Russland-Analysen Nr. 268 - Länder

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Russland-Analysen Nr. 268 - Länder
NR. 268
06.12.2013
russlandanalysen
http://www.laender-analysen.de/russland/
SOTSCHI 2014
■■ ANALYSE
Olimpstroj: Wie Olympia in Sotschi auf der grünen Wiese gebaut wird
Robert W. Orttung, Washington, DC
2
■■ ANALYSE
Sotschi und sein kaukasisches Umfeld
Uwe Halbach, Berlin
5
■■ CHRONIK
Sotschi, Olympia und der Nordkaukasus. Chronik Januar–November 2013
8
■■ KARTE
Nordkaukasus – Administrative Übersicht
12
■■ DOKUMENTATION
Die Ausgaben für die Olympiade in Sotschi im Vergleich
Kosten zentraler Olympiastadien
13
14
■■ UMFRAGE
Die Olympiade in Sotschi in russischen Umfragen
15
■■ AUS RUSSISCHEN BLOGS
Verdammte Winterspiele
21
■■ NOTIZEN AUS MOSKAU
Sotschi im Schnelldurchgang: Prestige, Selbstvergewisserung, Korruption, Viktor Jerofejew und der
Weißmeerkanal
Jens Siegert, Moskau
22
■■ CHRONIK
Vom 22. November bis zum 5. Dezember 2013
Freie Universität Berlin
Osteuropa-Institut
► Deutsche Gesellschaft
für Osteuropakunde e.V.
Die Russland-Analysen
werden unterstützt von
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Forschungsstelle Osteuropa
an der Universität Bremen
RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
ANALYSE
Olimpstroj: Wie Olympia in Sotschi auf der grünen Wiese gebaut wird
Robert W. Orttung, Washington, DC
Zusammenfassung
Die olympischen Spiele von Sotschi werden Russland über 50 Milliarden US-Dollar kosten. Das Staatsunternehmen »Olimpstroj«, das im Zentrum der Vorbereitungen steht, ist ein gutes Fallbeispiel, wie wohlvernetzte Insider der Eliten von dem derzeitigen politischen und wirtschaftlichen System des Landes profitieren.
Die teuersten Olympischen Spiele aller
Zeiten
Die olympischen Spiele von Sotschi werden Russland
über 50 Milliarden US-Dollar kosten und den zweifelhaften Ruhm der teuersten Spiele aller Zeiten erringen.
Warum sind sie so teuer? Wer zahlt die Zeche? Wer profitiert von den Ausgaben?
Die Spiele in Sotschi sind so teuer, weil die Stadt
vor allem als sommerliches Urlaubsziel bekannt war,
bis Russland 2007 den Zuschlag zur Austragung der
olympischen Winterspiele bekam. Sotschi war ein
Ort, in dem Russen Strandurlaub machten. Skifahren war eine Möglichkeit für den Winter, doch hat
sich in den nahegelegenen Bergen kein internationales Skigebiet entwickelt. Diese Situation machte Sotschi auf perverse Art für die Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) attraktiv, die
der Stadt gegenüber den Mitbewerbern aus Österreich
und Südkorea den Vorzug gaben: Durch die Vergabe
an Sotschi musste Russland ein nagelneues Wintersportgebiet mit dazugehörigen Einrichtungen und
Komfort aufbauen.
2007 erschien Russland als eine gute Wahl als
Austragungsort. Präsident Putin unterstützte das Projekt vehement, und das Land befand sich durch seine
Öl- und Erdgasexporte wegen der Rekordpreise auf
dem Weltmarkt in einem Aufschwung. Das wirtschaftliche Bild hat sich aber nach der Finanzkrise
von 2008 eingetrübt; die Energiepreise sind gesunken, und es zeigte sich Russlands mangelnde Fähigkeit, seine Wirtschaft aus der Abhängigkeit von fossilen Energieexporten zu lösen. Putin hat jedoch Wort
gehalten und die Erwartungen des IOC erfüllt, alle
für die Vorbereitung der Spiele notwendigen Investitionen vorzunehmen.
Es gibt vier Kategorien von Ausgaben für die olympischen Spiele: für die eigentliche Durchführung der 17
Tage dauernden Spiele, für den Bau der Olympia-Anlagen, für die städtische Infrastruktur, die den Ansturm
von Athleten, Zuschauern und Medien zu bewältigen
hat, und schließlich für Sicherheitsmaßnahmen. Der
Löwenanteil der Ausgaben entfällt auf die Infrastrukturprojekte, die aus Sotschi eine Stadt von Weltrang
machen sollen.
Wo das Geld herkommt
Die meisten Gelder für Olympia stammen aus dem russischen Staatshaushalt. Im Westen treten üblicherweise
lokale Entwicklungsgesellschaften als Organisatoren
von Mega-Ereignissen wie Olympischen Spielen auf.
Sie zielen auf einen Imagegewinn der jeweiligen Stadt,
auf erhöhte Attraktivität und Komfort, eine Zunahme
des Tourismus und damit ein Ankurbeln des Verkehrswertes der Immobilien. Während die Zentralregierung
einen Teil der Ausgaben für Infrastruktur und Sicherheitsmaßnahmen übernimmt, wird der Olympiahaushalt typischerweise aus lokalen Quellen bestritten.
In Russland ist die Zentralregierung die treibende
Kraft hinter den Spielen. Es sind Politiker und Unternehmen aus der Hauptstadt, und nicht lokale Akteure,
die alle Schlüsselentscheidungen treffen. Dementsprechend stellt der Zentralhaushalt den überwiegenden Teil
der Mittel zur Vorbereitung der Spiele zur Verfügung.
Diese Gelder fließen in eine umfassende neue Infrastruktur in den Bereichen Bahn, Straße, Telekommunikation, Energieversorgung, Hotels und Sportanlagen.
Der Haushalt war 2007 ursprünglich auf lediglich
12 Milliarden US-Dollar geschätzt worden. Anfang
2013 wurden die notwendigen Ausgaben auf über 50
Milliarden berechnet. Allein der Staatshaushalt ist als
»Quelle der letzten Zuflucht« in der Lage, derart große
Summen aufzubringen.
Zu den übrigen Geldgebern gehören staatseigene
und vom Staat kontrollierte Unternehmen wie Gazprom und die Russische Eisenbahn, die beide Monopolisten ihrer Branche sind. Auf Anweisung des Kreml
übernehmen sie einen Teil der Kosten.
Putin hat auch wichtige Oligarchen wie Oleg Deripaska und Wladimir Potanin aufgefordert, das Ihre beizutragen. Hier stellt allerdings die Wneschekonombank
Kredite zur Verfügung, die bis zu 90 Prozent der Investitionen abdecken. Die Oligarchen haben jedoch beklagt,
dass die Olympischen Spiele sie zu Investitionen in Projekte nötigten, die sich in der Zukunft als kaum gewinnbringend herausstellen könnten. Während die gebauten
Hotels auf die Winterspiele selbst zugeschnitten sind, ist
unklar, ob der Tourismus auch zukünftig die geschaffenen Bettenzahlen nachfragen wird. Tatsächlich gibt
es bereits Anzeichen für Schwierigkeiten und bevorste-
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hende Ausfälle bei der Begleichung von Schulden. Olympiainvestoren wie Gazprom, »Inter RAO«, »Renowa«,
»Interros«, »Sberbank« und »Basowyj element« hätten
darum gebeten, dass ihre Kredite umstrukturiert werden, berichtete die Zeitung »Wedomosti«. Die Unternehmen behaupteten, dass sie allesamt mit ihren Projekten
Geld verlören und nicht in der Lage seien, die Kredite
unter den jetzigen Bedingungen zurückzuzahlen.
Wo geht das Geld hin?
In den meisten Ländern veranstaltet ein dem IOC verantwortliches Organisationskomitee (OK) die Olympischen Spiele und sorgt dafür, dass die Sportstätten
rechtzeitig vor Beginn der Eröffnungszeremonie fertiggestellt werden. Putin wählte jedoch einen anderen
Ansatz, der besser zu seinem Regierungsstil passt als die
in entwickelten Demokratien üblichen Methoden. Bei
den Spielen in Russland dient das OK als Fassade für
die Organisation, die die ganze Macht ausübt. Anstelle
einer Berichterstattung an das IOC wollte Putin sicherstellen, dass er und seine Kollegen ohne lästige Aufsicht
vorgehen können. Russlands Bauindustrie ist als einer
der korruptesten Wirtschaftsbereiche bekannt und die
russische Führung hatte zweifellos keinerlei Wunsch,
die Arbeitsweisen der Branche für Außenseiter transparent zu machen.
Schlüsselakteur zur rechtzeitigen Fertigstellung der
olympischen Sportstätten und der Infrastruktur ist
»Olimpstroj«, eine Organisation, deren formale Bezeichnung »Staatliche Korporation für den Bau der olympischen Stätten und die Entwicklung der Stadt Sotschi als
Gebirgskurort« lautet. Putin hatte »Olimpstroj« am 30.
September 2007 durch ein föderales Gesetz ins Leben
gerufen, um den Entwurf und den Bau der Sportstätten sowie der Infrastruktur für Verkehr, Energie, Tourismus und Sicherheit zu beaufsichtigen, deren Betrieb zu
organisieren, Ausschreibungen vorzunehmen und den
Bau der Olympiastätten sowie die Durchführung verwandter Maßnahmen zu beaufsichtigen. In den Dokumenten, die Russland als Teil der Bewerbung beim IOC
vorgelegt hatte, war »Olimpstroj« nie erwähnt worden;
erst nach dem Zuschlag an Russland war es in Erscheinung getreten.
Olimpstroj ist eine der nur sieben »staatlichen Korporationen« in Russland. Die anderen sind »Rosatom«,
»Rosstechnologii«, »Rosnano«, »Wneschekonombank«,
die Agentur für die Versicherung von Vermögenseinlagen und der Fonds zur Reform der Wohnungs- und
Kommunalwirtschaft. »Staatliche Korporationen«
unterscheiden sich von privaten Unternehmen und
staatlichen Agenturen. Formal sind sie als nichtkommerzielle Organisationen definiert. Sie sind nicht verpflichtet, detaillierte Jahresberichte vorzulegen, obwohl
sie Zugang zu staatlichen Mitteln haben. Ihr besonderer
Status macht es möglich, Gelder bei minimaler Aufsicht
oder Einmischung zu kontrollieren. Dmitrij Medwedew hat als Präsident die Arbeit der staatlichen Korporationen kritisiert und versucht, ein höheres Niveau an
Rechenschaftspflichten einzuführen. Das hatte jedoch
ein Ende gefunden, als Putin erklärte, dass staatliche
Korporationen »weder gut, noch schlecht« seien, sondern »notwendig«.
Eine Studie von Alexander Sokolow zu den Ausgaben von Olimpstroj hat gezeigt, dass die Aufwendungen für den Bau eines Stadiums, einer Straße oder einer
Brücke in Russland sehr viel kostspieliger sind als vergleichbare Projekte in anderen Ländern. Seine Untersuchung von sieben zentralen Olympiastätten brachte
hervor, dass die russischen Projekte 57,4 % mehr kosten als andere Projekte und legte nahe, dass die Differenzsumme von den Insidern abgezweigt wurden, die
die wichtigsten Baufirmen kontrollieren.
Während die genaue Verteilung dieser Renten unklar
ist, sind wenigstens einige Tatsachen bekannt. Firmen
wie »Mostotrest« und »Strojgasmontash« von Arkadij
Rotenberg, einem Freund von Putin aus Kindhaetstagen, haben Verträge über 7 Milliarden zu Olympiaprojekten erhalten, wie ein Bloomberg-Bericht mitteilt,
der sich auf Firmen- und Regierungsberichte beruft.
Zu diesen Projekten gehörten der Bau von Straßen und
des Medienzentrums. So überrascht es kaum, dass die
meisten Russen der Ansicht sind, die staatlichen Gelder würden ineffizient ausgegeben, wie eine Umfrage
des Lewada-Zentrums vom Juni 2013 zeigt.
Rotenbergs Erfolg mit diesen Verträgen legt nahe,
dass verschiedene Kategorien von Unternehmern unterschiedliche Beziehungen zu den Olympischen Spielen
haben. Putins enge Freunde scheinen von der Großzügigkeit des Staates zu profitieren, während von Oligarchen aus den 1990er Jahren wie Peripaska und Potanin
erwartet wird, etwas zur Olympiakasse beizusteuern.
Wer steuert Olimpstroj?
Die Regierung Russlands ernennt den Präsidenten von
Olimpstroj und es hat nur wenig Stabilität bei der diesem Posten gegeben. Seit ihrer Schaffung hat die Korporation vier Präsidenten erlebt: Semjon Wajnschtok
(2008), Viktor Kolodjaschnyj (2008/9), Tajmuras Bollojew (2009/11) und Sergej Gaplikow (seit 2011). Die
schnelle Rotation an der Führungsspitze verweist auf
schlechtes Management, den engen Zeithorizont der
jeweils verantwortlichen Gruppen, und auf den Nährboden für Korruption. Im Gegensatz hierzu sind bei Organisationen, die offenbar über weniger absolute Macht
verfügen, die Posten stabiler gewesen, nämlich die von
Alexander Schukow, dem Präsidenten des Russischen
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Olympischen Komitees, und von Dmitrij Tschernyschenko, dem Leier des Organisationskomitees.
Vor seinem Amtsantritt als Präsident von Olimpstroj war Wajnschtok von 1999 bis 2007 Präsident des
russischen Pipeline-Monopolisten »Transneft« gewesen.
Nach Wajnschtoks Rückzug als Chef von »Transneft«
hatte der Blogger Alexej Nawalnyj auf seinem Kreuzzug gegen Korruption dem Monopolisten vorgeworfen,
im Rahmen eines sibirischen Pipelinebauprojektes vier
Milliarden US-Dollar staatlicher Gelder unterschlagen
zu haben. Nach seiner Absetzung bei Olimpstroj ging
Wajnschtok erst nach London und dann nach Israel,
wo er den Direktoriumsvorsitz bei Financial Levers
übernahm.
Viktor Kolodjaschnyj, der nächste Präsident von
Olimpstroj, war zuvor Bürgermeister von Sotschi und
bekannt für seine Zementfabrik, die die Stadt mit
Zement und Kolodjaschnyj angeblich mit Gewinnen
zu Lasten der öffentlichen Kassen versorgte. Sein Problem bei Olimpstroj bestand darin, dass er gegenüber
dem Gouverneur der Region Krasnodar Alexander Tkatschow wenig Macht hatte und deshalb von der Regionalregierung attackiert wurde – die wollte einen größeren Einfluss auf Olimpstroj, als ihr die Zentralregierung
eingeräumt hatte.
Tajmuras Bollojew, ehemaliger Chef der Petersburger
Brauerei »Baltika« und dritter Präsident von Olimpstroj,
hatte während seiner Amtszeit offensichtlich Meinungsverschiedenheiten mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Dmitrij Kosak.
Der vierte und derzeitige Chef von Olimpstroj, Sergej Gaplikow, war zuvor Ministerpräsident der Republik
Tschuwaschien und stellvertretender Chef des Apparates der russischen Regierung.
Die Leitung von Olimpstroj wäre für jeden Manager eine ziemliche Herausforderung. Einerseits wird die
Eröffnungsfeier am 7. Februar stattfinden, weswegen
alle Anlagen zu diesem Zeitpunkt voll funktionstüchtig sein und angesichts des internationalen Medieninteresses hohen Qualitätsanforderungen genügen müssen. Selbst mit einem unbegrenzten Budget wird man
nicht umhin können, rechtzeitig Ergebnisse zu liefern.
Andererseits sitzt ein Präsident von Olimpstroj an der
Quelle erheblicher Geldströme, weswegen viele Gruppen ein Interesse an Verträgen haben, mit denen ein Teil
der Gelder in die eigene Richtung gelenkt werden kann.
Ein wichtiger Beweggrund hinter den Spielen ist
darin zu sehen, wichtige Teile der Eliten mit Einnahmen zu versorgen. Wajnschtok war als formaler Chef des
vom Staat kontrollierten Pipeline-Monopolisten »Transneft« (der selbst Renten für die Elite generiert) gut positioniert, um diese Funktion auszuüben. Kolodjaschnyj
erfüllte ähnliche Ausgaben. Ihre kurze Amtszeit verweist
darauf, dass es wohl Konflikte zwischen den verschiedenen Eliten gegeben hat, die die Geldströme unter ihre
Kontrolle bringen wollen; und es verweist auf ein Unvermögen, ein rechtzeitiges Abhalten der Spiele zu gewährleisten. Bollojew und Gaplikow waren wohl neben der
Umleitung von Renten in höherem Maße darauf konzentriert, Ergebnisse zu erzielen.
Das Führungschaos bei Olimpstroj hat offensichtlich Folgen für die Bauprojekte gehabt. Das Fischt-Stadion, der zentrale Austragungsort ist Ende 2013 immer
noch nicht fertiggestellt. Nach Angaben der »Moscow
Times« hat ein anonymer Insider, der an der Vorbereitung der Eröffnungszeremonie beteiligt war, die Rotationen an der Spitze von Olimpstroj für die Schwierigkeiten verantwortlich gemacht, weil es die Aufsicht über
die Subunternehmen erschwere.
Einzige Konstante im Management von Olimpstroj ist Dmitrij Kosak, der gegenwärtig stellvertretender Ministerpräsident Russlands ist. Kosak ist zwar 2012
als Vorsitzender des Verwaltungsrates von Olimpstroj
vom Minister für regionale Entwicklung Igor Sljunjajew abgelöst worden, beaufsichtigt aber weiterhin als
stellvertretender Ministerpräsident das Olympia-Projekt. Kosaks Einfluss entstammt eher dessen informeller Verbindung zu Putin, als irgendeinem der formalen
Positionen, die er innehatte. Putin hat ihn schon früher
mit einer Reihe komplizierter Aufgaben betraut, etwa
mit einer Rechtsreform, der Umgestaltung der Beziehungen zwischen Zentralregierung und Regionen sowie
mit den Problemen im Nordkaukasus. Die verschiedenen Probleme bei Olimpstroj haben anscheinend Putins
Vertrauen zu Dmitrij Kosak nicht schmälern können.
Schlussfolgerungen
In finanzieller Hinsicht sind die Olympischen Spiel in
Sotschi ein Spiel für Russlands Elite. Zu den Nutznießern scheinen die reichen Freunde Putins zu gehören,
die mit Olimpstroj Verträge über den Bau von Einrichtungen geschlossen haben, die nach den Spielen von
geringem Nutzen sein könnten. Eine andere Gruppe
innerhalb der Elite, die zu Investitionen in möglicherweise wenig gewinnträchtige Projekte genötigt wurde,
beschwert sich lautstark. In der Folge könnte es sehr
wohl zu einer Trennung innerhalb der Elite kommen –
zwischen denen, die profitieren, und jenen, die leer
ausgehen.
Übersetzung aus dem Englischen: Hartmut Schröder
Informationen über den Autor und Lesetipps finden Sie
auf der nächsten Seite.
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RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
Über den Autor
Robert Orttung ist stellvertretender Direktor des Institute for European, Russian, and Eurasian Studies der Elliott School
of International Affairs an der George Washington Universität und Gastwissenschaftler am Center for Security Studies
(CSS) der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich.
Lesetipps
• Orttung, Robert, Sufian Zhemukhov: The 2014 Sochi Olympic mega-project and Russia’s political economy, in:
Martin Müller (Hg.): Olympic Games in Sochi 2014: a great event for a great power? East European Politics 30,
(erscheint 2014)
• Sokolov, A.: Insajderskij kontrol i inwestizii GK »Olimpstroj« [Insider-Kontrolle und Investitionen von GK »Olimpstroj«], in: Naukovedenie Nr. 4, 2012 (in russischer Sprache); <http://naukovedenie.ru/PDF/68evn412.pdf>
ANALYSE
Sotschi und sein kaukasisches Umfeld
Uwe Halbach, Berlin
Zusammenfassung
Das olympische Areal liegt am Westrand des Nordkaukasus, der in russischen und internationalen Sicherheitsanalysen mit bewaffnetem Aufstand assoziiert wird. Im September 2010 hob der damalige russische
Präsident Medwedew die Region als die größte innere Herausforderung Russlands hervor. Der Europarat
erklärte sie im selben Jahr zur herausragenden Gewaltzone in seinem Einzugsbereich. In den letzten Jahren
erstreckte sich die Konfrontation zwischen bewaffneten Untergrundkräften und staatlichen Sicherheitsorganen weit über Tschetschenien hinaus, auf das sich die Wahrnehmung des Nordkaukasus lange Zeit beschränkt hatte. Als das IOC sich 2007 für Sotschi als Austragungsort für die Winterolympiade im Februar
2014 entschied, war dieser Prozess bereits in vollem Gange. Zudem hebt sich die »tscherkessische Frage« im
Umfeld der Olympiade als historisches und gegenwartsbezogenes Thema ab. Sie fordert das Austragungsland Russland zur Auseinandersetzung mit Kolonialgewalt auf.
Der Nordkaukasus als Russlands »inneres
Ausland« und Gewaltzone
In diesem Jahr drängte sich das Thema Sotschi 2014
in die internationale Berichterstattung über Russland.
Da ging es um Korruption und Kostenexplosion beim
Aufbau der olympischen Infrastruktur, um Proteste von
Umweltschützern gegen den Bau von Autobahnen und
gigantischen Sportstätten in Naturschutzgebieten, um
klimatische Herausforderungen an eine Winterolympiade, die erstmals in einer subtropischen Zone stattfindet. Sicherheitspolitisch fällt für Russlands vorrangiges
Prestigeprojekt jedoch das regionale Umfeld der Olympiade in Gewicht, der Nordkaukasus – eine Region, aus
der im Wochentakt Gewaltereignisse gemeldet werden,
auch wenn laut Aussage des FSB-Chefs Bortnikow die
Zahl terroristischer Straftraten 2013 zurückgegangen
sein soll.
Die Wahrnehmung dieser Region mit sieben Teilrepubliken der Russischen Föderation – von Adygeja im
Westen nahe der Schwarzmeerküste bis Dagestan im
Osten am Kaspischen Meer – war lange Zeit auf Tschetschenien beschränkt. Die von zwei Kriegen erschütterte
Teilrepublik bildet heute nicht mehr das Epizentrum
bewaffneten Aufstands, auch wenn sie von nachhaltiger
Befriedung noch weit entfernt ist. Das dem olympischen
Areal am nächsten gelegene Territorium, auf das der in
internationalen Sicherheitsanalysen mit »low level insurgency« bezeichnete Zustand zutrifft, ist die Teilrepublik
Kabardino-Balkarien im mittleren Abschnitt des Nordkaukasus, rund 500 km von Sotschi entfernt. Während
des ersten Tschetschenienkriegs (1994–96) war sie von
Dschohar Dudajew, dem damaligen Führer der tschetschenischen Revolution, nach einer russischen Märchenfigur noch als die »schlafende Schöne« bezeichnet
worden, weil sie unbehelligt vom Krieg in ihrer Nachbarschaft Touristen anzog. Das hat sich geändert – spätestens nachdem im Oktober 2005 ihre Hauptstadt Naltschik einem großflächigen Angriff bewaffneter Kämpfer
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RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
eines islamistischen Netzwerks ausgesetzt war. In der
Gewaltstatistik von 2012 stand Kabardino-Balkarien
zwar nur an vierter Stelle unter den nordkaukasischen
Teilrepubliken. Gleichwohl erregten einige Erscheinungen in Moskau Besorgnis. So ist der Anteil der russischen
Bevölkerung durch Auswanderung gesunken – von 32 %
im Jahr 1989 auf rund 20 % heute. Im Ostteil des Nordkaukasus, in Dagestan, Tchetschenien und Inguschetien,
finden sich nur noch winzige Restbestände russischer
Bevölkerung. Unter den ethnischen Russen wächst die
Angst vor einer Ausbreitung des »Wahhabismus«. Mit
diesem Schlagwort werden radikal-islamistische (salafistische) und militante (jihadistische) Tendenzen im
überwiegend muslimischen Nordkaukasus bezeichnet.
Gaben 2005 bei einer Umfrage der Medium Orient Information Agency nur sechs Prozent der befragten Russen
in Kabardino-Balkarien dies als die bedrohlichste Entwicklung an, waren es 2012 schon 59 Prozent.
Am weitesten ragt aus der Gewaltstatistik heute
Dagestan heraus. Von 144 Terrorakten, die nach FSBAngaben von Januar bis September 2013 verzeichnet
wurden, entfielen 122 auf diese größte nordkaukasische
Teilrepublik mit annähernd drei Millionen Einwohnern
aus Dutzenden Volksgruppen. Sie ist zwar gut 1000 km
vom olympischen Areal um Sotschi entfernt, doch räumliche Distanz spielt für die ins Innere Russlands ausgreifenden Terroranschläge mit nordkaukasischem Hintergrund keine Rolle. Der jüngste Anschlag dieser Art
ereignete sich in Wolgograd am 21.Oktober 2013. Das
Attentat auf einen Linienbus, das sechs Todesopfer forderte, wurde von einer jungen Frau aus dem dagestanischen Bergdorf Gunib ausgeführt, die mit ihrer Sprengstoffladung mehr als 800 km bis zum Tatort anreiste.
Terrordrohungen gegen das Projekt Sotschi
2014
An prominentester Stelle erklang eine Drohung gegen
die Winterolympiade aus dem Mund Doku Umarows.
Der Führer des »Kaukasus-Emirats« hob ein Moratorium für Terroranschläge gegen zivile Ziele in Russland wieder auf, das er im Februar 2012 verkündet hatte,
und appellierte an die »Mudschahedin«, die olympischen Spiele »mit allen uns von Allah erlaubten Mitteln
zu verhindern«. Die Olympiade veranstalte »satanische
Tänze auf den Gebeinen unserer Vorfahren, die gefallen sind und begraben wurden in unserem Land entlang
der Küste des Schwarzen Meeres« – eine Anspielung auf
die Niederwerfung des tscherkessischen Widerstandes
durch die Armee des Zaren 1864. Die russischen Behörden reagierten relativ gelassen auf die Drohung, schlossen aber eine reale Gefahr für die olympischen Spiele
nicht aus. Schon zuvor hatte es dafür Anzeichen gegeben.
Im Februar 2011 verübten Terrorzellen in Kabardino-
Balkarien Anschläge gegen Ski-Gebiete am Elbrus. Sie
richteten sich gegen ein weitgespanntes Tourismusprogramm, das von der Schwarzmeerküste bis zum Kaspischen Meer eine Kette von Kurorten und Ferienzentren
als Maßnahme zur Modernisierung und Stabilisierung
des Nordkaukasus errichten will, wurden aber auch
als gezielte Vorbereitung für Anschläge im Umfeld der
bevorstehenden olympischen Spiele gedeutet. Im Mai
2012 hob der FSB zehn Waffenlager in Abchasien aus,
die u. a. Boden-Boden-Raketen enthielten und offenbar in Vorbereitung größerer Anschläge angelegt worden waren.
Am 1. September 2013 unterzeichnete Präsident
Putin ein Sonderdekret über entsprechende Sicherheitsmaßnahmen. Es sieht für den Zeitraum vom 7. Januar
bis zum 21. März 2014 für die Stadt Sotschi und ihre
Umgebung eine Sicherheitszone vor, in der unter anderem Demonstrationen verboten werden. Der Demonstrationsbann richtet sich nicht nur gegen regimekritische Kräfte, sondern insbesondere gegen Aktivisten einer
tscherkessischen Bewegung, die darauf aufmerksam
machen wollen, dass die Olympiade auf dem ursprünglichen Siedlungsgebiet ihrer vor 150 Jahren vertriebenen
Volksgruppe stattfindet. Etwa 40.000 Mann werden von
den Sicherheitskräften allein in Sotschi (400.000 Einwohner) eingesetzt. Der Luftraum über und das Seegebiet vor der Stadt sollen mit Drohnen und Radar überwacht werden. In der Region Krasnodar, zu der Sotschi
gehört, marschieren neben regulären Sicherheitskräften
der Polizei, des FSB und des Föderalen Migrationsdienstes neu gegründete Kosakeneinheiten auf, um das olympische Areal vor »verdächtigen Elementen« zu schützen.
Ethnische und islamistische Bewegungen
am Südrand Russlands
Beim Übergang in die nachsowjetische Periode waren
es Bewegungen von Volksgruppen und territoriale Konflikte, die den Nordkaukasus aus dem sowjetischen
Vielvölkerreich hervorhoben. In das kaukasische Ethnogramm mit seiner Vielzahl an Volksgruppen und
Sprachen kam heftige Bewegung. Da trat eine »Volksfront« nach der anderen mit Forderungen nach mehr
Autonomie für die eigene Gruppe in Erscheinung. Einige
der Konflikte und Sezessionserscheinungen verschwanden bald wieder von der Tagesordnung, andere prägen
bis heute das Bild regionaler Unruhe. Zum schlimmsten Gewaltereignis nachsowjetischer Geschichte wurde
der Konflikt zwischen Tschetschenien und Russland,
der Ende 1994 in offenen Krieg überging. Zwei Trends
prägten nach dem Ende dieses ersten Kriegs 1996 die
Entwicklung im Nordkaukasus: die »Dschihadisierung«
und Ausweitung des Widerstands über Tschetschenien
hinaus. Im bewaffneten Untergrund begann ein Pro-
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zess ideologischer Transformation. Da verschoben sich
die Kampfparolen von einem nationalen zu einem als
Dschihad präsentierten islamischen Widerstand. Die
Protagonisten dieser »Dschihadisierung« lehnten Identifikation auf ethnischer, tribaler oder lokaler Grundlage
ab und richteten ihre Kampfansage gegen den »nahen
Feind«, gegen »Okkupanten« (russische Repräsentanten
föderaler Sicherheitsorgane) und »Apostaten« (Repräsentanten lokaler kaukasischer Machtorgane), aber auch
gegen »Ungläubige« schlechthin. Besiegelt wurde dieser
Prozess durch die Ausrufung eines »Kaukasus-Emirats«
(Imarat Kavkaz) durch den letzten tschetschenischen
Untergrundpräsidenten Doku (Dokka) Umarow im
Oktober 2007. Von diesem Emirat, dem sich autonom
agierende lokale Kampfverbände (dschama’at) im Nordkaukasus und seiner Umgebung zuordnen, gingen spektakuläre Terroranschläge auch im Inneren Russlands aus.
Ramsan Abdulatipow, der gegenwärtige Republikführer Dagestans, hat einmal die rhetorische Frage gestellt:
Warum hat das nachsowjetische Russland das Ende des
historischen Kaukasuskriegs im Jahr 1864 noch nicht
zum nationalen Gedenktag erhoben wie andere Ereignisse vaterländischer Geschichte? Seine Antwort: Weil
der Krieg noch nicht vorbei ist.
Eine Vielzahl von Faktoren ist hier zu berücksichtigen. Gewalt ist nicht auf den bewaffneten Untergrund
beschränkt. Die Bevölkerung in einigen kaukasischen
Teilrepubliken wird nicht nur von Rebellen, sondern
auch von staatlichen Gewaltakteuren bedrängt, die mit
Maßnahmen wie der Entführung von Terrorverdächtigen und Repressionen gegen deren Familien außerhalb
von Rechtsstaatlichkeit agieren. Zu gravierenden Missständen in der lokalen und föderalen Regierungsführung treten sozialökonomische Probleme, die aus einigen Teilen des Nordkaukasus die Armutsperipherie der
Russischen Föderation machen. Der korrupte Zustand
der weltlichen Justizorgane sorgte dafür, dass der Ruf
nach der Scharia und islamischer Staatlichkeit vor allem
in der jungen Generation Popularität erlangte.
Die tscherkessische Frage
Diese Entwicklung hat ethnisch-territoriale Konfliktlinien und nationale Bewegungen in den Hintergrund treten lassen, aber nicht verdrängt. Im Ostteil der Region
treten auch heute Grenzkonflikte zwischen Tschetschenien und seinen Nachbarrepubliken zu Tage. Im
Westteil drängt sich die »tscherkessische Frage« in den
Wahrnehmungskontext der Winterolympiade in Sotschi. Nach der im Juli 2007 getroffenen Entscheidung
des Internationalen Olympischen Komitees für diesen
Austragungsort hat das russische Prestigeprojekt eine
weltweite tscherkessische Diaspora in Bewegung versetzt. Sie liefert ein Beispiel für ein Phänomen, das in
der Nationalismus- und Identitätsforschung mit »long
distance nationalism« bezeichnet wird. Einige Millionen Nachkommen der vor 150 Jahren aus ihrer Heimat
vertriebenen Tscherkessen leben heute in der Türkei, in
Staaten des Mittleren Ostens, auf dem Balkan, in den
USA und in Deutschland. Im Nordaukasus leben Reste
der einstmals größten Volksgruppe der Region in den
beiden bi-nationalen »Bindestrich-Republiken« Karatschajewo-Tscherkessien und Kabardino-Balkarien und
in der kleinen Republik Adygeja. Was im 19. Jahrhundert noch mit dem Sammelbegriff Tscherkessen bezeichnet wurde, untergliederte die sowjetische Nationalitätenpolitik in diverse ethnonyme und Gebietseinheiten. Es
sind vor allem drei Anliegen, die eine weltweite tscherkessische Bewegung umtreiben: 1. Anerkennung der an
ihrer Volksgruppe verübten kolonialen Gewalt, 2. Wiederansiedlungsprogramme in ihrer nordkaukasischen
Heimat – derzeit besonders für tscherkessische Flüchtlinge aus Syrien, 3. Vereinigung der historischen Siedlungsgebiete ihrer Volksgruppe zu einer Verwaltungseinheit. Beim Verhältnis zur Winterolympiade nehmen
ihre Vertreter unterschiedliche Haltungen ein. Die einen
wollen die Olympiade als internationale Bühne nutzen,
um die tragische Geschichte ihres Volkes in Erinnerung
zu rufen, andere fordern zum Boykott auf und verweisen dabei auf einen »Genozid«, der vor 150 Jahren auf
dem heutigen olympischen Areal begangen wurde. Russland hätte die Winterolympiade in Sotschi dazu nutzen
können, sich der »tscherkessischen Frage« zu öffnen. In
der Geschichte der von Präsident Putin beschworenen
»einzigartigen Vielvölker-Zivilisation« Russland hat vernichtende Kolonialgewalt aber kaum Platz. Die Abwehrhaltung gegenüber der »tscherkessischen Frage« wuchs
in Moskau noch dadurch, dass sich Georgien seit 2010
dieses Themas im Rahmen einer intensivierten Politik
gegenüber dem Nordkaukasus angenommen hatte. So
wurde es schon weit im Vorfeld der Winterolympiade
von 2014 politisiert.
Über den Autor
Dr. Uwe Halbach ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien der Stiftung Wissenschaft
und Politik.
Lesetipps finden Sie auf der nächsten Seite.
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RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
Lesetipps
• Babich, Irina: Mobilization of the Circassians in view of the 2014 Olympic Games, in: Central Asia and the Caucasus, 13.2012, Nr. 2, S. 22–37;
• Halbach, Uwe, Michail Logvinov: Das Kaukasus Emirat und der internationale Jihadismus [=SWP-Aktuell 41, Juli
2012], Berlin 2012; <http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2012A41_hlb_logvinov.pdf>
• International Crisis Group: The North Caucasus. The Challenge of Integration Part II: Islam, the Insurgency and
Counter Insurgency [= Europe Report Nr. 221], 19. Oktober 2012; <http://www.crisisgroup.org/~/media/Files/
europe/caucasus/221-the-north-caucasus-the-challenges-of-integration-ii-islam-the-insurgency-and-counter-insur
gency.pdf>
CHRONIK
Sotschi, Olympia und der Nordkaukasus. Chronik Januar–November 2013
06.01.2013
15.01.2013
15.01.2013
16.01.2013
23.–
24.01.2013
25.01.2013
06.02.2013
07.02.2013
07.02.2013
12.02.2013
13.–
14.02.2013
18.02.2013
Sicherheitskräfte töten im Rayon Baksan (Kabardino Balkarien) drei mutmaßliche Untergrundkämpfer. Nach offizieller Auskunft hatten diese während der Weihnachtsgottesdienste Terroranschläge
geplant gehabt.
Präsident Wladimir Putin gründet per Erlass eine Staatskommission zur Vorbereitung und Durchführung der 22. Olympischen Winterspiele sowie der 11. Paraolympischen Winterspiele 2014 in
Sotschi. Zum Vorsitzenden wird der Stellvertretende Ministerpräsident Dmitrij Kosak bestimmt.
In Machatschkala töten Unbekannte Magomed Magomedow, Richter am Obersten Gericht von
Dagestan.
Sicherheitskräfte töten bei einer Spezialoperation in Tyrnyaus (Kabardino-Balkarien) zwei mutmaßliche Untergrundkämpfer sowie eine Frau, die sie unterstützte.
Bei Gefechten russischer Sicherheitskräfte mit Untergrundkämpfern werden im Rayon Wedeno
(Tschetschenien) zwei Soldaten getötet und fünf weitere verletzt.
In der Nähe von Tschegem (Kabardino-Balkarien) werden bei einer Spezialoperation der Sicherheitskräfte drei Untergrundkämpfer getötet.
Präsident Wladimir Putin besucht Sotschi, um sich ein Bild von den Vorbereitungen für die WinterOlympiade 2014 zu machen. Am Abend trifft er mit Vertretern des Internationalen Olympischen
Komitees zusammen. Alle Seiten zeigen sich erfreut über den Stand der Arbeiten.
Präsident Wladimir Putin entlässt Achmed Bilalow als Vize-Präsidenten des russischen Olympischen
Komitees und als Vorsitzenden des Staatsunternehmens »Kurorte des Nordkaukasus«. Bilalow ist am
Bau mehrerer Olympia-Objekte beteiligt. Putin hatte am Vortag in Sotschi Bauverzögerungen und
Baukostensteigerungen heftig kritisiert. Gegen Viktor Lutschinkin, den Stabschef des Präsidenten
de staatlichen Korporation »Olimpstroj«, wird ein Untersuchungsverfahren wegen des Verdachts auf
Diebstahl von 900 Mio. Rubel (ca. € 22 Mio.) eingeleitet.
Präsident Wladimir Putin und Jacques Rogge, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees,
nehmen an der Zeremonie »Ein Jahr bis zu den Spielen« in Sotschi teil und eröffnen den Countdown
bis zum Beginn der Winter-Olympiade 2014.
Bei einer Spezialoperation der Sicherheitskräfte zwischen den Rayons Derbent und Tabasaransk
(Dagestan) werden fünf Untergrundkämpfer getötet.
Bei der Explosion eines Sprengsatzes bei einem Polizeiposten vor Chasawjurt (Dagestan) werden vier
Polizisten getötet und fünf weitere verletzt. Während der folgenden Spezialoperation werden sechs
Untergrundkämpfer und ein Soldat getötet.
Achmed Bilalow tritt von seinem Amt als Vizepräsident des »Russischen Olympischen Komitees«
zurück. Präsident Putin hatte bei einer Visite in Sotschi Bauverzögerungen und Kostensteigerungen
heftig kritisiert.
8
RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
22.02.2013
09.03.2013
09.03.2013
12.03.2013
16.03.2013
08.04.2013
24.04.2013
27.04.2013
28.04.2013
02.05.2013
02.05.2013
08.–
09.05.2013
10.05.2013
15.05.2013
20.05.2013
21.05.2013
23.05.2013
24.05.2013
26.05.2013
27.05.2013
01.06.2013
Sicherheitskräfte töten an der tschetschenisch-inguschetischen Grenze zwei Untergrundkämpfer.
Unbekannten töten einen Richter des Föderalgerichts in Isberbasch (Dagestan).
Im Rayon Chasawjurt (Dagestan) werden zwei Untergrundkämpfer bei einem Feuergefecht mit
Sicherheitskräften getötet.
Sicherheitskräfte töten im Rayon Baksan (Kabardino-Balkarien) drei mutmaßliche Untergrundkämpfer.
An der tschetschenisch-inguschetischen Grenze kommt es zu Schusswechseln zwischen Sicherheitskräften und Untergrundkämpfern. Sieben Untergrundkämpfer werden getötet.
Bei einer Spezialoperation russischer Sicherheitskräfte unweit von Nasran (Inguschetien) werden vier
Untergrundkämpfer sowie ein Soldat getötet.
Bei einer Anti-Terror-Operation der Sicherheitskräfte werden im Gunibskij Rayon (Dagestan) zwei
mutmaßliche Untergrundkämpfer getötet.
Bei einer Fahrzeugkontrolle im Rayon Chiw (Dagestan) töten Sicherheitskräfte drei mutmaßliche
Untergrundkämpfer.
Bei einer Spezialoperation von Sicherheitskräften werden im Rayon Kisiljurt (Dagestan) zwei mutmaßliche Untergrundkämpfer getötet.
Das Nationale Olympische Komitee Georgiens beschließt offiziell, dass Georgien eine Mannschaft
zur Winterolympiade in Sotschi entsendet.
Die Innenbehörden des Föderalbezirks Nordkaukasus teilen mit, dass im ersten Quartal 2013 bei
121 terroristischen Vorfällen im Föderalbezirk 73 Untergrundkämpfer getötet und 88 weitere festgenommen wurden.
Bei Spezialoperationen der Sicherheitskräfte in den Rayons Karabudachkent und Kumtorkalinsk (Dagestan) werden sieben Untergrundkämpfer getötet. Bei den Einsätzen werden auch drei Angehörige
Sicherheitskräfte verletzt, ein Soldat kommt ums Leben.
Präsident Wladimir Putin empfängt den britischen Premierminister David Cameron in Sotschi. Im
Zentrum des Gesprächs steht die Regulierung des Konflikts in Syrien. Darüber hinaus werden die
Zusammenarbeit bei perspektivreichen Energieprojekten und die Kooperation der Sicherheitsdienste
während der Winter-Olympiade vereinbart.
Präsident Wladimir Putin empfängt den Premierminister Vietnams Nguyen Tan Dung in Sotschi.
Im Zentrum des Geprächs steht die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder.
In Orechowo-Suewo (Moskauer Gebiet) werden zwei mutmaßliche Untergrundkämpfer von Sicherheitskräften getötet und ein dritter festgenommen. Das Nationale Anti-Terrorkomitee erklärt, die
drei hätten einen Terroranschlag in Moskau vorbereitet.
Bei einer Spezialoperation der Sicherheitskräfte werden zwei Untergrundkämpfer in einem Stadtteil
von Nasran (Republik Inguschetien) getötet. Nach Angaben des Republikoberhauptes Junusbek
Jewkurow war einer der Getöteten ein enger Vertrauter von Doku Umarow, der als Anführer des
Untergrundkampfes gilt.
Bei einer Spezialoperation der Sicherheitskräfte in Chasawjurt (Dagestan) werden zwei Untergrundkämpfer getötet. Bei einem weiteren Anti-Terroreinsatz im Dorf Gubden (Dagestan) kommen ein
Soldat der Inlandstruppen und ein Untergrundkämpfer ums Leben.
Präsident Wladimir Putin trifft in Sotschi mit Vertretern der russischen Kinoindustrie zusammen. Er
regt an, eine Charta auszuarbeiten, die der staatlichen Filmförderung zur Orientierung dienen kann.
Präsident Wladimir Putin empfängt in Sotschi seinen ukrainischen Amtskollegen Viktor Janukowitsch.
Das Gespräch behandelt Fragen der bilateralen Handelsbeziehungen und die Zusammenarbeit im
Rahmen der GUS.
Präsident Wladimir Putin empfängt in Sotschi Patriarch Kirill und Theophilos III, den Patriarchen
der Orthodoxen Kirche in Jerusalem. Das Gespräch betrifft die Situation im Nahen Osten sowie die
Beziehungen der beiden Kirchen.
Sicherheitskräfte töten im Rajon Tscherek (Republik Kabardino-Balkarien) in einem Feuergefecht
zwei Personen, die die regionalen Untergrundkämpfer mit Waffen beliefert haben.
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RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
08.06.2013
11.06.2013
29.06.2013
06.–
07.07.2013
13.07.2013
14.–
15.07.2013
18.07.2013
19.07.2013
23.07.2013
06.–
07.08.2013
17.08.2013
17.08.2013
18.08.2013
20.–
21.08.2013
23.08.2013
05.09.2013
14.09.2013
15.–
16.09.2013
16.09.2013
Bei einem Angriff von Untergrundkämpfern auf einen Polizeiposten in Naltschik (Republik Kabardino-Balkarien) werden ein Polizist sowie ein Angreifer getötet.
Bei einem Überfall durch Untergrundkämpfer im Rayon Nowolakskij (Dagestan) werden drei
Angehörige einer Sondereinheit sowie zwei Angreifer getötet. Außerdem werden zwei Zivilpersonen
verletzt. Im Rayon Chasawjurt (Dagestan) töten Sicherheitskräfte drei Untergrundkämpfer, als es bei
einer Fahrzeugkontrolle zu einem Feuergefecht kommt.
Bei der Verfolgung von Untergrundkämpfern im Rayon Schatoj (Republik Tschetschenien), werden
zwei Soldaten getötet und siebzehn weitere verwundet. Bei einer Anti-Terror-Operation in den Rayons
Urvanskij und Tscherek (Republik Kabardino-Balkarien) wird ein Untergrundkämpfer getötet, vier
weitere werden festgenommen.
In Bujnaksk (Dagestan) werden zwei Untergrundkämpfer von Sicherheitskräften getötet. Die Kämpfer
hatten zuvor eine Polizeistreife angegriffen.
Bei einer Spezialoperation der Sicherheitskräfte im Sunschenskij Rayon werden zwei Untergrundkämpfer getötet und ein Sonderpolizist verletzt.
Im Rayon Lakskij (Dagestan) werden vier Untersuchungsbeamte von Unbekannten getötet. In der
Folge wird eine Anti-Terror-Operation in den Rayons Lakskij und Kuli ausgerufen, bei der zwei weitere Sicherheitskräfte ums Leben kommen.
Bei einer Anti-Terror-Operation im Rayon Baksan (Republik Kabardino-Balkarien) werden vier
Untergrundkämpfer getötet, die nach Aussage der Sicherheitsbehörden einen Terroranschlag in der
Republik geplant hatten.
Präsident Wladimir Putin empfängt in einem Trainingszentrum im Gebiet Moskau Sportler und
Preisträger der Universiade in Kasan. Er bedankt sich für die Leistung der russischen Mannschaft,
die dank der Teilnahme vieler Olympia-Sportler mit 155 von 353 Goldmedaillen als weitaus Beste
abschneidet. China folgt mit 26 Goldmedaillen.
In einem Vorort von Machatschkala (Dagestan) greifen zwei Untergrundkämpfer Sicherheitskräfte
an. Drei Polizisten werden, verletzt, die beiden Angreifer werden getötet.
Bei einer Fahrzeugkontrolle in Naltschik (Kabardino-Balkarien) kommt es zu einer Schießerei zwischen
Sicherheitskräften und Untergrundkämpfern. Vier Insurgenten werden getötet, ein Polizist wird verletzt.
Sicherheitskräfte töten im Rayon Karabudachkent (Dagestan) drei Untergrundkämpfer, darunter
den mutmaßlichen Anführer der Kämpfer von Kaspijsk.
Präsident Wladimir Putin, sein kasachischer Amskollege Nursultan Nasarbajew sowie Ministerpräsident Dmitrij Medwedew besuchen gemeinsam einen internationalen Sambo-Wettkampf in Sotschi.
Sondereinheiten der russischen Sicherheitskräfte töten in Chasawjurt (Dagestan) drei Untergrundkämpfer, die sich in einem Haus verschanzt hatten.
Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes töten bei einem Sondereinsatz in Bujnaks (Dagestan) neun
Untergrundkämpfer. Unter ihnen ist ein Anführer der Kämpfer im Nordkaukasus, Bammatchan
Schejchow. Bei einer Vergeltungsaktion in der Nacht darauf wird ein Soldat getötet, ein weiterer verletzt.
Präsident Wladimir Putin unterschreibt einen Erlass über besondere Sicherheitsmaßnahmen während
der Winterolympiade und Paraolympics in Sotschi. Demnach sind in Sotschi von Januar bis Ende
März 2014 keine Mahnwachen und Demonstrationen erlaubt.
Bei einer Spezialoperation der Sicherheitskräfte im Rayon Urjen (Republik Kabardino-Balkarien)
werden sechs Untergrundkämpfer getötet.
Präsident Wladimir Putin empfängt den FIFA-Präsidenten Joseph Blatter in Sotschi. Auf dem Treffen
vereinbaren Blatter und der Gazprom-Vorsitzende Alexej Miller eine offizielle Partnerschaft von
2015 – 2018 zur Vorbereitung der Fußballweltmeisterschaft in Russland.
Bei einem Anschlag eines Selbstmordattentäters auf eine Stelle des Innenministeriums im Rayon
Sunshenskij (Republik Tschetschenien) werden drei Polizisten getötet und vier weitere verletzt.
Präsident Wladimir Putin hält ein Treffen über den Stand der Vorbereitungen zur Olympiade in Sotschi
ab. Er weist den Stellvertretenden Ministerpräsidenten Dmitrij Kosak an, ihn alle zwei Wochen über
den Fortschritt der Vorbereitungen zu informieren.
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RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
23.09.2013
23.09.2013
24.09.2013
27.09.2013
28.09.2013
30.09.2013
02.10.2013
06.10.2013
09.10.2013
21.10.2013
25.10.2013
29.10.2013
30.10.2013
04.11.2013
07.11.2013
07.–
08.11.2013
11.11.2013
16.11.2013
19.11.2013
19.–
20.11.2013
20.11.2013
Bei einem Anschlag eines Selbstmordattentäters vor einer Polizeistation im Rayon Tabasaransk (Dagestan) werden ein Polizist und ein Migrationsbeamter getötet. 14 Polizisten und zwei Zivilisten
werden durch die Autobombe zum Teil schwer verletzt.
Präsident Wladimir Putin empfängt in Sotschi die Staatschefs der Organisation des Vertrags über
kollektive Sicherheit (ODKB). Die Teilnehmer besprechen mögliche Gefahren, die von Afghanistan
ausgehen, die Unterstützung Tadshikistans bei der Grenzsicherung sowie die Situation in Syrien, zu
der eine Erklärung verabschiedet wird.
Im Rayon Bujnaks (Dagestan) werden bei einem Feuergefecht zwei Untergrundkämpfer von Sicherheitskräften getötet. Zwei weitere Untergrundkämpfer werden an der Stadtgrenze von Machatschkala
getötet, nachdem sie das Feuer auf eine Straßenkontrolle eröffnet hatten.
Sicherheitskräfte töten in Derbent (Dagestan) fünf Insurgenten, darunter den lokalen Anführer.
Bei einem Überfall auf eine Polizeistreife in Machatschkala (Dagestan) durch mutmaßliche Untergrundkämpfer werden zwei Polizisten getötet und zwei weitere schwer verletzt.
Sicherheitskräfte töten im Rayon Baksan (Kabardino-Balkarien) zwei mutmaßliche Untergrundkämpfer.
Bei Schusswechseln zwischen Sicherheitskräften und Untergrundkämpfern im Rayon Lewaschi
(Dagestan) werden drei Zivilisten, drei Polizisten und vier Insurgenten getötet. Vier Polizisten und
freiwillige Milizhelfer werden verletzt.
Präsident Wladimir Putin empfängt auf dem Roten Platz in Moskau die Olympische Flamme für die
XXII Winterolympiade in Sotschi. Diese wurde am Vortag in Athen feierlich dem Organisationskomitee »Sotschi 2014« übergeben und wird ab dem Folgetag 123 Tage lang bis zum Start der Spiele
am 7. Februar durch Russland getragen.
Unbekannte töten bei einem Überfall in Machatschkala (Dagestan) zwei Verkehrspolizisten.
Bei einem Selbstmordattentat in einem Linienbus in Wolgograd kommen sechs Passagiere ums Leben.
Weitere 33 Personen werden verletzt. Die Täterin stammt aus Machatschkala (Dagestan).
Sicherheitskräfte töten in Chasawjurt (Dagestan) zwei Untergrundkämpfer, als es bei einer Straßenkontrolle zu einem Feuergefecht kommt. Ein Polizist wird verletzt. Im Auto der Getöteten werden
zwei 50-Liter-Fässer mit Sprengstoff sichergestellt.
Bei einem Anti-Terror-Einsatz im Rayon Solskij (Kabardino-Balkarien) werden zwei mutmaßliche
Untergrundkämpfer getötet und mehrere Angehörige der Sicherheitskräfte verletzt.
In Nordossetien werden bei der Explosion eines Sprengsatzes zwei Personen getötet.
Im Rayon Lakskij (Dagestan) werden drei Untergrundkämpfer bei einem Sondereinsatz der Sicherheitskräfte getötet.
Vom Weltraumbahnhof Bajkonur startet ein Sojus-Raumschiff zur Internationalen Raumstation mit
drei Kosmonauten und der Olympischen Fackel an Bord. Die Fackel soll am 9. November von zwei
russischen Kosmonauten in den Weltraum getragen werden und im Februar 2014 die Olympische
Flamme in Sotschi entzünden.
Im Rayon Predgornij unweit von Pjatigorsk (Bezirk Stawropol) werden zwei mutmaßliche Aufständische getötet, als es bei einer Fahrzeugkontrolle zu einem Feuerwechsel kommt. In ihrem Auto wird
ein Sprengsatz gefunden.
Eine Sojus-Raumkapsel mit drei Astronauten und der Olympischen Fackel an Bord kehrt planmäßig
zurück und landet in Kasachstan.
In einem Vorort von Machatschkala (Dagestan) werden fünf Untergrundkämpfer getötet. Unter
diesen ist der Ehemann der Selbtmordattentäterin vom 21. Oktober in Wolgograd.
Unbekannte töten vor der Geistlichen Verwaltung der Muslime in Machatschkala (Dagestan) zwei
Polizisten. Drei weitere Polizisten werden verletzt. Einer der Täter wird in der Folge erschossen, er
war Mitorganisator des Selbstmordattentates von Wolgograd.
Sicherheitskräfte töten im Rayon Baksan (Kabardino-Balkarien) zwei mutmaßliche Untergrundkämpfer, die sich der Festnahme zu entziehen versuchten.
Im Rahmen einer Spezialoperation werden in Machatschkala (Dagestan) zwei Untergrundkämpfer
getötet, die als Drahtzieher des Selbstmordattentates in Wolgograd bezeichnet werden.
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RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
KARTE
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RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
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DOKUMENTATION
Die Ausgaben für die Olympiade in Sotschi im Vergleich
Tabelle 1: Olympische Ausgaben und Mehrkosten bei Olympiaden von 1988 – 2014
Jahr
Olympiade
Stadt
Land
Olympische Ausgaben
in Mrd. US$ (2012)
Geplant
TatsächMehrlich
ausgaben
1988
XV Winterspiele
Calgary
Kanada
0,67
1,07
+59,0 %
1992
XVI Winterspiele
Albertville
Frankreich
0,86
2,03
+135,0 %
1992
XXV Sommerspiele
Barcelona
Spanien
0,69
2,93
+325,0 %
1994
XVII Winterspiele
Lillehammer Norwegen
0,54
2,03
+277,0 %
1996
XXVI Sommerspiele Atlanta
USA
1,64
4,05
+147,0 %
1998
XVIII Winterspiele
Nagano
Japan
1,57
2,45
+56,0 %
2000
XXVII Sommerspiele Sidney
Australien
2,36
4,48
+90,0 %
2002
XIX Winterspiele
Salt Lake City USA
1,90
2,45
+29,0 %
2004
XXVIII Sommerspiele Athen
Griechenland
2,00
3,20
+60,0 %
Ausgaben Olympischer Spiele 1988 – 2004
4,65
13,50
+190 %
2006
XX Winterspiele
Turin
Italien
2,40
4,37
+82,0 %
2008
XXIX Sommerspiele Peking
China
5,64
5,86
+4,0 %
Ausgaben Olympischer Spiele 1988 – 2008
16,30
43,19
+165 %
2010
XXI Winterspiele
Vancouver
Kanada
2,10
2,45
+17,0 %
Ausgaben Olympischer Spiele 1988 – 2010
2,88
6,08
+111 %
2012
XXX Sommerspiele
London
England
3,93
15,39
+290,0 %
Olympia-Kosten 1988 – 2012 im Durchschnitt
2,02
4,06
+120,8 %
Olympische Sommerspiele 1988 – 2012 im Durchschnitt
2,71
5,98
+152,7 %
Olympische Winterspiele 1988 – 2012 im Durchschnitt
1,43
2,41
+93,6 %
2014
XXII Winterspiele
Sotschi
Russland
5,14
*8,60
+67,5 %
Gesamte Ausgaben für Sotschi-2014 (Prognose anhand
**13,9
+171,0 %
Preissteigerung)
Quelle
[1]
[1]
[3]
[1]
[1]
[1],[9]
[1],[3]
[1],[2]
[1]
[3]
[1],[5]
[1]
[3]
[1]
[6],[7]
[1],[3]
[8],[11]
Anmerkungen: * nach Angaben von 2009, ** Prognose (siehe Original)
Quellen: [1] Flyvbjerg B., Stewart A. (2012): Olympic Proportions: Cost and Cost Overrun at the Olympics 1960–2012, in: Saïd Business School Working Papers, Oxford: University of Oxford, Juni 2012; [2] Olympic Games cost overruns, in: No Games, Februar 2009.
<http://nogames.files.wordpress.com/2009/02/costoverruns.pdf>; [3] Jennings W. (2012): Mega-Events and Risk Colonisation. Risk
Management and the Olympics, in: CARR. März 2012. <http://soton.academia.edu/WillJennings/Papers/248726/Mega-Events_
and_Ris...>; [4] Nowoshenina O., Iwanowa M., Meremiskaja E. (2007): Sotschi – mesto ne dlja otdycha (Sotschi - kein Ort der Ruhe).
In: Gazeta.ru, 5. Juli 2007, <http://sport.gazeta.ru/sport/2007/07/a_1880984.shtml>; [5] Wilkinson T. (2006): Turin Hopes Its
Pricey Olympic Makeover Lasts, in: Los Angeles Times, 5. Februar 2006, <http://articles.latimes.com/2006/feb/05/world/fg-turin5>;
[6] Wilson B. (2010): Will Vancouver count cost of Olympics?, in: BBC News, 12. Februar 2010, <http://news.bbc.co.uk/2/hi/bus
iness/8510177.stm>; [7] 2010 Games in Crisis, in: The Vancouver Sun, 27. September 2006 <http://www.canada.com/vancouver
sun/news/story.html?id=01fc5dbe-9e38-4573...>; [8] Postanowlenie Prawitelstva RF ot 8.6.2006 Nr. 357 »O Federalnoj zelevoj programme ›Raswitie g. Sotschi kak gornoklimatitscheskogo kurorta (2006–2014 gody)‹« (Beschluss der russischen Regierung vom 8. Juni
2006, Nr. 357 »Über das Föderale Zielprogramm ›Entwicklung der Stadt Sotschi als bergklimatischer Kurort (2006–2014)‹«), unter:
<http://www.zakonprost.ru/content/base/part/487742>; [9] Solberg H. (2010): Why major sports events end up more expensive than
first planned, Sør-Trøndelag College University, Norway. <http://www.idrett.no/tema/internasjonalt/Documents/idrettsarr.dyrere.
pdf>; [10] Taylor A. Blackstone S. 12 Enduring Legacies Of Olympic Host Cities, in: Business Insider, 05.07.2012. <http://www.busi
nessinsider.com/the-lasting-legacy-of-the-olympics-2012-6...>;[11] Minregion ozenil raschody na Olimpiadu w Sotschi w 1 trln rublej (Das Ministerium für Regionale Entwicklung schätzt die Ausgaben für die Olympiade in Sotschi auf 1 Billion Rubel), in: Wsgljad,
29. September 2009, <http://www.vz.ru/news/2009/9/29/332019.html>; [12] Samofalowa O. (2013): Rossija wydelilas (Russland
sticht hervor), in: Wsgljad, 1. Februar 2013, <http://www.vz.ru/economy/2013/2/1/618531.html>
Berechnung von: Alexander Sokolow, Doktorand am Zentralen Wirtschafts-Mathematischen Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften (CEMI RAN), veröffentlicht am 16. August 2012 unter: <http://igpr.ru/articles/zatraty_na_olimpiadu_v_sochi>.
Objekt
Wals Siezenheim Stadion
Allianz Arena
ANZ Stadion
Olympiastadion Athen
Nationalstation Peking
Olympiastadion Istanbul
4
5
6
7
8
9
London, England
Sommerspiele 2008
Sommerspiele 2008
(Kandidat)
Sommerspiele 2012
Winterspiele 2014
(Kandidat)
Winterspiele 2018
(Kandidat)
Sommerspiele 2000
Sommerspiele 2004
Winterspiele 2010
80.000
80.000
76.092
83.500
69.618
69.000
31.895
55.000
30.000
45.017
Winterspiele 1998
Winterspiele 2002
Nagano, Japan
Salt Lake City,
USA
Vancouver,
Kanada
Salzburg,
Österreich
München,
Deutschland
Sidney, Australien
Athen,
Griechenland
Peking, China
Istanbul, Türkei
Fassungsvermögen,
Personen
A
45.000
Olympischen Spiele
Sotschi, Russland Winterspiele 2014
Stadt, Land
Neubau
Neubau
Neubau
Neubau
Neubau
Neubau +
Umbau
Neubau +
Umbau
Neubau
Neubau
Neubau
Neubau
Arbeiten
2011
2008
2012
1999
1982
2005
2003
1981/ 2008
1998
2013
756,0
403,1
456,3
180,9
621,5
397,6
508,8
104,3
820,0
114,1
71,3
B
778,7
9,45
6,16
5,70
2,38
7,44
5,71
7,37
3,27
14,91
3,80
1,58
C=B/A
17,30
Eröffnung-/ Kosten in Verhältnis
Umbau­ Mio. US$ Tsd. US$/
datum
(2012)
Person
[5]
[4]
[4]
[4]
[4]
[7]
[6]
[3]
[4]
[2], [8]
[1]
Quelle
Quellen: [1] Tscheberko I. (2012): Minregionraswitija potrebowalo objasnenij u »Olimpstroja« (Das Ministerium für regionale Entwicklung forderte eine Erklärung von »Olimpstroj«), in: Iswestija, 13. Mai 2012, <http://izvestia.ru/news/524253>; [2] Wodraska L. (2012): Utah football: Olympics proposal calls for Rice-Eccles expansion, in: The Salt Lake Tribune, 17. Juni 2012,
<http://www.sltrib.com/sltrib/sports/54313310-77/utah-stadium-hill-eccles...>; [3] Morris J. B.C. (2010): Place to be gussied up in time for 2011 Grey Cup, in: The Canadian Press, 1.
November 2010, <http://www.theglobeandmail.com/sports/football/bc-place-to-be-gussied-up...>; [4] Alm J. (2012): World Stadium Index, Danish Institute for Sports Studies, Play the
Game, Mai 2012, <http://www.playthegame.org/knowledge-bank/theme-pages/world-stadium-inde...>; [5] London 2012 Olympic stadium athletics track completed, in: BBC, 3. Oktober 2011, <http://www.bbc.co.uk/sport/0/olympics/15149865>; [6] Red Bull Arena Stadion Facts, Red Bulls, 2012, <http://redbulls.com/soccer/salzburg/en/stadium-facts.html>; [7]
Allgemeine Informationen zur Allianz Arena, Allianz Arena, 2012, <http://www.allianz-arena.de/de/fakten/allgemeine-informationen/index.php>; [8] Official report of the XIX Winter
Olympic Games, Salt Lake Organizing Committee (2002), 8-24. Februar 2002, <http://www.la84foundation.org/6oic/OfficialReports/2002/2002v1.pdf>
Berechnung von: Alexander Sokolow, Doktorand am Zentralen Wirtschafts-Mathematischen Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften (CEMI RAN), veröffentlicht am 16. August 2012 unter: <http://igpr.ru/articles/zatraty_na_olimpiadu_v_sochi>.
10
Olympiastadion London
II. Durchschnittswert
BC Place
3
I. Zentralstadion "Fischt"
Andere Olympiastadien
1
Nagano Olympic Stadion
2
Rice-Eccles Stadion
Nr.
Tabelle 2: Vergleichende Analyse der relativen Kapitalaufwendungen für den Bau der Zentralen Olympiastadien
Kosten zentraler Olympiastadien
RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
14
RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
15
UMFRAGE
Die Olympiade in Sotschi in russischen Umfragen
Grafik 1: Haben Sie vor, die Fernsehübertragung der Olympischen Spiele zu sehen?
Peking 2008
Turin 2006
Athen 2004
Salt Lake City 2002
Sidney 2000
Nagano 1998
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Ausführlich, systematisch
Von Zeit zu Zeit, manche Sportarten
Nur in den Nachrichtensendungen
Die Spiele interessieren mich überhaupt nicht
Keine Antwort
Quelle: Umfragen des Lewada-Zentrums vom 29. August 2008, unter: <http://www.levada.ru./press/2008082900.html>
Tabelle 2: Wie stehen Sie dazu, dass Sotschi den Wettbewerb zur Durchführung der Olympiade
2014 gewonnen hat?
Mit großer Freude
24%
Insgesamt positiv
42%
Keine Antwort
2%
Sehr ablehnend
3%
Sehe keinen Anlass zur
Freude
8%
Ohne große Emotionen
21%
Quelle: Umfragen des Lewada-Zentrums vom 15.–18. April 2011. Veröffentlicht am 4. Mai 2011 unter:
<http://www.levada.ru/press/2011050400.html>
RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
16
Grafik 3: Kann Russland die Durchführung der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi
würdig organisieren?
2010
2011
Grund- oder nicht abgeschlossene
mittlere Schulbildung
Mittlere Schulbildung (Schule oder
Berufsschule)
Mittlere Berufsausbildung
(Technikum)
Hochschulabschluss, mindestens
drittes Studienjahr
0%
Auf jeden Fall
20%
Eher ja
40%
Keine Antwort
60%
Eher nein
80%
100%
Auf keinen Fall
Quelle: Umfragen des WZIOM vom 30. April bis 1. Mai 2011, N = 1600. Veröffentlicht am 11. Mai 2011 unter:
<http://old.wciom.ru/novosti/press-vypuski/press-vypusk/single/111607Y>
Grafik 4: Wird es Russland gelingen, den Erfolg der vorherigen Olympia-Gastgeberländer
(z. B. Kanada und China) zu wiederholen, deren Mannschaften die meisten Goldmedaillen gewinnen konnten?
2010
2011
Moskau und St. Petersburg
Mehr als 500.000 Einwohner
100.000 – 500.000 Einwohner
Weniger als 100.000 Einwohner
Dorf
0%
Auf jeden Fall
20%
Eher ja
40%
Keine Antwort
60%
Eher nein
80%
Auf keinen Fall
Quelle: Umfragen des WZIOM vom 30. April bis 1. Mai 2011, N = 1600. Veröffentlicht am 11. Mai 2011 unter:
<http://old.wciom.ru/novosti/press-vypuski/press-vypusk/single/111607Y>
100%
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17
Grafik 5: Sind Sie auf die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi und die Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland stolz?
Jun
2013
Jun
2012
0%
10%
Auf jeden Fall
20%
30%
Eher ja
40%
50%
Keine Antwort
60%
70%
Eher nein
80%
90%
100%
Auf keinen Fall
Quelle: Umfragen des Lewada-Zentrums vom 6.–10. Juni 2013, N = 1601. Veröffentlicht am 27. Juni 2013, unter:
<http://www.levada.ru/print/27-06-2013/obshchestvennoe-mnenie-ob-izderzhkakh-olimpiady>
Grafik 6: Werden die Gelder, die für die Vorbereitungen der Olympiade in Sotschi aus dem
Föderalhaushalt bereitgestellt werden, effektiv verwendet?
Eher effektiv
20%
Ineffektiv
35%
Sehr effektiv
2%
Keine Antwort
13%
Völlig ineffektiv
11%
Werden einfach
gestohlen
19%
Quelle: Umfragen des Lewada-Zentrums vom 6.–10. Juni 2013, N = 1601. Veröffentlicht am 27. Juni 2013, unter:
<http://www.levada.ru/print/27-06-2013/obshchestvennoe-mnenie-ob-izderzhkakh-olimpiady>
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18
Grafik 7: Werden sich die Mittel, die Russland in die Vorbereitung solcher Imageprojekte wie
die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi und die Fußballweltmeisterschaft
2018 investiert, wirtschaftlich rechnen?
Jun
2013
Apr
2011
0%
10%
20%
Auf jeden Fall
30%
40%
Eher ja
50%
60%
Keine Antwort
70%
80%
Eher nein
90%
100%
Auf keinen Fall
Quelle: Umfragen des Lewada-Zentrums vom 6.–10. Juni 2013, N = 1601. Veröffentlicht am 27. Juni 2013, unter:
<http://www.levada.ru/print/27-06-2013/obshchestvennoe-mnenie-ob-izderzhkakh-olimpiady>
Grafik 8: Sollte Russland Ihrer Meinung nach für solche Imageprojekte große Mittel einsetzen?
Jun
2013
Apr
2011
0%
10%
Auf jeden Fall
20%
30%
Eher ja
40%
50%
Keine Antwort
60%
70%
Eher nein
80%
90%
100%
Auf keinen Fall
Quelle: Umfragen des Lewada-Zentrums vom 6.–10. Juni 2013, N = 1601. Veröffentlicht am 27. Juni 2013, unter:
<http://www.levada.ru/print/27-06-2013/obshchestvennoe-mnenie-ob-izderzhkakh-olimpiady>
RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
19
Grafik 9: Wie stehen Sie zur Durchführung der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi?
Gesamt
Mann
Frau
18-30
31-45
45-60
Älter als 60 Jahre
Mittlere Allgemeinbildung
Mittlere Berufsausbildung
Hochschulbildung
Moskau
Stadt, über 1 Mio. Einwohner
Stadt, 250.000 – 1 Mio. Einwohner
Stadt, 50.000 – 250.000 Einwohner
Stadt unter 50.000 Einwohnern
Dorf
Generation-21
0%
10%
Positiv
20%
30%
40%
Gleichgültig
50%
60%
70%
Keine Antwort
80%
90%
100%
Negativ
Quelle: Umfragen der Stiftung Öffentliche Meinung vom 12.–13. Oktober 2013, N = 1500. Veröffentlicht am 28. Oktober 2013
unter: <http://fom.ru/obshchestvo/11159>.
Grafik 10: Wirken sich Vorbereitungen auf die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi auf
die wirtschaftliche Entwicklung Russlands aus? Wenn ja, wie?
Gesamt
Mann
Frau
18-30
31-45
45-60
Älter als 60 Jahre
Mittlere Allgemeinbildung
Mittlere Berufsausbildung
Hochschulbildung
Moskau
Stadt, über 1 Mio. Einwohner
Stadt, 250.000 – 1 Mio. Einwohner
Stadt, 50.000 – 250.000 Einwohner
Stadt unter 50.000 Einwohnern
Dorf
Generation-21
0%
Positiv
10%
20%
30%
Wirken sich nicht aus
40%
50%
60%
Keine Antwort
70%
80%
90%
100%
Negativ
Quelle: Umfragen der Stiftung Öffentliche Meinung vom 12.–13. Oktober 2013, N = 1500. Veröffentlicht am 28. Oktober 2013
unter: <http://fom.ru/obshchestvo/11159>.
RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
20
Grafik 11: Wird für die Olympischen Winterspiele 2014 zu viel, zu wenig oder gerade ausreichend investiert?
Gesamt
Mann
Frau
18-30
31-45
45-60
Älter als 60 Jahre
Mittlere Allgemeinbildung
Mittlere Berufsausbildung
Hochschulbildung
Moskau
Stadt, über 1 Mio. Einwohner
Stadt, 250.000 – 1 Mio. Einwohner
Stadt, 50.000 – 250.000 Einwohner
Stadt unter 50.000 Einwohnern
Dorf
Generation-21
0%
10%
Mehr als nötig
20%
30%
40%
Ausreichend
50%
60%
70%
Keine Antwort
80%
90%
100%
Zu wenig
Quelle: Umfragen der Stiftung Öffentliche Meinung vom 12.–13. Oktober 2013, N = 1500. Veröffentlicht am 28. Oktober 2013
unter: <http://fom.ru/obshchestvo/11159>.
Grafik 12:Sind bei den bevorstehenden Olympischen Winterspielen in Sotschi folgende Ereignisse möglich? (Mehrere Antwortmöglichkeiten)
Terroranschläge
25%
Boykott der Olympiade
16%
Demonstrationen der LGBTGemeinde
13%
Aktionen von
Umweltschützern
12%
Nichts wird passieren
37%
Keine Antwort
18%
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
35%
40%
Quelle: Umfragen des Lewada-Zentrums vom 25.–28. Oktober 2013, N = 1603. Veröffentlicht am 26. November 2013 unter:
<http://www.levada.ru/print/26-11-2013/vozmozhnye-sobytiya-na-zimnei-olimpiade-v-sochi>
RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
AUS RUSSISCHEN BLOGS
Verdammte Winterspiele
»Geknebelte Olympische Spiele«
Die Vorbereitung der Winterspiele in Sotschi hatte eine Unterdrückung der Zivilgesellschaft, Verfolgung von Aktivisten, Beeinträchtigung der Rechte der lokalen Bevölkerung, Einschränkung der Arbeit von Journalisten, ein Totschweigen der Willkür von Polizisten und Vernichtung der Natur zur Folge. Arbeitsmigranten, die bei der Errichtung des
Olympischen Dorfs und der Infrastruktur in Sotschi eingesetzt wurden, mussten unter menschenunwürdigen Lebensbedingungen hausen. Gastarbeiter wurden wie Sklaven behandelt und sollen gefoltert worden sein. Lokale Menschenrechtler und Umweltaktivisten werden bedroht, ihre Wohnungen durchsucht. Gegen die letzten unabhängigen Medien
üben regionale Behörden massiven Druck aus. Das Recht auf Freizügigkeit, Versammlungs- und Pressefreiheit werden
während der Winterspiele in Sotschi stark eingeschränkt sein. Aufnahmen und Videos mit Handys für Journalisten
der Printmedien strikt verboten. Besucher dürfen keine professionellen Video- und Spiegelreflex-Kameras benutzen.
So empört sich der Journalist Jewgenij Titow, wie »freie schöne Olympische Spiele zu einem geheimen Ereignis
eines altersschwächelnden Präsidenten« geworden sind: »die Sicherheitsorgane haben eine verzerrte Sicherheitsformel
im Kopf: Geschlossenheit plus Totschweigen plus Unterdrückung gleich Sicherheit der Olympischen Spiele in Sotschi.
Das Image der Olympischen Spiele scheint wichtiger zu werden, als die tatsächlichen Olympischen Spiele. Ein Sportereignis des 21. Jahrhunderts wird nach Maßgabe der Vorstellungen von 1937 durchgeführt.«
»Geknebelte Olympiade« von Jewgenij Titow, 11. November 2013; <http://estitov.livejournal.com/384822.html>
Hauptrisiko in Sotschi 2014
Das Hauptproblem der Winterspiele in Sotschi ist ganz und gar nicht der Terrorismus, sondern die fürchterliche Qualität der Bauarbeiten. Den Terrorismus wird Putin schon bekämpfen. Er muss nur ausreichend Tschekisten und »Extremismusbekämfer« nach Sotschi schicken sowie Mitarbeiter von Gazprom und Russischer Bahn auf die Tribüne setzten, den Fan-Pass einführen und den Einwohnern verbieten, auszugehen und Auto zu fahren. Auf der Baustelle ist
alles viel komplizierter«, schreibt Boris Nemzow. Der oppositionelle Politiker weist darauf hin, dass Anfang November
schon das dritte Mal ein Sturm das System neuer Uferbefestigungen aus Beton im Imeretinskij-Tal verwüstet hat. Das
Objekt ist für die ganze Infrastruktur der Stadt und als Schutz der Stadien und Hotels gegen das Meer und Unterspülungen lebenswichtig. Nach Angaben von Nemzow wurden in Sotschi neue Gebäude auf dem subtropischen Sumpf
im Erdbebengebiet ohne richtige Experten-Gutachten gebaut. Die Bauarbeiten hat die Firma »Inschtransstroj« durchgeführt, die Arkadij Rotenberg gehört, einem engen Freund von Wladimir Putin und dessen ehemaligen Judo-Trainingspartner. »Uns bleibt zu hoffen, dass niemand während und nach den Winterspielen in Sotschi verletzt wird…«
»Hauptrisiko der Olympischen Spiele in Sotschi« von Boris Nemzow, 3. November 2013; <http://besttoday.ru/subjects/1773.
html#60127>
Sotschi 2014: nur für den Export!
Der Skandal mit den Journalisten aus Norwegen, die trotz offizieller Akkreditierung im November 2013 festgenommen und bedroht wurden, war nur ein weiteres Zeichen im Gesamtbild des kommenden Ereignisses in Sotschi. Schon
jetzt ist klar, dass Putin die Winterspiele 2014 ausschließlich für die Außenwelt veranstaltet. Die einheimische Bevölkerung wird und ist bereits von Sotschi ferngehalten. Die Olympischen Spiele werden als Schaufenster für den Export
des neuen Russlandbildes instrumentalisiert. Die Russische Regierung kann sich aber mit diesem Konzept bis auf die
Knochen blamieren, da längst bekannt ist, dass die Aufmerksamkeit der Welt genau auf diejenigen Dinge gerichtet
ist, welche der Staat zu verbergen versucht.
»Olympische Spiele für Export« von Oleg Kosyrew, 6. November 2013; <http://oleg-kozyrev.livejournal.com/4681067.html>
Olympische Spiele, die auf die Nerven gehen
Nach dreißig Jahren werden wieder Olympische Spiele in Russland stattfinden. Die Russen hätten sich darüber freuen
und stolz auf ihr Land sein können. Es herrschen aber gespaltene Gefühle in Bezug auf das Weltsportereignis Nummer Eins. Russische Psychologen sagen, dass die Olympischen Spiele in Sotschi den russischen Bürgern zunehmend
auf die Nerven gehen, weil die Nachrichten über ein ständig steigendes Budget der Winterspiele und die Konzentration öffentlicher Ressourcen für das Projekt stark mit dem prekären Zustand der Infrastruktur kontrastieren. Während mehr als ein Drittel der Bevölkerung Russlands laut Rosstat ohne Warmwasser leben, erreicht die Olympische
Flamme zum ersten Mal in der Geschichte der Olympischen Spiele den Nordpol und besucht die Internationale Weltraumstation, selbstverständlich auf Kosten der Steuerzahler.
21
RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
Ein anderer Grund für die ablehnenden Reaktion ist auf die Kluft zwischen den Interessen der herrschenden Eliten und der Bürgern zurückzuführen. Mit dem Image-Projekt Sotschi 2014 versucht die Staatsführung, das Russlandbild in der Welt zu verbessern und den verlorenen Ruf der Supermacht wiederzubeleben. Die Bürger beschäftigen
sich aber hauptsächlich mit materiellen Sorgen und kämpfen ums Überleben. Die Richtigkeit der Entscheidungen der
Regierung wird aber von der überwiegenden Zahl der Russen nur deshalb nicht in Frage gestellt, weil sie nicht mehr
an Gerechtigkeit als solche glauben. Der fehlende Glaube an die Werteordnung und der Zynismus, die zur Norm
in der Gesellschaft geworden sind, führen zu dem allgemeinen Mißtrauen. In einer solchen Situation werden selbst
äußerst positive Ereignisse, wie etwa Olympische Spiele, oft als eigennützige Projekte von Beamten und Wirtschaftseliten wahrgenommen.
»Olympische Spiele, die auf Nerven gehen. Wie sehen es die Psychologen?« von Walerij Sawelijew, 19. Oktober 2013;
<http://vg-saveliev.livejournal.com/512027.html>
Heben die Olympischen Spiele die Amnestie auf?
Wladimir Putin beauftragte den Menschenrechtsrat beim Präsidenten, für die Amnestie anlässlich des 20. Jahrestags
der russischen Verfassung eine Liste von Gefangenen vorzubereiten. Die Amnestie soll am 12. Dezember 2013 verkündet werden. Allerdings bleibt zu wenig Zeit für eine Verabschiedung des Amnestie-Gesetzes durch die Staatsduma
sowie seine Umsetzung durch die Strafvollzugsbehörde (FSIN). Der Grund zur Verzögerung mit der Amnestie könnte
an der Vorbereitung für die Winterspiele in Sotschi liegen, meint der Journalist Irek Murtasin von der Nowaja Gaseta.
Russland hat bereits große Erfahrungen mit der Durchführung von Olympischen Spielen gemacht. Bereits im
Frühjahr 1980 wurden beispiellose Sicherheitsmaßnahmen in der ganzen Sowjetunion ergriffen. Miliz und KGB wurden intensiv in den Regionen eingesetzt. Verdächtige wurden unter Kontrolle gestellt. In Moskau fand eine totale Säuberung statt. Tausende Obdachlose und »unerwünschte Elemente« wurden aus der Hauptstadt hinter den 101. Kilometer verbannt.
Ähnliche Aktionen laufen momentan im Süden Russlands. Die Sicherheit bei den Winterspielen in Sotschi hat für
Putin höchste Priorität. Wenn die Amnestie zum 20. Jahrestag der russischen Verfassung doch durchgesetzt sein wird,
dürften die Gefangengen mit der Freilassung erst nach den Winterspielen rechnen können.
»Heben die Olympische Spiele die Amnestie auf?« von Irek Murtasin, 28. November 2013; <http://irek-murtazin.livejour
nal.com/1076598.html>
Ausgewählt und zusammengefasst von Sergey Medvedev, Berlin
(Die Blogs, auf die verwiesen wird, sind in russischer Sprache)
NOTIZEN AUS MOSKAU
Sotschi im Schnelldurchgang: Prestige, Selbstvergewisserung, Korruption,
Viktor Jerofejew und der Weißmeerkanal
Jens Siegert, Moskau
D
ie Olympischen Winterspiele in Sotschi beginnen
in zwei Monaten, also sehr bald. Und dieser Blog
hat sie noch nicht zum Thema gehabt. Wohl ein Versäumnis. Wenn ich so nachdenke, liegt das aber daran,
dass mir dazu eher zu viel einfällt als zu wenig. Man
könnte über Sotschi und die Korruption schreiben. Über
Sotschi und den Nordkaukasus. Über Sotschi, Abchasien und Georgien. Über Sotschi und die Umwelt. Über
Sotschi und den Umgang mit der eigenen Bevölkerung.
Über Sotschi als Sicherheitsproblem. Über Sotschi als
nationales und persönliches Prestigeprojekt. Über Sot-
schi und den Polizeistaat. Über Sotschi als nationale
Selbstversicherung. Über Sotschi, Russland und Doping.
Und selbstverständlich auch über Sport.
Also im Schnelldurchgang: Offiziell rund 40 Milliarden Euro kosten die Sotschi-Spiele inzwischen. Das
ist gut sechsmal mehr als ihre Vorgänger in Vancouver 2010 (was in Kanada ziemlich kritisch diskutiert
wurde). Es gibt wohl niemanden in Russland, der oder
die nicht davon überzeugt ist, dass ein erheblicher Teil
dieses Geldes geklaut worden ist. Aber es geht ums nationale Prestige. Und geklaut wird überall im russischen
22
RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
Staat. Deshalb schaut man erstmal weg, zumindest bis
der Medaillenspiegel feststeht (und Russland, so natürlich die große Hoffnung bei Führung und Volk, ganz
oben zu finden ist).
Der Nordkaukasus bleibt unruhig (bis auf die mit
viel Blut und Leid erkaufte Ruhe in Tschetschenien). Die
nordkaukasischen Regionalpotentaten haben, zumindest bis Sotschi, eine carte blanche. Hauptsache es bleibt
ruhig. Ansonsten gibt es in Russlands Süden Russlands
Polizei, Geheimdienst, Armee, noch mehr Polizei, noch
mehr Geheimdienst und noch mehr Armee. Alles, was
auch nur ansatzweise verdächtig ist, wird kontrolliert
und reglementiert. Sotschi wird eine Festung sein, wie
es bisher nur G8- oder G20-Tagungsorte waren. Hoffentlich (und ich hoffe das wirklich und selbstverständlich aus ganzem Herzen!) geht alles gut.
Ob deswegen aber alle paar Tage (ausländische) Journalisten drangsaliert werden müssen, regionale Umweltaktivisten festgesetzt oder ins Ausland getrieben, und
die 30 armen Greenpeace-Aktivisten (als Warnung für
alle, die auf die Idee kommen könnten, die weltweite
Olympiaaufmerksamkeit für ihre auch noch so berechtigten Anliegen nützen zu wollen) zu hohen Haftstrafen verurteilt werden müssen, wage ich zu bezweifeln,
fürchte aber, damit hier im Land in der Minderheit zu
sein. Für Sotschi ist (fast) nichts zu teuer.
Georgien und Abchasien vergessen wir während der
Olympischen Spiele lieber. Das ist zu verwickelt und
stört, seit Putins persönlicher Lieblingsfeind Michail
Saakaschwili nicht mehr georgischer Präsident ist, nicht
wirklich.
(Zu) Viele Doping-Disqualifizierungen russischer
Athleten könnten die Spiele natürlich verderben. Bei
fast allen großen Sportereignissen der jüngeren Vergangenheit waren russische Sportler überdurchschnittlich
unter den Dopingsündern vertreten. Mitte November
entzog die internationale Antidopingagentur WADA
dem nationalen russischen Doping-Labor in Moskau
die Zulassung. Da fehlte wohl das Vertrauen in die notwendige Unabhängigkeit und Objektivität. Das IOC
erklärte aber flugs, die Dopingkontrollen während der
Spiele seien auch so gesichert. Doch das Gastgeberland
bloßstellen? Das passt weder zum IOC, noch zu anderen internationalen Sportverbänden. Und in Russland
selbst glauben ohnehin die meisten, dass Dopingkontrollen nur eine (natürlich westliche – immer dieser
Rechtstaat!) Abart des unfairen Wettkampfs sind, nicht
das Doping selbst. Hier treffen sich Volk und Führung
erneut in der zynischen (aber vielleicht gar nicht so falschen) Annahme, dass ohnehin alle dopen.
Das war der Schnelldurchlauf. Nun komme ich zum
Wesentlichen. Sotschi war und ist als Krone der Putinschen Konsolidierung des russischen Staates gedacht.
Das wiedererstarkte (Kremldiktion: »von den Knien
wieder auferstandene«) Russland zeigt sich und der Welt
seine wiedergewonnene Kraft und Herrlichkeit. Und
es zeigt sie sich selbst. Das darf der tief verunsicherten
(und gespaltenen) Nation nicht misslingen.
Einen Vorgeschmack gibt schon der Fackellauf. Die
Fackel, mit der die olympische Flamme seit Wochen
kreuz und quer durchs Land getragen wird, ist eine
Spezialanfertigung der russischen Rüstungsindustrie,
des Stolz-, Herz-, und Reststücks russischer Innovationskraft. Viele Millionen Rubel hat die Entwicklung
gekostet. In den sozialen Netzwerken wird, mal höhnisch, mal bangend, gezählt, wie oft sie schon ausgegangen ist (Schon Ende Oktober, in St. Petersburg, war man
bei 30 mal angekommen). Nun war die Fackel schon
am Nordpol und im westlichen Kaliningrad, im Fernen
Osten und im All. Auf den 5642 Meter hohen Elbrus,
den höchsten Berg Europas, wird sie zum Schluss erneut
in dünne Luft getragen, bevor mit ihr im nahen Sotschi, dem südlichsten Punkt Russlands, das olympische
Feuer entzündet wird. Das war, natürlich, die längste
Fackeltour der olympischen Geschichte. Ein wenig erinnert das an einen Hund, der sein Gelände markiert, um
allen Konkurrenten zu zeigen, von wo sie sich gefälligst
rauszuhalten haben.
Das Hohelied auf die Staatsmacht mit ihrem Führungsmann Wladimir Putin, die Russland wieder zur
»Siegernation« gemacht hat (siehe auch meinen Blogeintrag zur »einfachen Erinnerung« <http://russland.boell
blog.org/2013/10/30/russische-erinnerung-bisher-liebereinfach-als-kompliziert/>), kommt bisher noch ein wenig
heiser herüber. Aber bisher gibt es die Siege von Sotschi
ja auch noch nicht. Bang wird es, sollten sie ausbleiben.
Einen in jeder Hinsicht bemerkenswerten Versuch
hat dieser Tage der auch in Deutschland bekannte, vielseits geschätzte und als FAZ-Kolumnist tätige Schriftsteller Viktor Jerofejew geliefert. In der gemäßigt kremlkritischen Tageszeitung »Kommersant« sang er ein Lied
auf den »kräftigen Hausherrn«, der die Spiele ermöglicht,
ja durch seinen Willen erst möglich gemacht habe. Wer
damit gemeint ist, wird nicht gesagt, versteht sich aber
von selbst. Hier ein paar ausgewählte Zitate:
»Als mir der Bürgermeister von Sotschi, Anatolij Pachomow, ein Mann mit willensstarkem Blick, mit Stolz und
Zuneigung die olympischen Objekte kosmischen Maßstabs
zeigte, glaubte ich meinen Augen nicht… Wir bekommen
am Schwarzen Meer die Olympiastadt Sotschi, umgewandelt, nicht wiederzuerkennen…«
»Die Sonne Russlands, sage ich dem Bürgermeister mit
einem leichten Lächeln, geht nun in Sotschi auf…«
»Ja, Sotschi dient unserer Europäisierung. Und stellen
Sie sich vor… was die Sportler und Touristen denken werden, wenn sie nach Sotschi kommen? Sie sagen: Man hat
23
RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
uns gesagt, Russland sei ein Kühlschrank. Aber Russland,
das sind Palmen und Bambusgewächse! Riviera!«
»Wissen Sie, ich habe vor zehn Jahren eine Autobiographie mit dem Titel »Der gute Stalin« geschrieben… Der
schlechte Stalin, das ist 1937. Aber der gute erfreut das
Volk, baut Staudämme, straft, aber nicht millionenfach.
Und nun hat jemand in der Art der guten Stalins sich der
Olympiade in Sotschi angenommen und die Sache bis zu
Ende gebracht.«
»Wir haben nicht das schlechteste Regime… Wenn wir
eine Revolution machen, dann erwartet uns eine neue
Katastrophe… Ich sage: Danke den kräftigen Bauleuten
und Bauherren in Sotschi! Erfolg den Sportlern! Glück
den Fans!«
Hier nicht an Maxim Gorki und den Weißmeerkanal zu denken, ist unmöglich. Gorki reiste 1933 zusammen mit Alexej Tolstoj, Boris Pilnjak, Ilf und Petrow,
Soschtschenko und anderen sowjetischen Schriftstellern an den von Gulaghäftlingen oft buchstäblich mit
ihren Händen gegrabenen Wasserweg von Leningrad
ans Weiße Meer. Unter seiner, des unangefochtenen
Doyens der sowjetischen Literatur jener Zeit Herausgeberschaft verfassten sie eine verlogene Eloge auf den
Bau des Kanals.
Was treibt nun den »eigentlich« dem liberalen, putinkritischen, »europäischen« Lager des russischen Politik-
24
kosmos zugerechneten Jerofejew dazu, Putin unverhohlen mit dem »guten Stalin« zu vergleichen (im deutschen
Kontext: dem, der die Autobahnen gebaut hat)? Möchte
er sich eventuell mit dem großen Gorki gleichsetzen?
Spürt er vielleicht mit feiner Nase, dass ein wenig vorauseilende Unterordnung dieser Tage angebracht ist? Oder
wird er dereinst allen Kritikern spöttisch entgegen halten, das sei doch alles hochironisch gemeint, und wie
hätte auch nur irgendjemand mit Verstand das ernst
nehmen können?
Natürlich ist Putin kein Stalin und Russland nicht
die Sowjetunion. Allein der Hauch eines Vergleichs
führt analytisch in die Irre. Die heutigen Herrscher
Russlands sind geldgeile Kapitalisten und keine Revolutionäre. Aber das (jeweils eigene) Bild Stalins in allen
russischen Köpfen ist so groß und wirkmächtig, dass
nur wenige der Versuchung wiederstehen können, mit
ihm zu spielen, es (aus)zu nutzen. Was auch immer sich
Jerofejew mit diesem Sowjetstyle-Text gedacht hat: Es
lässt nichts Gutes ahnen.
Diesen und andere Texte finden Sie auf Jens Siegerts Russlandblog <http://russland.boellblog.org/>.
Grafik 13:Würden Sie die Olympischen Winterspiele in Sotschi gerne besuchen? Wenn ja, glauben Sie, dass Ihnen das gelingt?
Gesamt
Mann
Frau
18-30
31-45
45-60
Älter als 60 Jahre
Mittlere Allgemeinbildung
Mittlere Berufsausbildung
Hochschulbildung
Moskau
Stadt, über 1 Mio. Einwohner
Stadt, 250.000 – 1 Mio. Einwohner
Stadt, 50.000 – 250.000 Einwohner
Stadt unter 50.000 Einwohnern
Dorf
Generation-21
0%
Nein
10%
20%
Gelingt mir
30%
40%
50%
Keine Antwort
60%
70%
80%
90%
100%
Gelingt mir nicht
Quelle: Umfragen der Stiftung Öffentliche Meinung vom 12.–13. Oktober 2013, N = 1500. Veröffentlicht am 28. Oktober 2013
unter: <http://fom.ru/obshchestvo/11159>.
RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
CHRONIK
Vom 22. November bis zum 5. Dezember 2013
22.11.2013
Wladislaw Baumgertner, Generaldirektor des Unternehmens »Uralkali«, wird von Belarus nach Moskau ausgeliefert und dort in Untersuchungshaft überführt. Baumgertner war Ende August in Minsk festgenommen worden. Die belarussischen Behörden warfen ihm vor, als Aufsichtsratsvorsitzender der Belarusian Potash Company
(BPC) sein Amt missbraucht und Belarus Schaden zugefügt zu haben.
22.11.2013
29 der 30 Greenpeace-Aktivisten werden gegen Zahlung einer Kaution von jeweils 2 Million Rubel (ca. 45.000 €)
aus der Untersuchungshaft in St. Petersburg entlassen. In Hamburg entscheidet der Internationale Seegerichtshof, dass Russland das Schiff sowie die Besatzung der »Arctic Sunrise« unverzüglich freizugeben habe. Russland
erkennt das Urteil nicht an.
22.11.2013
Die russische Staatsduma verabschiedet in dritter Lesung eine Gesetzesnovelle, mit der die Zusammenlegung des
Obersten Gerichtshofes und des Obersten Arbitragegerichts verfügt wird.
22.11.2013
Sergej Kriwow, Angeklagter im »Bolotnaja-Verfahren«, beendet seinen zweimonatigen Hungerstreik und wird in
die Krankenstation eines Moskauer Untersuchungsgefängnisses verlegt. Zuvor hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Regierung Russlands aufgefordert, ihn über Zustand des Untersuchungsgefangenen
und seine medizinische Betreuung zu informieren.
23.11.2013
Ministerpräsident Dmitrij Medwedew unterzeichnet eine Anweisung, wonach russische Goldmedaillengewinner
bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 4 Mio. Rubel (ca. 89.000 €) Preisgeld erhalten. Für eine Silbermedaille werden 2,5 Mio. Rubel (ca. 56.000 €), für eine Bronzemedaille 1,7 Mio. Rubel (ca. 38.000 €) Preisgelder
an russische Sportler vergeben. Derweil geht die Olympische Fackel auf Tauchgang zum Grund des Baikalsees.
25.11.2013
Präsident Wladimir Putin erhält eine Audienz bei Papst Franziskus in Rom. Im Anschluss trifft er mit dem italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano zusammen. Im Zentrum stehen die wirtschaftlichen Beziehungen sowie die Situation in Nahost.
25.11.2013
Bei einer Polizeirazzia nach illegalen »Gastarbeitern« werden im Einkaufszentrum »Moskau« im Moskauer Stadtteil Ljublino 700 Personen festgenommen.
26.11.2013
Präsident Wladimir Putin trifft in Triest mit dem italienischen Ministerpräsidenten Enrico Letta zusammen. Bei
Gesprächen werden mehrere Abkommen unterzeichnet, u. a. eine Vereinbarung über ein gemeinsames Jahr des
Tourismus zwischen Russland und Italien 2013–2014. Vor dem Treffen war Putin informell mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi zusammengetroffen.
26.11.2013
Die Schokoladenprodukte des ukrainischen Unternehmens »Roshen« dürfen wieder nach Russland importiert
werden. Die russische Lebensmittelkontrollbehörde hatte Ende Juli die Qualität der Waren in Frage gestellt und
einen Einfuhrstopp verhängt.
26.–
27.11.2013
In einem Vorort von Machatschkala (Dagestan) werden drei Untergrundkämpfer bei einem Sondereinsatz der
Sicherheitskräfte getötet, u. a. der Anführer der Kämpfer im Rayon Kaspijsk.
27.11.2013
Nach Protesten wird ein Ausstellungspavillon in Form eines Louis- Vuitton-Koffers entfernt, der aus Werbezwecken
auf dem Roten Platz aufgebaut wurde. Die Präsidialadministration erklärt, sie habe keine Genehmigung erteilt.
27.11.2013
Das russische Innenministerium teilt mit, dass in Moskau 15 Anhänger der extremistischen Organisation »Takfir wa‘l-Higra« festgenommen wurden. Dabei habe man auch Sprengsätze und Waffen konfisziert.
27.11.2013
Bei einem Sondereinsatz der Sicherheitskräfte in Nasran (Inguschetien) werden zwei Untergrundkämpfer getötet.
28.11.2013
Das Strafverfolgungskomitee eröffnet ein weiteres Strafverfahren gegen den ehemaligen Verteidigungsminister
Anatolij Serdjukow. Man wirft ihm Vernachlässigung der Dienstpflichten vor, da in seinem Verantwortungsbereich durch Veruntreuung von Haushaltsmitteln ein Schaden von 56 Mio. Rubel (ca. 1,2 Mio. €) entstanden sei.
28.11.2013
Der letzte der Greenpeace-Aktivisten der »Arctic Sunrise« wird gegen eine Kaution von 2 Million Rubel (ca.
44.400 €) aus der Untersuchungshaft entlassen.
28.11.2013
Präsident Wladimir Putin wird in Sotschi über den Vorbereitungsstand der Olympiade unterrichtet. Er erklärt,
dass die Neujahrsfeiertage für alle Verantwortlichen der Winterspiele erst zum letzten Tag der Paralympics am
18. März 2014 beginnen.
29.11.2013
Ein Moskauer Bezirksgericht verlängert die Untersuchungshaft des ehemaligen Bürgermeisters von Jaroslawl
Jewgenij Urlaschow bis zum 3. März 2014. Urlaschow war Anfang Juli unter dem Vorwurf der Erpressung und
Bestechlichkeit festgenommen worden.
30.11.2013
Natalja Gorbanewskaja, Dichterin, Übersetzerin, Menschenrechtlerin und Mitglied der sowjetischen Dissidentenbewegung stirbt im Alter von 77 Jahren in Paris. Gorbanewskaja wurde nach der Demonstration vom 25.
August 1968 gegen den Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei zwangsweise in
die Psychiatrie eingeliefert, durfte aber 1975 nach Paris emigrieren.
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RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
02.12.2013
Präsident Wladimir Putin trifft zu einem Staatsbesuch in Armenien ein. Nach einem Besuch der russischen Militärbasis bespricht er mit seinem Amtskollegen Sersch Sargsjan die bilaterale Zusammenarbeit und den Beitritt
Armeniens zur Zollunion und dem Einheitlichen Wirtschaftsraum. Als Anreiz wird Armenien der Exportzoll
auf russische Energieträger erlassen und der Gaspreis auf 189 US-Dollar pro 1.000 m³ reduziert. Zudem übernimmt Gazprom die letzten 20 % der Anteile von »Armrosgazprom«, dem armenischen Gasnetzbetreiber, und
erlässt im Gegenzug 155 Mio. US-Dollar Gasschulden.
02.12.2013
Präsident Putin unterzeichnet einen Erlass zur Gründung des »Vereinigten Raketen- und Weltraumkorporation« (ORKK), das alle Staatsunternehmen der Raketen- und Raumfahrttechnik vereinen soll. Bei der föderalen Agentur »Roskosmos« verbleiben jedoch die wissenschaftlichen Einrichtungen und die Bodeninfrastruktur.
02.12.2013
Präsident Putin unterzeichnet den Föderalen Haushalt für 2014 und den Haushaltsplan für 2015–2016. Dieser
sieht im Jahr 2014 Einnahmen von 13,57 Billionen Rubel (ca. 300,4 Mrd. €) bei Ausgaben um die 13,96 Billionen Rubel (ca. 309 Mrd. €) vor. Das Defizit soll 389,6 Mrd. Rubel (ca. 8,6 Mrd. €) oder 0,5 % des BIP betragen, das sich 2014 auf 73,315 Billionen Rubel (ca. 1,6 Billionen €) bei einer Inflationsrate von 5 % belaufen soll.
03.12.2013
Transparency International veröffentlicht den »Korruptionswahrnehmungsindex« für 2013. Russland verbessert
sich bei gleicher Vorjahreswertung um sechs Plätze auf den 127. Platz, gleichauf mit Pakistan, Mali, Madagaskar und Aserbaidschan.
03.12.2013
Ein Moskauer Bezirksgericht verurteilt drei Personen wegen des Säureanschlags auf den Ballettmeister des Bolschoj Theaters Sergej Filin. Pawel Dmitritschenko, Tänzer am Theater, erhält als Organisator sechs Jahre, der
eigentliche Täter zehn und der Fahrer vier Jahre Haft.
03.12.2013
Präsident Wladimir Putin stellt sich in der Moskauer Staatlichen Universität (MGU) zum »Tag der Juristen«
den patriotischen Fragen von Jurastudenten aller Moskauer Universitäten. Im Anschluss nimmt er an der ersten
Kuratoriumssitzung der MGU teil, deren Vorsitz er übertragen bekommt. Im Kuratorium sitzen mehrere Vorsitzende von Staatsunternehmen.
04.12.2013
Genri Resnik, Präsident der Moskauer Anwaltskammer, bestätigt den Entzug des Anwaltsmandates des Bloggers
und Oppositionsaktivisten Alexej Nawalnyj wegen der Bewährungsstrafe im »Kirowles«-Verfahren. Das Oberste
Gericht lehnt zudem eine Klage Nawalnyjs gegen das Wahlergebnis bei den Moskauer Bürgermeisterwahlen ab.
04.12.2013
Ministerpräsident Dmitrij Medwedew empfängt den Stellvertretenden ukrainischen Ministerpräsidenten Jurij Bojko.
Im Zentrum des Gesprächs steht die Entwicklung der bilateralen Beziehungen unter anderem im Erdgassektor.
05.12.2013
Das Innenministerium teilt mit, im Moskauer Gebiet rund 2,500 illegale Gastarbeiter in einer Textilfabrik festgenommen zu haben. Allein in Moskau hat sich 2013 die Zahl der Strafverfahren wegen illegaler Migration um
das Sechzigfache erhöht.
05.12.2013
Präsident Wladimir Putin nimmt in Moskau an einer Konferenz der »Allrussischen Volksfront« zu den Themen
Wirtschaft, Gesundheitsfürsorge, Wohn- und Kommunalwirtschaft, Bildung und Kultur teil.
Sie können die gesamte Chronik seit 1964 auch auf <http://www.laender-analysen.de/russland/> unter dem Link »Chronik« lesen.
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RUSSLAND-ANALYSEN NR. 268, 06.12.2013
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