Sweeter Than Roses

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Sweeter Than Roses
Donnerstag, 26. Juni 2014
Helmut-List-Halle, 20 Uhr
Sweeter Than Roses
John Dowland (1563 –1626)
Come again
The lowest trees have tops
Robert Johnson (ca. 1583 –1634)
Have you seen but a white lily grow
Alfonso Ferrabosco d. J. (ca. 1575 –1628)
Pavin & Gigue
(instrumental)
John Dowland
In darkness let me dwell
Can she excuse my wrongs
Come, heavy sleep
Christopher Simpson (ca. 1605 –1669)
Prelude & Divisions in e
(instrumental)
Henry Purcell (1659–1695)
If music be the food of love
(first setting)
O solitude
Sweeter than roses
Anthony Poole (ca. 1630 –1692)
Ground divisions in d
(instrumental)
Henry Purcell
By beauteous softness
(aus der Ode „Now does the Glorious Day Appear“)
Fairest isle
(aus „King Arthur“)
If music be the food of love
(third setting)
Terry Wey, Countertenor
Luca Pianca, Erzlaute
Vittorio Ghielmi, Viola da Gamba
Hörfunkübertragung: Dienstag, 15. Juli, 19.30 Uhr, Ö1
Sweeter Than Roses
In den Lautenliedern von John Dowland
und den „Theatre Songs“ des Henry
Purcell spricht ein ganzes Jahrhundert
­englischer Musikkultur noch heute zu
uns – vom „Golden Age“ der Queen
Elizabeth I. zur Glanzzeit nach der
„Glorious Revolution“ unter der jungen
Queen Mary. Im Dunstkreis der Macht
haben Dowland und Purcell zeitlose
Lieder
über
die
Liebe
geschrieben.
Ad notam
„Nackte“ Lieder
„EIN NACKTES AYRE OHNE JEDE FÜHRUNG, STÜTZE ODER
Farbe außer seiner eigenen wird leicht von jedem Ohr beurteilt
und braucht umso mehr Erfindungskraft, um zu gefallen.“ Der
englische Lautenist Thomas Campion verteidigte mit diesen
Worten 1601 das Lautenlied, „Song“ oder „Ayre“ genannt, gegen
die scharfen Angriffe seiner Gegner aus dem konservativen
­Lager des „Consort Song“. Die alten Herren wollten Kontrapunkt
hören und kunstvolle Verflechtungen der Singstimme mit den
Instrumenten, die jungen Komponisten wollten etwas ganz
­anderes: schöne Texte in eingängige Melodien übersetzen, den
Affekt zum Sprechen bringen, anrührenden Sologesang mit
sparsamer Lautenbegleitung verbinden.
Mit dieser Erfindung schrieben die Meister des Lautenliedes Ge­
schichte. Bis 1705 die italienische Opernarie nach London kam
und das Lied zur Begleitung der Laute verdrängte, beherrschte
der englische Song ein Jahrhundert lang die vornehmen Recep­
tion Rooms der „Upper Class“ ebenso wie die Tavernen und
­Theater Londons. Seine größten Meister waren John Dowland
zu Beginn des Jahrhunderts und Henry Purcell an seinem Ende.
Dowland brachte 1597 mit seinem „First Booke of Songes or
Ayres“ den Stein ins Rollen. Von den letzten Regierungsjahren
der „jungfräulichen Königin“ Elizabeth bis in die frühe Amtszeit
ihres Nachfolgers James I. reichte der Boom der Lautenlieder.
Bis 1620 erschienen mehr als 30 Bücher mit insgesamt rund
600 Lautenliedern, danach brach die Tradition plötzlich ab, weil
die komponierenden Lautenisten um 1620 nacheinander ver­
starben und mit der Thronbesteigung von Charles I. 1625 der
„Theatre Song“ den „Lute Song“ verdrängte. Schon Robert John­
son schrieb sein Lied „Have you seen but a white lily grow?“ als
„Theatre Song“ für Ben Jonsons berühmte Komödie „The Devil is
an Ass“. Dies geschah 1616 unter James I. Mit Johnsons Songs
betrat das Lautenlied die Theaterbühne, wo es zu Purcells Zeit
seine größten Erfolge feiern sollte.
Dowlands Melancholie und Erotik
DASS JOHN DOWLAND DER GENIALSTE UNTER ALLEN
­„Liedermachern“ und Lautenisten der elisabethanischen Zeit
war, wussten schon die Zeitgenossen. Durch sein melancho­
lisches Temperament aber stand er sich selbst im Weg. „Semper
Dowland, semper dolens“ schrieb er selbst über eine seiner aus­
drucksvollen Pavanen für Laute. Die „Elizabethan Melancholy“ –
eigentlich eine Manier der englischen Adligen und Dichter, die
man seinerzeit auf ein Übermaß an schwarzer Galle und die
­ungesunde Mischung der Körpersäfte zurückführte – hatte für
den Musiker fatale Folgen. Weil ihm Queen Elizabeth den ­Posten
eines Hoflautenisten verweigerte, grollte und schmollte er, floh
im Zorn auf den Kontinent, mischte sich in katholische Kreise,
was ihn als potentiellen Spion verdächtig machte, und diente
lieber ausländischen Potentaten wie dem Markgrafen von Hes­
sen-Kassel oder dem Dänenkönig Christian IV. als den ­Adligen
seiner Heimat. Erst James I. bot ihm endlich in späten Jahren
die ersehnte Stelle an – ein schwacher Ersatz für das vergällte
Lebensglück.
Von der schwarzen Galle des John Dowland zeugen jene Lieder,
die man „Songs of darkness“ genannt hat. Wir hören aus dieser
Gruppe lediglich einen Song, das berühmte „In darkness let me
dwell“. Es ist das Selbstporträt des notorischen Melancholikers
Dowland: „Lass mich in Dunkelheit wohnen! Sorge soll der Fuß­
boden sein, das Dach Verzweiflung, um alles helle Licht von
mir fernzuhalten, die Wände aus schwarzem Marmor sollen
feucht werden vom Weinen.“ Aus der Tiefe steigt die Singstim­
me durch etliche Vorhalte in die Höhe der äußersten Ver­
zweiflung empor.
Gott sei Dank lässt uns Terry Wey nicht lange in diesem Haus der
schwärzesten Melancholie verweilen. Stattdessen singt er lieber
Dowlands liebliche Liebeslieder, die von seinem Sinn für Erotik
zeugen und von der meisterhaften „Vermählung zwischen Musik
und süßer Poesie“, wie es die Zeitgenossen nannten. „Come again“
ist das Musterbeispiel dieses leichten Stils: „To see, to hear, to
touch, to kiss, to die in sweetest sympathy“ heißt es in diesem
Lied, „sehen, berühren, küssen, sterben in süßester Sympathie“.
Kein englischer Musiker hätte die Steigerung Stufe um Stufe hin
zum Höhepunkt erotischer Ekstase schöner beschreiben können
als Dowland – es sei denn Purcell 80 Jahre später.
Wie fast alle Komponisten von Lautenliedern war auch Dow­
land Lautenist und nicht Sänger, daher sind manche seiner
Lieder auch in Versionen für Laute solo überliefert. „Can she
excuse my wrongs“ trägt als Lautenstück den Titel „The Earle of
Essex Galiard“. Deshalb darf man vermuten, der Autor des
Textes sei kein Geringerer als Robert Devereux, der berühmte
zweite Earl of Essex gewesen. Mit 25 Jahren stieg der Kriegs­
held, Schöngeist und Schönling zum Favoriten von Queen
­Elizabeth auf, die oft genug Gelegenheit hatte, sich über die
Schwächen ihres Geliebten zu beklagen, wenn er sich mit Sir
Walter Raleigh duellierte, den spanischen Hafen Cádiz überfiel
oder andere Wildheiten beging. Aus gutem Grund wurde ver­
mutet, dass sich Essex mit diesem Lied wieder einmal bei seiner
königlichen Gönnerin und Geliebten entschuldigen wollte.
­Seine letzte ­Untat, einen Staatsstreich gegen ihren Kanzler Sir
Robert ­Cecil, konnte ihm Elizabeth nicht verzeihen: 1601 ließ sie
ihn im Tower enthaupten.
Henry Purcells „Liebesbegleiter“
VOM SPANNUNGSVOLLEN VERHÄLTNIS ZWISCHEN LIEBE UND
Macht zeugen auch manche Lieder Henry Purcells. Die meisten von
ihnen wurden für Londons Bühnen geschrieben und später in prak­
tischen Ausgaben zum häuslichen Musizieren herausgegeben. Eine
dieser Sammlungen trug den einleuchtenden Titel „Comes Amoris;
or the Companion of Love“, sprich: „Der Liebesbegleiter“. So nannte
der Londoner Verleger John Carr eine Sammlung mit Solosongs,
die er 1687 zum Druck gab. Unzählige solcher Kollektionen erschie­
nen damals unter den blumigsten Titeln, um den Bedarf der vor­
nehmen Engländer und besonders Engländerinnen an Liebesliedern
zu befriedigen. Auch anspruchsvolle Arien fanden ihren Weg in
dergleichen Bände. John Carrs „Liebesbegleiter“ war so erfolgreich,
dass er bis 1693 drei weitere Bände unter diesem Titel heraus­
brachte. In jedem von ihnen war Henry Purcell der Star. Der
­Komponist ging sogar so weit, das Vorwort zum ersten Band „To all
­lovers of music, performers and scrapers“ zu vertonen. Außerdem
stellte er Carr einige seiner besten Lieder zur Verfügung.
Eines davon ist „If music be the food of love“. Kein Text könnte
besser in eine Sammlung mit dem Titel „Liebesbegleiter“ passen:
„Wenn Musik der Liebe Nahrung ist, sing weiter, bis ich von
Freude ganz erfüllt bin“. In Carrs Sammlung erschien das Lied in
a-Moll, doch hat Purcell später denselben Text noch ein zweites
Mal in g-Moll vertont. Diese Fassung wurde 1692 im „Gentleman’s
Journal“ gedruckt und dank eines Neudrucks im Jahre 1908 zu
einem der populärsten Purcell-Lieder überhaupt. Freilich lohnt
sich auch der Blick in die erste Fassung wegen ihrer feinen melo­
dischen Zeichnung und der subtil ausgekosteten erotischen
­Details: „Your eyes, your mien, your tongue declare that you are
music everywhere!“ „Deine Augen, deine Miene, deine Zunge ver­
künden, dass du überall aus Musik bestehst!“ Terry Wey singt
beide Vertonungen. (Von drei Fassungen spricht man nur, weil
die erste Vertonung in zwei Versionen vorliegt.)
„A Song upon a Ground by Mr. Henry Purcell“ steht über einem
weiteren Glanzstück im „Liebesbegleiter“: „O solitude, my
sweetest choice“. Purcell schrieb dieses Solo über einem „Grund­
bass“, einem „Ground“ von vier Takten, der 24-mal wiederholt
wird. Gleichsam mit schweren Schritten, im pathetischen Drei­
halbetakt zieht das melancholische Mollthema seine Bahn,
­während der Sänger darüber immer neue Variationen singt,
reich an Melismen und ausdrucksstarken Intervallen. Der eng­
lische Dirigent Robert King nannte diesen Song in seiner Pur­
cell-Biographie „eines der größten Juwelen unter seinen Solo­
songs“ und beschrieb den Aufbau in begeisterten Worten: „Über
24 hypnotischen Wiederholungen des melancholischen Grund­
basses schlängelt sich die Sololinie des Sängers und illustriert in
vielfältiger Weise die Metaphern eines schönen Textes.“ Die
Dichterin Katherine Philips wusste, wovon sie schrieb, als sie
die Einsamkeit pries: Sie verbrachte ihr Leben fernab von Lon­
don in der ländlichen Abgeschiedenheit von Denbighshire im
Nordosten von Wales.
Vier letzte Lieder
„SWEETER THAN ROSES“ ENTSTAMMT DER VORLETZTEN
Schauspielmusik, die Purcell vor seinem Tod noch vollenden
konnte. Zu Beginn der Winterspielzeit 1695/96 erlebte die Tragö­
die „Pausanias oder Der Verräter seines Landes“ von Richard
Norton ihre Uraufführung. Purcell konnte nur noch zwei Songs
beisteuern, bevor er von seiner letzten Krankheit ans Bett ge­
fesselt wurde. Ähnlich wie bei Mozart, der mit 35 Jahren ver­
starb, scheint eine Virusinfektion eine unerwartet dramatische
Wendung genommen zu haben, so dass Purcell sein Testament
erst wenige Stunden vor seinem Tod mit letzter Kraft abfassen
konnte. Er starb am 21. November 1695 im Alter von 36 Jahren,
plötzlich und unerwartet, wie seine Witwe Frances bestätigte.
Die Nachricht von seinem Tod legte sich wie ein dunkler Schat­
ten über die Feierlichkeiten zum Caecilientag am 22. November
– beide Daten übrigens nach dem Alten Stil. In England wurde
der gregorianische Kalender erst 1752 eingeführt – sieben Jahre
vor Händels Tod und mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem
Tod Purcells. In England gingen die Uhren bzw. der Kalender
eben schon damals anders.
„Sweeter than roses“ wurde durch die tragischen Begleitum­
stände zu einem der „Vier letzten Lieder“ von Purcell. Es strahlt
vollkommen die dazu passende Melancholie aus. Wieder zitieren
wir Robert Kings begeisterte Beschreibung: „Der Text inspirierte
Purcell zu einem seiner intensivsten Liebeslieder, voll der
­sinnlichsten Textausdeutungen. Die ‚kühle Abendbriese‘ weht
sanft durch die Musik, der ‚süße Kuss, der mich erzitternd
­frösteln machte‘ wird durch eine atemberaubende harmonische
Rückung hervorgehoben, um gleich danach das eindringlichste
Bild des Liebesfeuers zu zeichnen (‚und schoss danach wie Feuer
überall hervor‘). Die leidenschaftliche Arie, die sich anschließt,
wird in ihrem triumphalen Bekenntnis zum Sieg der Liebe nur
durch eine kurze Erinnerung an jenen süßen Kuss aufgehalten.
Purcell hat die Uraufführung dieses Liedes vermutlich nicht
mehr hören können.“
Die schöne Königin und ihre Insel
DIE LETZTEN LIEDER DES PROGRAMMS ENTHALTEN WIEDER
politische Botschaften, eingekleidet in die schönsten Melodien.
Kaum war die „Glorious Revolution“ glücklich vollzogen, kaum
hatte Queen Mary mit ihrem Gemahl William III. den Thron
ihres vertriebenen Vaters bestiegen, da liefen die Vorbereitungen
zur Krönung in Westminster Abbey auf Hochtouren. Sie war für
den 11. April 1689 vorgesehen. Dennoch galt es, den 27. Geburts­
tag der neuen Königin nicht zu vergessen, der auf den 30. April
fiel. Zu dieser Gelegenheit schrieb Purcell die erste jener sechs
Geburtstagsoden, die er bis zu ihrem vorzeitigen Tod 1694 der
Königin widmen sollte. Höhepunkt der ersten Geburtstagsode
ist das Altsolo „By beauteous softness mixed with majesty“,
„Durch schöne Sanftheit, verbunden mit Majestät“. Über einem
wahrhaft sanft in die Tiefe fallenden Grundbass im Dreiertakt
stimmt der Altist sein Lob der vollendeten Königin an, die wohl
nie zuvor einen Lobpreis von so schmelzender Schönheit gehört
hatte. In der Ode fallen am Ende die Streicher mit einem wun­
derschönen fünfstimmigen „Ritornello“ ein, das unsere Inter­
preten durch ein Duo für Laute und Gambe ersetzen.
Zwei Jahre später, kurz nach ihrem 29. Geburtstag, durfte die
Königin im Dorset Garden Theatre eine Huldigung ganz anderer
Art entgegennehmen: Purcell und der englische Dichterfürst
John Dryden brachten „King Arthur“ auf die Bühne, eine Ver­
herrlichung des sagenumwobenen König Artus in Form einer
„Semi-Opera“. Drydens dramatische Handlung wurde immer
wieder von musikalischen Einlagen unterbrochen, die wie „Fan­
tasy-Filme“ in fantastische Welten führten, aber auch die hero­
ische Seite des Dramas nach Kräften unterstrichen. Schließlich
ging es um „The British Worthy“, wie der Untertitel des Dramas
versprach, um den überragenden Wert Britanniens auf dem
Schlachtfeld und in Friedenszeiten. Unter all dem Pomp und der
„Action“ in Purcells Musik zu „King Arthur“ ragt eine simple
­Melodie leuchtend hervor: „Fairest isle, all isles excelling, seat of
pleasures and of love“, „Schönste Insel, die alle Inseln übertrifft,
Sitz der Vergnügen und der Liebe“ – das schönste Loblied, das in
barocker Zeit auf die Insel Britannien verfasst wurde. Selbst
Purcell, dem so viele unvergessliche Melodien eingefallen sind,
hat nur einmal ein so himmlisch schönes langsames Menuett
erfunden.
Instrumentale Intermezzi
DREI INTERMEZZI AUS DEN ZEITEN DOWLANDS UND
­Purcells haben sich Vittorio Ghielmi und Luca Pianca herausge­
sucht. Sie verbinden den Klang der Erzlaute mit dem der Bass­
gambe in Tänzen und „Grounds“. Zufällig stammen alle drei
Stücke von katholischen Komponisten, was im England des
17. Jahrhunderts alles andere als selbstverständlich war.
Der Stammbaum der Ferraboscos füllt in der führenden eng­
lischen Musikenzyklopädie fast eine ganze Seite, so weit ver­
zweigt war diese Bologneser Musikerfamilie. Ihr bekanntestes
Mitglied, der jüngere Alfonso, hat jedoch Italien nie gesehen. Er
kam um 1575 in Greenwich zur Welt, als uneheliches Kind seines
Vaters Alfonso, der damals in Diensten der englischen Königin
stand. Als der ältere Alfonso nach Italien zurückkehrte, bat er
Elizabeth vergeblich um die Herausgabe seiner Kinder, die in der
Obhut eines königlichen Musikers erzogen wurden – als Geiseln.
Elizabeth hatte eine so neurotische Angst vor katholischen Ver­
schwörungen, dass sie selbst Kinder von ihren Eltern trennte.
Der jüngere Alfonso wurde als Engländer erzogen und avan­
cierte später unter den Stuartkönigen zum bedeutendsten Kom­
ponisten für die Viola da Gamba. Er leitete das königliche Gam­
benconsort und beeindruckte selbst die italienischen Musiker
der Königin Henrietta Maria dermaßen, dass sie zugaben, in
ganz Italien gäbe es keinen Gambisten wie den großen „Farabos­
co aus England“.
Christopher Simpson war zwar Katholik wie Ferrabosco, aber
kein Jesuit wie Anthony Poole. Seine Identifikation mit einem
1634 zum Priester geweihten Jesuiten gleichen Namens aus
Yorkshire hat sich als falsch erwiesen – Gott sei Dank, sonst
­hätte man das wunderschöne Porträt Simpsons in der Faculty
of Music der Universität von Oxford sicher von der Wand ge­
nommen. Als guter Katholik war Simpson ein treuer Anhänger
der Stuarts, stand mit den Truppen von Charles I. im Feld gegen
die „Iron Sides“ des Oliver Cromwell. Nach der Hinrichtung des
­Königs musste er die Zeit der puritanischen Diktatur aussitzen,
wurde aber von Charles II. wieder in Ehren aufgenommen.
Durch sein Buch „The Division-Violist“ wurde er zum wich­
tigsten englischen Musiktheoretiker des 17. Jahrhunderts, zu­
gleich war er ein so virtuoser Gambist, dass sich sein Ruf bis
nach Rom herumsprach. Wir hören eines seiner Präludien und
virtuose Variationen, so genannte „Divisions“.
Anthony Poole war Jesuit – ein Wort, das die Engländer noch
heute mit Schrecken erfüllt, wurde doch seit den Zeiten der glor­
reichen Queen Elizabeth so gnadenlos gegen die Gesellschaft
Jesu polemisiert und so grausame Menschenjagd auf ihre Mit­
glieder gemacht, dass es schon ein hohes Maß an Mut erforderte,
als Engländer Jesuit zu werden. Anthony Poole wurde es 1646
am English College in Rom, von wo er nur deshalb wieder nach
England zurückkehren konnte, weil King James II. selbst Katho­
lik war. Nicht zufällig sind die wenigen Werke, die wir von Poole
kennen, in einem Oxforder Manuskript mit dem Wappen des
­Königs überliefert. Meistens handelt es sich um „Ground di­
visions“, also um virtuose Variationen über einen Grundbass.
Wir hören ein besonders schönes Beispiel für diese Form, das
Pooles Virtuosität auf der Gambe belegt.
Josef Beheimb
Die Interpreten
Terry Wey, Countertenor
TERRY WEY WURDE 1985 IN EINE SCHWEIZER-AMERIKA­
nische Musikerfamilie geboren und erhielt seine Gesangsausbil­
dung als Solist der Wiener Sängerknaben bei Silvija V. Purchar
sowie später bei Kurt Equiluz und Christine Schwarz am Kon­
servatorium Wien Privatuniversität, wo er auch Klavier-Kon­
zertfach studierte. Über erste Auftritte mit dem Clemencic Con­
sort 2003 fand der junge Preisträger mehrerer Wettbewerbe
rasch Anschluss an die internationale Konzert- und Opernszene.
Unter Dirigenten wie William Christie, Thomas Hengelbrock,
Marc Minkowski oder Michael Hofstetter, mit Originalklang­
orchestern wie dem Balthasar-Neumann-Ensemble, Les Arts
­Florissants oder Les Musiciens du Louvre Grenoble war er in be­
deutenden Festivals und Konzertsälen zu Gast.
Auf der Bühne interpretierte der Countertenor so unterschied­
lichste Rollen. Bisherige Höhepunkte bildeten seine umjubelte
Interpretation der männlichen Hauptrolle in Händels „Parteno­
pe“ am Theater an der Wien an der Seite von Christine Schäfer
(Christophe Rousset / Pierre Audi, 2009), Jommellis „Betulia
­Liberata“ bei den Salzburger Pfingstfestspielen 2010 unter
­Riccardo Muti in der Felsenreitschule sowie die Rolle des Ar­
samenes in Stefan Herheims gefeierter Inszenierung von Hän­
dels ­„Xerxes“ an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf
(2013).
Daneben führte seine Liebe zur Renaissancemusik zur Grün­
dung des Vokalensembles Cinquecento sowie zu Auftritten mit
führenden Ensembles wie dem Huelgas Ensemble, Le Poème
Harmonique oder Weser-Renaissance. Als Diskografie liegen von
ihm vor: unter anderem sieben CDs mit Cinquecento, weiters
Pergolesis „Stabat Mater“ mit dem Counter-Kollegen Valer
­Sabadus (Oehms) oder Bachs h-Moll-Messe unter der Leitung von
Marc Minkowski.
Luca Pianca, Erzlaute
DER IN LUGANO GEBORENE LUCA PIANCA IST DERZEIT
einer der gesuchtesten Musiker auf dem Gebiet der Interpreta­
tion auf Originalinstrumenten. Er nimmt seit vielen Jahren
­regelmäßig an zahlreichen Festivals und Konzertserien in ganz
Europa, den USA und in Japan teil. Solistisch feiert er weltweit
große Erfolge und tritt regelmäßig als Partner von herausra­
genden Sängerinnen auf, darunter Cecilia Bartoli, Silvia McNair
oder Eva Mei. Seit 1982 arbeitet er mit Nikolaus Harnoncourt –
bei dem er am Mozarteum in Salzburg studiert hat – zusammen.
Er ist ferner einer der Mitbegründer des Mailänder Ensembles „Il
Giardino Armonico“.
Seit 1999 bereits arbeitet er im Team mit Vittorio Ghielmi zu­
sammen, seit 2001 mit Roman Turovsky-Savchuk, einem zeitge­
nössischen Lautenkomponisten, von dem er zahlreiche Werke zur
Uraufführung brachte. 2008 hat er gemeinsam mit Georg Nigl im
Wiener Konzerthaus einen Bachkantatenzyklus installiert.
Die Teldec hat mit Luca Pianca einen Exklusivvertrag abgeschlos­
sen: Am Markt sind vorerst Einspielungen der gesamten Lauten­
werke Bachs und Vivaldis erhältlich. Ebenso eine erkleckliche
Zahl an Einspielungen gemeinsam mit Vittorio Ghielmi. Seine
CDs erhielten fünf Diapason d’Or, vier Choc du Monde de la
­Musique, den Gramophone Award 1996 und den Deutschen
Schallplattenpreis 1998. Luca Pianca gibt bis zu 100 Konzerte pro
Jahr, darunter Soloauftritte vom Wiener Musikverein bis hin zur
Carnegie Hall New York. Neues Terrain betrat er im ­September
2001: Ein Auftritt mit Sting stand auf dem Programm.
Vittorio Ghielmi, Viola da Gamba
DER MAILÄNDER VITTORIO GHIELMI GEWANN 1995 DEN
­Internationalen Wettbewerb „Romano Romanini” für Barock­
streichinstrumente in Brescia; 1997 wurde ihm „The Erwin Bod­
ky Award” in Cambridge, Massachusetts, verliehen.
Vittorio Ghielmi spielt als Solist mit verschiedenen Orchestern
in den bedeutendsten europäischen und amerikanischen Kon­
zertsälen. Er konzertierte im Duo mit dem Cembalisten Gustav
Leonhardt, mit Cecilia Bartoli, András Schiff, Thomas Quast­
hoff, Mario Brunello, Enrico Onofri, Viktoria Mullova, Giuliano
Carmignola und vielen anderen und tritt regelmäßig mit Luca
Pianca, Christophe Coin und Il Giardino Armonico auf. Er ist
­einer der wenigen Gambisten, der auf Einladung von Orchestern
immer wieder als Solist zu hören ist (mit Konzerten für Viola da
Gamba und Orchester von Johann Gottlieb Graun, Telemann
und anderen). Zahlreich sind seine CD-Einspielungen, auch ge­
meinsam mit Luca Pianca.
Er hat als Interpret bei Weltpremieren vieler neuer Komposi­
tionen mitgewirkt (etwa Kevin Volan „White Man’s Sleep“, ­Nadir
Vassena „Bagatelle trascendentali“, Uri Caine, Konzert für Viola
da Gamba und Orchester, das ihm gewidmet ist).
Gern befasst er sich mit der Didaktik seines Instrumentes und
der Herausgabe von unveröffentlichtem Repertoire. Er ist Grün­
der des Ensembles „Quartetto Italiano di viole da gamba” und
von „Il Suonar Parlante“. Der Inhaber des Lehrstuhls für Viola
da Gamba am Luca Marenzio Konservatorium in Brescia und
der Professur für Viola da Gamba am Mozarteum in Salzburg
gibt Meisterklassen und Vorlesungen an Universitäten und
­Konservatorien auf der ganzen Welt.
Vittorio Ghielmi spielt auf einer Gambe von Michel Colichon,
Paris 1688.
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O Sweet Woods
Englische Lautenlieder von Dowland (O Sweet Woods /
The Lowest Trees Have Tops), Morley und Danyel
(Thou Pretty Birds) u. a.
Spanische Gitarrenlieder von Marin, Durón u. a.
Mariana Flores, Sopran
Hopkinson Smith, Laute & Barockgitarre
John Dowland kennt man als tränenreichen Sänger der „English
Melancholy“ im Zeitalter Elisabeths I. Hopkinson Smith zeigt ihn
von einer ungewohnten Seite: als Meister fröhlicher Naturlieder.
Auf der Laute trägt er die bildschöne Argentinierin Mariana
­Flores, wenn sie die heitersten Lieder der englischen Renaissance
anstimmt. Nach der Pause geht es ins Spanien der Barockzeit, das
keineswegs nur streng und düster war. In den herrlichen „Tonos
humanos“ des Juan Marín geht es um die Nachtigall im Lorbeer­
baum und andere Naturgeschichten, gehüllt in den Klang der
­spanischen Barockgitarre.
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