daß er sie wirkungsvoll einsetzen kann. Erinnern wir uns, daß
Hunde, deren Passivität durch die Beendigung der elektrischen Schläge verstärkt wurde,
nicht annähernd so beeinträchtigt waren wie Hunde, für die alle Reaktionen unabhängig
vom Ende des Schocks waren (vgl. S. 23 f.). Ähnlich mögen Patienten, die ihre Depression als Möglichkeit nutzen, andere zu kontrollieren, eine bessere Prognose haben als
jene Patienten, die endgültig aufgegeben haben.
Meine Kollegen und ich haben 24 hospitalisierte Depressive mit einem Verfahren der
schrittweisen Annäherung behandelt, das dem von Burgess ähnelte.111 Wir gaben diesen
Patienten während einer einstündigen Sitzung sprachliche Aufgaben steigender Schwierigkeit und lobten sie für jede erfolgreiche Bewältigung einer Aufgabe. Zuerst wurden
die Patienten aufgefordert, einen Abschnitt laut vorzulesen. Dann sollten sie einen anderen Abschnitt laut und mit Betonung vorlesen. Anschließend wurden sie gebeten, noch
einen weiteren Abschnitt mit Betonung vorzulesen und ihn mit eigenen Worten zu interpretieren; dann folgte lautes Lesen mit Betonung und Interpretation und der Aufgabe,
aus der Sichtweise des Autors zu argumentieren. Am Ende der Hierarchie wurden die
Patienten aufgefordert, aus drei Themen eines auszuwählen und darüber aus dem Stegreif eine Rede zu halten. Alle Patienten erreichten und bewältigten diese Rede erfolgreich. (Jeder, der mit hospitalisierten Depressiven gearbeitet hat, weiß, daß sie im allgemeinen nicht so leicht eine unvorbereitete Rede halten). 19 der 24 Patienten zeigten
grundlegende und unmittelbare Stimmungsaufhellung, wie sich aus ihrer Selbsteinschätzung auf einer Stimmungsskala ergab. Auch wenn wir nicht verfolgten, wie lange
die Verbesserung anhielt, so war doch die lächelnd geäußerte Bemerkung eines Patienten aufschlußreich: »Wissen Sie, ich war auf der Hochschule eigentlich immer sehr diskutierfreudig, und ich hatte vergessen, wie gut ich dabei war«.112
Bei der Therapie von Depressionen finden sich noch andere Parallelen zur gelernten
Hilflosigkeit. Elektroschocktherapie scheint bei ungefähr 60% der Depressionen zu wirken; dabei handelt es sich allerdings meistens um endogene Depressionen. Möglicherweise wirkt auch Atropin antidepressiv.
Menschen entwickeln oft ihre eigenen Strategien, um mit ihren eigenen kleinen Depressionen fertigzuwerden. Um Hilfe bitten und sie bekommen oder irgend jemand anderem
zu helfen (z.B. für ein Haustier sorgen) sind zwei Strategien, die wachsende Kontrolle
beinhalten und bei leichten Depressionen helfen. Meine eigene Strategie ist, mich zum
Arbeiten zu zwingen: mich hinsetzen und einen Artikel schreiben, einen schwierigen
Text lesen oder einen Artikel aus einer wissenschaftlichen Zeitschrift, oder eine Mathematikaufgabe lösen. Gibt es für einen Intellektuellen einen besseren Weg, um zu erkennen, daß seine Anstrengungen immer noch effektiv sein können und Befriedigung
verschaffen, als sich ins Schreiben, Verstehen schwerer Texte oder Problemlösen zu
stürzen? Um sicher zu werden, ist es entscheidend durchzuhalten: wenn ich anfange, ein
mathematisches Problem zu lösen, aber auf halbem Weg aufgebe, wird die Depression
schlimmer.
Viele Therapieverfahren, von der Psychoanalyse bis hin zu themenzentrierter Interaktion, nehmen für sich in Anspruch, Depression heilen zu können. Wir verfügen jedoch
nicht über ausreichendes Beweismaterial aus ausreichend kontrollierten Untersuchungen, um die Wirksamkeit jedes psychotherapeutischen Verfahrens für die Behandlung
von Depressionen beurteilen zu können. Das Beweismaterial, das ich vorgestellt habe,
74
ist ausgewählt: es wurden nur solche Verfahren diskutiert, die mit dem HilflosigkeitsModell vereinbar scheinen. Es ist möglich, daß auch andere Therapien zum Erfolg führen, weil sie ebenfalls das Empfinden des Patienten für seine Einflußmöglichkeiten wiederherstellen. Was jetzt noch fehlt, sind experimentelle Studien, die die entscheidend
wirksame Variable bei der psychologischen Behandlung von Depression isolieren. Dabei ist entscheidend, daß unbehandelte Kontrollgruppen parallel untersucht werden, da
Depression mit der Zeit von allein schwächer wird.
5.2.6 Prävention von Depression und gelernter Hilflosigkeit
Gelernte Hilflosigkeit kann verhindert werden, wenn das Individuum zuerst Ereignisse
meistert, bevor es deren Unkontrollierbarkeit erfährt. Kann auch Depression verhindert
werden?
Fast jeder verliert manchmal die Kontrolle über einige für ihn bedeutsame Konsequenzen: Eltern sterben, geliebte Menschen weisen einen zurück, man erlebt Mißerfolge. In
der Folge solcher Ereignisse wird jeder wenigstens leicht und vorübergehend depressiv
reagieren. Warum aber verbringen Menschen lange Zeit wegen ihrer Depression in Kliniken, während andere sich wieder erholen? Ich werde diese Frage in Kapitel 7 im Zusammenhang mit kindlicher Entwicklung noch ausführlich diskutieren; an dieser Stelle
kann ich nur Vermutungen anstellen, die jedoch von den Ergebnissen über Immunisierung gegen Hilflosigkeit geleitet werden.
Die Lerngeschichten derjenigen Individuen, die besonders resistent gegen Depressionen
sind oder sich wieder erholen, dürften viele Erfahrungen von Bewältigung enthalten;
Diese Menschen dürften immer wieder intensiv erlebt haben, daß sie Verstärkerquellen
in ihrem Leben kontrollieren und manipulieren können und daher die Zukunft optimistisch beurteilen. Jene Menschen, die besonders anfällig für Depressionen sind, dürften
dagegen in ihrem Leben weitgehend von Bewältigungserfahrungen depriviert worden
sein; in ihrem Leben könnten viele Situationen aufgetreten sein, in denen sie den Quellen ihres Leidens und ihrer Befriedigung hilflos gegenüberstanden.
Der Zusammenhang zwischen Depression im Erwachsenenalter und dem Verlust der
Eltern in der Kindheit ist bedeutsam: es scheint wahrscheinlich, daß Kinder Hilflosigkeit erleben, wenn sie ihre Eltern verlieren und dadurch als Erwachsene für Depression
anfälliger werden. Die Ergebnisse zu dieser Frage sind nicht eindeutig, aber sie weisen
in die Richtung einer Bestätigung dafür, daß der Tod der Eltern als prädisponierender
Faktor für Depression gewertet werden muß. Insgesamt ist statistisch die Wahrscheinlichkeit etwas größer, daß Kinder, die unter dem frühen Tod ihrer Eltern litten, häufiger
depressiv werden und sogar häufiger Selbstmordversuche unternehmen.113
Hier ist jedoch ein Einwand geboten. Es scheint zwar logisch vernünftig, daß wiederholte Erfahrung kontrollierbarer Konsequenzen einen Menschen widerstandsfähig gegen Depression macht, wie aber wird derjenige reagieren, der immer nur auf Erfolg gestoßen ist? Ist ein Individuum, dessen Reaktionen immer zu Erfolg geführt haben, besonders anfällig für Depression, wenn es mit Situationen konfrontiert wird, die außerhalb seiner Kontrolle liegen? Wir alle kennen Menschen, die fabelhaft erfolgreich die
Oberschule absolvierten, jedoch angesichts ihres ersten Mißerfolges auf der Universität
zusammenbrachen. Jederman steht von Zeit zu Zeit Mißerfolg und Ängsten gegenüber;
zuviel erfogreiche Kontrolle über Verstärker dürfte ebenso wie zu wenig Erfolg der
Entwicklung und dem Einsatz von Verhaltensweisen zur Bewältigung des Mißerfolges
entgegenstehen.
Erfolgreiche Therapie sollte präventiv sein. Therapie darf sich nicht einfach nur darauf
konzentrieren, vergangene Probleme aufzuarbeiten; sie sollte den Patienten auch gegen
zukünftige Depressionen widerstandsfähiger machen. Würde eine Therapie von Depressionen erfolgreicher werden, wenn sie ausdrücklich darauf ausgerichtet wäre, den Pati75
enten mit einem breiten Repertoire von Bewältigungsreaktionen auszustatten, das er genau dann einsetzen könnte, wenn sich seine gewohnten Reaktionen als unwirksam erweisen würden?
5.3 Zusammenfassung
Ich habe hier die Ergebnisse zweier konvergierender Ergebniskomplexe zusammengefaßt, die Ergebnisse zur Depression und die zu gelernter Hilflosigkeit. Wie in Tabelle
5.1 zusammengefaßt, haben alle hauptsächlichen Symptome der gelernten Hilflosigkeit
alle Parallelen in Symptomen der Depression. Dies läßt vermuten, daß reaktive Depression wie gelernte Hilflosigkeit ihre Wurzeln in der Überzeugung haben, daß relevante
Konsequenzen unkontrollierbar sind. Das zentrale Ziel einer Therapie der Depression ist
daher, beim Patienten die Überzeugung wiederherzustellen, daß er für ihn wichtige
Konsequenzen kontrollieren kann. Ausgewählte therapeutische Befunde verleihen dieser Behauptung einiges Gewicht. Abschließend habe ich die Vermutung ausgesprochen,
daß frühe Erfahrung mit unkontrollierbaren Ereignissen einen Menschen für Depression
prädisponieren, während frühe Erfahrung von Bewältigung ihn gegen Depression immunisieren.
Tabelle 5.1: Zusammenfassung von gemeinsamen gelernter Hilflosigkeit und Depression.
Hilflosigkeit
Symptome
Ursache
Therapie
Prävention
Depression
Passivität;
Schwierigkeit zu lernen, daß Reagieren
zu Erleichterung führt, verschwindet
mit der Zeit;
Mangel an Aggression
Gewichtsverlust; Appetitverlust;
Libidoverlust; soziale Defizite;
NA-Mangel, cholinerge Dominanz;
Magengeschwüre, Streß
Lernen, daß Reagieren und Verstärkung
unabhängig sind
Direktive Therapie: erzwungene Reaktion,
die Verstärkung herbeiführt;
Elektroschocktherapie; Zeit;
Anticholinergika; NA-Stimulantien (?)
Immunisierung durch Kontrolle
über Verstärker
76
Passivität, negative kognitive Einstellung
Zeitverlauf;
nach innen gerichtete Feindseligkeit;
Gewichts- und Appetitverlust;
Libidoverlust, soziale Defizite;
NA-Mangel, cholinerge Dominanz;
Magengeschwüre (?), Streß
Hilflosigkeitsgefühle
Überzeugung, daß Reagieren zwecklos ist.
Wiederherstellung der Überzeugung, daß
Reagieren Verstärkung herbeiführt;
Elektroschocktherapie; Zeit;
NA-Stimulantien; Anticholinergika (?)
(?)
6
Angst und Unvorhersagbarkeit
An einem Februartag des Jahres 1971 wurde Los Angeles in den frühen Morgenstunden
von einem starken Erdbeben heimgesucht. Die Art und Weise, wie der kleine Marshall
dieses Erdbeben erlebte, war typisch für das Erleben eines achtjährigen Kindes aus dem
San-Fernando-Tal, dem Zentrum des Bebens. Er wachte um viertel vor sechs Uhr von
einem Geräusch auf, als ob in einem Eisenbahntunnel ein Zug über ihn hinwegraste.
Betäubt und erschreckt blickte er um sich; die Decke wackelte und Stücke des Verputzes fielen auf ihn herab. Der Fußboden hob und senkte sich; er schrie und hörte aus dem
angrenzenden Zimmer die erschreckten Schreie seiner Eltern. Obwohl das Ganze nur 30
Sekunden dauerte, schien es ihm wie eine Ewigkeit des Schreckens, daß die Erde unter
ihm schwankte.
Noch drei Jahre später zeigte Marshall psychische Nachwirkungen dieses Morgens. Er
war schüchtern und nervös; selbst bei leichten, unerwarteten Geräuschen schreckte er
auf. Er konnte nicht einschlafen, und wenn er schließlich eingeschlafen war, war sein
Schlaf leicht und ruhelos; gelegentlich wachte er schreiend auf.
Erdbeben enthalten wie viele traumatische Ereignisse starke Elemente von Unkontrollierbarkeit. Es gibt nichts, was ein Mensch tun kann, um ein Erdbeben zu verhindern,
auch wenn er Sicherheitsvorkehrungen treffen kann oder weiß, wie er sich im Falle des
Bebens zu verhalten hat. Ein noch viel hervorstechenderes Merkmal von Erdbeben ist
ihre absolute Unvorhersagbarkeit: Erdbeben kommen wie aus dem Nichts; der, erste
Schlag erfolgt ohne jede Vorwarnung. Marshalls Symptome passen ins Bild von Angstreaktionen, die nicht mit Unkontrollierbarkeit, sondern mit dem damit verknüpften
Konzept der Unvorhersagbarkeit in Zusammenhang stehen.
6.1
Definition von Unvorhersagbarkeit
Wir können Vorhersagbarkeit und Unvorhersagbarkeit genau parallel zu Kontrollierbarkeit und Unkontrollierbarkeit definieren. Nehmen wir z.B. Astronauten, die auf dem
Mars gelandet sind und nun vorherzusagen versuchen, wann Sandstürme aufkommen
werden. Der Beginn eines Sandsturms ist natürlich unkontrollierbar; das Beste, was die
Austronauten tun können, ist zu versuchen, die Sandstürme vorherzusagen und dann die
Luken dicht zu machen. Nach drei Tagen stellen sie fest, daß an jedem Tag, an dem
Staubwolken sichtbar waren, ein Sandsturm aufkam. Bis zu diesem Zeitpunkt haben sie
beobachtet, daß die Wahrscheinlichkeit eines Sandsturms an einem bewölkten Tag (p
[Sandsturm/Wolken]) gleich 1.0 ist, und sie stellen die Hypothese auf, daß Staubwolken
ein zuverlässiges Anzeichen eines Sandsturms darstellen. Aber dann folgen zwei bewölkte Tage ohne Sandstürrne; nun ist die Wahrscheinlichkeit eines Sandsturms an einem bewölkten Tag nur noch 0.6. Wolken mahnen den Astronauten zwar immer noch
zu erhöhter Alarmbereitschaft, aber sie geben kein zuverlässiges Zeichen mehr für
Sandstürme ab.
Abb. 6.1: Wahrscheinlichkeit
eines Sandsturms an einem
bewölkten Tag.
77
Vom sechsten bis zum zehnten Tag bilden sich keine Staubwolken; an drei dieser fünf
Tage gibt es jedoch Sandstürme, an zwei Tagen dagegen nicht. Während dieser fünf Tage ist die Wahrscheinlichkeit eines Sandsturms ohne Wolkenbildung (p [Sandsturm/
Wolken]) 0.6. Läßt sich aus Wolkenbildung irgendeine Vorhersage über das Eintreffen
von Sandstürmen ablesen? Die Antwort lautet »Nein«. Die Wahrscheinlichkeit eines
Sandsturms bleibt 0.6, ob Wolken aufkommen oder nicht; Staubwolken liefern überhaupt keine Information über Sandstürme.
Abb. 6.2: Wahrscheinlichkeit
eines Sandsturms
an einem bewölkten Tag und
an einem klaren Tag.
Wir können nun ganz allgemein Vorhersagbarkeit und
Unvorhersagbarkeit definieren. Erinnern wir uns, daß
ich mich bei meiner Definition von Kontrollierbarkeit auf instrumentelles Lernen oder die Beziehung einer willentlichen Reaktion
zu einer Konsequenz bezog
(vgl. S. 15). Vorhersagbarkeit steht in Beziehung zu
den Kontingenzen klassischer oder Pavlovscher Konditionierung, bei denen eine
Konsequenz oder ein unkonditionierter Stimulus (US)
mit einem Signalreiz oder
konditionierten Stimulus
(CS) verknpüft ist. Ich
möchte im Moment einmal
davon ausgehen, daß der
US unkontrollierbar ist und
mich auf seine Vorhersagbarkeit durch den CS konzentrieren. Nehmen wir an,
wir bieten einer Ratte Töne
und
kurze
elektrische
Schläge dar, ohne daß sie
einen der beiden Stimuli
beeinflussen kann.
Abb. 6.3: Der Pavlovsche
Konditionierungsraum.
Wir können das Verhältnis
von Tönen und Schocks in einer Reihe unterschiedlicher Versionen festsetzen. Z.B.
können wir jedesmal einen Schock verabreichen, wenn wir einen Ton anbieten und
niemals einen Schock ohne einen Ton – diese Beziehung wird durch Punkt A in Abb.
6.3 repräsentiert. Hier ist der Ton ein zuverlässiger Prädiktor für einen elektrischen
Schlag, während das Ausbleiben des Tones ein zuverlässiger Prädiktor für den ausbleibenden Schock ist. Alternativ können wir immer dann elektrische Schläge verabreichen,
78
wenn kein Ton dargeboten wird, aber niemals einen Schock in Anwesenheit des Tones.
Bei dieser Kontingenz (Punkt B) ist das Ausbleiben des Tones der beste Prädiktor für
Schock, während der Ton das Ausbleiben des elektrischen Schlages zuverlässig voraussagt. Vorhersagbarkeit muß jedoch nicht »immer oder nie« heißen. Nehmen wir an, wir
verabreichen in sieben von zehn Fällen, in denen wir den Ton darbieten, einen elektrischen Schlag und verabreichen außerdem in zwei Fällen einen Schlag ohne Ton (Punkt
C). Im Fall von Punkt C vermittelt der Ton der Ratte eine gewisse Information – ein
elektrischer Schlag während des Tones ist wahrscheinlicher als unter der Bedingung,
daß der Ton ausbleibt.
Schließlich können elektrische Schläge so dargeboten werden, daß aus dem Ton keine
Vorhersage mehr über ihr Auftreten gemacht werden kann. Jeder Punkt auf der 45ºAchse repräsentiert die gleiche Auftrittswahrscheinlichkeit für einen elektrischen
Schlag, unabhängig davon, ob ein Ton dargeboten wird oder nicht. Ganz allgemein wird
daher ein US als unvorhersagbar in Hinsicht auf einen CS bezeichnet, wenn die Wahrscheinlichkeit des US in Anwesenheit des CS gleich der Wahrscheinlichkeit des US in
Abwesenheit des CS ist: p(US/CS) = p(US/CS).
Wenn diese Bedingung für alle CS zutrifft, dann ist der US unvorhersagbar.
Umgekehrt sagt ein CS einen US voraus, wenn die Wahrscheinlichkeit des US in Anwesenheit des CS nicht gleich der Wahrscheinlichkeit des US in Abwesenheit des CS
ist: p(US/CS) p(US/CS)
Diese Definitionen stimmen mit unserer Definition von Kontrollierbarkeit überein,
wenn der US für die Konsequenz (K) und der CS für die Reaktion (R) ersetzt wird. Dies
wirft die Frage auf, welche Arten von Ereignissen als CS oder Signale für Konsequenzen in unserem Konditionierungsraum dienen können. Die Antwort lautet: jedes Ereignis, das der Organismus wahrnehmen kann. Der CS muß keine eindeutig externe Gegebenheit sein wie z.B. ein Ton. Er kann auch in einem internen Prozeß wie z.B. Sodbrennen bestehen. Er kann auch ein zeitliches Muster sein: wenn alle fünf Minuten ein elektrischer Schlag ohne äußeres Warnsignal erfolgt, dann dient das Verstreichen von vier
Minuten und 59 Sekunden nach dem vorausgegangenen Schock als CS, der den nächsten Schock voraussagt. Der CS kann auch die Rückmeldung von einer ausgeführten
Reaktion sein oder die Rückmeldung, daß diese Reaktion nicht ausgeführt wurde. Nehmen wir z.B. an, daß eine Ratte immer nur dann einen elektrischen Schlag erhält, wenn
sie einen Hebel drückt; wenn sie den Hebel drückt, so kann sie den elektrischen Schlag
vorhersagen, indem sie die Wahrnehmung der Tatsache, daß sie den Hebel gedrückt hat
(Rückmeldung der ausgeführten Reaktion) als CS nutzt. Sie kann auch vorhersagen, daß
sie keinen Schock bekommen wird, wenn sie wahrnimmt, daß sie den Hebel nicht gedrückt hat. Wenn also ein Tier ein Ereignis durch eine Reaktion kontrollieren kann,
dann kann es auch die Rückmeldung von der Reaktion nutzen, um das Ereignis vorherzusagen. Allerdings gilt das Umgekehrte nicht immer: wenn das Tier ein Ereignis vorhersagen kann, muß es trotzdem nicht imstande sein, es zu kontrollieren.
79
6.2
Angst und die Sicherheitssignal-Hypothese
Angst ist wie Depression ein umgangssprachlicher Terminus und hat als solcher keine
notwendigen und hinreichenden Definitionskriterien.114 Dennoch wird in der psychoanalytischen Literatur eine nützliche Trennung zwischen Angst und Furcht getroffen: Furcht bezeichnet einen unangenehmen emotionalen Zustand mit einem Zielobjekt wie z.B. Furcht vor tollwütigen Hunden; Angst bezeichnet einen weniger
spezifischen Zustand, eher chronisch und nicht an ein Objekt gebunden. Ich habe
unter experimentellen Bedingungen zwei emotionale Zustände beobachtet, die dieser
Differenzierung annähernd entsprechen und tatsächlich ein exakt definiertes Modell dieser Trennung abgeben können. Als Furcht möchte ich den akuten Zustand bezeichnen,
der auftritt, wenn ein Signal ein bedrohliches Ereignis – wie z.B. einen elektrischen
Schlag – ankündigt. Unter Angst möchte ich chronische Furcht verstehen, die sich einstellt, wenn ein bedrohliches Ereignis in der Luft liegt, aber unvorhersagbar ist. Vor
dem Hintergrund einer solchen Definition, anhand derer wir derartige angstauslösende
Situationen erkennen können, können wir die störenden emotionalen Konsequenzen von
Unvorhersagbarkeit untersuchen. Befunde zur Unvorhersagbarkeit sind vielfältig und
lassen sich am einfachsten mit Hilfe der sogenannten Sicherheitssignal-Hypothese
strukturieren.115
6.2.1 Die Sicherheitssignal-Hypothese
Auf welche Weise ruft die Unvorhersagbarkeit eines Erdbebens die Angst, Nervosität
und Schlaflosigkeit hervor, unter denen Marshall leidet? Stellen wir uns eine Welt vor,
in der Erdbeben zuverlässig durch einen zehnminütigen Ton angekündigt werden. In
solch einer Welt bedeutet das Ausbleiben des Tones zuverlässig Sicherheit bzw. das
Ausbleiben von Erdbeben. Solange der Ton nicht ausgestrahlt wird, können Sie sich
entspannen und Ihrem Beruf nachgehen. Wenn der Ton ausgestrahlt wird, werden Sie
erschrecken, aber Sie verfügen immerhin über brauchbare Sicherheitssignale. Wenn
traumatische Ereignisse vorhersagbar sind, dann ist auch das Ausbleiben des traumatischen Ereignisses vorhersagbar – durch Ausbleiben des Warnsignales für das Trauma.
Sind traumatische Situationen jedoch unvorhersagbar, dann ist auch Sicherheit unvorhersagbar: kein Stimulus sagt Ihnen zuverlässig, daß das traumatische Ereignis nicht
eintreffen wird und Sie sich entspannen können.116
Der Gegensatz zwischen Erdbeben und Bombenangriffen auf London im Zweiten Weltkrieg veranschaulicht dies. Nach einer Weile arbeitete das britische Luftwarnsystem
ganz gut: jeder Luftangriff wurde von minutenlangem Sirenengeheul angekündigt.
Wenn keine Sirenen heulten, setzten die Londoner ihr tägliches Leben in bewundernswerter Weise fort, ohne übermäßige Spannung und gutgelaunt. Auf der anderen Seite
gibt es keinen Stimulus, der Erdbeben voraussagt, und deshalb auch keinen Stimulus,
dessen Abwesenheit das Ausbleiben von Erdbeben vorhersagt. Marshall verfügt über
kein Sicherheitssignal, kein Ereignis, das ihn sicher macht, daß kein Erdbeben kommt.
Die Angst, die er zeigt, seine Nervosität, sein mitternächtliches Aufschrecken, seine
Einschlafstörungen weisen auf das Fehlen eines sicheren Ortes in seinem Leben hin, auf
das Fehlen einer Zeit, in der er sich entspannen kann, in der er weiß, daß kein Erdbeben
kommen wird.
Dies ist der Kern der Sicherheitssignal-Hypothese: im Kielwasser traumatischer Erfahrungen werden Menschen und Tiere zu jeder Zeit Ängste erleben außer in Anwesenheit
eines Stimulus, der zuverlässig Sicherheit voraussagt. Ohne Sicherheitssignal bleiben
Organismen in Angst und chronischer Furcht. So gesehen sind Menschen und Tiere
immer auf der Suche nach Sicherheitssignalen. Sie suchen Prädiktoren für unvermeidbare Gefahren, weil solches Wissen gleichzeitig auch Wissen um Sicherheit bedeutet.
Viele Menschen möchten erfahren, wenn sie eine tödliche Krankheit haben. Ich glaube,
daß diesem Wunsch zwei Motive zugrundeliegen: zum ersten kann ein Mensch, wenn er
80
weiß, daß er sterben wird, seine Hinterlassenschaften ordnen – seinen Beruf aufgeben,
alte Fehden begraben, nach Paris fahren, seine Ersparnisse verschwenden. Wichtiger als
das und häufig übersehen sind die Sicherheitssignale, die durch das Wissen gegeben
sind. Nehmen wir an, daß Sie sich Sorgen um Ihr Herz machen und Ihr Arzt Sie untersucht hat. Wenn Sie nicht die Vereinbarung getroffen haben, über eine tödliche Krankheit informiert zu werden, bleiben Sie wahrscheinlich ängstlich, egal was Ihr Arzt Ihnen
erzählt; Ihr Leben wird von der Angst vor dem Tod überschattet. Haben Sie aber die
Vereinbarung getroffen, können Sie sich entspannen, solange Ihr Arzt Ihnen nicht mitteilt, daß Sie sterben müssen; Sie leben im Schutze eines Sicherheitssignales. Was Sie
sich mit solch einer Vereinbarung erkaufen – unter der Bedingung, daß Sie Ihrem Arzt
vertrauen – ist ein Leben voll Sicherheitssignale und wenig Angst – wenn Sie nicht tatsächlich sterben müssen. Was Sie aufgeben, ist die Wahrscheinlichkeit eines glückseligen, unerwarteten Todes.
6.3 Unvorhersagbarkeit und der Warncharakter der Furcht
Furcht und Angst sind hypothetische Konstrukte, die heutzutage in der psychologischen
Theorienbildung häufig verwendet werden. Wie Hunger können sie niemals direkt beobachtet werden, sondern werden aus der Beobachtung von physiologischen Reaktionen
und subjektiven Berichten erschlossen. Die Zahl der Stunden unter Nahrungsentzug, die
Intensität elektrischer Schläge, die eine Ratte toleriert, um Futter zu bekommen, oder
die Intensität, mit der ein Mensch arbeitet, um an Nahrung zu kommen, und eine unbegrenzte Liste anderer Variablen definieren den Zustand des Hungers. Unter ähnlicher
Perspektive werden Veränderungen des Hautwiderstandes (PGR, psychogalvanischer
Hautreflex), Verkriechen und Zittern, Magengeschwüre, Veränderungen der Herzfrequenz und viele andere abhängige Variablen gemessen, um die Zustände Angst und
Furcht zu erfassen. Der vielleicht am häufigsten verwendete Indikator ist die CER (conditioned emotional response, konditionierte emotionale Reaktion), wie sie zum ersten
Mal von W. K. Estes und B. F. Skinner 1941 in ihrer klassischen Arbeit SOME
QUANTITATIVE PROPERTIES OF ANXIETY beschrieben wurde. Bei ihrem Verfahren lernt
eine Ratte zuerst, einen Hebel mit hoher und gleichmäßiger Frequenz zu drücken, um
Futter zu bekommen. Dann wird während des Hebeldrückens irgendein Stimulus – z.B.
ein Ton – mit einem elektrischen Schlag gepaart. Die Hebeldruckreaktion ist unabhängig von der Darbietung des elektrischen Schlages: der Schock ist unkontrollierbar. Die
Ratte lernt durch klassische Konditionierung, den Ton zu fürchten und zeigt dies, indem
sie sich in einer Ecke verkriecht und dadurch auch nicht mehr den Hebel für Futter
drücken kann. Das Absinken der Hebeldruckfrequenz wird als konditionierte emotionale Reaktion auf den Ton bezeichnet und ist wahrscheinlich der zuverlässigste und am
meisten verwendete Angstindikator.
Dieses Verfahren gestattet eine ziemlich direkte Prüfung der Sicherheitssignal-Hypothese; und eine ganze Reihe von Untersuchungen sind bereits durchgeführt worden, in
denen CER mittels vorhersagbarer und unvorhersagbarer elektrischer Schläge hervorgerufen wurden.117 Da diese Studien in ihren Ergebnissen übereinstimmen, will ich hier
nur eine ausführlich darstellen (Seligman, 1968).
Zwei Gruppen hungriger Ratten lernten zuerst, einen Hebel mit hoher Reaktionsrate zu
drücken, um Futter zu erhalten. Eine Gruppe erhielt 15 Tage lang jeweils eine Sitzung
von 50 Minuten Dauer, in denen drei jeweils einminütige Signale (CS) – vorhersagbar –
mit einem elektrischen Schlag endeten. Eine zweite Gruppe erfuhr die gleichen Signale
und elektrischen Schläge, doch waren diese – unvorhersagbar – zufällig über die Zeit
verstreut, so daß die Wahrscheinlichkeit, einen Schock zu erhalten, gleich war, ob nun
das Signal gesetzt wurde oder nicht. Unabhängig davon führte Hebeldrücken weiterhin
zu Futter.
Die Ergebnisse waren verblüffend. Zuerst hörten die Tiere der Gruppe mit vorhersagbaren Kontingenzen auf, den Hebel zu drücken und zwar unabhängig davon, ob ein Signal
81
gesetzt wurde oder nicht. Nach und nach lernten sie aber, zwischen den Kontingenzen
Signal→Schock und kein Signal→kein Schock zu diskriminieren und unterdrückten ihre Reaktionen nur noch während des Signals und drückten den Hebel, wenn der CS aussetzte: sie zeigten also Furcht während des CS, aber keine Furcht, solange der CS ausblieb. Die Gruppe mit unvorhersagbaren Kontingenzen verfügte über kein Sicherheitssignal, in dessen Anwesenheit kein Schock erfolgen würde. Sie stellten die Hebeldruckreaktionen völlig ein, unabhängig von dem CS, und drückten den Hebel während der
verbleibenden 15 Experimentalsitzungen kein einziges Mal mehr. Vielmehr lagen sie
während der ganzen Sitzungen zusammengekauert in einer Ecke und zeigten deutliche
Zeichen chronischer Furcht oder Angst. Im Gegensatz zu den Versuchstieren der Gruppe mit vorhersagbaren Kontingenzen entwickelten die Tiere mit unvorhersagbaren
Kontingenzen massive Magengeschwüre.
Davis und McIntire (1969) beobachteten in einem vergleichbaren Experiment bei der
Gruppe mit unvorhersagbaren elektrischen Schlägen eine gewisse Erholung der Hebeldruckreaktion nach vielen Sitzungen. Seligman und Meyer (1970) vermuteten, daß dieser Erholungseffekt dadurch verursacht sein könnte, daß die Tiere in jeder Sitzung genau drei elektrische Schläge erhielten. Möglicherweise waren die Ratten in der Lage, bis
drei zu zählen und zu lernen, daß nach dem dritten Schock kein weiterer folgen würde;
demnach dürfte die Erholung erst nach dem dritten elektrischen Schlag eintreten, da die
Ratten den dritten Schock als Sicherheitssignal nutzten. Eine Bestätigung dieser Vermutung würde die Sicherheitssignal-Hypothese nicht widerlegen, sondern im Gegenteil
bekräftigen und ausweiten. Um dies zu überprüfen verabreichten Seligman und Meyer
zwei Gruppen von Ratten an 70 aufeinander folgenden Tagen mit jeweils einer Sitzung
pro Tag unvorhersagbare elektrische Schläge. Die Versuchstiere der einen Gruppe erhielten genau drei elektrische Schläge pro Tag, während die Versuchstiere der anderen
Gruppe ein bis fünf – durchschnittlich drei – Schocks pro Tag erfuhren. Während der
letzten 30 Sitzungen zeigten die Tiere der ersten Gruppe einen gewissen Erholungseffekt: sie führten 61,6% aller ihrer Hebeldruckreaktionen während des nach dem dritten
Schock verbleibenden letzten Viertels einer Sitzung aus. Die Tiere der zweiten Gruppe
führten nur 25% der ohnehin spärlichen Hebeldruckreaktionen während der nach dem
dritten Schock verbleibenden 25% der Sitzung aus. Ratten können scheinbar bis drei
zählen und das Eintreffen des dritten elektrischen Schlages dann als Sicherheitssignal
wahrnehmen.
Ebenso wurde der Psychogalvanische Hautreflex, ein Angstindikator, der in Beziehung
zur Schweißdrüsenaktivität steht, während vorhersagbarer und unvorhersagbarer traumatischer Bedingungen gemessen.118 Price und Geer (1972) konfrontierten männliche
Studienanfänger mit einer Reihe von Bildern blutüberströmter Leichen. Für die Gruppe
mit vorhersagbaren Kontingenzen kündigte ein acht Sekunden dauernder Ton jedes
Diapositiv an, so daß die Versuchspersonen wußten, daß ohne Ton keine Leichen vor
ihnen erscheinen würden. Die Gruppe unter Unvorhersagbarkeitsbedingungen hörte
keinen Ton: sowohl der Anblick der toten Körper als auch Sicherheit waren unvorhersagbar. Die Gruppe unter Vorhersagbarkeitsbedingungen zeigte während des Tones,
nicht aber zwischen den Tönen, starke PGR-Ausschläge. Wie erwartet war bei der
Gruppe unter Unvorhersagbarkeitsbedingungen während der gesamten Versuchsphase
gleichbleibend erhöhte Schweißaktivität zu beobachten. Die Messung von CER und
PGR läßt also annehmen, daß während unvorhersagbarer traumatischer Ereignisse chronische Furcht erlebt wird, weil kein Sicherheitssignal zur Verfügung steht.
82
6.4
Magengeschwüre
Jim und George sind Brüder. Jim ist das Erfolgserlebnis der Familie: er hat sich aus dem
Unterschichtsmilieu polnischer Emigranten zum Vizepräsidenten einer Bank beachtlicher Größe hochgearbeitet. Er ist ein sehr beschäftigter Mann: sein Tag beginnt um sieben Uhr morgens; um acht Uhr hat er bereits einige Telefonate erledigt – mit einer Bilanz jongliert, ein Geschäft abgeschlossen, für einige Kunden Darlehen arrangiert. Er
kann zu jeder Zeit zwei Telefonate parallel führen, gleichzeitig noch einige Assistenten
überwachen und einen Brief diktieren. So rackert er sich bis sechs Uhr abends ab – und
sagt dabei noch, daß es ihm Spaß macht. Nach einem hastigen Abendessen findet man
ihn normalerweise als Schatzmeister seines Landclubs oder mit der Organisation eines
Treffens seines Kirchenkreises beschäftigt.
George ist das schwarze Schaf der Familie; seit drei Monaten ist er arbeitslos. Er ist aus
einer ganzen Reihe unterqualifizierter Stellungen herausgeflogen, von denen keine länger als ein Jahr dauerte, aber er versteht nicht, warum er dauernd gefeuert wird und
schiebt es auf sein Pech. Seine Frau hat ihn verlassen. Er verbringt seine Tage mit Arbeitssuche und seine Nächte mit dem Kampf gegen die Einsamkeit.
Einer der Brüder leidet unter Magengeschwüren. Vor zehn Jahren hätten die meisten
Psychologen vorhergesagt, daß es Jim, der überarbeitete Manager, wäre. Sie würden
dieser Vorhersage die berühmte Untersuchung von J. V. Brady über die »Manageraffen« zugrunde legen, die ich in Kapitel 3 bereits angesprochen habe.119 Um Ihr Gedächtnis aufzufrischen: Brady setzte acht Affen elektrischen Schlägen aus, gab ihnen
aber die Möglichkeit, diese durch Hebeldrücken zu vermeiden. Die vier Affen, die diese
Vermeidungsreaktion zuerst lernten, wurden zu den »Managern« erklärt, die langsamsten vier Affen bildeten die passive Kontrollgruppe (yoked control). Die Hebeldruckreaktionen der Manageraffen vermieden elektrische Schläge, sowohl für sie selbst als
auch für die vier Partner, die hilflos waren, da die Schocks für sie unkontrollierbar und
unvorhersagbar waren. Wie Manager im täglichen Leben trafen die Vermeider alle relevanten Entscheidungen: aufgrund ihrer Hebeldruckreaktionen konnten sie vorhersagen
und kontrollieren, ob ein Schock erfolgte oder nicht. Wie allgemein bekannt ist, entwikkelten alle vier Manageraffen schwere Magengeschwüre, während die hilflosen Partner
gesund blieben. Es folgte ein Jahrzehnt von Moralpredigten, wie schädlich das Managerdasein für die Gesundheit sei. Diese Moralpredigten erwiesen sowohl Psychologen
wie der Allgemeinheit einen schlechten Dienst, da Bradys Ergebnisse wahrscheinlich
ein Artefakt seines Versuchsplans darstellen.
Beachten Sie, daß die Ergebnisse Bradys auffällig von denen abweichen, die in diesem
Buch bisher dargestellt wurden: hier sind die Tiere, die Kontrolle über ihre Umgebung
ausüben können, schlimmer dran als hilflose Tiere. Sie werden sich daran erinnern, daß
Bradys Affen nicht zufällig zu Managern oder Partnern erklärt worden waren; vielmehr
wurden die vier Affen, die als erste anfingen, auf den Hebel zu schlagen, wenn sie einen
Schock erhielten, zu Managern, während die anderen vier Tiere der Hilflosigkeitsbedingung zugeordnet wurden. Tiere, die anfälliger für Magengeschwüre sind, lernen möglicherweise schneller eine Vermeidungsreaktion, weil sie stärker emotional reagieren
oder weil sie den elektrischen Schlag schmerzhafter erleben.120 Insofern sind Bradys
Ergebnisse möglicherweise weniger auf den Unterschied in der Kontrollierbarkeit zurückzuführen als darauf, daß sich die Gruppe der Manageraffen aus den stärker emotional reagierenden Tieren zusammensetzte.
J. M. Weiss, der Bradys Experiment als erster in dieser Weise kritisierte, hat die ausführlichste Untersuchungsserie über den Zusammenhang von der Ausbildung von Magengeschwüren, Vorhersagbarkeit und Kontrolle durchgeführt.121 In seiner Studie von
1968 ordnete er Ratten zufällig den drei Bedingungen – Manager, Hilflosigkeit und
schockfreie Kontrolle – zu; er fand, daß im Gegensatz zu der Manageraffen-Studie von
83
Brady die hilflosen Partnertiere die meisten Magengeschwüre bekamen. Dies stimmt
mit der Ansicht überein, daß Hilflosigkeit im allgemeinen streßhafter erlebt wird als die
Kontrollbedingung. Nachfolgende Untersuchungsserien von Weiss weisen darüber hinaus darauf hin, daß die unterschiedliche Ulzerationsrate, die offensichtlich durch unterschiedliche Kontrollierbarkeit der experimentellen Bedingungen verursacht wurde, faktisch auch Unterschiede in der Vorhersagbarkeit widerspiegeln kann: wenn ein Affe auf
einen Hebel drückt und damit einen elektrischen Schlag vermeidet, so signalisiert ihm
die Rückmeldung aus dem Hebeldrücken Sicherheit; das hilflose Partnertier kann den
Schock nicht kontrollieren und hat auch keine Möglichkeit zur Vorhersage von Sicherheit. Weiss’ Ergebnisse heben die Bedeutung von Vorhersagbarkeit sehr scharfsinnig
hervor, so daß es sich lohnt, sie ausführlicher zu diskutieren.
Wenn keine Kontrolle möglich ist, führt unvorhersagbarer Schock eher zu Magengeschwüren als vorhersagbarer;122 z.B. erhielten drei Gruppen von Ratten, die festgebunden waren, angekündigte, unangekündigte bzw. keine Schocks (Weiss, 1970). Für alle
Tiere war der elektrische Schlag unkontrollierbar. Ratten, für die die Schocks unvorhersagbar eintrafen, entwickelten viel mehr Magengeschwüre als Ratten, die vorhersagbare
oder keine Schocks verabreicht bekamen. Zusätzlich gingen mit unvorhersagbaren
elektrischen Schlägen – wenn auch in geringerem Ausprägungsgrad – gesteigerte Körpertemperatur und erhöhter Plasma-Kortikosteroid-Spiegel einher.
In einer Nachuntersuchung variierte Weiss (1971 a) sowohl die Vorhersagbarkeit als
auch die Kontrollierbarkeit der elektrischen Schläge. Wieder wurden jeweils drei Gruppen von Ratten unvermeidbaren oder vermeidbaren Schocks ausgesetzt oder erhielten
keinen Schock; bei allen Versuchstieren befand sich in dem kleinen Untersuchungskäfig
ein Rad, aber nur für die Flucht-Vermeidungsgruppe diente es der instrumentellen Reaktion. Die elektrischen Schläge trafen entweder völlig unangekündigt, teilweise angekündigt oder zuverlässig angekündigt ein; der Einfachheit halber werde ich die Gruppe
mit den zunehmend exakter signalisierten Schocks außer acht lassen. Tabelle 6.1 faßt
die Medianwerte für jede der verbleibenden Gruppen zusammen.
Tabelle 6.1: Medianwerte der Ulzerabildung und der Radbetätigungen (nach Weiss, 1971 a).
Magengeschwüre
Radbetätigungen
2,0
3,5
3,717
13,992
3,5
6,0
1,404
4,357
1,0
1,0
6,060
0,051
Flucht-Vermeidung
angekündigter Schock
nicht angekündigter Schock
hilflose Kontrolle
angekündigter Schock
nicht angekündigter Schock
schockfreie Kontrolle
Signal
kein Signal
Es ergaben sich vier grundsätzliche Befunde:
a)
Unterschiedliche Vorhersagbarkeit: sowohl hilflose Partnertiere als auch Vermeider entwickelten nach unangekündigten Schocks mehr Magengeschwüre als
nach angekündigten Schocks;
b)
Unterschiedliche Kontrollierbarkeit: sowohl nach angekündigten als auch nach
unangekündigten elektrischen Schlägen entwickelten Ratten unter der Hilflosigkeitsbedingung mehr Magengeschwüre als Ratten unter Flucht-Vermeidungsbedingungen;
c)
Häufigkeit der Radbetätigung: unter der Bedingung unangekündigter Schocks
drehten sowohl hilflose Partnertiere als auch Vermeider häufiger am Rad als unter
der Bedingung angekündigter Schocks; sowohl mit als auch ohne Signal drehten
Ratten unter Flucht-Vermeidungsbedingungen häufiger als hilflose Partnertiere
84
am Rad (obwohl eine Betätigung des Rades nur für die Ratten der Flucht-Vermeidungsgruppe zur Beendigung des Schocks führte);
d)
Korrelation von instrumentellen Reaktionen und Ulzerationsrate: unter der
Bedingung unangekündigter Schocks entwickelten Ratten mehr Magengeschwüre
und drehten häufiger am Rad. Weiss behauptete darüber hinaus, daß in jeder
Gruppe dasjenige Tier mehr Magengeschwüre entwickelte, das mehr Reaktionen
ausführte.
Weiss stellte die Hypothese auf, daß für diese Ergebnisse zwei Faktoren verantwortlich
seien: weniger relevante Rückmeldung einerseits und mehr Bewältigungsreaktionen
andererseits führen zur verstärkten Ausbildung von Magengeschwüren. Ich bin der
Überzeugung, daß diese beiden Faktoren auf die Sicherheitssignal-Hypothese hinweisen. Betrachten wir zunächst das Konzept der relevanten Rückmeldung, das hypothetisch dafür verantwortlich gemacht wird, daß hilflose Ratten mehr Magengeschwüre
entwickeln als Tiere, die entfliehen können. Weiss definiert relevante Rückmeldung als
Stimulus, der aus der instrumentellen Reaktion erwächst und nicht mit dem Streßreiz
assoziiert ist; anders ausgedrückt bezieht sich Weiss auf Stimuli, die mit der Abwesenheit des Stressors assoziiert sind, also Sicherheitssignale darstellen. Wenn eine Ratte
lernt, dem Schock zu entgehen, so lernt sie gleichzeitig ein Sicherheitssignal, ein Signal
für das Ausbleiben des Schocks, und sie entwickelt weniger Magengeschwüre, weil sie
weniger Zeit in der Furcht lebt als eine hilflose Ratte, die über kein Sicherheitssignal
verfügt.
Vom zweiten Faktor – je mehr Bewältigungsreaktionen, umso mehr Magengeschwüre – wird angeno
Beziehung (für die sich Weiss ausspricht) würde bedeuten, daß häufigeres Reagieren
faktisch mehr Magengeschwüre erzeugt. Dies würde z.B. heißen, daß Sie keine Magengeschwüre bekommen würden, wenn Sie sich zwingen könnten, sich zurückzulehnen
und alles passiv über sich ergehen zu lassen. Die zweite Interpretation ist oberflächlicher und deskriptiver, aber auch überzeugender: daß nämlich irgendein dritter Faktor
sowohl heftiges Reagieren, wie es sich in der Betätigung des Rades ausdrückt, als auch
die Ausbildung von Magengeschwüren verursacht. Einen ausgezeichneten Hinweis auf
einen solchen dritten Faktor hat Weiss selbst geliefert, als er Bradys Experimente mit
den Manageraffen kritisierte. Tiere, die stärker emotional reagieren, den elektrischen
Schlag mehr fürchten und schmerzhafter erleben, werden heftiger reagieren und daher
häufiger das Rad in Bewegung setzen; nicht weil sie häufiger am Rad drehen, bilden sie
mehr Magengeschwüre aus, sondern weil sie mehr Furcht erleben.
Halten wir fest, daß Ratten, die unvorhersagbare elektrische Schläge erhielten, mehr
Magengeschwüre entwickelten und mehr instrumentelle Reaktionen ausführten als Ratten, die bei gleichem Maß an Kontrollierbarkeit vorhersagbare Schocks erfuhren. Weiss
hatte uns in dem Glauben gelassen, daß sie Magengeschwüre entwickelten, weil sie häufiger reagierten. Im Gegensatz dazu erklärt die Sicherheitssignal-Hypothese, warum die
Tiere mehr Magengeschwüre entwickelten und warum sie häufiger reagierten. Wenn die
Betätigung eines Rades in einem die Bewegungsfreiheit einschränkenden Raum Furcht
und emotionale Erregung widerspiegelt,123 dann werden Ratten, die unangekündigte
Schocks erhalten, das Rad häufiger drehen; da sie über kein Sicherheitssignal verfügen,
werden sie das Rad ununterbrochen drehen. Unter der Bedingung angekündigter
Schocks werden Ratten nur während des Gefahrensignals das Rad in Bewegung setzen
und können sich während des Sicherheitssignales entspannen. Also wird größere Furcht,
die auf das bei unvorhersagbarem Schock fehlende Sicherheitssignal zurückzuführen ist,
sowohl mehr Betätigungen des Rades als auch stärkere Ulzeration hervorrufen. Auch in
diesem Zusammenhang scheint es, ähnlich wie bei der Korrelation von Reaktionsfrequenz und Ulzeration, sinnvoll anzunehmen, daß stärker emotional reagierende Individuen häufiger am Rad drehen und mehr Magengeschwüre ausbilden werden, weil sie
85
emotional erregbarer sind. Mit anderen Worten würde die Unterdrückung von Bewältigungsversuchen Magengeschwüre nicht verhindern.
Zusammenfassend läßt sich die Theorie von Weiss auf die Sicherheitssignal-Hypothese
reduzieren: relevante Rückmeldung ist gleichbedeutend mit dem exakten Wissen um ein
Sicherheitssignal, und die hohe Reaktionsrate reflektiert den Mangel an Sicherheitssignalen. Es hat daher den Anschein, daß sich in der Tatsache, daß auf unkontrollierbare
Schocks hin mehr Magengeschwüre gebildet werden, die Tatsache widerspiegelt, daß
die Schocks auch unvorhersagbar sind, und unvorhersagbare Schocks führen zu stärkerer Ulzeration als vorhersagbare Schocks.
6.5 Präferenz für Vorhersagbarkeit
Es ist nicht bekannt, ob der Zustand, den ich Angst genannt habe und der aufgrund unvorhersagbarer elektrischer Schläge entsteht, sich von der Furcht, wie sie während vorhersagbarer Schocks erlebt wird, unterscheidet oder ob er lediglich eine chronische
Form dieses Zustandes darstellt. Sei es Angst oder Furcht, gemäß der SicherheitssignalHypothese wird diese Emotion auf jeden Fall intensiver, wenn traumatische Bedingungen unvorhersagbar sind. Dies gilt, weil das Individuum unter der Bedingung unvorhersagbarer Schocks andauernd Angst erlebt; auf der anderen Seite hat das Individuum bei
vorhersagbaren Schocks nur während des den Schock ankündigenden Signales Angst
und kann sich während der übrigen Zeit entspannen. Wir erwarten daher, daß vorhersagbare schädigende Bedingungen unvorhersagbaren vorgezogen werden.
Abb. 6.4: Unter Bedingung (a) bedeutet das weiße Licht durchgehend Gefahr; unter Bedingung
(b) bedeutet das Ausbleiben des weißen Lichtes Sicherheit, aber der Ton ist ein unmittelbares
Gefahrensignal für den folgenden elektrischen Schlag.
Eine solche Präferenz ist experimentell sowohl bei Menschen wie bei Tieren viele Male
nachgewiesen worden.124 Ich will im folgenden eine Untersuchung ausführlich darstellen, da es die vielleicht brillanteste aller bislang ausgeführten ist. Badia und Culbertson
(1972) stellten sieben Ratten vor die Wahl zwischen angekündigten und unangekündigten elektrischen Schlägen. Der Schock selbst war unkontrollierbar, aber die Ratte konnte kontrollieren, ob sie ihn mit oder ohne Warnsignal verabreicht bekam. Wenn ein weißes Licht aufleuchtete, folgten Schocks in zufälligen Intervallen und kein Warnreiz erlaubte die genaue Voraussage, wann ein elektrischer Schlag eintreffen würde. Es gab
unter dieser Bedingung kein Sicherheitssignal. Drückte die Ratte auf einen Hebel, so
erlosch das weiße Licht; während dieser Phase wurden ebenfalls elektrische Schläge
verabreicht, aber sie wurden durch einen kurzen Ton angekündigt. Also bedeutete es Si86
cherheit, wenn das weiße Licht ausgeschaltet war und gleichzeitig der Ton ausblieb,
während das Gefahrensignal darin bestand, daß die Ratte bei ausgeschaltetem Licht den
Ton hörte. Anders ausgedrückt rief das weiße Licht permanente Angst hervor, während
ohne das Licht nur kurzfristig Furcht aufkam. Alle Ratten drückten den Hebel, bevorzugten also deutlich die Phase, in der das weiße Licht ausgeschaltet war, selbst wenn sie
in dieser Phase die gleiche Anzahl an elektrischen Schlägen erhielten wie bei Licht.125
Abbildung 6.4 faßt diesen Versuchsplan zusammen.
Zusätzlich zu der Literatur über angekündigte versus unangekündigte elektrische Schläge
wurde in Tier- und Humanexperimenten die Präferenz für unmittelbar gegenüber verzögert verabreichten Schocks untersucht. Eine Bevorzugung unmittelbarer Schocks ist zu
erwarten, da das Einsetzen des Schocks bei unmittelbarer Verabreichung genauer vorherzusagen ist als bei verzögertem Schock. In allen Humanexperimenten fand sich eine
Bevorzugung unmittelbarer vor verzögerten Schocks.126 Die tierexperimentelle Literatur
ist eher uneinheitlich. R. K. Knapp und seine Mitarbeiter (1959) stellten fest, daß Ratten es vorzogen, elektrische Schläge sofort zu bekommen als zu warten. Dagegen fanden Renner und Houlihan (1969) diese Präferenz nur unter der Bedingung, daß Ratten
die Möglichkeit erhielten, sofort nach dem Schock aus dem Versuchskäfig zu entfliehen.
Generell bevorzugen Menschen und Tiere vorhersagbare aversive Ereignisse gegenüber
unvorhersagbaren. Ich glaube, daß sich darin widerspiegelt, daß bei unvorhersagbaren
Schocks keine Sicherheit gewonnen werden kann, während Sicherheit dann vorausgesagt werden kann, wenn das Signal für vorhersagbaren Schock ausbleibt. Demnach wird
akute Furcht der Angst oder chronischen Furcht, wie sie Unvorhersagbarkeit hervorruft,
vorgezogen.
6.6 Der Zusammenhang zwischen
Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit127
Ein 65 Jahre alter Mann berichtet über anfallsartige Angstzustände. Er fürchtet, an einem Herzanfall zu sterben – sein Herz ist in gutem Zustand, aber seine andauernde
Angst wirkt sich sicherlich schlecht auf sein Kreislaufsystem aus. Ein typischer Angstanfall sieht folgendermaßen aus: der Mann ist einen Augenblick lang über irgend etwas
betroffen und hält inne, um an sein Herz zu denken. Nachdem er einen Augenblick lang
intensiv nach innen geschaut hat, entdeckt er etwas, was seiner Meinung nach eine
leichte Unregelmäßigkeit des Herzschlages sein könnte. Er sagt sich: »Dies könnte das
erste Anzeichen für einen Herzanfall sein«. Daraufhin bricht ihm der Schweiß aus. Sein
Blutdruck steigt und er konzentriert sich stärker darauf, was da in seiner Brust vor sich
geht; der erhöhte Blutdruck und seine Herzfrequenz überzeugen ihn, daß er wirklich einem Herzanfall nahe sein könnte. Seine Panik steigt, sein Blutdruck geht in die Höhe,
und sein Herz hämmert schneller. Nun weiß er, daß er aufhören muß, darüber nachzudenken, da allein schon das Nachdenken den Anfall schlimmer macht. Er ist klebrig
feucht vor Schweiß. Er kann nicht mehr aufhören, an einen unmittelbar bevorstehenden
Herzanfall zu denken; er ist nun von Panik gepackt, und der Teufelskreis geht so weiter.
Als er einen Psychiater konsultiert, verschreibt dieser ihm ein Beruhigungsmittel. Der
Psychiater erklärt, daß dieses Medikament ein sehr wirksames Pharmakon sei und die
Angst selbst auf der Höhe eines Anfalls beenden wird. Der Mann trägt das Medikament
in seiner Brusttasche mit sich, wohin auch immer er geht; zu einem Angstanfall kommt
es nicht wieder. Das Medikament hat er nie eingenommen.
Unser Hypochonder in diesem Beispiel glaubt, daß er potentielle Kontrolle über seine
Angst hat; er ist davon überzeugt, daß seine Angst nachlassen würde, wenn er eine Pille
einnehmen müßte. Welches ist hier nun die wirksame Variable, die Kontrollierbarkeit
87
der Angst oder die Vorhersagbarkeit, daß die Angst verschwindet, wenn er eine Tablette nimmt?
Diese beiden Variablen lassen sich nur sehr mühsam trennen; denn wenn Kontrolle besteht, ist auch Vorhersage möglich. Im Zusammenhang mit den Ergebnissen von Weiss
zur Entwicklung von Magengeschwüren habe ich behauptet, daß die Auswirkungen
möglicher Kontrolle über elektrische Schläge deren möglicher Vorhersagbarkeit gleichkommen. Ich habe jedoch den Verdacht, daß Kontrolle mehr Auswirkungen hat als
Vorhersagbarkeit. Übrigens bin ich davon überzeugt, daß sich Kontrolle nur in ihren
Auswirkungen auf Furcht und Angst auf Vorhersagbarkeit reduzieren lassen könnte –
die Auswirkungen von Unkontrollierbarkeit auf die Motivation zu willentlichen Reaktionen, auf plötzlichen Tod und auf Depression lassen sich nicht auf die Effekte von
Unvorhersagbarkeit reduzieren.
Selbst in ihren Auswirkungen auf Angst dürfte Kontrollierbarkeit mehr sein als einfach
Vorhersagbarkeit. Vielleicht liegt der Schlüssel in Untersuchungen zur Selbstverabreichung aversiver Reize und potentieller Kontrolle. Nehmen wir zwei Personen, von denen eine sich den elektrischen Schlag selbst verabreicht, während die andere zwar
Schocks in gleicher Abfolge erhält, aber keine Kontrolle über sie hat, jedoch vorhersagen kann, wann die Schocks eintreffen. Wenn die Schocks für die Person, die sie sich
selbst verabreicht, genau gleich vorhersagbar und nicht modifizierbar sind, liegt der einzige Unterschied in ihrer Kontrollierbarkeit. Nehmen wir andererseits zwei Gruppen,
von denen jede völlig unvorhersagbare Schocks erfährt; doch wird einer Gruppe – wie
im Beispiel des Hypochonders – mitgeteilt, daß sie einen Alarmknopf zur Verfügung
habe und dadurch die Experimentalsituation verlassen könnte. Betrachten wir nun die
Versuchspersonen, die die Experimentalsituation nicht verlassen, dann gleichen sie sich
hinsichtlich ihrer Unfähigkeit, den aversiven Reiz vorherzusagen, unterscheiden sich
aber hinsichtlich der Kontrollierbarkeit. Bisher sind nur wenige derartiger Studien
durchgeführt worden, in denen Selbstverabreichung und vermeintliche Kontrolle eingesetzt wurden.
6.6.1 Selbstverabreichung aversiver Stimulation
L. A. Pervin (1963) verabreichte Studenten kontrollierbare, unkontrollierbare, vorhersagbare und unvorhersagbare elektrische Schläge in allen möglichen Variationen. Kontrollierbarkeit bedeutete in dieser Untersuchung Selbstverabreichung, denn die Versuchspersonen konnten die Schockintensität nicht faktisch modifizieren. Jede Versuchsperson wurde in drei jeweils einstündigen Sitzungen jeder Bedingung ausgesetzt; befragt, welcher Bedingung sie sich freiwillig noch einmal aussetzen würden, bevorzugten
die Versuchspersonen eindeutig Vorhersagbarkeit gegenüber Unvorhersagbarkeit und
Kontrolle gegenüber Unkontrollierbarkeit. Versuchspersonen, die Kontrolle über die
elektrischen Schläge hatten, erlebten – wenn auch in nicht signifikantem Ausmaß – weniger Angst.128
E. Stotland und A. Blumenthal (1964) verwendeten die Schweißdrüsenaktivität der
Handinnenfläche als Indikator für die Angst vor einer bevorstehenden Prüfung. Allen
Versuchspersonen wurde mitgeteilt, daß sie Tests unterzogen würden, die relevante Fähigkeiten messen. Anschließend wurde der einen Hälfte der Versuchspersonen gesagt,
daß sie die einzelnen Untertests in jeder beliebigen Reihenfolge absolvieren könnten,
während die andere Hälfte der Versuchspersonen instruiert wurde, daß sie keine Entscheidung über die Reihenfolge der Aufgaben haben würden. Tatsächlich bekamen die
Versuchspersonen die Aufgaben gar nicht mehr vorgelegt, aber unmittelbar nach der Instruktion wurde der Psychogalvanische Hautreflex (PGR) gemessen. Wurde den Versuchspersonen die Wahl bei der Reihenfolge der Untertests gelassen, so stieg die
88
Schweißdrüsenaktivität nicht, unter der anderen Bedingung zeigte sich dagegen ein Anstieg der PGR-Amplitude.
Eine bedeutende Rolle spielte Selbstverabreichung auch in einem Tierexperiment über
intrakranielle Selbstreizung. Positive intrakranielle Selbstreizung erfolgt durch einen
sehr schwachen Strom, der über eine ins ZNS implantierte Elektrode appliziert wird;
diese Stimulation wird als positiv oder angenehm bezeichnet, wenn das Tier sich anstrengt, um sie zu bekommen oder aufrechtzuerhalten. S. S. Steiner und seine Mitarbeiter (1969) verstärkten Ratten mit positiver Selbstreizung für Hebeldruckreaktionen.
Anschließend verabreichten die Forscher den Ratten Stromstöße nach genau dem gleichen zeitlichen Muster, nach dem die Tiere sich zuvor selbst stimuliert hatten. Unter
dieser Bedingung war die Stimulation für die Ratten deutlich aversiv, und sie lernten ihr
zu entfliehen, obwohl sie die gleiche Stimulation angenehm empfunden hatten, als sie
sie sich selbst appliziert hatten. Es ist jedoch unklar, ob der Tatsache der Selbstverabreichung die entscheidende Bedeutung zukommt oder der geringeren Vorhersagbarkeit,
wenn die Stimulation nicht selbst verabreicht werden konnte.
Diese Untersuchungen genügen nicht den Kriterien, um Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit definitiv differenzieren zu können, da Individuen, die einen Stimulus kontrollieren können, auch über eine feiner abgestimmte Vorhersagbarkeit verfügen mögen.
Einen unkontrollierbaren Stimulus genauso vorhersagbar zu machen wie einen kontrollierbaren dürfte praktisch unmöglich sein. Möglicherweise besteht der Vorteil, den
Kontrollierbarkeit bei Selbstverabreichung erhält, darin, daß Selbstverabreichung eine
solche Feinabstimmung der Vorhersagbarkeit ermöglicht. Wenn Sie z.B. ein Auto steuern, hat jede kleinste Bewegung des Lenkrades ein vorhersagbares Ergebnis. Selbst ein
Beifahrer, der jede kleinste Bewegung des Fahrers verfolgt, verfügt nicht über die exakte Vorhersagbarkeit, die der Fahrer hat. Ich werde in kleinen Hochseebooten leicht
seekrank, aber ich werde nicht seekrank, wenn ich das Boot steuere, das Steuerrad drehe
und das Boot kontrolliere, wenn es meterhohe Wellen durchpflügt.
Was fehlt, ist der Vergleich mit Kontrollgruppen, bei denen Anfang und Ende der Stimulation exakt vorhergesagt werden können: eine Versuchsperson führt die Reaktion,
die den Stimulus einsetzen läßt und beendet, selbst aus; die andere Versuchsperson ist
hilflos, kann aber das Eintreffen des Stimulus vorhersagen. Meines Wissens zeigt nur
die folgende Studie, daß Selbstverabreichung nicht die Vorhersagbarkeit, sondern nur
die Kontrollierbarkeit beeinflußt.
J. H. Geer und E. Maisel (1972) legten Studenten unter drei Bedingungen Farbdias von
Opfern gewaltsamen Todes vor:
a)
eine Fluchtbedingung, unter der die Versuchspersonen die Darbietung des Diapositivs abbrechen konnten, wenn sie auf einen Knopf drückten; das Erscheinen jedes Lichtbildes wurde durch einen Ton von zehn Sekunden Dauer angekündigt.
b)
Eine Vorhersagbarkeitsbedingung, unter der die Versuchspersonen informiert
wurden, daß sie jedes Bild für eine bestimmte Zeit sehen würden, unter der sie jedoch keine Kontrolle über das Ende der Darbietung hatten. Auch unter dieser Bedingung wurde das Erscheinen jedes Bildes durch einen zehn Sekunden langen
Ton angekündigt.
c)
Eine Bedingung ohne Kontrolle und ohne Vorhersagbarkeit, unter der den Versuchspersonen in zufälliger Reihenfolge Lichtbilder und Töne dargeboten wurden,
ohne jede Möglichkeit zu instrumenteller Kontrolle.
Unter Bedingung (b) und (c) richtete sich die mittlere Darbietungszeit der Lichtbilder
nach den entsprechenden Zeiten der Versuchspersonen, die die Dauer der Bilder kontrollieren konnten.
89
Die Versuchspersonen, die entfliehen konnten, reagierten auf die Lichtbilder mit signifikant niedrigeren PGR-Amplituden als die Versuchspersonen der anderen Gruppen.
Darüber hinaus zeigten sich bei den Versuchspersonen unter Vorhersagbarkeitsbedingung höhere PGR-Ausschläge auf den Beginn des Tones als bei Versuchspersonen der
Fluchtgruppe. Diese Ergebnisse lassen vermuten, daß Kontrollierbarkeit um ein gewisses Maß mehr zum Abbau von Angst beiträgt als Vorhersagbarkeit. Eine methodische
Verbesserung, die in zukünftige Studien dieser Art aufgenommen werden sollte, ist der
Einbau exakterer Vorhersagbarkeit für die Versuchspersonen unter Vorhersagbarkeitsbedingungen, z.B. über extern wahrnehmbare Dauer der aversiven Stimulation (z.B. mit
Hilfe einer Uhr). Dies würde sicherstellen, daß Versuchspersonen unter Vorhersagbarkeitsbedingungen über eine genauso fein abgestimmte Vorhersagbarkeit des Reizendes
verfügen wie Versuchspersonen unter Kontrollierbarkeitsbedingungen.
6.6.2 Vermeintliche Kontrolle
Die zweite Argumentationskette, die zu der Annahme führt, daß Kontrollierbarkeit über
die Wirkung von Vorhersagbarkeit hinaus zu Angstabbau beiträgt, entstammt Studien
zu vermeintlicher, aber nicht faktischer Kontrolle.129 Es gibt für ein Individuum zwei
Möglichkeiten, eine potentielle Kontrolle wahrzunehmen: entweder übt es niemals Kontrolle aus und glaubt nur, daß sie potentiell vorhanden ist wie z.B. im Falle unseres
Herzpatienten; oder es reagiert faktisch und verhält sich anschließend in dem Glauben,
Kontrolle zu haben, obwohl es in Wirklichkeit nicht darüber verfügt.
D. C. Glass und J. E. Singer (1972) spielten zwei Gruppen von Studenten eine Mischung lauter Geräusche vor; dieser Lärm war für beide Gruppen unvorhersagbar. Einer
Gruppe wurde mitgeteilt, daß sie potentiell Kontrolle habe: »Sie können das Geräusch
ausschalten, wenn Sie auf diesen Knopf drücken; ein Knopfdruck wird den Lärm für
den Rest der heutigen Versuchssitzung beenden. Es bleibt Ihnen überlassen, ob Sie
drücken oder nicht. Einige unserer Versuchspersonen drücken, andere nicht; wir würden
es aber lieber sehen, wenn Sie den Alarmknopf nicht betätigen«. Keine der Versuchspersonen drückte den Knopf wirklich, so daß das Geräusch für alle Gruppen gleichermaßen vorhersagbar war. Glass und Singer stellten fest, daß subjektiv als kontrollierbar wahrgenommener Lärm keine Beeinträchtigung späterer Leistung verursachte;
dagegen hatte die Gruppe ohne vermeintliche Kontrolle beim nachfolgenden Problemlösen Schwierigkeiten. Ein Vergleich der Gruppen aus verschiedenen derartigen Untersuchungen ließ Glass und Singer zu dem Schluß kommen, daß »wahrgenommene Kontrolle die Nachwirkungen unvorhersagbaren Lärms bis zu einem Punkt zu reduzieren
scheint, wo sie denen vorhersagbaren Lärms oder überhaupt keinem Lärm gleichen«.130
J. H. Geer und seine Mitarbeiter führten eine Untersuchung durch, in der Versuchspersonen fälschlicherweise annahmen, Schocks kontrollieren zu können.131 Diese Versuchspersonen betätigten einen Schalter, sobald sie einen Schock verspürten, der sechs
Sekunden andauerte und dem ein Warnsignal von zehn Sekunden vorausging. Im zweiten Teil des Experimentes wurde der einen Hälfte der Versuchspersonen mitgeteilt, daß
sie den Schock verkürzen könnten, wenn sie rasch genug reagieren würden, während
der anderen Hälfte der Versuchspersonen einfach gesagt wurde, daß sie nun kürzere
Schocks erhalten würden. In Wirklichkeit erhielten alle Versuchspersonen elektrische
Schläge von drei Sekunden Dauer. Die Ergebnisse wiesen darauf hin, daß Versuchspersonen, die glaubten, Kontrolle zu haben, in Reaktion auf den Schockbeginn weniger
Spontanfluktuationen im PGR und geringere PGR-Ausschläge hatten als Versuchspersonen, die nicht an eine potentielle Kontrollmöglichkeit glaubten. Obwohl der Schock
für beide Gruppen genau gleich vorhersagbar war, schien die Gruppe, die von ihrer
Kontrollmöglichkeit überzeugt war, weniger ängstlich zu sein.132 Letzten Endes dürfte
sich das Problem, die Auswirkungen der Kontrollierbarkeit von denen der Vorhersagbarkeit zu trennen, als logisch unmöglich erweisen; und selbst angesichts der geschil90
derten Ergebnisse über die Auswirkungen vermeintlicher Kontrolle kann noch eingewendet werden, daß die geringere Angst in Wirklichkeit aus der Überzeugung einer genaueren Vorhersagbarkeit des Schocks, die sich notwendigerweise aus potentieller
Kontrollierbarkeit ergibt, resultierte.
Nehmen wir also die Ergebnisse zur Kontrollierbarkeit für bare Münze, dann reduziert
potentielle Kontrolle eines aversiven Reizes Angst; fügen Menschen sich selbst irgendwelche Konsequenzen oder Reize zu, so reagieren sie weniger aufgeregt als hilflose
Partner. Aber es ist möglich, daß Selbstverabreichung dies durch eine sehr fein abgestimmte Vorhersagbarkeit bewirkt. Der Vorteil fein abgestimmter Vorhersagbarkeit
kann möglicherweise in Untersuchungen zur subjektiven Erwartung potentieller Kontrolle ausgeschaltet werden. In diesen Untersuchungen verringert sich die Angst, wenn
Versuchspersonen glauben, Ereignisse kontrollieren zu können, selbst wenn sie faktisch
keine Kontrolle haben. Die Verringerung von Angst aufgrund vermeintlicher Kontrolle
gibt uns Einsicht in die Wirkungsweise eines sehr erfolgreichen Verfahrens zur Therapie der Angst.
6.7 Systematische Desensibilisierung und Kontrollierbarkeit
Da Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit eine derart bedeutende Rolle beim Abbau
von Ängsten spielen, möchte ich die Hypothese aufstellen, daß diese Dimensionen ein
aktiver Wirkungsparameter der Systematischen Desensibilisierung (SD) – des wohl effektivisten Therapieverfahrens zur Behandlung von Ängsten – sind.133 In der SD lernt
der Patient, der über eine Angstneurose wie z.B. eine Hundephobie klagt, zunächst tiefe
Muskelentspannung; unter Entspannung stellt er sich dann Szenen zunehmend angsterregenderer Ereignisse vor. Z.B. stellt er sich unter Entspannung vor, das Wort »Hund«
aus »hundert« herauszuhören; in dieser Weise macht er die Stufen einer Angsthierarchie
durch, bis er sich mit Gleichmut vorstellen kann, einen Hund zu streicheln. Diese Methode scheint in 80 bis 90% der Fälle zu rascher Remission umschriebener Phobien zu
führen.
J. Wolpe, der Begründer der SD, ist der Überzeugung, daß durch die Kontiguität von
Entspannung und Angstreiz allein eine Gegenkonditionierung erzielt wird. Das gefürchtete Objekt wird durch die Assoziation mit einer angstinkompatiblen Reaktion –
wie Entspannung – schließlich neutralisiert. Inzwischen wurde das Konzept der Gegenkonditionierung als unbefriedigende Erklärung der therapeutischen Wirksamkeit der SD
scharf kritisiert.134 Eine Hauptkritik war, daß auch kognitive Faktoren von Bedeutung
sind. Obwohl ich glaube, daß Gegenkonditionierung in der SD eine angstreduzierende
Rolle spielt, glaube ich auch, daß der kognitive Faktor der Kontrollierbarkeit von Bedeutung ist. Entspannung scheint in der SD am besten zu wirken, wenn sie willentlich
und aktiv herbeigeführt wird, wenn der Patient intensiv glaubt, daß er seine Angst kontrollieren kann. SD wirkt jedoch auch – wenigstens teilweise –, wenn die Entspannung
passiv induziert wird und wenn die Betonung nicht auf aktiver Bewältigung liegt.
Kontrolle ist offensichtlich noch nicht alles. Medikamentös induzierte Entspannung
stellt eine Quelle von Hinweisen über die Bedeutung willentlicher Kontrolle über Angst
dar. Da es manchmal schwer ist, Patienten dazu zu bringen, sich in der SD ausreichend
zu entspannen, haben verschiedene Forscher versucht, Entspannung durch intravenöse
Injektion eines chemischen Muskelrelaxans (Methohexiton) zu induzieren. Dabei wurde
jedoch festgestellt, daß dieses Vorgehen zu einem Absinken der therapeutischen Effektivität führte. Der Beobachtung J. L. Reeds (1966) zufolge empfanden einige Patienten
die Phase medikamentös induzierter Entspannung als sehr unangenehm. Ihre Hauptklage galt einem intensiven Gefühl von Kontrollverlust. Bei diesen Patienten wurde das
Pharmakon abgesetzt und durch Entspannung auf der Basis reiner Muskelrelaxations-
91
techniken ersetzt; die Patienten fanden dieses Verfahren angenehmer und entspannten
sich gut.
Ähnlich behauptet J. P. Brady (1967), daß ein erfolgreicher Einsatz medikamentös induzierter Entspannung von verschiedenen verfahrenstechnischen Einzelheiten abhängt:
Ich verlasse mich nicht mehr auf Methohexiton allein, um den gewünschten Zustand tiefer Muskelentspannung und emotionaler Beruhigung zu erzielen. Ich beginne jetzt eher die erste Sitzung mit Instruktionen und Übungen zur Muskelentspannung. Dies kann als
kurzes Training (4 bis 5 Minuten) in progressiver Muskelrelaxation
aufgefaßt werden. Wenn der Patient fortfährt sich zu entspannen,
wird er darauf hingewiesen, daß das Pharmakon, das er erhalten
wird, weitere Entspannung und Ruhe begünstigen wird, daß er aber
auch »mitmachen« müsse. Sobald die Injektion begonnen hat, wird
weitere Entspannung suggeriert wie etwa bei der Hypnose. Entspannung allein hemmt Angst nicht in dem Maße wie vom Individuum
selbst initiierte Entspannung.
Die Auswirkungen selbstinduzierter Kontrollierbarkeit haben einige Verhaltenstherapeuten dazu veranlaßt, ihren Patienten gegenüber zu betonen, daß SD ein aktiver Bewältigungsprozeß und keine passive Folge von Gegenkonditionierung ist. J. P. Lang
betont die Kontrolle des Individuums in der SD (1969):
Die Kontrolle des Individuums über den imaginierten Angstreiz – seine Dauer, Häufigkeit und die Abfolge seiner Darbietung – ist ein
weiteres wichtiges kognitives Element im Prozeß der Desensibilisierung. Als dieses Element der Kontrolle im Experiment Davisons
(1968) ausgeschaltet wurde, kam es nicht zum positiven Abbau der
Angst. Es kann sein, daß der aversive Charakter phobischer Stimuli
in der Hilflosigkeit des Individuums liegt, der Tatsache, daß es über
keine anderen organisierten Verhaltensweisen außer Flucht und
Vermeidung verfügt.
Nicht nur faktische Kontrolle, sondern auch vermeintliche Kontrolle dürfte in der SD
eine gewisse angstreduzierende Bedeutung haben. Phobiker geraten häufig bereits beim
bloßen Gedanken an das gefürchtete Objekt oder eine angsterregende Situation in Panik.
Diese durch Hilflosigkeit induzierte Panik schließt den Einsatz jeglicher ihnen verfügbarer Bewältigungsreaktionen aus. Die Wahrnehmung potentieller Kontrolle, die entsteht, wenn das Individuum gelernt hat, daß es sich in Gegenwart des phobischen Objektes entspannen kann, verhindert diese Panik.
Stellen wir uns einen Klienten vor, der einen Verhaltenstherapeuten aufsucht, um seine
Phobie behandeln zu lassen: nach dem Erstinterview entscheidet der Therapeut sich für
eine SD und erklärt dem Klienten, daß er ein bewährtes Verfahren anzuwenden gedenke, das den Klienten befähigen werde, seine Furcht und seine Ängste zu bewältigen.
Daraufhin wird eine Angsthierarchie aufgestellt, und der Klient beginnt, sich Schritt für
Schritt hochzuarbeiten; auf jeder Stufe der Hierarchie wird die Erwartung des Klienten
von einem therapeutischen Erfolg bestätigt, in dem Sinne, daß er nicht mehr erschreckt
oder ängstlich reagiert. Mit der Zeit gerät der Klient angesichts des phobischen Reizes
nicht mehr in Panik, sondern erwartet, in der Lage zu sein, seine Angst kontrollieren zu
können. Zum ersten Mal in seinem Leben verfügt der Phobiker über Verhaltensweisen,
um antizipatorische Panikreaktionen abzubrechen und gewinnt gleichzeitig Zeit, sein
Bewältigungsrepertoire aufzubauen. Er stärkt diese Überzeugung dadurch, daß er seine
neu erworbenen Bewältigungsfähigkeiten erfolgreich in realen Situationen einsetzt. Insofern kann die Erwartung, daß man Furcht kontrollieren kann, Panik zuvorkommen
und effektiveres Bewältigungsverhalten bewirken.
92
Eine interessante Parallele zu dem letzten Beispiel liefert die Behandlung von Ejaculatio
präcox. Männer, die unter Ejaculatio präcox leiden, sind nicht nur unfähig, ihre sexuelle
Erregung zu kontrollieren, sondern erleben häufig Erwartungsängste angesichts sexueller Interaktion. Diese Erwartungsangst macht alle Versuche, die Ejakulation zu kontrollieren, zunichte und kann zu sekundärer Impotenz führen.135 Durch den Einsatz einer
Drucktechnik (penile squeeze technique) und schrittweiser Konfrontation mit wirklichen Situationen lernen Patienten mit Ejaculatio präcox, daß sie ihre sexuelle Erregung
kontrollieren und als Folge davon ihre antizipatorische Panikreaktion unterbrechen können. Dies steigert hinwiederum ihre Fähigkeit, die Ejakulation zu kontrollieren. Auch
bei diesem Beispiel reduziert die subjektive Erwartung potentieller Kontrolle Ängste im
Zusammenhang mit kompetentem Sexualverhalten und erlaubt dadurch angemessenere
Bewältigung.
6.8 Zusammenfassung
Ein US ist unvorhersagbar, wenn seine Wahrscheinlichkeit gleich bleibt, ob ein CS vorausgeht oder nicht. Wenn aversive Ereignisse unvorhersagbar sind, heißt das, daß keine
Sicherheitssignale verfügbar sind und Angst erlebt wird. Die Beobachtung von Angst in
Abhängigkeit von vorhersagbaren und unvorhersagbaren elektrischen Schlägen bestätigt
die Sicherheitssignal-Hypothese: wenn Tiere und Menschen unvorhersagbare Schocks
erhalten, zeigen sie anhaltend und wiederholt konditionierte emotionale Reaktionen und
ausgeprägte psychogalvanische Hautreaktionen. Sowohl Unvorhersagbarkeit wie Unkontrollierbarkeit von Schocks führen zur Bildung von Magengeschwüren; die Ulzera
induzierenden Effekte von Hilflosigkeit können durchaus aus dem Mangel an durch das
eigene Verhalten begrenzten Sicherheitssignalen resultieren. Tiere und Menschen ziehen vorhersagbare Schocks unvorhersagbaren vor, wie es aufgrund der Sicherheitssignal-Hypothese zu erwarten ist. Da kontrollierbare Ereignisse durch Rückmeldung aus
den Reaktionen, die sie kontrollieren, vorhersagbar sind, kann Kontrollierbarkeit
angstreduzierende Auswirkungen zusätzlich zu dieser Vorhersagbarkeit haben – wahrgenommene potentielle Kontrolle und fälschlicherweise angenommene Kontrolle über
aversive Stimulation reduzieren ebenfalls Angst. Schließlich nehme ich an, daß die
Wahrnehmung von Kontrolle und Vorhersagbarkeit von entscheidender Bedeutung für
die Wirkung der Systematischen Desensibilisierung ist.
In den letzten beiden Kapiteln habe ich die Quellen zweier emotionaler Zustände untersucht – Depression und Angst. Einige Menschen sind anfälliger für Depression und
Angst als andere. Einige glückliche Menschen erleben nur nach wiederholter qualvoller
Härte Depressionen. Bei anderen wird das geringste Problem Depression auslösen; bei
ihnen ist Depression mehr als ein Zustand, es ist ein Persönlichkeitsmerkmal. Was läßt
einen Menschen so anfällig für Hilflosigkeitsgefühle und Depression werden? Die Erfahrungen aus Säuglingsalter, Kindheit und Jugend scheinen am geeignetsten, um nach
dem Ursprung von Hilflosigkeit zu suchen. Im nächsten Kapitel werde ich die Entwicklung von Hilflosigkeit als Personlichkeitsmerkmal näher untersuchen.
93
7
Emotionale Entwicklung und Erziehung
Vor zehn Jahren, zu Beginn meines zweiten Studienabschnittes, beschloß ich, emotionale und motivationale Entwicklungsprozesse einmal genauer zu untersuchen. Ich hatte
festgestellt, daß die Entwicklung von Denken, Sprache, motorischen Fertigkeiten, Moral
und Intelligenz bereits erforscht worden und durch wissenschaftlich fundierte Theorien
repräsentiert waren, während zur Entwicklung von Motivationen nur Spekulationen und
Falldarstellungen vorlagen. »Dies ist ein Gebiet, über das wir noch nicht viel wissen«,
erklärte mir einer meiner Professoren, »kommen Sie in zehn Jahren wieder.«
Die zehn Jahre sind inzwischen vergangen, aber der Stand unseres Wissens hat sich
nicht verändert. Das Studium kognitiver Entwicklung in ihren vielen Formen blüht und
gedeiht, aber kaum jemand scheint gewillt, das Problem motivationaler und emotionaler
Entwicklung in Angriff zu nehmen. In diesem Kapitel möchte ich meine Überlegungen
zur emotionalen und motivationalen Entwicklung vorstellen. Was ich dazu zu sagen habe, ist ziemlich grob, hat weniger experimentelle Grundlagen als mir lieb ist, aber ist ein
Anfang.
Amerikanische Psychologen waren immer – wahrscheinlich aus Gründen demokratischer und egalitärer Ideale – interessiert an Phänomenen, die formbar sind. Der Behaviorismus J. B. Watsons faßt dieses rühmliche Streben kurz zusammen:
Man gebe mir ein Dutzend gesunder, wohlgestalteter Kinder und
meine eigene spezifizierte Welt, um sie aufzuziehen, und ich versichere Ihnen, daß ich zufällig ein Kind herausgreifen kann und es zu
einem Spezialisten in dem Beruf machen kann, den ich wähle – Arzt,
Jurist, Künstler, Kaufmann, ja selbst Bettler und Dieb.136
Wir wollen einen Augenblick innehalten und mutmaßen, wie wohl die Zukunft solcher
Begeisterung für formbare Prozesse aussehen mag. Formbarkeit und Umweltabhängigkeit werden von vielen Seiten angegriffen – tiefgreifende, fundierte, gelehrte Angriffe,
und Umweltdeterminismus Watsonscher Prägung ist in der wissenschaftlichen Gesellschaft im Rückzug begriffen. Die Psychologie Piagets z.B. sieht die kognitive Entwicklung des Kindes nicht als so stark erfahrungsbestimmt an. Die kognitiven Fähigkeiten des Kindes werden im Gegenteil als wachsend und mit der Umwelt interagierend
gesehen, so wie eine Muschel ihre Schale Lage für Lage aufbaut. Eine große Vielzahl
von Befunden stützt diese Ansicht. Kinder lernen die Sprache nicht in der gleichen Weise, wie eine Ratte lernt, einen Hebel zu drücken, nämlich durch Belohnung und Bestrafung. So wenigstens lehren es uns die einflußreichen Arbeiten von Chomsky, Brown
und Lenneberg. Unter allen Bedingungen, mit Ausnahme der stärksten Reizverarmung,
lernen Kinder sprechen und ihre Muttersprache verstehen. Dies wird durch eine hochentwickelte Gehirnstruktur des Homo sapiens, die in der Sprache vorprogrammiert ist,
gesichert; der Beweis dafür kann schwer in Frage gestellt werden. Intelligenz, wie sie
der IQ erfaßt, kann durch die Manipulation der Umgebung nicht sehr viel gesteigert
werden, wie Jensen, Hernstein, Eysenck und andere nachgewiesen haben. Die Hauptvarianz von IQ-Werten wird nicht durch langsame, systematische Veränderung durch
die Umgebung erklärt, sondern nur durch den IQ der leiblichen Eltern. Wie man uns
lehrt, sagt das Ausmaß wirtschaftlicher Entbehrungen schlecht voraus, wie tüchtig ein
Kind werden wird; im Gegensatz dazu bestimmen dies seine Gene.
Meine eigene Arbeit über Lernprozesse außerhalb meiner Forschung zur Hilflosigkeit
stellt keine Ausnahme von dieser Tendenz dar, von der Formbarkeitshypothese Abstand
zu nehmen. Ich habe kürzlich ein Buch mit herausgegeben, dessen Hauptthema war, daß
evolutionsbedingte Zwänge dem, was ein Organismus lernen kann, strenge Grenzen setzen.137 Die unterschiedliche genetische Prädisposition (preparedness), so argumentierte
94
ich, macht es einer gegebenen Tierart leicht, bestimmte Kontingenzen zu lernen, und
macht den Erwerb anderer praktisch unmöglich. So lernen z.B. Tauben mühelos, für
Futterkörner nach Tasten zu picken, haben aber große Schwierigkeiten zu lernen, auf
diese Taste zu picken, um elektrische Schläge zu vermeiden.
Als aufmerksamer Leser der amerikanischen psychologischen Literatur war ich fast
schon davon überzeugt gewesen. Die kognitive Entwicklung eines Kindes ist nicht annähernd so formbar, wie ich gehofft hatte. Doch ist diese Erkenntnis kein Grund zur
Freude. Vor ein paar Jahren hörte ich den Vortrag eines berühmten alten deutschen Psychologen. Über vier Jahrzehnte hinweg, auch während der Nazi-Ära, hatte er Daten über
verschiedene Persönlichkeitstypen gesammelt. Er beschrieb und definierte seine Typologie ausführlich. Am Ende des Vortrags fragte ich ihn: »Wie werden verschiedene
Menschen so, wie sie sind?«. Seine Antwort war kurz und eindrucksvoll; zehn Jahre zuvor hätte ich sie höchstens als leichtfertig angesehen, aber im Lichte neuer Entwicklungen bekam sie einen tieferen Klang.
»Das, junger Mann, hängt vom Charakter ab«, entgegnete er milde.
Ich für meinen Teil bin noch nicht bereit, die Suche nach Formbarkeit ad acta zu legen.
Die demokratischen Gleichheitsideale, die den amerikanischen und sowjetischen Umweltdeterminismus antrieben, gehen zu tief und bedeuten zu viel, um sie leichtfertig
aufgeben zu können. Wenn Denk- und Wahrnehmungsprozesse beim Kind nicht willkürlich geformt werden können, müssen Psychologen herausfinden, was geformt werden kann.
Ich glaube, daß Motivationen und Emotionen formbarer sind als Denkprozesse und auch
mehr durch die Umwelt geformt werden. Ich bin nicht mehr überzeugt davon, daß intensives, gezieltes Training den IQ eines Kindes um zwanzig Punkte anheben wird oder
es befähigen wird, wie Mozart mit fünf Jahren Klaviersonaten zu komponieren. Auf der
anderen Seite bin ich davon überzeugt, daß bestimmte Anordnungen von Umweltkontingenzen ein Kind schaffen, das glaubt, hilflos zu sein – etwas nicht erfolgreich bewältigen zu können – und daß andere Kontingenzen ein Kind schaffen, das glaubt, durch
eigene Verhaltensweisen etwas beeinflussen zu können – seine kleine Welt kontrollieren zu können. Wenn ein Kind glaubt, daß es hilflos ist, wird es nur schlechte Leistungen erbringen, unabhängig von seinem IQ. Wenn ein Kind sich für hilflos hält, wird es
keine Klaviersonaten komponieren, unabhängig von seinem angeborenen musikalischen
Genius. Auf der anderen Seite wird ein Kind, das glaubt, seine Welt kontrollieren und
bewältigen zu können, begabtere Gleichaltrige, denen eine solche Überzeugung fehlt, in
seinen Leistungen übertreffen. Was aber am wichtigsten ist: wie schnell ein Individuum
von seiner eigenen Hilflosigkeit oder seinem Bewältigungsvermögen überzeugt wird,
wird durch seine Erfahrung kontrollierbarer und unkontrollierbarer Ereignisse geformt.
95
7.1
Der Entwicklungsreigen
Der Mensch beginnt sein Leben viel hilfloser als Neugeborene jeder anderen Tierart. Im
Verlauf der nächsten ein oder zwei Jahrzehnte erwerben einige Menschen Bewältigungsmechanismen; andere erwerben ein tiefgreifendes Gefühl von Hilflosigkeit. Die
Induktion vergangener Erfahrungen bestimmt, wie stark dieses Gefühl für Hilflosigkeit
oder Bewältigung ist. Stellen wir uns einen Drittklässler vor, der bei jeder Prügelei auf
dem Schulhof, die er bisher mitgemacht hat, unterlegen war. Beim ersten Kampf dürfte
er sich erst dann als geschlagen erlebt haben, nachdem er restlos am Boden lag. Nach
neun Niederlagen hintereinander fühlt er sich wahrscheinlich schon früh und schon
beim ersten Anzeichen einer sich anbahnenden Niederlage geschlagen. Wie empfänglich er dafür ist, sich selbst für unterlegen zu halten, ist davon abhängig, wie regelmäßig
er gewonnen oder verloren hat. Ähnlich ist es mit eher allgemeinen Überzeugungen wie
Hilflosigkeit und Bewältigung. Wenn ein Kind wiederholt hilflos gewesen ist und selten
die Erfahrung von Bewältigung gemacht hat, wird es sich in einer neuen Situation bereits bei den kleinsten Hinweisen für hilflos halten. Ein anderes Kind mit entgegengesetzten Erfahrungen könnte aufgrund derselben Anhaltspunkte davon überzeugt sein,
Kontrolle zu besitzen. Wie früh, wie häufig und wie intensiv die Erfahrungen von Hilflosigkeit oder Bewältigung sind, wird die Ausprägung dieses motivationalen Merkmals
bestimmen.
Wird ein Neugeborenes nackt und schreiend von den bereiten Händen des Geburtshelfers aufgenommen, hat es praktisch keine Kontrolle über Konsequenzen. Die meisten
Reaktionen eines Neugeborenen erscheinen reflexhaft; es bringt eine sehr begrenzte
Skala willentlicher Reaktionen mit – Reaktionen, die instrumentell geformt werden
können. So kann z.B. das Saugen eines Neugeborenen bereits geformt werden.138 Die
Saugreaktion hat zwei Komponenten: Herauspressen der Milch, d.h. die Brustwarze
zwischen Zunge und Gaumen pressen; und Saugen, d.h. ein Vakuum herstellen, um
Milch aus der Brustwarze zu ziehen. A. J. Sameroff (1968) verstärkte entweder die eine
oder die andere Komponente mit Milch. Folgte nur auf das Herauspressen Milch, hörte
die Saugreaktion nach und nach auf. Zusätzlich veränderten die Neugeborenen die Intensität, mit der sie den Sauger zusammendrückten, dergestalt, daß sie sich auf einen
minimal notwendigen Druck einstellten, bei dem sie Milch erhielten. Aber dies war eine
wenig stabile Form des Lernens, die auch nicht von einer Mahlzeit zur anderen behalten
wurde. Neugeborene können auch in der Lage sein, durch Kopfbewegung eine gewisse
Kontrolle über Verstärker auszuüben, denn wenn sie für ein Hinwenden des Kopfes
Zuckerwasser bekommen, steigt die Häufigkeit dieser Kopfbewegung.139
Mit zunehmender Reifung entwickeln sich mehr und mehr willentliche Reaktionen, die
Konsequenzen kontrollieren. Das Kind schreit, und seine Mutter kommt; folglich nimmt
sein Schreien an Häufigkeit zu, wenn die Mutter das nächste Mal nicht in der Nähe ist.
Es findet mühsam eine angenehme Lage in seinem Bettchen; wenn es das nächste Mal
hineingelegt wird, nimmt es diese Stellung schneller und mit weniger Anstrengung ein.
Seine Augen können zunehmend besser Gegenständen folgen – zumindest dann, wenn
diese sich langsam bewegen.
An dieser Stelle ist es wichtig, den Leser an den Unterschied zwischen wirklicher Kontrolle und der Wahrnehmung von Kontrolle zu erinnern. Die willentlichen Reaktionen
des Kindes haben per definitionem Kontrolle über bestimmte Konsequenzen. Dies bedeutet aber nicht notwendigerweise, daß das Kind in den frühen Entwicklungsstadien
wahrnimmt, daß es diese Kontrolle hat, und ich will nicht behaupten, daß ein Neugeborenes über eine derartige Wahrnehmung verfügt.140 Irgendwann im Verlauf der Entwicklung prägen sich jedoch solche Wahrnehmungen aus – offen bleibt die Frage nach
dem Wann. Nur zukünftige Forschung über die Generalisation von Hilflosigkeit und
Bewältigung auf andere Situationen wird die Anfänge solcher Wahrnehmung klären.
96
Objektive Kontrolle ist jedoch eine notwendige Bedingung für die Entwicklung der
Wahrnehmung von eigener Kontrolle.
Das Kind beginnt eine spielerische Auseinandersetzung mit seiner Umgebung, die sich
über die ganze Kindheit erstreckt. Ich glaube, daß das Ergebnis dieses Reigens sein
Empfinden für Hilflosigkeit oder Bewältigung determiniert. Jede Verhaltensweise des
Kindes kann entweder zu Veränderungen in seiner Umgebung führen, oder diese Veränderungen treten völlig unabhängig von der kindlichen Reaktion ein. Auf einem etwas
primitiven Niveau berechnet das Kind die Beziehung zwischen Reaktion und Konsequenz. Ist der Zusammenhang gleich Null, entwickelt sich Hilflosigkeit. Besteht eine
hoch positive oder hoch negative Korrelation, so bedeutet dies, daß die Reaktion eine
Wirkung hat, und das Kind lernt entsprechend, diese Reaktion häufiger auszuführen
oder sie zu unterlassen, je nachdem, ob die damit zusammenhängenden Konsequenzen
angenehm oder aversiv sind. Vor allem aber lernt das Kind, daß Reagieren zu Konsequenzen führt, daß es ganz allgemein eine Synchronisation zwischen Reaktionen und
Konsequenzen gibt. Sind Reaktionen und Konsequenzen asynchron, und das Kind ist
hilflos, so hört es auf, die Reaktion auszuführen und lernt darüber hinaus, daß aktives
Verhalten wirkungslos ist. Ein solcher Lernprozeß hat die gleichen Folgen wie die Erfahrung von Hilflosigkeit beim Erwachsenen: mangelnde Motivation zu willentlichen
Reaktionen, eine negative kognitive Einstellung, Ängste und Depression. Für ein Kind
mag dies aber viel verheerender sein, da es fundamental ist: diese Erfahrung bildet die
Basis seiner Pyramide emotionaler und motivationaler Strukturen.
Während ich diesen Abschnitt schreibe, trinkt mein drei Monate alter Sohn an der Brust
seiner Mutter. Der Entwicklungsreigen ist bemerkenswert: er saugt, und die Welt antwortet mit warmer Milch. Er patscht auf die Brust, und seine Mutter drückt ihn sanft an
sich. Er macht eine Pause und gurrt, und seine Mutter gurrt zurück. Er jauchzt glücklich
auf, und seine Mutter versucht, ebenfalls aufzujauchzen. Jeder seiner Schritte geht einher mit einer Reaktion der Welt.
J. S. Watsons Versuche mit zwei bis drei Monate alten Babys erfassen das Wesentliche
dieses Reigens.141 Nach Watsons wie nach meiner Auffassung ergreift ein Kind jede
Gelegenheit zu einer Analyse der Beziehung zwischen seinen Reaktionen und deren
Konsequenzen. Während der ersten acht Wochen entbehrt das Kind der Kontingenzen,
da es so wenige willentliche Reaktionen ausführt und seine Gedächtnisspanne so kurz
ist, daß es ihm kaum möglich ist, sich an das letzte Zusammentreffen einer Reaktion mit
einer Konsequenz zu erinnern. Aber ungefähr im Alter von acht Wochen entwickelt sich
eine neue Fähigkeit. Watson und seine Mitarbeiter unterwarfen drei Gruppen von Säuglingen dieser Altersstufe zehn Minuten pro Tag einem speziellen Training – mit erstaunlichen Ergebnissen. Sie hatten ein sehr empfindliches luftgefülltes Kopfkissen entwickelt, das jedesmal einen Kontakt schloß, wenn das Kind mit seinem Kopf darauf
drückte. Unter der Bedingung dieser Kontingenz drehte sich nach jedem Drücken eine
Sekunde lang ein Mobile aus bunten Bällen über dem Bettchen. Auch die Kinder der
Gruppe ohne kontingente Bedingungen sahen ein wirbelndes Mobile, doch war dies
nicht unter ihrer Kontrolle. Die Kinder einer dritten Gruppe sahen unbewegliche Bälle.
Die Kinder unter Kontingenz-Bedingungen steigerten im Unterschied zu den anderen
Kindern im Laufe des Experiments ihre Aktivität beachtlich und zeigten so, daß sie die
Kontingenz gelernt hatten. Nur die Mütter dieser Gruppe berichteten einstimmig, daß
ihre Babys vom dritten oder vierten Tag des Experimentes an lebhaft lächelten und
quietschten.
Watson wandte dieses Verfahren bei einem schwer retardierten acht Monate alten Mädchen an, das auf der Entwicklungsstufe eines eineinhalb Monate alten Säuglings stand.
Sie war als entwicklungsunfähig gekennzeichnet worden und hatte bisher niemals irgendeine instrumentelle Reaktion oder irgendein deutlicheres Lächeln oder Quietschen
97
gezeigt. Innerhalb von elf Tagen, in denen es mit dem kontingenten Mobile trainiert
wurde, stieg ihre Aktivität auf das Zehnfache, und sie lachte und quietschte lebhaft,
wenn sie das Mobile sah.
Das Spiel der Kontingenzenanalyse ist beispielhaft für die frühesten Stadien des Entwicklungsreigens. Für ein Kind in der Entwicklung ist es besonders reizvoll, seine Umgebung zu kontrollieren. Mangelnde Kontrolle ruft kein Vergnügen hervor und kann sogar aversiv erlebt werden, selbst wenn die Umgebung »interessant« ist und sich bewegende Mobiles enthält. Warum gefällt einem Baby das Geräusch einer Rassel? Nicht
wegen der physikalischen Qualität dieses Geräusches, seiner Neuheit oder seinem Bekanntheitsgrad, sondern weil das Kind selbst sie rasseln läßt. Die fundamentale Bedeutung von Vergnügen für die Entwicklung mag darin bestehen, daß es wirksame instrumentelle Verhaltensweisen begleitet und dadurch jene Aktivitäten ermutigt, die zu der
Wahrnehmung von Kontrolle führen. Auf der anderen Seite kann Langeweile ein Kind
von Reizen, die es nicht kontrollieren kann, wegtreiben und hinführen zu Spielen, bei
denen es lernen kann, daß es ein menschliches Wesen ist, dessen Verhalten wirkungsvoll ist.
7.1.1 Reafferenz
Was geschieht, wenn man ein Kind der Synchronisation zwischen seinen Reaktionen
und deren Konsequenzen beraubt? Die früheste und vielleicht fundamentalste Synchronisation, die unterbrochen werden kann, ist Reafferenz. Reafferenz bezieht sich auf die
Kontingenz zwischen Handlung und visueller Rückmeldung. Wenn Sie einen Schritt auf
eine Wand zu machen, geht Ihre motorische Reaktion genau parallel zu der Wahrnehmung, daß die Wand näher rückt. Man kann jedes normale Kleinkind lernen sehen, daß
der Akt, seine Hand in bestimmter Weise zu bewegen, zu der Wahrnehmung führt, daß
sich die Hand bewegt. Reafferenz ist ein so grundsätzliches Phänomen, daß man sich
kaum vorstellen kann, wie ein Kind ohne sie noch einen Unterschied zwischen sich und
der übrigen Welt wahrnehmen könnte. Was unterscheidet letzten Endes das Selbst von
der Welt? Alles, was Teil von mir ist, steht in engstem Zusammenhang mit meiner
Wahrnehmung und Empfindung, wenn ich es willentlich bewege: ich komme zu dem
Schluß, daß meine Hand ein Teil von mir und nicht ein Teil von anderem ist, weil bestimmte motorische Befehle fast unweigerlich mit der Wahrnehmung und dem Empfinden der sich ausstreckenden Hand einhergehen. Tatsächlich scheint eine Kontingenzenanalyse, die den Gleichlauf zwischen irgendeinem motorischen Befehl und einer gegebenen Rückmeldung aufdeckt, der wahrscheinlichste Weg für uns zu lernen, welcher
motorische Befehl eine bestimmte Reaktion hervorruft. Zu seinem Kummer lernt jedes
Kind, daß die Mutter kein Teil von ihm selbst, sondern Teil der Außenwelt ist: der Zusammenhang zwischen seinen motorischen Befehlen und der Wahrnehmung, daß die
Mutter sich um das Kind herum bewegt, ist alles andere als perfekt, obwohl dieser Zusammenhang auch nicht gleich Null ist, es sei denn in einer extrem reizarmen Umgebung. Ich nehme an, daß diejenigen »Objekte« zum Selbst gehörig werden, die annähernd perfekte Korrelationen zwischen motorischem Befehl und visueller und kinästhetischer Rückmeldung haben; dagegen werden »Objekte« ohne entsprechende ideale
Korrelation die Außenwelt. Danach beginnt natürlich der lebenslange Kampf, die Korrelation zwischen Veränderungen in der Außenwelt und den eigenen motorischen Befehlen zu heben – der Kampf um Kontrolle.
R. Held, A. Hein und ihre Mitarbeiter am Massachusetts Institute of Technology haben
eine eindrucksvolle Untersuchungsserie über die Folgen von Reafferenzentzug auf junge Organismen durchgeführt.142 Sieben Paare junger Katzen wurden in völliger Dunkelheit aufgezogen, bis sie acht bis zwölf Wochen alt waren. Danach wurde jedes Paar im
wahrsten Sinne des Wortes aneinandergekettet; ein Kätzchen war aktiv, das andere
wurde von ihm passiv in einer Gondel gezogen. Das aktive Kätzchen konnte mehr oder
98
weniger frei herumlaufen; motorische Reaktionen führten zu synchroner visueller Rückmeldung. Das passive Katzenjunge in der Gondel erhielt die gleiche visuelle Stimulation wie der aktive Partner. Alle Veränderungen in der wahrnehmbaren Welt des passiven
Kätzchens waren unabhängig von seinen Verhaltensweisen; ob es seine Pfote bewegte
(oder irgend etwas anderes), veränderte nicht die Wahrscheinlichkeit, daß sich seine visuell wahrnehmbare Welt verändern würde. Zwischen seinen motorischen Reaktionen
und dem visuellen Reizeinfluß bestand keine Übereinstimmung. Die Kätzchen verbrachten täglich drei Stunden unter diesen Bedingungen; die übrige Zeit verbrachten sie
im Dunkeln mit ihren Müttern und Geschwistern.
Nach 30 Stunden dieses Trainings wurde jedes Paar getestet. Die aktiven Kätzchen
wendeten sich den auf sie zubewegenden Objekten zu, streckten, wenn sie fallengelassen wurden, ihre Pfoten aus, um den Aufprall abzufangen, und vermieden steile Wände.
Die passiven Kätzchen zeigten keine dieser Verhaltensweisen, obwohl sie, nachdem sie
einige Tage frei im Hellen herumgelaufen waren, diese Verhaltensweisen schließlich
auch zu entwickeln begannen.
In diesem Fall war die Störung, die durch die Inkontingenz von motorischer Reaktion
und visueller Rückmeldung verursacht worden war, reversibel. Dies mag darauf zurückzuführen sein, daß die Asynchronie nur relativ schwach war; denn selbst das passive
Tier verfügte über Erfahrungen der Kontingenz zwischen motorischen Befehlen und
taktiler oder akustischer Rückmeldung: wenn die Katze ein Bein bewegte und damit das
andere berührte, konnte es die Berührung fühlen. Wenn es an den Zitzen seiner Mutter
saugte, floß Milch; wenn es mit ausgefahrenen Krallen zupackte, quietschte das attakkierte Gegenüber. Bei radikalerer Inkontingenz könnte man ausgedehntere und vielleicht irreversible Störungen erwarten.
L. B. Murphy (1972) zeichnet ein düsteres Bild der völligen Inkontingenz zwischen
Verhaltensweisen eines Babys und den Reaktionen seiner Mutter in extrem reizverarmten amerikanischen Familien:
Es ist genau dieser aktive Austausch von Signalen, ... der dem extrem deprivierten Baby mit seiner hilflosen, erschöpften Mutter genauso abgeht wie den Säuglingen in manchen Waisenhäusern. Die
entmutigte, apathische Mutter sitzt einfach da, hält passiv ihr Baby
im Arm, ohne Blickkontakt, viel inaktiver, ohne spielerische Antworten auf die Reaktionen des Kindes. Das deprivierte Baby macht keine
der Erfahrungen, die ... es zu der realistischen Erwartung führen,
daß Greifen, Erforschen der Außenwelt, neue Konfrontationen ausprobieren, angenehme Konsequenzen mit sich bringen würde.
Hilflosigkeit kann eine der hauptsächlichen Folgen vom Entzug der mütterlichen Sorge
und von institutionalisierter Kinderaufzucht sein, und diesen bedrückenden Umständen
wollen wir uns nun zuwenden.
99
7.2 Trennung von der Mutter
Menschliche Säuglinge scheinen schwere psychische Schäden zu erleiden, wenn sie in
bestimmten Heimumgebungen aufwachsen. Ein Faktor ist allen diesen Umgebungen
gemeinsam – der Mangel an Kontrolle über Konsequenzen. Die Beobachtungen von R.
Spitz (1946) sind so charakteristisch wie bedrückend:
In der zweiten Hälfte des ersten Jahres entwickelten einige dieser
Kinder ein weinerliches Verhalten, das in deutlichem Gegensatz zu
ihrem früher glücklichen und offenen Verhalten stand. Nach einiger
Zeit wich diese weinerliche Haltung der Tendenz, sich in sich selbst
zurückzuziehen. Die betreffenden Kinder lagen mit abgewandten Gesichtern in ihren Bettchen und verweigerten die Anteilnahme am Leben ihrer Umgebung. Wenn wir uns ihnen näherten, wurden wir
ignoriert ... Wenn wir beharrlich blieben, begannen sie zu weinen
und manchmal auch zu schreien ... Während dieser Phase verloren
einige Kinder an Gewicht. Das Pflegepersonal berichtete, daß einige
Kinder unter Schlafstörungen litten ... Alle Kinder zeigten verstärkte
Anfälligkeit für zusätzliche Erkältungen oder Ekzeme ...
Dieses Verhaltenssyndrom dauerte drei Monate lang. Dann ging das
weinerliche Verhalten zurück und stärkere Provokation wurde notwendig, um es wieder auszulösen. Ein starrer Ausdruck erschien auf
den Gesichtern dieser Kinder. Sie lagen oder saßen mit weit aufgerissenen, ausdruckslosen Augen, erfroren bewegungslosen Gesichtern
und einem abwesenden Gesichtsausdruck wie in einem Dämmerzustand, schienen offensichtlich nicht wahrzunehmen, was um sie
herum vor sich ging. Dieses Verhalten wurde in manchen Fällen von
autoerotischen Aktivitäten begleitet ... Kontaktaufnahme mit Kindern, die in dieser Phase neu hinzukamen, wurde zunehmend
schwieriger und schließlich unmöglich. Im besten Falle löste dies
Weinen aus.143
Dieses Phänomen ist unterschiedlich bezeichnet worden als anaklitische Depression,
Hospitalismus und Morasmus. Es kann unter zwei verschiedenen Umständen auftreten.
Einer davon ist die Trennung zwischen dem sechsten und achten Monat von der Mutter,
die eine gute Beziehung zu ihrem Kind aufgebaut hat. Es ist interessant, daß sich die geschilderten Konsequenzen nicht so leicht ausbilden, wenn die Mutter-Kind-Beziehung
schwach oder negativ ist. Zum anderen tritt das genannte Bild auf, wenn Kinder in Waisenhäusern aufwachsen, in denen sie tagein, tagaus auf dem Rücken liegen, nur weiße
Laken zum Anschauen haben und nur minimalen Berührungskontakt mit anderen Menschen haben. Wenn die Mutter bald zurückkehrt, geht das auffällige Verhalten bald zurück, manchmal geradezu dramatisch. Ohne Intervention ist die Prognose allerdings düster. 35 von 91 Waisenkindern, die Spitz beobachtete, starben innerhalb der ersten drei
Lebensjahre; in anderen Fällen blieben stuporöse Depression und Schwachsinn zurück.
Ein Kind, das der Stimulation entbehrt, ist ein Kind, das dadurch der Kontrolle über die
Stimulation beraubt wird. Es kann nicht zum Entwicklungsreigen kommen, wenn kein
Partner da ist. Wie kann eine Flasche, die unabhängig davon, was das Kind gerade tut,
alle vier Stunden auftaucht, ein Gefühl für Kontingenz zwischen Reaktion und Konsequenz vermitteln? Sie werden sich an die Experimente von Suomi und Harlow (1972)
erinnern, in denen junge Affen in einen schachtartigen, reizisolierten Käfig gesetzt wurden und dort 45 Tage verbrachten (vgl. S. 86). Wie anaklitisch depressive Kinder zeigten diese Affen schwer depressives Verhalten, selbst nachdem sie aus dem Schacht herausgenommen wurden. Sie spielten nicht; sie rollten sich in einer Ecke des Käfigs zusammen und wimmerten, wenn sich ihnen Artgenossen näherten. Ich nehme an, daß
100
nicht die Reizverarmung an sich, sondern der Mangel an Kontingenzerleben zu derartigen Auswirkungen führt.
Ein Kind, das seine Mutter verliert, ist ein Kind, das nicht nur der Liebe entbehrt, sondern auch der Kontrolle über die wichtigsten Konsequenzen in seinem täglichen Leben.
Der Entwicklungsreigen ist tatsächlich verarmt, wenn die Mutter nicht als primärer
Partner erreichbar ist. Ohne Mutter ist oftmals niemand da, der zärtliche Liebkosungen
erwidert, und zärtliche Laute bleiben ohne Echo. Schreien und Weinen stoßen auf die
tauben Ohren eines Pflegepersonals, das zu beschäftigt ist, um zu reagieren und Kontrolle zu ermöglichen. Nahrung, Windelwechsel und Schmusen erfolgen gewöhnlich
nicht in Reaktion auf die kindlichen Forderungen, sondern in Abhängigkeit von den
Forderungen einer Uhr.
Der größte Teil unseres systematischen Wissens über die Auswirkungen frühkindlichen
Mutterentzuges stammen aus Untersuchungen an Affen. H. F. Harlow (1962) beschreibt das Verhalten mutterloser Rhesusaffen:144
Wir beobachteten die Affen, die wir direkt nach der Geburt von ihren
Müttern getrennt hatten und unter verschiedenen Bedingungen mit
und ohne Mutter aufzogen. Die ersten 47 Affenbabys wurden während ihres ersten Lebensjahres in Drahtkäfigen aufgezogen, die so
eingerichtet waren, daß die kleinen Affen andere Affenkinder sehen,
hören und anrufen, aber nicht berühren konnten. Nun sind sie zwischen fünf und sieben Jahre alt und geschlechtsreif. Mit jedem Monat und jedem Jahr, das verging, verhielten sich die Affen weniger
und weniger normal. Wir haben sie in ihren Käfigen sitzen sehen,
merkwürdig reglos, unbeweglich in den Raum starrend, relativ
gleichgültig gegenüber Menschen und anderen Affen. Einige packen
ihre Köpfe mit beiden Händen und schaukeln vor und zurück – das
autistische Verhaltensmuster, das wir bei Affenbabys beobachtet haben, die mit Ersatzmüttern aus Drahtgeflecht aufgezogen wurden.
Andere geraten, wenn man sich ihnen nähert und selbst, wenn sie
allein sind, in heftige Anfälle von Raserei, packen und zerren an ihren Beinen mit solcher Wut herum, daß sie manchmal reif sind für
ärztliche Behandlung.
Das Verhalten von Affen, die ohne Mütter aufgezogen werden, ähnelt dem Verhalten
von Affen, die mit einer »Drahtmutter« aufwachsen.145 Auch diese Affen erforschen
und manipulieren ihre Umgebung nicht. Sowohl in Anwesenheit als in Abwesenheit ihrer »Mütter« ist der seltene Kontakt, den sie mit Objekten aufnehmen, heftig und
sprunghaft. Sie zeigen kein aggressives Verhalten, wenn sie mit anderen Affen spielen.
G. P. Sackett (1970) hat ähnliche Defizite bei Affen gefunden, die von Müttern und
Altersgenossen isoliert aufwuchsen. Sie ergreifen nicht mehr die Initiative zu Körperkontakten, sie sind wenig aggressiv, und ihre motorische Aktivität sinkt drastisch. Wie
hilflose Hunde zeigen diese isolierten Tiere auch verminderte Reaktionsbereitschaft auf
elektrische Schläge: wenn sie beim Trinken aus einem elektrisch aufladbaren Schlauch
einen Schlag versetzt bekommen, nehmen sie viel stärkere Schockintensitäten hin, bevor sie aufgeben und nicht mehr trinken als nicht-isolierte Kontrolltiere.
Was fehlt hier? Die traditionelle Antwort lautet »Mutterliebe«. Meiner Meinung nach ist
diese Antwort oberflächlich. In jeder Untersuchung zu Effekten von Deprivation oder
Anreicherung wird leicht Deprivation oder Anreicherung von Kontrolle übersehen.
Wenn ein Forscher die experimentelle Umgebung einer Ratte um Spielzeugblöcke und
Irrgänge anreichert, fügt er nicht nur mehr Gegenstände hinzu, sondern auch mehr
Kontrolle über die Gegenstände. Die Umgebung ist nicht angereichert, weil der Klotz da
liegt, sondern weil sich das Tier mit ihm beschäftigt: es schnüffelt an ihm herum, stößt
101
ihn um, kaut an ihm herum. Ich bezweifle sehr, daß ein bloßes Hinzufügen von Objekten ohne gleichzeitige Kontrolle zu ermöglichen, irgendeinen der Anreicherungseffekte
erbringen würde. Das Gegenteil trifft ebenso zu. Wenn ein Individuum irgend etwas
dauernd entbehrt, entbehrt es auch der Kontrolle über dieses Objekt. In dieses Bild paßt,
daß junge Affen, die lediglich unkontrollierbaren Schocks ausgesetzt werden, ähnliche
Mängel zeigen, wie sie durch die Trennung von der Mutter hervorgerufen werden.146
Ich nehme an, daß die Trennung von der Mutter einen besonders entscheidenden Kontrollverlust darstellt. Die Mutter ist das primäre Gegenüber, die Quelle von Kontingenzen mit den Reaktionen des Säuglings und das Hauptobjekt seiner Kontingenzenanalyse. Sein Gefühl für Bewältigung oder Hilflosigkeit entwickelt sich aus der Information,
die aus den Reaktionen der Mutter auf sein Verhalten erwächst. Wenn die Mutter fehlt,
dürfte ein tiefgreifendes Gefühl von Hilflosigkeit entstehen – vor allem dann, wenn kein
Mutterersatz zur Verfügung steht oder die Mutter passiv ist. Vermutlich würde selbst
eine mechanische Mutter Hilflosigkeit verhindern helfen, wenn sie sich in den Entwicklungsreigen einfügte und das Kind Kontingenzen erfahren ließe.
Die Mutter konfrontiert das Kind auch mit Frustration und Konflikt – aber Frustration
und Konflikt, die gelöst werden können. B. L. White (1971) sieht einen wichtigen Frustrationseffekt der Mutter darin, daß sie Schwierigkeiten aufbaut, die das Kind nur
durch Aktivität bwältigen kann:
Mütter entwerfen vor allem zu Hause eine physikalische Welt, die besonders gut geeignet ist, um die keimende Neugier eines ein- bis
dreijährigen Kindes zu nähren ... In dieser Weise bemühte Mütter
lassen nicht immer gleich alles stehen und liegen, um den Wünschen
des Kindes nachzukommen, sondern sie sagen es, wenn der Zeitpunkt offensichtlich unpassend ist, und geben dem Kind auf diese
Weise wahrscheinlich einen kleinen Vorgeschmack davon, was realistisch ist. Obwohl solche Reaktionen im eigenen Interesse der Mutter
erfolgen, so sind sie doch meist Reaktionen auf die Initiative des Kindes.
Wenn der Entwicklungsreigen fortschreitet, wird er differenzierter und anspruchsvoller.
Nicht mehr jede Reaktion des Kindes führt zu einer Konsequenz bei der Mutter. Probleme entstehen und Frustration. Wenn das Kind durch seine eigenen Verhaltensweisen
Angst und Frustration bewältigt, wächst sein Gefühl für wirkungsvolles Handeln. Wenn
entweder die Frustration unbewältigt bleibt oder die Eltern das Problem für das Kind lösen, besteht die Gefahr, daß Hilflosigkeit aufgebaut wird.
Nicht nur Hilflosigkeit gegenüber der Mutter, sondern auch Hilflosigkeit gegenüber der
Brutalität von Gleichaltrigen kann verheerende Folgen haben. J. B. Sidowski (1971)
isolierte Rhesusaffen sowohl von ihrer Altersgruppe als auch von ihren Müttern, bis sie
sechs Monate alt waren. Von diesem Alter an wurden sie eine Stunde täglich in Anwesenheit anderer junger Affen, die in ihrer Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt waren,
festgebunden. Die bewegungsunfähigen Affen waren den unkontrollierbaren Übergriffen ihrer Kameraden ausgesetzt: diese drückten ihnen auf den Augen herum, öffneten
ihnen gewaltsam den Mund oder zupften an Haaren und Haut. Die Reaktionen der auf
diese Weise hilflos gemachten Affen waren verblüffend:
Nach zwei oder drei Monaten, in denen die Affen verzweifelt und gequält geschrien und aktiv gegen die Fesseln angekämpft hatten,
nahm die emotionale Reaktionsbereitschaft der restringierten Affen
langsam ab, und sie schienen alles hoffnungslos über sich ergehen
zu lassen. Sie kreischten noch und zogen Grimassen, wurden aber
ignoriert, und sie nutzten keine der zahlreichen Gelegenheiten, den
102
Unterdrücker zu beißen, wenn dieser ihnen Finger oder Geschlechtsorgane in oder gegen den Mund drückte.
Diese Auswirkungen hielten auch an, als die Affen nicht mehr festgebunden waren. Mit anderen Affen zusammengebracht, wurden sie
von Panik ergriffen. Einer der Affen kreischte, sprang hoch und wand
sich so heftig in Krämpfen, daß die sonst abgehärteten Versuchsleiter erwogen, den Versuch abzubrechen. Der andere zuvor festgebundene Affe kippte einfach um und fiel wie ein Klotz zu Boden, als er
zum ersten Mal von einem anderen Tier berührt wurde. Er rührte
sich erst, als sich der andere Affe in einen anderen Teil des Käfigs
verzog. Die Entwicklung der Affen war dauerhaft verkümmert, da sie
auch in der Folge praktisch keine soziale Interaktion mit Gleichaltrigen aufbauten.
Mehrere andere neuere Tierexperimente erweitern unser Wissen über die Auswirkungen
früher Hilflosigkeit auf die spätere Entwicklung. J. M. Joffe und seine Mitarbeiter
(1973) zogen zwei Gruppen von Ratten in Umgebungen auf, in denen sie Kontingenz
oder Inkontingenz erfuhren. In der »kontingenten« Umgebung brachte die Betätigung
eines bestimmten Hebels Futter, drückte das Tier auf einen anderen Hebel, bekam es
Wasser, und das Drücken eines dritten Hebels schaltete im Käfig das Licht an oder aus.
Inkontingenz bedeutete, daß die Tiere im gleichen Ausmaß Nahrung, Wasser und Licht
bekamen, jedoch unabhängig von ihrem Verhalten. Im Alter von ungefähr 60 Tagen
wurde jedes Tier in freier Umgebung (open-field-test) getestet, einem Standardtest zur
Messung von Angstreaktionen. Die unter Kontingenz-Bedingungen aufgezogenen Tiere
zeigten mehr Explorationsverhalten und defäkierten weniger, was auf weniger Angst
hinwies. Mit Bewältigungsmöglichkeiten aufzuwachsen, dürfte weniger Angst hervorrufen als die frühe Erfahrung von Hilflosigkeit.
R. D. Hannum, R. A. Rosellini und ich (1974) weiteten diese Ergebnisse unlängst auf
die Initiative zu aktivem Handeln aus. Drei Gruppen von Ratten erhielten kurz nach ihrer Entwöhnung vermeidbare, unvermeidbare oder keine elektrischen Schläge. Im Erwachsenenalter wurde ihr Verhalten in einer neuen Fluchtaufgabe untersucht. Ratten,
die nach der Entwöhnung unvermeidbare Schocks erhalten hatten, reagierten hilflos; es
gelang ihnen nicht, den Schocks zu entfliehen. Ratten, die vermeidbare Schocks oder
keine Schocks erhalten hatten, lernten rasch zu entfliehen. Darüber hinaus wurde eine
Ratte, wenn sie bei der Entwöhnung in größerem Ausmaß Erfahrung mit vermeidbaren
elektrischen Schlägen hatte sammeln können, nicht hilflos, wenn sie als erwachsenes
Tier unvermeidbare Schocks verabreicht bekam. Frühe Erfahrung von Kontrolle kann
gegen Hilflosigkeit im Erwachsenenalter immunisieren.
Kürzlich fragten Peter Rapaport und ich uns, ob eine hilflose Mutter – wie auch immer
– ihrem Nachwuchs irgend etwas über Hilflosigkeit vermitteln könnte.147 Es war bereits
nachgewiesen worden, daß der Nachwuchs einer Ratte ängstlicher war, wenn dieser
Rattenmutter Angstreaktionen auf elektrische Schläge signalisierende Warnreize konditioniert wurden und der Warnreiz während der Schwangerschaft wiederholt dargeboten
wurde.148 Unsere Frage richtete sich jedoch auf die subtileren Auswirkungen der Kontrolle über Schocks, wenn diese nur vor der Schwangerschaft verabreicht worden waren.
Wir setzten daher drei Gruppen weiblicher Ratten 16 Tage, bevor sie trächtig wurden,
einer einzigen Sitzung mit vermeidbaren, unvermeidbaren oder keinen elektrischen
Schlägen aus. Danach wurden keine weiteren experimentellen Manipulationen mehr
vorgenommen. Jene Ratten, die unvermeidbare elektrische Schläge erfahren hatten, hatten einen verlängerten Ovulationszyklus, was erwartungsgemäß auf größeren Streß bei
Unvermeidbarkeit hinwies. Alle Ratten wurden trächtig, warfen Junge und nährten sie,
bis diese mit 21 Tagen entwöhnt wurden. Zwei der fünf Rattenweibchen, die unvermeidbare elektrische Schläge erhalten hatten, starben während der Schwangerschaft, ei103
ne betrübliche, wenn auch nicht überraschende Tatsache, wie wir in Kapitel 8 sehen
werden. Als die Jungen ausgewachsen waren, wurden alle in freier Umgebung getestet.
Der Nachwuchs derjenigen Mütter, die unvermeidbare Schocks versetzt bekommen
hatten, erforschte die freie Umgebung nicht, während die Jungen, deren Mütter vermeidbare oder keine Schocks erfahren hatten, ihre Umgebung lebhaft erkundeten. Als
sie später Schocks durch Hebeldrücken zu entfliehen lernen sollten, schnitt der Nachwuchs – vor allem der männliche Nachwuchs – von Müttern, die unvermeidbare Bedingungen erfahren hatten, tendenziell schlechter ab.
Mütter, die unvermeidbares Trauma erleben, selbst wenn dies vor ihrer Schwangerschaft liegt, können ihre Angst irgendwie auf die nächste Generation übertragen. Wir
wissen nicht, wie dies vor sich geht, aber es gibt zwei mögliche Wirkungsfaktoren:
(a)
Intrauterine Faktoren: unvermeidbarer Schock kann zu Krankheit oder irgendwelchen minimalen und unbekannten, aber dauerhaften abnormen Veränderungen
der Geschlechtshormone führen, die später den Fötus überschwemmen. Darauf
weist auch die Verlängerung des weiblichen Zyklus hin; je stärker der mütterliche
Zyklus ausgedehnt wurde, umso stärkere Schreckreaktionen zeigten die Jungen,
wenn sie untersucht wurden.
(b)
Erziehungsfaktoren: Mütter, die unvermeidbare Schocks erfahren haben, mögen
unfähig oder überängstlich sein und ziehen insofern ihren Nachwuchs schlecht
auf. Diese Untersuchung wurde bisher nicht repliziert, so daß eine Verallgemeinerung der Ergebnisse verfrüht und etwas gewagt ist.
In einer anderen Demonstration der störenden Auswirkungen von Unkontrollierbarkeit
auf sich entwickelnde Organismen setzte P. L. Bainbridge (1973) zwei Gruppen von
Ratten im Alter von ungefähr 50 Tagen der Erfahrung von Diskriminationsproblemen
aus. Die eine Gruppe erhielt eine unlösbare Aufgabe – die Belohnung, Futter, war unabhängig von Reaktionen und Stimuli. Die Diskriminationsaufgabe der zweiten Gruppe
war lösbar – eine Reaktion auf einen angemessenen Reiz führte immer zu Futter, d.h. zu
Verstärkung. Eine dritte Gruppe erhielt keine Diskriminationsaufgaben. Später schnitten
die hilflosen Tiere bei dem Versuch, neue Diskriminationsaufgaben zu lösen und den
Weg durch Labyrinthe zu finden, schlechter ab.
Diese Art von Entwicklungsstudien bei Tieren befinden sich in den Kinderschuhen.
Obwohl eine Fülle von Literatur über die Auswirkungen von Schock, Manipulation,
Nahrungsentzug und Trennung von der Mutter auf Tiere vorliegt, so hat man doch weitgehend die Dimension der Kontrollierbarkeit übersehen. Wenn meine Argumentationskette stimmt, ist der Verlust der Kontrolle über Konsequenzen die entscheidende Manipulation. Jene wenigen Studien, in denen Kontrolle direkt variiert wurde, beschränken
sich nur auf eine begrenzte Kategorie von Konsequenzen. Wenn wir die Auswirkungen
chronischer Hilflosigkeit auf die motivationale Entwicklung aufdecken wollen, müssen
wir vollständig unkontrollierbare mit vollständig kontrollierbaren Umgebungen vergleichen.149

Damit habe ich meine Sichtweise der Entwicklung der Motivation im Kindesalter dargelegt. Die Einstellung eines Kindes oder eines Erwachsenen gegenüber seiner eigenen
Hilflosigkeit oder Kompetenz hat seine Wurzeln in der frühkindlichen Entwicklung.
Wenn ein Kind über einen reichen Vorrat an Erfahrungen effektiver Kontingenzen von
seinen Handlungen und deren Konsequenzen verfügt, entwickelt sich ein Sinn für Bewältigung. Reaktives mütterliches Verhalten ist von grundlegender Bedeutung für den
Aufbau von Kompetenz. Auf der anderen Seite werden die Wurzeln für Hilflosigkeit
gelegt, wenn das Kind die Unabhängigkeit von seinen willentlichen Reaktionen und
Konsequenzen erfahren muß. Die Trennung von der Mutter, Reizverarmung und
104
nichtreaktives mütterliches Verhalten tragen zum Lernen von Unkontrollierbarkeit bei.
Hilflosigkeit hat auf den kindlichen Organismus die gleichen Auswirkungen wie auf
den erwachsenen Organismus: herabgesetzte Motivation zu willentlichem Handeln, die
Schwierigkeit, die Effektivität der eigenen Reaktionen zu erkennen, Ängste und Depression. Da Hilflosigkeit bei einem Kind jedoch eine grundlegende motivationale Einstellung ist, um die sich späteres motivationales Lernen ansiedeln wird, dürfte sie sich noch
viel verheerender auswirken.
Gibt es nun irgendeine praktische Empfehlung für die Kindererziehung, die sich aus
diesen Ergebnissen ableiten ließe? Ich denke ja. Als meine Tochter Amy acht Monate
alt war, gingen meine Frau und ich mit einer Gruppe Studenten auf ein Bier und eine
Pizza in ein kleines Restaurant. Amy saß in ihrem Kinderstühlchen und gluckste vor
sich hin, während wir Erwachsenen über Hilflosigkeit diskutierten. Mitten in der Unterhaltung schlug Amy, offensichtlich gelangweilt, mit beiden Händen auf die metallene
Oberfläche des Kinderstühlchens. Da wir über die Bedeutung von Kontrolle für die
kindliche Entwicklung gesprochen hatten, veranschaulichte ich diesen Punkt, indem ich
in Reaktion auf Amy mit beiden Händen auf die Tischplatte vor mir schlug. Ein strahlendes Lächeln erhellte Amys Gesicht, und sie schlug wieder auf ihren Tisch. Daraufhin
schlugen wir alle auf den Tisch. Amy schlug zurück, herzerfrischend lachend. Wir
schlugen entsprechend auch alle zurück. Dies ging eine halbe Stunde lang so weiter; der
Anblick von acht Erwachsenen und einem Kind, die alle auf den Tisch schlugen, muß
Wirt und Kellnerin sehr verwundert haben.
Wenn das, was gewöhnlich mit Selbstbewußtsein bezeichnet wird, aus einem kindlichen
Sinn für Bewältigung seiner Umgebung erwächst, dann sollten Eltern sich bemühen, mit
ihren Kindern »Kontingenzspiele« dieser Art zu spielen. Warten Sie lieber darauf, daß
das Kind irgendeine willentliche Reaktion ausführt und reagieren sie dann darauf, als
daß sie etwas, was ihr Kind mag, dann anfangen, wenn Sie gerade Lust dazu haben.
Wenn das Kind seine Verhaltensweisen wiederholt und verstärkt, wiederholen und verstärken Sie Ihre. Wenn die hier vertretene Ansicht falsch ist und frühkindliche Erfahrung von Kontingenz unwichtig ist, ist wenig verloren – ein paar Stunden eines bestimmten Spieles mit einem entzückten Kind. Wenn ich jedoch recht habe, werden Eltern, die sich bemühen, sich in den Entwicklungsreigen einzufügen, auf diese Weise das
Gefühl für Bewältigung bei ihrem Kind stärken.
7.3 Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit
in Kindheit und Jugend
Als meine Frau und ich anfingen, unsere Tochter während ihres ersten Lebensjahres
unter der Obhut eines Babysitters allein zu lassen, bemerkten wir, daß Amy, die sonst
immer friedlich gewesen war, zunehmend reizbarer wurde. Wir hatten uns folgende
Strategie angewöhnt: wenn ein Babysitter zum ersten Mal kam, brachte ich ihn mit Amy
zusammen; dann, wenn beide intensiv ins Spiel verstrickt waren, schlichen meine Frau
und ich uns aus dem Haus. Unser Verschwinden würde, wie wir hofften, ein traumatisches Erleben der Trennung vermeiden, bei dem Amy jammerte und protestierte, wie
wir es schon erlebt hatten. Dies schien sicherlich der Weg des geringsten Widerstandes
und ist ein Weg, den viele Eltern beschreiten.
Nachdem wir mehrere Male so verfahren hatten, bemerkten wir bei Amy zunehmende
Ängstlichkeit. Kerry erhob daraufhin Einwände gegen unsere Strategie: »Die Sicherheitssignal-Hypothese macht definitive Vorhersagen in bezug auf das Wegschleichen.«
»Wie das?« fragte ich. »Wenn wir Amy ohne eindeutiges Warnsignal zurücklassen, ist
das wie unvorhersagbarer Schock«, antwortete Kerry. »Amy fängt an, eine ganze Menge Zeit in Angst über eine mögliche Trennung zu verbringen, nachdem sie gelernt hat,
daß es kein Signal für unser Weggehen gibt, daher also auch kein Signal für unsere An105
wesenheit. Wenn wir auf der anderen Seite ein ausführliches und explizites Abschiedsritual durchmachen, wird Amy lernen, daß sie sich ohne das Ritual nicht zu ängstigen
braucht«.
Dies leuchtete mir ein, so daß wir Amy beim nächsten Mal lang und breit erzählten, daß
wir für einige Stunden ausgehen würden, nahmen sie und den Babysitter mit zum Auto,
winkten, tauschten Küsse und Zärtlichkeiten aus und ließen sie das Auto wegfahren sehen. Amy verstand genug, um zu weinen und zu protestieren, aber wir fuhren trotzdem
und haben dieses Ritual seither immer eingehalten. Übrigens ist Amy jetzt, im Alter von
fünf Jahren, ein ruhiges Kind, das sich überhaupt keine Sorgen darüber macht, daß ihre
Eltern sie verlassen könnten. Der Leser mag sich fragen, wie wir dieses Ergebnis experimentell absichern wollen. Faktisch könnten wir, da wir inzwischen ein zweites Kind
im entsprechenden Alter haben, zur Kontrolle das »Wegschleich«-Verfahren durchführen. Aber da unsere Methode so gut zu funktionieren schien, werden wir darauf wohl
verzichten.
Kleine Kinder machen alle möglichen traumatischen Erfahrungen – zum Zahnarzt gehen, Abreise der Eltern, subkutane Injektionen. Ich würde erwarten, daß das Kind in
dem Maße Ängste entwickelt, in dem diese Erfahrungen unangekündigt erfolgen, weil
das Kind durch nichts erfährt, wann es sicher ist. In dem Maße, in dem das Ereignis angekündigt wird und auch tatsächlich eintritt (»Das wird jetzt weh tun«), wird das Kind
lernen, daß es sicher ist, wenn die Mutter sagt »das tut nicht weh« oder gar nichts sagt.
Ich werde darauf noch zurückkommen, wenn ich zur Frage der Selbsteinschätzung
Stellung nehme.
7.3.1
Das Klassenzimmer
Kontrollierbarkeit und Hilflosigkeit spielen in den Begegnungen des Kindes mit unserem Erziehungssystem eine Hauptrolle. Die Schule stellt fast für jedes Kind eine mühsame Erfahrung dar, und gleichzeitig mit Lesen, Schreiben und Rechnen lernt das
Schulkind, wie ich glaube, genau, wie hilflos oder wie effektiv es ist. J. Kozol hat in einem der bewegendsten Bücher über die Erziehung in den sechziger Jahren DEATH AT
AN EARLY AGE Hilflosigkeit im Klassenzimmer beschrieben:
Der Junge war als Sonderschüler etikettiert worden, aufgrund seines
gemessenen IQ, und er war infolgedessen nach der Erwartung der
meisten Lehrer nicht innerhalb eines normal großen Klassenverbandes zu unterrichten. Auf der anderen Seite gab es angesichts der
Überfüllung der Schule und des Mangels an Sonderschullehrern keinen Platz für ihn in einer unserer Sonderschulklassen. Außerdem –
aufgrund der fehlenden Bereitschaft unseres Schulsystems, Negerkinder in andere Schuldistrikte zu fahren – konnte er nicht in eine
Klasse einer anderen Schule gehen, in der Platz gewesen wäre. Die
Konsequenz all dessen – entsprechend den Gegebenheiten des Systems – war, daß er ein volles Jahr meist ungesehen und praktisch
vergessen in seiner Klasse bleiben mußte, mit nichts anderem beschäftigt als dahin zu vegetieren, Unruhe zu stiften, zu tagträumen
oder einfach still zu verfallen. Er fühlte sich nicht wohl. Seine Verhaltensstörung war offensichtlich, und es war unmöglich, sie zu
übersehen. Er lachte über unvorstellbare Kleinigkeiten bis zu Tränen. Wenn man nicht genau hinsah, schien es oft, als lachte er über
rein gar nichts. Manchmal lächelte er verklärt, mit einem Ausdruck
reiner Ekstase. Gewöhnlich galt dies irgendeiner Nichtigkeit: einem
kleinen Punkt auf seinem Finger oder einer imaginären Wanze auf
dem Fußboden. Der Junge hatte einen großen Kopf und sehr glasige,
106
rollende Augen. Eines Tages brachte ich ihm ein Buch mit über die
Geschichte eines kleinen französischen Jungen, dem auf dem Schulweg ein roter Luftballon folgte. Er saß da und schaukelte mit dem
Kopf vor und zurück und lächelte darüber. Häufiger schien er zu
schmollen oder wimmerte und weinte. Er weinte beim Schreiben,
weil ihm Schreiben einfach nicht beizubringen war. Er weinte beim
Lesen, weil er einfach nicht lesen lernen konnte. Er weinte, weil er
keine Wörter mit mehreren Silben aussprechen konnte. Er kannte
das Einmaleins nicht. Er konnte nicht subtrahieren und nicht dividieren. Er war, wie ich weiterhin glaubte, durch einen Verwaltungsfehler solchen Ausmaßes in dieser vierten Klasse, daß es manchmal
wie ein schlechter Scherz schien. Er war selbst ein Witz, das war so
offensichtlich, daß es schwer war, ihn nicht komisch zu finden. Die
Kinder in seiner Klasse fanden ihn lustig. Sie lachten den ganzen Tag
über ihn. Manchmal lachte er mit ihnen, da es durchaus möglich ist,
selbst über unser eigenes Elend als eine Art verzweifelten Witz zu lachen, wenn wir keine andere Wahl haben. Oder aber er fing an zu
schreien. Sein Lehrer wandte sich einmal an mich und sagte sehr
offen und ehrlich: »Es ist ganz einfach unmöglich, ihn zu unterrichten.« Und die Wahrheit ist in diesem Falle natürlich, daß der Lehrer
ihn nicht unterrichtete; er war ja nie richtig unterrichtet worden.150
Kozol gelang es, ihn zu unterrichten, indem er ihn unter seine Fittiche nahm und ihm
Sonderschulunterricht erteilte.
Was oft als Retardation oder Intelligenzdefizit weitergeführt wird, kann das Ergebnis
gelernter Hilflosigkeit sein. Das Kind hat gelernt, daß es mit keiner einzigen Verhaltensweise Erfolg haben wird, wenn englische Vokabeln an der Tafel erscheinen. Wenn
es weiter zurückfällt, vertieft sich die Hilflosigkeit. Seine Intelligenz, egal wie hoch sie
ist, kann sich nicht auswirken, wenn das Kind glaubt, daß seine eigenen Handlungen
ohne Wirkung bleiben.
Mit zwei Hilfosigkeitsexperimenten an Schulkindern wurde das Problem im Laboratorium angegangen. Das erste Experiment machte deutlich, daß bei Schulkindern eine von
Hilflosigkeit geprägte Lerneinstellung induziert werden kann. Der Begriff der Lerneinstellung wird in der vergleichenden Psychologie häufig verwendet, um den Erwerb von
Lernstrategien zu erfassen.151 In einem typischen Experiment stehen ein junger Affe
oder ein Kind den Bedingungen einer Diskriminationsaufgabe mit zwei Alternativen
gegenüber. Auf der einen Seite liegt irgendein alter Plunder – z.B. ein Löffel –, auf der
anderen Seite irgendein anderer wertloser Gegenstand – z.B. ein Taschentuch. Das Kind
nimmt dann einen Gegenstand auf – z.B. den Löffel. Ist diese Wahl richtig, bekommt es
ein Micky Maus-Heft. War die Entscheidung falsch, bekommt es nichts. Durch Versuch
und Irrtum lernt das Kind im Verlauf von zehn oder zwanzig Durchgängen, immer nach
dem Löffel zu greifen. Danach folgt die zweite Aufgabengruppe: die Wahl einer Büchse
wird belohnt, die eines Glases nicht. Schließlich lernt das Kind, immer nach der Büchse
zu greifen. Nach vielen derartigen Aufgabengruppen wird das Kind etwas generelleres
als »Büchsen und Löffel sind richtig« lernen. Es wird eine kognitive Strategie lernen:
wenn der Gegenstand, der beim ersten Mal ergriffen wurde, verstärkt wird, bleib dabei;
wenn er falsch ist, wechsle sofort zum anderen über und bleib dabei.152 Wenn das Kind
einmal diese Strategie gelernt hat, wird es nach dem ersten Durchgang jeder neuen Aufgabe immer richtig reagieren und ist nicht mehr auf Versuch-und-Irrtum-Lernen angewiesen.
R. A. O’Brien (1967) fügte diesem Versuchsplan zur Untersuchung der Lerneinstellung
eine Hilflosigkeitskontingenz hinzu. Eine Gruppe von Kindergartenkindern erhielt eine
Serie lösbarer Objektwahlaufgaben. Eine andere, hilflose Gruppe bekam eine lange
107
Reihe von Aufgabengruppen vorgelegt, bei denen die Verstärkung unabhängig von der
Reaktion des Kindes erfolgte; infolgedessen konnte als einzige kognitive Strategie gelernt werden, daß »Reagieren ohne Wirkung ist«. Eine dritte Gruppe erhielt keine Aufgaben. Anschließend wurden alle Gruppen mit einer Reihe lösbarer Aufgaben konfrontiert, um die Lerneinstellung zu testen. Die hilflose Gruppe lernte mit Abstand am langsamsten, dann folgte die Gruppe ohne Vorerfahrung, während die Gruppe, die bereits
die Erfahrung lösbarer Aufgaben gemacht hatte, die neuen Aufgaben am schnellsten
bewältigte.
Dies weist darauf hin, daß der Erwerb kognitiver Strategien in der Art, wie sie für akademischen Erfolg notwendig sind, ernsthaft verzögert werden kann, wenn man lernt,
daß eigene Reaktionen keine Lösung herbeiführen. Wenn ein Kind in der Schule versagt, mag es die Erkenntnis ausbilden, daß seine Antworten generell unwirksam sind.
Glücklicherweise sieht man gewöhnlich eher Kinder, die zwar in der Schule versagen,
aber nicht in anderen Lebensbereichen. Kinder können zwischen Hilflosigkeitsbedingungen diskriminieren: das Kind fühlt sich im Klassenzimmer, bei einem bestimmten
Lehrer oder in bezug auf ein bestimmtes Fach hilflos. Viele meiner in anderer Hinsicht
ausgezeichneten Studenten werden beim Anblick einer mathematischen Gleichung wie
gelähmt. Außerhalb des Klassenzimmers, unter anderen Lehrern oder in einem anderen
Fach als Mathematik kann sich der Schüler wieder kompetent fühlen.
C. S. Dweck und N. D. Repucci (1973) haben solche diskriminative Hilflosigkeit im
Klassenzimmer nachgewiesen. 40 Fünftklässler bekamen von zwei verschiedenen Lehrern lösbare und unlösbare Wahrnehmungsaufgaben gestellt. Zuerst gab der eine Lehrer
nur lösbare Aufgaben und der andere nur unlösbare. Anschließend erhielten die Kinder
lösbare Probleme von dem Lehrer gestellt, der zuvor unlösbare Aufgaben gestellt hatte.
Es gelang ihnen nicht, diese Aufgaben zu bewältigen – selbst wenn sie mit jenen identisch waren, die sie kurz zuvor bei dem anderen Lehrer gelöst hatten. Ein Kind kann also zwischen Bedingungen diskriminieren lernen und lernt zu glauben, daß es unter bestimmten Bedingungen hilflos ist, aber nicht unter anderen. Wird es unter der falschen
Bedingungskonstellation mit einem lösbaren Problem konfrontiert, wird es weit unter
seiner Leistung abschneiden.
Diese diskriminative Hilflosigkeit kann mit gewissen (wenn auch nicht allen) Formen
von Leseschwäche in Beziehung stehen. P. Rozin übernahm mit einigen Studenten eine
Klasse von Kindern aus städtischem Milieu mit schweren Leseschwächen.153 Als er ihnen Englischlesen beizubringen versuchte, versagten die Kinder durchweg in gleicher
Weise wie bei ihren regulären Englischlehrern. Eines Tages brachte Dr. Rozin einen
Satz chinesischer Schriftzeichen mit in die Klasse und sagte den Kindern, daß jedes
Schriftzeichen für ein gesprochenes englisches Wort stehe. Innerhalb von Stunden
konnten die Kinder ganze Abschnitte auf »chinesisch« lesen. Die Fähigkeit zum Lesen
war offensichtlich vorhanden, aber durch irgendetwas blockiert. Rozin vermutete, daß
die Assoziation eines ganzen Wortes mit einem Schriftzeichen für die Kinder kognitiv
leichter aufzunehmen war als die übliche Assoziation eines Lautes mit einem Buchstaben oder einer Buchstabengruppe. Wenn das jedoch bereits das ganze Geheimnis war,
warum hatten dann die Kinder solche Schwierigkeiten, ganze geschriebene englische
Worte mit gesprochenen Worten zu assoziieren? Ich fürchte, daß hier diskriminative
Hilflosigkeit eine wichtige Rolle spielte. Die Kinder hatten durch wiederholte Mißerfolge gelernt, daß sie nicht englisch lesen konnten. Das geschriebene englische Wort kontrollierte wie die mathematische Gleichung bei meinen eloquenten Studenten diskriminativ ihre Hilflosigkeit. Als geschriebenes »Chinesisch« das geschriebene englische
Wort ersetzte, wußten die Kinder nicht, daß sie gerade Leseunterricht hatten. Ihre natürlichen Fähigkeiten konnten sich daher unbeeinträchtigt von gelernter Hilflosigkeit
entfalten.
108
C. S. Dweck (1973) gelang es, gelernte Hilflosigkeit abzubauen, die zehn- bis dreizehnjährige Schüler beim Rechnen zeigten. Sie wählte von den 750 Schülern zweier
Volksschulen in New Haven zwölf Schulversager aus, die ihr am hilflosesten erschienen. Diese Kinder waren bekannt dafür, wie rasch sie aufgaben und in den Raum starrten, wenn sie bei Rechenaufgaben versagten. Dweck verteilte die Kinder auf zwei Behandlungsgruppen, eine Gruppe, die nur Erfolge erlebte (NE: Nur-Erfolg) und eine
Gruppe, die ihre Attribution verändern sollte (AT: Attributionstraining). Dann unterwarf
sie beide Gruppen 25 Tage lang einem speziellen Training. Die NE-Gruppe erhielt immer nur Rechenaufgaben, die sie erfolgreich bewältigen konnte – Mißerfolge wurden
vermieden oder durch die Aufgabenwahl verschleiert. Die Kinder der AT-Gruppe erhielten die gleichen einfachen Aufgaben, aber zweimal pro Tag auch Aufgaben, die
über ihren Fähigkeiten lagen. Wenn sie versagten, wurde ihnen gesagt: »Die Zeit ist um.
Du bist nicht rechtzeitig fertig geworden. Du solltest drei Aufgaben schaffen, aber du
hast nur zwei gelöst. Das heißt, daß du dich mehr hättest anstrengen müssen.« Die Kinder wurden mit anderen Worten geschult, Mißerfolge ihren eigenen ungenügenden Anstrengungen zuzuschreiben. Nach diesem Attributionstraining wurden beide Gruppen
auf ihre Reaktion auf Mißerfolg bei neuen Rechenaufgaben untersucht. Die NE-Gruppe
gab weiterhin völlig auf, wenn sie einen Mißerfolg erlebte. Die Schüler der AT-Gruppe
zeigten in deutlichem Gegensatz dazu keine Beeinträchtigung nach einem Mißerfolg,
sondern verbesserten sogar ihre Leistungen und zeigten weniger Prüfungsangst.
Dies ist ein wichtiges Experiment. Es weist darauf hin, daß durch Schulversagen verursachte Hilflosigkeit selbst in scheinbar aussichtslosen Fällen rückgängig gemacht werden kann. Die entscheidende Manipulation bestand darin, den Schulkindern beizubringen, Mißerfolg dadurch zu bewältigen, daß sie ihn der eigenen unzureichenden Anstrengung zuschrieben. Eine derartige Attribution ersetzt die Überzeugung des hilflosen
Kindes, daß es versagt, weil es einfach nichts tun kann. Auf der anderen Seite bleibt das
Kind bei der Erfahrung wiederholten Erfolges, durch den Mißerfolg vermieden oder
verschleiert wird, in seiner Hilflosigkeit oder wird noch darin verstärkt. Um Hilflosigkeit im Klassenzimmer rückgängig zu machen, ist es notwendig, einige Mißerfolge zu
erfahren und dann eine Methode zu entwickeln, diese zu bewältigen.
Der Mangel an Erfahrung, mit Mißerfolgen fertig zu werden, führt nicht nur in Volksschulklassen zu Hilflosigkeit, sondern auch auf höherer Ebene des Bildungssystems.
Wenn ein junger Erwachsener keine Erfahrung mit der Bewältigung von Angst und Frustration sammeln konnte, wenn er niemals versagte und damit fertig wurde, wird er
nicht fähig sein, Mißerfolg, Langeweile und Frustration in entscheidenden Situationen
zu bewältigen. Zu viel Erfolg, zu viel Verwöhnung machen ein Kind hilflos, wenn es
schließlich mit seinem ersten Mißerfolg konfrontiert wird. Erinnern Sie sich an das
»Sonntagskind«, das auf der Universität zurückfiel, als es feststellen mußte, daß ihm Erfolge nicht so selbstverständlich in den Schoß fielen wie auf der Oberschule.
Jedes Jahr entschließen sich einige gute Studenten im zweiten Semester, in meinem Laboratorium ein Projekt durchzuführen. Jedes Jahr warne ich jeden einzelnen, daß Experimentieren nicht so faszinierend ist wie sie vielleicht glauben: Experimentieren heißt
sieben Tage in der Woche, über endlose Monate hinweg zu kommen, endlose, langweilige Datenlisten durchzuschauen; es heißt zu erleben, daß die Anlage mitten im Versuchsdurchgang ausfällt. Jedes Jahr gibt die Hälfte der Studenten mitten in ihrem Experiment auf. Es mangelt ihnen nicht an Intelligenz, Vorstellungskraft oder Denkvermögen. Was ihnen fehlt, und zwar grundsätzlich fehlt, ist ein Sinn für das Ziel. Sie verfügen über eine »Sesamstraßen«-ähnliche Perspektive von Erziehung, die sie unangemessen auf Hochschulebene übertragen: »wenn etwas nicht prickelnd, aufregend, farbig ist,
mache ich es nicht.« Das Gefühl für ein Ziel, das für wissenschaftliche Forschung ebenso notwendig ist wie für einen kreativen Akt, besteht in einer Fähigkeit, Mißerfolge,
Frustration und vor allem Monotonie zu tolerieren. Wenn eine Forschung leicht, schil109
lernd und prickelnd wäre, hätte sie längst ein anderer gemacht. Die einzige wirkliche
innere Befriedigung tritt erst am Ende des Experimentes ein.
Ich bin überzeugt, daß viele meiner »Versager« aufgrund zu vieler Erfolge unzureichende Bewältigungsmechanismen entwickelt haben. Ihre Eltern und ihre Lehrer
machten ihnen die Dinge aus einem falschverstandenen Gefühl von Liebe heraus viel zu
leicht. Wenn eine Literaturliste zu lang war und der Student dagegen protestierte, kürzte
sie der Lehrer – anstatt den Studenten zusätzliche Arbeitsstunden aufwenden zu lassen.
Wenn der Teenager wegen mutwilliger Zerstörung aufgegriffen wurde, bürgten die Eltern für ihn – anstatt ihr Kind selbst herausfinden zulassen, daß seine Handlungen ernste
Konsequenzen haben. Solange ein junger Mensch nicht mit Angst, Monotonie, Schmerz
und Schwierigkeiten konfrontiert wird und diese durch sein Verhalten bewältigt, wird er
nur ein sehr dürftiges Gefühl für seine eigene Kompetenz entwickeln. Selbst auf hedonistischer Ebene tut man Kindern keinen Gefallen damit, sie um Schwierigkeiten herumzuführen. Aus Hilflosigkeit resultiert Depression. Auch für das Selbstbewußtsein hat
es verheerende Folgen, den Weg zu sehr zu ebnen. Ich bin kein schrulliger alter Erzieher, aber ich möchte für einige Richtlinien plädieren. Zu einer Zeit, da Studenten gegen
Noten, lange Literaturlisten und Konkurrenzkampf protestieren, möchte ich die Hypothese aufstellen, daß nur dann Selbstbewußtsein entsteht, wenn ein Individuum seinen
Fähigkeiten einen hohen Maßstab setzt und diesen erreicht. Wenn solche Maßstäbe verschwinden, werden die Studenten verlieren, was sie selbst am meisten wünschen – einen
Sinn für ihren eigenen Wert. S. Cooper-Smith (1967) folgerte aus einer ausgedehnten
statistischen Untersuchung über Selbsteinschätzung und deren Antezedenzien, daß Kinder mit hohem Selbstwertgefühl aus einem Milieu mit klaren und eindeutig explizierten
Normen kamen, während Kinder mit niedrigem Selbstwertgefühl nicht über solche
Normen verfügten, an denen sie sich selbst messen konnten.154
Ein Gefühl für Wert, Bewältigung oder Selbstwert wird nicht geschenkt. Es kann nur
verdient werden. Wird es geschenkt, verliert es seinen Wert und hört auf, zur Würde des
Individuums beizutragen. Wenn wir die Hindernisse, Schwierigkeiten, Ängste und
Konkurrenzkämpfe dem Leben unserer jungen Menschen fernhalten, werden wir keine
Generationen junger Menschen mehr sehen können, die ein Gefühl für Würde, Macht
und Wert haben.
7.3.2 Armut
Abschließend möchte ich noch Überlegungen über die Beziehung zwischen Hilflosigkeit und Armut anstellen. Es wäre zu einfach, Armut mit Hilflosigkeit gleichzusetzen.
Ein jährliches Einkommen von 6000 Dollar anstatt 12.000 Dollar ruft noch nicht automatisch Hilflosigkeit hervor. Das Leben armer Menschen ist voller Momente von Mut,
Überzeugung in die Wirksamkeit ihrer Handlungen und persönlicher Würde. Aber ein
niedriges Einkommen schränkt die Entscheidungsfreiheit ein und setzt einen armen
Menschen häufig der Unabhängigkeit von Konsequenz und eigenem Bemühen aus. Extreme, erdrückende Armut ruft Hilflosigkeit hervor, und es ist selten der Fall, daß jemand trotz dieser Armut ein Gefühl für Kompetenz bewahren kann. Ein Kind, das in
solcher Armut aufwächst, wird in beträchtlichem Ausmaß Unkontrollierbarkeit ausgesetzt. Wenn es schreit, damit man ihm die Windel wechselt, ist seine Mutter möglicherweise nicht da – oder ist, wenn sie da ist, möglicherweise zu erschöpft oder zu ausgelaugt, um zu reagieren. Wenn es hungrig ist und nach Nahrung verlangt, kann es ignoriert oder sogar geschlagen werden. In der Schule wird es sich oft hintenan finden, verwirrt und sogar von seinen Kameraden gehänselt.
E. C. Banfield (1958) beschreibt in eindringlicher Schärfe das unkontrollierbare Los
süditalienischer Bauern:
110
Was für andere ein Mißgeschick ist, bedeutet für sie Elend. Als ihr
Schwein sich in seiner Leine erhängte, waren der Bauer und seine
Frau verzweifelt. Die Frau raufte sich die Haare und schlug ihren
Kopf gegen die Hauswand, während ihr Mann stumm und niedergeschmettert in einer Ecke saß. Der Verlust des Schweins bedeutete,
daß sie im Winter kein Fleisch haben würden, kein Fett, um es aufs
Brot zu streichen, nichts, was sie verkaufen könnten, um Steuern
und Miete zu zahlen und keine Chance, im nächsten Frühling ein
Ferkel zu erwerben. Solche Schläge können jederzeit fallen. Felder
können bei einer Überschwemmung weggewaschen werden, Hagel
kann die Saat zerschlagen, Krankheit kann zuschlagen. Ein Bauer
zu sein heißt, diesen Möglichkeiten hilflos gegenüber zu stehen.
Diese Bedingungen objektiver Hilflosigkeit haben ihre kognitiven
Konsequenzen, die hinwiederum die Motivation zu willentlichem
Handeln verringern:
Die Vorstellung, daß das eigene Wohlergehen entscheidend von Bedingungen außerhalb der eigenen Kontrolle abhängt – von Glück
oder der Laune eines Heiligen – ... diese Vorstellung dürfte sicherlich
die eigene Initiative hemmen. Ihr Einfluß auf das Wirtschaftsleben ist
offensichtlich: ein Mensch, der in einer so launenhaften Welt lebt,
wird wahrscheinlich nichts in der Erwartung späteren Gewinns sparen oder investieren. Auch auf die Politik dürfte sich eine solche Einstellung auswirken. Wenn alles von Glück und göttlicher Fügung
abhängt, gibt es keinen Anlaß zu gesellschaftspolitischen Initiativen.
Die Gemeinschaft wie das Individuum mag hoffen oder beten, aber
wird wahrscheinlich ihr Schicksal nicht in die eigenen Hände nehmen.155
K. A. Clark (1964) beschreibt in ähnlicher Weise Hilflosigkeit, Machtlosigkeit und
Armut in Harlem:
Kurz gesagt, ist das Ghetto Harlem die institutionalisierte Ohnmacht.
Harlem setzt sich zusammen aus dem gärenden Ferment sozialer
Zustände, Verdruß, Stagnation und potentiell explosiver Reaktionen
auf Ohnmacht und kontinuierliche Mißstände. Die Ohnmacht des
Individuums und der Gemeinschaft spiegelt sich in steigender Abhängigkeit und der Schwierigkeit, auch die versteckte Macht zu mobilisieren, um gegen den schamlosesten Mißbrauch vorzugehen, wider. Unbeweglichkeit, Stagnation, Apathie, Gleichgültigkeit und Fatalismus gehören zu den offensichtlichen Konsequenzen individueller
und gesellschaftlicher Unfähigkeit. Zufallsgerichtete Feindseligkeit,
Aggressivität, Selbsthaß, Mißtrauen, brodelnde Unruhe und chronische individuelle und soziale Spannungen reflektieren ebenfalls
selbstzerstörerische und unangepaßte Reaktionen auf ein durchdringendes subjektives Gefühl und die objektive Tatsache der Ohnmacht.
Es ist banal, darauf hinzuweisen, daß Armut sich negativ auf Kinder und andere Lebewesen auswirkt. Leicht übersehen wird jedoch die Möglichkeit, daß viele Aspekte von
Armut durch ihre Auswirkungen beitragen, Hilflosigkeit hervorzurufen. Psychologische
Erklärungen werden häufig vernachlässigt, solange auf ökonomische und politische Erklärungen zurückgegriffen werden kann. Ökonomische und politische Faktoren können
jedoch ihre Wirkungen nur über Vermittlungsprozesse entfalten. Wirtschaftshistoriker
weisen gewöhnlich darauf hin, daß die Inflation der dreißiger Jahre zu Selbstmorden
111
veranlaßte. Eine derartige Erklärung ist notwendigerweise unvollständig: Kapital oder
Kapitalmangel können keine unmittelbare Ursache für Selbstmord darstellen; es muß
einen psychischen Zustand – wie z. B. Depression – geben, der hinwiederum zu Selbstmordabsichten führt. Ähnlich ist Armut allein keine ausreichende Erklärung für gesetzwidriges Verhalten. Wie wirkt sich Armut psychologisch aus, um Stagnation, Feindseligkeit und Bindungsunfähigkeit herbeizuführen? Ich vermute, daß Armut neben allen
anderen Auswirkungen die häufige und intensive Erfahrung von Unkontrollierbarkeit
bedeutet; Unkontrollierbarkeit verursacht Hilflosigkeit, und diese führt zu der Depression, der Passivität und dem Defätismus, die so oft mit Armut ein hergehen.
Der Wohlfahrtsstaat jedoch fügt in bester Absicht der durch Armut hervorgerufenen
Unkontrollierbarkeit noch Unkontrollierbarkeit hinzu; dieses System untergräbt die
Würde seiner Empfänger, da deren Handlungen nicht mehr Quellen des eigenen Lebensunterhaltes sind. Ein kleines Kind, das man zu früh allein auf die Straße läßt, entwickelt manchmal starke Bewältigungsgefühle, indem es seine Situation meistert; aber
weit öfter findet es sich in Situationen außerhalb seiner Kontrolle wieder.
Ein anderer, Unkontrollierbarkeit steigernder Faktor, der auch häufig mit Armut assoziiert wird, ist Überbevölkerung.156 J. Rodin spekuliert, daß eine Konsequenz von
Überbevölkerung und dadurch von urbaner Verarmung in gelernter Hilflosigkeit besteht. Um dies zu überprüfen, wählte sie 32 schwarze Jungen zwischen sechs und neun
Jahren aus einem New Yorker Wohnprojekt aus. Diese Kinder unterschieden sich hinsichtlich der Anzahl der Menschen, mit denen sie identische Dreizimmerwohnungen
teilten – es waren zwischen drei und zehn Menschen, die in jeder Einheit lebten. Die
Kinder unterschieden sich nicht hinsichtlich ihres IQ, der näheren Umgebung, ihrer
Schicht bzw. des Einkommensstandes ihrer Eltern. Sie wurden einem Plan operanter
Verstärkung ausgesetzt, nach dem sie unmittelbar mit Murmeln belohnt wurden, die sie
später in Süßigkeiten verschiedener Marken eintauschen konnten. In der entscheidenden
Phase der Untersuchung konnten die Jungen, die genug Murmeln verdient hatten, die
Süßigkeit, die sie wollten, entweder selbst aussuchen oder den Versuchsleiter bitten, für
sie zu wählen. Kinder, die nur mit einem oder zwei anderen Menschen zusammenlebten, wollten sich durchweg die Süßigkeiten selbst aussuchen. Je mehr Menschen mit
dem Kind zusammenlebten, desto eher überließ es die Entscheidung dem Versuchsleiter. Rodin stellte die Hypothese auf, daß Überbevölkerung ein Gefühl der Hilflosigkeit
erzeugt, das den Wunsch oder die Fähigkeit des Kindes untergräbt, aktiv Entscheidungen zu fällen.
Um das Verhältnis zwischen Überbevölkerung und Hilflosigkeit weiter zu untersuchen,
führte Rodin ein Experiment durch, dessen Versuchsplan unserem Experiment über das
Verhältnis zwischen Depression und Hilflosigkeit gleicht (vgl. S. 82). Wie bei der ersten Studie wurden vier Gruppen von Kindern aus vergleichbaren Lebensbedingungen
ausgewählt; die eine Hälfte lebte mit vielen anderen Menschen zusammen in einer
Wohnung, die andere Hälfte mit wenigen. Jeweils einer Hälfte dieser Gruppen wurden
lösbare, der anderen Hälfte unlösbare Aufgaben vorgelegt. Anschließend wurden alle
Kinder mit einem neuen, lösbaren Problem getestet. Kinder, die in überfüllten Wohnungen lebten und mit unlösbaren Aufgaben konfrontiert worden waren, schnitten bei der
neuen Aufgabe bei weitem am schlechtesten ab; dann folgten die Kinder, die in nicht
überfüllten Wohnungen lebten und zuvor unlösbare Aufgaben erhalten hatten. Interessant ist, daß dann, wenn die ersten Aufgaben lösbar gewesen waren, sowohl Kinder aus
überfüllten als auch aus nicht überfüllten Wohnungen gute Leistungen zeigten. Die Erfahrung einer Bewältigung hob – zumindest vorübergehend – die Auswirkungen des
Lebens in überfüllten Wohnungen auf. Es scheint, als ob sich das Aufwachsen von Kindern in überfüllten Wohnungen, wie Rodin es erfaßte, in der gleichen Art und Weise
auswirkt wie Depression bei Erwachsenen: es setzt die kognitive Leistungsfähigkeit
herab, kann aber durch die Erfahrung von Bewältigung rückgängig gemacht werden. In
112
diesem Zusammenhang ist wahrscheinlich das Ergebnis von D. J. Goeckner und seinen
Mitarbeitern (1973) von Bedeutung, daß Ratten, die in überfüllten Käfigen aufgezogen
wurden, versagten, wenn sie elektrischen Schlägen entfliehen oder diese vermeiden sollten.157 Diese Ergebnisse lassen zusammen mit denen von Rodin und Miller158 annehmen, daß Überbevölkerung Depression und Hilflosigkeit hervorruft.
Die intellektuellen Leistungen armer schwarzer amerikanischer Kinder liegen unter der
Norm. Häufig ist behauptet worden, daß dies auf einen genetisch bedingt niedrigen IQ
zurückzuführen sei.159 Meine Vermutung ist, daß damit nicht alles gesagt ist und daß die
Defizite stärker umgebungsabhängig sind als manche gegenwärtig meinen. Sowohl der
IQ als auch schulische Leistungen können durch Hilflosigkeit gesenkt werden. Wie ich
in meiner Diskussion über bei Depressiven erniedrigte IQ-Werte erwähnte, ist erfolgreiche kognitive Leistung von zwei Bedingungen abhängig: angemessene kognitive Fähigkeiten und Leistungsmotivation. In dem Maße, in dem ein Kind davon überzeugt ist,
daß es hilflos ist und daß Erfolg unabhängig von seinen willentlichen Reaktionen ist,
wird es weniger zu solchen kognitiven Leistungen – wie z.B. sein Gedächtnis abtasten
oder im Geiste addieren – bereit sein, was zu hohen IQ-Werten und erfolgreichen schulischen Leistungen führen würde. Keine mir bekannte Untersuchung hat eine solche
Überzeugung in die eigene Hilflosigkeit als eine Ursache für die niedrigeren IQ-Werte
und die schlechteren schulischen Leistungen schwarzer amerikanischer Unterschichtskinder widerlegt.
Uri Bronfenbrenner (1970) konzentrierte sich auf eine ähnliche Variable:
Die Beobachtungen von Deutsch weisen darauf hin, daß der Mangel
an Ausdauer nicht nur eine Unfähigkeit zur Konzentration widerspiegelt, sondern auch ein Motivationsdefizit und eine Einstellung
von Fatalismus bei der Wahrnehmung von Schwierigkeiten. Er berichtet in diesem Zusammenhang (Deutsch, 1960, S. 9): »Immer wieder
wird das Kind unter Experimentalbedingungen bei Aufgaben, die ihm
der Lehrer stellt, aufgeben, sobald es bei dem Versuch, diese Aufgaben zu lösen, auf irgendeine Schwierigkeit stößt. Nachträglich befragt, wird das Kind typischerweise antworten: ›was soll’s‹ oder ›wen
kümmert’s‹ oder ›was macht’s schon‹. In der Kontrollgruppe (weiße
Kinder aus ›ähnlichem sozioökonomischem Milieu‹) herrschte ein offensichtlicher Wettbewerbsgeist, und die Kinder drückten explizit die
Erwartung aus, daß eine richtige Antwort ›belohnt‹ wurde. Im allgemeinen war diese Erwartung in der Experimentalgruppe nur selten
vorzufinden und wurde nicht durchgängig oder verständlich von den
Lehrern verstärkt«.
Deutschs Beobachtungen werden durch eine Reihe von Untersuchungen, die T. F. Pettigrew (1964) zitiert, bestätigt; diese Studien zeigen, daß »Negerkinder der Unterschicht
im Schulalter typischerweise ›den Kampf aufgeben‹ und ungewöhnlich schwache Leistungsmotivation zeigen.«
In einem nüchternen und bewegenden Bericht über die Erziehung schwarzer Kinder
kommt T. Sowell (1972), ein bekannter Wirtschaftswissenschaftler, genau diesem Argument nahe. Er skizziert seinen eigenen akademischen Werdegang als schwarzes Kind
in den Südstaaten und in New York. Nahezu täglich wurde ihm vermittelt, daß er dumm
sei und wenig Erfolg zu erwarten habe. Er war eine selten rebellische Persönlichkeit, die
diese Überzeugung von der eigenen Hilflosigkeit nicht annahm. Aber er argumentiert,
daß viele andere Schwarze diese Überzeugung übernehmen und daß aufgrund dieser
Überzeugung von der eigenen Hilflosigkeit Schwarze angesichts akademischer Probleme nicht die gleiche Ausdauer bewiesen wie Weiße. Ein solcher Prozeß könnte leicht
zur Erklärung der IQ-Unterschiede herangezogen werden. Wenn eine Überzeugung von
113
der eigenen Hilflosigkeit in der heutigen Zeit ein zentrales Problem von Rassenzugehörigkeit und Armut darstellt, ergeben sich daraus Implikationen für das Unterbrechen
dieses Circulus vitiosus der Armut.
G. Gurin und P. Gurin (1970) führen die allgemein vertretene Hoffnung an, daß wir
inzwischen in einer Phase wachsender Möglichkeiten für die Armen und die Schwarzen
leben. Ihrer Warnung nach könnte es jedoch sein, daß schwarze Unterschichtsangehörige nicht in der Lage sind, von den steigenden wirtschaftlichen Möglichkeiten zu profitieren, weil sie durchweg überzeugt sind, daß Konsequenzen nicht unter ihrer Kontrolle
sind. Dies entspricht genau den paradigmatischen Experimenten zur gelernten Hilflosigkeit: Menschen, Hunde und Ratten lernen zuerst, daß Erleichterung unkontrollierbar
ist. Anschließend wird diese Erleichterung faktisch erreichbar, weil der Forscher die
Bedingungen verändert hat; aber aufgrund ihrer Erwartungen, daß Erleichterung und
Reaktion unabhängig voneinander sind, haben Versuchspersonen bzw. Versuchstiere
Schwierigkeiten, eine neue, optimistischere Erwartungshaltung auszubilden. Wenn sich
diese Argumentation als richtig erweist, wird wiederholte Erfahrung von Erfolg zusammen mit wirklichen Veränderungen der Möglichkeiten notwendig, um den Circulus
vitiosus der Armut zu durchbrechen. Es ist entscheidend, daß diese Erfolge von den
Armen als Konsequenz ihrer eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen wahrgenommen
werden und nicht als Konsequenz des Wohlwollens anderer.
Historiker haben uns auf die »Revolutionen wachsender Erwartungen« aufmerksam
gemacht.160 Wenn die unteren Bevölkerungsschichten niedergeworfen werden, besteht eine geringe Tendenz zu revolutionären Handlungen; wenn Menschen jedoch
zu glauben beginnen, daß ihre eigenen Handlungen zum Erfolg führen könnten, ist
die Zeit für Revolutionen reif. Eine Überzeugung von Unkontrollierbarkeit dürfte natürlich die Initiative zu revolutionären Akten unmöglich machen. Wenn unterdrückte
und verarmte Menschen um sich herum überall die Möglichkeit von Macht und Überfluß sehen, wird ihre Überzeugung von Unkontrollierbarkeit abbröckeln, und die Revolution wird für sie zu einer Möglichkeit.
Weder die Anziehungskraft noch die Selbstwert steigernde Natur sozialer Handlungen
sind schwer zu verstehen.161 Wenn Armut Hilflosigkeit erzeugt, dann sollte wirkungsvoller Protest – die eigenen Lebensbedingungen durch eigene Handlungen verändern –
zu einem Gefühl für Bewältigung führen. Das Mißtrauen der schwarzen Bevölkerung
gegenüber Liberalen und Sozialarbeitern, die versuchen, die Probleme der Schwarzen
abzubauen, ist verständlich, da Armut nicht nur ein finanzielles Problem ist, sondern –
und das ist bedeutsamer – ein Problem individueller Bewältigung, Würde und Selbstachtung.
114
8
Tod
Als der Militärarzt Major F. Harold Kushner 1973 nach fünfeinhalbjähriger Kriegsgefangenschaft aus Südvietnam zurückkehrte erzählte er mir eine grauenhafte und niederschmetternde Geschichte. Seine Geschichte ist eines der wenigen auf Tonband dokumentierten Zeugnisse eines medizinisch geschulten Beobachters, der von Anfang bis
Ende das miterlebte, was ich nicht anders als Tod aus Hilflosigkeit nennen kann.
Major Kushner wurde im November 1967 mit dem Hubschrauber über Nordvietnam
abgeschossen. Er wurde schwer verwundet von den Vietcong gefangengenommen. Die
nächsten drei Jahre verbrachte er in der Hölle des Lagers I. 27 Amerikaner gingen durch
dieses Lager: fünf wurden vom Vietcong entlassen, zehn starben im Lager und zwölf
überlebten, bis sie 1973 von Hanoi entlassen wurden. Die Lebensbedingungen im Lager
spotten jeder Beschreibung. Gewöhnlich lebten ungefähr elf Männer zusammen in einer
Bambushütte, in der sie auf einem überfüllten Bambuslager von ungefähr fünf Meter
Breite schliefen. Die Hauptnahrung bestand aus drei kleinen Tassen mit rotem, schimmeligem und mit Ungeziefer durchsetztem Reis pro Tag. Innerhalb des ersten Jahres
verloren die Gefangenen im Durchschnitt 40 bis 50% ihres Körpergewichtes und bekamen offene, nässende Geschwüre und Muskelatrophien. Es gab vor allem zwei Mörder
im Lager: Unterernährung und Hilflosigkeit. Zuerst, als Kushner gefangen genommen
wurde, wurde er aufgefordert, sich öffentlich gegen den Krieg zu erklären. Er erwiderte,
daß er lieber sterben würde, und der Offizier, der ihn gefangengenommen hatte, antwortete mit Worten, an die sich Kushner an jedem Tag seiner Gefangenschaft erinnerte:
»Sterben ist leicht; es ist gerade das Überleben, was schwer ist«. Der Wille zum Überleben und die verheerenden Konsequenzen der Aufgabe jeder Hoffnung sind Gegenstand
Kushners Erzählung und dieses Kapitels.
Als Major Kushner im Januar 1968 im Lager I eintraf, war Robert bereits seit zwei Jahren in Gefangenschaft. Er war ein rauher und intelligenter Obergefreiter einer Eliteeinheit von Marineinfanteristen, nüchtern, gelassen und blind gegenüber Schmerz und Leiden. Er war 24 Jahre alt und als Fallschirmspringer und Taucher ausgebildet. Wie alle
übrigen Männer war er auf ein Gewicht von 90 Pfund abgemagert und wurde gezwungen, täglich barfuß lange Märsche mit 90 Pfund Maniokwurzeln auf dem Rücken zurückzulegen. Er jammerte nie: »Beiß die Zähne zusammen und schnall den Gürtel enger«, war sein Motto. Trotz Unterernährung und einer scheußlichen Hauterkrankung
blieb er in sehr guter körperlicher und seelischer Verfassung. Die Ursache seiner relativ
guten Widerstandskraft war Kushner klar. Robert war überzeugt davon, daß er bald
entlassen würde. Der Vietcong hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, beispielhaft einige Männer zu entlassen, die mit ihm kooperiert und die richtigen Einstellungen übernommen hatten. Robert hatte dies mitgemacht, und der Lagerkommandant hatte angedeutet, daß er als nächster dran sein würde und innerhalb der nächsten sechs Monate
rauskommen würde.
Wie erwartet, trat sechs Monate später genau das ein, was bei früheren Gelegenheiten
solchen Entlassungsködern vorausgegangen war. Ein ranghoher Vietcong-Kader erschien, um den Gefangenen eine politische Lektion zu erteilen; dabei wurde zu verstehen gegeben, daß der gelehrigste Schüler entlassen würde. Robert wurde zum Führer
der Indoktrinationsgruppe gewählt. Er machte die gewünschten Aussagen und bekam
mitgeteilt, daß er im Laufe des Monats mit seiner Entlassung rechnen könne.
Der Monat kam und ging, und Robert fing an zu spüren, wie sich die Haltung der Aufseher ihm gegenüber veränderte. Schließlich dämmerte ihm, daß er getäuscht worden
war, daß er für den Vietcong längst seine Funktion erfüllt hatte und gar nicht entlassen
werden würde. Er hörte auf zu arbeiten und zeigte Anzeichen tiefer Depression: er ver115
weigerte die Nahrung und kauerte in embryonaler Stellung, am Daumen lutschend auf
dem Bett. Seine Kameraden versuchten, ihn darüber hinwegzubringen; sie streichelten
ihn und behandelten ihn wie ein Baby, und als das nichts half, versuchten sie, ihn mit
ihren Fäusten aus der Erstarrung zu boxen. Er machte ins Bett. Nach ein paar Wochen
war es Kushner klar, daß Robert im Sterben lag: obwohl sein körperlicher Allgemeinzustand immer noch besser war als der der meisten anderen, dämmerte er dahin. In den
frühen Morgenstunden eines Novembertages lag er sterbend in Kushners Armen. Zum
ersten Mal seit Tagen richtete er seinen Blick auf ein Ziel und sprach: »Doktor, Postfach
161, Texarkana, Texas. Papa, Mama, ich liebe Euch sehr. Barbara, ich verzeihe Dir«.
Sekunden später war er tot.
Der Tod von Robert war typisch für eine ganze Reihe solcher Todesfälle, die Major
Kushner sah. Was brachte ihn um? Kushner konnte keine Autopsie durchführen, da der
Vietcong ihm keine Instrumente zur Verfügung stellte. In Kushners Augen war die unmittelbare Todesursache eine sehr starke Verschiebung im Elektrolythaushalt. Aber angesichts von Roberts relativ gutem körperlichen Zustand scheinen psychologische Antezedenzien eher als spezifizierbare Todesursache in Frage zu kommen. Die Hoffnung auf
Entlassung hatte Robert aufrecht gehalten. Als er diese Hoffnung aufgab, als er zu der
Überzeugung gelangte, daß alle seine Anstrengungen umsonst gewesen waren und
weiterhin umsonst bleiben würden, starb er.
Kann ein psychischer Zustand zum Tode führen? Ich glaube ja. Wenn Tiere und Menschen lernen, daß ihre Handlungen vergebens sind und daß keine Hoffnung besteht,
werden sie anfälliger für den Tod. Im Gegensatz dazu kann die Überzeugung, Kontrolle
über die Umgebung zu haben, das Leben verlängern. Beweismaterial für diese Hypothese, wie ich es im folgenden darstellen möchte, entstammt einer breiten Skala von Quellen und ist noch niemals zuvor integriert worden. Im Unterschied zu vorausgehenden
Kapiteln wird dieser Überblick nicht theoretisch, sondern deskriptiv sein; ich hoffe jedoch, eine Behauptung einleuchtend machen zu können: der psychische Zustand der
Hilflosigkeit erhöht die Gefahr zu sterben. Ich habe zwar keine physikalischen Erklärungen dafür, aber ich werde auf einige Spekulationen über physikalische Ursachen eingehen. Aufgrund unseres mangelhaften Wissens werden wir die Frage körperlicher Ursachen beiseite lassen müssen und uns auf die Tatsache konzentrieren, daß diese Todesfälle reale und verheerende psychologische Hintergründe haben.
Fälle von Tod aus Hilflosigkeit sind keineswegs selten, und sie sind häufig von ähnlicher Dramatik wie der Fall von Robert. Ich werde dieses Phänomen zuerst bei einer
Reihe verschiedener Tierarten aufzeigen, dann bei jungen Menschen und Erwachsenen
mittleren Alters, dann bei alten Menschen und schließlich bei kleinen Kindern. Nebenbei werde ich meine Vermutungen darüber aussprechen, wie diese Tragödien hätten
verhindert werden können und wie sie in Zukunft verhindert werden könnten.
116
8.1
Tod durch Hilflosigkeit bei Tieren
Die Beobachtung des plötzlichen Todes aus Hilflosigkeit ist nicht auf Menschen beschränkt; es existiert wenig, aber bedeutsame Literatur über Tiere.
Die wilde Ratte (Rattus norwegicus) ist ein wildes und mißtrauisches Tier. Wilde Ratten
reagieren mit erstaunlicher Heftigkeit, wenn man versucht, sie zu fangen, und sie bleiben ständig wachsam für Fluchtwege. C. P. Richter beobachtete plötzlichen Tod bei
diesen Tieren und führte ihn auf »Hoffnungslosigkeit« zurück.162 Wie er herausgefunden hatte, schwamm eine wilde Ratte bis zu 60 Stunden in einem mit warmem Wasser
gefüllten Behälter, aus dem es keine Fluchtmöglichkeit gab, bis sie vor Erschöpfung ertrank. Richter nahm einige Ratten solange fest in die Hand, bis sie aufhörten zu zappeln
und setzte sie dann in den Wasserbehälter. Diese Ratten schwammen einige Minuten
lang aufgeregt herum, sanken dann plötzlich auf den Grund des Behälters und ertranken,
ohne noch einmal an die Oberfläche zu kommen. Ein paar Ratten starben sogar noch
früher – in der Hand des Forschers. Wurden diese Restriktionsmaßnahmen noch damit
kombiniert, daß man den Ratten die Schnurrhaare – bei der Ratte ein primäres sensorisches Organ –, stutzte, so starben alle diese Tiere.
Richter vermutete, daß alle diese Erfahrungen – in der Hand eines Räubers wie dem
Menschen festgehalten zu werden, die Schnurrhaare gestutzt zu bekommen, in ein Wasserbassin gesetzt zu werden, aus dem es keinen Ausweg gibt – bei der Ratte ein Gefühl
der Hilflosigkeit auslösen. Dies muß für die kritischen Leser Richters wie eine radikale
Spekulation geklungen haben, aber dieser erhärtete sie: er nahm zuerst Ratten in die
Hand, bis sie aufhörten zu zappeln und ließ sie dann wieder frei. Dann hielt er sie wieder fest und ließ sie wieder laufen. Schließlich hielt er sie erst wieder fest und setzte sie
dann ins Wasser. »Auf diese Weise lernen Ratten schnell, daß die Situation nicht hoffnungslos ist; nach einer solchen Behandlung werden sie wieder aggressiv, versuchen zu
entfliehen und zeigen keine Anzeichen dafür aufzugeben«. Diese immunisierten wilden
Ratten schwammen 60 Stunden lang. Ähnlich schwamm eine Ratte auch dann 60 Stunden lang, wenn Richter das hilflose Tier aus dem Wasser nahm, bevor es ertrank und es
dann mehrere Male wieder hineinsetzte. Plötzlicher Tod konnte grundsätzlich verhindert
werden, indem man den Ratten zeigte, daß eine Flucht möglich war. Diese beiden Verfahren ähneln unseren therapeutischen und immunisierenden Verfahren, mit denen wir
gelernte Hilflosigkeit bei Ratten und Hunden durchbrachen (vgl. S. 53).
Der physiologische Zustand der wilden Ratten während des plötzlichen Todes war
merkwürdig. Bei den meisten bei Säugetieren bekannten Formen des Sterbens steigt
kurz vor dem Tod die Herzfrequenz (Tachykardie). Man bezeichnet diese Form als
Sympathikustod nach dem aktivierenden Zweig des sympathischen Nervensystems:
Tachykardie und erhöhter Blutdruck pumpen das Blut schnell aus dem Herzen in die
Extremitäten – es handelt sich kurz gesagt um einen »Alarmbereitschafts-« oder »Notstandstod«. Dagegen starben Richters wilde Ratten einen parasympathischen Tod oder
einen Tod aus übermäßiger Ruhigstellung, übermäßigem Nachlassen der Aktivierung:
ihre Herzfrequenz verlangsamte sich (Bradykardie) und ihre Herzen waren, wie die
Autopsie ergab, mit Blut angefüllt. Richter verabreichte einigen Ratten als Vorbehandlung Atropin, was das parasympathische (und cholinerge) System hemmt. Dies verhinderte den Tod bei einer kleinen, aber signifikanten Gruppe von Versuchstieren.
Das Raster unseres Bildes wird feiner, wenn wir uns erinnern, daß Thomas und Balter
Atropin einsetzten, um gelernter Hilflosigkeit bei Katzen zuvorzukommen (vgl. S. 66)
und daß Janowsky und seine Mitarbeiter Atropin verwendeten, um Depressionen aufzuhellen (vgl. S. 88).163 Richter kam zu dem Schluß, daß er den Tod aus Hoffnungslosigkeit entdeckt hatte, einen Tod durch Aufgabe aller Anstrengungen.
Bennet Galef und ich fragten uns, ob unvermeidbarer Schock in Hilflosigkeitsexperimenten auf die gleichen Mechanismen wirkt, die Richter auslöste, wenn er wilde Ratten
in ihrer Bewegungsfreiheit behinderte.164 Wir konstruierten daher eine Skinner box aus
117
Stahl, kauften gepanzerte Handschuhe und fingen an, eine Kolonie wilder Ratten aufzuziehen. Wir untersuchten zwei Gruppen erwachsener Weibchen. Die eine Gruppe wurde
mit vermeidbaren elektrischen Schlägen immunisiert, denen dann langanhaltende unvermeidbare Schocks schwacher Intensität folgten. Die zweite Gruppe war hilflos (yoked): sie erhielt die gleiche Abfolge von Schocks, die aber alle unvermeidbar waren.
Wir hatten beabsichtigt, beide Gruppen in das Wasserbassin zu setzen, in der Erwartung, daß die Gruppe mit der Erfahrung vermeidbarer Schocks 60 Stunden schwimmen
würde, während die Partnertiere einen plötzlichen Tod sterben würden. Zu unserer
Überraschung legten sich jedoch sechs der zwölf Partnertiere hin, steckten die Pfoten
durch die Gitterstäbe und starben noch im Versuchskäfig während der langanhaltenden
schwachen Schocks. Ihre Herzen waren voll Blut. Kein Tier aus der anderen Gruppe
starb.
Kürzlich untersuchten Robert Rosellini, Yitzchak Binik, Robert Hannum und ich
Laborratten in der Versuchsanordnung zum plötzlichen Ertrinken. Wir verwendeten
weiße Ratten, die zur Zeit der Entwöhnung vermeidbare, unvermeidbare oder keine
elektrischen Schläge erfahren hatten. Nur jene Tiere, die bei der Entwöhnung unvermeidbare elektrische Schläge erhalten hatten, reagierten als erwachsene Tiere hilflos,
wenn sie Schocks entfliehen sollten. Bei dieser Gruppe trat signifikant häufiger der
plötzliche Tod ein als in den beiden anderen Gruppen. Diese Ergebnisse sind fraglich,
da die hilflosen Ratten als erwachsene Tiere absolut gesehen mehr Schocks verabreicht
bekamen, weil es ihnen nicht gelang zu fliehen. Dennoch legen sie die Hypothese nahe,
daß unvermeidbarer Schock und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit bei wilden
Ratten ähnliche Auswirkungen hervorrufen. Wieder steht damit eher ein Tod durch Aktivierungsrückgang und Aufgabe in Beziehung als ein Tod in Alarmbereitschaft.165
Man beobachtet bei gezähmten und unterdrückten Tieren noch ein anderes Phänomen,
das mit Tod durch Hilflosigkeit in Beziehung gesetzt werden kann. Wenn ein Räuber
wie z.B. ein Hühnerhabicht ein Küken angreift und es dann losläßt, so kann das Küken
noch viele Minuten oder sogar Stunden lang in völliger Erstarrung verharren. Diese katatone Reaktion ist als »Tierhypnose«, »Totstellreflex«, »Starrkrampf« und »tierischer
Magnetismus« bezeichnet worden.166 In der Umgangssprache wird dieses Phänomen
z.B. als »einen Frosch einschlafen lassen« beschrieben, indem man ihn auf den Rücken
legt und über seinen Bauch streicht, oder als Alligatoren immobilisieren durch den sogenannten Alligatoren-Ringkampf. Menschen, die Vögel zähmen wollen, werden gewarnt, sie nicht in die Hand zu nehmen, da dies einen todähnlichen Zustand auslösen
kann. Im Laborexperiment wird dieser Effekt gewöhnlich dadurch hervorgerufen, daß
man ein Tier ergreift und es für ungefähr 15 Sekunden auf die Seite gedreht festhält.
Zuerst wehrt sich das Tier, danach wird es starr. Es entsteht ein anhaltender Zustand
völliger Unempfindlichkeit, und immobilisierte Tiere reagieren manchmal nicht einmal
auf Nadelstiche. Mit der Zeit kommt das Tier wieder aus diesem Zustand heraus, im allgemeinen ziemlich unvermittelt, und läuft davon. Dieses Phänomen wird gewöhnlich
als Schreckstarre interpretiert, aber es hat Merkmale, die es mit Hilflosigkeit und plötzlichem Tod verbinden.
M. A. Hofer (1970) setzte eine Vielzahl verschiedener Nagetiere (Streifenhörnchen,
Känguruhratten und andere) einem freien Raum, einem erschreckenden Geräusch, der
Silhouette eines Habichts und einer Schlange aus – alles auf einmal. Die Tiere verfielen
augenblicklich in Schreckstarre, und diese dauerte bis zu 30 Minuten an. Sie war so tief,
daß man nicht die winzigste Bewegung wahrnehmen konnte, nicht einmal dann, wenn
die Schlange unter und zwischen den Leibern der Tiere herumkroch. Hofers Hauptinteresse galt der Variable Herzfrequenz. Wie in der Untersuchung Richters zum plötzlichen
Tod verlangsamte sich der Herzschlag während der Schreckstarre stark. Während dieser
Bradykardie wurden häufige Arrhythmien beobachtet. Trotzdem starb keines der Nagetiere während der Untersuchung, obwohl 26% der Tiere, die in Fallen gefangen worden
waren, während der ersten Woche im Laboratonum mit unbekannter Todesursache starben. Einige der Nager, bei denen Arrhythmien beobachtet worden waren, starben wenig
118
später, aber keines der Tiere, die keine Arrhythmien gezeigt hatten, starb. Entscheidend
wirkten hier: ein unkontrollierbarer Stressor, eine Reaktion der Passivität und gesteigerte Anfälligkeit für plötzlichen Tod.
J. Maser und G. Gallup führten bei gezähmten Junghühnern den Totstellreflex herbei,
indem sie sie in Rückenlage festhielten; sie berichten, daß diese Schreckstarre durch
elektrische Schläge noch verlängert wurde.167 Um zu überprüfen, ob an diesem Phänomen Hilflosigkeit beteiligt war, verabreichten die Forscher drei Gruppen von Tieren vor
der Immobilisierung vermeidbare, unvermeidbare oder keine elektrischen Schläge.
Junghühner, die unvermeidbare Schocks erhalten hatten, blieben bis zu fünfmal länger
in der Erstarrung als Hühner, die vermeidbare Schocks erfahren hatten. Gallup erwähnte
auch, daß einige seiner Hühner überhaupt nicht mehr aus der Erstarrung herauskamen,
sondern in ihr starben.
H. J. Ginsberg (1974) versetzte Küken in Schreckstarre und testete sie anschließend
unter den Bedingungen des plötzlichen Todes durch Ertrinken. Eine Gruppe von Hühnern konnte selbst aus ihrer Schreckstarre herauskommen, wenn ihre Lebensgeister
wieder erwachten. Für eine andere Gruppe war das Ende der Schreckstarre unkontrollierbar: der Forscher klopfte ihnen solange auf die Brust, bis sie wieder zu sich kamen.
Eine dritte Gruppe wurde nicht in Schreckstarre versetzt. Dann wurden alle Tiere im
Wasserbassin untersucht. Die hilflosen Tiere starben am schnellsten, dann folgte die
naive Gruppe, und die Hühner, die den Ablauf ihrer Schreckstarre selbst kontrollierten,
ertranken zuletzt.
Dies erinnert mich an Vögel, die bei Ölkatastrophen gefangen werden: als der Tanker
Torrey Canyon vor England auf Grund lief und seine Ladung in die Küstengewässer
strömte, wurden viele Seevögel vom Rohöl gefangen. Wohlmeinende Menschen, die die
Tiere aufnahmen und anfingen, ihnen das Öl abzuwaschen, waren bestürzt, als viele
Vögel unter ihren Händen starben. Es wurde behauptet, daß das Reinigungsmittel sie
umbrachte. Ich kann jedoch nicht umhin zu vermuten, daß sie durch Hilflosigkeit starben, Hilflosigkeit durch die motorische Einschränkung, die noch verstärkt wurde durch
die Hilflosigkeit, die durch die Unfähigkeit der Vögel, fortzufliegen, verursacht wurde.
Handbücher empfehlen sehr vorsichtiges und rasches Reinigen: vielleicht wäre die Reinigung weniger tödlich verlaufen, wenn man die Vögel wie Richters immunisierte Ratten wiederholt freigelassen und wieder ergriffen hätte.168
Die meisten der Tierarten, bei denen plötzlicher Tod beobachtet worden ist, sind
wild.169 Kontrollierbarkeit mag für ein wildes Tier eine besonders wichtige Dimension
im Leben darstellen. Wenn es in einen Zoo gebracht und in einen Käfig gesperrt wird,
wird es nicht nur seiner Steppe, seiner Feigenbäume und seiner Ameisen beraubt, sondern der Kontrolle. Wenn sich das hier dargelegte Argument bestätigen läßt, so wird die
erstaunlich hohe Todesrate wilder Tiere, die von Zoologischen Gärten neu erworben
werden, verständlich.170 Ich habe gehört, daß 50% der Tiger, die aus Indien kommen,
noch auf dem Transport sterben. Besondere Vorgehensweisen könnten eine solche
Sterblichkeitsrate senken, wenn man z.B. die Tiere in Käfigen voller Gegenstände, die
die Tiere beeinflussen können, transportiert, so daß das gefangene Tier instrumentelle
Kontrolle ausüben kann. Kürzlich berichtete die Washington Post, daß Dr. Hal Markowitz, der Leiter des Zoologischen Gartens in Portland (Oregon), derartige Verfahren offiziell für seine Primaten und Menschenaffen eingerichtet hat.171 Vorher hatten die Tiere
zur Fütterungszeit fast wie tot ausgesehen, wenn sie neben dem welk werdenden Futter
auf dem Boden hockten. Markowitz stellte die Fütterung unter die Kontrolle der Tiere:
auf ein Lichtsignal hin rannten sie nun los, drückten Hebel 1, rasten quer durch den Käfig und drückten Hebel 2 und bekamen daraufhin einen Futterhappen. Experten sagen,
daß sie nie gesündere Zooaffen gesehen hätten, und die Tiere sind frei von ständigen
Krankheiten, die oft weniger aktive Tiere im Zoo quälen.
119
Nicht nur beim Menschen, auch bei anderen Primaten tritt Tod durch Hilflosigkeit auf.
Dr. I. Charles Kaufman berichtete mir, daß zwei der elf jungen Rhesusaffen, die er
von ihren Müttern trennte, während der Rückzugsphase der Trauerreaktion starben:172
Der erste Todesfall trat bei einem der erstgeborenen Kinder ein, das fünf
Monate und sieben Tage alt war. Es starb am neunten Tag der Trennung
von der Mutter. Eine Autopsie ergab keine pathologischen Prozesse, die
seinen Tod erklärt hätten. Der Ernähungszustand war ausgezeichnet. Das
Kind zeigte die übliche Abfolge von Erregung und Depression, die mit einem steilen Absinken der Spielaktivität einherging. In der zweiten Woche
der Trennung jedoch zog sich das Tier sehr deutlich von allen anderen Tieren zurück, und dann folgte der plötzliche Tod. Das andere Affenkind starb
am sechsten Tag der Trennung von der Mutter im Alter von fünf Monaten.
Es zeigte ebenfalls die typische Erregung, der Depression folgte. Die Bewegungsaktivität nahm vom ersten Tag an stetig ab. Seine Haltung verfiel vom
zweiten und dritten Tag an stärker, als es bei jedem anderen jungen Affen
zu beobachten war. Seine Spielaktivität sank auf null. Es wurde ebenfalls
eines Morgens tot aufgefunden. Wie bei dem anderen Affenkind ergab die
Autopsie keine Erklärung für seinen Tod, und der Ernährungszustand war
ausgezeichnet.
Jane Goodall beschrieb den Tod von Flint, einem jungen Schimpansenmännchen, der
kurz nach seiner Mutter Flo starb:
Flo legte sich auf einen Felsen am Flußufer nieder und hauchte einfach ihr
Leben aus. Sie war recht alt. Flint blieb neben ihrem toten Körper: er ergriff
einen ihrer Arme und versuchte, sie an der Hand hochzuziehen. Die Nacht
nach ihrem Tod schlief er nahe bei ihrem Körper, und am folgenden Morgen zeigte er Anzeichen tiefster Depression.
Danach kehrte er immer wieder zum Leichnam der Mutter zurück, egal wie
weit er irrte. Es waren die Würmer, die ihn letzten Endes vertrieben; als er
versucht hatte, die Würmer von seiner Mutter abzuschütteln, waren sie auf
ihn gekrochen.
Schließlich kam er nicht mehr zurück. Aber er blieb innerhalb eines Bereichs von 50 Quadratmetern; und er würde sich kein bißchen weiter von
dem Platz entfernen, an dem Flo gestorben war. Innerhalb von zehn Tagen
hatte er ungefähr ein Drittel seines Körpergewichtes verloren. Sein Blick
wurde merkwürdig glasig.
Schließlich starb auch Flint; er starb ganz in der Nähe des Platzes, an dem
seine Mutter gestorben war. Tatsächlich war er am Tage zuvor zurückgekehrt, um sich auf dem gleichen Felsen niederzulassen, auf dem Flo sich
hingelegt hatte (wir hatten ihren Körper inzwischen entfernt und sie begraben).
Die Ergebnisse der Autopsie sind negativ ausgefallen. Sie wiesen darauf
hin, daß, obwohl Flint einige Parasiten und ein oder zwei Wanzen hatte,
nichts allein ausreichend war, um zum Tode173zu führen. Und daher mußte
die Haupttodesursache Trauer gewesen sein.
Trauer vielleicht, aber wieder sind die folgenden Bestandteile vorhanden: eine unkontrollierbare Situation – der Tod der Mutter; eine passive, depressive Reaktion; keine offenbare Krankheit (könnte Bradykardie bestanden haben?); ein unerwarteter Tod.
120
8.2
Tod durch Hilflosigkeit bei Menschen
Ein gesunder Mann mittleren Alters hatte die meiste Zeit seines Lebens im Schatten
seiner Mutter verbracht.174 Ohne Vater aufgewachsen, beschrieb er sie als »eine wundervolle Frau, die alle familiären Entscheidungen richtig traf und die niemals einer Situation begegnete, die sie nicht kontrollieren konnte«. Mit 31 Jahren kaufte er mit der
finanziellen Unterstützung seiner Mutter einen Nachtclub, und sie half ihm auch, ihn zu
führen. Mit 38 Jahren heiratete er, und seine Frau begann, gegen seine Abhängigkeit
von seiner Mutter aufzubegehren – was nicht weiter verwunderlich ist. Als er ein einträgliches Angebot bekam, den Nachtclub zu verkaufen, erzählte er seiner Mutter, daß
er sich mit dem Gedanken eines Verkaufs beschäftigte, und sie wurde sehr aufgeregt.
Schließlich entschloß er sich, zu verkaufen. Seine Mutter sagte zu ihm: »Mach’s nur,
und es wird dir etwas Schreckliches zustoßen«.
Zwei Tage später hatte er zum ersten Mal einen Asthmaanfall; er hatte noch nie zuvor
an Krankheiten der Atemwege gelitten und hatte in den vergangenen zehn Jahren nicht
einmal eine Erkältung gehabt. Am Tage, nachdem er den Handel abgeschlossen hatte,
verschlimmerten sich seine Asthmaattacken sehr, als seine Mutter ihm ärgerlich mitteilte, daß »dich etwas treffen wird.« Nun wurde er depressiv und beklagte sich häufig,
daß er ihr gegenüber hilflos sei. Mit psychotherapeutischer Hilfe begann er, die Beziehung zwischen seinen Asthmaanfällen und dem »Fluch« seiner Mutter zu erkennen;
daraufhin besserte sich sein Zustand erheblich. Sein Psychiater sah ihn am 23. August
1960 um 17 Uhr für eine halbstündige Sitzung und fand ihn in ausgezeichneter körperlicher und seelischer Verfassung vor. Um 17.30 Uhr rief er seine Mutter an, um ihr zu erzählen, daß er beabsichtige, ohne ihre Hilfe in ein neues Geschäft einzusteigen. Sie erinnerte ihn an ihren Fluch und sagte ihm, er solle sich auf die »schrecklichen Konsequenzen« gefaßt machen. Um 18.35 wurde er nach Luft ringend und im Koma aufgefunden. Er starb um 18.55.
Wenn ein Mensch davon überzeugt ist, verdammt zu sein – wie z.B. die vom Fluch getroffene junge Frau im ersten Kapitel, die an ihrem 23. Geburtstag starb –, tritt häufig
der Tod ein. Solche Todesfälle kommen in vielen Kulturen vor. Der große amerikanische Physiologe W. B. Cannon war der erste Wissenschaftler, der solchem »Hexentod«
oder »Voodoo Tod« Aufmerksamkeit widmete.175 Er sammelte viele Beispiele für psychogenen plötzlichen und mysteriösen Tod:
Ein brasilianischer Indianer, der von einem sogenannten Medizinmann verdammt und verurteilt wird, steht seinen eigenen emotionalen Reaktionen auf diesen Fluch hilflos gegenüber – und stirbt innerhalb von Stunden. In Afrika ißt ein junger Neger unwissentlich
von einer für tabu erklärten wilden Henne. Als er bemerkt, welches
Verbrechen er begangen hat, zittert er, wird von Furcht überwältigt
und stirbt innerhalb von 24 Stunden. In Neuseeland ißt eine MaoriFrau Früchte, von denen sie erst später erfährt, daß sie an einem tabuisierten Ort gewachsen sind. Ihr Häuptling wird dadurch geschändet. Am Nachmittag des nächsten Tages ist sie tot. In Australien zeigt
ein Medizinmann mit einem Knochen auf einen Mann. In der Überzeugung, daß ihn nun nichts mehr retten kann, sinkt der Mann in
tiefer Verzweiflung zusammen und bereitet sich darauf vor, zu sterben. Er wird erst im letzten Augenblick gerettet, als der Hexendoktor
gezwungen wird, den Zauber wieder von ihm zu nehmen.
Der Mensch, der entdeckt, daß er von einem Feind beherrscht wird,
ist in der Tat eine bedauernswerte Erscheinung. Er steht entsetzt da,
auf den verräterischen Zeigenden starrend und mit erhobenen Händen, um das tödliche Medium abzuwehren, daß sich in seiner Vor121
stellung in seinen Körper ergießt. Seine Wangen werden blaß und
seine Augen glasig, und sein Gesichtsausdruck wird furchtbar entstellt. Er versucht zu schreien, aber gewöhnlich bleibt ihm der Laut
im Halse stecken, und alles, was man sehen könnte, ist Schaum vor
dem Mund. Sein Körper beginnt zu zittern, und seine Muskeln zukken unwillkürlich. Er schwankt, fällt zu Boden und scheint kurze
Zeit später in Ohnmacht zu liegen. Schließlich faßt er sich, geht zu
seiner Hütte und grämt sich dort zu Tode.176
R. J. W. Burrell, ein südafrikanischer Arzt, war in sechs Fällen Zeuge, als Bantunegern
mittleren Alters ein Fluch ins Gesicht geschleudert wurde.177 Jedem wurde gesagt: »Du
wirst bei Sonnenaufgang sterben.« Alle sechs starben. Die Autopsie ergab keine Todesursache.
Es kommt der Moment, an dem groteske Anekdoten so viel Gewicht anhäufen, daß sie
von der Wissenschaft nicht länger ignoriert werden können. Hexentod ist ein solches
Phänomen. Obwohl wir bis jetzt noch über keine physiologische Erklärung für diese
Todesfälle verfügen, sind zumindest seine psychologischen Vorläufer eindeutig. Eine
Botschaft trifft ein, die ein Urteil in Gestalt eines Fluches oder einer Prophezeiung verkündet. Das Opfer glaubt an diese Botschaft und ist überzeugt, daß es hilflos ist und
nichts dagegen unternehmen kann. Es reagiert mit Passivität, Depression und Schicksalsergebenheit. Der Tod folgt innerhalb von Stunden oder Tagen. Dieses Phänomen
bleibt nicht auf südafrikanische Bantuneger, australische Ureinwohner oder amerikanische Männer mittleren Alters mit dominierenden Müttern beschränkt. Jeder ernsthafte
Verlust kann zu Krankheit und Tod führen. G. L. Engel, A. S. Schmale, W. A. Greene
und ihre Mitarbeiter an der Universität von Rochester haben während der letzten zwei
Jahrzehnte die Konsequenzen psychologischen Verlustes für körperliche Krankheit untersucht. Ihren Studien zufolge schien Hilflosigkeit die Widerstandskraft des Individuums gegen körperliche Krankheitserreger herabzusetzen, die bis dahin abgewehrt worden waren. Engel führt 170 Fälle plötzlichen Todes unter psychischem Streß an, die er
innerhalb eines Zeitraumes von sechs Jahren gesammelt hatte. Er teilt die psychologischen Bedingungen solcher Todesfälle in acht Kategorien ein. Die ersten fünf schließen
Hilflosigkeit ein:
1.
Zusammenbruch oder Tod eines geliebten Menschen: Ein 88 Jahre alter Mann
ohne kardiovaskuläre Störungen wurde sehr erregt und rang die Hände, als er von
dem plötzlichen Tod seiner Tochter erfuhr. Er weinte nicht, sondern fragte nur
immerzu: »Warum mußte mir das widerfahren?« Während er noch mit seinem
Sohn telefonierte, entwickelte er ein akutes Lungenödem und starb im gleichen
Augenblick, als der Arzt das Haus betrat.
2.
Akute Trauer: Ein 22jähriges Mädchen mit bösartigen Wucherungen war bereits
in sehr schlechtem Zustand, konnte aber immer noch mit ihrer Mutter im Auto
spazieren fahren. Bei einer solchen Ausfahrt wurde die Mutter getötet, als sie bei
einem Autounfall aus dem Wagen geschleudert wurde; das Mädchen blieb unverletzt. Innerhalb von wenigen Stunden fiel sie ins Koma und starb. Eine Autopsie
ergab zwar weitverzweigte Metastasen, aber kein Anzeichen für ein Trauma.
3.
Drohender Verlust eines geliebten Menschen: Ein 43 Jahre alter Mann starb
vier Stunden nachdem sein 15 Jahre alter Sohn ihm im Zuge einer vorgetäuschten
Entführung am Telefon sagte: »Wenn Sie Ihren Sohn lebendig wiedersehen wollen, rufen Sie nicht die Polizei.«
4.
Trauer oder Jahrestag des Verlustes: Ein besonders erschütternder Fall ist der
eines 70jährigen Mannes, der während der ersten Takte eines Konzertes tot zusammenbrach, das anläßlich des fünften Todestages seiner Frau gegeben wurde.
Sie war eine bekannte Klavierlehrerin gewesen, und er hatte zu ihrem Gedächtnis
122
ein Konservatorium gegründet. Das Konzert wurde von Schülern des Konservatoriums veranstaltet.
5.
Verlust von Status und Selbstachtung: Ein Zeitungsreporter, der sich über Jahre
hinweg für den Namen eines hochgestellten Beamten im öffentlichen Dienst eingesetzt hatte, weit über dessen Tod hinaus, starb plötzlich während eines Festessens zu Ehren des 101. Geburtstages dieses Mannes. Einer der eingeladenen Redner hatte die Zuhörer damit verblüfft, daß er die Gelegenheit ergriff, um belastendes Material aus dem Privatleben des Geehrten ans Licht zu bringen. Der Reporter
sprang auf und setzte zu einer heftigen Verteidigung des Mannes an, den er so
bewundert hatte, in der sich starke Gefühle und Empörung ausdrückten. Als die
Richtigkeit der Belastungen öffentlich eingestanden wurden, antwortete der Reporter traurig: »Mit Adams Fall sündigten wir alle.« Ein paar Minuten später starb
er.178
Plötzlicher Tod tritt außerdem bei Gefahr, der Erlösung aus der Gefahr und bei glücklichen Ausgängen ein. Es wäre zu einfach, nur zu sagen, daß diese Menschen emotional
überreizt und überregt waren. In einigen Fällen, vor allem jenen, in denen persönliche
Gefahr bestand, ist es durchaus möglich, daß das Individuum »vor Schreck« gestorben
ist. In den meisten anderen Fällen sind aber nicht Furcht, sondern Depression, Hilflosigkeit und Schicksalsergebenheit die vorherrschenden Stimmungen. Die unmittelbare
Todesursache in den von Engel berichteten Fällen war gewöhnlich Herzversagen. Wir
haben aber gesehen, daß einem Herzversagen sowohl Schicksalsergebenheit als auch
Erregung vorausgegangen sein kann. Engel bringt einige Berichte, die sehr genau und
ausführlich die psychischen Zustände der Individuen zum Zeitpunkt ihres Todes beschreiben. Aus diesen Berichten können wir ersehen, daß Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit die durchdringenden Emotionen darstellen.
Ein 45 Jahre alter Mann empfand seine Situation als völlig unerträglich und sah sich gezwungen, in eine andere Stadt zu ziehen. Als er
sich gerade anschickte umzuziehen, entwickelten sich in der anderen
Stadt Schwierigkeiten, die seinen Umzug unmöglich machten. In seiner verzweifelten Lage bestieg er dennoch den Zug in die neue Stadt.
Auf halbem Wege zu seinem Bestimmungsort stieg er bei einer Station aus, um auf dem Bahnsteig auf und ab zu gehen. Als der Schaffner »Alles einsteigen« rief, hatte er plötzlich das Gefühl, daß er weder
weiterfahren noch nach Hause zurückkehren konnte; er brach auf
der Stelle tot zusammen. Er reiste mit einem Freund, einem Berufskollegen, mit dem er sein trauriges Schicksal teilte. Die Autopsie ergab einen Herzinfarkt.179
Eine 27jährige asthmatische Frau starb offensichtlich an einem
Herzstillstand und hatte weder vor noch während des Interviews einen Asthmaanfall erlitten. Sie hatte sich nur widerstrebend in eine
Diskussion über ihre psychischen Probleme hineinziehen lassen, bei
der die Demütigung einer Verführung, ein außereheliches Kind und
ein Vergewaltigungsversuch durch ihren Bruder zur Sprache kamen.
Als sie erzählte, wie sie zunehmend von ihrer Familie zurückgewiesen und abgeschnitten worden war, wie sie die Universität bereits im
ersten Jahr hatte verlassen müssen und wie sie schlecht bezahlte
Stellungen annehmen mußte, die sie wegen ihrer Asthmaanfälle doch
bald wieder verlor, wurde sie immer aufgeregter, weinte, hyperventilierte und brach schließlich bewußtlos zusammen, als sie sagte:
»Natürlich verlor ich immer meinen Job und hatte keine Hoffnung
mehr, mich zu erholen. Deshalb wollte ich sterben und will eigentlich
immer sterben, weil ich zu überhaupt nichts tauge«.180
123
Die Ergebnisse aus Rochester bleiben nicht auf Falldarstellungen beschränkt. 51 Frauen,
die sich regelmäßig Krebsvorsorgeuntersuchungen unterzogen, wurden ausführlich befragt.181 Bei jeder waren »verdächtige« Zellen im Gebärmutterhals festgestellt worden,
die aber nicht als bösartig diagnostiziert wurden. Es ergab sich aus den Interviews, daß
18 der Frauen in den vergangenen sechs Monaten einen bedeutsamen Verlust hatten
hinnehmen müssen, der zu Gefühlen von Hoffnungslosigkeit geführt hatte. Die anderen
Frauen hatten kein derartiges Ereignis in ihrem Leben erfahren. Die Forscher sagten
voraus, daß gerade diese 18 Frauen mit Gefühlen der Hoffnungslosigkeit für die Entwicklung von Karzinomen prädisponiert sein würden, auch wenn beide Gruppen gleichermaßen gesund schienen. 11 von den 18 Patientinnen, die Hoffnungslosigkeit erlebt
hatten, bekamen später Krebs. Von den übrigen 33 Patientinnen bekamen nur acht
Krebs.
Auch der Tod aus Trauer, wie ihn Flint nach dem Tod Flos starb, ist bei Menschen statistisch nachgewiesen worden. 4500 Witwer, 55 Jahre und älter, wurden vom British Medical Records erfaßt. Während der ersten sechs Monate ihrer Trauer starben 231.182 Diese Todesrate liegt um 40% über der für diese Altersgruppe erwarteten. Nach den ersten
sechs Monaten sank die Todesrate auf das normale Niveau. Der Hauptanteil dieser gesteigerten Todesrate ging wahrscheinlich auf Herz-Kreislaufkrankheiten zurück.
Der plötzliche Tod von 26 Arbeitern der Eastman Kodakwerke wurde genau untersucht.183 Der vorherrschende prämorbide Zustand schien Depression zu sein. Wenn diese depressiven Männer in Wut oder Angst versetzt wurden, starben sie an HerzKreislaufversagen.
D. S. Krantz und seine Mitarbeiter untersuchten mit Hilfe einer von R. H. Rosenman
und Mitarbeitern entwickelten Skala184 die Anfälligkeit für Herzanfälle und Reaktionen
auf Hilflosigkeit. Zunächst wurden Studenten danach eingeteilt, ob sie den sogenannten
Verhaltenstyp A zeigten, einen Lebensstil, der durch Ehrgeiz, Ungeduld, Wettbewerbsorientiertheit und Zwanghaftigkeit charakterisiert wird. Dann wurden die Versuchspersonen vermeidbarem oder unvermeidbarem Lärm ausgesetzt und später in der von Hiroto entwickelten Finger-shuttle box getestet. Das Geräusch war entweder mittelmäßig
oder sehr laut. Hilflosigkeit wurde nach unvermeidbarem Lärm unabhängig von seiner
Intensität beobachtet; besonders interessant erscheint aber, daß Studenten mit dem Verhaltenstyp A besser abschnitten, wenn das unvermeidbare Geräusch von mittlerer Lautstärke war. Wenn das unvermeidbare Geräusch sehr laut wurde, reagierten diese Studenten noch hilfloser als normale Versuchspersonen. Es scheint also möglich, daß die
Verbindung von Verhaltenstyp A und Hilflosigkeit unter starkem Streß besonders tödlich wirkt.
Da ich die Behauptung aufgestellt habe, daß Depression und Hilflosigkeit aneinander
gebunden sind, ist es nicht erstaunlich, Depression in enger Verbindung mit plötzlichem
Tod zu finden. Depression verzögert auch die Genesung bei verschiedenen Infektionskrankheiten.185 600 Angestellte beim Bodenpersonal der Luftwaffe füllten eine Batterie
von Persönlichkeitsfragebögen aus. Einige Monate später brach in dieser Region eine
Grippeepidemie aus. 26 der Getesteten erkrankten an Grippe; von diesen zeigten zwölf
drei Wochen später immer noch Symptome. Diese zwölf Personen waren bei der Persönlichkeitsbefragung sechs Monate zuvor bei den signifikant stärker depressiven gewesen.
Bei fast allen der bisher dargelegten Untersuchungen über Tod stößt man auf methodische Probleme. Doch obwohl die vorliegenden Daten zu diesem Zeitpunkt kaum eindeutig zu interpretieren sind, sollte uns die Vorsicht dennoch eines gelehrt haben: Hilflosigkeit scheint Menschen anfälliger für die z.T. auch tödlichen Krankheitserreger, die
ununterbrochen um uns herum sind, zu machen. Wenn ein Elternteil von uns stirbt (oder
wenn unser Ehepartner stirbt), müssen wir besonders vorsichtig sein. Ich würde eine
124
gründliche medizinische Durchuntersuchung in zweimonatigem Abstand während des
ersten Jahres nach dem Verlust empfehlen. Ein derartiges Vorgehen scheint mir nach
jeder einschneidenden Veränderung im Leben umsichtig.186
8.2.1 Hilflosigkeit in Heimen und Kliniken
Institutionen berücksichtigen viel zu wenig die Bedürfnisse ihrer Insassen nach Kontrolle über wichtige Lebensumstände. Die Arzt-Patient-Beziehung ist gewöhnlich nicht
so angelegt, daß sie dem Patienten ein Gefühl für Kontrolle vermitteln würde. Der Arzt
weiß alles und sagt im allgemeinen wenig; vom Patienten wird erwartet, daß er sich
»geduldig« zurücklehnt und auf die professionelle Hilfe vertraut. Obwohl solch extreme
Abhängigkeit für bestimmte Patienten unter bestimmten Umständen hilfreich sein mag,
würde anderen ein größeres Maß an Kontrolle helfen. In eine Klinik eingeliefert zu
werden und dann der Kontrolle über selbst einfache Dinge beraubt zu werden – z.B.
wann man aufwacht und welchen Schlafanzug man tragen darf –, mag einem effizienten
Arbeitsablauf in der Klinik förderlich sein, beschleunigt aber nicht die Genesung. Dieser Verlust an Kontrolle kann darüber hinaus einen organisch kranken Menschen weiter
schwächen und seinen Tod verursachen.
R. Schulz und D. Aderman (1974) verglichen zwei Gruppen von Patienten, die an
Krebs im Endstadium litten, und parallelisierten sie nach dem Schweregrad der Krankheit. Alle Patienten waren kurz zuvor auf die Intensivstation verlegt worden. Eine
Gruppe war aus anderen Kliniken gekommen, während die Patienten der anderen Gruppe direkt von zu Hause kamen. Die Patienten, die von zu Hause kamen, starben früher.
Die Autoren nehmen an, daß der plötzliche Bruch in ihrem Lebensrhythmus und der
Verlust von Kontrolle, der mit dem Verlassen ihres Hauses eintrat, Hilflosigkeit verursachte und zum baldigen Tod beitrug.187
H. M. Lefcourt (1973) berichtet von einem schlagenden Beispiel eines plötzlichen Todes in einer Anstalt:
Der Autor war Zeuge eines solchen Todesfalles, der auf einen Verlust
des Lebenswillens innerhalb einer psychiatrischen Klinik zurückzuführen war. Eine Patientin, die sich seit beinahe zehn Jahren in einem Zustand völliger Stumpfheit befand, wurde zusammen mit den
anderen Kranken ihres Stockwerks auf ein anderes Stockwerk im
gleichen Haus verlegt, während ihre Station renoviert wurde. Der
dritte Stock dieser psychiatrischen Anstalt, in dem die betreffende
Patientin gelebt hatte, galt bei den Patienten als Abteilung der Hoffnungslosen. Im Gegensatz dazu war das erste Stockwerk im allgemeinen mit Patienten belegt, die noch gewisse Privilegien hatten –
dazu gehörte z.B. die Freiheit, sich auf dem Gelände der Anstalt und
in den angrenzenden Straßen frei zu bewegen. Kurz, der erste Stock
war eine offene Station, auf der die Patienten zuverlässig ihre baldige
Entlassung erwarten konnten. Alle Patienten, die vorübergehend aus
dem dritten Stock in den ersten verlegt wurden, wurden vorher ärztlich untersucht, und der fraglichen Patientin wurde trotz ihrer
Stumpfheit und ihres Mutismus ein ausgezeichneter gesundheitlicher Zustand bescheinigt. Kurz nach ihrer Verlegung in den ersten
Stock überraschte diese chronische Patientin das Pflegepersonal dadurch, daß sie zugänglich wurde und binnen zwei Wochen aus ihrer
Stumpfheit herauskam und tatsächlich ganz gesellig wurde. Wie das
Schicksal es wollte, war die Renovierung der Station im dritten Stock
bald abgeschlossen, und alle früheren Insassen wurden wieder zurückverlegt. Innerhalb einer Woche, nachdem sie auf die hoffnungs125
lose Station zurückgekehrt war, brach diese Patientin, die wie das legendäre Schneewittchen aus einem Dasein als wandelnder Leichnam
auferweckt worden war, zusammen und starb. Die anschließende
Autopsie ergab keine nennenswerten pathologischen Veränderungen,
und es wurde zu diesem Zeitpunkt angenommen, daß die Patientin
an Verzweiflung gestorben war.
Patienten in Anstalten – ob auf Stationen mit Krebspatienten im Endstadium, auf Stationen leukämischer Kinder oder in Altersheimen – sollten ein Maximum an Kontrolle
über Bereiche ihres täglichen Lebens erhalten: z.B. die Wahl zwischen Omelett oder
Rührei zum Frühstück, zwischen roten oder blauen Vorhängen, oder ob sie lieber mittwochs oder donnerstags ins Kino gehen wollen, oder ob sie früh aufstehen oder lange
schlafen wollen. Wenn die hier vorgestellte Theorie der Hilflosigkeit irgendeine Gültigkeit hat, sollten diese Menschen länger leben, mehr Spontanremissionen zeigen und sicherlich glücklicher sein.
Es gibt auch weniger zum Wohle des Menschen eingerichtete Institutionen, die Hilflosigkeit fördern und zu psychogenem Tod führen. Dabei stehen Gefängnisse und Konzentrationslager oder Kriegsgefangenenlager obenan. Die außergewöhnliche Erfahrung
von Major Kushner belegt dies. Ähnlich kann die Todesrate amerikanischer Kriegsgefangener in japanischen Lagern nicht ganz uneingeschränkt auf körperliche Ursachen
zurückgeführt werden. Während des Philippinen-Feldzugs starben 4000 von 30.000
amerikanischen Kriegsgefangenen innerhalb der ersten paar Monate ihrer Gefangenschaft. J. E. Nardini berichtet:
Die Mitglieder dieser Gruppe fanden sich plötzlich ihres Namens, ihres Ranges, ihrer Identität, der Gerechtigkeit und jedes Anspruches
darauf, wie ein menschliches Wesen behandelt zu werden, beraubt.
Obwohl organische Krankheiten und der Mangel an Nahrung, Wasser und Medikamenten in dieser Zeit am stärksten waren, spielten
die emotionalen Belastungen und reaktive Depression eine große
Rolle bei der Unfähigkeit des Individuums, mit körperlichen Symptomen und Krankheiten fertig zu werden, und trugen ohne Zweifel
viel zu der massiven Todesrate bei.188
Was befähigt unter diesen Umständen zum Überleben? Die bedeutendste Rolle unter
den Faktoren, die nach Ansicht Nardinis das Überleben begünstigten, spielten »starker
Lebenswille und kontinuierliche Willensanstrengungen.«
Die psychosomatischen Auswirkungen von Willensakten – aktive Kontrolle über Konsequenzen – und Lebenswillen können nicht überschätzt werden. Von allen psychosomatischen Variablen mag diese die wirksamste sein. Wenn ein Gefangener aufgibt,
kann der Tod bald folgen. Bruno Bettelheim beschreibt solche eigenartigen Insassen,
die »Muselmänner«, die in nationalsozialistischen Konzentrationslagern rasch aufgaben
und ohne offensichtliche körperliche Ursache starben:
Gefangene, die anfingen, den wiederholten Äußerungen der Wachen
zu glauben, daß es für sie keine Hoffnung gebe, daß sie das Lager
niemals verlassen würden, es sei denn als Tote, Gefangene, die das
Gefühl entwickelten, daß sie auf ihre Umwelt keinerlei Einfluß ausüben konnten, diese Gefangenen waren im wahrsten Sinne des
Wortes wandelnde Leichname. In den Lagern wurden sie »Moslems«
(Muselmänner) genannt, da man ihnen eine fatalistische Schicksalsergebenheit zusprach, so wie man von Mohammedanern gemeinhin
annimmt, daß sie ihr Schicksal blind annehmen.
126
... sie waren so sehr jeder Gefühlsregung, jeder Selbstachtung und
jeder Form der Stimulation beraubt, so völlig erschöpft, sowohl körperlich als auch emotional, daß sie der Umgebung totale Macht über
sich gegeben hatten.189
Kurz nach Beginn ihrer Gefangenschaft hörten diese Männer auf zu essen, saßen
stumpfsinnig und bewegungslos in der Ecke herum und hauchten einfach ihr Leben aus.
8.2.2
Tod durch Hilflosigkeit im Alter
Wenn ein Mensch oder ein Tier mit seinen Körperkräften am Ende ist, geschwächt
durch Unterernährung oder Herzkrankheit, kann ein Gefühl von Kontrolle das Zünglein
an der Waage zwischen Leben und Tod bedeuten. Es gibt ein Phänomen im menschlichen Leben, das unweigerlich körperliche Schwächung mit sich bringt – das Altern. Der
alte Mensch ist besonders anfällig für den Verlust von Kontrolle, vor allem in der amerikanischen Gesellschaft; keine Gruppe, weder Schwarze noch Indianer, noch Einwanderer südamerikanischer Herkunft befinden sich in vergleichbar hilflosem Zustand wie
unsere Alten. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Amerikaners – verglichen
mit anderen Wohlstandsnationen – dürfte weniger ein Zeugnis mittelmäßiger medizinischer Versorgung sein als ein Zeugnis der Art und Weise, wie wir unsere Alten psychologisch behandeln. Wir zwingen sie, sich mit 65 Jahren pensionieren zu lassen, wir
stecken sie in Altersheime. Wir ignorieren unsere Großeltern, wir rangieren sie aus –
wir sind eine Nation, die alte Menschen der Kontrolle über die für sie bedeutsamsten
Ereignisse ihres täglichen Lebens beraubt. Wir töten sie.190
N. A. Ferrari (1962) hat eine – zwar vernachlässigte, aber sehr bedeutsame – Doktorarbeit über die wahrgenommene Entscheidungsfreiheit in einem Altersheim geschrieben. Ihr Hauptinteresse galt der Einstellungsänderung in diesem Heim, aber im Laufe
der Arbeit kristallisierte sich als neuer Hauptschwerpunkt das Überleben heraus. 55
Frauen über 65 (Durchschnittsalter 82 Jahre) hatten sich für die Aufnahme in ein Altersheim im mittleren Westen der USA beworben. Ferrari fragte sie bei der Aufnahme
in das Heim, wie frei sie sich bei der Entscheidung, in dieses Haus zu ziehen, gefühlt
hätten, wieviele andere Möglichkeiten ihnen offengestanden hätten, und wieviel Druck
ihre Anverwandten auf sie ausgeübt hätten, in das Heim zu ziehen. Von den 17 Frauen,
die aussagten, daß sie keine andere Alternative gehabt hätten als in dieses Heim zu ziehen, starben acht nach vier Wochen ihres Aufenthaltes, und nach zehn Wochen waren
insgesamt 16 gestorben. Auffällig war, daß während dieser Anfangsphase nur eine von
den 38 Frauen starb, die eine Alternative gesehen hatten. Das Heimpersonal bezeichnete
diese Todesfälle als »unerwartet«. Eine andere Stichprobe von 40 Frauen bewarb sich
zwar um die Aufnahme, starb aber bereits vor ihrem Einzug. Von den 22 Frauen, deren
Familien den Aufnahmeantrag gestellt hatten, starben 19 innerhalb eines Monats, nachdem sie die Zusage erhalten hatten. Von den 18 Frauen, die sich selbst beworben hatten,
waren nur vier bis zum Ende dieses Monats gestorben.
Es ist möglich, daß bei diesen Ergebnissen unterschiedliche körperliche Gesundheitszustände eine Rolle spielten – je kränker man ist, umso intensiver werden die Familienangehörigen versuchen, einen außer Sichtweite zu bringen. Dies läßt sich aus der ursprünglichen Doktorarbeit schwer sagen. Auf der anderen Seite mögen die Ergebnisse
direkt die tödliche Auswirkung von Hilflosigkeit auf alte Menschen widerspiegeln.
Meines Erachtens nach hätte diese Studie ein Fanfarensignal zum Handeln oder wenigstens zu weiterer Forschung sein müssen, aber sie stieß auf taube Ohren.
D. R. Aleksandrowicz beobachtete die tödlichen psychogenen Auswirkungen, die ein
Feuer auf einer geriatrischen Station auf die Patienten hatte. Keiner der Patienten wurde
von den Flammen verletzt, aber die Station war so verwüstet, daß die Patienten für mehrere Wochen verlegt wurden, bis die Reparaturen abgeschlossen waren. Innerhalb eines
127
Monats nach dem Brand starben fünf der 40 Patienten. Diese Todesrate von 20% lag
wesentlich höher als die Todesrate der vorangegangenen drei Monate mit 7,5%. Auch
diese Todesfälle waren wieder weitgehend »unerwartet«. Hier ein typischer Fall:
Ein 76 Jahre alter ehemaliger Pferdehändler, Spieler und Abenteurer
war 1957 in einem Zustand extremer Abmagerung und mit Anzeichen von Schwindsucht in die Klinik eingeliefert worden. Sein körperlicher Zustand verbesserte sich mit der Behandlung, aber er blieb
an Stuhl oder Rollstuhl gebunden. Er litt außerdem unter einer
chronischen Harnwegsinfektion, die sich als resistent gegen jede Behandlung erwies. Sein verdrießliches, quengeliges Verhalten, dauernde Forderungen, Konkurrenzkämpfe mit und Provokationen von
anderen Patienten und hinterhältige Versuche, das Personal herauszufordern, machten ihn auf der Station zum Problem. Gleichzeitig
entwickelten einige Mitglieder des Teams eine gewisse Zuneigung zu
diesem ungewöhnlichen Patienten. Er zeigte eine starke, wenn auch
ambivalente Bindung zur Krankenschwester, zu einer Aushilfskraft
und zum Arzt. Mithilfe eines starren, gut koordinierten Systems von
Privilegien und Kontrollen konnte man mit ihm umgehen.
Nach dem Brand wurde dieser Patient auf die neurologische Station
verlegt, auf der seine früheren Privilegien (ihn z.B. jeden Tag zu bestimmten Stunden mit Milchkartons zu versorgen) und Kontrollen
nicht beibehalten werden konnten. Der Patient machte einen niedergeschlagenen und traurigen Eindruck. Er drückte nicht wie sonst
seinen bitteren Zorn aus und pflegte zu antworten, wenn er angesprochen wurde. Zwei Wochen nach dem Brand wurde er tot aufgefunden, und die Diagnose war wahrscheinlich Herzinfarkt. Eine Autopsie wurde nicht durchgeführt.
Obwohl der Patient unterernährt und schwach gewesen war, wies
nichts auf einen kritischen Zustand hin, und sein Tod kam völlig
überraschend. Der Tod wurde als »unerwartet« klassifiziert.191
Ich möchte nahelegen, derartige Todesfälle nicht länger als unerwartet anzusehen. Wir
sollten erwarten, daß wir ein körperlich bereits geschwächtes menschliches Wesen umbringen, wenn wir die Reste möglicher Kontrolle über seine Umgebung entfernen. Erzwungene Pensionierung ist ein Beispiel dafür. Die gleichen Überlegungen, die dagegen
sprechen, keine Schwarzen und keine Frauen einzustellen, sollten auch dafür gelten, einen Menschen nicht einfach zu entlassen, nur weil er 65 Jahre alt geworden ist. Dies
wirkt nicht nur diskriminierend, weil der Verdienst des einzelnen nicht berücksichtigt
wird, es kann auch tödlich wirken – nimm einem Mann seine Arbeit, und du entfernst
die für ihn bedeutsamste Quelle instrumenteller Kontrolle.
8.2.3 Frühkindliches Sterben und anaklitische Depression
So wie alte Menschen können auch Kinder wahrscheinlich wahrnehmen, wie hilflos sie
sind. R. Spitz (1946) berichtete als erster über das Phänomen der anaklitischen Depression oder des Hospitalismus. Wie im vorausgegangenen Kapitel (vgl. S. 136 ff.) erwähnt wurde, entsteht dieses Phänomen unter zwei Bedingungen: wenn Kinder in Waisenhäusern aufwachsen, in denen sie nur einem Minimum an Umweltreizen ausgesetzt
werden, werden sie stumpf und unansprechbar; und wenn Kinder zwischen dem sechsten und dem achtzehnten Lebensmonat von ihren Müttern getrennt werden – die z.B.
im Gefängnis sitzen –, entwickeln die Kinder ebenfalls Depressionen.192 Von den 91
Kindern eines Waisenhauses, die Zeichen von Hospitalismus zeigten, starben 34 im
Verlauf der folgenden zwei Jahre. Der Tod wurde verursacht durch Erkrankungen der
128
Atemwege, Masern und Verdauungsstörungen. Es ist unwahrscheinlich, daß die objektiven Bedingungen im Waisenhaus so schlecht waren, daß sie eine Todesrate von 40%
verursachten. Aber was bedeuten der Mangel an Stimulation und die Trennung von der
Mutter für ein Kind in einem Alter, in dem es instrumentelle Kontrolle entwickelt?
Hilflosigkeit. Wir sollten mittlerweile nicht mehr überrascht sein, eine erhöhte Anfälligkeit für den Tod als Konsequenz von Hilflosigkeit zu erkennen.
8.3 Schluß
Ich bitte den wissenschaftlich gebildeten Leser um Verzeihung (wenn auch nicht allzu
nachdrücklich), wenn meine Argumente in diesem Kapitel eher impressionistischen
Charakter haben. Was ich zusammengetragen habe, ist eine gewichtige Reihe von Anekdoten und einige experimentelle Untersuchungen, von denen nur wenige besonders
genau geplant und durchgeführt worden sind. Aber vielleicht tröstet die Bedeutung der
Problematik darüber hinweg. Wenn plötzlicher Tod durch Hilflosigkeit eine Tatsache
ist, ist er eine Tatsache von ausreichender Brisanz, um einen kurzen Appell an Wissenschaftler zu verdienen, sich ernsthaft mit ihm zu beschäftigen. Ich hoffe, daß ich einen
überzeugenden Anlaß zu kontrollierten Untersuchungen auf diesem Gebiet gegeben habe.
Eine Vielfalt von Spezies, von der Kakerlake bis zur wilden Ratte, von Hühnern bis zu
Schimpansen, von Säuglingen bis zu Greisen, scheinen Tod durch Hilflosigkeit erleiden
zu können. Im Verlauf eines solchen Sterbens verliert das Individuum Kontrolle über
Dinge, die für es bedeutsam sind. Auf Verhaltensebene reagiert es mit Depression, Passivität und Unterwerfung. Subjektiv fühlt es sich hilflos und hoffnungslos. In der Folge
tritt unerwarteter Tod ein.
Was verursacht diesen Tod? Im letzten Stadium tritt eine ganze Skala körperlicher Reaktionen auf: Herzversagen, Asthma, Lungenentzündung, Krebs, Infektionen, Unterernährung. Bisher konnte kein einzelner organischer Grund angegeben werden, doch steht
der Tod mit einer Verlangsamung des Herzens in Zusammenhang. Medizinische Forscher nahmen hypothetisch unter anderem eine vagale Inhibition des Herzrhythmus, einen Tauchreflex und parasympathische Übererregung als mögliche Ursachen an.193 Ich
bin nicht sachverständig genug, um diese Hypothesen beurteilen zu können, aber ich
habe den Verdacht, daß kein organisches Substrat gefunden wird. Das Fehlen physiologischer Einheitlichkeit sollte uns jedoch nicht blind machen für die Realität des Phänomens oder für seine regelmäßige psychologische Ursache, die einzige Ursache, die wir
beim derzeitigen Stand unseres Wissens spezifizieren können: Hilflosigkeit, die Wahrnehmung von Unkontrollierbarkeit.
Nur eine psychologische Ursache anzugeben, bedeutet nicht notwendigerweise, daß ein
Phänomen eher metaphysischer oder parapsychologischer Natur ist. Sterben aus Hilflosigkeit ist real genug. Ein Verständnis der psychologischen Grundlage gestattet uns
vielleicht, einige dieser Todesfälle dadurch zu verhindern, daß man instrumentelle
Kontrolle in das tägliche Leben gefährdeter Menschen einbaut.
129
Ich nehme an, daß dies bereits früher gesagt worden ist. Aber keine Aussage dazu bewegt mich mehr als Dylan Thomas’ Verse:
Do not go gentle into that good night,
Old age should burn and rave at close of day;
Rage, rage against the dying of the light.
...
And you, my father, there on the sad height,
Curse, bless, me now with your fierce tears, I pray.
Do not go gentle into that good night.
Rage, rage against the dying of the light.
Übersetzung:
Geh nicht gelassen in die gute Nacht,
Brenn, Alter, rase wenn die Dämmerung lauert;
Im Sterbelicht sei doppelt zornentfacht.
...
Und du mein Vater dort auf der Todeswacht,
Fluch segne mich, von Tränenwut vermauert.
Geh nicht gelassen in die gute Nacht.
Im Sterbelicht sei doppelt zornentfacht.*
* aus: Geh nicht gelassen in die gute Nacht
entnommen aus: Dylan Thomas, WINDABGEWORFENES LICHT
Herausgegeben von Klaus Martens
© 1992 Carl Hanser Verlag, München – Wien
130
9 Erlernte Hilflosigkeit:
Neue Konzepte und Anwendungen
Nachwort von Franz Petermann
9.1 Einleitung
Der Ursprung der Hilflosigkeitsforschung geht auf Studien von Martin E. P. Seligman,
Steven F. Maier und J. Bruce Overmier zurück, die vor knapp 30 Jahren (von 1964
bis 1967) durchgeführt wurden. Gegenstand ihrer tierexperimentellen Studien war der
Zusammenhang zwischen Angstkonditionierung und Vermeidungslernen (vgl. Brunstein, 1990). Das Resultat der Bemühungen führte zu unerwarteten und überraschenden
Befunden. Nach de Jong (1992, S. 137) kommt der schnell expandierenden Hilflosigkeitsforschung das Verdienst zu, »im Bereich der psychologischen Grundlagenforschung zur Depression wissenschaftliche Standards eingeführt und den Aspekt der Unkontrollierbarkeit von Erfahrungen in seiner Bedeutung für affektive Störungen herausgearbeitet zu haben«.
Die Theorie der erlernten Hilflosigkeit – und das gestehen auch die Kritiker ein – hat
Eingang in die Entwicklungs- und Sozialpsychologie, aber auch in die Klinische und
Pädagogische Psychologie gefunden. Das Konzept erwies sich vielfach als nützlich,
wenn es darum ging, praktisches Handeln psychologisch zu fundieren. Die Theorie der
erlernten Hilflosigkeit stützte in ihrem Hauptanwendungsfeld, nämlich der Klinischen
Psychologie, die Position der Lerntheorie und führte zugleich die Attributionstheorien
in diesen Bereich ein (vgl. Försterling, 1986). Solche Bestrebungen dürfen als positiv
angesehen werden, da sie zur Fundierung klinischen Handelns führen können.
Jedes psychologische Konzept, das populär wird und in immer neue Felder Eingang
findet, muß sich mit kritischen Bemerkungen auseinandersetzen und an Alternativkonzepten messen lassen. Dies ist auch bei der Theorie der erlernten Hilflosigkeit der Fall.
Von 1975 an kam es ständig zu Reformulierungen, alternativen Entwürfen, integrierenden Ansätzen u.ä. Ich setze mich mit diesen Weiterentwicklungen auseinander und berücksichtige besonders die Literatur von 1978 bis heute (1992). Zunächst wird über
theoretische Entwicklungen und begriffliche Unschärfen berichtet, dann auf neuere empirische Befunde und deren Bewertung eingegangen und abschließend die Anwendungen und Perspektiven der Theorie der erlernten Hilflosigkeit diskutiert.
Die Hilflosigkeitstheorie spiegelt sicherlich auch den Zeitgeist wider. Zwar scheinen
Unkontrollierbarkeit, Nichtplanbares und Unverhofftes nicht in eine hochtechnisierte
Welt zu passen; trotzdem findet man heute immer häufiger Erscheinungsformen der
Macht-, Hilf- oder Hoffnungslosigkeit. Zur Erklärung dieser Zustände zieht die Psychologie u.a. Variablen aus den Bereichen »Handlungskontrolle« und »Selbstkonzept«
heran und setzt ihnen Variablen aus der Vertrauensforschung entgegen (vgl. Petermann, 1992). Der vielleicht umfassendste Versuch, kognitive Variablen und Aspekte
von Hilflosigkeit zu verbinden, stammt von Martin Seligman und seinen Mitarbeitern.
Erlernte Hilflosigkeit war bislang Gegenstand einiger hundert psychologischer Untersuchungen, vor allem im anglo-amerikanischen und ansatzweise im deutschsprachigen
Raum. Das Konzept der erlernten Hilflosigkeit wurde auf viele Bereiche übertragen,
von denen Tabelle 9.1 eine Auswahl darstellt.
Vor diesem Hintergrund erscheint das Konzept der erlernten Hilflosigkeit als ein allgemeines, überall anwendbares Modell zur Beschreibung der Herausbildung psychischer
Fehlentwicklungen und des Bewältigungsprozesses in kritischen Lebensphasen (Lebenssituationen). Anscheinend sind die Symptome psychischer Fehlentwicklungen bzw.
die Bewältigungsprozesse in kritischen Lebensphasen so ähnlich, daß die große Viel131
zahl der untersuchten Erscheinungsformen durch das Modell der erlernten Hilflosigkeit
abgedeckt werden kann.
Tabelle 9.1: Übertragung des Konzepts der erlernten Hilflosigkeit auf nichtdepressives Verhalten
Erklärungsbereiche
Autoren
Affektive Stimmungen
Aggression
Alkoholismus
Angst
Arbeitslosigkeit
Arbeitsverhalten (Jugendliche)
Aufmerksamkeitsstörungen
Drogenmißbrauch
Epilepsie
Geistige Behinderung
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Herzinfarkt
Hospitalismus
Intergenerative Erziehung
Krebs- und Tumorerkrankungen
Leseschwäche
Mutter-Kind-Interaktion
Organisationspsychologische Fragen
Pädgogisches Handeln
Pessimismus
Psychosomatische Erkrankungen
Schulische Leistungsfähigkeit
Schulversagen
Selbstmordversuche
Soziale Unsicherheit bei Kindern
Sozialverhalten bei Jugendlichen
Taubheit
Unfallpatienten
Vertrauen
Verwitwung
Hunsley, 1989
Geen, 1978
Donovan & O’Leary, 1979
Schwarzer, 1989; Schwarzer & Walschburger, 1985
Frese, 1979; Klein-Moddenburg, 1984
Petermann & Petermann, 1992a
Milich & Okazaki, 1991
Berglas & Jones, 1978
De Vellis et al., 1980
De Vellis & McCauley, 1979
Brunson & Mathews, 1981
Bar-On, 1987
Seligman, in diesem Buch über erlernte Hilflosigkeit
Greger, 1992
Visintainer et al., 1983; Lakomy, 1988
Butkowsky & Willows, 1980; Fowler & Peterson, 1981
Donovan & Leavitt, 1984; Papousek, 1985
Rüttinger & Klein-Moddenburg, 1980
Ulich, 1980
Seligman, 1990
Kastner, 1981
Balk, 1983; Jerusalem, 1984; Nolen-Hoecksema et al., 1986
Roles et al., 1980
Kazdin et al., 1983
Petermann & Petermann, 1992b
Monien, 1985; U. Petermann, 1992
McCrone, 1979
Rogner et al., 1987
Petermann, 1992
Schneider, 1979
Diese rasante Verbreitung mag verwundern, wenn man sich die massive Kritik an der
Theorie der erlernten Hilflosigkeit vor Augen hält. Allein die tierexperimentelle Basis
der Theorie kann man unter ethischen und methodischen Überlegungen bezweifeln. Ob
man tierexpenmentelle Befunde überhaupt auf menschliches Verhalten übertragen kann,
wird vehement diskutiert und die Stimmigkeit der Befunde an sich kritisiert. Schon
Klosterhalfen & Klosterhalfen (1983) stellen in Frage, ob man mit Tierexperimenten
tatsächlich den Kernbefund der Theorie der erlernten Hilflosigkeit, nämlich die Unfähigkeit, neue Kontingenzen zu erlernen, belegen kann. In der Übersichtsarbeit trat bei
92 Tierexperimenten der Effekt nur zweimal auf. Klosterhalfen & Klosterhalfen gehen
soweit, daß man die in Tierexperimenten auftretenden Effekte nicht auf die spezifische
experimentelle Anordnung zurückführen kann, sondern oft ausschließlich aus dem
Schock per se erklärt werden kann.
132
9.2 Theoretische Entwicklungen
Die ursprüngliche Theorie von Seligman geht davon aus, daß Hilflosigkeit in einem
Drei-Stufen-Prozeß zu erklären ist. Dieser Prozeß umfaßt die drei Schritte:
1.
Bewertung der eigenen Kontrollmöglichkeiten aufgrund der bisherigen Erfahrung,
Einfluß auf das Geschehen ausüben zu können;
2.
Erwartung an zukünftige Ereignisse (Kompetenzerwartungen) und
3.
das gezeigte Verhalten.
Man geht dabei von objektiven Informationen über die Kontrollmöglichkeiten aus, die
bewertet werden und zu spezifischen Erwartungen an zukünftige Ereignisse führen. Es
wird vielfach belegt, daß Depressive im Vergleich zu Nicht-Depressiven sich weit weniger zutrauen, Kontrolle über eine Situation ausüben zu können (Peterson & Seligman, 1984b; Martin et al. 1984). In diesem Modell stehen die genannten drei Stufen in
Beziehung miteinander. Tabelle 9.2 gibt an, in welcher Form mögliche Diskrepanzen
von realen Kontrollmöglichkeiten und Kompetenzerwartungen denkbar sind und wie sie
sich auf das Handeln auswirken.
Tabelle 9.2: Verknüpfung von Kontrollmöglichkeiten, Kompetenzerwartungen und Verhalten.
Kontrollmöglichkeiten
Gering
Kompetenzerwartungen
Hoch
Gering
keine Handlungskompetenz
Kontrollillusion
(Selbstüberschätzung)
Hoch
Hilflosigkeit
hohe Handlungskompetenz
Tabelle 9.2 verdeutlicht auch, daß die Ursachen für die negativen Auswirkungen ausschließlich in der geringen Kompetenzerwartung liegen, Dinge beeinflussen zu können.
Von Seligman werden keine Aussagen darüber gemacht, unter welchen Bedingungen
eine Diskrepanz vorliegt, die zur Kontrollillusion und damit zu einer maßlosen Selbstüberschätzung führt (vgl. Langer, 1975). Nach Seligman bewirkt nur die Zelle der Tabelle 9.2 mit dem Etikett »Hilflosigkeit« Depression; die übrigen scheinen zu »gesunden Verhaltensweisen« beizutragen.
Die Weiterentwicklung der Seligmanschen Theorie besteht im wesentlichen darin, neue
kognitive Variablen einzuführen, die darauf hinauslaufen, die problematischen Schlüsse
von Tierexperimenten auf menschliches Verhalten zu relativieren. Erste Versuche in
diese Richtung stammen von Abramson et al. (1978) und Miller & Norman (1979).
Im Rahmen der Theoriendiskussion muß auch die kritische und integrierende Position
der Arbeitsgruppen um Wortman (Wortman & Brehm, 1975; Wortman & Dintzer,
1978) dargestellt werden. Wortmans Arbeiten beziehen sich auf die ursprüngliche Theorie sowie die Reformulierung von Abramson et al. (1978).
133
9.2.1 Die Reformulierung von Abramson, Seligman & Teasdale
9.2.1.1 Annahmen
Ergänzend zu der ursprünglichen Theorie von Seligman wird von Abramson et al. ein
Bewertungsprozeß (Attributionsprozeß) eingeführt, der das Ausmaß der Hilflosigkeit
mitbestimmen soll. Diese Überlegungen gehen von dem Konzept des »locus of control«
von Rotter (1972) aus. Es wird dabei angenommen, daß hilflose Menschen Mißerfolge
ihrem persönlichen Geschick und ihren Fähigkeiten zuschreiben (= internal) sowie Erfolge eher durch Glück oder Zufall erklären (= external). Hingegen suchen nicht-hilflose Menschen bei Mißerfolgen die Ursache eher in den äußeren Umständen (Pech, Zufall) und bei Erfolgen sind sie stolz auf ihre Leistung, d.h. sie erklären sie internal. Die
auf diesem Ansatz basierende Untersuchung (vgl. Klein & Seligman, 1976) spricht
aber nicht für diese einfache Gleichsetzung. Der Befund führt Abramson et al. (1978)
zu dem Schluß, daß external/internal und hilflos/nicht-hilflos in jeder Kombination auftreten können. Dies bedeutet also, daß es external wie internal attribuierende hilflose
Personen gibt. In dem Konzept von Abramson et al. bestimmen die Attributionsprozesse, wie Nichtkontrolle verarbeitet wird. Die Formen der Hilflosigkeit hängen von
den nachfolgend darzustellenden Arten der Attributionsmuster ab, die eine Person zur
Erklärung erfahrener Nichtkontrolle heranzieht. Das jeweilige Attributionsmuster bestimmt die Erwartungen über den zukünftigen Erfolg eigenen Handelns. Folgende Attributionsstile lassen sich nach Abramson et al. trennen:
1.
2.
3.
internal vs. external;
global vs. spezifisch;
stabil vs. variabel.
9.2.1.1.1 Internal vs. external
Zunächst unterscheiden Abramson et al. (1978) zwischen persönlicher und universeller
Hilflosigkeit. Von persönlicher Hilflosigkeit spricht man, wenn ein Individuum glaubt,
daß die Konsequenzen des eigenen Verhaltens nur von der eigenen Person nicht – dagegen von allen anderen Personen sehr wohl – kontrolliert werden können. Bei universeller Hilflosigkeit vertritt das Individuum die Ansicht, weder es selbst noch andere seien
in der Lage, Kontrolle über bestimmte Ereignisse auszuüben, da diese Ereignisse sich
generell menschlicher Einflußnahme entzögen. Durch diese Gegenüberstellung lassen
sich die Begriffe »internale« und »externale« Attribution definieren, wobei diese Unterteilung auf einem sozialen Vergleichsprozeß basiert, d.h. es wird gefragt, ob andere
Personen derselben Nichtkontrolle ausgesetzt sind oder nicht. Universelle Hilflosigkeit
resultiert aus externaler Attribution, d.h. nicht nur die eigene Person, sondern auch andere für das Individuum bedeutsame Personen erfahren aus seiner Sicht nichtkontrollierbare Bedingungen. Bei persönlicher Hilflosigkeit wird die Ursache beim Individuum
selbst angenommen (= internale Attribution). Die Auswirkungen von persönlicher und
universeller Hilflosigkeit sind unterschiedlich. So führt persönliche Hilflosigkeit – im
Gegensatz zu universeller Hilflosigkeit – zum Verlust des Selbstwertgefühles.
Brunstein (1990) weist darauf hin, daß mit der Einführung der Unterscheidung von
persönlicher und universeller Hilflosigkeit Abramson et al. (1978) das Selbstwirksamkeitskonzept von Bandura (1977) aufgegriffen und sich damit vom Konzept des
»Locus of control« von Rotter (1972) verabschiedet haben; demnach hätten Personen,
die internal hilflos sind, eine zu geringe Selbstwirksamkeit.
134
9.2.1.1.2
Global vs. spezifisch
Eine weitere Attributionsdimension ergibt sich aus dem Begriffspaar »GlobalitätSpezifität«. Bei globalem Attributionsstil werden die Ursachen von nichtkontrollierbaren Bedingungen sehr weit und allgemein gefaßt; dadurch treffen die Ursachen für sehr
viele Lebenssituationen zu, und somit kann ein einzelner Reiz umfassend Hilflosigkeit
auslösen. Eine globale Attnbution hat demnach zur Folge, daß Hilflosigkeit auf andere
Verhaltensbereiche generalisiert. Bei spezifischer Attribution dagegen bleibt die Hilflosigkeit auf die speziellen Reize der Situation beschränkt.
9.2.1.1.3
Stabil vs. variabel
Die dritte Attributionsdimension »stabil – variabel« bezieht sich darauf, wie sich die
Nichtkontrollbedingungen zeitlich erstrecken. Es wird dabei unterschieden zwischen
stabilen Ursachen, die als langlebig und wiederkehrend erlebt werden und chronische
Hilflosigkeit bewirken, und solchen, die kurzlebig und vorübergehend sind.
Die insgesamt sehr wichtige Reformulierung von Abramson et al. läßt sich anhand der
Attributionen eines in einer Prüfung durchgefallenen Studenten und einer zurückgewiesenen Frau erläutern (siehe Tabelle 9.3; vgl. Abramson et al., 1978, S. 57).
In dem dargestellten 16-Felder-Schema weisen sich globale, stabile und internale Attributionen als ungünstig für die Herausbildung neuer Erwartungsmuster aus. Dieses problematische Attributionsmuster liegt bei den Beispielen in Tabelle 9.3 vor, wenn der
durchgefallene Student das Prüfüngsergebnis auf mangelnde Intelligenz zurückführt und
zudem diesen Zustand für unbeeinflußbar hält; im Falle der zurückgewiesenen Frau
geht diese davon aus, daß sie generell für Männer unattraktiv ist. Nach der Argumentation von Abramson et al. dürfte es sehr wahrscheinlich sein, daß diese Attributionsmuster zu krankhaftem Verhalten und stark beeinträchtigenden Folgen führen.
Tabelle 9.3: Formale Charakteristika von Attributionen und einige Beispiele (leicht verändert
aus Abramson et al., 1978, S. 57).
Dimension
Internal
stabil
External
variabel
stabil
variabel
global
durchgefallener
Student
Fehlen der
Intelligenz
Erschöpfung
zurückgewiesene
Frau
ich bin für
Männer unattraktiv
meine
Konversation ist
manchmal für
Männer langweilig
das Testinstitut
wählt unfaire Tests
aus
Männer müssen
mit intelligenten
Frauen sofort
konkurrieren
heute ist Freitag,
der 13.
das Testinstitut
wählt unfaire Mathematiktests aus
er muß sofort mit
intelligenten Frauen konkurrieren
es war der 13.
Mathematiktest
Männer haben
manchmal
zurückweisende
Launen
spezifisch
durchgefallener
Student
Fehlen von
mathematischen
Fähigkeiten
Mathematikaufgaben kotzen mich an
zurückgewiesene
Frau
ich bin für ihn
unattraktiv
meine
Konversation
langweilt ihn
135
er war in
zurückweisender
Laune
9.2.1.2 Experimentelles Vorgehen
Das experimentelle Vorgehen, das in diesem Buch beschrieben wurde, hat sich bei den
Tierexperimenten seit Mitte der 60er Jahre bewährt und wurde 1974 von Hiroto zum
ersten Mal für ein Experiment mit menschlichen Versuchspersonen übernommen (vgl.
Hiroto, 1980). In einem Nachfolgeexperiment von Hiroto & Seligman (1976) wurde
dieses Vorgehen ausgeweitet. Jetzt bekamen die Versuchspersonen in einer ersten Versuchsphase unlösbare Begriffsbildungsaufgaben vorgelegt und in der anschließenden
Phase Anagrammaufgaben (= Buchstabenkombinationen, bei denen durch das Umstellen von Buchstaben sinnvolle Wörter entstehen). Obwohl alle Anagrammaufgaben nach
demselben Muster lösbar waren, stellte man fest, daß hilflos gemachte Versuchspersonen länger zur Lösung der Aufgaben brauchten und auch insgesamt weniger Aufgaben
lösten als die Kontrollgruppe. Mit diesem noch relativ einfachen Vorgehen kann man
jedoch nicht die reformulierte Theorie von Abramson et al. überprüfen.
Im folgenden soll das typische, experimentelle Vorgehen geschildert werden, mit dem
man die Aussagekraft der reformulierten Theorie der erlernten Hilflosigkeit überprüft.
Wir wählen dazu eine neue Arbeit von Alloy et al. (1984) aus, in der über zwei Experimente berichtet wird. In den Experimenten wurden zwei Faktoren systematisch untersucht, die entscheidenden Einfluß auf das Ausmaß der Hilflosigkeit haben:
1.
die Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit der Situation von Vortrainings- und der eigentlichen Testphase; bekanntlich wird in der Vortrainingsphase Hilflosigkeit experimentell hergestellt; und
2.
der Einfluß von globaler bzw. spezifischer Attribution für negative Ereignisse.
Die Autoren sagten voraus, daß Personen, die negative Ergebnisse auf globale Faktoren
zurückführen, ihr Hilflosigkeitserleben generalisieren. Solche ungünstig attribuierende
Personen werden sich in vielen Situationen hilflos verhalten, gleichgültig, ob sie der ursprünglichen Situation, in der sie sich hilflos fühlten, ähnlich sind oder nicht. Im Gegensatz dazu werden sich Personen, die von ihrem Attributionsstil her gesehen, negative
Ereignisse ausschließlich auf spezifische Faktoren zurückführen, nur in solchen Situationen hilflos fühlen, die der ursprünglich als hilflos erlebten Situation gleichen.
Zunächst wurden anhand des Hilflosigkeitsfragebogens von Seligman et al. (1979) die
zu untersuchenden Studenten in eine Gruppe mit globalem und eine mit spezifischem
Attributionsstil unterteilt. Bei einem Hilflosigkeitsfragebogen werden positive und negative Ereignisse aus dem Sozial- und Leistungsbereich mit der Bitte vorgegeben, die
Hauptursache anzugeben, die zu dem jeweiligen Ereignis führten. Positive Ereignisse
wären Aussagen wie: »Sie ernten für Ihre Arbeit hohes Lob« und negative Ereignisse
etwa: »Sie treffen einen Freund, der sich jedoch Ihnen gegenüber feindselig verhält«.
Dieser Fragebogen enthält 12 hypothetische Situationen, von denen je sechs ungünstige
und günstige Ereignisse darstellen. Den Studenten wurde eine Anweisung des folgenden
Wortlautes gegeben (vgl. Peterson & Seligman, 1984a, S. 172):
»Bitte versuchen Sie, sich in folgende Situationen lebhaft einzudenken. Wenn Sie in eine solche Situation kommen, was wäre Ihrer Meinung nach der Grund dafür? Ereignisse
können zwar viele Ursachen haben, wir bitten Sie aber, nur eine einzige auszuwählen –
die Hauptursache für den Fall, daß dieses Ereignis Ihnen zustieße. Schreiben Sie bitte
die Ursache in die Leerzeile nach der Schilderung jedes Ereignisses. Beantworten Sie
danach bitte einige anschließende Fragen über die von Ihnen genannte Ursache.«
136
Die Einschätzung der Hauptursache erfolgt auf den drei folgenden Dimensionen:
1.
Internal vs. external: »Ausschließlich von mir verschuldet – Gänzlich verschuldet von anderen oder den Umständen«
2.
Global vs. spezifisch: »Beeinflußt alle Situationen in meinem Leben – Beeinflußt
nur diese Situation«
3.
Stabil vs. variabel: »Wird immer wieder vorkommen – Wird niemals wieder
vorkommen«
Weitere, ähnliche Hilflosigkeitsfragebögen liegen heute von Anderson (1983), Peterson et al. (1982) und eine deutschsprachige Fassung von Stiensmeier et al. (1985),
Stiensmeier (1988a,b) und Brunstein (1986) vor.
Eine zweite Möglichkeit, Attributionsstile zu erfassen, stellt seit kurzem die sogenannte
CAVE-Technik dar. Es handelt sich um eine Inhaltsanalyse verbaler Äußerungen (content analysis of verbatim explanations). Das Verfahren wurde von Schulman et al.
(1989) beschrieben und von Burus & Seligman (1989) angewandt. Mit dieser Technik
möchte man Attributionsmuster bei Personen herausfiltern, die nicht in der Lage oder
bereit sind, einen Fragebogen auszufüllen. In der Arbeit von Schulman et al. (1989)
sind die Richtlinien für die Auswahl und Beurteilung spontaner Erklärungen abgedruckt.
Zunächst werden Regeln angegeben, wie man ereigniserklärende Texteinheiten auswählt und wie diese Attributionen anhand von drei kausalen Dimensionen »internal –
external«, »stabil – variabel« und »global – spezifisch« analysiert werden. Idealerweise
sind vier oder fünf vom Gesprächspartner negativ bewertete Ereignisse und ihre Erklärungen notwendig, um den Attributionsstil zu erheben. Negative Ereignisse werden deshalb bevorzugt, da man eher über negativ bewertete als über positive nachdenkt und
somit auch mehr Attributionen vornimmt (Zautra et al. 1985). Außerdem zeigen fast
alle Studien (vgl. Robins, 1988), daß negative Ereignisse bessere Prädikatoren für depressive Defizite sind als positive. Für die Auswahl müssen Ereignis und Erklärung folgenden Kriterien genügen:
)
Das Ereignis muß eindeutig als gut oder schlecht bewertet werden – und zwar
vom Gesprächspartner selbst.
)
Der Gesprächspartner muß seine eigene Erklärung zu diesem Ereignis abgeben
und nicht nur jemand anderem zustimmen.
)
Es muß eine klare kausale Beziehung zwischen Ereignis und Erklärung ersichtlich
sein.
Der Auswertungsprozeß beginnt mit der Durchsicht des Materials nach EreignisErklärungs-Einheiten. Hierbei kann es sich um verbale Äußerungen handeln, die auf
Ton- oder Videokassette vorliegen. Im Idealfall sollten Ereignis und Erklärung genug
Informationen enthalten, die es dem Beurteiler gestatten, die Einheit auf alle drei Kausaldimensionen hin zu analysieren.
Die oben genannten Annahmen prüften Alloy et al. (1984) mit dem bekannten DreiGruppen-Versuchsplan, wobei eine Gruppe in der Vortrainingsphase kontrollierbaren,
eine zweite unkontrollierbaren Lärm erfuhr, und eine Kontrollgruppe von allem verschont blieb. Wie Tabelle 9.4 zeigt, lag zwischen Experiment 1 und 2 ein erheblicher
Unterschied vor. Im ersten Experiment glichen sich Vortrainings- u. Testphase, d.h. in
beiden Abschnitten des Versuches wurden die Studenten mit unangenehmem Lärm belästigt, im zweiten Experiment wurde lediglich in der Vortrainingsphase Lärm eingesetzt, in der Testphase jedoch Anagrammaufgaben vorgegeben.
137
Tabelle 9.4: Typisches experimentelles Vorgehen nach dem Drei-Gruppen-Versuchsplan zur
Überprüfung der Einflüsse von Attributionsstilen auf hilfloses Verhalten (aus Alloy et al.,
1984).
Experiment 1: Ähnlichkeit
Attributionsstil
global
global
Vortraining
vermeidbarer
Lärm
vermeidbarer
Lärm
unvermeidbarer
Lärm
unvermeidbarer
Lärm
kein Lärm
spezifisch
kein Lärm
spezifisch
global
spezifisch
Testphase
abstellbarer
Lärm
abstellbarer
Lärm
abstellbarer
Lärm
abstellbarer
Lärm
abstellbarer
Lärm
abstellbarer
Lärm
Experiment 2: Unähnlichkeit
Attributionsstil
global
global
Vortraining
vermeidbarer
Lärm
vermeidbarer
Lärm
unvermeidbarer
Lärm
unvermeidbarer
Lärm
kein Lärm
spezifisch
kein Lärm
spezifisch
global
spezifisch
Testphase
AnagrammAufgaben
AnagrammAufgaben
AnagrammAufgaben
AnagrammAufgaben
AnagrammAufgaben
AnagrammAufgaben
Die von Alloy et al. (1984) erzielten Ergebnisse stimmen mit den Vorhersagen des reformulierten Modells der Hilflosigkeitstheorie überein. In der Tat sind Personen, die
negative Ereignisse auf spezifische Faktoren zurückführen, nur in solchen Situationen
hilflos, die der ursprünglich als hilflos erlebten Situation gleichen.
In einer Studie von Klaus von Bassewitz et al. (1989) konnte die reformulierte Theorie
nicht bestätigt werden. Nach den Ergebnissen von Alloy & Abramson (1979) führt die
Erwartung der Nichtkontrolle dazu, daß Depressive
)
die reale Kontingenz einer Handlung nicht erkennen (= kognitives Defizit),
)
wenig effektive Handlungen ausführen (= motivationales Defizit) und
)
die Kontingenz unterschätzen.
Nach Alloy & Abramson (1979) können Depressive die Kontingenz genauer abschätzen als Nichtdepressive. In der Studie von Klaus von Bassewitz et al. (1989) unterschieden sich die Kontingenzschätzungen Depressiver und Nichtdepressiver nicht. Das
Motivationsdefizit konnte ebenfalls nicht bestätigt werden, da Depressive genauso häufig aktive Reaktionen initiierten wie Nichtdepressive. Die Art der Verstärkung (Bestrafen und Belohnen) wirkte sich nicht auf die Kontingenzschätzungen aus, dagegen erhöhte sich bei allen Personen mit der Verstärkerhäufigkeit der Glaube, die Situation sei
kontrollierbar, obwohl die Versuchspersonen objektiv keinen Einfluß hatten.
9.2.2
Die Reformulierung von Miller & Norman
Miller & Norman versuchen, die Kritik zu berücksichtigen, die sich an der Durchführung von Humanexperimenten im Rahmen der erlernten Hilflosigkeit festgemacht hat.
Für sie ist v.a. wichtig, daß kognitive und motivationale Defizite experimentell bislang
nicht getrennt wurden. Diese Autoren glauben, daß das Modell von Seligman durch Situationsfaktoren präziser gefaßt werden kann, die die Bedingungen, unter denen Hilflosigkeit entsteht, aufdecken sollen. Sicherlich ist die zentrale Grundannahme, daß sowohl
positive als auch negative Verstärkung Hilflosigkeit hervorrufe, als Situationsfaktor zu
global. Miller & Norman weisen darauf hin, daß bei positiver, nonkontingenter Verstärkung sowohl Leistungsverbesserungen als auch Leistungsverschlechterungen auftreten. Anscheinend spielt das Ausmaß und die Art der Verstärkung eine Rolle. Obwohl
erlernte Hilflosigkeit als situationales Konzept formuliert wurde, wird nach Meinung
der Autoren oft vernachlässigt, wie situationale Erfahrungen in kognitive Elemente
übersetzt werden, welche Kennzeichen diese Elemente besitzen und wie sie zukünftiges
Verhalten beeinflussen.
138
Miller & Norman empfehlen zur Reformulierung der Theorie der erlernten Hilflosigkeit ebenfalls ein attributionstheoretisches Konzept. Zur Kennzeichnung der erlernten
Hilflosigkeit unterscheiden sie zwischen affektiven und Leistungsdefiziten, die unabhängig voneinander auftreten können und mit der Attribution variieren. Für die Entstehung von erlernter Hilflosigkeit sind Nichtkontrollierbarkeitsbedingungen und Mißerfolge bedeutsam; die attributionstheoretische Sicht wird unterstrichen. Die wesentliche
Spezifizierung gegenüber Abramson et al. (1978) sollen Situationsfaktoren erbringen,
die sich auf die Instruktion bei der Versuchsdurchführung, die Dauer der Hilflosigkeit
oder auf Hinweise bezüglich real vorhandener Kontingenzen beziehen (siehe Abb. 9.1).
Ferner spielen für eine situationale Betrachtung soziale Normen, Beobachtung anderer
bei der Leistungsausführung und der Aufgabentyp eine Rolle.
Abb. 9.1: Bedingungen der Hilflosigkeit nach Miller & Norman (1979).
In diesem modifizierten Modell besitzen auch Persönlichkeitsfaktoren ihren Stellenwert. So etwa die Leistungsmotivation, das Geschlecht oder bestimmte Vorerfahrungen,
die als Dispositionen die Bewertung und Verarbeitung gegenwärtiger und zukünftiger
Ereignisse beeinflussen.
Die Attributionsprozesse werden durch die Bewertung eines Ereignisses auf der Dimension »unwichtig – wichtig« gegenüber dem Ansatz von Abramson et al. noch weiter
spezifiziert (siehe Abb. 9.1).
Das Modell von Miller & Norman zwingt die Frage auf, ob es angesichts der Vielzahl
der Variablen noch nachprüfbar ist. Ein von Miller & Norman im Jahre 1981 unternommener Versuch der experimentellen Überprüfung brachte folgende Ergebnisse: In
der Studie werden unterschiedliche Attributionsprozesse (internal vs. external; global
vs. spezifisch; stabil vs. variabel; wichtig vs. unwichtig) und der erlebte Erfolg eigenen
139
Handelns erfaßt. Es konnte gezeigt werden, daß Attributionsprozesse Einfluß auf die
Qualität der erlebten Gefühle ausüben, internale Erfolgsattribution depressive Stimmung verringert und Kontrollerwartungen nicht so bedeutsam für das gezeigte Verhalten sind. Diese Ergebnisse stützen die theoretische Position von Miller & Norman
(1979), obwohl mit diesem Experiment nicht geklärt werden kann, ob Attributionsprozesse langfristigen Einfluß auf Stimmung, Kognition und Verhalten depressiver Personen haben.
Die Kontextbedingungen der Entstehung erlernter Hilflosigkeit können zweifellos durch
die Berücksichtigung der Situations- und Persönlichkeitsfaktoren von Miller & Norman spezifiziert werden. Auf jeden Fall wird die von Miller & Norman empfohlene
Beachtung von Situationsvariablen im Rahmen der Erklärung von erlernter Hilflosigkeit
in letzter Zeit von verschiedenen Autoren unterstrichen (vgl. Goetz & Dweck, 1980;
Sauer & Müller, 1980; Snyder et al., 1981).
9.2.3 Die Reformulierung seitens der Wortman-Gruppe
9.2.3.1
Überlegungen von Wortman & Brehm
Für die Theoriebildung von entscheidender Bedeutung ist schließlich die Überlegung
von Wortman & Brehm (1975) gewesen, die verschiedene Phasen der Entstehung von
erlernter Hilflosigkeit unterscheiden. Das Wortman-Brehm-Modell hatte zum Ziel, Reaktanz und erlernte Hilflosigkeit zu integrieren. Unter Reaktanz versteht man dabei den
unmittelbar nach einer Unkontrollierbarkeitsbedingung eintretenden Zustand, der mit
einer Einschränkung von Entscheidungsmöglichkeiten einhergeht und eine Art »Widerstand« bzw. Ärger, Wut und vermehrte Anstrengung zur Folge hat. Erst nachdem diese
Widerstandsphase durchlaufen ist und die Unkontrollierbarkeitsbedingung weiter besteht, tritt Hilflosigkeit, d.h. Passivität, Resignation und eventuell Depression auf. Das
Wortman-Brehm-Modell wurde durch mehrere Experimente gestützt (vgl. Brockner et
al., 1983; Roth & Kubal, 1975; Tennen & Eller, 1977). So waren in einem Experiment, das Tennen & Eller durchführten, die Versuchspersonen nach einem kurzen Hilflosigkeitstraining verärgert und nach einem langen eher niedergeschlagen und traurig.
Das Wortman-Brehm-Modell kann in verschiedener Weise präzisiert und bewertet werden. Eine wichtige Überlegung ergibt sich, wenn man die Phase der Reaktanz mit einer
erhöhten Leistungsbereitschaft und die der Hilflosigkeit mit Leistungsverschlechterung
gleichsetzt. Diese Zusammenhänge klären die Experimente von Williams & Teasdale
(1982), die die Bedingungen von Leistungsverbesserung und -verschlechterung näher
bestimmen. Die Autoren belegen, daß
1.
mit steigender Wichtigkeit einer schwierigen Aufgabe auch die Anstrengung bei
der Aufgabenbewältigung steigt. Stellt sich die Aufgabe dann aber als leicht heraus, so resultiert Leistungssteigerung;
2.
mit sinkendem positiven Anreiz das Anstrengungsniveau bei schwierigen Aufgaben abnimmt;
3.
die Versuchspersonen eine Skala von Erfolgserwartungen in Verbindung mit verschiedenen Anstrengungsniveaus haben (und nicht nur eine einzige Erfolgserwartung);
4.
die Anstrengung mit Kosten verbunden ist, die die aufgebrachte Anstrengungsstärke steigern. Bei schwierigen Aufgaben können schon geringfügige Unterschiede in der wahrgenommenen Wichtigkeit zu großen Änderungen im gewählten Anstrengungsniveau führen.
140
9.2.3.2 Überlegungen von Wortman & Dintzer
Wortman & Dintzer (1978) unterstellen nach der Hilflosigkeitsphase einen Problembewältigungsprozeß, d.h. den Versuch, sich auf die unkontrollierbare Situation einzustellen. Diese Überlegungen von Wortman & Dintzer gehen insofern über das Modell
von Abramson et al. hinaus, da sie miteinbeziehen wollen, wie Effekte und Folgen von
Hilflosigkeit zu beheben sind. Wortman & Dintzer unterstreichen die Fähigkeit einer
Person, mit unkontrollierbaren Ereignissen fertig zu werden. Sie verdeutlichen dies an
folgendem Beispiel: Zwei Krebspatienten können beide davon überzeugt sein, daß ihre
Krankheit durch Umwelteinflüsse entstanden ist, die sie nicht beeinflussen können. Der
eine mag nun davon ausgehen, daß die Effekte seiner Reaktion auf seine Krankheit
ebenfalls außerhalb seiner Kontrolle liegen. Der andere dagegen geht davon aus, daß es
an ihm selbst liegt, wieder gesund zu werden. Für diesen Patienten mit der positiven
Bewältigungsstrategie ist die Annahme kennzeichnend, daß er noch Fähigkeiten besitzt,
die ihn in die Lage versetzen, ein neues Leben zu beginnen. Die Überlegungen von
Wortman & Dintzer bieten uns – formalisiert – ein Drei-Phasen-Modell der Entstehung und Bewältigung von erlernter Hilflosigkeit, das von Reaktanz über eigentliche
Hilflosigkeit bis zur Bewältigung reicht. In den Phasen, so Wortman & Dintzer, variiert die Motivation, Kontrolle auszuüben. In der Reaktanzphase steigt diese Motivation
an, in der Hilflosigkeit ist ein starker Abfall zu verzeichnen, und erst in der Anpassungsphase (bei gelungener Anpassung), in dem Sich-Einrichten mit der Situation, wird
die Motivation auf ein mittleres Niveau ansteigen. Die letzten Ausführungen lassen sich
auch graphisch verdeutlichen (vgl. Abb. 9.2).
Abb. 9.2: Integrationsversuch von Reaktanz, erlernter Hilflosigkeit und anschließender Anpassung an unkontrollierbare Ereignisse.
Neben diesen grundlegenden Überlegungen nehmen Wortman & Dintzer kritisch zu
den Bemühungen von Abramson et al. (1978) Stellung. Ihre Hauptkritik richtet sich
gegen die Unbestimmtheit der eingeführten Attributionsdimensionen. So scheint es gar
nicht sicher, daß Versuchspersonen spontan Attributionsprozesse zur Erklärung ihres
Verhaltens heranziehen. Es ist nicht auszuschließen, daß nur bei sehr wichtigen Ereignissen Attributionsprozesse einsetzen oder sogar der Punkt eintritt, an dem Menschen es
aufgeben, noch nach Ursachen zu fragen, also attributionsscheu werden. Weitgehend
ungeklärt ist die Beziehung zwischen Attribution und nachfolgendem Verhalten.
Wortman & Dintzer (1978) weisen darauf hin, daß offen erkennbares Verhalten und
Selbsteinschätzungen (Attributionen) nur gering miteinander korrelieren; somit bleibt es
unklar, welche Informationen Personen in unkontrollierbaren Situationen suchen und
wie diese Erklärungen langfristig wirken.
141
Wortman & Dintzer geben zu bedenken, daß neben den von Abramson et al. genannten Attributionsstilen noch weitere möglich sind (z.B. philosophische oder religiöse Begründungen; Zurückführung auf weit in der Vergangenheit liegende Faktoren). Es ist
prinzipiell nicht auszuschließen, daß neben Attributionen und zukünftigen Kontrollerwartungen noch andere Faktoren für die Größe der Defizite nach Unkontrollierbarkeitserfahrungen verantwortlich sind (vgl. u.a. Ergebniserwartungen, Kosten-Nutzen-Überlegungen bzgl. des Beeinflussungsaufwandes). Wortman & Dintzer glauben, daß es unbedingt notwendig sei, die von Abramson et al. angenommenen Attributionsstile empirisch zu erfassen, zu kontrollieren und in Experimenten zu variieren. Die Autoren verweisen in diesem Zusammenhang auf das folgende Beispiel: Ein Student, der durch eine
Prüfung fällt und dies auf seine Faulheit zurückführt, d.h. internal, stabil und global attribuiert, würde nach Abramson et al. relativ große kognitive und motivationale, auf
andere Settings generalisierende Defizite aufweisen. Wenn er aber die Faulheit als
durch sich selber kontrollierbar betrachtet, treten im Gegensatz zur Vorhersage von Abramson et al. nur minimale nachfolgende Defizite auf. Wortman & Dintzer und Abramson et al. stimmen darin überein, daß beide bei der Attribution auf mangelnde Anstrengung geringere Defizite vorhersagen als bei der Attribution auf mangelnde Fähigkeiten, was eine nicht so eindeutige Beziehung zwischen Attribution und Verhalten nahelegt.
Wortman & Dintzer stellen auch Spekulationen über weitere Faktoren an, die außer
der Attribution und Kontrollerwartung die Reaktion auf unkontrollierbare Ereignisse
beeinflussen. So ist anzunehmen, daß Vorahnungen hinsichtlich unkontrollierbarer Ereignisse zu einem geringeren Defizit führen. Eine Sinnattribution (z.B. »der Unfall war
Gottes Wille«) kann Einfluß haben auf die Anpassung an das unkontrollierbare Ereignis. Hinsichtlich der Anpassung an ein Ereignis brauchen globale und/oder stabile Attributionen nicht unbedingt bedeuten, daß die Defizite größer sind. Wenn man optimistisch über den zukünftigen Verlauf von Ereignissen denkt (z.B. »die Operation wird
schon helfen, den Lungenkrebs zu stoppen«), so kann dies den Anpassungsprozeß verbessern. Fraglich bleibt, wie unrealistisch eine Hoffnung sein darf, damit sie sich positiv
auf die Anpassung auswirkt. Die Annahme darüber, inwieweit Ergebnisse zu beeinflussen sind, wird sicherlich auch vom vermuteten Aufwand der Anstrengungen abhängen.
Weiterhin ist plausibel, daß die Beziehung zwischen der Ereignisattribution und der sich
anschließenden Anpassung von der Wahrscheinlichkeit mitbeeinlußt wird, mit der ein
solches Ereignis wieder auftritt.
Positiv gegenüber dem reformulierten Modell der erlernten Hilflosigkeit von Abramson et al. heben Wortman & Dintzer hervor, daß es Schlüsse darüber zuläßt, wieso
Depression oft mit geringem Selbstwertgefühl verbunden ist. Weiterhin gibt die Unterscheidung zwischen persönlicher und universeller Hilflosigkeit Hinweise, warum Depressive Mißerfolg oft internal attribuieren. Die Generalität und Chronizität der Depression könnte durch stabile und globale Attribution der Hilflosigkeit bedingt sein. Wortman & Dintzer geben auch Vorschläge für die Therapie hilflosen Verhaltens. Sie weisen darauf hin, daß in Selbsthilfegruppen gelernt werden kann, daß die eigene Lebenskrise gar nicht so außergewöhnlich ist und sich damit allmählich günstigere Attributionsstile herausbilden. Es bleibt zu hoffen, daß ein solches Vorgehen zu psychischer Erleichterung führt. In der Regel können jedoch stark verändernde Attributionsmuster nur
durch eine gezielte Therapie verändert werden (vgl. Försterling, 1986).
142
9.2.4 Die Reformulierung von Abramson, Alloy & Metalsky
Abramson, Alloy & Metalsky (1989) versuchen, durch die Formulierung einer Hoffnungslosigkeitstheorie die attributionstheoretische Sicht der Theorie der erlernten Hilflosigkeit zu erweitern. Es soll damit ein Modell für eine Unterform der Depression, die
Hoffnungslosigkeits-Depression, vorgestellt werden. Im Gegensatz zu früheren Konzepten werden kausale Attributionen weniger betont. Internale Attributionen werden nicht
mehr generell als Ursache für ein vermindertes Selbstwertgefühl angesehen, sondern
nur, wenn sie zu einem negativen Selbstkonzept beitragen, das als weitgehend unveränderlich angesehen wird. Zudem wird bei der Erklärung der Depression von einem Diathese-Streß-Modell mit einer großen Anzahl von Einflußfaktoren ausgegangen. Entscheidend für diese Reformulierung ist die Klassifikation der Ursachenfaktoren in (vgl.
auch Halberstadt et al., 1984):
)
)
)
)
)
notwendige,
hinreichende,
zusätzliche,
distale und
proximale Ursachen.
Unter notwendigen Ursachen sind ätiologische Faktoren zu verstehen, die vorliegen
müssen, damit eine Depression entsteht. Hinreichende Ursachen weisen nicht diesen
Spezifikationsgrad auf und durch ihn bedingte ätiologische Faktoren können auch andere Ursachen haben. Eine zusätzliche Ursache repräsentiert ebenfalls einen ätiologischen
Faktor, der die Auftretenswahrscheinlichkeit von Symptomen erhöhen kann. Die Begriffe proximale und distale Ursachen beziehen sich auf den Platz, den eine Ursache in
einer Kausalkette einnimmt. Proximale Ursachen stehen am Ende einer ätiologischen
Kette – nahe bei den Symptomen –, distale am Anfang einer solchen Kette (vgl. Alloy
et al., 1988).
In dem beschriebenen Modell wäre Hoffnungslosigkeit (vgl. Abb. 9.3) die proximale
hinreichende Ursache für die Hoffnungslosigkeits-Depression. Es liegt die Erwartung
vor, daß
)
)
ersehnte Ergebnisse nicht oder stark aversive eintreten und
man an der Auftretenswahrscheinlichkeit des Ergebnisses nichts ändern kann.
Auf welchem Weg generalisierte Hoffnungslosigkeit zur Depression führen kann, illustriert Abbildung 9.3.
Die in Abbildung 9.3 dargestellte Kausalkette beginnt mit der Wahrnehmung eines negativen Lebensereignisses bzw. dem Nichteintreten eines negativen Lebensereignisses
bzw. dem Nichteintreten eines positiven Ereignisses. Im Gegensatz zu Abramson et al.
(1978) steht also nicht mehr ein unkontrollierbares Ereignis im Vordergrund.
Nach dem Vorhersagen der Hoffnungslosigkeits-Theorie wird man beim Vorliegen bestimmter Erklärungsmuster bei negativen Ereignissen hoffnungslos. Als distale zusätzliche Faktoren nennen die Autoren einen depressogenen Attributionsstil, der in der Tendenz besteht, negative Ereignisse stabil und global zu erklären und sie stark zu gewichten. Menschen, die in dieser Form mit negativen Ereignissen umgehen, werden bei Eintreten solcher Ergebnisse depressiv. Bleiben stabile Ereignisse aus, dann sind depressive
Symptome unwahrscheinlich; damit folgt die Theorie einem Diathese-Streß-Konzept
(vgl. Metalsky et al., 1982).
Als weitere distale Faktoren werden interpersonale (z.B. fehlende soziale Unterstützung) und unter Umständen genetische Aspekte angeführt.
143
Abb. 9.3: Kausalmodell der Hoffnungslosigkeits-Depression (erheblich modifiziert aus Abramson et al., 1989, S. 360).
Proximale zusätzliche Ursachen sind:
)
stabile, globale Ursachenzuschreibung für besonders negative Lebensereignisse,
wenn diese als wichtig bewertet werden;
)
negative Konsequenzen eines negativen Lebensereignisses und
)
negative Merkmale, die dem Selbst angesichts eines negativen Lebensereignisses
zugeschrieben werden.
Die Hoffnungslosigkeits-Theorie liefert einige Aussagen dazu, wie es gelingt, einen positiven emotionalen Zustand aufrechtzuerhalten. Bei der Bewertung eines negativen Ereignisses müßten die drei depressogenen Erklärungsstile (Ursache, Konsequenz, Selbstbild; vgl. Abb. 9.3) umgangen werden. Das Konzept legt auch nahe, daß man mit positiven Lebensereignissen, den emotionalen Zustand verbessern kann. Hoffnung kann
nach Abramson et al. (1989) gestärkt und wiederhergestellt werden, indem man
)
positive Ereignisse stabil und global attribuiert,
)
mit positiven Konsequenzen verknüpft und
)
in ein positives Selbstbild integriert.
9.2.5 Alternativerklärungen von Hilflosigkeit
Es wurde eine Vielzahl von Versuchen unternommen, Phänomene der Hilflosigkeit außerhalb des Konzeptes von Seligman zu interpretieren. Die Hilflosigkeitsdiskussion
wurde mit der Erforschung der Leistungsmotivation in Bezug gesetzt (z.B. im Konzept
der Handlungskontrolle; Kuhl, 1984a, b). Des weiteren bestehen Bestrebungen, das
Hilflosigkeitskonzept noch differenzierter attributionstheoretisch zu reformulieren (vgl.
Jackson & Lawrance, 1979; Roth, 1980; Pasahow et al., 1982). Diskutiert werden
auch Bemühungen, Seligmans Theorie als Spezialfall der sozialen Lerntheorie von Bandura bzw. Rotter zu begreifen (vgl. Garber & Hollon, 1980; Zuroff, 1980). Ich
möchte auf drei Diskussionsbeiträge eingehen, die mir besonders erfolgversprechend
erscheinen:
1.
Die Einbettung in die soziale Lerntheorie von Bandura: Dieser Ansatz gibt
Aufschlüsse über die Entstehung von Hilflosigkeit.
144
2.
Das Konzept der Ich-Bedrohung von Frankel & Snyder, das uns zeigt, daß
durch eine Einengung des Gültigkeitsbereiches der erlernten Hilflosigkeit ganz
unerwartete Betrachtungsweisen möglich werden; dieser Ansatz ermöglicht Querbezüge zur Leistungsmotivationsforschung.
3.
Die Einbettung in das Konzept der Handlungskontrolle von Kuhl, der in der erlernten Hilflosigkeitstheorie einen Spezialfall sieht und ebenfalls eine Verknüpfung zur Leistungsmotivationsforschung unternimmt.
9.2.5.1
Muß man Hilflosigkeit immer am eigenen Leib erfahren?
In der Regel wird in empirischen Studien des vorliegenden Gebietes davon ausgegangen, daß Hilflosigkeit durch direkte Erfahrung (unmittelbare Verstärkung) entsteht.
Kontrollverlust kann jedoch auch durch indirekte Erfahrung, d.h. durch stellvertretende
und symbolische Verstärkung hervorgerufen werden. Unter symbolischer Verstärkung
versteht man mit Schwarzer (1981) verbale Beeinflussungen, Informationen und die
Verwendung von Argumentationsketten. Unter lerntheoretischer Perspektive ist jedoch
vor allem Kontrollverlust durch stellvertretende Erfahrung interessant (vgl. De Vellis et
al., 1978). In einem Experiment von Brown (1979) wird Schülern ein Modell dargeboten, das hilfloses Verhalten zeigt. Dieses hilflose Modell bewirkt durch das gezeigte
passive Verhalten, daß die Schüler sehr viel weniger den Versuch unternehmen, sich
gegen ungünstige Bedingungen zu wehren und gegen diese anzugehen. Es läßt sich vielfach in Experimenten bestätigen, daß direkte Erfahrungen das beste Mittel sind, um
Hilflosigkeitseffekte abzubauen. Es dürfte dennoch in der Praxis nicht von geringer Bedeutung sein, daß Hilflosigkeit – wenn man an das familiäre oder schulische Bezugssystem denkt – durch Modelle hervorgerufen werden kann.
Vergleichbare Ergebnisse konnten Brown & Inouye (1978) vorlegen, wobei sich zeigt,
daß sich durch stellvertretende und symbolisch vermittelte Kompetenzerwartungen die
Leistungen beim Lösen von schwierigen Aufgaben beeinflussen lassen. So wirkt ein
entmutigter, verzweifelt vor sich hin murmelnder Teilnehmer eines Experimentes auf
seine ihn beobachtenden Mitstreiter demoralisierend. Man kann damit feststellen, daß
neben direkten Kontrollerfahrungen auch Kompetenzerwartungen, die nicht auf dem eigenen Erfahrungsschatz aufbauen, zur Hilflosigkeit führen. Entsprechend können sich
positive Kontrollerfahrungen mindernd auf Hilflosigkeit auswirken und gegenüber
hilflosem Verhalten immun machen (vgl. Brown, 1979). So belegte Brown, daß Personen, die im
Vorversuch viele Aufgaben richtig lösten, bei anschließenden Hilfiosigkeitserfahrungen
ausdauernder arbeiten als solche, die zuvor wenige Aufgaben lösen konnten.
Betrachtet man die von Seligman vernachlässigten Lernformen von Hilflosigkeit, so
kann man drei Ansätze unterscheiden, wie Kompetenzerwartungen (bei Bandura, 1977,
als Selbstwirksamkeit bezeichnet) aufgebaut werden können:
1.
Soziale Vergleiche
) Beobachtung anderer Hilfloser
) Sprachliche Mitteilung über die Hilflosigkeit anderer (vgl. Brown & Inouye,
1978)
2.
Sprachliche Beeinflussung durch andere
) Informationen, Meinungen über bevorstehende Aufgaben (vgl. Hiroto, 1980)
3.
Selbstinstruktionen
) Selbstverstärkende Instruktionen
145
) Erfolgszuschreibungen
) Veränderungen der erlebten Wichtigkeit einer Situation (Hiroto, 1980; Roth
& Kubal, 1975)
9.2.5.2
Hilflosigkeit als Selbstschutz?
Frankel & Snyder (1978) und Snyder et al. (1978; 1981) knüpfen an der Annahme an,
daß Menschen große Angst vor Mißerfolg haben und alles tun, um solche Erlebnisse zu
vermeiden. Die Autoren nehmen weiter an, daß die Erwartung von Unkontrollierbarkeit
eine Form von Ich-Bedrohung darstellt. Die Erfahrung von Mißerfolg (als eine mögliche Form von Unkontrollierbarkeit) führt zu Angst vor Mißerfolgen, denen man konsequenterweise nur aus dem Weg gehen kann, wenn man jede weitere Anstrengung vermeidet. Dieser Selbstschutz verhindert einen Selbstwertzerfall, da immer noch die Illusion bestehen bleibt, daß man erfolgreich hätte sein können, wenn man sich nur angestrengt hätte. Diese Aussage trifft jedoch nur auf mittelschwere Aufgaben zu, da bei
solchen die Versagensängste am größten sind. In der Tat konnte man auch belegen, daß
Mißerfolgsmotivierte sich eher leichten und schweren Aufgaben zuwandten als mittelschweren. Erfolgsorientierte Personen bevorzugen dagegen mittelschwere Aufgaben.
Im Rahmen der Betrachtung von Frankel & Snyder (1978) spielen also mittelschwere
Aufgaben die zentrale Rolle. Mittelschwere Aufgaben werden als lösbar angesehen und
bedeuten deshalb eine starke Ich-Bedrohung. Denn strengt man sich bei einer solchen
Aufgabe besonders an und versagt trotzdem, dann kommen massive Zweifel an den eigenen Fähigkeiten auf. Konsequenterweise strengt man sich kaum an, um Mißerfolge
durch Mangel an Anstrengung und nicht durch unzureichende Fähigkeiten erklären zu
müssen. Die dadurch entstehende Passivität ist also ausschließlich ein Selbstschutz, um
die Bedrohung des Selbstwertes abzuwehren (vgl. auch Weiner & Litman-Adizes,
1980). Bei schweren Aufgaben gibt man hingegen sein Bestes, da man nur gewinnen
kann.
9.2.5.3
Macht zuviel Grübeln über die aktuelle Lage hilflos?
Ähnlich wie Frankel & Snyder (1978) knüpft auch Kuhl (1981; 1984a; 1984b) an die
Leistungsmotivationsforschung an und faßt das Seligmansche Konzept als Spezialfall
einer Theorie der Handlungskontrolle auf, die von zwei Kernvariablen – der Lage- und
der Handlungsorientierung – ausgeht. Eine Lageorientierung besteht immer dann, wenn
man seine Energie (z.B. die Problemlösefähigkeit) in einer ungünstigen Situation auf
den mißlichen Zustand lenkt und dabei ängstlich verharrt, anstatt aktiv gegen ihn anzugehen. Lageorientierte reagieren auf eine belastende Situation (z.B. bei unlösbaren Aufgaben oder Gefahrensituationen) mit Hilflosigkeit. Die Lageorientierung führt zu einem
Überwältigtsein durch die Situation mit den verheerenden Folgen des Sich-im-KreiseDrehens und des irritierenden Nachgrübelns. Der Lageorientierte setzt seine Problemlösefähigkeit falsch ein und erfährt nach einem Mißerfolg eine Leistungsverschlechterung,
da er ausschließlich nach Ursachen für den Mißerfolg sucht und den eigenen emotionalen Zustand analysiert. Die Studien von Kuhl (1984b) legen nahe, daß Leistungsverschlechterungen als Folge erlebter Mißerfolge nicht mit dem Glauben an Unkontrollierbarkeit verbunden ist, der von einer Übungsaufgabe (Vortrainingsphase) auf eine Testphase generalisiert worden wäre. Zu einem solchen Schluß kam das ausführlich dargestellte Experiment von Alloy et al. (1984).
Die Leistungsverschlechterung, die zur Hilflosigkeit im Sinne von Seligman führen
kann, ist das Kennzeichen einer Form von Handlungskontrolle, die man deutlich an der
Diskrepanz zwischen einer hohen Motivation, eine Handlung auszuführen, und dem geringen Effekt (der geringen Leistung) erkennen kann. Der zweite Typ – der Handlungsorientierte – kann demzufolge Motivation und Leistung zur Deckung bringen, d.h. aktiv
146
und situationsangemessen handeln. Anders ausgedrückt: Der Handlungsorientierte behindert sich bei der Problemlösung nicht selbst durch ablenkende Gedanken (vgl. auch
Bossong, 1984). Für die Position von Kuhl gibt es eine Reihe von Belegen, die aus der
Erforschung der erlernten Hilflosigkeit resultieren. Es soll zur Illustration auf eine Studie von Brockner et al. eingegangen werden.
Brockner et al. (1983) beschäftigten sich damit inwieweit die Höhe des Selbstwertgefühls (erfaßt mittels des Fragebogens von Fenigstein et al.) und die Art der Selbstwahrnehmung Einfluß auf das Lösen von Anagrammaufgaben besitzt. Die Autoren wollen
mit ihrer Studie das integrierte Modell von Wortman & Brehm (1975) spezifizieren
und führten hierzu zwei Experimente durch. Es konnten in beiden Experimenten Auswirkungen im Sinne von Reaktanz – also Frustration, Ärger und Aufregung – gefunden
werden. Ebenso traten die üblichen Hilfiosigkeitseffekte beim Lösen der Anagrammaufgaben auf. Personen mit hohem Selbstwertgefühl arbeiten schneller (bezogen auf die
Anzahl der richtigen Aufgaben), waren zuversichtlicher und weniger niedergeschlagen
als solche mit niedrigem Selbstwertgefühl. Bei Versuchspersonen mit niedrigem Selbstwertgefühl ergab sich eine Wechselwirkung zwischen Selbstwahrnehmung und Reaktanz. Demnach tritt bei Personen mit einer starken Tendenz zur Selbstwahrnehmung
kaum Reaktanz auf, d.h. sie sind frustriert, niedergeschlagen und in sich gefangen. Sie
konzentrieren sich auf sich selbst und nicht auf die Aufgabe, wie es Kuhl in seinem
Konzept der Lageonentierung beschreibt. Eine geringe Tendenz zur Selbstwahrnehmung bewirkt einen rationalen Umgang mit den Aufgaben, der sich darin äußert, daß
die Problemlösefähigkeit uneingeschränkt und zielgerichtet zur Geltung kommt. Als
Folge hiervon ist eine erhöhte Leistungsfähigkeit zu beobachten.
9.2.6 Begriffliche Unschärfen als Problem der Theoriebildung
Nach Wortman & Dintzer beziehen sich die Hauptkritikpunkte an dem Konzept der
erlernten Hilflosigkeit auf seine attributionstheoretische Reformulierung. Die Attributionsstile sind nur ansatzweise voneinander trennbar, und es bestehen große Probleme, sie
zu erfassen (vgl. Donovan et al., 1979). Die theoretische Frage, ob erlernt Hilflose anders attribuieren als andere Personen, ist ungeklärt. Wortman & Dintzer ist zuzustimmen, daß aus einer ursprünglich präzise formulierten Theorie, nach der attributionstheoretischen Reformulierung und der Differenzierung in Formen der Hilflosigkeit,
eine nicht mehr falsifizierbare Theorie entstanden ist. Attributionen sind verdeckte Bewertungs- und Erklärungsprozesse, die präzisieren sollen, wie objektivierbare Erfahrungen von Nichtkontrolle verarbeitet werden. Man kennt nun diese Verarbeitungsprozesse
so ungenau, daß man bei unzureichenden Verhaltensvorhersagen die Befunde derart
umdeuten kann, daß sie mit der Theorie übereinstimmen. Die widersprüchlichen Ergebnisse der Depressionsforschung belegen diesen Zustand eindrucksvoll (siehe Tab. 9.5).
Insgesamt ergibt sich der Tatbestand, daß durch die Hinzunahme der attributionstheoretischen Aspekte sich auch nicht eindeutige Befunde als Stütze der Hilflosigkeitstheorie
uminterpretieren lassen.
Die begrifflichen Unklarheiten werden auch nicht durch einen Versuch von Donovan et
al. (1979) gelöst, die mit Hilfe von Selbsteinschätzungsskalen eine »subjektive Hilflosigkeit« operationalisierten und erfaßten. Die Autoren konnten in einer empirischen
Studie zur Validierung dieses Konzeptes nur eine unzureichende Differenzierung zwischen Alkoholikern und Depressiven erreichen.
Weitere begriffliche Unschärfen ergaben sich am Ausdruck »Kontrolle« und dem dazugehörigen Bedeutungsumfeld. So beschäftigen sich Alloy & Abramson (1982) mit dem
Zustand, der sich ergibt, wenn von der Versuchsperson Kontrolle angenommen wird,
aber in der Realität keine vorliegt (Illusion der Kontrolle). Kontrollillusion bewirkt, wie
dies auch Seligman in dem vorliegenden Buch berichtete, daß experimentell hervorge147
rufene Hilflosigkeit nicht oder verringert auftritt. Es wird damit ein weiterer moderierender kognitiver Prozeß angenommen, der Verhaltensvorhersagen letztlich nicht mehr
ermöglicht. Anders formuliert: Bei allen Personen, bei denen man Hilflosigkeit vorhersagt, jedoch keine beobachtet wird, liegt Kontrollillusion vor. Damit schließt sich wieder der Kreis und es ergibt sich ein nicht falsifizierbares Theoriengebilde.
Ein für die Theoriebildung und Integration der Überlegungen interessantes Modell von
wahrgenommener Kontrolle beschreiben Rothbaum et al. (1982); diese Autoren gehen
von einem zweistufigen Prozeß aus, in dem Kontrolle sich aus der gelungenen Synthese
des Eingreifens des Menschen in die Umwelt und dem Anpassungsprozeß an die gegebene Realität ergibt. Ich vermute, daß vor dem Hintergrund der Überlegungen von
Rothbaum et al. sich der Kontrollbegriff präzisieren läßt.
9.3 Empirische Befunde
Die empirischen Studien zur Überprüfung von erlernter Hilflosigkeit seit 1978 betreffen
vor allem
)
die Aufhebung von Hilflosigkeit;
)
die Immunisierung gegenüber Hilflosigkeit;
)
den Zusammenhang zwischen Attributionsstil und Depression bzw. Hilflosigkeit;
)
die Hilflosigkeit im Kindesalter.
9.3.1 Kann man erlernte Hilflosigkeit aufheben?
In Experimenten werden vier Wege beschritten, Hilflosigkeit aufzulösen (vgl. auch
Altmaier & Happ, 1985):
1.
Stimmungserhöhungstraining;
2.
Entspannungsaufgaben;
3.
Beobachtung (Modellernen) zur Änderung der Attribution (universell-persönlich);
4.
intermittierende (vs. kontinuierliche) Verstärkung.
Auf diese Prozeduren wird im folgenden eingegangen.
1.
Raps et al. (1980) setzten ihre Versuchspersonen in der ersten Versuchsphase
nichtkontrollierbarem Lärm aus und führten danach ein Stimmungserhöhungstraining mit ihnen durch (zum Stimmungserhöhungstraining vgl. Velten, 1968). In
der zweiten Versuchsphase (Anagrammaufgaben) zeigten sich sowohl bei depressiven als auch bei hilflosen Versuchspersonen zumindest kurzfristige Leistungsund Stimmungsverbesserungen.
2.
Coyne et al. (1980) konnten nachweisen, daß Entspannungsaufgaben nach unkontrollierbarem Lärm in der ersten Versuchsphase die Motivation bei der Lösung
von Anagrammaufgaben (zweiten Versuchsphase) erhöhen, wenn die Entspannungsaufgaben den Versuchspersonen als streßreduzierend dargestellt werden.
Nach diesen Autoren können Leistungsdefizite nach erfahrener Hilflosigkeit
durch Effekte der Ablenkung bzw. des Grübelns (vgl. auch Kuhl, 1984b) und der
Testangst erklärt werden.
3.
In der Studie von Garber & Hollon (1980) wurde gezeigt, daß die Beobachtung
anderer bei der Lösung von Geschicklichkeitsaufgaben (mit intermittierender Verstärkung) die Hilflosigkeitseffekte der Beobachter mildern kann. Auf dieses Experiment wird weiter unten noch einmal eingegangen.
148
4.
Verschiedene Studien untersuchen den Einfluß von Verstärkungsschemata auf die
Aufhebung von Hilflosigkeitseffekten: Nation & Massad (1978) legten ihren
Versuchspersonen in der ersten Versuchsphase unlösbare Konzeptidentifikationsaufgaben vor. Danach wurden die Versuchspersonen bei der Lösung von Aufgaben entweder kontinuierlich oder intermittierend verstärkt. In der anschließenden
Löschungsphase, in der der Lärm nicht abzustellen war, zeichnete sich eine erhöhte Löschungsresistenz nach intermittierender Verstärkung ab. Nach diesem
Ergebnis stellten die Autoren einen Vorschlag vor, der vor Hilflosigkeitseffekten
schützen soll, indem aktives Verhalten stabilisiert wird. Insgesamt sollen ungünstige motivationale Muster abgebaut und durch neue, realistische ersetzt werden.
Ein solches Vorgehen umfaßt somit die folgenden vier Phasen:
)
Identifikation von Bewältigungsstrategien;
)
Akquisitionstraining (= Erwerb neuer Verhaltensweisen) mit kontinuierlicher
Verstärkung;
)
Akquisitionstraining mit intermittierender Verstärkung;
)
Periodische Modifikation und Anpassung:
¾ Schätzen des gegenwärtigen emotionalen Zustandes des Klienten;
¾ Anpassung der Behandlung an die individuellen Bedürfnisse des Klienten.
In einem Nachfolgeexperiment von Nation & Cooney (1980) konnten die Ergebnisse
der Arbeit von Nation & Massad (1978) bestätigt werden; sowohl kontinuierliche als
auch intermittierende Verstärkung verbessern depressive Symptome; jedoch führt die
intermittierende Verstärkung zu einer höheren Lösungsresistenz.
Fowler & Peterson (1981) untersuchten die Auswirkung von intermittierender Verstärkung und Training zur Attributionsveränderung nach vorausgegangener Hilflosigkeit
auf die Leseleistung bei Kindern mit Leseschwierigkeiten. Dabei ergab sich, daß das
Training zur Attributionsveränderung der intermittierenden Verstärkung überlegen war,
wenn bei der intermittierenden Verstärkung sich nach den Erfolgen immer nur ein einziger Mißerfolg einstellte (= einzelne Mißerfolgslänge, im Gegensatz zu multiplen Mißerfolgslängen). Bei intermittierender Verstärkung konnte die Leseleistung allein durch
intermittierende Verstärkung verbessert werden. Die Kombination eines Trainings zur
Attributionsveränderung mit intermittierender Verstärkung bewirkte in diesem Kontext
lediglich eine leichte, aber nicht bedeutsame Verbesserung der Leseleistung.
9.3.2 Kann man gegen Hilflosigkeit immunisieren?
Prindaville & Stein (1978) trennen genau zwischen Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit. Vorhersagbarkeit bezieht sich auf die Korrelation zwischen zwei Reizen, z.B.
einem unkonditionierten und konditionierten Reiz; Kontrollierbarkeit bezeichnet die
Korrelation zwischen Verstärkung und Reaktion. Demzufolge ist bei Festintervallverstärkung (z.B.: nach jeder dritten richtigen Reaktion erfolgt eine Verstärkung) sowohl
Kontrolle als auch Vorhersagbarkeit gegeben; bei Variabelintervallverstärkung (z.B.:
nach durchschnittlich jeder dritten richtigen Reaktion erfolgt eine Verstärkung) liegt
zwar Kontrolle, aber keine Vorhersagbarkeit vor. In ihrem Experiment legen Prindaville & Stein (1978) ihren Versuchspersonen zunächst Aufgaben zur Immunisierung
gegenüber erlernter Hilflosigkeit (»Inokulationsaufgaben«) vor; dies sind Aufgaben aus
dem APM (Advanced Progressive Matrices von Raven), bei denen aber die richtige Lösung unter den Alternativantworten nicht vorkommt. In dieser Phase werden die Versuchspersonen entweder nach variablen oder festgesetzten Intervallen verstärkt. Daraufhin erfolgte die Hilfiosigkeitserzeugung aufgrund von unlösbaren Konzeptidentifikationen. Im Anschluß daran wurde die Testaufgabe vorgegeben: die Versuchspersonen
149
konnten einen Ton auf ein Lichtsignal hin abstellen. Die Ergebnisse verdeutlichen, daß
die Immunisierung wirksam war und daß die Versuchspersonen mit Variabelintervallverstärkung signifikant mehr erfolglose Versuche in der Testphase hatten als die Versuchspersonen mit Festintervallverstärkung. In einer weiteren Studie (Stein, 1980)
konnte durch intermittierende Verstärkung mit multiplen Mißerfolgen in Kombination
mit einem Training zur Anstrengungsattribution eine signifikante Immunisierungswirkung erzielt werden. Diese Effekte zeigten sich gegenüber den Kontrollgruppen ohne
Immunisierung, ohne Attributionstraining und mit intermittierender Verstärkung mit
einzelnen Mißerfolgslängen.
9.3.3 Gibt es einen Zusammenhang
zwischen Attributionsstil und Depression?
In der Tabelle 9.5 werden die Ergebnisse zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Attributionsstil und Depression bzw. Hilflosigkeit dargestellt; auf einige wird
detaillierter eingegangen.
In einer Studie von Garber & Hollon (1980) konnte die Unterscheidung zwischen universeller und persönlicher Hilflosigkeit bestätigt werden. Sie verdeutlichte aber auch,
daß sich Depressive von Nicht-Depressiven nicht per se in ihrer Wahrnehmung von
Aufgaben unterscheiden, sondern nur in ihren Annahmen über ihre eigene Aufgabenbewältigung. Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zur Annahme der Theorie der erlernten Hilflosigkeit, da Depressive sich selbst zwar als hilflos ansehen (= persönliche
Hilflosigkeit), die Situation als solche aber nicht als unkontrollierbar erleben (= universelle Hilflosigkeit).
Harvey (1981) ließ depressive und nicht-depressive Studentinnen persönlich wichtige
Erlebnisse berichten, für deren Ursachen sie dann (unstrukturierte) Erklärungen geben
mußten. Danach mußten sie die Wichtigkeit von bestimmten Ursachen dieser Ereignisse
einschätzen. Das Ergebnis legt nahe, daß demnach Depressive Mißerfolge internal,
nicht aber stabil attribuieren, und daß die Mißerfolge stärker als kontrollierbar beurteilt
werden als die Erfolge.
Miller & Norman (1981) untersuchten depressive und nicht mehr ganz hilflose Patienten. Die nicht mehr ganz Hilflosen wurden einer Hilfiosigkeitsinduktion unterzogen. Bei
einer Aufgabe, die angeblich soziale Intelligenz erfassen sollte, erhielten alle Versuchspersonen zu 80% positives Feedback. Danach wurden die Attributionsstile (internal vs. external, kombiniert mit generell vs. spezifisch) induziert, um dann die Erwartungen, Stimmungen und Leistung beim Lösen von Anagrammaufgaben der Versuchspersonen zu bestimmen. Bei internalem Attributionsstil wurden weniger depressive Stimmungen berichtet als bei externalem Attributionsstil. Außerdem bewirkte ein
genereller Attributionsstil höhere Erfolgserwartungen und bessere Leistung als ein spezifischer Attributionsstil.
Nach Zemore & Johansen (1980) fühlten sich depressive Patienten sehr viel stärker für
negative Ergebnisse verantwortlich als nicht-depressive. Die Autoren interpretieren den
Zusammenhang zwischen Attribution und destruktiver Stimmung wie folgt: Je größer
das wahrgenommene Fähigkeitsdefizit und je größer die wahrgenommene Wichtigkeit
der Fähigkeit, desto wahrscheinlicher nimmt ein Depressiver sehr attraktive Ziele als
unerreichbar wahr.
150
Tabelle 9.5: Zusammenstellung von Studien zur Beziehung von Attributionsstil und Depression
Autoren
Versuchspersonen
Ergebnis
Cochran & Hammen
(1985)
Curry & Craighead
(1990)
depressive Patienten
Follette & Jacobson
(1987)
Studenten im Zeitraum
ihres Zwischenexamens
Furnham & Brewin
(1986)
Studenten
Garber & Hollon
(1980)
depressive vs. nichtdepressive Studenten
Golin et al.
(1981)
depressive Studenten
Hammen & De Mayo
(1982)
Gymnasiallehrer
Harvey
(1981)
depressive vs. nichtdepressive Studenten
Hautzinger
(1983)
depressive Patienten
und Gesunde
Hunsley
(1989)
Studenten
Metalsky et al.
(1982)
Studenten im Zeitraum
ihres Zwischenexamens
Miller & Norman
(1981)
depressive Patienten
Pillow et al.
(1991)
Psychologiestudenten
im Anfangssemester
Lediglich zwischen globaler Attribution und
Depression besteht eine Beziehung
Ein Summenwert für den Attributionsstil »internal,
stabil und global« korreliert nicht mit negativen Ereignissen
1. Ein unerwartetes negatives Prüfungsergebnis
begründet keinen depressogenen Attributionsstil.
2. Ein internaler stabiler und globaler Attributionsstil
für schlechte Prüfungen führt zu dem Vorsatz,
zukünftig mehr zu lernen.
1. Globale Attributionen liegen bei negativen
Ereignissen vor.
2. Internale Attribution korreliert mit Selbstwertgefühl.
Depressive und Hilflose zeigen persönliche, nicht
aber universelle Hilflosigkeit. Dies konnte anhand
der Änderungen der Erfolgserwartung nach
Beobachtung von Modellen gezeigt werden.
1. Stabile, globale Atribution als
mögliche Ursache für Depression.
2. Es besteht zwar ein Zusammenhang zwischen
internalem Attributionsstil und Depressen, es fehlt
jedoch der Nachweis, daß internale Attribution
eine Ursache für Depression darstellt.
1. Es besteht kein Zusammenhang zwischen
internal-stabiler Attribution des Schulstresses
und depressiven Symptomen.
2. Signifikante Korrelation zwischen Depressivität
einerseits und berichtetem Schulstreß bzw. der
wahrgenommenen Fähigkeit, mit dem Schulstreß
umgehen zu können, andererseits.
Depressive attribuieren Mißerfolg internal, nicht
aber stabil, sie attribuieren Mißerfolge stärker
kontrollierbar als Erfole.
1. Depressive beziehen die Verantwortung für
negative Ereignisse auf sich.
2. Generell sind verzerrte Kognitionen nur
depressionsbegleitende Symptome.
Aus der Wechselwirkung zwischen depressivem
Attributionsstil und subjektivem Streß lassen sich Veränderungen bei depressiven Stimmungen
vorhersagen.
1. Über den Zeitverlauf besteht kein Zusammenhang
zwischen dem Attributionsstil »stabil« und
Depression.
2. Es besteht ein Zusammenhang zwischen internalglobaler Attribution für negative Ereignisse
und Depression.
Akut depressive und nicht mehr ganz hilflose
Patienten, denen für eine Aufgabe internale
Attribution nahegelegt wird, berichten weniger
depressive Stimmungen. Außerdem bewirkt generelle
Attribution höhere Erfolgserwartungen und bessere
Leistung als spezifische Attribution.
1. Keine Beziehung zwischen dem AttributionsStil »stabil« und Depression
2. Korrelation zwischen dem Attributions-Stil
»global« und Selbstwert.
depressive Patienten
151
Steinmeyer
(1984)
Steinmeyer
(1988)
depressive Patienten,
nicht-depressive
Psychiatriepatienten
und Gesunde
drei Subgruppen
depressiver Patienten
Stiensmeyer et al.
(1988)
Depressive,
Schizophrene,
Chirurgiepatienten
Zemore & Johansen
(1980)
depressive vs. nichtdepressive Studenten
Depressive zeichnen sich lediglich durch den
internalen Attributionsstil aus.
1. Es liegen für die drei Gruppen depressionstypische
Attributionsstile vor.
2. Bei Mißerfolgen liegen internale und eher labile
Ursachenbeschreibungen vor.
1. Depressive attribuieren negative Ereignisse
»internal, stabil, global«.
2. Bei Schizophrenen und Chirurgiepatienten
trifft (1) nicht zu.
1. Geringe, signifikante Korrelation zwischen
Depressivität einerseits und internaler Attribution und
der Wichtigkeit der geforderten Fähigkeit in anderen
Situationen andererseits.
2. Vorhersage, daß mit zunehmender Globalität und
Stabilität der internalen Attribution die Hilflosigkeit
wächst, wird nicht bestätigt.
In einer Studie von Steinmeyer (1984) lassen sich im Hinblick auf den Attributionsstil
»external vs. internal« depressive Patienten, die ein vermindertes Selbstwertgefühl aufweisen, sowohl von nicht-depressiven psychiatrischen Patienten als auch von Gesunden
unterscheiden. Die Attributionsstile »global vs. spezifisch« und »stabil vs. variabel«
zeigen jedoch keinen eindeutigen Erklärungswert für Depression auf. Steinmeyer folgert aus diesem Befund, daß die reformulierte Hilflosigkeitstheorie nicht ausreicht, die
unterschiedlichen depressiven Symptomverläufe zu erklären. In der Studie von Steinmeyer ist auch auffällig, daß bestimmte Attributionsstile bei endogener Depression
krankheitsphasenspezifisch auftreten. Reaktiv-Depressive unterschieden sich in keiner
Krankheitsphase von Gesunden und nicht-depressiven psychiatrischen Patienten bezüglich ihres Attributionsverhaltens.
Erste Wege in eine interessante Richtung gehen Hammen & De Mayo (1982), die die
reformulierte Theorie der erlernten Hilflosigkeit nach Abramson et al. in natürlichen
Situationen untersuchen. Sie beschäftigen sich dabei mit dem Zusammenhang zwischen
Streß und Hilflosigkeit bei 75 Gymnasiallehrern im Unterricht. Die Lehrer betrachten
sich als einerseits universell hilflos, mit ihrem Berufsstreß umzugehen (unabhängig von
der Streßursache); andererseits attribuieren sie – im Gegensatz zu den Vorhersagen von
Abramson et al. – nicht external und zeigen kein mangelndes Selbstwertgefühl. Hammen & De Mayo bezeichnen diesen Zustand als Demoralisierung, der durch vorübergehende Symptome gekennzeichnet ist. Die Autoren unterscheiden Demoralisierung
von Depression dadurch, daß sie den Begriff »Demoralisierung« auf Kontextbedingungen von stressenden Ereignis- und Bewältigungskognitionen beziehen, die im Zusammenhang mit dem Entstehen und Andauern von depressiven Symptomatiken gesehen
werden können. Solche Kontextfaktoren werden von Abramson et al. vernachlässigt.
Die Untersuchung zeigte weiter, daß der Attributionsstil ein schlechterer Prädiktor für
Depression ist als die Konsequenzen von streßreichen Situationen sowie die Bewältigungsstrategien. Die Autoren fordern auf diesem Hintergrund die Untersuchung depressionsbezogener Kognitionen in natürlicher Umgebung, in der erkennbar streßreiche Ereignisse auftreten (vgl. auch Perrez, 1983a). Trotz der Heterogenität der Streßsituationen in der vorliegenden Studie verdeutlichen die Ergebnisse, daß ein Mangel an Kontrollierbarkeit von Problemlösungen (unabhängig von den Problemursachen) die psychologische Schlüsseldimension bei depressiver Symptomatik darstellt. In eine vergleichbare Richtung gehen die Überlegungen Kastners (1981), der eine Beziehung zwischen Streß und reaktiver Depression im Rahmen eines Beanspruchungsmodells angibt.
Eine weitere, methodisch interessante Untersuchung stammt von Golin et al. (1981).
Diese Autoren wenden die Cross-Lagged-Panel-Analysis an (eine Methode zur Analyse
152
von Meßwiederholungen aus Feldstudien; vgl. Petermann, 1989) und legen ihrer Untersuchung ein Zeitintervall von einem Monat zugrunde; sie analysieren auf der Basis
von 180 Versuchspersonen, inwieweit globale und stabile Attributionen Depression
hervorrufen. Nach dieser Studie bewirken stabile und globale Attributionen bei negativen Ereignissen Depression, wobei die gefundene Korrelation allerdings gering war.
Externale und spezifische Attributionen verursachten keine Depression.
Es soll allerdings auch bei dieser Studie nicht in Abrede gestellt werden, daß die angegebenen Attributionsmuster auch bei anderen Symptomen (z.B. Aggression) bedeutungsvoll sein könnten. Zumindest muß dieses Ergebnis auf dem Hintergrund der Studie
von Harvey diskutiert werden, da sie verdeutlicht, daß depressive Collegestudenten internal und global, nicht aber stabil attribuierten (s.o.).
Auch die weiteren Studien wenden sich einer längsschnittlichen Betrachtung der Entwicklung der Depression zu. So untersuchten Metalsky et al. (1982) Studenten vor und
nach ihrem Zwischenexamen und wollten damit prüfen, ob eine schlechte Prüfung Einfluß auf depressive Stimmungen besitzt. Eindeutig ist dabei, daß zwischen einem stabilen Attributionsstil und der Chance, depressiv verstimmt auf einen Mißerfolg zu reagieren, keine Beziehung besteht. Liegt ein schlechtes Prüfungsergebnis vor, dann kann man
von einem Zusammenhang zwischen einem internal-globalen Attributionsstil für negative Ereignisse und der depressiven Verstimmung ausgehen.
In einer Replikationsstudie zu der Arbeit von Metalsky et al. (1982) untersuchten Follette & Jacobson (1987) den Attributionsstil von Studenten und verglichen dies damit,
wie sie ihre Prüfungsleistungen erklärten. Um von den Studenten unaufgeforderte Attributionen zu erhalten, fragte man sie nach einem enttäuschenden Prüfungsergebnis, welche Pläne sie für die Vorbereitung ihrer nächsten Prüfung hätten. Von den befragten
Studenten geben 31% indirekte Attributionen ab, wobei die Vorhersage, daß unerwartete negative Ereignisse einen depressiven Attributionsstil bedingen, nicht bestätigt
werden konnte. Der gefundene Attributionsstil läßt keine Schlüsse auf eine depressive
Stimmung zu. Internale, stabile und globale Attributionen für schlechte Prüfungsleistungen führten bei den Studenten zu dem Vorsatz, für die nächste Prüfung mehr zu lernen, was dem reformulierten Modell der erlernten Hilflosigkeit von Abramson et al.
(1978) widerspricht.
Stiensmeyer-Pelster et al. (1988) untersuchten Attributionsstile für negative und positive Ereignisse bei Depressiven (endogen, reaktiv), Schizophrenen und nicht-depressiven Chirurgiepatienten. Die Befunde bestätigten das von Abramson et al. (1978) reformulierte Modell der erlernten Hilflosigkeit. So führten depressive Patienten negative
Ereignisse stärker auf internale, stabile und globale Ursachen zurück als Schizophrene
und nicht depressive Chirurgiepatienten; zudem maßen sie den Ereignissen eine höhere
Bedeutung bei. In ihren Ursachenzuschreibungen unterschieden sich reaktiv und endogen Depressive sowie die beiden nicht-depressiven Gruppen nicht; für positive Ereignisse zeigten sich zwischen den beiden Gruppen keinerlei Unterschiede.
Cochran & Hammen (1985) prüften, ob bestimmte Attributionsmuster Depression
verursachen oder zumindest stabilisieren. Diese Studie konnte lediglich Belege dafür
finden, daß der Aspekt der Globalität mit Depression in Beziehung steht. Die übrigen
Attributionsstile wirkten somit bestenfalls indirekt über den Aspekt der globalen Ursachenzuschreibung auf Depression. Somit scheinen nach dieser Studie kognitive Variablen weder als Ursache noch als prädisponierende Aspekte der Depression in Frage zu
kommen. Hautzinger (1983) verglich depressive Patienten, die zu verschiedenen Zeitpunkten an Depression erkrankten, mit Gesunden. Er fand, daß depressive Patienten
während ihrer Erkrankung deutlich erkennbare kognitive Veränderungen zeigen, indem
sie sich u.a. selbst die Verantwortung für negative Ereignisse zuschreiben und Erfolge
als external verursacht erleben. Depressive fühlen sich hilflos und ihrer Umwelt ausge153
liefert. Verzerrte Kognitionen sind damit depressionsbegleitende Symptome, jedoch
nicht ihre Ursache.
Die berichteten Ergebnisse sind nicht eindeutig und dies allein spricht schon gegen einen klaren Zusammenhang zwischen einem bestimmten Attributionsstil und Depression. Dieser Tatbestand bewegte einige Autoren wie Schuch (1982) dazu, emotionale Reaktionen und Attributionsprozesse als weitgehend unabhängig voneinander zu begreifen. Dieser Schlußfolgerung braucht man sich jedoch nicht zwingend anzuschließen, da
die uneinheitlichen Ergebnisse auch durch die unterschiedlichen Depressionskonzepte,
die den Studien zugrunde lagen, bedingt sein können. Bedenkt man zudem, daß die Ergebnisse an völlig unvergleichbaren Stichproben (Patienten, Psychologiestudenten, Lehrer u.a.) gewonnen wurden, kann man zu keinem einheitlichen Schluß kommen (vgl.
Brunstein, 1990).
Abschließend soll noch auf zwei Meta-Analysen hingewiesen werden, die sich lediglich
mit dem Zusammenhang zwischen Attributionsstilen und Depressivität beschäftigten.
Sweeney et al. (1986) bezogen 104 Studien in ihre Betrachtung ein. Internale, stabile
und globale Ursachenzuschreibungen für negative Ereignisse sowie Attributionen, die
Fähigkeit und Glück miteinbeziehen, stehen danach eindeutig mit Depression in Beziehung; eine solche klare Aussage läßt sich jedoch nicht für positive Ereignisse treffen.
Robin (1988) analysierte 87 Studien, wobei nur acht von hoher statistischer Aussagekraft waren; diese exakt geplanten Studien belegten die Relation zwischen Depression
und stabiler sowie globaler Attribution.
In der aktuellen Situation kann man die von Abramson et al. (1978) reformulierte
Theorie der erlernten Hilflosigkeit als keine hinreichende Bedingung zur Erklärung von
Depression ansehen, da Depression nicht nur aus der Überzeugung resultiert, Probleme
nicht selbst bewältigen zu können, sondern auch darin besteht, daß man u.a. keinen Zugriff auf fremde Ressourcen besitzt.
Das unter 9.2.4 diskutierte neue Konzept der Hoffnungslosigkeits-Depression kann an
dieser Stelle als weiterführende Perspektive angeführt werden.
9.3.4 Wodurch ist Hilflosigkeit im Kindesalter bedingt?
Da das Konzept von Seligman auch als Entwicklungstheorie verstanden werden kann,
ist es naheliegend, daß auch entwicklungspsychologische Studien zur erlernten Hilflosigkeit durchgeführt werden (Coyne & Gottlib, 1983; Hofmann, 1991; Petermann,
1992). Solche Studien untersuchen die Entwicklung und zeitliche Stabilität depressiver
Attributionsstile bei Kindern. So stellten Peterson & Seligman (1984b) bei neun- bis
13jährigen Kindern über einen Zeitraum von sechs Monaten fest, daß der Attributionsstil der Mutter – bezogen auf ungünstige Ereignisse – mit dem entsprechenden des Kindes und den depressiven Symptomen des Kindes in Beziehung stand. Zudem lagen bei
Müttern und Kindern vergleichbar ausgeprägte depressive Symptome vor. Die Analysen
zeigten, daß die Ausprägungen der Depression stabiler waren als die Attributionsstile.
Seligman & Peterson (1986) belegten, daß die Attributionsstile von Müttern mit denen
ihrer Kinder sowie dieses Ergebnis mit dem Vorliegen von depressiven Symptomen
korrelierte. Im Hinblick zu den Attributionsstilen der Väter bestanden keinerlei Beziehungen. Seligman & Peterson (1986) vermuten, daß die Kinder durch gemeinsame Erfahrungen mit den Müttern oder Imitationslernen von den Müttern diesen Attributionsstil übernehmen.
Über eine weitere Studie zur Entwicklung der Hilflosigkeit berichten Rholes et al.
(1980). Diese Autoren untersuchten fünf- bis zehnjährige Kinder, indem sie ihnen Gemälde vorlegten, auf denen angeblich eine bestimmte Anzahl von Figuren versteckt sei.
Nach diesen Ergebnissen weisen jüngere Kinder im Gegensatz zu den älteren keine De154
fizite in Leistung und Durchhaltevermögen auf. Die Autoren führen dies auf die Verwendung eines »Hab-Schemas« bei jüngeren Kindern und eines »kompensatorischen
Schemas« bei älteren Kindern zurück. Bei Verwendung des Hab-Schemas werden positive Ergebnisse auf hohe Fähigkeit und hohe Anstrengung zurückgeführt, negative Ergebnisse auf geringe Fähigkeit und geringe Anstrengung; bei Verwendung des kompensatorischen Schemas wird ein positives Ergebnis erklärt durch geringe Fähigkeit bei hoher Anstrengung oder umgekehrt. Anders formuliert: Beim Hab-Schema besteht eine
positive Korrelation zwischen Anstrengung und Fähigkeit, beim kompensatorischen
Schema eine negative Korrelation zwischen Anstrengung und Fähigkeit. Kritisch anzumerken bei dieser Untersuchung ist, daß zumindest für die jüngeren Kinder die Attributionsfragen umschrieben werden mußten (wie die Autoren auch selbst aufführen) und es
nicht sicher ist, ob das gewählte Aufgabenmaterial für die verschiedenaltrigen Kinder
wirklich gleich schwierig war.
Zu erwähnen ist auch die Studie von Donovan (1981), die sich mit der Mutter-KindInteraktion beschäftigte. Der Autor analysierte Reaktionen der Mutter auf das Schreien
des Kindes und sammelte anhand von Verhaltensstrategien und Korrelationen zum
EKG-Muster der Mutter Belege für das Auftreten von erlernter Hilflosigkeit.
Auch klinische Studien zur Entstehung der Depression im Kindesalter geben Aufschluß
zum Konzept der erlernten Hilflosigkeit. Im Jahre 1984 untersuchten Kaslow und Mitarbeiter bei sechs- bis 14jährigen Kindern, die unterschiedlich ausgeprägte depressive
Symptome aufwiesen, den Zusammenhang zwischen Selbstwertgefühl, Attributionsstil,
kognitiven Fähigkeiten, Erfolgserwartungen und sozialer Kompetenz. Es zeigte sich,
daß Kinder mit einer stärker ausgeprägten depressiven Symptomatik ein niedrigeres
Selbstwertgefühl und weniger Erfolgserwartungen sowie einen depressiveren Attributionsstil aufweisen. Kadzin und Mitarbeiter (1983) fanden eindeutige Zusammenhänge
zwischen Hilflosigkeit, geringem Sebbstwert, gehäufter auftretenden depressiven Symptomen und Sebbstmordabsichten. Zu vergleichbaren Ergebnissen kamen McCauley
und Mitarbeiter (1988) bei psychiatrisch behandelten Kindern und Jugendlichen der
Altersgruppe von sieben bis 17 Jahren. Kinder mit depressiven Symptomen erklärten
Erfolge mit externalen Ursachen; sie wiesen damit einen spezifischen Attributionsstil
auf.
Eine erste Längsschnittstudie in diesem Kontext legten Nolen-Hoeksema et al. (1986)
vor; diese Autoren untersuchten über einen Zeitraum von einem Jahr den Zusammenhang zwischen Depression, Leistung und Attributionsstil bei 168 acht- bis elfjährigen.
Die Schulbeistungen wurden einmal gemessen, depressive Symptome, Lebensereignisse
und Attributionsstile fünfmal erhoben. Es stellte sich heraus, daß die depressive Symptomatik sowie der Attributionsstil im Verlauf eines Jahres relativ stabil waren. Die
zentrale Hypothese war, daß Kinder mit einem ungünstigen Attributionsstil mehr depressive Störungen sowie Leistungsprobleme haben; die Ergebnisse stützen diese Hypothese.
Kinder, die dazu tendierten, negative Ereignisse internal, stabil und global zu attribuieren und die für positive Ereignisse externale, instabibe und spezifische Ursachen angaben, waren depressiver und hatten mehr Leistungsprobleme. Auf der anderen Seite wurde bei den Kindern ohne depressive Symptome und Leistungsstörungen der genau entgegengesetzte Attributionsstil gemessen. Der ungünstige Attributionsstil korrelierte
nicht nur mit aktuellen depressiven Symptomen, es ließen sich auch Vorhersagen über
eine später auftretende Depression machen. Aber auch durch die gemessenen Depressionswerte konnte man spätere Attributionsmuster vorhersagen. Diese Längsschnittstudie
belegt – nach Meinung Nolen-Hoeksema et al. (1986) – die Bedeutung von Attributionsmustern für die Erklärung und Behandlung von Depression und Leistungsstörungen.
155
9.3.5 Probleme empirischer Studien
Das Konzept der erlernten Hilflosigkeit ist in meinen Augen ein Paradebeispiel dafür,
wie schwer psychologische Theorien, nachdem man ihren Anwendungsbereich ausgeweitet hat, zu prüfen sind. So erscheint der Anspruch der Theorie, die Herausbildung
klinischen oder sozialen Verhaltens über die Lebensspanne zu erklären, kaum experimentell prüfbar. Die bislang unternommenen Versuche, Hilflosigkeitsbedingungen herzustellen, dürften kaum Aussagen über eine längerfristige Beeinflussung des Entwicklungsverlaufes zulassen. So ist die Vorgabe von unlösbaren Aufgaben, Diskriminationsaufgaben (Konzeptidentifikationen) und kurzfristige Streßerzeugung (Shuttlebox) nur
eingeschränkt dafür geeignet. Die Begrenzung des klassischen Hilflosigkeitsexperiments auf wenige Minuten kann wohl kaum ausreichend sein, um nachhaltig wirksame
Hilflosigkeit zu erzeugen; allerdings wären nachhaltige Effekte auch aus ethischen
Gründen nicht verantwortbar. Neben diesen Schwierigkeiten ergeben sich immense
Meßprobleme im Hinblick auf die verschiedenen Attributionsstile. Zunächst kann generell bezweifelt werden, ob die Attributionsstile überhaupt in reiner Form auftreten (vgl.
hierzu Abschnitt 9.2.3.2).
Leider unterstellen fast alle Autoren die Unabhängigkeit der Attributionsstile und ordnen Mißerfolge in sehr globale Kategorien ein (vgl. Zemore & Johansen, 1980). Auch
neuere Versuche, sogenannte »Attributionsfragebögen« einzusetzen, sind reichlich problematisch. Die meist vordergründig formulierten Fragen unterliegen sehr stark Beantwortungstendenzen (z.B. der Tendenz, nach den Vorstellungen des Versuchleiters zu
antworten).
Unter methodischen Gesichtspunkten ist sehr unbefriedigend, daß bei der immensen
Forschungsproduktivität, die sich in einigen hundert Experimenten niederschlägt, nur
wenige Replikationsstudien durchgeführt wurden. Findet man doch einmal eine Replikationsstudie, wie z.B. die von Krautzig et al. (1981), so kommt diese zu anderen Ergebnissen als das Ursprungsexperiment (hier von Seligman & Klein, 1976). Des weiteren wären die Durchführungsbedingungen der Experimente systematischer zu variieren.
So wiesen z.B. erst kürzlich Grabitz & Hammerl (1985) darauf hin, daß durch Signalreize, die mehr oder weniger lösbare Aufgaben ankündigen, hilfloses Verhalten verhindert wird.
Interessante Überlegungen zur Optimierung der experimentellen Untersuchung der erlernten Hilflosigkeit stellt Heckhausen (1980) an. Er weist darauf hin, daß im Gegensatz zu tierexperimentellen Untersuchungen in den Humanexperimenten die Hilflosigkeitseffekte sehr gering sind. Für Heckhausen ist es deshalb wichtig, daß unterschieden
wird zwischen Kompetenzerleben und der manipulierten Inkompetenz durch das Experiment. Vorbildlich erscheint Heckhausen das experimentelle Vorgehen von Koller &
Kaplan (1978), die präzise die Unterschiede im Kompetenzerleben variierten. Es wird
dabei von vier Rückmeldungsarten (kontingent, nonkontingent, fast ausschließlich Erfolg und Mißerfolg) ausgegangen. Heckhausen sieht in erlernter Hilflosigkeit einen
mehrphasigen Prozeß, der dann beschleunigt wird, wenn die Person glaubt, daß sie erhebliche Fähigkeitsmängel besitzt. Diese Personen werden dann schnell hilflos. Heckhausen bezweifelt, daß bislang über die Generalisierung von Hilflosigkeit bezogen auf
Handlungsbereiche und Zeiten ausreichend gestützte Ergebnisse vorliegen und betont,
wie wichtig die Erforschung individueller Unterschiede im Erfahren und Erleben von
Hilflosigkeit sei.
156
9.4 Anwendung und Perspektiven
des Konzeptes »Erlernte Hilflosigkeit«
Neben der eher sozialpsychobogisch geprägten experimentellen Erforschung des Phänomens »erlernte Hilflosigkeit« hat im deutschsprachigen Raum vorwiegend die eher
angewandte Forschung um das Depressionskonzept Eingang gefünden (vgl. Försterling, 1986). Die reformulierte Fassung der Theorie der erlernten Hilflosigkeit nach Abramson et al. hat auch zu einem neuen Depressionskonzept geführt, das über das in diesem Buch dargestellte hinausgeht. Depression ist nach Abramson et al. durch motivationale, kognitive und emotionale Defizite sowie durch ein vermindertes Sebbstwertgefühl gekennzeichnet. Abramson et al. (1978, S. 68) folgern, daß die Generalisierung
des depressiven Defizits von der Globalität der Hilflosigkeitsattribution und die Chronizität von der Stabilität der Hilflosigkeitsattribution abhängt (vgl. Wortman & Dintzer,
1978; Abschnitt 2.3). Die Verminderung des Sebbstwertgefühbes beruht auf der internalen Erklärung der Hilflosigkeit. In der Reformulierung gelangt man von einer lerntheoretischen Sicht eines Defizits zu der Auffassung, es handele sich um eine »Attributionskrankheit« mit Namen »Depression«. Ob diese Wende eine zum Guten war, wurde
ja schon in Frage gestellt, wobei vor allem die klinisch-psychologische Depressionsforschung den Erklärungsanspruch des Konzepts der erlernten Hilflosigkeit in Frage stellte
(vgl. Wolpe, 1979), da der Begriff »Depression« zu global verwendet wird und kaum
mit dem Diagnoseschema der klinisch-psychologischen Praxis in Einklang zu bringen
ist. Die Kritik am Konzept der erlernten Hilflosigkeit richtet sich auch gegen die mangelnde Differenziertheit des Depressionsbegriffes, der in dieser Form für die psychiatrisch-diagnostische Praxis unzureichend zu sein scheint (vgl. Linden, 1983).
Das Konzept der erlernten Hilflosigkeit wirkte befruchtend auf die Entwicklung systematischer Interventionsprogramme, die auf einem umfassenderen theoretischen Bezugsrahmen basieren als traditionelle Verhaltenstherapieprogramme. So entwickelten Rodin
& Langer (1980), vgl. Herkner, 1980) vor diesem Hintergrund Möglichkeiten, wie bei
alten Menschen Kontrollbedingungen wiederhergestellt werden können. Für selbstunsichere acht- bis zwölfjährige Kinder stellen Petermann & Petermann (1992b) ein Modifikationsverfahren vor, das aus der Seligmanschen Theorie entwickelt wurde (vgl.
»Sonntagskinder« und »deprivierte Kinder« im vorliegenden Buch).
Weitere Anregungen der Theorie der erlernten Hilflosigkeit für den pädagogischen Anwendungsbereich zeigt Ulrich (1980) auf. Er folgert für die Prophylaxe ängstlichen und
selbstunsicheren Verhaltens bei Schülern folgendes:
)
Das Unterrichtsverhalten muß möglichst frei von Zufälligkeiten und Mehrdeutigkeiten sein, d.h., es dürfen keine unvorhersagbaren und unbegründeten Bewertungen bzw. Sanktionen auftreten.
)
Mißverhältnisse zwischen Anforderungen und individuellen Leistungsmöglichkeiten müssen für den Schüler zu bewältigen sein.
)
Erfolge müssen planbar für den Schüler sein; hierzu müssen Anforderungen transparent und der Zusammenhang zwischen Zielen, Leistungen und Bewertungskriterien erkennbar sein.
)
Schüler sollen aufgrund der Überwindung von Frustrationen und eigenen Unzulänglichkeiten durch aktive Erfahrung Bewältigungskompetenzen aufbauen und
dadurch ein Bewußtsein der Kontrolle entwickeln.
Die empirische Überprüfung dieser Verhaltensprinzipien im pädagogischen Feld wäre
wünschenswert.
Die Anwendungsaufgeschlossenheit des Konzeptes der erlernten Hilflosigkeit ergibt
sich sicherlich auch aus der hohen Selbstevidenz bzw. der Plausibilität der theoretischen
157
Annahmen. Das Konzept der erlernten Hilflosigkeit muß präziser gefaßt werden, was m.
E. weg von den nicht eindeutig prüfbaren attributionstheoretischen Annahmen und hin
zu den Ursprüngen der Theorie von Seligman führen müßte. Eine Einschränkung des
Aussagebereichs der Theorie könnte sich zunächst einmal auf aversive nonkontingente
Ereignisse beziehen. In einem zweiten Schritt müssen die Prädikatoren abgeleitet werden, die über längere Zeiträume Aussagen über die Entwicklung von erlernter Hilflosigkeit zulassen. Solche Prädikatoren sollten in entwicklungspsychobogischen oder längsschnittlich angelegten klinischen Untersuchungen geprüft werden. Durch diesen Schritt
würde der ursprüngliche Ätiologiecharakter der Theorie wieder in den Vordergrund gerückt, was einer Präzisierung des Verlaufsaspektes von Hilflosigkeit dient. Diese Überlegungen sind nicht neu, sondern wurden bereits in dem integrierten Modell von
Wortman & Brehm (1975) formuliert. Wortman & Brehm konnten durch die Beobachtung des Entwicklungsaspektes Unklarheiten und Widersprüche auflösen (s.o.). Diese bislang vornehmlich hypothetischen Überlegungen sollten in einer umfassenden
Längsschnittbetrachtung untersucht werden. Obwohl die attributionstheoretische Aufbereitung von Hilflosigkeitsphänomenen zur Immunisierung des Theoriegebäudes führte,
könnte auch hier eine längsschnittliche Betrachtung helfen. So dürfte die Vorhersage
von Attributionsmustern im Zeitverlauf – unter Betrachtung situationaler Bezugsgrößen
– präzise Aussagen über Stabilität und Globalität zulassen, die nicht im Nachhinein dem
Versuchsleiter bzw. der Versuchsperson untergeschoben werden.
Auch die Genese klinischer Phänomene (z.B. abgegrenzter Formen der Depression) ist
nur durch Längsschnittbetrachtungen beantwortbar. Wichtig bei Längsschnittstudien
wird sein, daß sich die zu untersuchenden Stichproben im Altersbereich homogen zusammensetzen. So dürfte die Altersvariable (= chronologisches Alter) entscheidend für
die Herausbildung von Hilflosigkeit verantwortlich sein, was nicht bedeutet, daß ältere
Menschen hilfloser sein müssen als jüngere, sondern nur besagt, daß Hilflosigkeitsphänomene mit der Altersvariable konfundiert sind (vgl. Rholes et ab., 1980).
Auf diesem Hintergrund dürften Untersuchungen, die ansonsten methodisch exakt
durchgeführt wurden, wie z.B. von Miller & Norman (1981), bei Zugrundelegung einer Altersspanne von 19 bis 60 Jahren und der anschließend durchgeführten Mittelung
der Effekte kaum glaubhaft wirken. Längsschnittbetrachtungen haben vielleicht zudem
noch den Vorteil, daß man sich auf wenige Variablen mit einem hohen Präzisionsgrad
beschränken muß, um die Erhebungsökonomie zu wahren. Diese Tatsache würde zunächst einmal dem Einführen weiterer intervenierender und moderierender Variablen in
das Bezugssystem des Konstruktes entgegenwirken und dadurch sein weiteres Durchlöchern verhindern.
158
9.5
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10
Anhang
10.1 Anmerkungen
001
New York Times, Reiseteil, Ausgabe vom 30. Januar und 19. Februar 1972.
002
Wintrob, 1972.
003
Vgl. Irwin (1971) und Teitelbaum (1964) für weitere Ausführungen zum Verhältnis
zwischen Willkürverhalten und instrumentellem oder Konsequenzorientiertem Verhalten.
004
Die Literatur zu der Frage, welche Reaktionen genau in diesem Sinne willentlich sind, ist
faszinierend und wächst zunehmend. Die Liste derartiger Reaktionen scheint sich immer
weiter auszudehnen, da Grund zu der Annahme besteht, daß Herzfrequenz, Urinexkretion
und Alpha-Wellen des EEG (unter anderen) durch bestimmte Trainingsverfahren unter
willentliche Kontrolle gebracht werden können. Eine Zusammenfassung gibt Miller
(1969). Diese Befunde mögen die ursprüngliche Trennung zwischen willentlich und
unwillkürlich verwischen, aber für meine Definition, ob irgendeine Reaktion willentlich
ist, ist lediglich von Bedeutung, ob sie durch Belohnung oder Bestrafung verändert
werden kann.
005
Humphreys (1939 a, b, c) und Skinner (1938).
006
Die Taube bekommt nur dann ein Futterkorn, wenn sie nicht auf die Taste pickt. Es ist
wissenschaftlich umstritten, ob es einem Organismus wirklich möglich ist, nicht zu
reagieren. Es wird behauptet, daß Organismen letzten Endes immer irgend etwas tun,
auch wenn man es nicht beobachten kann, und daß dieses Irgend-Etwas verstärkt wird.
Obwohl eine derartige Sichtweise a priori gerechtfertigt werden kann, ist das
Beweismaterial, das ich durch das gesamte Buch hindurch diskutieren werde,
mit ihr total unvereinbar.
007
Der scharfsinnige Leser mag sich fragen, warum ich mir die Mühe gemacht habe, während des ganzen Beispiels die zeitliche Limitierung von 30 Sekunden ausdrücklich hinzuzufügen. Hätte ich mich nicht einfach auf Knopfdruck und unterbliebenen Knopfdruck
beschränken können? Der Grund ist einfach der, daß – genau genommen –Knopfdruck
ein Ereignis eines einzigen Momentes ist, nicht aber unterbliebener Knopfdruck. Damit
aber p(R/K) und p(R/K) (x- und y-Achse im Reaktions-Kontingenzen-Raum) auch hinsichtlich des Zeitintervalles vergleichbar sind, wird R als das Auftreten einer Reaktion innerhalb eines Zeitintervalles von 30 Sekunden definiert und R als das Ausbleiben dieser
Reaktion während dieses Zeitintervalles. Schoenfeld, Cole, Lang und Mankoff (1973)
verwenden dieses Verfahren extensiv. Der konzeptuelle Rahmen dieses Kapitels verallgemeinert auch auf Bedingungen ohne zeitliche Limitierung; der interessierte Leser wird
in Hinsicht auf Einzelheiten der Deduktion an Seligman, Maier und Solomon (1971) und
in Hinsicht auf eine formale Diskussion des Reaktions-Kontingenzen-Raumes an Gibbon, Berryman und Thompson (1974) verwiesen.
008
Seligman und Hager (1972).
009
Staddon und Simmelhag (1971). Zur speziesspezifischen Analyse von Hilflosigkeit
siehe auch Staddon (1974).
010
Overmier und Seligman (1967), Seligman und Maier(1967).
011
Overmier (1968), Overmier und Seligman (1967), Seligman und Groves (1970),
Seligman und Maier (1967), Seligman, Maier und Geer (1968).
012
Maier (1970), Maier, Albin und Testa (1973), Seligman und Beagley (1974), Seligman
und Maier (1967). Es sollte erwähnt werden, daß sich Church (1964) gegen den Einsatz
von yoked Gruppen als Kontrollgruppen für instrumentelles Lernen wandte. Sein Argument spielt jedoch für Hilflosigkeitsexperimente keine Rolle, da in diesen Experimenten
die Partnergruppe (yoked group) Experimentalgruppe ist, während die beiden anderen
Gruppen die Kontrollgruppen darstellen.
169
013
Seligman und Maier (1967).
014
Vgl. z.B. die Beiträge aus dem von Seligman und Hager (1972) herausgegebenen Buch.
015
Thomas und Balter (1974). Ferner geben Masserman (1943, 1971), Seward und Humphrey (1967) und Zielinski und Soltysik (1964) weitere Berichte über Beeinträchtigungen, die unvermeidbare elektrische Schläge bei Katzen hervorrufen.
016
Padilla, Padilla, Ketterer und Giacalone (1970). Ähnliche Ergebnisse aus Experimenten mit Goldfischen berichten Bintz (1971), Behrend und Bitterman (1963), Frumkin
und Brookshire (1969) und Padilla (1969).
017
Maier, Seligman und Solomon (1969) sowie Seligman (1971) geben einen Überblick
über diese komplizierte Literatur; dort findet der interessierte Leser weitere Details.
Repräsentative Untersuchungen finden sich auch bei Anderson, Cole und McVaugh
(1968), DeToledo und Black (1967), Dinsmoor und Campbell (1956 a und b), Looney
und Cohen (1972), Mullin und Morgenson (1963) und Weiss, Krieckhaus und Conte
(1968).
018
Maier et al. (1973), Seligman und Beagley (1974), Seligman, Rosellini und Kozak
(1974 b). Beiläufig sollte erwähnt werden, daß Mäuse (Braud, Wepman und Russo
1969) und sogar niedere Küchenschaben (Horridge, 1962) nach unvermeidbaren
elektrischen Schlägen Verhaltensmängel aufweisen.
019
Hiroto (1974), Hiroto und Seligman (1974), Krantz, Glass und Snyder (1974). Andere
Experimente zur gelernten Hilflosigkeit beim Menschen, die zu ähnlichen Ergebnissen
führten, finden sich bei Fosco und Geer (1971), Miller und Seligman (1974 a),
Racinskas (1971), Roth und Kubal (1974) und Thornton und Jacobs (1971).
020
James (1963), Lefcourt (1966) und Rotter (1966) beschreiben die aktuellen Persönlichkeitstests und fassen die ausgedehnte und kontroverse Literatur zusammen.
021
Braud et al. (1969). McCulloch und Bruner (1939) berichten ähnliche Befunde aus
Rattenexperimenten und vermutlich die früheste Untersuchung zu Hilflosigkeit in der
Literatur.
022
Rosellini und Seligman (1974). A. Amsel (1974, persönliche Mitteilung).
023
Amsel, Rashotte und MacKinnon (1966) fassen die Ergebnisse von Frustration bei
Ratten zusammen.
024
Brookshire, Littman und Stewart (1961) verabreichten 30 Tage alten Ratten unvermeidbare elektrische Schläge, während sie die Kontrolltiere lediglich normal behandelten.
Hundert Tage später, im Erwachsenenalter, wurden die Ratten in einem Laufgang untersucht, an dessen Ende Futter lag. Wenn die Ratten nur leicht hungrig waren, schnitten
hilflose Ratten faktisch besser ab als die Kontrolltiere. Bei mittelmäßigem Hunger rannten alle Gruppen mit dem gleichen Erfolg nach dem Futter. Wenn der Hunger zum traumatischen Erlebnis wurde (nach 96 Stunden Nahrungsentzug), rannten nur die normal
behandelten Ratten den Laufgang entlang, während die zuvor geschockten Tiere aufgaben
und einfach passiv in der Startkiste sitzenblieben.
025
Maier, Anderson und Lieberman (1972). Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Powell und
Creer (1969). Weitere Beweise für den Transfer zwischen aversiven Ereignissen liefern
Anderson und Paden (1966).
026
Hiroto und Seligman (1974). Vgl. auch Miller und Seligman (1974 b) zu einer Replikation und Ausweitung der Ergebnisse auf Depression.
027
Hiroto und Seligman (1974).
028
Maier (1949) hat dieses Verfahren sehr intensiv bei Rattenexperimenten eingesetzt.
Die beeinträchtigenden Konsequenzen dieses Verfahrens für Ratten werden in Kapitel 8
diskutiert.
029
Hiroto und Seligman (1974).
030
Seligman, Meyer und Testa (unveröffentlicht). Vgl. auch Hulse (1974).
170
031
Engberg, Hansen, Welker und Thomas (1973) – die veröffentlichte Version hatte den
Titel »›Acquisition of keypecking via autoshaping as a function of prior experience:
Learned laziness?‹« Ähnliche Ergebnisse aus Taubenexperimenten finden sich bei Gamzu und Williams (1971) und bei Gamzu, Williams und Schwartz (1973) und Welker,
Hansen, Engberg und Thomas (1973), die in eine lebhafte Kontroverse über die
Erklärung dieser Ergebnisse einsteigen.
032
Kurlander, Miller und Seligman (1974).
033
Miller und Seligman (1974 b).
034
Hiroto und Seligman (1974).
035
Thomas, Freeman, Svinicki, Burr und Lyons (1970).
036
Wallace (1956 a).
037
Overmier (1968), Overmier und Seligman (1967), Seligman und Groves (1970).
038
Seligman et al. (1974 b). Diese Ratten wurden von Geburt an in Käfigen aufgezogen, so
wie Hunde in Käfigen aufgezogen werden (vgl. S. 55) und keinen Zeitverlauf der Hilflosigkeitsreaktion zeigten. Die Aufzucht in Käfigen beschränkt die Möglichkeiten, durch
die Erfahrung kontrollierbarer Ereignisse immunisiert zu werden.
039
Brady, Porter, Conrad und Mason (1958). Diese Untersuchung wird in Kapitel 6
ausführlicher diskutiert.
040
Sines, Cleeland und Adkins (1963).
041
Weiss (1968, 1971 a, b und c). Vgl. auch Moot, Cebulla und Crabtree (1970); mehr
über Magengeschwüre, Angst und Unvorhersagbarkeit wird auch in Kapitel 6 berichtet.
042
Eine laufende Kontroverse bezüglich dieser Daten findet sich bei Brimer und Kamin
(1963), Lindner (1968), Desiderato und Newman (1971) und Payne (1972).
043
Hokanson, DeGood, Forrest und Brittain (1971). Ähnliche Humanexperimente mit
verschiedenen anderen Angstmaßen führten Averill und Rosenn (1972), Bandler, Madaras und Bem (1968), Corah und Boffa (1970) und Elliot (1969) durch. Die Literatur
in dieser Hinsicht ist komplex und uneinheitlich; sie wird aus verschiedenen Blickwinkeln heraus von Averill (1973) und Binik und Seligman (1974) überprüft.
044
Pavlov (1927, 1928).
045
Liddell, James und Anderson (1934).
046
Bei der heutigen Generation von Lerntheoretikern besteht eine erstaunliche Übereinstimmung von Meinung und Beweismaterial darüber, daß Organismen über Kontingenzen innerhalb dieses Reaktions-Kontingenzen-Raumes einschließlich der 45º Linie lernen und
Information speichern können: Catania (1971), Church (1969), Gibbon et al. (1974),
Maier et al. (1968), Seligman et al. (1971), Wagner (1969), Watson (1967) und Weiss
(1968, 1971 a).
047
Wenn der interessierte Leser die Beziehung zwischen der Information über die Kontingenz und deren kognitiver Repräsentanz genauer auszubuchstabieren versucht, sei er an
Kelley (1967) und Weiner, Frieze, Kukla, Reed, Rest und Rosenbaum (1971) verwiesen, die einen attributionstheoretischen Standpunkt vertreten; Irwin (1971) und Seligman
und Johnston (1973) vertreten den Standpunkt der kognitiven Lerntheorie; ferner sei auf
Lazarus (1966) und Stotland (1969) verwiesen.
048
Langer (1974) führte ebenfalls eine Experimentalserie zu Faktoren, die die Illusion von
Kontrolle hervorrufen, durch. Ihren Ergebnissen zufolge erliegen Menschen der Illusion
von Kontrolle in Glücksspielen, wenn ihre Gegenüber ihnen inkompetent erscheinen,
wenn sie ein Lotterielos auswählen können und wenn sie mehr Zeit mit einem Spiel
verbringen.
049
Es sollte auch darauf hingewiesen werden, daß angeboren respondentes, also unwillkürliches Kampfverhalten eine andere Quelle darstellt, um in traumatischen Situationen zu
reagieren, jedoch interessiert uns hier vor allem der Aufbau und Abbau willentlicher
171
Reaktionen. Damit soll auch nicht bestritten werden, daß angeborene Reaktionen in
willentliche umgeformt werden können (Schwartz und Williams, 1972).
050
Solomon (1948) gelangt nach der Durchsicht der umfassenden Literatur zu dem
Ergebnis, daß von extremen Bedingungen abgesehen ein Reduzieren der
Anstrengungen kein effektiver Verstärker ist.
051
Vgl. Irwin (1971) und Seligman und Johnston (1973) in Hinsicht auf operational
definierte Erwartungen bezüglich der Konsequenzen auf eine Reaktion.
052
Thornton und Jacobs (1971).
053
Hiroto und Seligman (1974), MacKintosh (1973), Maier (1949), Meligren und Ost
(1972), Miller und Seligman (1974 a), Thomas et al. (1970).
054
Bowlby (1973), Hinde, Spencer-Booth und Bruce (1966), Kaufman und Rosenblum
(1967) und Sackett (1970) beschreiben Details der Protest-Verzweiflungssequenz.
Diese Abfolge wird in sehr allgemeiner Form auch von Selye (1956) beschrieben.
055
Solomon und Corbit (1974) stellten die Theorie auf, daß sich Emotionen antagonistisch
zueinander verhalten könnten, wie sich im optischen System rot und grün antagonistisch
zueinander verhalten. Aus einer derartigen Perspektive heraus ist es möglich, daß Furcht
und Depression entgegengesetzte Prozesse darstellen: mit wiederholter Erfahrung unkontrollierbarer, furchterregender Erfahrungen wird während der Furcht Depression aufgebaut. Die Depression hemmt die Furcht und hält sie in ertragbaren Grenzen. Sobald das
traumatische Ereignis verschwindet, verschwindet auch die Furcht; der entgegengesetzte
Prozeß der Depression, der sich langsamer abbaut, bleibt.
056
Nicht jedes Spiel und jede Übung in Kompetenz haben ihren Ursprung in einem Trieb,
die aversiven Zustände Furcht und Depression zu vermeiden, da auch der scheinbar entspannte Organismus spielt und exploriert, und Spiel und Explorationsverhalten durch
Furcht gehemmt werden können (White, 1959). Auf der anderen Seite muß berücksichtigt werden, daß aversive Zustände wie Weinen oder Sich-Wehren entstehen, wenn Spiel
oder Explorationsverhalten eingeschränkt oder zwangsweise beendet werden.
057
Bevorzugtes Futter der Hunde in Philadelphia, Pennsylvania und Ithaca, New York. Die
Salami ist ein Werbegeschenk von KELLY & COHEN’S, Philadelphia.
058
Vgl. Seligman et al. (1968). Ähnliche Befunde zum »Durchzerren« als Trainingsverfahren werden von Black (1958), Maier (1949) und Tolman und Gleitman (1948) berichtet. Details der Heilungsprozedur bei Ratten werden bei Seligman et al. (1974b) beschrieben.
059
Seligman und Maier (1967). Analoge Immunisierungsverfahren und deren Ergebnisse
bei Ratten werden bei Seligman et al. (1974 b) beschrieben.
060
Seligman und Groves (1970).
061
Lessac und Solomon (1969).
062
Kritiken und alternative Ansätze zu Hilflosigkeit finden sich bei Anderson et al. (1968),
Bracewell und Black (1974), Gamzu et al. (1973), Hineline (1973), Maier et al. (1969),
Miller und Weiss (1969), Staddon (1974), Weiss, Stone und Harrell (1970) und Weiss,
Glazer und Poherecky (1974).
063
Schreckstarre (freezing) beschreibt eine Klasse von Verhaltensweisen, die von Ratten
ausgeführt werden, wenn sie erschreckt sind: sie umklammern die Gitterstäbe fest mit ihren Pfoten, kauern sich zusammen und zittern. Aus diesem Phänomen der Schreckstarre
bei Ratten ist viel gemacht worden, und es wurde behauptet, daß gelernte Hilflosigkeit
nichts anderes als Schreckstarre sei (Anisman und Waller, 1973). Z.B. beeinträchtigt
starker elektrischer Schock, der auch stärkere Schreckstarre bei Ratten auslöst als schwacher elektrischer Schock, auch das Fluchtverhalten in der shuttle box mehr (Anisman und
Waller, 1972); ferner fördert Scopolamin, ein die Schreckstarre abbauendes Pharmakon,
Vermeidungsverhalten (Anisman, 1973). Derartiges Beweismaterial hat jedoch für Hilflosigkeit wenig Bedeutung. Ich bestreite nicht, daß es eine ganze Reihe von Möglichkeiten gibt, Flucht- oder Vermeidungsverhalten zu beeinträchtigen – man kann dem Tier z.B.
ein Bein abschneiden oder Schreckstarre auslösen. Aber die Tatsache, daß Schreckstarre
172
mit Fluchtverhalten interferiert, impliziert nicht, daß unvermeidbare elektrische Schläge
Fluchtverhalten aufgrund von Schreckstarre beeinträchtigen, genauso wenig wie sie impliziert, daß unvermeidbare elektrische Schläge dadurch Fluchtverhalten beeinträchtigen,
daß man dem Tier ein Bein abschneidet. Darüber hinaus verfallen weder Hunde in
Schreckstarre noch Menschen, die mit unlösbaren Diskriminationsaufgaben konfrontiert
werden, noch Ratten, die inkontingent Futter erhalten; aber alle diese Bedingungen verursachen Hilflosigkeit. Schließlich haben die Apostel der Schreckstarre sich eine Frage
nicht ernsthaft gestellt: warum löst nur unvermeidbarer, aber nicht vermeidbarer Schock
bei der Ratte Schreckstarre aus? Jede Antwort müßte wahrscheinlich implizieren, daß die
Ratte gelernt hat, daß der Schock unvermeidbar ist – was den Kern unserer Theorie der
Hilflosigkeit trifft.
064
Maier et al. (1973), Seligman und Beagley (1974). Die Ergebnisse von Maier und Testa
(1974) zu verzögerter FR1-Verstärkung, intermittierender Verstärkung und Verdeutlichung der FR2-Kontingenz lassen sich nicht leicht bei irgendeiner Sichtweise berücksichtigen, die nur Verhalten und keine Lerndefizite vertritt.
065
Miller und Weiss (1969) und Weiss et al. (1970, 1974) haben derartige Spekulationen
formuliert.
066
Untersuchungen über die Effekte auf Menschen und Tiere werden von Maier und Gleitman (1967) und Underwood (1948) berichtet.
067
Miller und Weiss (1969), Weiss (1968, 1970, 1971 a, b, c), Weiss et al. (1970, 1974).
068
Abramson und Seligman (1974).
069
Eine Ausführung der Theorie finden Sie bei Stein (1964).
070
Thomas und Balter (1974).
071
Abramson und Seligman (1974).
072
Williams, Friedman und Secunda (1970).
073
Carney, Roth und Garside (1965), Kiloh und Garside (1963), Mendels (1970) und
Schuyler (1975) diskutieren diese Dichotomie.
074
Wenn z.B. die Mutter depressiv und der Vater Alkoholiker ist, kann der Nachwuchs sehr
wohl depressiv werden (vgl. Winokur, 1973). Übrigens wurde die Behauptung aufgestellt, daß Alkoholismus das männliche Äquivalent zu weiblicher Depression sei.
075
Eine wichtige Ausnahme nennt Wolpe (1967), der Kriterien für eine sich durchsetzende
Übereinstimmung zwischen Neurosen bei Tieren und bei Menschen diskutiert.
076
Vgl. Wittgenstein (1953, Abschnitt 66 bis 77), der eine allgemeine Aussage zum Argument bringt, daß Worte aus dem Umgangssprachenenglisch wie »game« oder »depression« keine notwendigen Charakteristika implizieren.
077
Grinker, Miller, Sabshin, Nunn und Nunnally (1961).
078
Beck (1967, S. 28).
079
Repräsentative Untersuchungen führten Friedman (1964), Martin und Rees (1966) und
Shapiro und Nelson (1955) durch. Seligman, Klein und Miller (1974) geben einen
Überblick über die Literatur.
080
Vgl. Lewinsohn und Libet (1972).
081
Vgl. repräsentative Untersuchungen bei Payne (1961) und Walton, White, Black und
Young (1959).
082
Lewinsohn (1974).
083
Das Buch von Beck (1967) gibt das vollständigste und umfassendste aller derzeit
verfügbaren Bilder über Geisteszustände bei depressiven Menschen.
084
Miller und Seligman (1973, 1974 a, b), Miller, Seligman und Kurlander (1974).
085
Milleret al. (1974).
173
086
David Klein, Ellen Fencil-Morse und ich (1975) kamen zu entsprechenden Ergebnissen,
als wir unlösbare Diskriminationsaufgaben anstelle von unvermeidbarem Lärm einsetzten. Darüber hinaus fanden wir, daß der Depressive beim Lösen von Anagrammen besser
abschnitt, wenn ihm bei unlösbaren Aufgaben nahegelegt wurde, seinen Mißerfolg der
Schwierigkeit der Aufgabe und nicht seiner eigenen Unfähigkeit zuzuschreiben. Klein
(1975) konnte ebenfalls zeigen, daß Depressive ohne Vorbehandlung Lärm ebenso wenig
entfliehen konnten wie nicht depressive Versuchspersonen, die zuvor unvermeidbaren
Lärm erfahren hatten.
087
Wallace (1956 b).
088
Die Bedeutung der Zeit in der Depression wird bei Kraines (1957), Lundquist (1945)
und Paskind (1929, 1930) diskutiert.
089
Vgl. z.B. Szasz (1963). Obwohl ich mit Szasz hinsichtlich der Problematik zwangsweiser
Einweisung generell übereinstimme, bin ich in bezug auf Selbstmord anderer Ansicht als
er.
090
Abraham (1911, 1916), Freud (1917), Jacobson (1971), Klein (1968) und Rado (1928)
formulieren die psychoanalytische Theorie der Depression in repräsentativer Weise.
091
Beck und Hurvich (1972) und Beck und Ward (1961).
092
Suomi und Harlow (1972). Vgl. auch den Überblick über die Beziehungen zwischen
Depressionen beim Menschen und Ergebnissen aus Untersuchungen zur frühkindlichen
Trennung von der Mutter bei Affen bei Akiskal und McKinney (1973).
093
Schildkraut (1965). Akiskal und McKinney (1973) geben ebenfalls einen Überblick
über neuere Befunde zu biogenen Aminen und versuchen, diese Daten mit Verhaltensdaten zu integrieren. Sie kommen zu dem Schluß, daß das vorliegendes Beweismaterial uns
noch nicht gestattet, irgendein Amin als für Depression verantwortlich zu kennzeichnen.
094
Ergebnisse über die Wirksamkeit dieser Mittel bei Depression berichten Cole (1964),
Davis (1965) und Klerman und Cole (1965).
095
Redmond, Maas, Kling und DeKirmenjian (1971) und Abramson und Seligman
(1974).
096
Janowsky, El-Yousef, Davis, Hubbard und Sekerke (1972).
097
Weiss (1968, 1971 a, b, c).
098
Vgl. die faktorenanalytische Studie von Grinker et al. (1961) über subjektive Phänomene
in der Depression.
099
Eine gut kontrollierte Untersuchung über Lebensumstände, die der Depression vorausgehen, führten Paykel, Myers, Dienelt, Klerman, Lindenthal und Pepper (1969) durch.
l00
Copyright 1969 der American Medical Association.
101
Ferster (1966, 1973), Kaufman und Rosenblum (1967), Lewinsohn (1974), Liberman
und Raskin (1971) und McKinney und Bunney (1969).
102
Verschlechterung der Reaktion nach dem Erwerb wird durch dieses Verfahren bei
appetitiven Verhaltensweisen (z.B. Rescorla und Skucy, 1969) und unter aversiven
Bedingungen (z.B. Kadden, 1973« hervorgerufen.
103
Carder und Berkowitz (1970), Jensen (1963), Neuringer (1969), Singh (1970) und
Stolz und Lott (1964).
104
Watson (1971).
105
Dorworth (1971).
106
Bibring (1953).
107
Vgl. auch Dorworth (1973) und Ellis (1962).
108
Copyright 1969 der American Medical Association.
109
Taulbee und Wright (1971).
174
110
Fagan (1974) und Lazarus (1968).
111
Beck, Seligman, Binik, Schuyler und Brill (unveröffentlicht).
112
Klein (1975) fand, daß der Erfolg bei Diskriminationsaufgaben die durch unvermeidbaren Lärm induzierten Symptome vollständig aufhob, ebenso wie Symptome natürlich
auftretender Depression. Nicht depressive Studenten, die zuerst unvermeidbarem Lärm
ausgesetzt worden waren, und depressive Studenten erhielten als Therapie eine Reihe
lösbarer Diskriminationsaufgaben. Im Gegensatz zu unbehandelten Kontrollgruppen
lernten diese Versuchspersonen später rasch, Lärm zu entfliehen und waren davon überzeugt, daß Erfolg und Mißerfolg mit ihren eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten korreliert
waren. Meines Wissens nach ist dies das erste gut kontrollierte Laboratoriumsexperiment
zur Behandlung von Depression, und es zeigt, daß die gleichen Verfahren, die gelernte
Hilflosigkeit bessern, auch Depression heilen.
113
Hierzu existiert eine ausgedehnte, widersprüchliche und komplexe Literatur. Vgl. Beck,
Sethi und Tuthill (1963) und Birtchnell (1970 a, b, c, d) in bezug auf repräsentative
positive Ergebnisse, aber auch Granville-Grossman (1967) in bezug auf eine negative
Sichtweise.
114
Vgl. Wittgenstein (1953, Abschnitt 66-77).
115
Eine umfassende Formulierung dieser Hypothese findet sich bei Seligman (1968), Seligman und Binik (1974) und Seligman et al. (1971).
116
Im letzten Jahrzehnt ist deutlich geworden, daß Tiere in Experimenten zur klassischen
Konditionierung nicht nur lernen, daß ein Reiz einen US ankündigt (Erregung), sondern
auch lernen, daß ein mit der Abwesenheit des US gepaarter Reiz das Ausbleiben eines US
signalisiert. Pavlov nannte dies differentielle Hemmung (differential inhibition). Vgl. dazu z.B. Boakes und Halliday (1972), Bolles (1970), Denny (1971), Maier et al. (1969)
und Rescorla (1967). Reize, die mit dem Ausbleiben von elektrischen Schlägen gepaart
sind (d.h. Sicherheitssignale), können Vermeidungsverhalten hemmen (vgl. Rescorla und
LoLordo (1965)) und können als positive Verstärker dienen (vgl. Weisman und Litner,
1969).
117
Azrin (1956), Brimer und Kamin (1963), Byrum und Jackson (1971), Davis und
McIntire (1969), Imada und Soga (1971), Seligman (1968), Seligman und Meyer
(1970), Shimoff, Schoenfeld und Snapper (1969) und Weiss und Strongman (1969).
118
Averill und Rosenn (1972), Geer (1968), Glass und Singer (1972), Glass, Snyder und
Singer (1974) und Price und Geer (1972). Andere abhängige Variablen, die Angst unter
unvorhersagbaren traumatischen Bedingungen widerspiegeln, nennen Badia und
Culbertson (1970) und Park und Livingston (1973).
119
Brady (1958), Brady et al. (1958), Porter, Brady, Conrad, Mason, Galambos und
Rioch (1958).
120
Sines et al. (1963).
121
Weiss (1968, 1970, 1971 a, b, c).
122
Caul, Buchanan und Hays (1972), Mezinskis; Gliner und Shemberg (1971), Price
(1970), Seligman (1968), Seligman und Meyer (1970), Weiss (1970).
123
Badia und Culbertson (1970) stellen Beweismaterial vor, das dies deutlich bestätigt:
die Ratten hielten den Hebel bei unvorhersagbaren elektrischen Schlägen durchweg fest,
ließen ihn aber los, wenn Sicherheitssignale auftraten.
124
Zu Ratten: Lockard (1963, 1965). Zu Humanergebnissen: Badia, Suter und Lewis
(1967), Jones, Bentler und Petry (1966), Lanzetta und Driscoll (1966), Pervin (1963).
Vgl. aber auch entgegengesetzte Ergebnisse, wie sie Averill und Rosenn (1972) und
Furedy und Doob (1971, 1972) berichten.
125
Badia und Culbertson fuhren fort, den Unterschied zwischen der SicherheitssignalHypothese und einer anderen Erklärung für eine Bevorzugung angekündigter elektrischer
Schläge, der Vorbereitungsreaktion-Hypothese, zu überprüfen. Dieser Hypothese zufolge
kann ein Individuum, wenn Ereignisse vorhersagbar sind, während des Signales eine
175
instrumentelle Reaktion ausführen, die die Intensität des US verändert (vorgeschlagen
von Perkins, 1955). Eine umfassendere Diskussion von Ergebnissen, die die beiden
Hypothesen trennen, geben Seligman et al. (1971) und Seligman und Binik (1974)). Die
Vorbereitungsreaktion läßt angeblich aversive US weniger schmerzhaft und appetitive US
angenehmer werden. Z.B. kann sich eine Versuchsperson vor einem Schock anspannen,
wodurch dieser weniger schmerzhaft erlebt wird, und vor angekündigter Nahrung
Speichel sezernieren, wodurch die Nahrung besser schmeckt. Die hauptsächlichen
Vorzüge der Vorbereitungsreaktion-Hypothese sind:
1. manchmal wird berichtet, daß der US selbst weniger intensiv erlebt wird, wenn er
angekündigt erfolgt (Hare und Petrusic, 1967), und daß die PGR auf den Schock selbst
niedriger ist (Kimmel (1965), Lykken (1962), Kimmel und Pennypacker (1962) und
Morrow (1966); vgl. aber auch eine unterschiedliche Erklärung bei Seligman et al.
(1971));
2. angekündigte positive Ereignisse werden unangekündigten vorgezogen: z.B. Cantor
und LoLordo (1970) und Prokasy (1956); dagegen stellen jedoch Hershisher und
Trapold (1971) und Seligman et al. eine andere Sichtweise. Die SicherheitssignalHypothese trägt keinem dieser beiden Datensätze direkt Rechnung. Es sei darauf hingewiesen, daß es keine logische Unvereinbarkeit zwischen der Sicherheitssignal- und der
Vorbereitungsreaktion-Hypothese gibt; beide können sich als richtig erweisen: ein Tier
könnte unter Bedingungen unvorhersagbarer elektrischer Schläge sowohl chronische
Furcht erleben als sich auch während eines Signals auf den Schock vorbereiten. Beide
Hypothesen sagen direkt eine Präferenz für vorhersagbare aversive Ereignisse voraus.
Anders als die Sicherheitssignal-Hypothese verlangt die VorbereitungsreaktionHypothese jedoch eine grundsätzliche zusätzliche Annahme, die vermehrter Furcht bei
unvorhersagbaren elektrischen Schlägen Rechnung trägt. Etwas mehr generelle Furcht
mag auftreten, wenn der Schock unvorhersagbar ist, weil der Schock intensiver erlebt
wird; es ist jedoch wenig wahrscheinlich, daß eine Vorbereitungsreaktion einen vorhersagbaren elektrischen Schlag sehr viel weniger aversiv macht als einen unvorhersagbaren:
Ratten bevorzugen vorhersagbaren Schock jedoch gegenüber unvorhersagbarem, selbst
wenn jener viermal so lang anhält und dreimal intensiver ist (Badia, Culbertson und
Harsh, 1973). Es müßte schon eine außergewöhnlich wirksame – und bisher noch nicht
beobachtete (Perkins, Seymann, Levis und Spencer, 1966) – Vorbereitungsreaktion
sein, die eine derart mächtige Wirkung hätte. Darüber hinaus trägt die Vorbereitungsreaktion-Hypothese nicht dem Zeitfaktor bei Angst, wie er mit Hilfe von CER und PGR erfaßt werden kann, Rechnung.
Badia und Culbertson konnten diese beiden Hypothesen voneinander trennen, indem sie
drei Löschungsverfahren anwendeten. Im ersten Verfahren veränderte Hebeldrücken
nicht mehr die Reizanordnung, so daß die Ratte unabhängig von ihren Reaktionen unter
der Bedingung unangekündigter elektrischer Schläge blieb. Alle Ratten hörten auf, den
Hebel zu betätigen. Im zweiten, dem interessantesten Verfahren führte Hebeldruck zu
dem Reiz (Licht aus), der zuvor mit angekündigtem Schock gepaart worden war, es
erfolgte aber dennoch ein unangekündigter Schock. Die Ratten hatten also ein Sicherheitssignal, konnten sich aber nicht auf den Schock vorbereiten, da das Signal, ein Ton,
nicht gegeben wurde. Dieses Verfahren spielt die Bedeutung des Sicherheitssignales
gegen die Bedeutung der Vorbereitungsreaktion aus. Alle Ratten zeigten immer noch eine
starke Präferenz für das frühere Sicherheitssignal, selbst ohne das Tonsignal. Diese Präferenz kann nicht einer Vorbereitungsreaktion zugeschrieben werden, da derartige Vorbereitungsreaktionen bei einem Ausbleiben des Tonsignales ja ausgeschlossen waren. Im
dritten Löschungsverfahren führte Hebeldrücken einen durch Ton angekündigten elektrischen Schlag herbei, führte jedoch nicht zum Ausschalten des Lichts. Bei diesem Verfahren fehlte also das Sicherheitssignal (Licht aus), doch gingen den Schocks Gefahrensignale (Ton) voraus. Wieder wurden Vorbereitungsreaktionen gegen Sicherheitssignale
ausgespielt, da sich nun die Ratte auf den elektrischen Schlag vorbereiten konnte, als sie
den Hebel betätigte, aber sie verfügte über kein Sicherheitssignal. Unter dieser Bedingung
drückten die Ratten nicht auf den Hebel. Also ist das Herbeiführen eines Sicherheitssignales notwendige (Verfahren 3) und hinreichende (Verfahren 2) Bedingung für die
Präferenz für signalisierten Schock, während die Möglichkeit zu Vorbereitungsreaktionen
weder notwendig (Verfahren 2) noch hinreichend (Verfahren 3) ist.
176
126
Badia, McBane, Suter und Lewis (1966)), Badia et al. (1967), Cook und Barnes
(1964), D’Amato und Gumenik (1960).
127
Mein Dank gilt Yitzchak M. Binik für seine Hilfe bei diesem und den folgenden Abschnitten dieses Kapitels.
128
Vgl. auch Staub, Tursky und Schwartz (1971).
129
Lazarus (1966) diskutiert die Bedeutung dcr Wahrnehmung von Kontrolle in bedrohlichen Situationen. Lazarus überprüft Untersuchungen, die nahelegen, daß ein Individuum,
wenn es bedroht wird, die Bedrohung in zweierlei Hinsicht abschätzt. Seine erste Beurteilung lautet: »wie gefährlich ist die Bedrohung?«, seine zweite Beurteilung: »was kann
ich gegen sie tun?«
130
Vgl. auch Bowers (1968), Corah und Boffa (1970) und Houston (1972) zu ähnlich hilfreichen Auswirkungen vermeintlicher Kontrolle.
131
Geer, Davison und Gatchel (1970).
132
Vgl. auch Champion (1950).
133
Einzelheiten dieser Therapie bei Wolpe und Lazarus (1969).
134
Davison (1966), Goldfried (1971), Jacobs und Wolpin (1971) und Wilkins (1971)
nennen Einzelheiten derartiger Kritiken.
135
Masters und Johnson (1966).
136
Watson (1924, S. 104).
137
Seligman und Hager(1972).
138
Vgl. Lipsitt, Kaye und Bosack (1966) und Sameroff (1968, 1971).
139
Siqueland (1968) und Siqueland und Lipsitt (1968).
140
Watson (1967) argumentiert, daß eine wirkungsvolle Kontingenzenanalyse nicht vor dem
dritten Lebensmonat einsetzt.
141
Watson (1971). Vgl. auch Hunt und Uzgiris (1964), Rovee und Rovee (1969) und
Vietze, Watson und Dorman (1973). Piaget nennt ein Konstrukt, das dem der Kontingenzenanalyse im Entwicklungsreigen vergleichbar ist. Auf seiner primitivsten Stufe wird
es Effizienz (efficacy) genannt, eine dunkle Ahnung des Kindes, daß seine Handlungen
seine Außenwelt verändern. Wenn das Kind wächst, reift das Effizienzgefühl zu psychologischer Kausalität oder dem Bewußtsein, seine eigenen Handlungen zu verursachen
(Flavell, 1963, S. 142-147).
142
Hein und Held (1967), Held (1965), Held und Bauer (1967), Held und Bossom (1961)
Held und Hein (1963).
143
Vgl. auch Bowlby (1969, 1973) und Goldfarb (1945). Diese Beobachtungen wurden aus
methodischen Gründen überzeugend kritisiert (Pinneau (1955) und Casler (1961)), aber
keine der Kritiken behält die Behauptung bei, daß eine Aufzucht von Kindern in Heimen
gut für die Kinder sei.
144
Ähnliche Beschreibungen von jungen Primaten, die von ihren Müttern getrennt wurden,
liefern Hinde et al. (1966), Kaufman (1973) und Kaufman und Rosenblum (1967 a, b).
145
Harlow und Zimmerman (1959).
146
Redmond, Maas, DeKirmenjian und Schlemmer (1973).
147
Rapaport und Seligman (1974).
148
Thompson (1957). Ähnliche Ergebnisse bei Denenberg und Rosenberg (1967),
Denenberg und Whimbey (1963), Gauron (1966), Joffe (1965), Ressler und Anderson
(1973 a, b) und Thompson, Watson und Charlesworth (1962).
149
Raymond Miles von der Universität von Colorado und Hardy Wileoxon vom George
Peabody College haben derartige Umgebungen für junge Ratten und Affen entworfen.
150
Kozol (1967).
177
151
Harlow (1949) führte die erste von vielen Untersuchungen zur Lerneinstellung durch.
152
Levine (1966) entwickelte diese »bleib bei Gewinn«, »wechsle bei Verlust« Theorie
weiter.
153
Rozin, Poritsky und Sotsky (1971).
154
Higgins (1968) beschreibt ebenfalls die schädlichen Auswirkungen inkonsistenter
Erziehung.
155
Banfield (1958, S. 109).
156
Die Literatur zu Überbevölkerung ist widersprüchlich. Calhouns ersten Ergebnissen
(1962) über den sozialen Zusammenbruch von Ratten, die in überfüllten Käfigen aufwachsen, folgten statistische Ansätze, um die Beziehung zwischen Überbevölkerung und
sozialem Zusammenbruch bei Menschen zu bestimmen. Wenn man Armut, Rasse,
mangelhafte Ausbildung kontrolliert, scheint die Bevölkerungsdichte nicht mit pathologischem Sozialverhalten zu korrelieren (Freedman, Klevansky und Erlich, 1971).
Spezifischere Faktoren als die Einwohnerzahl pro Quadratkilometer – z.B. die Anzahl
von Menschen, die sich einen Raum teilen – mögen jedoch bessere Indikatoren für das
Ausmaß an Unkontrollierbarkeit abgeben (Galle, Gove und McPherson, 1972).
157
Goeckner, Greenough und Mead (1973).
158
Miller und Seligman (1974 b).
159
Jensen (1973).
160
Z.B. Brinton (1965).
161
Die therapeutische Wirkung sozialer Handlungen bei Armen beschreibt Ryan (1967).
162
Richter (1957).
163
Thomas und Balter (1974) und Janowsky et al. (1972).
164
Galef und Seligman (unveröffentlichte Ergebnisse, 1967).
165
Solche Todesfälle sind experimentell bei so »niederen« Arten wie Küchenschaben nachgewiesen worden. Küchenschaben leben in klaren hierarchischen Ordnungen. Wenn sich
eine untergeordnete Küchenschabe einer übergeordneten nähert, senkt sie ihre Fühler zu
Boden. Eine solche Begrüßungsgebärde stoppt im allgemeinen den Angriff der übergeordneten Küchenschabe. Nach wiederholten Attacken von dominanten Küchenschaben
sterben untergeordnete Küchenschaben (Ewing, 1967). Charakteristisch für diesen Tod
ist, daß sich kein Zeichen äußerer Gewaltanwendung finden läßt, und daß die organische
Todesursache unbekannt bleibt. Aber solchermaßen wiederholte Verteidigungen führen
möglicherweise zu Hilflosigkeit mit der Konsequenz des Todes.
166
Vgl. als Überblick Ratner (1967).
167
Maser und Gallup (1974).
168
Die Anweisungen für die Behandlung ölverklebter Vögel finden sich bei den
Rettungsanweisungen des American Petroleum Institute.
169
Romanes (1886) berichtet anekdotisch über den plötzlichen Tod von Elefanten und
anderen Tierarten, wenn deren Partner getötet werden – Tod an gebrochenem Herzen.
170
Vgl. Mathis (1964).
171
Washington Post, 9. Dezember 1973.
172
Persönliche Mitteilung.
173
Scarf (1973). Alle Rechte auch Rechte des Nachdrucks 1973 der New York Times Company. Goodall berichtete, daß dieser plötzliche Tod von Schimpansen, die jünger als fünf
Jahre waren, in Reaktion auf den Tod der Mutter inzwischen fünfmal beobachtet wurde
(Psychosomatic Society meeting, Philadelphia, April 1974).
174
Diesen Fall berichtet Mathis (1964).
175
Cannon (1942). Vgl. auch Wintrob (1973).
178
176
Cannon (1942), zitiert bei Richter (1957).
Wiederabgedruckt mit Genehmigung der American Anthropology Association.
177
Burrell (1963).
178
Engel (1971).
179
Von Saul (1966), zitiert von Engel.
180
Von Bauer (1957), zitiert von Engel.
181
Schmale und Iker (1966).
182
Parkes, Benjamin und Fitzgerald (1969). Vgl. auch bei Rahe und Lind (1971) eine
Untersuchung zum Ausmaß der Lebensveränderungen, die Herzattacken vorausgehen.
183
Greene, Goldstein und Moss (1972)
184
Rosenman, Friedman, Straus, Wurm, Kositchek, Hahn und Werthessen (1964) und
Rosenman, Friedman, Straus. Wurm, Jenkins und Messinger (1966). Krantz et al.
(1974).
185
Imboden, Cantor und Cluff (1961).
186
Informationen über Lebensveränderungen und die Anfälligkeit für eine Reihe organischer
Krankheiten gibt Rahe (1969).
187
Vgl. auch Davies, Quinlan, McKegney und Kimbel (1973), Kubler-Ross (1969)
und Stavraky, Buck, Lott und Wanklin (1968) zur Erhebung der Bedeutung
psychologischer Faktoren beim Tod durch Krebs.
188
Tod durch Hilflosigkeit bei amerikanischen Gefangenen im Korea-Krieg wird auch von
Strassman, Thaler und Schein (1956) beschrieben. Vgl. auch die schlagende Beschreibung der Hilflosigkeit induzierenden Auswirkungen von Gefangenschaft auf Studenten
bei Zimbardo, Haney, Banks und Jaffe (1974).
189
Bettelheim (1960).
190
Eine Diskussion des Lebenswillens und des Überlebens bei alten Menschen geben
Kastenbaum und Schaberg (1971). Vgl. auch Weisman und Kastenbaum (1968).
191
Aleksandrowicz (1961). Wiederabgedruckt mit Genehmigung des Bulletin of the
Menninger Clinic. Band 25, S. 23-32. Copyright 1961 der Menninger Foundation.
192
Vergleichbare Ergebnisse und deren Diskussion bei Bowlby (1969, 1973), Kaufman und
Rosenblum (1967 a, b) und Suomi und Harlow (1972).
193
Spekulationen zu physiologischen Variablen siehe Cannon (1942), Engel (1971),
Richter (1957) und Wolf (1967).
179
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198
10.3 Fremdwörter
adaptiv
sich anpassend
Agens
1. tätige Kraft, wirkendes Prinzip
2. [Med.] wirkendes Mittel
3. [Gramm.] Träger des Geschehens im Satz; Ggs. Patiens
Anagramm
Wortumbildung durch Buchstaben- oder Silbenversetzung; für Wortspiele, Pseudonyme
Antagonismus
1. Widerstreit, (unversöhnlicher) Gegensatz
2. [Med.] entgegengesetzte Wirkung (z.B. von Hormonen oder Muskeln)
anaklitisch
zergliedernd; Ggs. synthetisch
Antezedenz
1. Voraussetzung, Ursache, Grund, Prämisse;
2. Talbildung an einem Fluß bei gleichzeitiger Erhebung eines Gebirges
Antidepressiva
Medikamente zur Behandlung von Depressionen
Antisepsis
Anwendung von keimtötenden chemischen Mitteln zur Vernichtung von Krankheitserregern bei
der Wundbehandlung und zur Operationsvorbereitung
applizieren
1. verabreichen;
2. aufnähen, auftragen
Ätiologie
Lehre von den Ursachen (vor allem der Krankheiten)
attribuieren
1. als Attribut verwenden;
2. mit einem Attribut versehen
Attribut
1. Merkmal, Eigenschaft;
2. bestimmter Gegenstand als Kennzeichen einer Person, z.B. der Schlüssel für den hl. Petrus;
3. Gramm.: nähere Bestimmung eines Substantivs, Adjektivs oder Adverbs, Beifügung
Aversion
Abneigung, Widerwille
aversiv
Aversion hervorrufend
behavioral
auf das Verhalten bezogen
bipolar
zweipolig, mit zwei Polen versehen
Cholin
Spaltprodukt der Lecithine; weit verbreiteter Naturstoff, der besonders in der Gehirnsubstanz
und in Eigelb enthalten ist; wirkt gefäßerweiternd, blutdrucksenkend, regelt die Darmbewegung
und vermindert die Fettablagerung besonders in der Leber
cholinerg
durch den Wirkstoff Cholin angeregt, auf ihn ansprechend
199
Determinante
1. spezieller Ausdruck der Algebra zur Lösung von Gleichungen;
2. umstrittener (ungeklärter) physiologischer Entwicklungsfaktor
Dichotomie
Zweiteilung; (griechisch dĭchŏtŏmos entzweigeschnitten aus dicha zweigeteilt, getrennt
und tome Schnitt) bedeutet die Aufteilung in zwei Strukturen oder Begriffe.
differentiell
einen Unterschied darlegend
Diskrimination
1. unterschiedl. Behandlung;
2. Herabsetzung
zur sozialen Diskriminierung siehe Wikipedia
Ejaculatio präcox
vorzeitiger Samenerguß
Evidenz
Augenschein, einleuchtende Klarheit, Offenkundigkeit;
etwas in E. halten [österr.], etwas im Auge behalten, vormerken
Existentialismus
französische philosophische Strömung der Existenzphilosophie. Im engeren Sinne werden
hierunter neben der Existenzphilosophie Jean Paul Sartres auch Strömungen aus der Literatur
(Kafka, Rilke, Benn), der Theologie (Bultmann) und der Pädagogik (Bollnow) verstanden.
Des Weiteren ist der Begriff des Existentialismus im Gebrauch als Bezeichnung für eine
allgemeine Geisteshaltung, die den Menschen als Existenz im Sinne der Existenzphilosophie
auffaßt (»Der Mensch ist seine Existenz.«). Siehe Wikipedia
Extinktion
1. veraltet: Tilgung, Auslöschung;
2. Abschwächung einer Strahlung beim Durchgang durch einen trüben Stoff,
z.B. des Sonnen- und Sternenlichtes durch die Erdatmosphäre
siehe auch Wikipedia
Flexorreflex
Reflex des Beugemuskels
Genese
Entstehung, Entwicklung
Hospitalismus
1. Sammelbez. für körperliche, geistige und seelische Schäden durch längeren
Krankenhaus- oder (bei Kindern) Heimaufenthalt;
2. zusätzl. Erkrankung eines Patienten im Krankenhaus durch Infektion
siehe auch Medizinlexikon und Wikipedia
induzieren
1. vom Einzelnen auf das Allgemeine schließen;
2. durch Induktion erzeugen (Strom)
inhibieren
veraltet für: verbieten, verhindern
Inhibition
Verbot
Inkontingenz
Gegensatz zu Kontingenz
Instruktion
Anweisung, Vorschrift, Verhaltensmaßregel; Lehrmethode zur Initiierung und Steuerung von
Lernaktivitäten für Lehrinhalte und -ziele. – Verb: instruieren
200
interferieren
sich überlagern, aufeinander einwirken
intermittieren
(für einen begrenzten Zeitraum) aussetzen, unterbrechen, zurücktreten
(von Krankheitssymptomen)
intrakraniell (auch: intrakranial)
[Med.] innerhalb des Schädels (liegend)
jeunesse dorée
französisch = »goldene Jugend« – die politisch reaktionären jungen Männer des französischen
Bürgertums, die seit 1795 als Gegner der Jakobiner auftraten; später allgemein die reiche,
genußsüchtige Großstadtjugend.
konfundieren
verwirren, verwechseln
Kontiguität
Berührung, zeitliches Zusammentreffen von Erlebnissen
Kontingenz
Zufälligkeit, Nichtnotwendigkeit, das Auch-anders-sein-Können. Die Kontingenz gilt in der
älteren Ontologie besonders vom Sein der Welt: Dieses ist nicht notwendig, setzt vielmehr ein
notwendiges Wesen voraus, das die Welt geschaffen hat (kosmologischer Gottesbeweis).
In der neueren Philosophie ist Kontingenz meist Systemkontingenz: In der Stufenordnung der
Welt ist jede höhere Stufe aus der niederen unableitbar, enthält ein Moment des Neuen (z.B. die
Lebenswelt gegenüber der Welt des Anorganischen). In der englischen Philosophie wird das
diese Stufenordnung verursachende Prinzip als Emergenz bezeichnet.
kontrahieren
1. zusammenziehen; 2. zum Duell fordern; 3. vereinbaren
Korrelation
Wechselbeziehung
Kortex
Rinde; die äußere Schicht eines Organs, besonders die Großhirnrinde der Wirbeltiere
Lecithine
zu den Phopholipiden zählende Gruppe fettähnlicher Verbindungen; sie bestehen aus Fettsäuren, Glycerin, Phosphorsäure und Cholin. Lecithine finden sich in allen pflanzlichen und tierischen Zellen; sie sind von Bedeutung für die Protoplasmastruktur und für die Permeabilität der
Zellwände; sie stehen in Beziehung zum Stoffwechsel der Kohlenhydrate, Fette und Proteine,
sind am Stoffwechsel des Nervensystems beteiligt und wirken als Medikament und Kräftigungsmittel leistungssteigernd
motivational
motivierend, anregend
Muskelrelaxan
Mittel zur Entspannung der Muskeln
Mutismus
seelisch bedingte Stummheit
Noradrenalin
als Neurotransmitter u. Hormon wirksames Catecholamin. Wird aus Dopamin in den noradrenergen Neuronen u. chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks gebildet. Als neuraler Transmitter sowie als Nebennierenmarkhormon durch cholinerge, postganglionäre sympathische
Nervenimpulse freigesetzt. Wirkung: stimuliert überwiegend Alpha-1-Rezeptoren u. Beta-1Rezeptoren am Herzen u. besitzt nur eine schwache Beta-2-Wirkung auf die glatte Muskulatur.
N. ist für die physiol. Aufrechterhaltung des Gefäßtonus verantwortlich. Es erhöht durch Vasokonstriktion den Tonus aller Gefäße, mit Ausnahme der Koronargefäße. Durch Erhöhung des
201
peripheren Widerstands steigen systol. u. diastol. Blutdruck; die Nierendurchblutung sinkt; trotz
Beta-1-Stimulation bewirkt es reflektorisch Bradykardie. Siehe auch Eintrag bei Wikipedia
operant
[Psych.] auf bestimmte Weise wirkend, eine bestimmte Wirkungsweise in sich habend
Psychopathologie
die Wissenschaft von den seelischen Störungen, Abnormitäten und Funktionsstörungen.
Die Ergebnisse der Psychopathologie, die methodisch von K. Jaspers in seinem Buch
ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE (1913) begründet wurde, sind von prinzipieller Bedeutung
für die psychiatrische Krankheitslehre.
Reafferenz
Rückkopplungsmechanismus im Nervensystem. Bei der Auslösung einer Bewegung durch eine
efferente Nervenbahn wird dieser geplante Bewegungsablauf als Efferenz-Kopie im Gehirn gespeichert. Über die Reafferenz, also afferente Rückkopplung, wird das Ergebnis der Bewegung
mit dieser Efferenz-Kopie abgeglichen und gegebenenfalls eine Korrekturbewegung ausgelöst.
Reafferenzen spielen eine Rolle beim Erlernen von Bewegungsmustern, aber auch beim Erkennen von Bewegungen, da die Reafferenzen ermöglichen, die Augenbewegungen gegen Objektbewegungen gegenzurechnen.
reaktiv
auf etwas zurückwirkend
Remission
1. Rückgabe, Rücksendung;
2. vorübergehendes Nachlassen (von Krankheitserscheinungen);
3. Zurückwerfen (von Licht an undurchsichtigen Flächen);
4.veraltet für Milderung, Strafnachlaß
responder
antworten, erwidern
Restriktion
1. Beschränkung, Einschränkung; 2. Vorbehalt
Retardation
Verzögerung (bes. der körperl. oder geistigen Entwicklung)
Septum
Scheidewand (in einem Organ, z.B. im Herzen)
Skinner box
ein äußerst reizarmer Käfig für ein Testtier, in dem es standardisiert und weitgehend automatisiert ein neuartiges Verhalten erlernen kann. Die Bezeichnung geht zurück auf Burrhus Frederic Skinner. Siehe auch Eintrag bei Wikipedia.
Stupor
körperliche und seelische Regungslosigkeit bei wachem Bewußtsein;
tritt auf bei Schizophrenie, endogener Depression, Epilepsie oder Vergiftungen.
Tauchreflex
Schutzmechanismus, der bei allen lungenatmenden Lebewesen beim Eintauchen (Immersion) in
Wasser beobachtet werden kann. Rezeptoren auf der Haut geben dem Gehirn die Information,
daß sich die Atemwege unter der Wasseroberfläche befinden. Das bewirkt zum einen ein
Verschließen der Stimmbänder. Ein Einatmen von Wasser und damit die Beschädigung der
Lunge wird somit verhindert. Zum anderem verlangsamt sich der Herzschlag und zentralisiert
sich der Blutkreislauf. Damit wird der Sauerstoffverbrauch auf die überlebenswichtigen Organe
reduziert. Siehe auch Eintrag bei Wikipedia.
Triade
Dreiheit, Dreizahl, drei zusammengehörige, gleichartige Dinge oder Wesen
Tropismus
1. in der Botanik die reizbedingte Orientierung eines Pflanzenorgans zum Reiz hin (positiv)
202
oder von diesem weg (negativ) (Pflanzenbewegung)
2. in der Zoologie die reizbedingte Orientierung eines sessilen Tieres zum Reiz hin (positiv)
oder von diesem weg (negativ)
3. in der Virologie die Spezies- oder Organspezifität eines Erregers und die damit zusammenhängenden Mechanismen einer Infektion – somit die Fähigkeit eines Virus, in ein bestimmtes
Gewebe einzudringen und sich dort zu vermehren – siehe Tropismus (Virologie)
Ulzeration
Entwicklung eines Geschwürs (Ulcus) aus einem nicht heilenden Haut- oder
Schleimhautepitheldefekt; i.w.S. auch das Ulkus selbst
unipolar
einpolig
vagal
den Nervus vagus betreffend
validieren
1. die Wichtigkeit, den Wert von etwas feststellen
2. für gültig erklären, rechtskräftig machen
voluntary response
voluntary [engl] = freiwillig; response:
1. [Verhaltensforschung] Anwort, Reaktion im Verhalten (auf äußere Veränderungen hin)
2. [Markt-, Meinungsforschung] Rücksendung von Testfragen mit den Antworten
ZNS
Zentralnervensystem
203