IVS NW 4.4 - Der Bundesrat admin.ch

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IVS NW 4.4 - Der Bundesrat admin.ch
IVS
INVENTAR HISTORISCHER
VERKEHRSWEGE
DER SCHWEIZ
Strecke NW 4
Linienführung 4
Landeskarte
GESCHICHTE
NW 4.4
IVS Dokumentation
Kanton Nidwalden
Bedeutung National
Seite 1
Die Dokumentation beschreibt auch Objekte (Strecken,
Linienführungen, Abschnitte), welche nur noch wenig oder keine
historische Wegsubstanz enthalten. Diese sind in der Inventarkarte
als graue Linien dargestellt. Sie sind historische Verkehrswege von
nationaler Bedeutung, sind aber nicht Teil des Bundesinventars (Art.
3 VIVS).
Stans - Engelberg
Kunststrasse von 1869 - 1874
1171
Stand Juni 1994 / LA
Die Darstellung der Baugeschichte der Kunststrasse nach
Engelberg folgt hauptsächlich der Darstellung von HESS (1961:
188f.).
Schon vor der Fertigstellung der Brünigstrasse (1861) gelangte
Engelberg mit dem Wunsch nach dem Bau einer Strasse von
Grafenort nach Engelberg an die Regierung in Sachseln. Ein
Beschluss bezüglich einer neuen Strasse wurde aber erst 1865
gefasst. Ingenieur Diethelm aus Lachen (SZ) verfasste in
regierungsrätlichem Auftrag ein Projekt. Dieses hatte eine Länge
von 12‘000 Fuss und eine Breite von 15 Fuss, stieg mit 7 – 10 % an
und führte von Apperschwändli [Rapperschwändi] bis Wegmatt auf
dem Espen. Es beschränkte sich im wesentlichen auf eine
Korrektur der alten Landstrasse. Die Kosten waren mit 13‘000 bis
15‘000 Franken veranschlagt, je nach dem Termin der Vollendung.
Dabei rechnete Diethelm mit der unentgeltlichen Abgabe des
benötigten Bodens durch die Gemeinde und das Kloster. Engelberg
widersetzte sich jedoch vorerst dem Projekt.
Im Jahre 1869 wurde die Strasse Stans - Grafenort fertiggestellt.
Gleichzeitig nahm auch der Tourismus einen bedeutenden
Aufschwung. Es entstanden in Engelberg die neuen Hotels Titlis
und Sonnenberg. Das Gasthaus "zum Engel" wurde ausgebaut und
erweitert; andere Gasthäuser folgten seinem Beispiele. Das damit
verbundene, grössere Transport- und Verkehrsaufkommen verlieh
der Forderung nach einer neuen Strasse auch auf dem Gebiet des
Kantons Obwalden neues Gewicht.
Am 8. Februar richteten Kloster und Tal Engelberg ein Schreiben
mit einem entsprechenden Gesuch an den hohen Kantonsrat von
Obwalden. Das neue Projekt stammte wieder aus der Feder von
Ingenieur Diethelm. Dieses wurde in der Sitzung vom 3. März
behandelt. Der Kantonsrat überwies die Eingabe an die nächste
Landsgemeinde, welche einen entsprechenden Kredit bewilligte.
Darauf wurden die Vorarbeiten eingeleitet.
Die Vorgaben des neuen Strassenprojektes umfassten folgende
Bedingungen: Eine rationelle Strassenkorrektur mit einer 1870 neu
zu vermessender Strassenlinie bei maximal 9 % Steigung und einer
Strassenbreite von 16 Fuss, an schwierigen Stellen von 15 Fuss.
Die Strasse sollte am 1. Juli 1874 fahrbar sein. Ein besonderer
Passus regelte den Beitrag des Klosters und der Talschaft
Engelberg, die bis anhin die Strasse unterhalten hatten: "[…] wofern
aber Thal und Kloster Engelberg die Verzinsung der auf den Staat
fallenden Baukosten vom 1. Juli 1872 bis 1. Juli 1874, also zwei
Jahre, übernehmen will, so verpflichtet sich der Staat, bis 1. Juli
1872 die ihm obliegende Strasse fahrbar zu machen. Hierbei wird
bedungen, dass das Kloster die gleiche Strecke, welche es bisher
unterhalten hat, sowohl im Grafenort als im Thal Engelberg in
seinen Kosten nach den Plänen des von der h. Regierung mit
dieser Arbeit betrauten Fachmannes in gleicher Zeitfrist erstelle und
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auch künftighin unterhalte, in der Meinung, dass es nur zur
planmässigen Nivellierung und Verbreiterung der bisherigen
Strasse und nicht zur Anlage eines neuen Tracés verpflichtet sei."
Gemäss dem der Landsgemeinde vorgelegten Beschluss sollte
keine Landentschädigung an das Kloster und an die Gemeinde
bezahlt werden. Zudem sollten Private zu einem Drittel vom Staat
und zu zwei Dritteln vom Kloster entschädigt werden. Das
Baumaterial sollte unentgeltlich gewonnen werden. Die nicht vom
Kloster übernommenen Strassenstücke trug der Staat zu 75 %. Der
Unterhalt lastete jedoch wie bis anhin auf Kloster, Talgemeinde und
Privaten. Dem stimmte Engelberg nur unter Vorbehalten zu.
Dem Regierungsrat lagen am vom 31. August 1870 die
verschiedenen Varianten des Strassenbaus vor. Die Kosten
schwankten je nach Strassenbreite – 15 bis 17 Fuss – zwischen
111'000 und 135‘000 Franken. Aufgrund der Haltung Engelbergs
beschloss der Rat jedoch, das Projekt einstweilen zu verschieben.
Am 24. Mai 1872 wurde dann der Bauvertrag für die untere Strecke
– der Strasse im Grafenort und ein Teil der Bergstrasse – durch
den Regierungsrat genehmigt. Im November 1872 wurde
beschlossen, sich mit dem Kloster betreffend dem Strassenneubau
im Grafenort zu verständigen. Aus den Akten geht hervor, dass das
Kloster für den Strassenbau im Grafenort 8‘000 Franken
beizutragen hatte.
Der Bau der Strasse erfolgte in den Jahren 1872–1874. Der
Neubau erstreckte sich von der Nidwaldner Grenze bis zur Kapelle
im Espen; von da war sie bis zum Hotel Titlis zu korrigieren und um
drei Fuss zu verbreitern. Als Strassenbreite wurden durchgängig 16
Fuss (ca. 4.80 m) angestrebt. Die Baukosten der 8'700 Meter
langen Strasse betrugen 99‘000 Franken. Die im Kostenvoranschlg
mit ca. 10‘000 Franken berechneten Sicherungsarbeiten im
Rosshimmel, zwischen Grünenwald und Taleingang, kamen nicht
zur Ausführung. Gleichzeitig mit der Strasse in diesem Gebiet
wurde in Engelberg auch ein Telegraph eingerichtet.
Von diesen Kosten übernahm der Kanton Obwalden etwa zwei
Drittel, das Kloster einen Neuntel, das Tal zwei Neuntel. Die
Hoteliers Cattani (Titlis) und Landry (Sonnenberg) hatten 4‘000
Franken beizutragen.
Die Unterhaltspflicht blieb auch in der Folge zur Hauptsache dem
Tal und Kloster aufgetragen. Das war für die Sache selbst keine
gute Lösung. Die Arbeit wurde nur mit Widerwillen und oft auch
ohne die nötige Kenntnis und praktische Erfahrung besorgt.
Nachdem die Ablösung der Unterhaltspflicht durch den Kanton für
1915 als Geburtstagsgeschenk zum 100jährigen Beitritt zu
Obwalden nicht zustande kam, glückte diese ein Jahr später, wobei
Kloster und Tal einen einmaligen Betrag von 10‘000 Franken zu
bezahlen hatten.
1937/38 wurde die Strasse unterhalb Grünenwald, 1951 generell,
auf 7 Meter verbreitert (OBWALDNER HEIMATBUCH 1953: 344).
GELÄNDE
Aufnahme 7. Oktober 1992 / LA
Der Verkehr zwischen Stans und Engelberg rollt auch heute noch
über weite Strecken auf der Linie der Kunststrasse von 1869-1874.
Ausnahmen bilden die Teilstücke in Dallenwil, bei Grünenwald und
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östlich von Niederberg. Im Verlaufe der Jahre wurde die
ursprüngliche Strasse aber stark überprägt. Verbreiterungen,
Kurvenausbauten, Stützmauern, Leitplanken und Asphaltierungen
haben das Bild der Strasse vollständig verändert. Auf
nidwaldnerischem Kantonsgebiet übrig geblieben sind bloss noch
die im typisch klassizistischen Stil erbaute Steinbrücke
(Giessenbrücke) bei Dallenwil (vgl. NW 4.3) sowie je eine kurze
Stützmauer bei Chäppeli und Gruebi/Altzellen (Abb. 1).
Ob die Mauer bei Chäppeli tatsächlich Bestandteil der früheren
Kunststrasse ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ist sie
doch 30-40 m vom heutigen Strassenverlauf zurückgesetzt, so dass
sie im aktuellen Kontext nicht mehr unmittelbar der Strasse
zugeordnet werden kann.
Bei Gruebi wird die Strasse von einer rund 40 m langen,
bergseitigen Stützmauer begrenzt. Die trocken gebaute Mauer ist 11.5 m hoch.
Alte Stützmauer an der heutigen
Kantonsstrasse bei Gruebi.
Abb. 1 (LA, 1. 3. 1990)
–––– Ende des Beschriebs ––––